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IV - Auslandsösterreicher-Weltbund

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INTERVIEW<br />

Verliebt erliebt in Österreich<br />

Sie schreibt die Urkunden für die Nobelpreise<br />

auf Pergament mit Federkiel: Annika<br />

Rücker sprach in Stockholm für ROT<br />

WEISS ROT mit Reiner Gatermann.<br />

Annika Rücker befindet sich derzeit in<br />

einer „wahnsinnigen Auseinandersetzung“.<br />

Die Herausforderung hat sie sich selbst<br />

gestellt: Zu entscheiden, wo sie leben will.<br />

In Schweden oder Österreich. Emotional ist<br />

die Antwort einfach: „Wien ist eine faszinierende<br />

Stadt, und ich bin verliebt in<br />

Österreich.“ Aber da gibt es auch noch eine<br />

profane, materielle Seite der Medaille. „Ich<br />

habe meine Arbeit in Schweden.“<br />

Und was für eine Arbeit. Die 1942 in<br />

Stockholm geborene Annika Rücker ist<br />

eine herausragende Kalligrafin, in Schweden<br />

gibt es keine bessere. Der Beweis ist<br />

leicht zu erbringen: 1988 wurde sie auf<br />

Empfehlung ihres Vorgängers gefragt, ob<br />

sie die Urkunden für die Nobelpreisträger<br />

in Physik, Chemie und Wirtschaft schreiben<br />

möchte, ein Jahr später kam der Literaturpreis<br />

hinzu. „Sie war für Boris Pasternak,<br />

ich verbrachte schlaflose Nächte.“<br />

Seitdem hat die Künstlerin 118 Nobel-<br />

Urkunden geschrieben, in diesem Jahr<br />

kommen neun hinzu.<br />

Nur den Medizin-Preis hat sie nicht,<br />

„aber dafür hätte ich auch gar keine Zeit“.<br />

Denn jede Urkunde „bedeutet eine Auseinandersetzung<br />

mit der Persönlichkeit des<br />

Laureaten“. Schließlich schreibt Annika<br />

Rücker nicht nur den Urkundentext, sondern<br />

entwirft auch das Monogramm, das<br />

die erste Seite der in Leder gebundenen<br />

Diplom-Mappe ziert. Und dies soll den Charakter<br />

des Preisträgers widerspiegeln. In<br />

diesem Jahr bereitet es der Kalligrafin eine<br />

besondere Freude, das Monogramm für die<br />

Literaturpreisträgerin zu entwerfen und<br />

deren Urkunde zu schreiben: „Ich war so<br />

überrascht und habe mich so sehr gefreut,<br />

dass eine Österreicherin den Preis bekommen<br />

hat.“ Jetzt ist Annika Rücker damit<br />

beschäftigt, „mir ein Bild von ihr zu<br />

machen“ und liest deswegen ihr Buch „Die<br />

Klavierspielerin“.<br />

„Erst wenn der König am 10.Dezember<br />

den Preisträgern die Urkunde überreicht<br />

hat, kann ich mich entspannen“ und am<br />

Abend das Bankett, zu dem sie immer eingeladen<br />

ist, genießen. Schließlich könne<br />

bis dahin ja so einiges passieren. Das Pergament,<br />

auf dem der Text für die Literaturpreisträgerin<br />

geschrieben wird, die Künstlerin<br />

holt es übrigens jedes Jahr persönlich<br />

aus dem österreichischen Enns, könnte brechen<br />

oder anderes Unheil geschehen. Aus<br />

Österreich kommt nicht nur das Pergament,<br />

sondern – aus Schwechat – auch das Blattgold,<br />

das die Schönschreiberin verschiedentlich<br />

für die Urkunden verwendet.<br />

Elfriede Jelinek ist nicht die erste Landsmännin<br />

für die Annika Rücker ein Diplom<br />

schreibt. Auch die Urkunde, die Christine<br />

Nöstlinger für den Astrid-Lindgren-Preis<br />

erhielt, stammt aus der Gänsekielfeder,<br />

„ich schneide mir diese selbst zurecht“,<br />

der Frau mit dem schwedischen Pass und<br />

dem österreichischen Herz. Zu ihren<br />

großen Aufträgen gehören auch die Urkunden,<br />

die die drei Königskinder zur Verleihung<br />

des Serafimerordens, der höchste<br />

Orden Schwedens, von ihrem Vater überreicht<br />

bekamen, oder die Urkunden für die<br />

Kunstpreisträger des Nordischen Rates.<br />

Die Frau, die in ihrem Zuhause in der<br />

Stockholmer Vorstadt Täby ohne Fernsehapparat<br />

und Computer lebt, pflegt eine<br />

weitere Liebe: zu Rosen. „Rosen haben<br />

eine Seele“, stellt sie mit viel Gefühl und<br />

großer Überzeugung fest, und die sucht<br />

sie, hat sie auch gefunden. Diesen Eindruck<br />

hinterlassen jedenfalls ihre Rosen-<br />

Bilder, die bereits mehrmals prominent in<br />

Schweden ausgestellt worden sind.<br />

Für die allein lebende Frau, „ich war einmal<br />

mit einem Wiener verlobt“, ist „das,<br />

was ich tue mein Leben“. Und sie lebt<br />

intensiv und engagiert. Was ihr Künstler-<br />

Leben anbetrifft, so ist sie allerdings erheblich<br />

erblich vorbelastet. Annika Rückers<br />

Vater verließ 1938 Österreich und baute in<br />

Stockholm einen beachtlichen graphischen<br />

Betrieb auf. Mit seiner Frau Lena, die<br />

die Stockholmer Kunsthochschule absolvierte,<br />

hatte er bald fünf Kinder: zwei<br />

Töchter, Annika ist die ältere, ihre Schwester<br />

wohnt bei Wien, und drei Söhne, die<br />

in Schweden leben. 1972 entschloss sich<br />

der Vater, mit Frau und jüngster Tochter<br />

nach Österreich zurück zu kehren, wo die<br />

Schwedin Lena Rücker heute noch in der<br />

Nähe von Salzburg wohnt.<br />

Annika blieb in Schweden, um zunächst<br />

das Geschäft ihres Vaters weiterzuführen.<br />

Denn in seine Fußstapfen zu treten, lag<br />

nahe. Aber schon während ihrer Studienjahre<br />

1960 bis 63 an der Wiener Akademie<br />

für angewandte Kunst, „hartes Studium,<br />

aber viel gelernt“, zeichneten sich die beiden<br />

Bereiche ab, die später ihr künstlerisches<br />

Leben bestimmen sollten: Kalligrafie,<br />

„sie gibt mir innere Ruhe“, und Rosen,<br />

„lebende Rosen geben Lebenslust“. Die<br />

erste malte sie, als sie in der Akademie auf<br />

einen Bekannten wartete.<br />

Während dieser „faszinierenden Jahre“<br />

wurden auch die Bande geknüpft, die<br />

Annika Rücker „zu mehr Österreicherin<br />

machten, als meine in Österreich lebende<br />

Schwester“. Sie hat einen schwedischen<br />

Pass und ist freudig überrascht, als sie<br />

erfährt, dass heute eine doppelte Staatsbürgerschaft<br />

möglich ist. Ihr Dasein als Schwedin<br />

wird immer geschäftsmäßiger, „nur<br />

hier kann ich bisher Geld verdienen“. Aber<br />

der Drang nach Österreich wird immer stärker.<br />

Früher war sie Vorstandsmitglied der<br />

Schwedisch-Österreichischen Vereinigung,<br />

hat mehr als einmal in Stockholm den Wiener<br />

Ball eröffnet und mehrere Jahre die<br />

Zeitschrift „Geschäftsnachrichten aus<br />

Österreich“ grafisch betreut. Das reicht<br />

nicht mehr. Die Kräfte, die sie nach Österreich<br />

ziehen, nehmen ständig zu, ihr Verhältnis<br />

zu Schweden kühlt ab. „Wenn ich<br />

aus Österreich komme, fühle ich mich<br />

irgendwie lebendiger“. Und „meine österreichischen<br />

Freunde stehen mir näher“. Ihr<br />

Atelier hat sie inzwischen geräumt und<br />

arbeitet nun in ihrer Wohnung. „Ich will an<br />

so wenig wie möglich gebunden sein,<br />

wenn ich mich entscheide.“<br />

Eine wichtige Entscheidung ist im letzten<br />

Jahr gefallen. „Letzten Silvester feierte<br />

ich in meiner eigenen Wohnung in Hagenbrunn.“<br />

Die ersten Rosen sind bereits<br />

gepflanzt, neue Ziele ins Visier genommen:<br />

„Ich würde seelisch sterben, wenn das<br />

Gefühl käme, dass nichts Neues kommt.<br />

Ich habe viele Ideen, die große Frage ist die<br />

Kraft.“ Kein Zweifel: Annika Rücker ist auf<br />

dem Weg nach Österreich. Sie denkt sehr<br />

intensiv darüber nach, wie sie sich dort<br />

eine geschäftliche Basis aufbauen könnte.<br />

Zum Ende des Gesprächs sagt sie so ganz<br />

nebenbei: Die Residenz des österreichischen<br />

Botschafters in Stockholm hat einmal<br />

meinen Großeltern mütterlicherseits<br />

gehört.<br />

6 ROTWEISSROT 4/2004

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