Handeln in Hungerkrisen
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Hungersnöte im Niger<br />
matisch. Zwischen März und Juli 1985 sank der Gegenwert von e<strong>in</strong>em R<strong>in</strong>d auf<br />
gerade e<strong>in</strong>mal drei Hirsesäcke (à 100 kg) und fiel damit auf e<strong>in</strong> Drittel se<strong>in</strong>es<br />
Tauschwertes vor der Dürre. 27<br />
Nach Angaben der Bauern verd<strong>in</strong>gten sich im Dürrejahr sehr viele Bauern als<br />
Tagelöhner auf den Feldern bessergestellter Bauern. Der Tageslohn lag 1982 bei<br />
500-750 FCFA für das Jäten (Pa<strong>in</strong>ter 1985, S. 94), e<strong>in</strong> arbeitsaufwendiger Arbeitsschritt<br />
zu dem bis heute viele Bauern Tagelöhner e<strong>in</strong>stellen. 28 Setzt man diesen<br />
Tageslohn für das Krisenjahr an, lag der Kornlohn bei 2,5-3,8 kg pro Tag, berechnet<br />
nach Preisen für Hirse im Juli 1985. 1965 lag der Kornlohn bei 8 kg/Tag und<br />
1976 bei noch 6,25 kg/Tag.<br />
Die Livelihoodsysteme waren im Vergleich zu der Krise von 1968-74 schlechter<br />
aufgestellt. Wieder war es e<strong>in</strong> Mix aus klimatischen, politischen und ökonomischen<br />
E<strong>in</strong>flussfaktoren, die den Livelihoodsystemen zusetzten und ihre Kapazität<br />
schwächten, Produktionsausfälle durch andere E<strong>in</strong>kommensquellen oder Ersparnisse<br />
(Geld, Tiere) auszugleichen. Trotzdem gelang es ihnen diese Krise besser zu<br />
bewältigen, als <strong>in</strong> den 1970ern, obwohl <strong>in</strong> der Bewertung der Menschen die Schwere<br />
der Hungersnot 1984/85 vergleichbar mit der <strong>in</strong> den 1970ern war. Entscheidend<br />
hierbei war aus Sicht der Bauern die Unterstützungsleistung seitens des Staates, auf<br />
die im nächsten Abschnitt e<strong>in</strong>gegangen wird.<br />
3.3 Umgang der Kountché-Adm<strong>in</strong>istration mit der Hungerkrise<br />
Die Berichterstattung jener Zeit belegt, dass die Adm<strong>in</strong>istration die Dörfer nach<br />
Schwere der Betroffenheit klassifiziert hatte. So bekamen Dörfer mit 70-100%<br />
Verlust eher Hilfe, als andere. Bereits im Februar und März lief e<strong>in</strong>e Operation zur<br />
Saatgutbereitstellung besonders betroffener Dörfer an. Offiziell wurden im Rahmen<br />
der Dürrehilfen im Untersuchungsgebiet 1.377 Tonnen Getreide verteilt.<br />
Saisonale Preissteigerungen für Hirse <strong>in</strong> ländlichen Regionen des Sahels variieren<br />
vom Zeitpunkt der Ernte (Oktober/November) bis zur sogenannten „soudure“<br />
(Juli/August) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em normalen Jahr um 50-60% (Brandt 1984, S. 29). In<br />
e<strong>in</strong>em Überschussjahr variieren die Preise nur um 25% und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Defizitjahr<br />
um die 75% (Gall et al. 29 zitiert durch Brandt 1984, S. 30). Vergleicht man diese<br />
Werte mit den Preissteigerungen <strong>in</strong> der Untersuchungsregion liegen diese bei 65%,<br />
was recht wenig ersche<strong>in</strong>t für e<strong>in</strong> Defizitjahr. Dies lässt vermuten, dass der Verkauf<br />
27 Eigene Berechnungen mit Daten aus BMAD von 05/83 bis 08/86.<br />
28 Für 1983 wird <strong>in</strong> den Monatsberichten von e<strong>in</strong>em Tagelohn von 900-1000 Francs berichtet. Dies<br />
sche<strong>in</strong>t hoch, <strong>in</strong> Anbetracht e<strong>in</strong>es hohen Arbeitskräfteangebots. Es wird daher angenommen, dass<br />
dieser hohe Satz nur rund um die Stadt Dosso galt (BMAD 06-07 1983, S. 1).<br />
29 Gall wertete Preisfluktuationen von Getreide für die Jahre 1968-1978 am Beispiel Burk<strong>in</strong>a Fasos<br />
aus.<br />
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