WIR - Nardini Klinikum
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von Melanie Müller von Klingspor<br />
Lernen aus Fehlern, so lässt sich Riskmanagement<br />
(oder Risikomanagement) vielleicht am besten definieren.<br />
Es ist ein Instrument, mit dessen Hilfe Schwachstellen<br />
in medizinischen Einrichtungen gezielt identifiziert<br />
werden können. Risikomanagement versteht<br />
sich als wesentlicher Bestandteil von Qualitätsmanagement<br />
und dient dem Schutz von Mitarbeitern und Patienten.<br />
Klinisches Risikomanagement trägt dazu bei,<br />
dem ärztlichen und pflegerischen Personal in Kliniken<br />
Sicherheit in der täglichen Arbeit zu geben und so die<br />
Patienten vor den möglichen Folgen eines etwaigen<br />
Behandlungsfehlers zu schützen. Aber ein strukturiertes<br />
Risikomanagement, also das gezielte Aufspüren<br />
von problematischen Abläufen und Fehlerquellen im<br />
Sinn einer Schadenprävention, ist heute zusätzlich Voraussetzung,<br />
um überhaupt einen Haftpflichtversicherer<br />
zu bezahlbaren Konditionen für eine Klinik – oder auch<br />
eine Arztpraxis – zu finden.<br />
Mit der Funk-Gruppe konnten die Krankenhäuser einen<br />
Versicherungsmakler gewinnen, dessen Tochterunternehmen,<br />
die Funk Health Care Consulting GmbH<br />
(FHC), eine eingehende Risikoanalyse anbietet. Mitte<br />
Juni fanden sowohl in Zweibrücken, als auch in Landstuhl<br />
die Einführungsveranstaltungen zum Thema Risikomanagement<br />
statt. Mit Hilfe von Audits (Untersuchungen<br />
und Interviews vor Ort) sollen in besonders<br />
haftungsrelevanten Abteilungen Risiken aufgespürt<br />
werden und gemeinsam detaillierte Vorschläge zur<br />
Verbesserung erarbeitet werden.<br />
<strong>WIR</strong> hat mit Ass. jur. Wolf Dieter Kelch, Geschäftsführer<br />
der FHC, sowie Ralf Erdmann, Prokurist und Riskmanager<br />
der FHC, gesprochen.<br />
Wie schätzen Sie bisher die Fehlerkultur der<br />
Krankenhäuser in Landstuhl und Zweibrücken ein?<br />
Wolf Dieter Kelch: Die Analyse der Schadenverläufe<br />
des St. Elisabeth-Krankenhauses in Zweibrücken und<br />
auch des St. Johannis-Krankenhauses in Landstuhl weisen<br />
im Grunde keine Besonderheiten hinsichtlich der<br />
Anzahl von Anspruchserhebungen, Ursachen oder<br />
Schwerpunkten auf. Daher ist es gelungen - und an<br />
dieser Stelle ausdrücklich entgegen dem Trend - einen<br />
umfangreicheren Versicherungsschutz zu einer günstigeren<br />
Prämie ab 0 0 auszuhandeln.<br />
Ralf Erdmann: Die Geschäftsführung ist mit Funk und<br />
dem Versicherer übereingekommen, zur weiteren Ver-<br />
Aktuell<br />
... die vergessene Schere<br />
Strukturiertes Risikomanagement bringt Mitarbeiter und<br />
Patienten auf die sichere Seite<br />
besserung und Vereinheitlichung besonders abteilungs-<br />
und klinikübergreifender Prozessabläufe eine<br />
solche Risikountersuchung in Auftrag zu geben.<br />
Kann man ganz allgemein überhaupt sagen, wie viele<br />
Schadensfälle sich in Deutschland pro Jahr ereignen?<br />
Ralf Erdmann: Gesichertes statistisches Material ist<br />
derzeit in Deutschland nicht verfügbar. Hochrechnungen<br />
der Gutachter- und Schlichtungsstellen, veröffentlichter<br />
Gerichtsentscheidungen und einzelner<br />
Versicherer lassen etwa folgende Zahlen als realistisch<br />
erscheinen. Um die 30 Prozent von 40.000 Ansprüchen<br />
werden als ganz oder teilweise begründet reguliert.<br />
Sehr häufig enden zivilrechtliche Auseinandersetzungen<br />
mit einem Vergleich.<br />
Strafrechtliche Ermittlungsverfahren werden nicht selten<br />
eingeleitet, allerdings werden diese in über 90 Prozent<br />
der Fälle eingestellt, ohne dass es zu einer Verurteilung<br />
kommt.<br />
Die klassischen Klischees, die man im Kopf hat, wie<br />
Schere im Bauch vergessen, oder das falsche Knie operiert<br />
– gibt es das wirklich?<br />
Ralf Erdmann: Besonders spektakulär sind sicher Fälle<br />
wie die vergessene Schere im Bauch. Häufiger als vielfach<br />
angenommen passiert es jedoch, dass bei einer<br />
großen Operation ein Tupfer oder ähnliches zurückbleibt.<br />
Hier hilft beispielsweise eine aktive Zählkontrolle<br />
mit entsprechender Dokumentation vor und nach<br />
der Operation.<br />
Einer Verwechselungsgefahr ausgesetzt sind auch alle<br />
paarigen Körperorgane. Der Seitenidentifikation durch<br />
einheitliches Markieren seitens der Ärzte im Krankenhaus<br />
kommt daher entscheidende Bedeutung zu. Wird<br />
die Seite markiert, die operiert werden soll oder die<br />
andere? Nicht von ungefähr hat sich sowohl das Aktionsbündnis<br />
für Patientensicherheit als zwischenzeitlich<br />
auch die WHO diesem Problem angenommen und<br />
entsprechende Handlungsempfehlungen veröffentlicht.<br />
Warum brauchen Krankenhäuser heute ein<br />
Risikomanagement?<br />
Wolf Dieter Kelch: Seit Jahren erfreuen wir uns einer<br />
Abnahme des medizinischen Risikos, müssen aber<br />
gleichzeitig eine Zunahme des forensischen Risikos<br />
feststellen. Der Anstieg von Schadenersatzansprüchen<br />
hat die Belastungen der Versicherer nachhaltig steigen<br />
lassen. Das hat zu bedeutenden Beitragssteigerungen<br />
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