„Das ist alles auf meinem Mist gewachsen!“ - Berger Biotechnik GmbH

BIOTECHNIK
12
Der kleine Gewerbebetrieb
hier im Hinterhof an der
Juliusstraße ist eher unscheinbar.
Und dennoch
verschickt Geschäftsführer
Wolfgang Berger seine Waren
selbst bis nach Afrika: Berger
Biotechnik ist spezialisiert
auf „umweltfreundliche
Systeme und Produkte zur
biologischen Abfallbehandlung“.
Im Klartext:
Wolfgang Berger verkauft
Komposttoiletten.
Beim ersten Hinsehen merkt
man keinen Unterschied, sieht
doch aus wie eine ganz normale,
herkömmliche Toilette. Wolfgang
Berger klappt den Deckel hoch:
„Dies ist eine Spezialkonstruktion.
Der Urinstrahl wird hier vorne
gesammelt und separat abgeführt.“
Es ist also nicht nur sinnvoll,
Müll zu trennen. Auch im Umgang
So wird aus
Toilettenkompost
Humus: Wolfgang
Berger in seinem
Hof.
„Das ist alles
auf meinem Mist
gewachsen!“
mit menschlichen
Exkrementen
kann man ökologisch
vorgehen.
Während diese
Klos in Wohnhäuser
eingebaut werden,
kommen die
Modelle gleich
nebenan in seiner
Ausstellung ganz
ohne Wasserspülung
aus. Sie sind
für Campingplätze,
Ferienhäuser
und Kleingartenkolonien
gedacht.
„Der Sammelbehälter
wird mit
Rindenschrot beschickt.
Diese getrocknete
und zerkleinerteBaumrinde
macht aus
den Toilettenabfällen
Kompost, und
das völlig geruchlos!“
Wir gehen in den kleinen Innenhof.
Berger benutzt selbst seine
Trockentoilette und kompostiert
die Abfälle in Behältern. Es
riecht ganz frisch nach Humus.
„Den fertigen Kompost verwende
ich dann hier an der Mauer. Wein
und Efeu gedeihen bestens. Das
ist alles sozusagen auf meinem eigenen
Mist gewachsen“, freut sich
Wolfgang Berger.
Als Student der Architektur –
das war in den 70er Jahren auf der
Gesamthochschule Kassel – ist
Berger mit anderen Mitstreitern
aufs Land gezogen. „Wir waren
zehn Leute, haben uns mit biologischer
Landwirtschaft beschäftigt.
Wir hatten eine eigene Tischlerei
und Weberei. Auf dem Hof liefen
Ziegen herum.“ Und die Fäkalien
wurden selbst geklärt. Bis der
Teich, in den die geklärten Abwässer
flossen, doch überdüngt war.
Berger, der auch noch Industrie-

Bunte Toiletten in der
Juliusstraße.
Design studierte,beschäftigte
sich intensiv
mit dieserProblematik.
Und
schon war
das erste
Trockenklo
entstanden,
wurde mit
Ziegenmist
getestet.
„Skandinavien
war
damals
schon der
Vorreiter für
diese Themen.
Da
konnte man
einiges übernehmen.
Und ein Zitat von Friedensreich
Hundertwasser machte die Runde
„Aus Scheiße wird Erde“. Ich habe
die Thematik in meiner Abschlussarbeit
beleuchtet.“ Das war
1977.
Diese Examensarbeit wurde gedruckt
und als Infoschrift veröffentlicht.
Mit Bergers Adresse auf
dem Cover. Der machte sich erst
einmal auf in die große weite
Welt, in die USA und nach Neuseeland.
Als er wieder zu Hause
ankam, lagen erste Bestellungen
für Trockentoiletten vor.
Inzwischen nach Hamburg umgesiedelt,
machte Berger aber erst
einmal eine baubiologische Zusatzausbildung.
Es folgten erste
Gutachten für Behörden, Mitarbeit
an der Hamburger Fachlichen Weisung
für Kleingärtner, war dann
mit dem Thema ökologisches Bauen
in Allermöhe beschäftigt.
Zwischenzeitlich hatten sich
in einem Lager an der Lippmanstraße
einige Toilettenmodelle angesammelt.
1985 hat er sich selbständig
gemacht. Und 1989 kam
der Umzug in lei Gerüche nach oben steigen
den Hof der können“, erläutert Wolfgang Ber-
Juliusstraße ger das Prinzip. Bei größeren An-
27. „Damals lagen ist zusätzlich ein Ventilator
bin ich mit installiert, so dass auch während
meinem klei- der Benutzung keine Gerüche stönen
Karmann ren. „Die Küchenabfälle können
Ghia zu den übrigens gleich mit ins Klo gewor-
Kunden gefen werden!“ Allerdings erfordert
fahren. Ich die Biotoilette, dass der entstehen-
hatte einen de Kompost einmal im Monat beDachgepäcklüftet
und gelockert wird. Da der
träger, auf
fertige, zu entnehmende Kompost
dem ich drei in eine eigene Entnahmekammer
Toilettenmus- wandert, kommt der Anwender
tertranspor- also tatsächlich nur mit dem fertitierenkonngen
und natürlich völlig geruchste!“
Natürlich freien Kompost in Berührung.
immer unter
In der Praxis geht also alles
dem Geläch- seinen Gang. Was sich Berger
ter der Pas- jetzt noch verstärkt wünscht, das
santen. Doch ist eine intensivere wissenschaft-
das Geschäft liche Begleitforschung. In
lief gut an. Deutschland hat er das trotz ver-
Nach Allermöhe kam ein Projekt schiedener Anläufe noch nicht auf
in Wien-Gänserndorf, eine große den Weg bringen können. Dafür
Siedlung in Bielefeld mit 70 Bioto- aber in Afrika. „In Ghana macht
iletten, Kiel, Berlin. Schließlich man sich viel Gedanken über das
stattet Berger Hütten des Deut- Einsparen von Wasser. Denn Wasschen
Alpenvereins in Österreich ser ist dort sehr knapp. An einer
mit Trockentoiletten aus.
privaten Universität läuft dort
In den letzten
jetzt ein Projekt mit
Jahren hat Berger
dem Forschungsziel,
die Toiletten „verfei-
dass alle Abwässer in
nert“, wie er sagt.
der Landwirtschaft
Jetzt werden die Toi-
wieder verwendet werlettenbecken
selber
den können. Die Toi-
umweltfreundlicher
letten haben Urintren-
produziert, außernung,
um Stickstoffdem
sind sie wedünger
einzusparen.
sentlich haltbarer
Mein Projektbereich
als früher. In einem
heißt ökologische Sa-
lösungsmittelfreien
nitärtechnik. Die Stu-
Verfahren wird Poly-
Lieferungen bis nach
denten sind hoch moester
verwendet. Die
Lesotho: „Es macht richtig
tiviert, es macht rich-
Toilettenanlagen in
Spaß!“
tig Spaß!“ so Berger.
Einfamilienhäusern
Und diese neuen Kon-
funktionieren ganz ohne Wassertakte haben bewirkt, dass Wolfspülung
– geruchsfrei. „Der Komgang Berger aus der Juliusstraße
postbehälter steht im Keller und inzwischen auch nach Namibia
wird direkt aus der Toilette über
Fallrohre beschickt. Durch Unter-
und Lesotho liefert.
druck erreichen wir, dass keiner-
Rüdiger Dohrendorf �
BIOTECHNIK
13