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Strategische Einkaufshebel - widepartners.de

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Erfolgspotentiale im strategischen Einkauf<br />

Klaus Jürgen Heimbrock und Thomas Deil<br />

Zusammenfassung: Der Beitrag soll zeigen, wie eine strategische Einkaufsfunktion<br />

aus ihrem Schatten heraus tritt und als selbstbewusste Unternehmensfunktion, einen<br />

wesentlichen Anteil in <strong>de</strong>r Stärkung <strong>de</strong>r Profitabilität und <strong>de</strong>r Sicherung bzw.<br />

Steigerung <strong>de</strong>r Wettbewerbsfähigkeit in einer globalen Wettbewerbssituation hat.<br />

Gera<strong>de</strong> im Bereich <strong>de</strong>r Materialkosten liegen erhebliche Potenziale zur Verbesserung<br />

<strong>de</strong>r eigenen Wettbewerbsfähigkeit, o<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>n Worten von Managementlegen<strong>de</strong><br />

Peter Drucker ausgedrückt: „Nowhere in business is there greater benefitting from…<br />

inter<strong>de</strong>pen<strong>de</strong>nce than between customer firms and their suppliers. This is the largest<br />

remaining frontier for gaining competetive advantage – and nowhere has such a<br />

frontier been more neglected 1 .”<br />

Inhaltsverzeichnis:<br />

1. Die Einkaufsfunktion im Unternehmen – eine kurze Standortbestimmung<br />

2. Materialkosten entschei<strong>de</strong>n über <strong>de</strong>n Unternehmenserfolg<br />

3. Einkauf braucht ein Ziel<br />

4. Verän<strong>de</strong>rungen müssen von oben einfließen<br />

5. Vorgehensweise im Überblick<br />

1 Timothy M. Laseter: Balanced Sourcing; Jossey-Bass Publishers, San Francisco<br />

1


1 Die Einkaufsfunktion im Unternehmen – eine kurze Standortbestimmung<br />

Gibt es zum Thema Einkauf überhaupt noch Nennenswertes zu berichten? Sind nicht<br />

alle Hebel zur Reduzierung <strong>de</strong>r Materialkosten im industriellen Bereich bekannt und<br />

in voller Anwendung? Ein Blick in die Wirtschaftspresse zeigt, dass auch im Jahr<br />

2003 Handlungsbedarf bei <strong>de</strong>r Ausgestaltung strategischer Einkaufsprozesse und –<br />

metho<strong>de</strong>n besteht:<br />

„Rheinischer Patient“ (Spiegel 43 / 2003): Das Nachrichtenmagazin sieht eine<br />

wesentliche Ursache <strong>de</strong>r <strong>de</strong>rzeitigen Kostenprobleme von Ford of Europe im<br />

Einkaufssystem: „Danach erhalten die Einkäufer nur dann einen Bonus, wenn sie ein<br />

Teil billiger als im Vorjahr erwerben. Der Einkäufer hat gar kein Interesse, <strong>de</strong>m<br />

Zulieferer von Anfang an einen niedrigen Preis abzuringen, weil dann sein Spielraum<br />

für das nächste Jahr zu gering und damit sein Bonus in Gefahr wäre.“<br />

„Sony siebt Zulieferer drastisch aus“ (Financial Times Deutschland vom 07. 10.<br />

2003): Im Rahmen eines Restrukturierungsprogrammes beabsichtigt das<br />

Unternehmen, die Teilevielfalt von <strong>de</strong>rzeit 840.000 auf 100.000 zu reduzieren,<br />

einhergehend mit einer drastischen Bereinigung <strong>de</strong>s Lieferantenportfolios von 4.700<br />

auf 1.000, um wie<strong>de</strong>r profitabel zu wer<strong>de</strong>n.<br />

„Roter Oktober in Stuttgart“ (Spiegel 44 / 2003): In einem Bericht, <strong>de</strong>r die<br />

Schwierigkeiten bei <strong>de</strong>r Integration von Mitsubishi Motors in die DaimlerChrysler<br />

AG beschreibt, wird ebenfalls <strong>de</strong>r strategische Einkauf thematisiert: Mitsubishi<br />

Motors hat zwei Anteilseigner, DaimlerChrysler und <strong>de</strong>n Mutterkonzern Mitsubishi.<br />

„Der ist mit seinen vielen Töchtern zugleich Zulieferer von Mitsubishi Motors bei<br />

Elektronik, Kunststoff und an<strong>de</strong>ren Teilen. Das erschwere es, die Einkaufspreise zu<br />

senken, weil dadurch bei <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Konzernfirmen die Gewinne sinken.“<br />

Drei unterschiedliche Konzerne, die offensichtlich eines gemeinsam haben:<br />

unzureichend austarierte Sourcingprozesse, die die Wettbewerbsfähigkeit o<strong>de</strong>r gar die<br />

Überlebensfähigkeit bedrohen. Fand man bisher gemeinsames Verständnis darüber,<br />

dass bei KMU Defizite im strategischen Einkauf durch geringes Einkaufsvolumen<br />

bzw. Bün<strong>de</strong>lungsvolumen quasi naturgegeben sind, so scheinen auch global ausgerichtete<br />

Großkonzerne aus ganz unterschiedlichen Grün<strong>de</strong>n heraus ihre<br />

Schwierigkeiten mit <strong>de</strong>m Management ihrer Materialkosten zu haben. Abgesehen<br />

davon, dass KMU sehr wohl in <strong>de</strong>r Lage sind, trotz geringerer Einkaufsvolumina<br />

effektive Sourcingprozesse aufzubauen bzw. diese gera<strong>de</strong> wegen geringer<br />

Marktmacht benötigen, stellt sich die Frage, welche Prozesse und Metho<strong>de</strong>n eine<br />

erfolgreich integrierte, strategische Einkaufsfunktion ausmachen, kurz: was sind die<br />

Erfolgsfaktoren <strong>de</strong>s strategischen Einkaufs und wie tragen Sie zu einer wesentlichen<br />

Verbesserung <strong>de</strong>r Wettbewerbsfähigkeit <strong>de</strong>s Gesamtunternehmens bei? Die<br />

2


Beantwortung dieser Frage ist insofern von Be<strong>de</strong>utung, als dass die Optimierung <strong>de</strong>r<br />

Einkaufsfunktion <strong>de</strong>n größten Einfluss auf die Gesamtkosten <strong>de</strong>s Unternehmens hat,<br />

stellen diese in <strong>de</strong>r verarbeiten<strong>de</strong>n Industrie einen Anteil zwischen fünfzig bis achtzig<br />

Prozent dar. Es lohnt also, die Lieferantenstruktur, die Einkaufsorganisation und<br />

<strong>de</strong>ren Einbindung in die Kernprozesses zu durchleuchten und zu über<strong>de</strong>nken.<br />

Unabhängig von <strong>de</strong>r Größe <strong>de</strong>s Unternehmens haben sich aufgrund unserer<br />

Erfahrungen wesentliche, erfolgsbestimmen<strong>de</strong> Faktoren herauskristallisiert, die in<br />

ihrem Zusammenspiel je<strong>de</strong>s Unternehmen in seiner Kostensituation dramatisch<br />

verbessern und helfen, die oben geschil<strong>de</strong>rten Beispiele einer einseitigen Ausrichtung<br />

<strong>de</strong>r Einkaufsziele, ausufern<strong>de</strong>r Teile- und Lieferantenvielfalt und Zielkonflikten<br />

zwischen Eigenfertigung und Fremdbezug zu vermei<strong>de</strong>n und in echte<br />

Wettbewerbsvorteile umzukehren. Bevor wir diese Erfolgsfaktoren und <strong>de</strong>ren<br />

Zusammenspiel vorstellen und beschreiben, ist es jedoch nützlich, die Ausgangssituation<br />

etwas näher zu betrachten.<br />

Die Notwendigkeit, die Aktionäre mit immer neuen, kurzfristigen Erfolgsmeldungen<br />

zum Kaufen o<strong>de</strong>r Halten zu bewegen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Zwang bei Personengesellschaften, die<br />

Banken als Kreditgeber zu motivieren, erfor<strong>de</strong>rt von <strong>de</strong>n Unternehmen alle<br />

Anstrengungen, immer neue, innovative Produkte mit immer höherem Kun<strong>de</strong>nnutzen<br />

in immer schnellerer Zeit zu vermarkten. In diesem Vermarktungskarussell haben<br />

sich mo<strong>de</strong>rne Produktionsmetho<strong>de</strong>n und Informationstechnologien als Antriebsmotoren<br />

bewährt, die jedoch stets mit hohen Investitionen, Neben- und Folgekosten<br />

einhergehen. Durch eine rasante Automatisierung und drastische Personalreduzierung<br />

als Folge von Reengineeringprozessen sind oftmals nicht mehr die Personalkosten<br />

<strong>de</strong>r dominieren<strong>de</strong> Anteil – es sind die Materialkosten!<br />

Die Einkaufsfunktion, die ja wesentlich über die Materialkosten bestimmen sollte, die<br />

je nach Branche und Unternehmensstruktur bis zu achtzig Prozent <strong>de</strong>r Gesamtkosten<br />

darstellen, spielt hierbei häufig eine immer noch untergeordnete Rolle. Die Grün<strong>de</strong><br />

hierfür liegen häufig in so schlechten Ausgangsvoraussetzungen, wie z. B.:<br />

- einer starken, gewachsenen Zusammenarbeit <strong>de</strong>r bestehen<strong>de</strong>n Zulieferanten mit<br />

<strong>de</strong>r Entwicklung, <strong>de</strong>r Fertigung, <strong>de</strong>r Logistik und <strong>de</strong>r Unternehmensleitung<br />

- <strong>de</strong>r Einkaufsabteilung als Sackbahnhof für personelle Abschiebungen<br />

- einer historisch gewachsenen Dominanz <strong>de</strong>r Bereiche Entwicklung, Fertigung,<br />

Qualitätssicherung, Controlling, Vertrieb o<strong>de</strong>r Logistik<br />

- „unabän<strong>de</strong>rlicher Abhängigkeit“ von bestehen<strong>de</strong>n Lieferanten<br />

- fehlen<strong>de</strong>r Zielsetzungen <strong>de</strong>r Einkaufsorganisation<br />

- <strong>de</strong>m Fehlen einer strategischen Einkaufsabteilung und <strong>de</strong>r Konzentration auf<br />

Produktanläufe und <strong>de</strong>r Jagd nach Fehlteilen<br />

- einer Technik- und Ingenieursdominanz, die das Produkt<strong>de</strong>nken in <strong>de</strong>n<br />

Vor<strong>de</strong>rgrund stellt und das Prozess<strong>de</strong>nken vernachlässigt<br />

3


- fehlen<strong>de</strong>n Kenntnissen o<strong>de</strong>r Desinteresse über <strong>de</strong>n am Markt zu erzielen<strong>de</strong>n Preis<br />

für das eigene Produkt<br />

Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen, stellt jedoch auch unvollständig einen<br />

Querschnitt <strong>de</strong>utschen Unternehmens<strong>de</strong>nkens über die Einkaufsfunktion zu Beginn<br />

<strong>de</strong>s 21. Jahrhun<strong>de</strong>rts dar. Es ist erstaunlich, wie ausgeprägt und hartnäckig die<br />

Argumentation greift, dass man seinen direkten Lieferanten nicht mit<br />

Kostensenkungsfor<strong>de</strong>rungen konfrontieren darf, weil dieser doch seine eigene<br />

Kostenstruktur nicht beeinflussen kann und er ein Anrecht auf seinen Gewinn hat,<br />

selbst wenn das eigene Unternehmen finanziell kurz vor <strong>de</strong>m Abgrund steht.<br />

Ursachen für diese beschei<strong>de</strong>ne Ausgangssituation liegen in unserer westlich<br />

verankerten, klassischen Ingenieurs<strong>de</strong>nkweise, die voraussetzt, dass eine<br />

Verbesserung <strong>de</strong>r Produktqualität nur und ausschließlich durch höhere Kosten und<br />

ein Mehr an Aufwand erzielt wer<strong>de</strong>n kann. Allein die I<strong>de</strong>e, Kostensenkungen im<br />

Materialbereich anzustreben, wird im eigenen Unternehmen unmittelbar als<br />

unsittlicher Antrag mit <strong>de</strong>m Verweis zurück gewiesen, dass <strong>de</strong>r hohe Anspruch an<br />

das zu verkaufen<strong>de</strong> Produkt keine qualitativen Abstriche erlaubt, was laut<br />

landläufiger Meinung mit Kostensenkungen ja automatisch einhergeht. Die<br />

Assoziation, dass niedrige Materialkosten untrennbar an schlechte Produktqualität<br />

gekoppelt sind, hält sich hartnäckig und verhin<strong>de</strong>rt die Umsetzung wertvoller I<strong>de</strong>en<br />

zur Verbesserung <strong>de</strong>r eigenen Kostenposition – ohne Qualitätsabstriche.<br />

Niedrige Kosten, technologische Führerschaft und hohe<br />

Produktqualität stehen nicht in Wi<strong>de</strong>rspruch zueinan<strong>de</strong>r<br />

hoch<br />

Lieferqualität<br />

niedrig<br />

Best-of-<br />

Lieferanten<br />

niedrig<br />

hoch<br />

Technologisches Know How <strong>de</strong>r<br />

Lieferanten<br />

hoch<br />

Kosten<br />

niedrig<br />

Abb. 1: Lieferqualität – Know How – Kosten Portfolio<br />

• niedrig:<br />

-Kosten<br />

•hoch:<br />

- Qualität<br />

- Know How<br />

Hieraus resultiert auch eine häufig ausgeprägte Abneigung gegenüber Lieferanten aus<br />

so genannten Billiglohnlän<strong>de</strong>rn, da aus diesen Regionen per se nur min<strong>de</strong>rwertige<br />

4


Güter bezogen wer<strong>de</strong>n können – ein Irrtum, <strong>de</strong>r mit einer gehörigen Portion Arroganz<br />

gekoppelt ist. Statt<strong>de</strong>ssen gibt es genügend konkrete Beispiele in <strong>de</strong>r Zusammenarbeit<br />

zwischen Kun<strong>de</strong>n und Lieferanten, die zeigen, dass hohe Qualität und ausgeprägtes<br />

technologisches Wissen nicht automatisch zu hohen Kosten führen, wie<br />

obenstehen<strong>de</strong>s, schematisches Portfolio zeigt. Die aus <strong>de</strong>m markierten Quadranten<br />

herausgezogenen Lieferanten <strong>de</strong>s bestehen<strong>de</strong>n Lieferantenportfolios gilt es zu<br />

i<strong>de</strong>ntifizieren, zu halten und aufzubauen. Es ist die strategische Aufgabe <strong>de</strong>s<br />

Einkaufs, weitere Lieferanten am Weltmarkt zu fin<strong>de</strong>n, die hinsichtlich Kosten,<br />

Qualität und Technologie führend sind und zu nutzen.<br />

Lei<strong>de</strong>r steht heute in <strong>de</strong>n meisten Unternehmen keine aktive Lieferantenentwicklung<br />

im Vor<strong>de</strong>rgrund, son<strong>de</strong>rn ein Beharren auf <strong>de</strong>r Meinung, dass Materialkosten nicht<br />

beeinflussbar sind. Bestandteil einer solchen Einstellung ist ein ausgeprägtes<br />

Zuschlagskalkulations<strong>de</strong>nken. Hierbei wird vorausgesetzt, dass zur Erstellung eines<br />

Produktes o<strong>de</strong>r einer Dienstleistung ein bestimmtes Kostengefüge besteht, in <strong>de</strong>m<br />

Löhne, Material, Fertigungskosten aufaddiert wer<strong>de</strong>n und in ihrer Summe<br />

unreflektiert als mathematisch „richtig“ angesehen wer<strong>de</strong>n. Diese Sichtweise<br />

verhin<strong>de</strong>rt eine aktive Beeinflussung <strong>de</strong>r Materialkosten und dient als Argumentation<br />

im eigenen Unternehmen, dass alle Aktivitäten, Kosten durch Lieferanten- o<strong>de</strong>r<br />

Materialmanagement zu senken, zum Scheitern verurteilt sind.<br />

Warum sollte vor diesem Hintergrund, <strong>de</strong>r materialseitig keine Gestaltungsfreiräume<br />

bietet, <strong>de</strong>r Einkauf eine tragen<strong>de</strong> Rolle spielen? Klar ist jedoch auch, dass das<br />

bisherige Abwägungs<strong>de</strong>nken zwischen niedrigen Kosten und niedriger Qualität, <strong>de</strong>m<br />

Beharren auf <strong>de</strong>m Status quo und <strong>de</strong>r Verteidigung von Lieferantenargumenten<br />

innerhalb <strong>de</strong>r eigenen Organisation auch nicht <strong>de</strong>n Weg zum Erfolg und mehr<br />

Profitabilität ebnen.<br />

2. Materialkosten entschei<strong>de</strong>n über <strong>de</strong>n Unternehmenserfolg<br />

Die I<strong>de</strong>e, innerhalb von zwei Jahren <strong>de</strong>n Unternehmensumsatz zu verdoppeln, wird<br />

von <strong>de</strong>n Mitarbeitern eines Unternehmens, das sich nicht in einer absoluten<br />

Wachstumsbranche befin<strong>de</strong>t, mit hoher Wahrscheinlichkeit als utopisch angesehen.<br />

Angenommen, dass ein solches Unternehmen einen Materialkostenanteil von fünfzig<br />

Prozent am Umsatz hat und <strong>de</strong>r Gewinn fünf Prozent <strong>de</strong>s Umsatzes beträgt, be<strong>de</strong>utet<br />

eine Senkung <strong>de</strong>r Materialkosten um zehn Prozent eine Verdoppelung <strong>de</strong>r<br />

Umsatzrendite.Auf <strong>de</strong>r Absatzseite müsste jedoch <strong>de</strong>r Umsatz verdoppelt wer<strong>de</strong>n, um<br />

<strong>de</strong>nselben Effekt zu erzielen:<br />

5


Eine Verdoppelung <strong>de</strong>s Umsatzes hat <strong>de</strong>n gleichen Effekt<br />

wie eine zehnprozentige Kostensenkung<br />

Umsatz:<br />

100 Mio. EUR<br />

Gewinn: 5 Mio. EUR<br />

Abb. 2: Umsatz-Vocus vs. Kosten-Vocus<br />

Um einen solchen Erfolg zu erzielen, müssen Marketing und Vertrieb ihren Umsatz<br />

verdoppeln, was jedoch nicht ohne kostspielige Akquisition von Neukun<strong>de</strong>n,<br />

Erweiterung <strong>de</strong>s Vertriebsnetzes o<strong>de</strong>r intensive Ausweitung <strong>de</strong>r Marketingaktivitäten<br />

möglich ist. Eine Steigerung <strong>de</strong>s Umsatzes von € 100 auf 200 Mio. ist in einem<br />

stagnieren<strong>de</strong>n Markt innerhalb von zwei Jahren kaum erreichbar. Eine Reduzierung<br />

<strong>de</strong>r Materialkosten um zehn Prozent hingegen entspricht ebenfalls einer<br />

Verdoppelung <strong>de</strong>r Umsatzrendite von fünf auf zehn Mio. €:<br />

Eine Senkung <strong>de</strong>r Materialkosten um 10% entspricht einer<br />

Verdoppelung <strong>de</strong>r Umsatzrendite<br />

Umsatz:<br />

100 Mio. EUR<br />

Materialkosten:<br />

50 Mio. EUR<br />

Abb. 3: Materialkosteneffekt<br />

Zusätzlich erfor<strong>de</strong>rliches<br />

Umsatzwachstum:<br />

100 Mio. EUR<br />

Renditeerhöhung von auf 10 Mio. EUR=100%<br />

Kostensenkung:<br />

5 Mio. EUR<br />

Gewinn: 10 Mio. EUR<br />

Materialkosten:<br />

45 Mio. EUR<br />

Ausgangssituation:<br />

Umsatz: 100 Mio. EUR<br />

Umsatzrendite: 5%<br />

Materialkosten 50 Mio. EUR<br />

Ziel:<br />

Verdoppelung <strong>de</strong>s Gewinns<br />

6


Die Senkung <strong>de</strong>r Materialkosten um zehn Prozent ist innerhalb dieser Zeit jedoch<br />

absolut erreichbar, vorausgesetzt, man ist in Kenntnis <strong>de</strong>r dafür erfor<strong>de</strong>rlichen<br />

Prozesse, Metho<strong>de</strong>n und Maßnahmen und ist, ausgehend vom Vorstand o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Geschäftsführung auch willens, diese Kenntnisse anzuwen<strong>de</strong>n und einen Richtungswechsel<br />

vom materialseitigen Abwägungs<strong>de</strong>nken hin zu einem konsequenten,<br />

unternehmensweiten Prozess<strong>de</strong>nken im Materialbereich einzuleiten. Eine konsequente<br />

Kostensenkungsinitiative ist darüber hinaus auch bei Aktionären, Banken und<br />

Kun<strong>de</strong>n ein nachvollziehbarer Beleg, die Zeichen <strong>de</strong>r Zeit erkannt zu haben und die<br />

Sicherung <strong>de</strong>r Wettbewerbsfähigkeit in <strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgrund <strong>de</strong>r Aktivitäten zu stellen.<br />

Die Verbesserung <strong>de</strong>r Materialkosten und die Stärkung <strong>de</strong>s strategischen Einkaufs<br />

verbessert also die Position <strong>de</strong>s Unternehmens in seiner Gesamtheit.<br />

Das oben aufgeführte Beispiel zeigt mit sehr konservativen Zahlen, wieviel Macht<br />

und Einfluss vom Block „Material“ ausgeht. Im Automobil- und Zulieferbereich liegt<br />

<strong>de</strong>r Anteil an Kaufteilen in einer Größenordnung zwischen fünfzig und siebzig<br />

Prozent <strong>de</strong>s Umsatzes, im Elektronikbereich bei bis zu 85%. Ein konsequentes,<br />

wettbewerbsorientiertes Material<strong>de</strong>nken steigert aber auch die Leistung <strong>de</strong>r<br />

Wertschöpfung im eigenen Haus, vorausgesetzt, die Inhousefertigung wird <strong>de</strong>m<br />

externen Wettbewerb durch die Lieferanten ausgesetzt. Ein solcher Ansatz, <strong>de</strong>r<br />

sowohl die Zukaufteile als auch die Eigenfertigung umfasst, bewirkt einen wesentlich<br />

größeren Effekt. Ein erfolgreicher Einkauf hat also nicht primär die Preise im Focus,<br />

son<strong>de</strong>rn die Verbesserung <strong>de</strong>r Umsatzrendite und trägt maßgeblich dazu bei.<br />

Als Orientierungswert lässt sich ableiten: Ein Euro Materialkostensenkung entspricht<br />

einer Umsatzsteigerung von zwanzig Euro bzw. je<strong>de</strong> Kostenreduzierung ist<br />

zwanzigmal effektiver als die eine gleich hohe Umsatzsteigerung. Dieses Potenzial<br />

gilt es zu heben.<br />

3. Einkauf braucht ein Ziel<br />

Eine Einkaufsabteilung, die im eigenen Unternehmen nur ein Schattendasein führt,<br />

beschäftigt sich in <strong>de</strong>r Regel „mit <strong>de</strong>r Jagd nach Fehlteilen“ und koordiniert interne<br />

Anfragen aus Technik, Fertigung und Kreditorenbuchhaltung. O<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rs<br />

ausgedrückt: <strong>de</strong>r Einkauf ist eine Informationsdrehscheibe, die immer dann in<br />

Anspruch genommen wird, wenn es Abstimmungsbedarf zwischen <strong>de</strong>m eigenen<br />

Unternehmen und <strong>de</strong>m Lieferanten gibt. In einem solchen Umfeld verkommt <strong>de</strong>r<br />

Einkäufer zu einem Beschwer<strong>de</strong>koordinator, <strong>de</strong>r subalterne Dienstgänge im Auftrag<br />

<strong>de</strong>r Nachbarabteilungen verrichtet. Nun ist es lei<strong>de</strong>r so, dass ein solches<br />

Einkaufsprofil vom Rest <strong>de</strong>r Unternehmensfunktionen gern gesehen wird:<br />

unliebsame Tätigkeiten wer<strong>de</strong>n einfach an <strong>de</strong>n Einkauf <strong>de</strong>legiert, so dass sich<br />

Entwicklung und Fertigung auf die wichtigen Entscheidungen mit <strong>de</strong>n Lieferanten<br />

konzentrieren können, ohne dass <strong>de</strong>r Einkauf hierbei Einfluss nimmt. So gesehen<br />

7


eduziert sich dass Profil <strong>de</strong>s Einkäufers auf das eines Bestellabwicklers, <strong>de</strong>r<br />

vorherbestimmte Entscheidungen durch die Nachbarabteilungen entgegennimmt und<br />

unreflektiert verwaltet. Es erfor<strong>de</strong>rt ein hohes Maß an Eigenmotivation, sich am<br />

eigenen Schopf aus diesem Sumpf zu ziehen und statt<strong>de</strong>ssen einen messbaren<br />

Wertschöpfungsbeitrag zu leisten.<br />

Ob in <strong>de</strong>r Wirtschaft, in <strong>de</strong>r Politik o<strong>de</strong>r im Sport: in allen Bereichen benötigt <strong>de</strong>r<br />

Mensch Ziele, um von sich zu behaupten, erfolgreich zu sein. Ob bei <strong>de</strong>r Vorstellung<br />

eine neuen Fahrzeuggeneration, einer Landtagswahl o<strong>de</strong>r einer Olympia<strong>de</strong> – hinter<br />

allen hierzu notwendigen Aktivitäten steckt ein klares Ziel: Gewinnsteigerung und<br />

Eroberung zusätzlicher Marktanteile, die Erschließung neuer Wählerpotenziale und<br />

die Eroberung bzw. Sicherung von Schlüsselpositionen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Gewinn einer<br />

Goldmedaille bzw. das Aufstellen neuer Rekor<strong>de</strong>. Alle diese Ziele haben gemeinsam,<br />

dass sie ambitioniert und messbar sind, ob in <strong>de</strong>r Gewinn- und Verlustrechnung, <strong>de</strong>m<br />

Wahlergebnis o<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r Stoppuhr. Dies gilt auch für <strong>de</strong>n Materialbereich und die<br />

Einkaufsabteilung: nur mit hohen, messbaren und beeinflussbaren Zielen kann aus<br />

einer historisch gewachsenen, eher anlauf- bzw. fehlteileorientierten Einkaufsabteilung<br />

eine „Cash Cow“ wer<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>n Mitarbeitern (ganz nebenbei) ein neues<br />

Selbstwertgefühl gibt, da <strong>de</strong>r Einkauf nun die zentrale Rolle <strong>de</strong>s Treibers zur<br />

Senkung <strong>de</strong>r Materialkosten übernimmt. Die Schwierigkeit liegt jedoch darin, dass<br />

wie bei je<strong>de</strong>m Verän<strong>de</strong>rungsprozess Reibungsverluste, Akzeptanzprobleme o<strong>de</strong>r<br />

Ablehnung, auch aus <strong>de</strong>n eigenen Reihen vorhersehbar sind. Es ist nur natürlich, dass<br />

ein Einkäufer o<strong>de</strong>r eine Einkäuferin nach erfolgreicher Klärung eines<br />

Materialengpasses am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Tages mit <strong>de</strong>m Gefühl nach Hause geht, einen<br />

wertvollen Beitrag für das Unternehmen geleistet zu haben, <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n Kollegen<br />

auch geschätzt wird. Dies hat jedoch nichts mit <strong>de</strong>r strategischen Einkaufsfunktion zu<br />

tun, die darauf ausgerichtet ist, das Know How <strong>de</strong>r weltweit besten Lieferanten aktiv<br />

einzubringen, um z. B. folgen<strong>de</strong> Ziele zu erreichen:<br />

- Reduzierung <strong>de</strong>r Preise für das aktuelle Einkaufsvolumen um 15%<br />

- Unterschreitung <strong>de</strong>r Zielpreise für Komponenten neu zu entwickeln<strong>de</strong>r Produkte<br />

um 10%<br />

- Steigerung <strong>de</strong>r Anlieferqualität von Kaufteilen auf 99,9%<br />

- Reduzierung <strong>de</strong>r Investitionskosten um 10% unterhalb <strong>de</strong>s Budgets<br />

- Reduzierung <strong>de</strong>r Stückkosten um 10% durch Einbindung <strong>de</strong>r besten Lieferanten<br />

im Investitionsbereich<br />

Neben <strong>de</strong>n quantifizierbaren Zielen sollen qualifizierte Ziele nicht vernachlässigt<br />

wer<strong>de</strong>n. Auch diese müssen ein<strong>de</strong>utig beschrieben sein und nachvollziehbar<br />

kontrolliert wer<strong>de</strong>n können. Die Steigerung <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>ntifikation mit <strong>de</strong>m<br />

Herstellerprodukt kann z.B. bei <strong>de</strong>n Mitarbeitern <strong>de</strong>s Lieferanten durch eine<br />

Erhebung nachgewiesen wer<strong>de</strong>n.<br />

8


Diese Beispiele sollen ver<strong>de</strong>utlichen, dass <strong>de</strong>r Aufbau einer schlagkräftigen<br />

Einkaufsabteilung, die Integration <strong>de</strong>r Qualitätssicherung im Einkauf die<br />

Intensivierung <strong>de</strong>r Beratung und Betreuung von Lieferanten, die Reduzierung <strong>de</strong>r<br />

Anzahl <strong>de</strong>r Lieferanten o<strong>de</strong>r die Anzahl an Anfragen letztendlich nur Mittel zum<br />

Zweck sind und Ziele für <strong>de</strong>n Einkauf einen direkten Effekt für die Steigerung <strong>de</strong>r<br />

Wettbewerbsfähigkeit <strong>de</strong>s eigenen Unternehmens darstellen müssen. Entschei<strong>de</strong>nd<br />

ist, dass diese Ziele so anspruchsvoll in ihrer Höhe formuliert wer<strong>de</strong>n, dass die<br />

Nutzung <strong>de</strong>r bereits ausgetretenen Pfa<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r nur ein Mehr an Arbeitszeit nicht<br />

ausreichen, um diese zu erreichen.<br />

4. Verän<strong>de</strong>rungen müssen von oben einfließen<br />

Es liegt auf <strong>de</strong>r Hand, dass die nachhaltige Beeinflussung <strong>de</strong>s Faktors Material nur<br />

durch einen crossfunktionalen Ansatz, durch die Einbeziehung <strong>de</strong>r Bereiche<br />

Entwicklung, Logistik, Qualitätssicherung, Fertigung, Controlling und Vertrieb und<br />

unter Betrachtung <strong>de</strong>r gesamten Wertschöpfungskette erfolgversprechend ist. An<strong>de</strong>rs<br />

als die klassische Rolle eines operativen Werkseinkaufes, <strong>de</strong>r Ansprechpartner für<br />

Lieferantenprobleme jeglicher Art ist, übernimmt <strong>de</strong>r Einkauf nun die Rolle <strong>de</strong>s<br />

Treibers zur Senkung <strong>de</strong>r Materialkosten, also <strong>de</strong>r Aussteuerung und frühzeitigen<br />

Einbindung <strong>de</strong>r Lieferanten, <strong>de</strong>r Verfolgung von Design-to-Cost-Maßnahmen und <strong>de</strong>r<br />

Nutzung <strong>de</strong>s globalen Lieferantenwettbewerbes. Als Treiber ist <strong>de</strong>r Einkauf jedoch<br />

nicht die Funktion, die sämtliche hierfür erfor<strong>de</strong>rlichen Aktivitäten selbst durchführt,<br />

son<strong>de</strong>rn diese abstimmt, vorantreibt und innerhalb von crossfunktionalen Teams zum<br />

Erfolg führt.<br />

Eine solche Ausrichtung wird fehlschlagen, wenn eine nachhaltige Verän<strong>de</strong>rung von<br />

<strong>de</strong>r Unternehmensleitung nicht aktiv mitgetragen wird. Diese Voraussetzung klingt<br />

scheinbar trivial, ist aber <strong>de</strong>r entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Faktor zu einer Neuausrichtung <strong>de</strong>r<br />

Einkaufsfunktion. Mit an<strong>de</strong>ren Worten: alle gut gemeinten Kostensenkungsinitiativen<br />

laufen ins Leere, wenn die erfor<strong>de</strong>rliche „Top Management Awareness“ zu diesem<br />

Thema fehlt. Verän<strong>de</strong>rungen bringen Skepsis, Gegenreaktionen o<strong>de</strong>r schlicht<br />

Ablehnung mit sich. Liebgewor<strong>de</strong>ne Abläufe wer<strong>de</strong>n geän<strong>de</strong>rt, Einfluss und<br />

Entscheidungskompetenzen neu verteilt. Es ist eine Tatsache, dass gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Umgang mit Lieferanten und die daran gekoppelten Entscheidungen in <strong>de</strong>r<br />

verarbeiten<strong>de</strong>n Industrie bei einer Reorganisation zu extremen Reaktionen und<br />

Konflikten zwischen <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Bereichen führt. Es geht um viel Geld,<br />

historisch gewachsene Lieferantenbeziehungen, Besitzstandswahrung, das vorher<br />

geschil<strong>de</strong>rte Abwägungs<strong>de</strong>nken o<strong>de</strong>r im negativsten Fall um die Wahrung<br />

persönlicher Vorteile.<br />

9


Die Verän<strong>de</strong>rungsdynamik in an<strong>de</strong>ren Disziplinen im Unternehmen hat <strong>de</strong>n<br />

Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Unternehmensleitung gezeigt, wie wichtig Initiative und Rückhalt<br />

von oben bei Verän<strong>de</strong>rung ist. Auch missglückte Reengineering-Projekte in<br />

Produktion o<strong>de</strong>r Verwaltung hatten oft ein zentrales Defizit: Mangeln<strong>de</strong> Verankerung<br />

im Top - Management!<br />

Es gibt einen einfachen Indikator, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Einfluss <strong>de</strong>r „offiziellen“ Einkaufsabteilung<br />

auf das zu beziehen<strong>de</strong> Material und Dienstleistungen offenlegt: <strong>de</strong>r Anteil<br />

<strong>de</strong>s Einkaufsvolumens, <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Einkaufsabteilung betreut wird. Ob Produktionsmaterial,<br />

verlängerte Werkbänke, Dienstleistungen, Energie usw. – nicht selten laufen<br />

diese Bereiche völlig am Einkauf vorbei und wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Fertigung, <strong>de</strong>r Instandsetzung<br />

o<strong>de</strong>r allen an<strong>de</strong>ren Abteilungen, nur nicht vom Einkauf wahrgenommen.<br />

Häufig haben solche „Mavericks“, also Personen o<strong>de</strong>r Abteilungen, die außerhalb <strong>de</strong>r<br />

regulären Abläufe o<strong>de</strong>r Entscheidungsinstanzen einkaufen, die Oberhand gewonnen.<br />

Ist dieser Anteil hoch, so ist ebenfalls wahrscheinlich, dass das vom Einkauf zu<br />

verantworten<strong>de</strong> Einkaufsvolumen eher administrativ abgewickelt als unternehmerisch<br />

gestaltet wird. Hierbei sprechen wir über die Basisaufgaben <strong>de</strong>s Einkaufs, wie die<br />

Durchführung von Anfragen, Angebotsauswertungen, Auftragsvergaben etc., die sehr<br />

häufig am Einkauf völlig vorbei laufen und durch Fertigungs- und Entwicklungsingenieure<br />

wahrgenommen wer<strong>de</strong>n.<br />

Dies soll nicht im Wi<strong>de</strong>rspruch liegen zu <strong>de</strong>nen, die eine hohe Flexibilität for<strong>de</strong>rn<br />

und ein schnelles Han<strong>de</strong>ln in Problemsituationen erwarten. Wenn <strong>de</strong>r strategische<br />

Einkauf die „Leitplanken“ aufgestellt hat, d.h. z.B. Rahmenverträge mit einem<br />

Baumarkt geschlossen hat, dann muss auch <strong>de</strong>r Handwerker im Ausnahmefall selbst<br />

aus Zeitgrün<strong>de</strong>n hinfahren und seinen benötigten Hammer einkaufen dürfen.<br />

Die Unternehmensleitung sollte sich jedoch bewusst sein, dass die Anfor<strong>de</strong>rungen an<br />

ein strategisches Materialmanagement in <strong>de</strong>n vergangenen Jahren erheblich<br />

gewachsen sind:<br />

- Trend zu zunehmen<strong>de</strong>r Modulariserung und steigen<strong>de</strong>r technischer Komplexität<br />

- Drastisch reduzierte Entwicklungszeiten („time to market“) und<br />

Produktlebenszyklen<br />

- Reduzierung <strong>de</strong>r eigenen Wertschöpfung und Konzentration auf<br />

Kernkompetenzen<br />

- Erschwerte Fremdfinanzierungsbedingungen (Basel II)<br />

- Ständig steigen<strong>de</strong>r Erfolgsdruck durch die Erwartungshaltung <strong>de</strong>r Sharehol<strong>de</strong>r<br />

- Extreme Marktschwankungen und Unvorhersehbarkeit von Branchenentwicklungen<br />

(z. B. Handymarkt, mobile Netzinfrastruktur sowie Festnetze, die im Jahr<br />

2001 quasi über Nacht völlig einbrachen)<br />

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Es wäre vermessen anzunehmen, dass diese dramatisch verän<strong>de</strong>rten Rahmenbedingungen<br />

ausschließlich die Produktentwicklung und -vermarktung betreffen<br />

sollten und <strong>de</strong>r Materialbereich ausgeklammert ist. Höchste Zeit, dass <strong>de</strong>r Einkauf zur<br />

Lösung <strong>de</strong>r anstehen<strong>de</strong>n Herausfor<strong>de</strong>rungen eine Schlüsselrolle übernimmt und dies<br />

von <strong>de</strong>n Vorstän<strong>de</strong>n und Geschäftsführern <strong>de</strong>r Dax-Konzerne bis hin zu <strong>de</strong>n KMU als<br />

Chefsache aufgegriffen wird.<br />

5. Vorgehensweise im Überblick<br />

Die nachfolgend genannten Hebel stellen für sich isoliert keine substantielle<br />

Verbesserung dar und können bestenfalls einen kurzzeitigen Erfolg, je<strong>de</strong>nfalls<br />

keinesfalls nachhaltigen Fortschritt zur Verringerung <strong>de</strong>r Materialkosten leisten. In<br />

ihrer Gesamtheit und vor allem in <strong>de</strong>r Verknüpfung innerhalb <strong>de</strong>r Aufbau- und<br />

Ablauforganisation stellen sie jedoch für je<strong>de</strong>s Unternehmen einen Quantensprung<br />

dar:<br />

• Target Costing: vom Markt abgeleitete Kostenziele<br />

• Early Involvement/ Deproliferation: frühzeitige Lieferanteneinbindung mit<br />

einhergehen<strong>de</strong>r Vermeidung und Entflechtung <strong>de</strong>r Teilevielfalt<br />

• Global Sourcing: Einbringung <strong>de</strong>r besten globalen Lieferanten<br />

• Make or Buy: Einbindung <strong>de</strong>r Eigenfertigung in die Lieferantenauswahl<br />

• Sourcing Committee: einstimmige, crossfunktionale Lieferantenauswahl im<br />

Gremium<br />

Bei allen drei eingangs aufgeführten Beispielen in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Presseartikeln<br />

ist erkennbar, dass die Balance <strong>de</strong>r Einkaufsprozesse durcheinan<strong>de</strong>r geraten ist:<br />

Bei Ford of Europe ist es die einseitige Ausrichtung auf Preisreduzierungen für das<br />

laufen<strong>de</strong> Serienmaterial, was eine Vernachlässigung <strong>de</strong>r Kostengestaltung von<br />

Neuentwicklungen vermuten lässt und damit die Wettbewerbsfähigkeit neu zu<br />

entwickeln<strong>de</strong>r Fahrzeuge gefähr<strong>de</strong>t. Die Kernprozesse "Target Costing" und "Early<br />

Involvement" geraten in <strong>de</strong>n Hintergrund. Sowohl die marktgerechte Kostenableitung<br />

für die Materialkosten eines neu zu entwickeln<strong>de</strong>n Fahrzeuges als auch die<br />

frühzeitige Einbindung von Lieferanten in <strong>de</strong>r Frühphase <strong>de</strong>r Produktentwicklung zur<br />

Erreichung hoch gesteckter Kostenziele kommen zu kurz.<br />

Sony steuerte einer Entwicklung entgegen, bei <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Vergangenheit die Vielfalt<br />

<strong>de</strong>r Teile und Lieferanten ausuferten. Die Zunahme <strong>de</strong>r Komplexität <strong>de</strong>r<br />

Komponentenentwicklung in <strong>de</strong>r Produktentstehungsphase und <strong>de</strong>r Steuerungsaufwand<br />

sowohl <strong>de</strong>r Teile als auch <strong>de</strong>r Lieferanten kann auf Dauer die Organisation<br />

<strong>de</strong>s Unternehmens lähmen und die Kosten in ungeahnte Höhen steigern (zumal diese<br />

Komplexitätskosten auch nur unzureichend controlled wer<strong>de</strong>n können und<br />

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entsprechen<strong>de</strong> Früherkennungsmechanismen nicht gegeben sind). Es ist<br />

offensichtlich, dass bei einer Reduzierung <strong>de</strong>r Teilevielfalt um mehr als achtzig<br />

Prozent in <strong>de</strong>r Vergangenheit das Thema "Deproliferation", also die Entflechtung <strong>de</strong>r<br />

Teile- und Lieferantenkomplexität nicht wirklich im Zentrum <strong>de</strong>r Aktivitäten stand.<br />

Das Dilemma von Mitsubishi Motors besteht einkaufsseitig darin, dass es bei <strong>de</strong>r<br />

Lieferantenauswahl zu Interessenkollisionen hinsichtlich externen und konzerninternen<br />

Anbietern kommt und mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Ablauf existiert,<br />

<strong>de</strong>r die Auswahl mit klaren Spielregeln begleitet. Die Grundregeln <strong>de</strong>r<br />

Wettbewerbsfähigkeit, die <strong>de</strong>m Kernprozess "Global Sourcing" zugrun<strong>de</strong> liegt, also<br />

<strong>de</strong>r Berücksichtigung <strong>de</strong>r weltbesten Lieferanten, als auch <strong>de</strong>s "Make or Buy", <strong>de</strong>s<br />

Wettbewerbsprinzips zwischen Fremd- o<strong>de</strong>r Eigenbezug, scheinen in diesem Beispiel<br />

verzerrt zu sein.<br />

Alle drei Beispiele haben weiterhin gemeinsam, dass die nun offensichtlichen<br />

Probleme, sei es die Teilevielfalt o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Interessenkonflikt zwischen Eigen- o<strong>de</strong>r<br />

Fremdbezug, nicht während <strong>de</strong>r Entscheidung für einen bestimmten Lieferanten o<strong>de</strong>r<br />

für eine bestimmte Komponente zu Tage traten: nämlich in einem crossfunktionale<br />

Vergabeprozess, <strong>de</strong>r in einem sogenannten "Sourcing Committee" entschie<strong>de</strong>n wird.<br />

Die diesen Erfolgsfaktoren zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Grundannahmen und Möglichkeiten<br />

zur Nutzung und Einbindung in einen integrierten Sourcing-Ablauf für Neuteile<br />

einerseits, Serienteile an<strong>de</strong>rerseits wer<strong>de</strong>n in einem weiteren Aufsatz in diesem<br />

Sammelband vertieft:<br />

- <strong>de</strong>r Advanced Purchasing Process für Neuteile<br />

- <strong>de</strong>r Global Purchasing Process für Serienteile, inhaltlich <strong>de</strong>m Advanced<br />

Purchasing Process ähnlich, aber etwas verkürzt<br />

In <strong>de</strong>n AP- und GS-Prozessbeschreibungen wird beschrieben, welche Tätigkeiten zu<br />

welchem Zeitpunkt durchgeführt wer<strong>de</strong>n, um zu „optimalen“ Sourcingentscheidungen<br />

für Neu- und Serienteile zu gelangen. Diese Abläufe bil<strong>de</strong>n das Rückgrat <strong>de</strong>s<br />

strategischen Einkaufs und ermöglichen die Nutzung <strong>de</strong>r Hebel Target Costing,<br />

Global Sourcing, Make or Buy und Early Involvement/ Deproliferation.<br />

Bei<strong>de</strong> Abläufe haben sich in unterschiedlichen Unternehmen <strong>de</strong>r Automobil- und<br />

Zulieferindustrie bewährt und können in verarbeiten<strong>de</strong>n Unternehmen unterschiedlichster<br />

Branchen eingeführt wer<strong>de</strong>n. 2<br />

2 für weitere Einzelheiten sei auf <strong>de</strong>n Aufsatz von Deil/Heimbrock im gleichen Sammelband hingewiesen.<br />

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Literaturhinweise<br />

Die Anzahl an Büchern und Veröffentlichungen, die sich mit <strong>de</strong>m strategischen Einkauf befassen<br />

und <strong>de</strong>n Blick auf die praktische Umsetzung richten, ist lei<strong>de</strong>r eingeschränkt. Im Rahmen dieser<br />

Veröffentlichung sind die Gedanken und Ausführungen folgen<strong>de</strong>r Bücher und Aufsätze<br />

eingeflossen:<br />

R. Bouteillier/ A. Locker: Beschaffungslogistik. Carl Hanser Verlag, 1998<br />

Yasuhiro Mon<strong>de</strong>n: Wege zur Kostensenkung. Verlag Vahlen, 1999<br />

Andre Versteeg: Revolution im Einkauf. Campus Verlag, 1999<br />

Timothy M. Laseter/ Booz, Allen & Hamilton: Balanced Sourcing. Jossey-Bass Publishers, San<br />

Francisco, 1998<br />

Ulrich Finicke/ McKinsey & Co.: White Paper Procurement. 3/2002, über: http://www.competencesite.<strong>de</strong><br />

Dietram Schnei<strong>de</strong>r/ Peter Pflaumer (Hrsg.): Power Tools. Gabler Verlag, 2001<br />

(hier insbeson<strong>de</strong>re das Kapitel Target Costing – Konsequente Marktorientierung durch Zielkostenmanagement)<br />

Avinash K. Dixit/ Barry J. Nalebuff: Spieltheorie für Einsteiger. Verlag Schäffer Poeschel, 1997<br />

Klaus Jürgen Heimbrock: Kompetenzpartnermanagement. Gabler Verlag, 2001<br />

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