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Gender, Sexualität und Identität in der Otaku-Kultur am ... - SSOAR

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Um die Zuschauer-Rolle e<strong>in</strong>zunehmen, ist es wichtig, dass <strong>der</strong> Protagonist e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es<br />

Geschlecht als das eigene hat. So erzählt die 24 jährige lesbische Johanna, dass sie Yuri (<strong>der</strong><br />

Antipode von Yaoi <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Genre mit weiblichen homosexuellen Geschichten) nicht gerne<br />

liest, weil sie sich mit den weiblichen homosexuellen Protagonisten zu stark identifizieren<br />

würde. Sie wolle die gleichen Probleme, die sie im alltäglichen Leben habe, nicht im Manga<br />

lesen. Beim schwulen Maximilian verhält es sich so, dass er sich nicht wirklich mit den<br />

Protagonisten <strong>in</strong> Yaoi-Mangas identifizieren kann, weil die Charaktere für ihn oft zu seicht<br />

s<strong>in</strong>d. Er mag nur Yaoi-Fan-Fictions von Anime o<strong>der</strong> Shônen-Manga (Buben-Comics). Er sagt<br />

auch, dass er ziemlich <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zige „Yaoi-Fan“ <strong>der</strong> homosexuellen Männer sei.<br />

An<strong>der</strong>es als Nagaikes Theorie kann man also nicht sagen, dass die <strong>Gen<strong>der</strong></strong>-Transformation<br />

während des Yaoi-Lesens immer stattf<strong>in</strong>det. Um die Zuschauer-Rolle e<strong>in</strong>zunehmen, muss<br />

man gerade die Identifikation mit den männlichen homosexuellen Charakteren los lassen, weil<br />

man sonst ke<strong>in</strong>e psychologische Distanz halten kann. Yaoi-Fans bleiben Frau, die <strong>Gen<strong>der</strong></strong>-<br />

Transformation ist also hierbei nicht vollständig, son<strong>der</strong>n partiell. Yaoi-Fans bedienen die<br />

<strong>Gen<strong>der</strong></strong>-Transformation beliebig, um den Abwehrmechanismus e<strong>in</strong>zuschalten.<br />

Außerdem ermöglicht die Vielfältigkeit des Pair<strong>in</strong>gs den Yaoi-Fans, sich mit verschiedenen<br />

<strong>Gen<strong>der</strong></strong>-Rollen zu identifizieren. Daniella vergleicht dies mit Cosplay 16 : „Das ist so wie z.B.<br />

<strong>in</strong> Cosplay <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Rolle zu schlüpfen“ (Daniella). Man kann sich also mal mit e<strong>in</strong>er<br />

Figur identifizieren, <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Weile e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e <strong>Identität</strong> genießen, aber man kann es wie<strong>der</strong><br />

ablegen, sobald man <strong>in</strong> den Alltag zurückgekehrt ist. Dies kann man als „provisorische<br />

Identifikation“ bezeichnen. Diese Identifikation ist nicht tiefgehend, aber gerade deswegen ist<br />

sie für Yaoi-Fans angenehmer <strong>und</strong> unterhalts<strong>am</strong>er. „Das unterhaltende Spiel mit <strong>Gen<strong>der</strong></strong>“<br />

kommt also gerade wegen <strong>der</strong> provisorischen Identifikation zustande.<br />

Es gibt allerd<strong>in</strong>gs noch e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Art des Yaoi-Lesens. Wie wir oben gesehen haben, sagt<br />

die lesbische Mathilde, sie wäre lieber e<strong>in</strong> homosexueller Mann. Sie könne nur <strong>in</strong> Yaoi die<br />

Liebe mit e<strong>in</strong>em Mann als Mann erleben: „Ich kann es (die männliche Homosexualität) nie<br />

ausleben. Deswegen lese ich es zum<strong>in</strong>dest. Zu lesen ist immer wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e neue Geschichte.<br />

Und es ist natürlich viel netter, als wenn ich gar nichts d<strong>am</strong>it zu tun hätte“ (Mathilda). Bei ihr<br />

begleitet die <strong>Gen<strong>der</strong></strong>-Transformation also die ganze Zeit während des Yaoi-Lesens. Sie will<br />

auch ke<strong>in</strong>e Zuschauer-Rolle e<strong>in</strong>nehmen, auch wenn manche Geschichten für sie schmerzhaft<br />

s<strong>in</strong>d. Das erklärt, warum sie mit ganzer Emotion z.B. ihre Liebl<strong>in</strong>gs-Yaoi-Manga „New York<br />

New York“ liest. Also ist die <strong>Gen<strong>der</strong></strong>-Transformation beim Yaoi-Lesen bei Mathilde nicht<br />

partiell, son<strong>der</strong>n vollständig.<br />

Wie man es im Titel ihrer Abhandlung sieht, betrachtet Nagaike Yaoi als Pornographie.<br />

Deswegen basiert ihre Theorie nur auf verdrängter <strong>Sexualität</strong>. Aber das ist auch nicht<br />

zutreffend. Yaoi-Fans geben zwar zu, dass sexuelle Befriedigung bei Yaoi für sie e<strong>in</strong><br />

wichtiger Faktor ist. Suh sagt beispielsweise, sie möge Yaoi, weil es dr<strong>in</strong> mehr Sex-Szenen<br />

als im Shojo-Manga gebe. Auch Johanna sagt, dass sexuelle Szenen <strong>in</strong> Yaoi für sie „e<strong>in</strong>e<br />

16<br />

Cosplay (Costume Play) ist bei Fans <strong>der</strong> japanischen Populärkultur äußerst beliebt. Sie verkleiden sich <strong>in</strong><br />

Charakteren aus Manga, Anime usw..<br />

kommunikation@gesellschaft, Jg. 13, Beitrag 8<br />

http://nbn-resolv<strong>in</strong>g.de/urn:nbn:de:0228-201213101<br />

16

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