Kapitel 15. Lösung linearer Gleichungssysteme
Kapitel 15. Lösung linearer Gleichungssysteme
Kapitel 15. Lösung linearer Gleichungssysteme
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Kapitel</strong> <strong>15.</strong> <strong>Lösung</strong> <strong>linearer</strong><br />
<strong>Gleichungssysteme</strong>
Lineare <strong>Gleichungssysteme</strong><br />
Wir befassen uns nun mit der <strong>Lösung</strong> — im allgemeinen nichthomogener<br />
— <strong>linearer</strong> <strong>Gleichungssysteme</strong> in zweifacher Hinsicht.<br />
Wir studieren einmal<br />
• den begrifflichen Aspekt, d.h. befassen uns mit der Struktur<br />
der <strong>Lösung</strong>smenge eines beliebigen linearen Gleichungssystems;<br />
Zum anderen untersuchen wir<br />
• den praktischen Aspekt, d.h. algorithmische Verfahren zur<br />
schnellen <strong>Lösung</strong> eines konkreten Systems.<br />
Wir werden sehen, dass schon mit geringem begrifflichen Aufwand<br />
die praktische <strong>Lösung</strong> solcher <strong>Gleichungssysteme</strong> gelingt.<br />
1
Koeffizientenmatrix und erweiterte Matrix<br />
Ein lineares Gleichungssystem<br />
a11x1 + a12x2 + · · · + a1nxn = b1<br />
a21x1 + a22x2 + · · · + a2nxn = b2<br />
.<br />
.<br />
am1x1 + am2x2 + · · · + amnxn = bm<br />
aus m Gleichungen in den n Unbekannten x1, x2, . . . , xn, ist bestimmt durch seine<br />
Koeffizientenmatrix<br />
⎡<br />
A = ⎣ a11<br />
⎤<br />
⎛<br />
· · · a1n<br />
.<br />
... . ⎦ und die rechte Seite b = ⎝ b1.<br />
⎞<br />
⎠ .<br />
am1 · · · amn<br />
Durch Zusammenfassen erhalten wir die erweiterte Matrix<br />
⎡<br />
[A|b] = ⎣ a11<br />
.<br />
· · ·<br />
...<br />
a1n<br />
.<br />
b1<br />
.<br />
⎤<br />
⎦ .<br />
amn · · · a1n bm<br />
.<br />
.<br />
bm<br />
2
Matrizenschreibweise<br />
Das lineare Gleichungssystem mit erweiterter Koeffizientenmatrix<br />
[A | b] schreiben wir in kompakter Matrizenschreibweise als<br />
A · x = b.<br />
Wir interessieren uns für die <strong>Lösung</strong>smenge<br />
L = {x ∈ R n | A · x = b}.<br />
Spezialfall: Falls A = En die n×n-Einheitsmatrix ist, hat das System<br />
die Form<br />
En · x = b.<br />
Wegen En · x = x ist in diesem Fall das System somit eindeutig<br />
lösbar mit der einzigen <strong>Lösung</strong> x = b.<br />
3
Die Struktur der <strong>Lösung</strong>smenge von A · x = b<br />
Satz. A sei eine m × n-Matrix vom Rang r und b ∈ R m . Dann gilt<br />
(a) Das lineare Gleichungssystem A · x = b ist genau dann lösbar , wenn sich b<br />
als Linearkombination der Spalten a1, a2, . . . , an von A schreiben lässt.<br />
(b) Die <strong>Lösung</strong>en des zugehörigen homogenen Gleichungssystems A·x = 0 bilden<br />
einen Unterraum H des R n von der Dimension n − r.<br />
(c) Ist x0 eine <strong>Lösung</strong> von A · x = b, so gilt:<br />
x ist genau dann ebenfalls eine <strong>Lösung</strong> von A · x = b, wenn<br />
x = x0 + h mit h ∈ H gilt.<br />
Mit anderen Worten:<br />
Entweder ist L = ∅ oder L = x0 + H := {x0 + h| A · h = 0}<br />
für eine spezielle <strong>Lösung</strong> x0.<br />
4
Beweis des Struktursatzes<br />
Beweis. Zu (a): Das behauptete Lösbarkeitskriterium folgt sofort<br />
aus A · x = � n i=1 xi.ai.<br />
Zu (b): Es ist H gerade der Kern der linearen Abbildung<br />
f : R n → R m , x ↦→ A · x;<br />
insbesondere ist H ein Unterraum von R n .<br />
Der Rang von f ist gleich dem Rang von A; nach Rangsatz hat H<br />
folglich die Dimension n − r.<br />
Zu (c): Nach Voraussetzung ist A · x0 = b.<br />
Folglich ist A · x = b genau dann, wenn A · (x − x0) = 0, äquivalent<br />
wenn x − x0 ∈ H gilt. �<br />
5
Was bedeutet Lösen eines linearen<br />
Gleichungssystems?<br />
Zunächst einmal die Feststellung, ob das System A · x = b lösbar ist<br />
oder nicht.<br />
Falls das System lösbar ist, besteht eine <strong>Lösung</strong> aus folgenden<br />
Daten:<br />
(a) einer speziellen <strong>Lösung</strong> x0,<br />
(b) einer Basis h1, . . . , hn−r des <strong>Lösung</strong>sraums des homogenen<br />
Systems A · h = 0.<br />
Achtung: Falls das System lösbar, aber nicht eindeutig lösbar ist,<br />
können sehr verschiedene Auswahlen zu (a) und (b) völlig gleichwertige<br />
<strong>Lösung</strong>en sein!<br />
6
Vorschau: Gauß-Algorithmus<br />
Die praktische <strong>Lösung</strong> eines numerisch gegebenen linearen Gleichungssystems<br />
A · x = b erfolgt mittels des Gauß-Algorithmus ∗ .<br />
Dieser Algorithmus fußt auf zwei Säulen:<br />
(1) Der Beobachtung, dass gewisse elementare Abänderungen die<br />
<strong>Lösung</strong>smenge eines linearen Gleichungssystems nicht ändern.<br />
(2) Der Möglichkeit, durch solche Abänderungen jedes Gleichungssystem<br />
auf sogenannte Zeilenstufenform zu bringen.<br />
Nach diesen Änderungen sind Lösbarkeit und gegebenenfalls die<br />
<strong>Lösung</strong>smenge automatisch ablesbar.<br />
∗ Benannt nach Carl Friedrich Gauß (1777-1855), der uns schon bei der Gaußschen<br />
Zahlenebene begegnete.)<br />
7
Elementare Zeilenoperationen<br />
Die <strong>Lösung</strong>smenge eines linearen Gleichungssystems ändert sich<br />
nicht bei einer der folgenden Operationen<br />
(a) Vertauschen zweier Gleichungen.<br />
(b) Multiplikation beider Seiten einer Gleichung mit einem Faktor<br />
�= 0.<br />
(c) Addition eines Vielfachen einer Gleichung zu einer anderen Gleichung.<br />
Ein gegebenes System werden wir daher mit solchen elementaren<br />
Zeilenumformungen solange vereinfachen, bis wir die <strong>Lösung</strong>smenge<br />
des vereinfachten — und damit auch des ursprünglichen —<br />
Systems ablesen können.<br />
8
Beweis<br />
Beweis. (a), (b) sind klar, nur (c) bedarf der Begründung. Seien also i �= k aus<br />
dem Bereich 1, . . . , m. Wir betrachten die i-te und die k-te Gleichung:<br />
(1)<br />
(2)<br />
ai1x1 + ai2x2 + · · · + ainxn = bi<br />
ak1x1 + ak2x2 + · · · + aknxn = bk.<br />
Jede <strong>Lösung</strong> der Gleichungen (1) und (2) ist auch eine <strong>Lösung</strong> von:<br />
(3)<br />
(ai1 + aak1)x1 + (ai2 + aak2)x2 + · · · + (ain + aakn)xn = bi + abk<br />
und damit der beiden Gleichungen:<br />
(4)<br />
(5)<br />
(ai1 + aak1)x1 + (ai2 + aak2)x2 + · · · + (ain + aakn)xn = bi + abk<br />
ak1x1 + ak2x2 + · · · + aknxn = bk.<br />
Halten wir fest: Jede <strong>Lösung</strong> von (1) und (2) ist auch eine von (4) und (5).<br />
Aus (4) und (5) erhalten wir aber (1) und (2) zurück, indem wir das (−a)-fache<br />
der Gleichung (5) zur Gleichung (4) addieren. Mit obigem Schluss ist jede <strong>Lösung</strong><br />
von (4) und (5) dann auch eine von (1) und (2). �<br />
9
Elementare Zeilenumformungen<br />
Für die zugehörige erweiterte Matrix [A|b] des Gleichungssystems<br />
A · x = b liest sich das so:<br />
Jede Operation vom Typ<br />
• Vertauschen zweier Zeilen,<br />
• Multiplikation einer Zeile mit einem Faktor �= 0,<br />
• Addition eines Vielfachen einer Zeile zu einer anderen Zeile,<br />
macht aus [A, b] eine neue “erweiterte” Matrix [A ′ |b ′ ], für welche das<br />
zugeordnete Gleichungssystem A ′ · x = b ′ dieselbe <strong>Lösung</strong>smenge<br />
hat wie das System A · x = b. �<br />
10
Vorläufiger <strong>Lösung</strong>sansatz<br />
Da wir Gleichungen der Form E · x = b, E die n × n-Einheitsmatrix,<br />
trivialerweise lösen durch x = b können, werden wir zu folgendem<br />
— allerdings vorläufigem — <strong>Lösung</strong>sansatz für ein lineares Gleichungssystem<br />
A · x = b mit quadratischer Matrix A geführt:<br />
Idee: Forme [A|b] solange durch elementare Zeilenumformungen<br />
um bis die Form<br />
[E|c]<br />
erreicht ist, wobei E die n × n-Einheitsmatrix ist. In diesem Fall ist<br />
x = c<br />
die eindeutig bestimmte <strong>Lösung</strong> von A · x = b.<br />
11
Überprüfung der Idee I<br />
Häufig klappt’s: Das lineare Gleichungssystem<br />
führt zur erweiterten Matrix<br />
⎡<br />
⎤<br />
1 2 0 1<br />
⎣ 2 3 0 1 ⎦ ↦→<br />
3<br />
⎡<br />
1<br />
↦→ ⎣ 0<br />
4<br />
2<br />
1<br />
1<br />
0<br />
0<br />
3<br />
⎤<br />
1<br />
1 ⎦ ↦→<br />
0 −2 1 0<br />
1x1 + 2x2 + 0x3 = 1<br />
2x1 + 3x2 + 0x3 = 1<br />
3x1 + 4x2 + 1x3 = 3<br />
⎡<br />
⎣<br />
⎡<br />
⎣<br />
1 2 0 1<br />
0 −1 0 −1<br />
3 4 1 3<br />
1 0 0 −1<br />
0 1 0 1<br />
0 −2 1 0<br />
⎤<br />
⎦ ↦→<br />
⎤<br />
⎦ ↦→<br />
⎡<br />
⎣<br />
⎡<br />
⎣<br />
1<br />
0<br />
2<br />
−1<br />
0<br />
0<br />
1<br />
−1<br />
0 −2 1 0<br />
1 0 0 −1<br />
0 1 0 1<br />
0 0 1 2<br />
und den markierten elementaren Zeilenumformungen. Folglich ist das Gleichungs-<br />
system eindeutig lösbar mit <strong>Lösung</strong><br />
⎛<br />
⎝ x1<br />
x2<br />
x3<br />
⎞<br />
⎠ =<br />
⎛<br />
⎝ −1<br />
1<br />
2<br />
⎞<br />
⎠ .<br />
⎤<br />
⎦<br />
⎤<br />
⎦<br />
12
Überprüfung der Idee II<br />
Mitunter klappt’s nicht: Das lineare Gleichungssystem<br />
führt zur erweiterten Matrix<br />
⎡<br />
⎤<br />
3 1 6 18<br />
⎣ 2 1 4 13 ⎦ ↦→<br />
1 1 2 10<br />
3x1 + 1x2 + 6x3 = 18<br />
2x1 + 1x2 + 4x3 = 13<br />
1x1 + 1x2 + 2x3 = 10<br />
↦→<br />
⎡<br />
⎣<br />
⎡<br />
⎣<br />
1 1 2 10<br />
2 1 4 13<br />
3 1 6 18<br />
1 1 2 10<br />
0 1 0 7<br />
0 2 0 12<br />
⎤<br />
⎦ ↦→<br />
⎤<br />
⎦ ↦→<br />
⎡<br />
⎣<br />
⎡<br />
⎣<br />
1<br />
0<br />
1<br />
−1<br />
2<br />
0<br />
10<br />
−7<br />
0 −2 0 −12<br />
1 0 2 3<br />
0 1 0 7<br />
0 0 0 −2<br />
und den markierten elementaren Zeilenumformungen. Die erhaltene Matrix [A ′ , b ′ ]<br />
lässt sich nicht auf die Form [E|c] bringen.<br />
Grund: Das zu [A ′ |b ′ ] gehörige Gleichungssystem ist nicht lösbar, da schon allein<br />
seine letzte Gleichung 0x1 + 0x2 + 0x3 = −2 nicht lösbar ist.<br />
⎤<br />
⎦<br />
⎤<br />
⎦<br />
13
Bewertung der Beispiele<br />
Unsere Idee ‘Umformung in Richtung Einheitsmatrix’ war zu optimistisch.<br />
Nur für eindeutig lösbare Systeme kann die Reduktion der<br />
erweiterten Matrix auf die Form [E|c] überhaupt gelingen.<br />
Gleichwohl zeigt Beispiel II, dass die eingeschlagene Strategie auch<br />
dort trägt, wo die eindeutige Lösbarkeit nicht gegeben ist. Sogar<br />
die Nichtlösbarkeit eines Systems konnten wir auf diesem Wege entscheiden.<br />
Neue Umformstrategie : Bringe die erweiterte Matrix auf eine Form,<br />
die der Einheitsmatrix möglichst nahe kommt. Dies Ziel werden wir<br />
mit der Zeilenstufenform erreichen.<br />
14
Matrizen in Zeilenstufenform<br />
Wir sehen hier ein typisches Beispiel einer m × n-Matrix in Zeilenstufenform.<br />
⎛<br />
0 0 |1 ∗ 0 ∗ ∗ 0 ∗ 0 ∗<br />
⎞<br />
A =<br />
⎜<br />
⎝<br />
0<br />
0<br />
0<br />
0<br />
0<br />
0<br />
0<br />
0<br />
0<br />
0<br />
0<br />
0<br />
|1<br />
0<br />
0<br />
∗<br />
0<br />
0<br />
∗<br />
0<br />
0<br />
0<br />
|1<br />
0<br />
∗<br />
∗<br />
0<br />
0<br />
0<br />
|1<br />
∗<br />
∗<br />
∗<br />
⎟<br />
⎠<br />
0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0<br />
i1 i2 i3 i4<br />
Eine Treppenlinie trennt einen unteren Bereich ab, der nur aus Nulleinträgen<br />
besteht.<br />
In unserem Fall haben wir r = 4 Stufen an den Positionen<br />
1 ≤ i1 < i2 < · · · < ir ≤ n.<br />
15
Eigenschaften der Stufenform<br />
(S1) In den r Stufen der Treppe, d.h. an den markierten Stellen<br />
i1, i2, . . . , ir stehen der Reihe nach die Einheitsvektoren<br />
e1, e2, . . . , er.<br />
(S2) Die übrigen Einträge des oberen Bereichs können beliebig<br />
gewählt werden. Im Bereich unterhalb der Treppenlinie gibt es<br />
nur Einträge gleich Null.<br />
(S3) Die zu den Stufen i1, i2, . . . , ir gehörigen Spalten erzeugen alle<br />
anderen Spalten von A.<br />
(S4) Der Rang von A ist folglich gleich der Anzahl r der Stufen<br />
der Matrix von Stufenform.<br />
(S5) Kein Stufenvektor lässt sich aus den vorangehenden Spalten<br />
erzeugen.<br />
16
Elementare Zeilenumformungen und<br />
Zeilenstufenform<br />
Satz. Jede m × n-Matrix lässt sich durch elementare Zeilenumformungen<br />
auf Zeilenstufenform bringen.<br />
Wir üben das Verfahren zunächst an Beispielen und diskutieren Anwendungen,<br />
bevor wir den generellen Beweis führen.<br />
Vorschau: Es wird sich herausstellen, dass die entsprechende Umformung<br />
in Zeilenstufenform genau die Technik ist, die wir zur<br />
vollständigen <strong>Lösung</strong> eines linearen Gleichungssystems benötigen.<br />
17
↦→<br />
⎛<br />
⎜<br />
⎝<br />
⎛<br />
⎜<br />
⎝<br />
1 1 1 1 1<br />
1 2 1 1 1<br />
1 1 1 0 1<br />
2 3 2 1 2<br />
Umformung in Zeilenstufenform<br />
⎞<br />
1 0 1 1 1<br />
0 1 0 0 0<br />
0 0 0 −1 0<br />
0 0 0 −1 0<br />
⎟<br />
⎠ ↦→<br />
⎞<br />
⎟<br />
⎠ ↦→<br />
⎛<br />
⎜<br />
⎝<br />
⎛<br />
⎜<br />
⎝<br />
1 1 1 1 1<br />
0 1 0 0 0<br />
0 0 0 −1 0<br />
0 1 0 −1 0<br />
1 0 1 1 1<br />
0 1 0 0 0<br />
0 0 0 1 0<br />
0 0 0 −1 0<br />
⎞<br />
⎟<br />
⎠ ↦→<br />
⎞<br />
⎟<br />
⎠ ↦→<br />
⎛<br />
⎜<br />
⎝<br />
⎛<br />
⎜<br />
⎝<br />
1 1 1 1 1<br />
0 1 0 0 0<br />
0 1 0 −1 0<br />
0 0 0 −1 0<br />
|1 0 1 0 1<br />
0 |1 0 0 0<br />
0 0 0 |1 0<br />
0 0 0 0 0<br />
Die letzte Matrix ist in Zeilenstufenform mit drei Stufen in den Spalten 1, 2 und<br />
4. Sie hat daher den Rang drei .<br />
Wir werden gleich sehen, dass dann auch die anderen Matrizen den Rang drei<br />
haben.<br />
18<br />
⎞<br />
⎟<br />
⎠<br />
⎞<br />
⎟<br />
⎠
Zeilenumformungen und Rang<br />
Satz. Elementare Zeilenumformungen bewahren den Rang.<br />
Beweis. Die Matrix B entstehe aus der m × n-Matrix A durch elementare<br />
Zeilenumformungen. Die homogenen linearen <strong>Gleichungssysteme</strong><br />
A·x = 0 und B·x = 0 gehen dann ebenfalls durch elementare<br />
Zeilenumformungen auseinander hervor und haben daher denselben<br />
<strong>Lösung</strong>sraum H.<br />
Der Rangsatz für Matrizen sagt dann, dass die Matrizen A und B<br />
jeweils denselben Rang n − dim H haben. �<br />
19
Lösbarkeitskriterium<br />
Satz. Das lineare Gleichungssystem A · x = b ist genau dann lösbar,<br />
wenn nach Umformung der erweiterten Matrix [A|b] in Treppenform<br />
[B|c] die letzte Spalte c kein Stufenvektor ist.<br />
Beweis. Da sich die <strong>Lösung</strong>smenge durch elementare Zeilenumformungen<br />
nicht verändert, ist A · x = b genau dann lösbar, wenn<br />
B · x = c lösbar ist. Dies ist äquivalent dazu, dass sich c aus den<br />
Spaltenvektoren von B linear kombinieren lässt.<br />
Nach (S3) und (S5) ist dies genau dann der Fall, wenn c kein<br />
Stufenvektor ist. �<br />
Wir werden gleich sehen, wie wir im lösbaren Fall eine spezielle<br />
<strong>Lösung</strong> finden.<br />
20
Finden einer speziellen <strong>Lösung</strong><br />
A sei eine m × n-Matrix und b eine n-Spalte. Die erweiterte Matrix<br />
[A|b] befinde sich in Zeilenstufenform, wobei sich die Stufen in den<br />
Positionen 1 ≤ i1 < i2 < · · · < ir ≤ n befinden, also b kein Stufenvektor<br />
ist.<br />
Weglassen aller Nullzeilen führt zu einer r×(n+1)-Matrix, mit r ≤ n.<br />
Wir füllen nun die resultierende Matrix solange mit Nullzeilen auf,<br />
bis in der i-ten Stufe stets der Einheitsvektor ei steht (für alle<br />
i = 1, . . . , r) und wir insgesamt n Zeilen haben. Dies liefert eine<br />
erweiterte Matrix [B|c], wobei B das Format n × n hat.<br />
Achtung: Falls der i-te Eintrag ci �= 0, so ist die i-te Spalte von B<br />
eine Stufe, also gleich ei.<br />
Es folgt, dass x = c eine spezielle <strong>Lösung</strong> des Systems ist .<br />
21
Die erweiterte Matrix<br />
Anwendungsbeispiel spezielle <strong>Lösung</strong><br />
[A|b] =<br />
⎛<br />
⎜<br />
⎝<br />
|1 0 1 0 1<br />
0 |1 0 0 0<br />
0 0 0 |1 0<br />
0 0 0 0 0<br />
befindet sich schon in Zeilenstufenform. Die letzte Spalte ist keine Stufe, daher<br />
ist das System lösbar. Auffüllen mit Nullzeilen liefert das äquivalente System:<br />
[A ′ |b ′ ⎛<br />
� ⎞<br />
|1 0 1 0 1 �<br />
� 3<br />
⎜<br />
0 |1 0 0 0 �<br />
�<br />
−1 ⎟<br />
] = ⎜ 0 0 0 |0 0 �<br />
� 0 ⎟<br />
⎝ 0 0 0 |1 0 �<br />
�<br />
−1 ⎠<br />
0 0 0 0 0 � 0<br />
Wir beachten, dass Nullen in der Hauptdiagonalen von A ′ in derselben Zeile einen<br />
Nulleintrag in b ′ hervorrufen.<br />
Es folgt: b ′ ist eine spezielle <strong>Lösung</strong> von A · x = b.<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
3<br />
−1<br />
−1<br />
0<br />
⎞<br />
⎟<br />
⎠<br />
22
Kommentar: spezielle <strong>Lösung</strong>(en)<br />
Zusammenfassung: Falls [A, b] Zeilenstufenform hat und die letzte<br />
Spalte keine Stufe ist, erhalten wir nach geeignetem Streichen<br />
und Neueinfügen von Nullzeilen eine erweiterte Matrix [A ′ |b ′ ], deren<br />
rechte Seite b ′ eine <strong>Lösung</strong> von A · x = b ist.<br />
Hinweis: Dieses einfache Rezept zum Finden einer speziellen <strong>Lösung</strong><br />
darf nicht zum Schluss verleiten, b ′ sei die einzige <strong>Lösung</strong> von A·x =<br />
b.<br />
23
Homogene Systeme in Zeilenstufenform<br />
Wir nehmen jetzt an, dass A eine Matrix in Zeilenstufenform ist. Durch Streichen<br />
und Neueinfügen von Nullzeilen sei schon erreicht, dass A quadratisch, vom<br />
Format n × n ist und die Stufenvektoren ihre Eins in der Hauptdiagonalen haben.<br />
Wir wissen, dass die Anzahl der Stufen(vektoren) gleich dem Rang r von A ist.<br />
Ferner ist nach Konstruktion A eine obere Dreiecksmatrix.<br />
Entsprechend hat das homogene lineare Gleichungssystem A · x = b<br />
einen <strong>Lösung</strong>sraum H ⊆ R n der Dimension n − r.<br />
Wir können jetzt eine Basis von H wie folgt angeben: Die n − r<br />
Spalten von A, die nicht Stufenvektoren von A sind, haben sämtlich<br />
als Hauptdiagonaleintrag eine Null. Ersetzen wir in diesen Spalten<br />
jeweils den Hauptdiagonaleintrag 0 durch -1 , so erhalten wir n − r<br />
Vektoren h1, h2, . . . , hn−r , die eine Basis von H bilden.<br />
24
Nachweis: <strong>Lösung</strong>en von A · x = 0<br />
Klar ist zunächst, dass die Spaltenvektoren h1, h2, . . . , hn−r ein linear<br />
unabhängiges System bilden.<br />
Ferner ist jedes hi tatsächlich eine <strong>Lösung</strong> von A · x = 0: Hierzu beachten wir, wie<br />
hi aus einem Nichtstufenvektor, sagen wir der Spalte aj, hervorgeht.<br />
Nach (S3) ist aj eine Linearkombination der Stufenvektoren; die auftretenden<br />
Koeffizienten sind gerade die Koeffizienten aij von aj. Somit gilt<br />
aj = ai1.a1 + · · · + ai j−1.aj−1 + ai j+1.aj+1 + . . . + ai n.an.<br />
Indem wir aj, behaftet mit dem Faktor −1 , auf die rechte Seite der Gleichung<br />
bringen, folgt A · hi = 0.<br />
Wir schließen, dass h1, h2, . . . , hn−r ein linear unabhängiges System<br />
im n − r-dimensionalen <strong>Lösung</strong>sraum H ist. Es folgt mit einem<br />
Dimensionsargument, dass dieses System eine Basis von H ist. �<br />
25
Der Gauß-Algorithmus I<br />
Wir haben damit alle Bausteine für den Gauß-Algorithmus beisammen:<br />
Schritt 1: Die erweiterte Matrix [A|b] des zu untersuchenden linearen<br />
Gleichungssystems wird zunächst durch elementare Zeilenumformungen<br />
auf Zeilenstufenform [A ′ |b ′ ] gebracht. Falls die letzte Spalte<br />
b ′ ein Stufenvektor ist, ist das System A · x = b nicht lösbar, andernfalls<br />
ist es lösbar.<br />
Schritt 2: Durch geeignetes Streichen und Auffüllen von Nullzeilen<br />
wird [A ′ |b ′ ] so zu [A ′′ |b ′′ ] umgeformt, dass A ′′ eine quadratische<br />
Matrix ist und die Einsen der Stufenvektoren in der Hauptdiagonale<br />
von A ′ stehen. Es ist dann b ′′ eine spezielle <strong>Lösung</strong> von A · x = b.<br />
26
Der Gauß-Algorithmus II<br />
Schritt 3: Wir ersetzen die Hauptdiagonaleinträge Null von A ′′ in<br />
den Spalten, die nicht Stufenvektoren sind, jeweils durch −1 und<br />
erhalten ein System von n − r (r=Anzahl der Stufenvektoren) Spaltenvektoren<br />
h1, h2, . . . , hn−r, welches eine Basis des <strong>Lösung</strong>sraums<br />
H des homogenen Gleichungssystems A · x = 0 bildet.<br />
Die ’allgemeine <strong>Lösung</strong>’ des Gleichungssystems A · x = b hat dann<br />
die Form<br />
x = b ′′ +<br />
n−r<br />
�<br />
i=1<br />
αi.hi, mit beliebigen Skalaren αi.<br />
27