Prüfingenieur Ausgabe 26 - BVPI - Bundesvereinigung der ...
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ENTWURFSTHEORIE<br />
Entwurfsgrammatiken –<br />
Ein Paradigmenwechsel?<br />
Die Konstruktionsmethodik sucht<br />
nach Wegen zur Systematisierung<br />
des ingeniösen Entwurfsprozesses<br />
So, wie die Sprache aus Vokabeln besteht, so kann<br />
auch <strong>der</strong> Ingenieurentwurf in Einzelteile zerlegt<br />
und untersucht werden. Die Konstruktionsmethodik,<br />
die den „normalen“ Prozess des Entwerfens<br />
analysiert, um Erkenntnisse für die Theorie des<br />
Entwerfens zu gewinnen, ist <strong>der</strong>zeit dabei, Methoden<br />
zu entwickeln, mit denen Entwurfsgrammatiken<br />
bestimmt werden können, die das Entwerfen<br />
eines Tages systematisieren können. Im folgenden<br />
Beitrag werden einige Grundpostulate dieses Vorgehens<br />
erläutert, die darauf hinauslaufen, dass <strong>der</strong><br />
Entwurf des Ingenieurs als eine Anordnung von<br />
Vokabeln betrachtet werden kann, die semantische<br />
„Bau-Sätze“ ergeben, um den Entwurf nach einem<br />
festliegenden System rationell än<strong>der</strong>n zu können.<br />
Prof. Dr.-Ing. Bernd Kröplin<br />
promovierte 1977 an <strong>der</strong> Universität<br />
Braunschweig zum<br />
Dr.-Ing., erhielt 1979 als erster<br />
Ingenieur den Heisenberg-Preis<br />
<strong>der</strong> Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />
(DFG), wurde 1982<br />
Professor für Numerische Methoden<br />
an <strong>der</strong> Universität Dortmund<br />
und ist seit 1988 Leiter<br />
des Instituts für Statik und Dynamik<br />
<strong>der</strong> Luft- und Raumfahrtkonstruktionen<br />
<strong>der</strong> Universität Stuttgart.<br />
Priv.-Doz. Dr.-Ing. Stephan Rudolph<br />
studierte Luft- und Raumfahrttechnik<br />
an <strong>der</strong> Universität<br />
Stuttgart, ging nach <strong>der</strong> Promotion<br />
ans Massachusetts Institut<br />
of Technology (MIT); Habilitation<br />
in 2002 auf dem Lehrgebiet<br />
<strong>der</strong> „Entwurfsmethodik“ als<br />
Leiter <strong>der</strong> Arbeitsgruppe „Ähnlichkeitsmechanik“<br />
am Institut<br />
für Statik und Dynamik <strong>der</strong><br />
Luft- und Raumfahrtkonstruktionen<br />
an <strong>der</strong> Universität Stuttgart.<br />
34<br />
Der <strong>Prüfingenieur</strong> April 2005<br />
1 Einführung<br />
Entwerfen ist ein Prozess, <strong>der</strong> etwas Neues<br />
kreiert, etwas, was in dieser Form, seiner Wesensart<br />
und Funktionalität vorher so noch nicht bestand. Es<br />
lebt daher von seiner schöpferischen Komponente, ist<br />
dem Wesen nach kreativ und bringt ständig Neues<br />
hervor, das in seiner Originalität bewegt.<br />
Wissenschaftlich kann ein so gearteter Prozess<br />
nicht notwendigerweise systematisierbar sein und als<br />
sicheres Wissen wie<strong>der</strong>holbar gemacht werden. Er ist<br />
unabhängig vom Entwerfer nicht verstehbar. So hat<br />
insbeson<strong>der</strong>e die deutsche Konstruktionsmethodik ab<br />
den frühen siebziger Jahren mit <strong>der</strong> Handlungsabfolge<br />
von Anfor<strong>der</strong>ungs-, Funktions- und Gestaltanalyse<br />
zwar eine <strong>der</strong> ersten umfassenden und systematisierten<br />
Vorgehensanweisungen [3] für den Ingenieurentwurf<br />
erarbeitet, die auch in die Normung übernommen<br />
wurde (VDI-Norm 2221), jedoch das eigentliche<br />
methodische Problem des Entwerfens selbst nicht lösen<br />
können.<br />
Da die erreichbare Lösung eines Entwurfsproblems<br />
maßgeblich von den vom Entwerfer gewählten<br />
Entwurfsparadigmen abhängt, folgen aus <strong>der</strong> Wahl<br />
unterschiedlicher Entwurfsparadigmen unterschiedliche<br />
Entwurfsverfahren und -schritte für an sich ein<br />
und dasselbe Entwurfsproblem.<br />
Eine methodische Systematisierung erscheint<br />
somit zunächst unmöglich, da je<strong>der</strong> Automatismus den<br />
Entwerfer in seiner Freiheit einschränkt. Es gilt also,<br />
einen Weg zu finden, <strong>der</strong> dem Entwerfer die Gestaltungsfreiheit<br />
möglichst weitgehend erhält, ihn aber<br />
gleichzeitig von den zeitraubenden Überprüfungen <strong>der</strong><br />
Kompatibilität und Konsistenz des entstehenden Entwurfs<br />
durch Berechnungen und von geometrischen<br />
Verträglichkeitsprüfungen befreit. Ähnlich wie in <strong>der</strong><br />
menschlichen Sprache, in <strong>der</strong> komplizierte Sachverhalte<br />
mit großer Gestaltungsfreiheit durch Sätze aus<br />
Wörtern beschrieben werden, wird hier <strong>der</strong> Entwurf<br />
als eine Anordnung von Vokabeln betrachtet. Die Vokabeln<br />
werden syntaktisch zusammengefügt und ergeben<br />
semantische „Bau-Sätze“, bei denen durch Austausch<br />
<strong>der</strong> Vokabeln <strong>der</strong> Sinn geän<strong>der</strong>t werden kann.<br />
Im Gegensatz zur menschlichen Sprache sind<br />
die hier möglichen Konstrukte nicht nur sequenziell