04.01.2013 Aufrufe

Iss lecker

Iss lecker

Iss lecker

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Lachen gibt’s beim Käse gratis<br />

Etwa zwei Liter<br />

Milch gibt eine<br />

Ziege pro Tag<br />

Detlef Möllgaard<br />

und Frau Karla sind<br />

die Wegweiser der<br />

Käsestraße<br />

aufkommen. Die Milchwirtschaft nahm einen<br />

schnellen Aufschwung. Bekannt sind die<br />

Zahlen von der Halbinsel Eiderstedt. Über die<br />

amtliche Waage im Hafen von Tönning gingen<br />

im Jahre 1583 Käseausfuhren nach anderen<br />

Städten, vorwiegend Hamburg und Bremen,<br />

von 1,5 Millionen Pfund. 1610 waren es bereits<br />

3 Millionen.<br />

Milchverarbeitung war Frauensache. Die Holländerin<br />

hatte eine Schar von Milchmädchen<br />

zur Hilfe, meist junge Frauen aus Dänemark<br />

oder Schweden. Legendär sind die Käsesorten,<br />

die produziert wurden. Dass es nicht nur Kuhmilch<br />

war, die verarbeitet wurde, beweist folgender<br />

Bericht aus dem Jahr 1872: „…machten<br />

viele Holländer noch grünen mit Schafsmist<br />

gefärbten Käse. Da mussten ein oder zwei<br />

Mädchen etwa 4 Kannen (ca. 7 Liter) Schafsmist<br />

sammeln. Dieser wurde in 10 Kannen<br />

heißer Milch aufgelöst und in Leinwand ausgepresst.<br />

Die grüne Jauche goss man in die<br />

für den Käse vorgesehene Milch, bevor Lab<br />

hinein kam. Wenn diese Käse 8 bis 9 Wochen<br />

alt waren, hatten sie eine schöne gelb-grüne,<br />

olivgrüne Farbe und schmeckten viel besser,<br />

als die weißen. Mit einem Fuder grünen war<br />

ich in der Heuernte zum Bornhöver Markt.<br />

Das war der Seltenheit wegen ein Greifen danach.<br />

Ich hätte leicht noch ein Fuder mehr<br />

verkaufen können und bekam reichlich ein<br />

Viertel Schilling mehr für das Pfund.“ Auch<br />

hier war – wie in der Regel – für den kaufmännischen<br />

Part der Mann, sprich der Holländer,<br />

zuständig, er sorgte für Verkauf und Auslieferung.<br />

Selbstverständlich produzierten die<br />

Holländer „ihre“ Käsesorten in der neuen<br />

Heimat, also Gouda oder Edamer.<br />

Richtig Furore machte allerdings der Tilsiter,<br />

wie er heute noch in Holtsee produziert wird.<br />

Im Naturpark Hüttener Berge, nahe der<br />

Eckernförder Bucht, liegt die Käserei Holtsee.<br />

Sie wurde im Jahr 1938 von 40 Milchbauern<br />

als Meiereigenossenschaft Holtsee eG gegründet,<br />

um sich von Beginn an auf die Produktion<br />

von Käse zu spezialisieren. Heute liefern<br />

„ … grüne Jauche goss man in die für<br />

den Käse vorgesehene Milch. Wenn diese<br />

Käse 9 Wochen alt waren, hatten sie eine<br />

schöne gelb-grüne Farbe und schmeckten<br />

viel besser, als die weißen.“<br />

rund 200 Erzeugerbetriebe aus dieser Region<br />

ihre Milch an die Käserei. Im Jahr werden 70<br />

Millionen Kilogramm Rohmilch zu Tilsiter-<br />

Spezialitäten verarbeitet, wobei „Der kleine<br />

Holtseer“ seit Jahrzehnten zu den bekanntesten<br />

Käsesorten aus dem Norden Deutschlands<br />

zählt. Die Produktionspalette reicht<br />

vom mild-aromatischen Holtseer Butterkäse<br />

über den herzhaft-würzigen Holtseer Tilsiter<br />

bis hin zum pikanten bis „scharfen“ Alten<br />

Holtseer Tilsiter, der garantiert 6 Monate gereift<br />

ist.<br />

Daneben gibt es im Käseland Schleswig-Holstein<br />

mittlerweile viele kleine Käsereien, die<br />

weit über die Grenzen des Landes bei Gourmets<br />

ein leichtes, leises Sabbern auslösen.<br />

Der Gedanke an „Husumer“ von der Rohmilchkäserei<br />

Backensholz beispielsweise lässt<br />

die Speichelproduktion explodieren. Backensholz<br />

ist in der dritten Generation im Familienbesitz.<br />

Ernst Metzger-Petersen heißt der<br />

Chef und er bewirtschaftet den elterlichen<br />

Hof mit seiner Frau Martina seit 1978. Es war<br />

ein ganz normaler Hof, bis 1986. Tschernobyl<br />

war der Einschnitt, der die Metzger-Petersens<br />

umdenken ließ. „Wir hatten damals drei Kinder<br />

und wussten, es muss sich was ändern.“<br />

1989 wurde der Hof auf Bioland Richtlinien<br />

umgestellt. Metzger-Petersens sind leidenschaftliche<br />

Weintrinker und was liegt näher,<br />

wenn man Milch produziert, seiner Passion<br />

noch einen zusätzlichen Kick zu geben und<br />

Käse zu machen. Guten Käse für guten Wein.<br />

Von 1991 an wurde dies die Domäne von<br />

Martina Metzger-Petersen. Viele neue Käsesorten<br />

hat sie kreiert. Ihr Verdienst ist es, dass<br />

Backensholzer Rohmilchkäse inzwischen zur<br />

Spitzenklasse gehört. „Die frisch gemolkene<br />

Milch wird nicht wärmebehandelt und nicht<br />

entrahmt, sondern bleibt roh mit allen ihren<br />

guten und natürlichen Bestandteilen. Zusätze<br />

wie Salpeter, Kalziumchlorid oder andere Konservierungsstoffe<br />

verwenden wir nicht,“ beschreibt<br />

die Käserin ihre Arbeit. „Rohmilchkäse<br />

sind ‚lebendige’ Käse, weil die lokaltypische<br />

Artenvielfalt an Gräsern sich im Aroma wider-<br />

spiegelt.“ Europaweit wird Backensholzer<br />

mittlerweile versandt und kassiert Preise, zum<br />

Beispiel den World Cheese Award.<br />

Fragt man Dr. Burchard Bösche, den Slow<br />

Food Vorsitzenden von Hamburg, nach Käse<br />

in Schleswig-Holstein, dann darf man gewiss<br />

sein, eine Philippika zu ernten. Das Land<br />

mache zu wenig aus seinem Käse. Schleswig-<br />

Holstein müsse mit der Geschichte seiner<br />

Produkte werben, plädiert der Rechtsanwalt.<br />

Bösche wirbt für Vielfalt. Auch praktisch, vor<br />

kurzem hat er das Rezept des Lederkäses wieder<br />

gefunden. Der wird nun auf einem Hof<br />

bei Bredstedt produziert. Bei Lederkäse handelt<br />

es sich um einen Magermilchkäse, leicht<br />

und kalorienarm, vergleichbar mit dem Harzer.<br />

Im Unterschied zu dem wird der Holsteiner<br />

Lederkäse nicht aus Sauermilchquark<br />

gemacht, sondern aus süßer Milch. Der entstehende<br />

Frischkäse wird geknetet, damit<br />

möglichst viel Molke aus dem „Bruch“ entfernt<br />

wird. Zusätzlich wird der Käse gepresst.<br />

So entsteht ein fester Käse, der nach kurzer<br />

Zeit eine Rinde ausbildet, die ihm den Namen<br />

gegeben hat: Lederkäse. Auf seinen Geschmack<br />

muss auch Theodor Storm gekommen sein,<br />

denn er verarbeitet den Käse in seiner Geschichte<br />

„Hinzelmeier“. Gemeinsam mit dem<br />

Kaspar findet der Protagonist den „Stein der<br />

Weisen“, der was ist? Natürlich: „Dieses ist ein<br />

so genannter Lederkäse und muss mit des<br />

Himmels Hilfe gegessen werden. Bedienen<br />

Sie sich, Herr Kollege!“<br />

Lederkäse gehört noch nicht zu dem Sortiment<br />

von Roswitha Mattsson. Noch nicht.<br />

Aber wenn ihr einer von ihren Kunden von<br />

dem Käse erzählt, der mit dem Stein der Weisen<br />

verwechselt worden ist und den man mit<br />

„des Himmels Hilfe“ essen muss, wird sie<br />

Himmel und Hölle in Bewegung bringen, um<br />

ihn zu bekommen. Und dann wird zwischen<br />

der Ziegenbutter und dem Bockhornkleesamen-Käse<br />

der Holsteiner Lederkäse zu finden<br />

sein. „Da staunen Sie, was?“ und dann<br />

wird sie wieder ihr Lachen lachen. Denn das<br />

gibt’s beim Käse gratis dazu<br />

6 iss <strong>lecker</strong>. iss <strong>lecker</strong>.<br />

Aus zehn Litern<br />

Milch wird ein Kilo<br />

Käse nach angemessener<br />

Reifezeit<br />

Vielfalt, bis der<br />

Tisch sich biegt:<br />

Käse aus Schleswig-Holstein.<br />

7

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!