Markus Bacher: Auf der Suche nach dem weiten Blick - Langenlois
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Günther Oberhollenzer<br />
<strong>Markus</strong> <strong>Bacher</strong>: Ausstellungseröffungsrede im „stiegenhaus“<br />
<strong>Langenlois</strong>, am 23.04.2010<br />
„Das, was den großen Maler ausmacht, das ist <strong>der</strong> Charakter, den er allem verleiht, was er<br />
berührt, <strong>der</strong> Geistesfunke, die Bewegung, die Leidenschaft, denn es gibt eine Klarheit auch<br />
in <strong>der</strong> Leidenschaft.“ Dieses Zitat, meine sehr geehrten Damen und Herren, stammt von <strong>dem</strong><br />
Künstler Paul Cézanne (1839 – 1906) und trifft sehr gut auf die Kunst von <strong>Markus</strong> <strong>Bacher</strong> zu.<br />
Denn eines, so glaube ich, sicher sagen zu dürfen: <strong>Bacher</strong> ist ein leidenschaftlicher Maler,<br />
ein Maler mit Leib und Seele.<br />
Es ist mir eine große Freude, einige Worte zu den Werken von <strong>Markus</strong> <strong>Bacher</strong> zur<br />
Ausstellungseröffnung hier im „siegenhaus“ in <strong>Langenlois</strong> beitragen zu dürfen. Ich kann mich<br />
noch gut an unser Kennenlernen, an den ersten Atelierbesuch erinnern. Erlauben Sie mir,<br />
dass ich Ihnen kurz davon erzähle: <strong>Bacher</strong> hatte sich im Essl Museum 2008 für die<br />
„emerging artists“ – Ausstellung >AUSTRIA conTEMPORARY< beworben. Meine Kollegin<br />
Christine Humpl und ich haben damals über 1000 Bewerbungen erhalten und <strong>nach</strong><br />
mehreren Auswahlverfahren gut 50 Künstlerinnen und Künstler in ihren Ateliers besucht.<br />
Einer davon war <strong>Markus</strong> <strong>Bacher</strong>. Sein selbstangefertigtes, liebevoll gestaltetes Kunstbuch<br />
hatte uns gut gefallen, nun wollten wir die Werke im Original sehen. Damals hatte er noch<br />
nicht das große Atelier in <strong>der</strong> Kaiserstraße, son<strong>der</strong>n eine Atelier-WG, die kaum die<br />
zahlreichen, oft großformatigen Bil<strong>der</strong> fassen konnte. Beim Atelierbesuch rollten deshalb<br />
zwei seiner Freunde die bis zu drei mal fünf Meter großen Bil<strong>der</strong> im Innenhof aus –<br />
betrachten konnten wir die Arbeiten von <strong>der</strong> Wohnung des Künstlers in einem oberen<br />
Stockwerk. Aus einem Fenster gelehnt verschafften wir uns einen Überblick, doch die<br />
Neugierde trieb uns alsbald in den Hof, um auch die malerischen Feinheiten zu betrachten.<br />
Es war wahrlich ein Erlebnis. Und <strong>Bacher</strong> wurde einer <strong>der</strong> sechzehn „emerging artists“ im<br />
Essl Museum. Nun, zwei Jahre später, findet seine erste große Personale in den<br />
beeindruckenden Räumlichkeiten des „stiegenhauses“ statt.<br />
Was ist es, was mich an <strong>Markus</strong> <strong>Bacher</strong>s Kunst so begeistert? <strong>Bacher</strong> malt mit einer<br />
Leidenschaft, die ansteckend ist. Als Betrachter wird man in seine Bil<strong>der</strong> hineingezogen, in<br />
eine gestische Malerei von schonungsloser Unmittelbarkeit und Direktheit. Man kann den<br />
Künstler förmlich vor den riesigen Leinwänden stehen und malen sehen. <strong>Bacher</strong> hat den<br />
Mut, Malerei zuzulassen. So wie er es will. O<strong>der</strong> seine Malerei. Abseits von Trends, die<br />
einmal die Malerei für tot erklären, und dann wie<strong>der</strong> die (figurative) Malerei hochleben<br />
lassen, hat <strong>der</strong> Künstler seine ganz eigene Formensprache gefunden, die sich klaren,<br />
vereinfachten Kategorien und Zuordnungen entzieht. Das macht seine Arbeiten – und ich
weiß, diese Worte sollte man mit Vorsicht verwenden – so authentisch und echt. Dabei ist es<br />
gerade spannend, dass <strong>Bacher</strong> nicht einordenbar, schubladisierbar ist. Er macht es uns<br />
Kunsthistorikern nicht leicht, über ihn zu sprechen. Genau das gefällt mir.<br />
<strong>Markus</strong> <strong>Bacher</strong> sprudelt vor Ideen und Einfällen, er malt auf Leinwänden, oft <strong>der</strong>art groß,<br />
dass er sie kaum noch mit seinen beiden Armen tragen kann. „Es ist schwierig,“ sagt <strong>der</strong><br />
Künstler, „so großformatig zu malen“. Nur wenige können eine <strong>der</strong>artig gewaltige Fläche<br />
bewältigen. <strong>Bacher</strong> kann es. Es bringt aber auch ihn immer wie<strong>der</strong> an seine Grenzen, doch<br />
er wächst mit <strong>dem</strong> Format und spielt auch damit. Sein malerischer Kosmos ist<br />
unerschöpflich, immer neue Formen drängen auf die Leinwand. Dabei ist seine Malerei nur<br />
vor<strong>der</strong>gründig abstrakt. Bei genauer Betrachtung lassen sich immer wie<strong>der</strong> figurative Formen<br />
erkennen: Menschen, oft nur ganz klein, scheinen manche Leinwand zu bevölkern;<br />
unterschiedlichste Gegenstände und Objekte des täglichen Lebens finden sich, skurrile<br />
Geräte, unheimliche Maschinen. Sie wecken die Neugierde des Betrachters und schaffen<br />
eine Einstiegsmöglichkeit in das Bild. Was genau man sieht, bleibt aber dennoch oft unklar.<br />
<strong>Bacher</strong> erzählt zu den vielen Details in seinen Bil<strong>der</strong>n Geschichten und Erlebnisse aus<br />
seinem Leben, er spricht von ganz persönlichen Überlegungen und Erinnerungen, denen er<br />
künstlerisch Ausdruck verleihen will. Alles was ihn beschäftigt und umgibt hat einen<br />
inspirierenden Wert. Der Künstler gibt auch klare Verständnishinweise und erwähnt etwa<br />
„indirekte Portraits“ – gemalte Gegenstände, die etwas über <strong>der</strong>en Besitzer aussagen, da<br />
diese darauf Spuren hinterlassen haben. Gleichzeitig lehnt <strong>Bacher</strong> es aber ab, den Inhalt und<br />
erzählerischen Reichtum seiner Arbeiten allzu genau sprachlich festzulegen. Vieles bleibt<br />
offen, ganz bewusst vielfältig interpretierbar. Ist es doch nicht zuletzt genau dieser<br />
vielschichtige Charakter, <strong>der</strong> mit den Reiz <strong>der</strong> Malereien ausmacht. Alsbald wird mir in<br />
unseren Gesprächen bewusst, dass <strong>Bacher</strong> einer Vertextualisierung seiner Kunst durchaus<br />
skeptisch gegenübersteht. Zu Recht. Ist es doch oft unzureichend und einschränkend, mit<br />
Worten einen visuell künstlerisch Akt Ausdruck verleihen zu wollen.<br />
Die gegenständliche Welt ist für <strong>Markus</strong> <strong>Bacher</strong> als Ausgangspunkt seiner Malerei von<br />
Bedeutung, doch wichtiger als die Frage, was dargestellt wird, ist wie etwas gemalt ist. So<br />
sieht sich <strong>der</strong> Künstler als figurativer aber auch auch als abstrakter Maler und sagt treffend:<br />
„Ich sehe in manchen Formen mehr die Form an sich als den Gegenstand.“ Formen, die <strong>der</strong><br />
Künstler in seine Malerei verwandelt, sie erleben eine Metamorphose, verschmelzen mit<br />
an<strong>der</strong>en Formen zu etwas Neuem.<br />
Umsetzung und Stil sind sehr frei und experimentierfreudig: Mal exzessiv, dicht und schwer,<br />
dann wie<strong>der</strong> ganz zart, reduziert und leicht. Einmal laut und aufwühlend, dann wie<strong>der</strong> ruhig,<br />
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zuweilen gar kontemplativ. Malerei hat in <strong>Bacher</strong>s Werken viel mit Farbe zu tun, die<br />
Farbpalette ist reichhaltig – <strong>Bacher</strong> schafft intensive Farbräume mit Weiß, Gelb, Orange,<br />
Schwarz, Braun – <strong>der</strong>en Einsatz ist sehr genau durchdacht: seine Bil<strong>der</strong> sind manchmal<br />
farblich sehr zurückhaltend, bisweilen fast monochrom mit ganz subtil gesetzten<br />
Farbakzenten, dann wie<strong>der</strong> sehr farbenprächtig und intensiv, aufgeladen. „Ich trage eine<br />
Farbstimmung, Farben in mir, die ich unbedingt ausdrücken möchte,“ so <strong>der</strong> Künstler. Ein<br />
schönes Beispiel ist das Bild auf <strong>der</strong> Einladungskarte: In verschiedenen Weißtönen gehalten<br />
– allein wie das Weiß gemalt ist, eine Außeinan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> „Farbe“ Weiß weit über<br />
eine reine Grundierung hinausgehend! – mit nur einer kleinen, sehr dichten Farbformation in<br />
<strong>der</strong> linken Bildmitte und einen feinen, fast zaghaft gesetzten Pinselstrich ganz rechts. Eine<br />
sehr leise, zurückhaltend wirkende Malerei. <strong>Bacher</strong> lockt den Betrachter an das Bild heran:<br />
Nach<strong>dem</strong> man es von <strong>der</strong> Distanz gesehen hat, möchte man nun ganz nah diese auffallende<br />
malerische Stelle untersuchen. Der Künstler provoziert, for<strong>der</strong>t heraus, dass man einfach<br />
genauer hinschauen muss, um die malerisch verdichteten Details zu erfassen. Und plötzlich<br />
erkennt man in diesen eine Verwandtschaft mit jener dichten Malerei, die <strong>Bacher</strong> auch immer<br />
wie<strong>der</strong> bildfüllend verwirklicht.<br />
Entscheidend ist <strong>der</strong> <strong>Blick</strong>winkel. <strong>Bacher</strong> bestimmt den Betrachtungspunkt seiner<br />
malerischen Formen: entwe<strong>der</strong> von ganz weit weg gesehen, ähnlich einem <strong>weiten</strong> Schauen<br />
von einem Berggipfel aus, o<strong>der</strong>, wie durch ein Fernrohr, ganz nah an uns herangezoomt.<br />
Nähe und Ferne sind die Konstanten in seinem Werk. Entscheidend ist dabei aber <strong>der</strong><br />
Raum, <strong>der</strong> dazwischen liegt – ein Zwischenraum innerhalb des Gegensatzpaars Größe und<br />
Detail, <strong>der</strong> sich nur eröffnet, wenn man sich auf das Bild zu- o<strong>der</strong> wegbewegt. „Malerei ist<br />
Bewegung“, so <strong>der</strong> Künstler und er for<strong>der</strong>t diese auch vom Betrachter ein. Nehmen wir also<br />
die Einladung des Künstlers an und bewegen uns frei in seinem offenen, <strong>weiten</strong> Raum,<br />
gewinnen wir immer wie<strong>der</strong> neue <strong>Blick</strong>punkte in seine Malereien!<br />
Ich habe mit einem Zitat begonnen, erlauben Sie mir, auch mit einem, vielleicht etwas<br />
pathetischem Zitat, meine Rede abzuschließen. Es stammt von Denis Di<strong>der</strong>ot, französischer<br />
Philosoph und Dramatiker (1713 - 1784): „Malerei ist die Kunst, durch die Vermittlung <strong>der</strong><br />
Augen die Seele zu bewegen. Wenn <strong>der</strong> Maler nur bis zu den Augen kommt, hat er nur den<br />
halben Weg zurückgelegt.“ <strong>Markus</strong> <strong>Bacher</strong>s Kunst hat bei mir den ganzen Weg geschafft –<br />
ich wünsche mir, dass es Ihnen genau so geht. Danke für die <strong>Auf</strong>merksamkeit.<br />
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