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Das Recht des Kindes auf - Janusz Korczak-Wochen

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Im gleichen Artikel rief <strong>Korczak</strong> dazu <strong>auf</strong>,<br />

«den Müttern alle möglichen Hinweise und Anregungen<br />

(zu) geben, damit sie sich zum Ernähren<br />

ihres Kin<strong>des</strong> mittels der eigenen Brust (...) verpflichtet<br />

fühlen.» 6<br />

Diese Forderung formulierte er in seinem Buch Wie<br />

liebt man ein Kind als «das <strong>Recht</strong> <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> <strong>auf</strong> die<br />

Mutterbrust». 7<br />

Die Magna Charta Libertatis<br />

Wenn <strong>Korczak</strong> in seinem pädagogischen Hauptwerk<br />

Wie liebt man ein Kind (1918/1920) Kinderrechte<br />

einfordert, ist dies etwas ganz Neues. Bisher wurde<br />

immer nur «an die Erwachsenen appelliert, das Kind<br />

zu umsorgen und zu lieben». 8 Jetzt sollten aber die<br />

Kinder endlich den Erwachsenen gleichgestellt werden<br />

und wie diese als Wesen mit <strong>Recht</strong>en respektiert<br />

werden. Es waren drei <strong>Recht</strong>e, die <strong>Korczak</strong> für<br />

die Kinder postulierte:<br />

«Ich fordere die Magna Charta Libertatis als ein<br />

Grundgesetz für das Kind. Vielleicht gibt es noch<br />

weitere, ich aber habe diese drei Grundrechte herausgefunden:<br />

1. <strong>Das</strong> <strong>Recht</strong> <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> <strong>auf</strong> den Tod.<br />

2. <strong>Das</strong> <strong>Recht</strong> <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> <strong>auf</strong> den heutigen Tag.<br />

3. <strong>Das</strong> <strong>Recht</strong> <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong>, das zu sein, was es ist.» 9<br />

1. <strong>Das</strong> <strong>Recht</strong> <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> <strong>auf</strong> den Tod<br />

Mit dem bewusst provokativ formulierten <strong>Recht</strong> <strong>des</strong><br />

Kin<strong>des</strong> <strong>auf</strong> den Tod kämpfte <strong>Janusz</strong> <strong>Korczak</strong> gegen<br />

die Überbehütung <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> an, wie er sie vor<br />

allem in wohlhabenden Kreisen immer wieder angetroffen<br />

hatte:<br />

«Sooft ich in einem weiss gestrichenen Zimmer mit<br />

weiss lackierten Möbeln ein blasses Kind in einem<br />

weissen Kleidchen mit weissem Spielzeug sehe,<br />

habe ich das ungute Gefühl: In diesem Kinderzimmer,<br />

das einem Operationssaal gleicht, muss eine<br />

blutlose Seele in einem anämischen Körper heranwachsen.»<br />

10<br />

Was dies für die betroffenen Kinder bedeutet, deckte<br />

<strong>Korczak</strong> mit folgendem Satz schonungslos <strong>auf</strong>:<br />

«Aus Furcht, der Tod könnte uns das Kind entreissen,<br />

entreissen wir das Kind dem Leben; wir wollen<br />

nicht, dass es stirbt und erlauben ihm <strong>des</strong>halb nicht<br />

zu leben.» 11<br />

Kinder, forderte <strong>Korczak</strong>, müssten eigene Erfahrungen<br />

machen können. Nur so könnten sie sich zu<br />

eigenständigen Menschen entwickeln. Statt Kinder<br />

zur Freiheit zu ermutigen, sei es leider das vorrangige<br />

Ziel der ganzen modernen Erziehung,<br />

6 Ebd., S. 124.<br />

7 SW Bd. 4, S. 26.<br />

8 Friedhelm Beiner in: SW Bd. 16, S. 110.<br />

9 SW Bd. 4, S. 45.<br />

10 Ebd., S. 46.<br />

11 Ebd., S. 49.<br />

«ein bequemes Kind heranzubilden; konsequent<br />

Schritt für Schritt, trachtet sie [die moderne Erziehung]<br />

danach, alles einzuschläfern, zu unterdrücken,<br />

zu zerstören, was im Kind Wille und Freiheit,<br />

Seelenstärke und Unternehmungsgeist ausmacht.<br />

Brav, gehorsam, gutwillig, bequem aber ohne einen<br />

Gedanken daran, dass es innerlich willenlos<br />

und lebensuntüchtig sein wird.» 12<br />

Eltern und Erziehende müssten den Mut <strong>auf</strong>bringen,<br />

Kinder eigene Erfahrungen machen zu lassen – und<br />

zwar auch, wenn diese mit Risiken und Gefahren<br />

verbunden seien:<br />

«Du musst eben den Mut haben, ein bisschen<br />

Angst um sein Leben <strong>auf</strong> dich zu nehmen.» 13<br />

2. <strong>Das</strong> <strong>Recht</strong> <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> <strong>auf</strong> den heutigen Tag<br />

Hinter dem <strong>Recht</strong> <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> <strong>auf</strong> den heutigen Tag<br />

steht <strong>Korczak</strong>s Grund-Satz, dass es keine Kinder<br />

gibt, sondern nur Menschen 14 :<br />

«Kinder werden nicht erst Menschen, sie sind es<br />

bereits; ja sie sind Menschen und keine Puppen;<br />

man kann an ihren Verstand appellieren, sie<br />

antworten uns, sprechen wir zu ihren Herzen,<br />

fühlen sie uns.» 15<br />

Die Kinder hätten ein <strong>Recht</strong> dar<strong>auf</strong>, dass sie im Hier<br />

und Jetzt ernst genommen werden: Ihre Welt sei<br />

«keine Liliputwelt, sondern eine richtige Welt, mit<br />

ihren Werten, Tugenden, Lastern, Bestrebungen<br />

und Wünschen, - die nicht klein, sondern bedeutsam,<br />

nicht unschuldig, sondern menschlich sind.» 16<br />

<strong>Korczak</strong> betonte <strong>des</strong>halb, dass Erziehung nicht<br />

heissen dürfe, alles irgendwelchen fernen Zielen<br />

unterzuordnen:<br />

«Ich werde verbissen immer wieder <strong>auf</strong> die Verteidigung<br />

eben dieses Grundsatzes zurückkommen,<br />

entgegen der landläufigen Formel vom künftigen<br />

Glied der Gesellschaft, vom künftigen Bürger. Wer<br />

die Kindheit überspringen will und dabei in die fern<br />

liegende Zukunft zielt – wird sein Ziel verfehlen.» 17<br />

Zum <strong>Recht</strong> <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> <strong>auf</strong> den heutigen Tag gehöre<br />

auch, dass die Sorgen und Nöte der Kinder ernst<br />

genommen würden: Keine Sorge, keine Not, keine<br />

Träne seien zu klein, als dass sie nicht beachtet<br />

werden müssten:<br />

«Habt Achtung vor den Misserfolgen und Tränen.<br />

Nicht nur ein zerrissener Strumpf, sondern ein <strong>auf</strong>geschürftes<br />

Knie; nicht nur ein zerbrochenes Glas,<br />

sondern ein verletzter Finger, ein blauer Fleck, eine<br />

Beule, also ein Schmerz.» 18<br />

Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch folgender<br />

Satz von <strong>Korczak</strong>:<br />

12 Ebd., S. 19.<br />

13 Ebd., S. 241.<br />

14 Ebd., S. 147: „Es gibt keine Kinder – es gibt nur Menschen;<br />

aber Kinder haben eine andere Begriffsskala.“<br />

15 SW Bd. 9, S. 50.<br />

16 SW Bd. 4, S. 152.<br />

17 Ebd., S. 256.<br />

18 Ebd., S. 403.<br />

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