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Übungsfall: „Überschrittene Grenzen“

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StudZR 3/2006 521<br />

Radmila Petrovic/<br />

Prof. Dr. Dr. h. c. Thomas Hillenkamp*<br />

<strong>Übungsfall</strong>:<br />

<strong>„Überschrittene</strong> <strong>Grenzen“</strong><br />

Abstract<br />

Dem vorliegenden Fall liegt die Ferienhausarbeit zugrunde, die im Wintersemester<br />

2005/06 in der Übung im Strafrecht für Anfänger zur Bearbeitung<br />

ausgegeben worden ist. Gegenstand der Aufgabe sind in erster Linie<br />

Probleme des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches, insbesondere aus<br />

dem Bereich Täterschaft und Teilnahme, in Verbindung mit Tötungs- und<br />

Körperverletzungsdelikten. Die Lösung von Frau Petrovic wurde als beste<br />

Arbeit mit 17 Punkten („sehr gut“) bewertet. Die Hausarbeit ist insgesamt<br />

auffallend gut ausgefallen. Der Notendurchschnitt betrug 8,9 Punkte. StudZR 3/2006<br />

* Radmila Petrovic ist Studentin an der Ruprecht-Karls-Universität<br />

Heidelberg. Im WS 2005/06 studierte sie im 3. Fachsemester Rechtswissenschaft.<br />

Prof. Dr. Dr. h. c. Thomas Hillenkamp ist Inhaber des<br />

Lehrstuhls für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Juristischen Fakultät<br />

der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.


522<br />

StudZR 3/2006<br />

Sachverhalt<br />

Der italienische Staatsbürger A möchte seinen ehemaligen deutschen Geschäftspartner B, der<br />

die frühere gemeinsame Firma in den Ruin getrieben und A zu Unrecht die Schuld gegeben<br />

hat, während Bs Skiurlaub in Davos, Schweiz, töten. Dabei plant er zunächst, dem B offen gegenüber<br />

zu treten und ihn dann mit einer Waffe zu erschießen. Als er bei einem Aufenthalt in<br />

Konstanz seinem Landsmann und Freund C von diesem Vorhaben erzählt, zeigt sich C skeptisch.<br />

Er erinnert A an die körperliche Überlegenheit des B und schlägt dem A daher vor, in das<br />

im Alleineigentum des B stehende und von ihm allein benutzte schweizerische Ferienhaus einzudringen<br />

und den schlafenden B dort zu töten. A greift Cs Idee begeistert auf und setzt den<br />

Plan am 17. Februar 2005 in die Tat um: Nachdem er durch ein offenes Fenster in das Haus des<br />

völlig ahnungslosen B eingestiegen ist, erschießt er den schlafenden B mit zwei gezielten<br />

Schüssen. B verstirbt sofort.<br />

In der Folgezeit wird A jedoch immer mehr von Schuldgefühlen wegen der Tötung des B geplagt.<br />

Weil C deshalb befürchtet, dass A sich stellen und dadurch auch Cs Verwicklung in die<br />

Tat ans Licht bringen könnte, will er den Tod des A. Um sicher zu gehen, möchte er die Tat mit<br />

seinem deutschen Freund D ausführen. C und D, der keinerlei Kenntnis von dem Motiv des C<br />

hat, hecken gemeinsam folgenden Plan aus: C soll in die Heidelberger Villa des A einsteigen<br />

und den schlafenden A mit einem Fleischermesser erstechen, während D vor dem Gebäude<br />

Schmiere stehen und den C bei eventuellen Komplikationen über Funk warnen soll. Die genauen<br />

lokalen Gegebenheiten soll der ortskundige D zuvor auskundschaften. Das Fleischermesser<br />

hat sich C von seinem deutschen Freund E in Vaduz, Liechtenstein, geben lassen. E<br />

weiß, dass C damit den A töten will, kennt jedoch weder Cs Motiv noch weiß er, dass A im<br />

Schlaf getötet werden soll. Dabei verfolgt E auch ein eigenes Ziel: E ist der testamentarische<br />

Alleinerbe des A, dessen Vermögen er endlich erben möchte. Nachdem C in der Nacht des<br />

2. Mai 2005 in die Villa des nichtsahnenden A eingedrungen ist, sticht er mehrmals auf den gesamten<br />

Körper des schlafenden A ein. A verstirbt sofort. Danach verlassen er und D, der die<br />

ganze Zeit wie verabredet Schmiere stand und Funkkontakt hielt, den Tatort.<br />

Die Erleichterung des C über den Tod des A wird jedoch dadurch getrübt, dass C Anfang Juni<br />

2005 von seiner Freundin verlassen wird. C sucht deshalb nach Frustrationsbewältigung. Daher<br />

kommt es ihm gelegen, dass am 9. Mai 2005 in Frankfurt am Main ein Fußballspiel ausgetragen<br />

wird, bei dem es regelmäßig zu Krawallen zwischen den verfeindeten Fans kommt. Bereits<br />

auf dem Weg ins Stadion kommen dem C einige gegnerische Fans entgegen, und es<br />

kommt schnell zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen mindestens 15 Personen.<br />

In deren Verlauf streckt C den X mit einem Schlag mit einem Baseballschläger in den Rücken<br />

ohne jeglichen Tötungsvorsatz von hinten nieder. X stürzt auf Grund der Wucht des Schlages<br />

vorn über und fällt mit dem Kopf auf die Bordsteinkante. Er erleidet einen Schädelbasisbruch<br />

sowie eine Hirnblutung und verstirbt sofort. Gerade im Moment des Schlages mit dem Baseballschläger<br />

wollte X den ebenfalls an der Auseinandersetzung Beteiligten Y mit einem Messer<br />

erstechen. Dies erkannte C jedoch nicht.<br />

Wie haben sich die Beteiligten nach dem StGB strafbar gemacht? Sollten Sie zur Unanwendbarkeit<br />

deutschen Strafrechts kommen, so prüfen Sie bitte unter der Annahme weiter, dass<br />

deutsches Recht anwendbar wäre. Gehen Sie bitte auch davon aus, dass in den jeweiligen Staaten<br />

alle nach deutschem Strafrecht in Betracht kommenden Taten gleichermaßen mit Strafe bedroht<br />

sind. Die §§ 124, 125, 138, 221, 231, 303, 323c StGB sind nicht zu prüfen.


Petrovic/Hillenkamp <strong>Übungsfall</strong>: <strong>„Überschrittene</strong> <strong>Grenzen“</strong> 523<br />

Erster Tatkomplex<br />

I. Strafbarkeit des C<br />

Lösungsvorschlag<br />

1. Anstiftung zum Mord, §§ 211, 212 I, 26 StGB1<br />

C könnte sich durch den an A gerichteten Vorschlag, B im Schlaf zu töten, wegen einer<br />

Anstiftung zum Mord gemäß den §§ 211, 212 I, 26 strafbar gemacht haben.<br />

a) Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts<br />

Das deutsche Recht müsste anwendbar sein. Nach § 3 unterliegen alle im Inland begangenen<br />

Taten dem deutschen Recht. Alle potentiellen Teilnahmehandlungen des C<br />

erfolgten in Deutschland. Somit wurden diese gemäß § 9 II 2 2. Var. unabhängig von<br />

der Haupttat2 in Deutschland begangen. Damit ist das deutsche Recht nach § 3 anwendbar.<br />

<strong>Übungsfall</strong>: <strong>„Überschrittene</strong> Petrovic/Hillenkamp <strong>Grenzen“</strong><br />

b) Objektiver Tatbestand<br />

aa) Teilnahmefähige Haupttat<br />

Es müsste gemäß § 26 eine vorsätzlich begangene rechtswidrige Haupttat vorliegen.<br />

A könnte, indem er B erschossen hat, einen Mord (§§ 211, 212 I) begangen haben.<br />

Dafür müsste A zunächst einen anderen Menschen vorsätzlich getötet haben. B starb<br />

an den Schüssen des A. Damit hat A den Tod des B äquivalent kausal und objektiv<br />

zurechenbar verursacht. Zudem wollte A den B töten und kannte auch die tödliche<br />

Wirkung der Schüsse. Somit handelte er vorsätzlich. A beging also einen Totschlag.<br />

Des Weiteren müsste A vorsätzlich ein Mordmerkmal des § 211 II erfüllt haben. In Betracht<br />

kommt die Verwirklichung des Merkmals der Heimtücke. Gemeinhin wird darunter<br />

die bewusste Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers verstanden.3<br />

Arglos ist, wer sich zum Zeitpunkt der Tat keines Angriffs von Seiten des Täters versieht.4<br />

Fraglich ist jedoch, inwieweit der schlafende B überhaupt arglos sein konnte.<br />

Nach einer Ansicht bedarf es für die Arglosigkeit der Fähigkeit zum Argwohn.5<br />

Dementsprechend wäre der schlafende und somit zum bewussten Argwohn unfähige<br />

B nicht arglos. Nach einer anderen Auffassung ist generell bei fehlendem Argwohn<br />

1 §§ ohne Gesetzesangabe sind solche des StGB.<br />

2 Vgl. Gribbohm, Strafrechtsgeltung und Teilnahme – Zur Akzessorietät der Teilnahme im internationalen<br />

Strafrecht, JR 1998, S. 177, 178.<br />

3 BGHSt 2, 60 (61 f.); 7, 218 (221); 32, 382 (383 f.) m. w. N.<br />

4 BGHSt 7, 218 (221); 27, 322 (324); 32, 382 (384) m. w. N.<br />

5 Küper, „Heimtücke“ als Mordmerkmal – Probleme und Strukturen, JuS 2000, S. 740, 745;<br />

Otto, Neue Entwicklung im Bereich der vorsätzlichen Tötungsdelikte, Jura 2003, S. 612, 619;<br />

Küper, BT, 5. Auflage (2002) S. 187; Joecks, § 211 Rn. 36.


524<br />

StudZR 3/2006<br />

unabhängig von der Bewusstseinslage Arglosigkeit anzunehmen.6 Demnach wäre der<br />

schlafende B arglos. Die Rechtsprechung fordert hingegen für die Arglosigkeit bei<br />

Schlafenden, dass sich diese im Vertrauen darauf, ihnen werde nichts geschehen,<br />

schlafen gelegt haben.7 Die Ahnungslosigkeit des B und das offen gelassene Fenster<br />

zeigen, dass B ohne Befürchtungen zu Bett gegangen ist. Damit wäre B auch nach der<br />

Rechtsprechung arglos. Im Hinblick auf die erstgenannte Ansicht ist nicht ersichtlich,<br />

weshalb die Arglosigkeit als ein positives Sicherheitsbewusstsein zu definieren<br />

ist. Schließlich denken sowohl Schlafende als auch Arglose mit positivem Bewusstsein<br />

i. d. R. gleichermaßen nicht an eine Tötung.8 Zudem ergeben sich der besondere<br />

Unrechtsgehalt und die Gefährlichkeit einer heimtückischen Tötung durch die Hilfund<br />

Wehrlosigkeit des Opfers.9 Gerade aber Schlafende befinden sich in einer hilflosen<br />

und wehrunfähigen Lage. Damit ist die erstgenannte Ansicht abzulehnen und<br />

Arglosigkeit anzunehmen.<br />

Zudem müsste B wehrlos, d. h. infolge seiner Arglosigkeit zur Verteidigung außerstande10<br />

gewesen sein. B konnte sich gerade infolge seines ahnungslosen Schlafes<br />

nicht verteidigen und war damit wehrlos. Diese Arg- und Wehrlosigkeit des B müsste<br />

A weiterhin bewusst ausgenutzt haben. A überlistete den körperlich überlegenen<br />

B im Schlaf, um so seine Erfolgschancen zu erhöhen. Er missbrauchte also die hilflose<br />

Lage des B bewusst für seine Zwecke. A nutzte damit die Arg- und Wehrlosigkeit<br />

des B aus.<br />

Fraglich ist jedoch, inwieweit infolge der gebotenen restriktiven Auslegung der<br />

Mordmerkmale weitere Einschränkungskriterien notwendig sind. Die Rechtsprechung<br />

fordert als zusätzliches Kriterium ein Handeln in feindlicher Willensrichtung.11<br />

Dies sei dann ausgeschlossen, wenn der Täter glaubt, zum vermeintlich Besten<br />

des Opfers zu handeln.12 A erschoss B aus keinerlei ehrenwerten Motiven. Vielmehr<br />

wollte er diesem infolge des gegenseitigen Zwistes bewusst Schaden zufügen.<br />

Folglich handelte A in feindlicher Willensrichtung und somit nach dieser Ansicht<br />

heimtückisch. Nach der Lehre von der negativen Typenkorrektur hingegen ist infolge<br />

einer Gesamtwürdigung festzustellen, ob sich die Tötung ausnahmsweise nicht als<br />

besonders verwerflich erweist.13 Jedoch ist diese Ansicht infolge des nahezu generalklauselartigen<br />

und somit zu Rechtsunsicherheiten führenden Kriteriums der „beson-<br />

6 Dreher, Anmerkung zum Urteil (BGH, Urteil v. 8. 10. 1969–3 StR 90/69), MDR 1970,<br />

S. 247, 249; Gössel/Dölling, BT 1, 2. Auflage (2004) S. 86; Krey, BT 1, 12. Auflage (2005)<br />

Rn. 44; Horn, in: SK, § 211 Rn. 30; Meyer, Zu den Begriffen Heimtücke und Verdeckung einer<br />

Straftat, JR 1979, S. 441, 442; Kutzer, Strafrechtliche Grenzen der Sterbehilfe, NStZ<br />

1994, S. 110, 111; Fahl, Schlaf als Zustand verminderten Strafrechtsschutzes?, Jura 1998,<br />

S. 456, 457.<br />

7 BGHSt 23, 119 (120); 32, 382 (386).<br />

8 Dreher (Fn. 6), S. 249.<br />

9 Krey (Fn. 6), Rn. 45; Meyer (Fn. 6), S. 442; Kutzer, (Fn. 6), S. 111.<br />

10 BGHSt 32, 382 (388); BGH, GA 1971, 113 (114).<br />

11 BGHSt 9, 385 (390); 30, 105 (119).<br />

12 Ebd.<br />

13 Eser, Heimtücke auf höchstrichterlichem Prüfstand: Chance einer Wende in der Mord-<br />

Rechtsprechung, JR 1981, S. 177, 183; Eser, in: Schönke/Schröder, § 211 Rn. 10.


Petrovic/Hillenkamp <strong>Übungsfall</strong>: <strong>„Überschrittene</strong> <strong>Grenzen“</strong> 525<br />

deren Verwerflichkeit“ abzulehnen. Allerdings fordert ein weiter Teil der Lehre über<br />

das Einschränkungskriterium der Rechtsprechung hinausgehend einen besonders<br />

verwerflichen Vertrauensbruch.14 Dabei komme es lediglich auf das tatsächlich bestehende<br />

Vertrauensverhältnis an.15 A und B waren zwar ehemals Geschäftspartner, jedoch<br />

hatte sich ihr Verhältnis durch die ruinierte Firma und die unzulässigen Schuldvorwürfe<br />

deutlich verschlechtert. Folglich lag zum Zeitpunkt der Tötung keinerlei<br />

zu brechendes Vertrauen vor. Damit handelte A nach dieser Ansicht nicht heimtückisch.<br />

Nach der Lehre vom Vertrauensbruch wird durch die o. g. nur geringfügige<br />

Einschränkung der Rechtsprechung der Mordtatbestand zu weit ausgedehnt.16 Zudem<br />

sei ein heimtückisches Vorgehen ohne Vertrauensbruch nicht immer verschlagen.<br />

Vielmehr könne dieses auch als Waffe der Schwachen gegen eine Übermacht dienen.17<br />

Gegen diese Ansicht ist jedoch einzuwenden, dass der Begriff des Vertrauens<br />

zu unbestimmt ist und entsprechend zu Unsicherheiten in der Rechtsanwendung<br />

führt.18 Zudem würden infolge des fehlenden Vorkontakts weder Überfälle noch Attentate<br />

von der Heimtücke erfasst werden.19 Eine Ansicht, nach der ein hinterhältiger<br />

Überfall auf einen Ahnungslosen nicht heimtückisch ist, kann jedoch nicht überzeugen.<br />

Somit ist der Rechtsprechung zu folgen, sodass A heimtückisch handelte. A tötete<br />

B auch bewusst im Schlaf und handelte damit vorsätzlich heimtückisch.<br />

A könnte weiterhin aus niedrigen Beweggründen gehandelt haben. Niedrige Beweggründe<br />

sind solche, die nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen.20<br />

Die Tötungsmotive des A gründeten im Zorn und der Enttäuschung über das Fehlverhalten<br />

des B. Solche Gefühlsregungen müssen, um als niedrige Beweggründe zu<br />

gelten, Ausdruck einer niedrigen Gesinnung des Täters und menschlich unverständlich<br />

sein21. Ungeachtet der Verwerflichkeit, die jeder Tötung innewohnt, liegen der<br />

Zorn und die Wut über eine ruinierte Firma und ungerechte Schuldvorwürfe nicht<br />

außerhalb jedes menschlich nachvollziehbaren Verhaltens. Eine Gesinnung des A auf<br />

sittlich niedrigster Stufe kann damit nicht angenommen werden. Ein niedriger Be-<br />

14 Miehe, Der praktische Fall-Strafrecht: Ein Ausbruch, der nichts einbrachte, JuS 1996,<br />

S. 1000, 1004; Krey (Fn. 6), Rn. 58; Hassemer, Die Mordmerkmale, insbesondere „heimtückisch“<br />

und „niedrig“, JuS 1971, S. 626, 630; Otto, Grundkurs – Die einzelnen Delikte,<br />

7. Auflage (2005), § 4 Rn. 25; Eser, in: Schönke/Schröder, § 211, Rn. 26.<br />

15 Schaffstein, Zur Auslegung des Begriffs der „heimtückischen“ Tötung als Mordmerkmal, in:<br />

Mayer-FS, 1966, S. 419, 428.<br />

16 Schaffstein (Fn. 15), S. 425; vgl. auch Miehe (Fn. 14), S. 1004.<br />

17 Jescheck, Anmerkung zum Urteil (BGH, Beschluss v. 22. 9. 1956-GSSt 1/56), JZ 1957, S. 385,<br />

387; Otto, Die Mordmerkmale in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, Jura 1994, S. 141,<br />

147; Otto (Fn. 14) § 4 Rn. 25.<br />

18 BGHSt 30, 105 (116); Geilen, Heimtücke und kein Ende – Zur Agonie eines Mordmerkmals,<br />

in: Schröder-GS, 1978, S. 235, 249; Mitsch, Grundfälle zu den Tötungsdelikten, JuS 1996,<br />

S. 213, 214.<br />

19 Arzt, „Die Einschränkung des Mordtatbestandes“, JR 1979, S. 7, 11; Arzt/Weber, BT, (2000),<br />

§ 2 Rn. 50; vgl. auch BGHSt 30, 105 (116).<br />

20 BGHSt 3, 132 (133); Lackner/Kühl, § 211 Rn. 5 m. w. N.<br />

21 Jähnke, in: LK, § 211 Rn. 29; Wessels/Hettinger, BT 1, 28. Auflage (2004), Rn. 95; Otto<br />

(Fn. 17), S. 145.


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weggrund liegt nicht vor. Allerdings verwirklichte A durch die heimtückische Tötung<br />

den Tatbestand des Mordes.<br />

A handelte rechtswidrig. Somit liegt eine teilnahmefähige Haupttat vor.<br />

bb) Anstiftungshandlung<br />

C müsste A gemäß § 26 zur Tat bestimmt haben. Zu beachten ist jedoch, dass A zur<br />

Tötung des B schon fest entschlossen, also ein omnimodo facturus war. Fraglich ist<br />

demnach, inwieweit die übersteigernde Einwirkung des C als Anstiftung zu werten<br />

ist.<br />

(1) Das analytische Trennungsprinzip nimmt bei einer Umstimmung zur schwereren<br />

Begehungsweise Beihilfe und, sofern der aus den erschwerenden Umständen bestehende<br />

Tatteil selbständig unter Strafe steht, eine Anstiftung nur zu diesem Tatteil<br />

an.22 Folglich wäre eine Anstiftung zur Gesamttat, also hier zum Mord, ausgeschlossen.<br />

(2) Daneben kommt es auch bei der Lehre vom delictum sui generis bezüglich der<br />

Anstiftung auf die deliktische Eigenständigkeit an. Allerdings nimmt diese Ansicht<br />

bei einer Übersteigerung, die zu einem eigenständigen Delikt führt, eine Anstiftung<br />

zur Gesamttat und nicht nur zum übersteigerten Tatteil an.23 Für die Annahme einer<br />

Anstiftung ist also maßgebend, ob der Mord ein eigenständiges oder ein qualifiziertes<br />

Delikt darstellt.<br />

Die Rechtsprechung sieht in den §§ 211 und 212 eigenständige Tatbestände.24 Nach<br />

überwiegender Literaturansicht stellt § 211 hingegen eine Qualifikation des § 212 dar.<br />

Nach Ansicht der Rechtsprechung zeigt schon der Gesetzeswortlaut, der zwischen<br />

dem Totschläger und dem Mörder unterscheidet, die grundsätzliche Andersartigkeit<br />

der Delikte.25 Zudem nenne das Gesetz den § 211 vor dem § 212. Die Annahme einer<br />

Qualifikation würde demnach der gesetzlichen Systematik, nach der der Grundtatbestand<br />

immer vor der Qualifikation anzuordnen ist, widersprechen.26 Jedoch ist zu<br />

beachten, dass der Gesetzeswortlaut vor dem Hintergrund der heute überwundenen<br />

Lehre vom Tätertyp entstand. Demnach kann die begriffliche Unterscheidung zwischen<br />

Totschläger und Mörder keinen entscheidenden Anhaltspunkt mehr darstellen.27<br />

Die bezüglich der Systematik abweichende Stellung der §§ 211, 212 lässt sich<br />

22 Bemmann, Die Umstimmung eines Entschlossenen zu einer schwereren oder leichteren Begehungsweise,<br />

in: Gallas-FS, 1973, S. 273, 280; Cramer/Heine, in: Schönke/Schröder, § 26<br />

Rn. 8; Jescheck/Weigend, AT, 5. Auflage (1996), § 64 II 2 c); Strathenwerth/Kuhlen, ATI,<br />

5. Auflage (2004), § 12 Rn. 145; Gropp, AT, 2. Auflage (2001), S. 361; Kühl, AT, 4. Auflage<br />

(2002), S. 850.<br />

23 Grünwald, Der praktische Fall-Strafrecht: Ein folgenschwerer Rat, JuS 1965, S. 311, 313.<br />

24 BGHSt 1, 368 (370); 2, 251 (255); 6, 329 (330); 36, 231 (233 f.).<br />

25 BGHSt 1, 368 (370); vgl. dazu auch Vietze, Gekreuzte Mordmerkmale in der Strafrechtsklausur,<br />

Jura 2003, S. 394, 395.<br />

26 Vgl. dazu Schmidt/Priebe, BT I, 4. Auflage (2005), S. 45; Vietze (Fn. 25), S. 395.<br />

27 Eser, in: Schönke/Schröder, Vorb. §§ 211 ff. Rn. 6; Vietze (Fn. 25), S. 395.


Petrovic/Hillenkamp <strong>Übungsfall</strong>: <strong>„Überschrittene</strong> <strong>Grenzen“</strong> 527<br />

darauf zurückführen, dass der Mord das gravierendste Delikt darstellt und eine herausgehobene<br />

Stellung verdient. Das Verhältnis zum Totschlag ist dadurch jedoch<br />

nicht präjudiziert.28 Zudem erfasst § 212 alle vorsätzlichen Tötungen. Dabei gliedert<br />

§ 211 beim Auftreten gewisser Modalitäten die besonders verwerflichen Fälle aus<br />

dem Tatbestand des § 212 aus. Gerade dies zeigt, dass die jeweiligen Tatbestände Bezug<br />

aufeinander nehmen und somit nicht selbständig nebeneinander stehen.29 Auch<br />

die Ergebnisse der Rechtsprechung, durch die bisweilen der Teilnehmer beim Mord<br />

geringer bestraft wird als der Teilnehmer beim Totschlag30 überzeugen nicht. Somit<br />

ist der Literatur zu folgen und der Mord als Qualifikation des Totschlags anzusehen.<br />

Unter dieser Annahme liegt nach der Lehre vom delictum sui generis keine Anstiftung<br />

zum Mord vor.<br />

(3) Nach der Rechtsprechung und einem Teil der Lehre hingegen ist eine Anstiftung<br />

zur Gesamttat dann anzunehmen, wenn sich durch die übersteigernde Einwirkung<br />

der Unrechtsgehalt der Tat gegenüber dem ursprünglichen erheblich erhöht hat.31<br />

Dafür reiche gegebenenfalls schon die Umstimmung zu einer gefährlicheren Ausführungsart<br />

aus.32 Der Vorschlag des C veranlasste eine Tötung des A im Schlaf. Dadurch<br />

steigerte sich der Totschlag zu einem Mord. Schon die schwerwiegendere<br />

strafrechtliche Beurteilung des Mordes gegenüber dem Totschlag zeigt, dass eine wesentliche<br />

Unrechtssteigerung erfolgte. Somit liegt nach dieser Ansicht eine Anstiftung<br />

zum Mord vor.<br />

(4) Die sog. Qualifikationstheorie nimmt gegenüber der Lehre von der Unrechtssteigerung<br />

eine Modifikation vor. Unerheblich sei dabei die Erhöhung des Unrechtsgehalts<br />

im Einzelfall. Vielmehr sei generell erst dann die Annahme einer Anstiftung gerechtfertigt,<br />

wenn die Übersteigerung zu einer Qualifikation führe.33 § 211 stellt eine<br />

Qualifikation des § 212 dar, sodass auch nach dieser Ansicht eine Anstiftung zum<br />

Mord vorliegt.<br />

(5) Die Lehre von der Unwertsteigerung führt an, dass der Täter die mit den übersteigernden<br />

Elementen angereicherte Tat so noch nicht ins Auge gefasst hatte.34 In<br />

Bezug auf die Gesamttat sei er also kein omnimodo facturus gewesen und somit noch<br />

anstiftbar.35 Die Annahme einer Anstiftung sei zudem durch den erhöhten Unrechts-<br />

28 Beulke/Hillenkamp, Der praktische Fall-Strafrecht: Ein folgenschweres Verhältnis, JuS<br />

1975, S. 309, 313; Vietze (Fn. 25), S. 395; vgl. auch Schmidt/Priebe (Fn. 26), S. 45.<br />

29 Beulke/Hillenkamp (Fn. 28), S. 313; Hohmann, Der praktische Fall – Strafrecht: Ein Familiendrama,<br />

JuS 1995, S. 135, 139.<br />

30 Vgl. dazu Arzt, „Gekreuzte“ Mordmerkmale? Zur Tragweite des § 50 II StGB, JZ 1973,<br />

S. 681, 682; Vietze (Fn. 25), S. 396; Jähnke, in: LK, § 211 Rn. 43.<br />

31 BGHSt 19, 339 (340); Maurach/Gössel/Zipf, 7. Auflage (1989), § 52 II Rn. 11; Amelung/<br />

Boch, Hausarbeitsanalyse – Ein Ehestreit mit dem Hockeyschläger, JuS 2000, S. 261, 267.<br />

32 BGHSt 19, 339 (341); Roxin, AT II, (2003), S. 163.<br />

33 Otto, Grundkurs AT, 7. Auflage (2004), § 22 Rn. 38; Tröndle/Fischer § 26 Rn. 3; Haft, AT,<br />

9. Auflage (2004), S. 217.<br />

34 BGHSt 19, 339 (341); Baumann/Weber/Mitsch, AT, 11. Auflage (2003), § 30 Rn. 34.<br />

35 Baumann/Weber/Mitsch (Fn. 34), § 30 Rn. 34.


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gehalt der übersteigerten Tat gerechtfertigt.36 Die Vertreter der Qualifikationstheorie<br />

geben zu bedenken, dass in der Übersteigerung nicht lediglich ein Unrechtsplus zu<br />

sehen ist.37 Vielmehr seien die Komponenten des Grunddelikts mit denen der Qualifikation<br />

verschmolzen, sodass ein ganz neuer und aus dem Verantwortungsbereich<br />

des Übersteigerers nicht mehr herausnehmbarer Unrechtsteil entstanden sei.38 Allerdings<br />

verkennen beide Ansichten, dass die Übersteigerung des Tatentschlusses weniger<br />

ist als das Hervorrufen desselben.39 Gerade im Hinblick auf das Schuldprinzip,<br />

demzufolge jeder nur nach seiner eigenen Schuld zu bestrafen ist, darf dem Übersteigerer<br />

nicht ein Unrecht angelastet werden, das nicht ganzheitlich auf ihn zurückgeht.40<br />

Das Grunddelikt stellt auch stets einen Teil der Übersteigerung dar. Damit<br />

zeigt sich jedoch, dass auch in der neuen Tat der bereits bestehende Deliktsentschluss<br />

enthalten ist und dieser lediglich eine Ausdehnung erfährt.41 Bezüglich der Gesamttat<br />

kann dann aber keine Anstiftung, die gerade das Hervorrufen eines Tatentschlusses<br />

und nicht lediglich das Erweitern desselben beinhaltet, angenommen werden.42 Folglich<br />

sind die eine Anstiftung annehmenden Ansichten abzulehnen. Eine ausreichende<br />

Anstiftungshandlung des C liegt nicht vor.<br />

c) Zwischenergebnis<br />

C hat sich nicht wegen einer Anstiftung zum Mord strafbar gemacht.<br />

2. Beihilfe zum Mord, §§ 211, 212 I, 27<br />

C könnte sich durch den Vorschlag, B im Schlaf zu töten, gemäß den §§ 211, 212 I, 27<br />

wegen Beihilfe zum Mord strafbar gemacht haben.<br />

a) Tatbestandsmäßigkeit<br />

aa) Objektiver Tatbestand<br />

(1) Teilnahmefähige Haupttat<br />

Durch den Mord an B liegt eine vorsätzlich begangene, rechtswidrige Tat vor.<br />

(2) Hilfeleistung<br />

C müsste gemäß § 27 zur Haupttat Hilfe geleistet haben. Durch seinen Vorschlag<br />

stellte C dem A höhere Erfolgschancen in Aussicht und bestärkte ihn in seinem Vor-<br />

36 BGHSt 19, 339 (341); Roxin (Fn. 32), S. 163; vgl. auch Amelung/Boch (Fn. 31), S. 267.<br />

37 Stree, Bestimmung eines Tatentschlossenen zur Tatänderung, in: Heinitz-FS, 1972, S. 277,<br />

290; Otto, Anstiftung und Beihilfe, JuS 1982, S. 557, 561.<br />

38 Stree (Fn. 37), S. 290; vgl. auch Otto (Fn. 33), § 22 Rn. 38.<br />

39 Ingelfinger, Der praktische Fall – Strafrecht: Eine verhängnisvolle Affäre, JuS 1995, S. 321,<br />

323; Bemmann (Fn. 22), S. 275.<br />

40 Ingelfinger (Fn. 39), S. 322 f.; Cramer/Heine, in: Schönke/Schröder, § 26 Rn. 8; Gropp<br />

(Fn. 22), S. 361.<br />

41 Bemmann (Fn. 22), S. 278; Kühl (Fn. 22), S. 850.<br />

42 Ebd.


Petrovic/Hillenkamp <strong>Übungsfall</strong>: <strong>„Überschrittene</strong> <strong>Grenzen“</strong> 529<br />

haben. Damit liegt eine psychische Hilfeleistung vor. Vereinzelt wird jedoch generell<br />

die Möglichkeit einer psychischen Beihilfe abgelehnt.43 Beihilfe sei nämlich immer<br />

nur eine Einwirkung auf die Tat und nicht auf den Täter.44 Allerdings verkennt diese<br />

Ansicht, dass eine geistige Unterstützung des Täters, die außerdem auch eine mittelbare<br />

Einwirkung auf die Tat darstellt,45 nicht minder verwerflich ist als ein aktives<br />

dem Täter „zur Hand Gehen“. Damit ist von der Möglichkeit einer psychischen Beihilfe<br />

auszugehen. Der Ratschlag des C kann zudem nicht hinweggedacht werden,<br />

ohne dass die heimtückische Tötung in ihrer konkreten Gestalt entfiele. Folglich<br />

liegt eine kausale psychische Hilfeleistung vor, sodass dahinstehen kann, inwiefern<br />

schon eine fördernde46 oder erst eine kausale47 Hilfeleistung für die Annahme einer<br />

Beihilfe ausreicht. Der Ratschlag des C bezog sich auf eine heimtückische Tötung.<br />

Somit erfolgte die Hilfeleistung nicht nur hinsichtlich des Grunddelikts,48 also der<br />

Tötung, sondern in Bezug auf die gesamte Tat.<br />

bb) Subjektiver Tatbestand<br />

C müsste hinsichtlich der Haupttat und seiner Hilfeleistung Vorsatz gehabt haben.<br />

Für den Vorsatz hinsichtlich der Haupttat reicht es aus, dass der Gehilfe den wesentlichen<br />

Unrechtsgehalt der Tat erfasste.49 C wusste von der Tötung des B und kannte<br />

somit den wesentlichen Unrechtsgehalt der Tat. Die von ihm ausgegangene Initiative<br />

zur heimtückischen Tötung zeigt zudem, dass sich sein Vorsatz auch auf das Merkmal<br />

der Heimtücke erstreckte. Zudem erteilte er auch den Ratschlag ganz bewusst,<br />

wodurch sich auch der Vorsatz hinsichtlich der Gehilfenhandlung ergibt.<br />

cc) Rechtswidrigkeit und Schuld<br />

C handelte rechtswidrig und schuldhaft.<br />

b) Zwischenergebnis<br />

C hat sich gemäß den §§ 211, 212 I, 27 wegen Beihilfe zum Mord strafbar gemacht.<br />

3. Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung, §§ 223 I, 224 I, 27<br />

Die einfache und die gefährliche Körperverletzung stellen nach nahezu einhelliger<br />

Auffassung sowohl in subjektiver als auch in objektiver Hinsicht ein Durchgangssta-<br />

43 Hruschka, Alternativfeststellung zwischen Anstiftung und sog. Psychischer Beihilfe, JR<br />

1983, S. 177, 178; Bloy, Strafrecht: Parkplatzprobleme mit Folgen, JuS 1994, L 69, 71.<br />

44 Hruschka (Fn. 43), S. 178.<br />

45 Roxin, Was ist Beihilfe?, in: Miyazawa-FS, 1995, S. 501, 508; Roxin (Fn. 32), S. 202.<br />

46 So BGHSt 2, 129 (131); Krey, AT 2, 2. Auflage (2005), Rn. 297; Wessels/Beulke, AT, 34. Auflage<br />

(2004), Rn. 582.<br />

47 So Lackner/Kühl, § 27 Rn. 2; Roxin (Fn. 32), S. 192; Jescheck/Weigend (Fn. 22), § 64 III 2 c);<br />

Kühl (Fn. 22), S. 864 f.<br />

48 So aber Eser, Strafrecht II, 3. Auflage (1980), S. 187.<br />

49 BGHSt 42, 135 (139); Wessels/Beulke (Fn. 46), Rn. 584; Lackner/Kühl, § 27 Rn. 7.


530<br />

StudZR 3/2006<br />

dium zur Tötung dar.50 Indem sich A einer Schusswaffe, d. h. einer Waffe i. S. d.<br />

§ 224 I Nr. 2, bediente und durch das Abfeuern des Schusses eine das Leben gefährdende<br />

Behandlung i. S. d. § 224 I Nr. 5 bewirkte, erfüllte er den Tatbestand einer gefährlichen<br />

Körperverletzung. C, der die gesamte Tat unterstützte, leistete damit auch<br />

Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung.<br />

4. Anstiftung zum Hausfriedensbruch, §§ 123, 26<br />

C könnte eine Anstiftung zum Hausfriedensbruch (§§ 123, 26) begangen haben.<br />

a) Tatbestandsmäßigkeit<br />

aa) Objektiver Tatbestand<br />

(1) Teilnahmefähige Haupttat<br />

Es müsste eine vorsätzlich begangene, rechtswidrige Haupttat vorliegen. A könnte<br />

sich gemäß § 123 wegen eines Hausfriedensbruchs strafbar gemacht haben.<br />

A müsste vorsätzlich in die Wohnung, d. h. in die zumindest vorübergehend zur Unterkunft<br />

dienenden Räumlichkeiten,51 eines anderen eingedrungen sein. Das als Urlaubsunterkunft<br />

genutzte Haus stellte eine Wohnung i. S. d. § 123 dar. Für das Eindringen<br />

müsste A das Haus gegen den Willen52 oder nach anderer Ansicht ohne den<br />

Willen53 des Berechtigten betreten haben. Als Alleineigentümer war B Berechtigter.<br />

A betrat mangels einer Erlaubnis zum Betreten des Hauses dieses gegen und ohne<br />

den Willen des B. Zudem drang A vorsätzlich in das Haus ein. Der Tatbestand des<br />

§ 123 ist somit erfüllt. A handelte auch rechtswidrig, sodass eine teilnahmefähige<br />

Haupttat vorliegt.<br />

(2) Anstiftungshandlung<br />

Des Weiteren müsste C den A gemäß § 26 zur Tat bestimmt haben. Fraglich ist jedoch,<br />

wie der Begriff des Bestimmens zu verstehen ist. Nach einer Auffassung reicht<br />

schon das Schaffen einer sozialinadäquaten, zur Tat anreizenden Sachlage aus.54 Eine<br />

andere Ansicht fordert eine kommunikative Beeinflussung des Täters.55 Erst durch<br />

den Vorschlag des C, der eine kommunikative Beeinflussung darstellt und durch das<br />

in Aussicht Stellen höherer Taterfolgchancen zugleich einen Anreiz zur Tat schafft,<br />

wurde A zur Tat veranlasst. Damit liegt nach beiden Ansichten ein Bestimmen vor.<br />

50 BGHSt 16, 122 (123); Wessels/Hettinger (Fn. 21), Rn. 320; Gössel/Dölling (Fn. 6),<br />

S. 166 m. w. N.<br />

51 Wessels/Beulke (Fn. 46), Rn. 579; Lencker, in: Schönke/Schröder, § 123 Rn. 4.<br />

52 Wessels/Beulke (Fn. 46), Rn. 584; Lencker, in: Schönke/Schröder, § 123 Rn. 11.<br />

53 Rudolphi, in: SK, § 123 Rn. 13; Wessels/Hettinger (Fn. 21), Rn. 584.<br />

54 Lackner/Kühl, § 26 Rn. 2; Herzberg, Grundfälle zur Lehre von Täterschaft und Teilnahme,<br />

JuS 1976, S. 40, 41; Hillenkamp, Anmerkung zum Urteil (OLG Celle v. 13. 1. 1987 –1Ss<br />

475/86), JR 1987, S. 253, 256.<br />

55 Amelung/Boch (Fn. 31), S. 263; Haft (Fn. 33), S. 215; Cramer, in: Schönke/Schröder, § 26<br />

Rn. 4.


Petrovic/Hillenkamp <strong>Übungsfall</strong>: <strong>„Überschrittene</strong> <strong>Grenzen“</strong> 531<br />

Nach einer dritten Ansicht bedarf es jedoch einer zielgerichteten Aufforderung zur<br />

Tat.56 C äußerte lediglich einen Vorschlag, in dem noch keine direkte Aufforderung<br />

zu sehen ist. Nach dieser Ansicht ist also ein Bestimmen nicht gegeben. Jedoch enthält<br />

der Wortlaut des § 26 keinerlei Stütze für die Notwendigkeit einer direkten Aufforderung.57<br />

Zudem verkennt diese Ansicht, dass eine geschickte kommunikative<br />

oder situationsbedingte Beeinflussung eine weitaus provokantere Wirkung als eine<br />

Aufforderung haben kann.58 Gemeinhin würde es dadurch, dass eine tatsächlich<br />

stattgefundene Aufforderung schwer nachzuweisen ist, zu Strafbarkeitslücken kommen.59<br />

Somit ist diese Ansicht abzulehnen. C hat A also i. S. d. erstgenannten Ansichten<br />

zur Tat bestimmt.<br />

bb) Subjektiver Tatbestand<br />

C müsste bezüglich der Anstiftungshandlung und der Haupttat Vorsatz gehabt haben.<br />

C schlug das Eindringen in das Haus des B bewusst vor, sodass er bezüglich der<br />

Anstiftungshandlung Vorsatz hatte. Im Hinblick auf die Haupttat reicht es aus, wenn<br />

der Anstiftervorsatz so viele kennzeichnende Merkmale enthält, dass die Tat selbst<br />

als konkret-individualisierbares Geschehen erkennbar ist.60 C schlug A vor, in das<br />

Haus des B einzudringen. Damit waren die Tat selbst, die Tatperson und das Tatobjekt<br />

konkret erfasst. Somit hatte C auch bezüglich der Haupttat Vorsatz.<br />

b) Rechtswidrigkeit und Schuld<br />

C handelte rechtswidrig und schuldhaft.<br />

c) Zwischenergebnis<br />

C machte sich wegen einer Anstiftung zum Hausfriedensbruch (§§ 123, 26) strafbar.<br />

5. Konkurrenzen und Ergebnis<br />

C hat durch seinen Rat, also durch nur eine einzige Handlung, Beihilfe zum Mord<br />

geleistet und zugleich zum Hausfriedensbruch angestiftet. Mangels einer Gesetzeskonkurrenz<br />

ist Tateinheit anzunehmen. Die Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung<br />

und zum Totschlag ist gegenüber dem Mord subsidiär. Somit hat sich C wegen<br />

Beihilfe zum Mord (§§ 211, 212 I, 27) in Tateinheit mit Anstiftung zum Hausfriedensbruch<br />

(§§ 123, 26) strafbar gemacht.<br />

56 Joecks, § 26 Rn. 9; Otto (Fn. 37), S. 560; Roxin (Fn. 32), S. 153; Wessels/Beulke (Fn. 46),<br />

Rn. 568.<br />

57 Herzberg (Fn. 54), S. 41; Kuhlen/Roth, Der praktische Fall – Strafrecht: Ein Experiment in<br />

der U-Bahn, JuS 1995, S. 711, 712; Hilgendorf, Was meint zur Tat bestimmen in § 26 StGB,<br />

Jura 1996, S. 9, 10.<br />

58 Herzberg (Fn. 54), S. 41; vgl. auch Widmaier, Strafrecht: Der missverständliche Bestechungsversuch,<br />

JuS 1970, S. 241, 242.<br />

59 Hilgendorf (Fn. 57), S. 10.<br />

60 Wessels/Beulke (Fn. 46), Rn. 572; Kindhäuser, § 26 Rn. 24; Tröndle/Fischer, § 26 Rn. 6.


532<br />

StudZR 3/2006<br />

Anmerkung:* Die Verfasserin erkennt im ersten Tatkomplex nahezu alle Probleme<br />

und setzt sich mit ihnen sehr überzeugend und detailliert auseinander. Sehr schön ist<br />

vor allem, wie die Probleme aus dem Fall entwickelt und die unterschiedlichen Ansichten<br />

(meist) auf den Fall angewendet werden. Sehr gut ist die Problematik des<br />

„omnimodo facturus“. Übersehen wird einzig die Problematik, dass der nach § 123 II<br />

StGB erforderliche Strafantrag wegen Bs Tod nicht gestellt werden kann und das Antragsrecht<br />

bei § 123 StGB auch nicht übergeht, vgl. § 77 StGB.<br />

Zweiter Tatkomplex<br />

II. Strafbarkeit des C<br />

1. Mord, §§ 211, 212 I<br />

C könnte sich, indem er A erstochen hat, gemäß den §§ 211, 212 I wegen eines Mordes<br />

strafbar gemacht haben.<br />

a) Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts<br />

Das deutsche Recht müsste anwendbar sein. Nach § 3 unterliegen alle im Inland begangenen<br />

Taten dem deutschen Recht. Die Tathandlung des C erfolgte in Deutschland<br />

und auch der Tod des Opfers trat dort ein. Damit wurde die Tat gemäß § 9 I 1.<br />

und 3. Var. im Inland begangen. Somit ist nach § 3 das deutsche Recht anwendbar.<br />

b) Tatbestandsmäßigkeit<br />

C müsste einen anderen Menschen vorsätzlich getötet haben. A verstarb an den Messerstichen<br />

des C. Damit hat C den Tod des A äquivalent kausal und objektiv zurechenbar<br />

verursacht. Zudem wollte C den A erstechen und kannte auch die daraus resultierenden<br />

tödlichen Folgen. Somit beging C vorsätzlich einen Totschlag.<br />

Weiterhin müsste C ein Mordmerkmal des § 211 II erfüllt haben. In Betracht kommt<br />

die Verwirklichung des Merkmals der Grausamkeit. C stach zwar mehrmals auf A<br />

ein, jedoch wählte er diese Ausführungsart aus keiner gefühllosen Gesinnung heraus.<br />

Zudem starb A ohne Angstzustände und andauernde Qualen. C handelte somit nicht<br />

grausam.<br />

C könnte jedoch heimtückisch vorgegangen sein. Heimtücke ist die bewusste Ausnutzung<br />

der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers. Der schlafende A ahnte zuvor<br />

nichts vom Angriff und nahm somit seine Arglosigkeit mit in den Schlaf. Damit war<br />

er nach den vorzugswürdigen Ansichten (s. I. 1. b) aa)) arglos. Zudem war A durch<br />

seine auf dem arglosen Schlaf beruhende Verteidigungsunfähigkeit auch wehrlos. C<br />

hatte die Tötung des A genau geplant und somit einkalkuliert, dass die Schlaflosigkeit<br />

* Die im Text kursiv gedruckten Anmerkungen wurden von Herrn Thomas Seibert verfasst, der<br />

als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Dr. Dr. h. c. Thomas Hillenkamp<br />

die Erstkorrektur der abgedruckten Hausarbeit vornahm.


Petrovic/Hillenkamp <strong>Übungsfall</strong>: <strong>„Überschrittene</strong> <strong>Grenzen“</strong> 533<br />

des A den Taterfolg sichern würde. Folglich nutzte er die Arg- und Wehrlosigkeit des<br />

A bewusst aus. Weiterhin müsste C in feindlicher Willensrichtung gehandelt haben.<br />

C tötete A aus keinerlei ehrenwerten, sondern aus eigensüchtigen Motiven. Damit<br />

handelte er in feindlicher Willensrichtung. Zudem war die explizit im Schlaf erfolgte<br />

Tötung genau geplant, sodass auch hinsichtlich der Heimtücke der Vorsatz vorlag.<br />

Ferner könnte C zur Verdeckung einer Straftat gehandelt haben. C tötet A nur, um<br />

sein vorheriges Verbrechen, hier die Anstiftung, zu verdecken. Damit erfolgte die<br />

Verdeckungshandlung mit dolus directus 1. Grades. Nach Ansicht des C konnte der<br />

Verdeckungserfolg lediglich durch den Tod des A eintreten. Bei einer derartigen Annahme<br />

des Täters wird gefordert, dass dieser die Tötung zumindest mit direktem<br />

Vorsatz vornahm.61 C plante die Tötung sorgfältig und war sich des Taterfolgs gewiss.<br />

Damit agierte er bezüglich der Tötung wenigstens mit dolus directus 2. Grades.<br />

C beging die Tat also heimtückisch und mit Verdeckungsabsicht. Er erfüllte den Tatbestand<br />

des Mordes.<br />

c) Rechtswidrigkeit und Schuld<br />

C handelte rechtswidrig und schuldhaft.<br />

d) Zwischenergebnis<br />

C hat sich gemäß den §§ 211, 212 I wegen eines Mordes strafbar gemacht.<br />

2. Gefährliche Körperverletzung, §§ 223 I, 224 I<br />

Die Körperverletzung bildet ein Durchgangsstadium der Tötung (s. I. 3.). C benutzte<br />

ein Messer und damit zumindest ein gefährliches Werkzeug (§ 224 I Nr. 2). Zudem<br />

erfolgte durch die Messerstiche eine lebensgefährliche Behandlung (§ 224 I Nr. 5).<br />

Damit machte sich C wegen einer gefährlichen Körperverletzung strafbar.<br />

3. Hausfriedensbruch, § 123<br />

C könnte sich durch das Eindringen in die Villa des A gemäß § 123 wegen eines<br />

Hausfriedensbruchs strafbar gemacht haben. Dafür müsste C in die Wohnung<br />

(s. I. 4. a) (1)) eines anderen eingedrungen sein. A lebte in seinem Haus in Heidelberg.<br />

Damit diente ihm dieses als Unterkunft und ist somit eine Wohnung i. S. d. § 123.<br />

Zudem drang C bewusst und damit vorsätzlich in die Villa des A ein. C handelte<br />

auch rechtswidrig und schuldhaft. Er machte sich damit wegen eines Hausfriedensbruchs<br />

(§ 123) strafbar.<br />

61 BGHSt 21, 283 (284); Wessels/Hettinger (Fn. 21), Rn. 127; Lackner/Kühl, § 211<br />

Rn. 15 m. w. N; Tröndle/Fischer, § 211 Rn. 33 m. w. N.


534<br />

StudZR 3/2006<br />

4. Konkurrenzen und Ergebnis<br />

Die §§ 223 I, 224 I Nr. 2, Nr. 5 und der § 212 sind gegenüber dem Mord subsidiär. Der<br />

Hausfriedensbruch diente als Vorraussetzung des Mordes. Dies reicht jedoch nach<br />

einer Ansicht, die eine Teilidentität der Ausführungshandlungen fordert,62 für eine<br />

Idealkonkurrenz nicht aus. Eine andere Ansicht lässt hingegen die vorliegende Konstellation<br />

für eine Idealkonkurrenz genügen.63 Dafür spricht, dass die Ausführungsakte<br />

infolge des einheitlichen Tatentschlusses und des nahen zeitlichen Zusammenhangs<br />

bei natürlicher Betrachtungsweise eine Handlung darstellen. Gerade infolge<br />

dieser natürlichen Handlungseinheit ist eine Idealkonkurrenz anzunehmen. C machte<br />

sich wegen Mordes (§§ 211, 212 I) in Tateinheit mit Hausfriedensbruch (§ 123)<br />

strafbar.<br />

III. Strafbarkeit des D<br />

1. Mord in Mittäterschaft, §§ 211, 212 I, 25 II<br />

D könnte sich durch das Mitwirken an der Tat gemäß den §§ 211, 212 I, 25 wegen eines<br />

Mordes in Mittäterschaft strafbar gemacht haben.<br />

a) Tatbestandsmäßigkeit<br />

aa) Objektiver Tatbestand<br />

D nahm die tatbestandliche Handlung nicht selbst vor. Jedoch könnte ihm das Verhalten<br />

des C gemäß § 25 II mittäterschaftlich zugerechnet werden.<br />

(1) Tatplan<br />

Dafür müsste ein gemeinsamer Tatplan vorliegen. Dieser erfordert das gegenseitige<br />

Einverständnis, eine bestimmte Straftat durch arbeitsteiliges Zusammenwirken zu<br />

begehen.64 C und D arbeiteten in gemeinschaftlichem Einvernehmen ein Tatkonzept<br />

aus, das jedem einzelnen seinen genauen Tatbeitrag zuwies. Ein Tatplan liegt mithin<br />

vor.<br />

(2) Tatausführung<br />

Zudem müsste D einen Beitrag zur Tatausführung geleistet haben. C begleitete die<br />

Tatausführung durch fördernde Handlungen. Fraglich ist jedoch, inwieweit derartige<br />

Fördermaßnahmen für eine mittäterschaftliche Handlung ausreichen.<br />

Nach der subjektiven Theorie ist derjenige Mittäter, der die Tat als eigene und nicht<br />

bloß als fremde will. Ob ein derartiges Verhältnis zur Tat besteht, sei im Wege einer<br />

62 BGHSt 18, 29 (33); Rudolphi/Stein, in: SK, § 123 Rn. 43; Geppert, Zu einigen immer wiederkehrenden<br />

Streitfragen im Rahmen des Hausfriedensbruchs (§ 123), Jura 1989, S. 378, 383.<br />

63 Wessels/Beulke (Fn. 46), Rn. 779; Lencker, in: Schönke/Schröder, § 123 Rn. 36; Gössel/Dölling<br />

(Fn. 6), S. 423.<br />

64 BGH, NStZ 1994, S. 339, 339; Lackner/Kühl, § 25 Rn. 10; Kindhäuser, § 25 Rn. 48.


Petrovic/Hillenkamp <strong>Übungsfall</strong>: <strong>„Überschrittene</strong> <strong>Grenzen“</strong> 535<br />

Gesamtwürdigung zu ermitteln.65 Maßgebend dabei seien das Eigeninteresse am Taterfolg,<br />

der Umfang der Tatbeteiligung und der Wille zur Tatherrschaft.66 D hatte keinerlei<br />

Eigeninteresse am Taterfolg. Jedoch entwarf er den Tatplan mit und übernahm<br />

sowohl die Auskundschaftung als auch die Sicherung des Tatorts. Dadurch ergibt<br />

sich die insgesamt umfangreiche Tatbeteiligung. Zudem hielt C während der Tat<br />

Funkkontakt mit D. Damit konnte er die Tat jederzeit in die von ihm gewollte Richtung<br />

lenken. Wer aber eine derartige Schlüsselposition einnimmt, hat auch Tatherrschaftswillen<br />

und sieht die Tat als eigene. Damit liegt trotz des fehlenden Eigeninteresses<br />

Mittäterschaft vor.<br />

Nach der Tatherrschaftslehre ist Täter, wer das Geschehen planvoll lenkt oder mitgestaltet<br />

und die Tatbestandsverwirklichung nach seinem Willen hemmen oder ablaufen<br />

lassen kann.67 Neben den Vorbereitungstätigkeiten leistete D durch den eingenommenen<br />

Wachposten auch während des Ausführungsstadiums einen Tatbeitrag.<br />

Damit kann dahinstehen, inwieweit eine rein vorbereitende Handlung für eine Mittäterschaft<br />

ausreicht. Fraglich ist jedoch, wie die Wachpostenposition des D zu bewerten<br />

ist. Ein Teil der Tatherrschaftslehre kategorisiert einen Wache Stehenden<br />

schon dann als Mittäter, wenn die begangene Tat aus der ex ante Perspektive einen<br />

solchen Posten erforderte.68 Der andere Teil sieht in den Akteuren, deren einzige<br />

Funktion die Tatortsicherung ist, lediglich Teilnehmer.69 Vorliegend zeigt sich an<br />

dem während der Tat gehaltenen Funkkontakt, dass die Gefahr der Entdeckung<br />

drohte und es in der Macht des D stand die Tatausführung jederzeit zu unterbrechen.<br />

Damit erweist sich die Wachpostenstellung im Vorhinein als erforderlich. Zudem<br />

entwarf D den Tatplan mit und kundschaftete zuvor den Tatort aus. Er hatte also<br />

auch über die Wachpostenposition hinausgehende Funktionen, sodass er nach beiden<br />

Ansichten als Mittäter agierte. Damit war C nach der subjektiven Theorie und der<br />

Tatherrschaftslehre Mittäter.<br />

(3) Zwischenergebnis<br />

D verwirklichte den objektiven Tatbestand der §§ 211, 212 I, 25 II.<br />

bb) Subjektiver Tatbestand<br />

D müsste hinsichtlich der gemeinschaftlichen Tötung und der Heimtücke Vorsatz<br />

gehabt haben. Die gemeinschaftliche Planung der Tat und das bewusste Mitwirken<br />

am Tatgeschehen zeigen, dass D Vorsatz bezüglich der gemeinschaftlichen Tötung<br />

hatte. Zudem bezog sich die Tatbeteiligung des D auf eine Tötung im Schlaf. Damit<br />

65 BGHSt 28, 346 (348 f.); BGH, JR 1995, 304 (305).<br />

66 BGH, NStZ 1985 S. 165, 165; Roxin (Fn. 32), S. 13 (Fn. 22) m. w. N.<br />

67 Kühl (Fn. 22), S. 766; Wessels/Beulke (Fn. 46), Rn. 513; Kindhäuser, vor §§ 25–31 Rn. 32.<br />

68 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, 7. Auflage (2000), S. 282 f.; Roxin (Fn. 32), S. 87 f.;<br />

Stratenwerth/Kuhlen (Fn. 22), § 12 Rn. 94; Knauer, Die Kollegialentscheidung im Strafrecht,<br />

2001, S. 149 f.<br />

69 Jakobs, AT, 2. Auflage (1999), 21. Abschn. Rn. 54.


536<br />

StudZR 3/2006<br />

war auch das tatbezogene Merkmal der Heimtücke70 vom Vorsatz des D umfasst.<br />

Das heimtückische Vorgehen des C wird dem D somit zugerechnet.<br />

cc) Zwischenergebnis<br />

D verwirklichte den Tatbestand der §§ 211, 212 I, 25 II.<br />

b) Tatbestandsverschiebung<br />

Fraglich ist jedoch, wie sich die allein von C verwirklichte Verdeckungsabsicht auf<br />

die Bestrafung des D auswirkt. Vereinzelt werden in den Mordmerkmalen der 1. und<br />

3. Gruppe ausschließlich spezielle Schuldmerkmale i. S. d. § 29 gesehen.71 Nach dem<br />

in § 29 postulierten Gebot, jeder Beteiligte sei allein nach seiner eigenen Schuld zu<br />

bestrafen, scheidet jedoch eine Zurechnung von Schuldmerkmalen aus. Damit bleibt<br />

die Verdeckungsabsicht des C ohne Auswirkungen auf die Bestrafung des D. Allerdings<br />

stellen für die Rechtsprechung und weite Teile der Lehre die Mordmerkmale<br />

der 1. und 3. Gruppe täterbezogene persönliche Merkmale dar.72 Die Literaturansicht,<br />

die in § 211 eine Qualifikation sieht (s. I. 1. b) bb) (2)) und folglich die persönlichen<br />

Merkmale als strafschärfende Merkmale kategorisiert, kommt somit zu einer<br />

Anwendung des § 28 II.73 Dieser stellt jedoch, wie schon § 29, auf die eigenhändige<br />

Verwirklichung eines Merkmals ab. Damit scheidet eine Zurechnung auch nach dieser<br />

Ansicht aus. Die Rechtsprechung, die im Mord einen eigenständigen Tatbestand<br />

(s. ebd.) und somit in den persönlichen Mordmerkmalen strafbegründende Merkmale<br />

sieht, zieht zur Problemlösung die allgemeinen Täterschaftsgrundsätze heran.<br />

Strafbegründende persönliche Merkmale müssen demnach als Voraussetzung täterschaftlicher<br />

Verantwortung bei jedem Mittäter selbst vorliegen.74 Mangels einer Verwirklichung<br />

durch D bleibt die Verdeckungsabsicht also erneut folgenlos. Damit hat<br />

sie nach einhelliger Auffassung keine Auswirkungen.<br />

c) Rechtswidrigkeit und Schuld<br />

D handelte rechtswidrig und schuldhaft.<br />

d) Zwischenergebnis<br />

D machte sich gemäß den §§ 211, 212 I, 25 II eines Mordes in Mittäterschaft schuldig.<br />

70 Lackner/Kühl, § 211 Rn. 16; Tröndle/Fischer, § 211 Rn. 41; a. A. Eser, in: Schönke/Schröder,<br />

§ 211 Rn. 49.<br />

71 Jescheck/Weigend (Fn. 22), § 61 VII 4 c); Wessels/Hettinger (Fn. 21), Rn. 141; Schmidhäuser,<br />

AT, 2. Auflage (1984), 10/35.<br />

72 Vgl. BGHSt 1, 368 (371); Kindhäuser, § 211 Rn. 43; Tröndle/Fischer, § 211 Rn. 42; Lackner/<br />

Kühl, § 211 Rn. 16, Gössel/Dölling (Fn. 6), S. 97; Krey (Fn. 6), Rn. 20 f.; Schmidt/Priebe<br />

(Fn. 26), Rn. 39.<br />

73 Kindhäuser, § 211 Rn. 45; Joecks, v. § 211 Rn. 12; Tröndle/Fischer, § 211 Rn. 40; Krey (Fn. 6),<br />

Rn. 19.<br />

74 Vgl. Beulke/Hillenkamp (Fn. 28), S. 312.


Petrovic/Hillenkamp <strong>Übungsfall</strong>: <strong>„Überschrittene</strong> <strong>Grenzen“</strong> 537<br />

2. Gefährliche Körperverletzung in Mittäterschaft,<br />

§§ 223 I, 224 I Nr. 2, Nr. 5, 25 II<br />

Der mittäterschaftliche Mord enthielt als Durchgangsstadium auch eine gefährliche<br />

Körperverletzung in Mittäterschaft. Damit machte sich D wegen gefährlicher Körperverletzung<br />

in Mittäterschaft (§§ 223 I, 224 I Nr. 2, Nr. 5, 25 II) strafbar.<br />

3. Hausfriedensbruch in Mittäterschaft, §§ 123, 25 II<br />

D könnte sich durch sein Mitwirken an der Tat gemäß den §§ 123, 25 II wegen eines<br />

Hausfriedensbruchs in Mittäterschaft strafbar gemacht haben.<br />

Dafür müssten ein gemeinsamer Tatplan und ein Tatbeitrag des D vorliegen. Die gemeinsame<br />

Tatplanung erstreckte sich auch auf das Einsteigen in das Haus des A. Damit<br />

lag ein gemeinsamer Tatplan vor. Hinsichtlich der Tatausführung bezogen sich die fördernden<br />

Handlungen des D auf die gesamte Tat, d. h. auf eine durch das Einsteigen in<br />

ein fremdes Haus ermöglichte heimtückische Tötung. Diese Beteiligung an der Gesamtausführung<br />

reicht auch für die Annahme einer Mittäterschaft aus (s. III. 1. a)<br />

aa) (2)). Damit lag ein ausreichender Tatbeitrag vor. Zudem nahm D bewusst und damit<br />

vorsätzlich an der gesamten Tat teil, sodass ihm das Verhalten des C zugerechnet werden<br />

kann. Weiterhin handelte D rechtswidrig und schuldhaft. Er machte sich damit wegen<br />

eines Hausfriedensbruchs in Mittäterschaft (§§ 123, 25 II) strafbar.<br />

4. Konkurrenzen und Ergebnis<br />

Die §§ 223, 224 I Nr. 2, Nr. 5, 25 II und 212 I, 25 II sind gegenüber §§ 211, 212 I, 25 II<br />

subsidiär. Der Hausfriedensbruch in Mittäterschaft diente lediglich der Ermöglichung<br />

des Mordes in Mittäterschaft. Damit liegt zwischen diesen Idealkonkurrenz<br />

vor (s. II. 4.). D machte sich also wegen Mordes in Mittäterschaft (§§ 211, 212 I, 25 II)<br />

in Tateinheit mit einem Hausfriedensbruch in Mittäterschaft (§§ 123, 25 II) strafbar.<br />

IV. Strafbarkeit des E<br />

1. Mord in Mittäterschaft, §§ 211, 212 I, 25 II<br />

E könnte sich durch die Übergabe des Messers gemäß den §§ 211, 212 I, 25 II wegen<br />

eines Mordes in Mittäterschaft strafbar gemacht haben.<br />

a) Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts<br />

Gemäß § 3 unterliegen alle Inlandstaten dem deutschen Strafrecht. Der Taterfolg,<br />

also der Tod des A, trat in Deutschland ein. Damit wurde die Tat gemäß § 9 I 3. Var.<br />

im Inland begangen. Folglich ist das deutsche Recht gemäß § 3 anwendbar.<br />

b) Tatbestandsmäßigkeit<br />

Die tatbestandliche Ausführungshandlung des C könnte E beim Vorliegen eines gemeinsamen<br />

Tatplans und einer gemeinschaftlichen Tatausführung gemäß § 25 II zu-


538<br />

StudZR 3/2006<br />

gerechnet werden. Zwar erteilte E durch die Übergabe des Messers ein konkludentes<br />

Einverständnis zur Tötung, jedoch fehlte es an einer aktiven Tatplanmitgestaltung.<br />

Damit erweist sich schon die Annahme eines gemeinsamen Tatplans als problematisch.<br />

Im Hinblick auf den Tatbeitrag ist nach der subjektiven Theorie zu beachten,<br />

dass E, indem er durch die Tötung des C den Eintritt des Erbfalls herbeiführen wollte,<br />

ein Eigeninteresse am Taterfolg hatte. Jedoch leistete C durch die Messerübergabe<br />

einen nur minimalen Tatbeitrag. Zudem folgt aus dieser enormen Zurückhaltung<br />

auch, dass es am Tatherrschaftswillen fehlt. Damit liegt nach der subjektiven Theorie<br />

trotz des Eigeninteresses keine Mittäterschaft vor. Hinsichtlich der Tatherrschaftslehre<br />

zeigt sich, dass E keine Einwirkungsmöglichkeit auf die Tatausführung und damit<br />

keinerlei Tatherrschaft hatte. Zwar lässt ein Teil der Tatherrschaftslehre einen die<br />

Ausführung lediglich vorbereitenden Tatbeitrag für eine Mittäterschaft genügen, jedoch<br />

wird dann für das Tatausführungsminus ein Planungsplus gefordert.75 Vorliegend<br />

fehlte es an einer solchen Planungsgewalt. Damit ist E auch nach dieser Lehre<br />

kein Mittäter.<br />

c) Zwischenergebnis<br />

E machte sich nicht wegen eines Mordes in Mittäterschaft strafbar.<br />

2. Beihilfe zum Mord, §§ 211, 212 I, 27<br />

a) Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts<br />

Gemäß § 9 II 1 1. Var. wurde die Teilnahme an dem Ort begangen, an dem die Tat begangen<br />

wurde. Vorliegend trat der Taterfolg in Deutschland ein, sodass auch die Tat<br />

dort begangen wurde. Damit erfolgte auch die Teilnahme nach § 9 II 1 1. Var. im Inland.<br />

Das deutsche Recht ist mithin gemäß § 3 anwendbar.<br />

b) Tatbestandsmäßigkeit<br />

aa) Objektiver Tatbestand<br />

(1) Teilnahmefähige Haupttat<br />

Durch den Mord in Mittäterschaft liegt eine teilnahmefähige Haupttat i. S. d. § 27<br />

vor.<br />

(2) Hilfeleistung<br />

E müsste zur Haupttat Hilfe geleistet haben. Die Tötung des A wurde erst durch das<br />

zur Verfügung Stellen des Messers ermöglicht. Damit erbrachte E eine kausale Hilfeleistung.<br />

Folglich kann dahinstehen, ob auch ein rein fördernder Beitrag ausgereicht<br />

hätte.<br />

75 Wessels/Hettinger (Fn. 21), Rn. 528 f.; Cramer/Heine, in: Schönke/Schröder, § 25 Rn. 66.


Petrovic/Hillenkamp <strong>Übungsfall</strong>: <strong>„Überschrittene</strong> <strong>Grenzen“</strong> 539<br />

bb) Subjektiver Tatbestand<br />

E müsste hinsichtlich der Haupttat und der Gehilfenhandlung Vorsatz gehabt haben.<br />

E stellte sein Messer bewusst zur Verfügung. Er kannte auch das Tötungsvorhaben<br />

des C und billigte dieses. Damit hatte E bezüglich der Beihilfe und des Totschlags<br />

Vorsatz. Weiterhin müsste das tatbezogene Merkmal der Heimtücke vom Vorsatz<br />

des E umfasst sein.76 E wusste nichts von der heimtückischen Begehungsweise und<br />

befand sich somit im Tatbestandsirrtum. Hinsichtlich des Mordes fehlte es ihm also<br />

am Vorsatz (§ 16 I).<br />

cc) Zwischenergebnis<br />

Durch den fehlenden Mordvorsatz leistet E nur Beihilfe zum Totschlag (§§ 212 I, 27).<br />

c) Tatbestandsverschiebung<br />

Fraglich ist jedoch, wie sich die Verdeckungsabsicht des C auf die Bestrafung des E<br />

auswirkt. Ein Teil der Lehre, der in den Mordmerkmalen der 1. und 3. Gruppe spezielle<br />

Schuldmerkmale sieht, würde infolge der Anwendung des § 29 lediglich auf die<br />

eigenhändige Verwirklichung der Merkmale abstellen (s. III. 1. b)). E selbst hatte keinerlei<br />

Verdeckungsabsichten, sodass die Verdeckungshandlung des C trotz der Akzessorietät<br />

der Teilnahme auswirkungslos bliebe. Auch nach dem überwiegenden Teil<br />

der Lehre, der in den Mordmerkmalen der 1. und 3. Gruppe täterbezogene und strafschärfende<br />

Merkmale sieht, kommt es infolge der Anwendung des § 28 II lediglich auf<br />

die persönliche Verwirklichung eines Merkmals an (s. ebd.). Mangels einer solchen<br />

bliebe die Verdeckungsabsicht des C also erneut folgenlos. Die Rechtsprechung sieht<br />

in den Merkmalen der 1. und 3. Gruppe zwar auch täterbezogene persönliche Merkmale<br />

(s. III. 1. b)), jedoch bliebe E nach ihr schon durch seine Unkenntnis von der<br />

Verdeckungsabsicht und durch das entsprechende Fehlen von Vorsatz (§ 16 I)77 vom<br />

Handeln des C unberührt. Somit wäre E nach einhelliger Auffassung weiterhin nur<br />

Gehilfe zum Totschlag. Allerdings könnte E habgierig gehandelt und damit möglicherweise<br />

eine Beihilfe zum Mord begangen haben. Habgier ist das gesteigerte und<br />

abstoßende Gewinnstreben um jeden Preis.78 E half bei der Tötung eines Menschen<br />

mit, nur um in den Genuss einer Erbschaft zu kommen. Damit offenbarte er ein Gewinnstreben,<br />

für das er sogar bereit war, ein Menschenleben zu opfern. Mithin handelte<br />

E habgierig. Fraglich ist jedoch, wie sich die Verwirklichung der Habgier auf die<br />

Bestrafung des E auswirkt. Nach der Literaturauffassung, die in den Merkmalen der<br />

1. und 3. Gruppe Schuldmerkmale sieht und § 29 anwendet, kommt es durch die<br />

eigenhändige Verwirklichung der Habgier zur Schulderhöhung. Damit wäre E entsprechend<br />

höher, also wegen Beihilfe zum Mord zu bestrafen. Nach der Literaturansicht,<br />

die bei den Mordmerkmalen den je nach Konstellation strafschärfend oder<br />

76 Eser, in: Schönke/Schröder, § 211 Rn. 46/48; Tröndle/Fischer, § 211 Rn. 41a.<br />

77 Vgl. dazu Engländer, Die Teilnahme am Mord und Totschlag, JA 2004, S. 410, 411; Wessels/<br />

Hettinger (Fn. 21), Rn. 148 f.<br />

78 BGHSt 10, 399 (399); Joecks, § 211 Rn. 14; Tröndle/Fischer, § 211 Rn. 8; Kindhäuser, § 211<br />

Rn. 11.


540<br />

StudZR 3/2006<br />

strafmildernd wirkenden § 28 II anwendet, kommt es infolge des durch E selbst verwirklichten<br />

strafschärfenden Mordmerkmals der Habgier (s. III. 1. b)) zu einer Erhöhung<br />

der Strafe. Damit wäre E auch nach dieser Ansicht Gehilfe zum Mord. Für die<br />

Rechtsprechung hingegen, die in den Mordmerkmalen der 1. und 3. Gruppe täterbezogene<br />

persönliche Merkmale sieht, stellt der Mord einen eigenständigen Tatbestand<br />

dar (s. I. 1. b) bb)), sodass die Merkmale als strafbegründend zu werten sind und es zur<br />

Anwendung des § 28 I kommt. Jedoch ergibt sich bei § 28 I keinerlei Möglichkeit einer<br />

Strafschärfung, wodurch es vorliegend bei einer Verurteilung wegen Totschlags<br />

bliebe.79 Allerdings stellt der Mord nur eine Qualifikation des Totschlags dar<br />

(s. I. 1. b) bb)), sodass letztlich eine Beihilfe zum Mord (§§ 211, 212 I, 27) vorliegt.<br />

d) Rechtswidrigkeit und Schuld<br />

E handelte rechtswidrig und schuldhaft.<br />

e) Zwischenergebnis<br />

E machte sich gemäß den §§ 211, 212 I, 27 wegen einer Beihilfe zum Mord strafbar.<br />

3. Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung, §§ 223 I, 224 I Nr. 2, Nr. 5, 27<br />

Durch die Beihilfe zum Mord beging E auch eine als Durchgangsstadium enthaltene<br />

Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung (§§ 223 I, 224 I Nr. 2, Nr. 5, 27).<br />

4. Konkurrenzen und Ergebnis<br />

Die Beihilfe zur gefährliche Körperverletzung (§§ 223 I, 224 I Nr. 2, Nr. 5, 27) und<br />

die Beihilfe zum Totschlag (§ 212 I, 27) sind gegenüber dem Mord subsidiär. E machte<br />

sich damit wegen Beihilfe zum Mord (§§ 211, 212 I, 27) strafbar.<br />

Anmerkung: Im zweiten Tatkomplex sieht die Verfasserin nahezu alle Probleme und<br />

setzt sich mit ihnen sehr gut auseinander. Einzig bei der Prüfung einer Mittäterschaft<br />

der E hätte noch thematisiert werden können, dass man mit einer extrem subjektiven<br />

Betrachtung zu einer Mittäterschaft gelangen könnte. Davon abgesehen sind die Ausführungen<br />

sehr detailliert und ganz hervorragend.<br />

Dritter Tatkomplex<br />

V. Strafbarkeit des C<br />

1. Totschlag, § 212 I<br />

C handelte in Deutschland und auch der Erfolg der Tat trat dort ein. Damit wurde<br />

die Tat gemäß § 9 I 1. und 3. Var. im Inland begangen. Das deutsche Recht ist gemäß<br />

§ 3 anwendbar. Allerdings scheidet ein Totschlag mangels Tötungsvorsatzes aus.<br />

79 Mögliche Ergebniskorrekturen der Rechtsprechung können vorliegend unbeachtet bleiben.


Petrovic/Hillenkamp <strong>Übungsfall</strong>: <strong>„Überschrittene</strong> <strong>Grenzen“</strong> 541<br />

2. Körperverletzung mit Todesfolge, §§ 227 I, 18<br />

C könnte sich durch den Schlag mit dem Baseballschläger gemäß den §§ 227 I, 18 wegen<br />

einer Körperverletzung mit Todesfolge strafbar gemacht haben.<br />

a) Tatbestandsmäßigkeit<br />

aa) Objektiv und subjektiv tatbestandsmäßige Körperverletzung<br />

(1) Objektiv tatbestandsmäßige Körperverletzung, §§ 223 I, 224 I<br />

C müsste X körperlich misshandelt oder an der Gesundheit geschädigt haben. Eine<br />

körperliche Misshandlung ist eine üble, unangemessene Behandlung, die zu nicht unerheblichen<br />

Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit führt.80 Der Schlag<br />

des C verursachte die Verletzungen bei X und beeinträchtigte damit seine körperliche<br />

Integrität. Eine körperliche Misshandlung liegt damit vor. Eine Gesundheitsschädigung<br />

ist jedes Hervorrufen oder Steigern eines pathologischen Zustands.81<br />

Durch die Schlagverletzungen und die infolge des Sturzes eingetretenen Kopfverletzungen<br />

wich die körperliche Verfassung des X nachteilig von seiner vorherigen Verfassung<br />

ab. C schädigte somit die Gesundheit des X. Eine Körperverletzung liegt vor.<br />

C könnte zudem ein gefährliches Werkzeug i. S. d. § 224 I Nr. 2 benutzt haben. Gefährliche<br />

Werkzeuge sind solche, die nach ihrer objektiven Beschaffenheit und der<br />

Art ihrer Verwendung zu erheblichen Verletzungen führen können.82 Ein Schlag mit<br />

dem Baseballschläger kann zu schweren Prellungen und Knochenbrüchen führen.<br />

Damit ist dieser ein gefährliches Werkzeug. Des Weiteren könnte eine lebensgefährdende<br />

Behandlung i. S. d. § 224 I Nr. 5 vorliegen. Der Schlag des C führte letztlich<br />

zum Tod des X. Damit lag eine konkrete Lebensgefahr vor. Folglich kann dahinstehen,<br />

ob eine abstrakte83 oder erst eine konkrete84 Lebensgefährlichkeit der Handlung<br />

für die Verwirklichung des § 224 I Nr. 5 ausreicht. C beging eine gefährliche Körperverletzung<br />

(§§ 223 I, 224 I Nr. 2, Nr. 5).<br />

(2) Subjektiv tatbestandsmäßige Körperverletzung, §§ 223 I, 224 I<br />

C müsste hinsichtlich der gefährlichen Körperverletzung Vorsatz gehabt haben. C<br />

versetzte X ganz bewusst einen Schlag, sodass er bezüglich der unmittelbaren körperlichen<br />

Misshandlung und der daraus folgenden Gesundheitsschädigung Vorsatz<br />

hatte. Allerdings handelte C in Ermangelung eines Tötungsvorsatzes hinsichtlich<br />

der tödlichen Kopfverletzungen nicht vorsätzlich. Fraglich ist jedoch, ob darin eine<br />

nur unwesentliche und damit vom Vorsatz noch umfasste Abweichung vom Kau-<br />

80 BGHSt 14, 269 (271); Tröndle/Fischer, § 223 Rn. 3 a; Wessels/Hettinger (Fn. 21), Rn. 255.<br />

81 BGHSt 36, 1 (6); Wessels/Hettinger (Fn. 21), Rn. 257; Tröndle/Fischer, § 223 Rn. 6.<br />

82 BGH, NStZ 2002, S. 86, 86; Wessels/Hettinger (Fn. 21), Rn. 273; Tröndle/Fischer, § 224<br />

Rn. 9 m. w. N.<br />

83 So BGHSt 2, 160 (163); 36, 1 (9); Otto, Missglückte Sanierung durch Feuer, Jura 1988, S. 44,<br />

46; Wessels/Hettinger (Fn. 21), Rn. 282.<br />

84 So Stree, in: Schönke/Schröder, § 224 Rn. 12; Paeffgen, in: NK, § 224 Rn. 27; Schröder, Abstrakt-konkrete<br />

Gefährdungsdelikte, JZ 1967, S. 522, 522.


542<br />

StudZR 3/2006<br />

salverlauf zu sehen ist. Eine Abweichung ist dann unwesentlich, wenn sie noch in<br />

den Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren liegt und keine<br />

andere Bewertung der Tat rechtfertigt.85 Bei einem wuchtigen Schlag in den Rücken<br />

liegt eine lebensgefährliche Verletzung nicht zwingend außerhalb jeder Lebenserfahrung.<br />

Allerdings wollte C durch den Schlag lediglich in die körperliche<br />

Integrität des X eingreifen. Zu beachten ist, dass sich die Verletzungsintensität86<br />

und der Unrechtsgehalt der Tat erheblich erhöhen, wenn statt der vorhergesehenen<br />

Körperverletzung ein lebensgefährlicher Eingriff verursacht wird.87 Diese erhebliche<br />

Unrechtsdifferenz rechtfertigt eine anderweitige, zugunsten des C gehende<br />

Bewertung der Tat.88 Infolgedessen liegt eine wesentliche Abweichung des Kausalverlaufs<br />

vor.<br />

Abgesehen von der Kopfverletzung liegt hinsichtlich der einfachen Körperverletzung<br />

Vorsatz vor. Zudem setzte C auch den Baseballschläger bewusst ein und benutzte<br />

somit vorsätzlich ein gefährliches Werkzeug. Hinsichtlich der lebensgefährdenden<br />

Behandlung fordert eine Ansicht, dass dem Täter die Lebensgefährlichkeit<br />

seines Handelns bewusst gewesen ist, er sie also in Kauf genommen hat.89 Mangels<br />

Tötungsvorsatzes konnte C die todesverursachende Kopfverletzung nicht in Kauf<br />

genommen haben, sodass es nach dieser Ansicht am Vorsatz fehlt. Dagegen reicht<br />

es nach einer anderen Ansicht aus, wenn der Täter die Umstände, aus denen sich die<br />

Lebensgefährlichkeit ergab, kannte.90 C waren von seiner Handlung bis zum verhängnisvollen<br />

Sturz alle Umstände bekannt, sodass nach dieser Ansicht Vorsatz gegeben<br />

ist. Gegen die erstgenannte Ansicht spricht, dass sie gerade die bedenkenlosen<br />

und sich keinerlei Gefahren bewussten Täter privilegiert.91 Zudem lässt diese<br />

Auffassung die Grenze zum bedingten Tötungsvorsatz verschwimmen und führt<br />

damit zu Unklarheiten.92 Folglich ist diese Ansicht abzulehnen und Vorsatz zu bejahen.<br />

(3) Zwischenergebnis<br />

C beging eine gefährliche Körperverletzung (§§ 223 I, 224 I, Nr. 2, Nr. 5).<br />

bb) Eintritt und Verursachung des Todes<br />

Der Tod des X ist eingetreten und wurde durch den Schlag kausal verursacht.<br />

85 BGHSt 7, 325 (329); Wessels/Beulke (Fn. 46), Rn. 258.<br />

86 Stree, Zur Auslegung der §§ 224, 226, GA 1960, S. 277, 291; Hirsch, in: LK, 10. Aufl. § 224<br />

Rn. 5; Geilen, Unmittelbarkeit und Erfolgsqualifizierung, in: Welzel-FS, 1974, S. 679, 682;<br />

vgl. auch Horn/Wolters, in: SK, § 227 Rn. 6.<br />

87 Stree (Fn. 86), S. 291; Stree, in: Schönke/Schröder, § 227 Rn. 5.<br />

88 Vgl. ebd.<br />

89 Wessels/Hettinger (Fn. 21), Rn. 284; Stree, in: Schönke/Schröder, § 224 Rn. 13; Lackner/<br />

Kühl, § 224 Rn. 9.<br />

90 BGHSt 19, 352 (353); 36, 1 (15); Lilie, in: LK, § 224 Rn.38; Tröndle/Fischer, § 224 Rn. 13.<br />

91 BGHSt 19, 352 (353, 354).<br />

92 Tröndle/Fischer, § 224 Rn. 13.


Petrovic/Hillenkamp <strong>Übungsfall</strong>: <strong>„Überschrittene</strong> <strong>Grenzen“</strong> 543<br />

cc) Tatbestandsspezifischer Gefahrenzusammenhang<br />

Für eine Haftung nach § 227 müsste sich die der Körperverletzung innewohnende<br />

spezifische Gefahr gerade im Tod des Opfers realisiert haben.93 Fraglich ist jedoch,<br />

ob der Tod des Opfers hierfür aus der Körperverletzungshandlung oder aber erst aus<br />

dem Körperverletzungserfolg resultieren kann. Nach der sog. Letalitätstheorie ist es<br />

erforderlich, dass die Todesfolge unmittelbar aus dem vorsätzlich zugefügten Körperverletzungserfolg,<br />

d. h. aus der tödlichen Wunde selbst resultiert.94 Der vom Vorsatz<br />

umfasste Verletzungserfolg erstreckte sich vorliegend lediglich auf die unmittelbar<br />

durch den Schlag zugefügten Wunden. Diese führten jedoch nicht zum Tod des<br />

X, sodass es nach dieser Ansicht am tatbestandsspezifischen Gefahrenzusammenhang<br />

fehlt. Nach anderer Ansicht reicht es schon aus, wenn der Tod des Opfers auf<br />

der besonderen Gefährlichkeit der Körperverletzungshandlung beruht.95 Der Tod<br />

des X wurde durch den wuchtigen Schlag verursacht und die Gefährlichkeit dieses<br />

Schlages ergibt sich schon aus dem folgenreichen Sturz. Damit ist nach dieser Auffassung<br />

der tatbestandsspezifische Gefahrenzusammenhang gegeben.<br />

Nach der Letalitätstheorie kann die in § 227 erwähnte „Körperverletzung“ nicht als<br />

Körperverletzungshandlung ausgelegt werden. Vielmehr sei darin ein bestimmter Erfolg<br />

zu sehen.96 Der Gegenansicht fehle es an einem klaren Anknüpfungspunkt, wodurch<br />

deren Ergebnisse uneinheitlich ausfielen.97 Zudem sei generell in Anbetracht<br />

des hohen Strafrahmens eine restriktive Auslegung des § 227 geboten.98 Zunächst ist<br />

hinsichtlich des Wortlauts zu beachten, dass der Begriff der Körperverletzung nach<br />

dem Sprachgebrauch des Gesetzes im § 223 I 1. Var. (körperlich „misshandelt“) sowie<br />

im § 224 I Nr. 5 (lebensgefährdende „Behandlung“) auch die Körperverletzungshandlung<br />

bezeichnet. Folglich kann darin nicht lediglich die Verkörperung eines Erfolges<br />

gesehen werden.99 Zudem bezieht der Klammerverweis des § 227 die gesamten<br />

Körperverletzungstaten ab dem Versuchsstadium mit ein, ohne dass ein Erfolgseintritt<br />

zwingend gefordert wird.100 Ähnlich wie die Raubhandlung in § 251 kann auch<br />

93 BGHSt 31, 96 (98); vgl. Tröndle/Fischer, § 227 Rn. 2 m. w. N.<br />

94 Hirsch, Anmerkung zum Urteil (BGH v. 30. 6. 1982- 2 StR 226/82), JR 1983, S. 77, 80;<br />

Hirsch, Der „unmittelbare“ Zusammenhang zwischen Grunddelikt und schwerer Folge<br />

beim erfolgsqualifizierten Delikt, in: Oehler-FS, 1985, S. 111, 130 ff.; Bussmann, Zur Dogmatik<br />

erfolgsqualifizierter Delikte nach dem Sechsten Strafrechtsreformgesetz, GA 1999,<br />

S. 21, 29 ff.; Geilen (Fn. 86), S. 681; Küpper, Unmittelbarkeit und Letalität – Zum Tatbestand<br />

der Körperverletzung mit Todesfolge, in: Hirsch-FS, 1999, S. 615, 621.<br />

95 BGHSt 14, 110 (111 f.); Laubenthal, Der Versuch des qualifizierten Delikts einschließlich<br />

des Versuchs im besonders schweren Fall bei Regelbeispielen, JZ 1987, S. 1065, 1068; Wessels/Hettinger<br />

(Fn. 21), Rn. 299 ff.; Rengier, BT II, 6. Auflage (2005), § 16 Rn. 4.<br />

96 Hirsch (Fn. 94), S. 79; Freund, Der Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Strafrechts,<br />

ZStW 1997, S. 455, 473.<br />

97 Küpper (Fn. 94), S. 623; Hirsch, in: LK, § 227 Rn. 5.<br />

98 Küpper, Der unmittelbare Zusammenhang, 1982, S. 83 f.; Bussmann (Fn. 94), S. 30.<br />

99 Rengier (Fn. 95), § 16 Rn. 4; Rengier, Erfolgsqualifizierte Delikte, 1986, S. 216 f.<br />

100 Rengier (Fn. 95), § 16 Rn. 4; Rengier, Die Reform und Nicht-Reform der Körperverletzungsdelikte<br />

durch das 6. Strafrechtsreformgesetz, ZStW 1999, S. 1, 19 f.


544<br />

StudZR 3/2006<br />

eine Körperverletzung die für eine tödliche Folge eigentümliche Gefahr enthalten.101<br />

Wird sowohl der Opferschutz als auch der Umstand, dass der Täter allein in der Tathandlung<br />

bereits ein großes kriminelles Unrecht verwirklicht hat, beachtet, so erweist<br />

sich auch der hohe Strafrahmen als gerechtfertigt.102 Somit ist die Letalitätstheorie<br />

abzulehnen. Ein gefahrenspezifischer Zusammenhang liegt damit vor.<br />

dd) Fahrlässigkeit hinsichtlich des Todes<br />

Gemäß § 18 müsste C hinsichtlich des Erfolges wenigstens fahrlässig gehandelt haben.<br />

Dafür müsste neben der Sorgfaltspflichtverletzung in Form der gefährlichen<br />

Körperverletzung der Tod des X vorhersehbar gewesen sein. Wer mit einem Baseballschläger<br />

auf einen anderen Menschen fest einschlägt, muss damit rechnen, dass<br />

dieser zu Fall kommt und weitere, eventuell auch lebensgefährliche Verletzungen davonträgt.<br />

Der Tod des X war damit vorhersehbar. C handelte also fahrlässig.<br />

ee) Zwischenergebnis<br />

C verwirklichte den Tatbestand einer Körperverletzung mit Todesfolge (§§ 227, 18).<br />

b) Rechtswidrigkeit<br />

C könnte jedoch durch Nothilfe (§ 32) gerechtfertigt sein.<br />

aa) Nothilfelage<br />

Es müsste gemäß § 32 ein gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff vorliegen. X war gerade<br />

im Begriff, Y zu erstechen. Damit drohte unmittelbar eine von keinem Erlaubnissatz<br />

gedeckte Verletzung des Rechtsguts Leben. Eine objektive Notwehrlage liegt<br />

vor.<br />

bb) Nothilfehandlung<br />

Die Nothilfehandlung müsste erforderlich gewesen sein. Der Schlag mit dem Baseballschläger<br />

war zur Abwehr geeignet. Ein milderes, aber auch gleich effektives Mittel<br />

ist im Hinblick auf das Erfordernis einer schnellen Reaktion nicht ersichtlich. Damit<br />

war die Notwehrhandlung erforderlich. Auch von der Gebotenheit der Notwehr<br />

ist auszugehen.<br />

cc) Subjektives Element<br />

Fraglich ist jedoch, wie sich der Umstand auswirkt, dass C keinerlei Kenntnis von<br />

der Nothilfelage und somit keinen Verteidigungswillen hatte. Vereinzelt wird das Erfordernis<br />

eines subjektiven Rechtfertigungselements generell abgelehnt.103 Sei eine<br />

101 Stree, in: Schönke/Schröder, § 226 Rn. 5.<br />

102 Schmidt/Priebe (Fn. 26), S. 96.<br />

103 Spendel, Notwehr und Verteidigungswille, objektiver Zweck und subjektive Ansicht, in:<br />

Oehler-FS, 1985, S. 197, 201; Schroeder, Anmerkung zum Urteil (BayObLG, Beschluß v.<br />

18. 10. 1990 RReg. 5 St 92/90), JZ 1991, S. 681, 683; Schmitt, Subjektive Rechtfertigungselemente<br />

bei Fahrlässigkeitsdelikten?, JuS 1963, S. 64, 65 ff.


Petrovic/Hillenkamp <strong>Übungsfall</strong>: <strong>„Überschrittene</strong> <strong>Grenzen“</strong> 545<br />

Tat objektiv gerechtfertigt, so entfalle trotz der negativen Gesinnung des Täters ihr<br />

Unrecht, sodass mangels dieses Faktors eine Bestrafungsmöglichkeit ausscheide.104<br />

Damit ist C nach dieser Ansicht durch das Vorliegen der objektiven Notwehrlage gerechtfertigt.<br />

Allerdings verkennt diese Ansicht, dass Notwehr auch dazu dient, dem<br />

Recht gegenüber dem Unrecht Geltung zu verschaffen und dies allein bei einem vorhandenen<br />

Rechtsbewusstsein möglich ist.105 Das objektive Element der Rechtfertigung<br />

beseitigt nur den Erfolgsunwert der Tat. Der tatbestandlich verwirklichte<br />

Handlungsunwert entfällt hingegen erst, wenn der Handelnde die rechtswidrige<br />

Lage erkennt und entsprechend rechtswahrend tätig wird.106 Zudem erweist es sich<br />

als folgerichtig, dem Täter, dem gemäß § 16 die unbekannten Umstände nicht zur<br />

Vorsatztat angelastet werden, auch die rechtfertigenden, aber unbekannten Elemente<br />

nicht zugute zu halten.107 Damit ist die erstgenannte Ansicht abzulehnen. Ein subjektives<br />

Element ist notwendig.<br />

Fraglich ist jedoch, wie das Fehlen des Verteidigungswillens zu bewerten ist. Ein Teil<br />

der Lehre bestraft den Täter wegen einer vollendeten, der andere Teil hingegen wegen<br />

einer versuchten Tat. Die eine vollendete Straftat annehmende Auffassung führt<br />

an, dass in Anbetracht des tatbestandsmäßig eingetretenen Erfolgs eine bloße Versuchsbestrafung<br />

den Boden der Realität verlasse.108 Ein Rechtfertigungsgrund könne<br />

nur dann eingreifen, wenn seine Voraussetzungen vollständig vorliegen. Fehle hingegen<br />

eine davon, so sei die Tat als rechtswidrige vollendete Tat zu bestrafen.109 Bei<br />

mangelndem Verteidigungswillen sei die Einstellung des Täters hinsichtlich der<br />

Rechtsordnung ebenso verwerflich, wie wenn eine objektive Notwehrlage nicht vorgelegen<br />

hätte, sodass die Bestrafung wegen eines vollendeten Delikts auch gerecht<br />

sei.110 Diese Ansicht verkennt jedoch, dass nicht der Tatbestandserfolg, sondern der<br />

Unrechtserfolg den zu einer Vollendungsstrafe führenden Erfolgsunwert begründet.111<br />

Der Täter hatte zwar zur Verwirklichung einer Straftat angesetzt und damit<br />

zumindest das Handlungsunrecht verwirklicht, jedoch fehlte es bei der Tat durch die<br />

objektiv gegebene Rechtfertigungslage an einem rechtlich missbilligten Erfolg.112<br />

Der ursprüngliche Erfolgsunwert wurde damit durch die objektive Rechtfertigungs-<br />

104 Spendel, Gegen den „Verteidigungswillen“ als Notwehrerfordernis, in: Bockelmann-FS,<br />

1979, S. 245, 257 f.<br />

105 Gallas, Zur Struktur des strafrechtlichen Unrechtsbegriffs, in: Bockelmann-FS, 1979,<br />

S. 155, 177.<br />

106 Geppert, Die subjektiven Rechtfertigungselemente, Jura 1995, S. 103, 104; Gallas (Fn. 105),<br />

S. 177; Kühl, Angriff und Verteidigung bei der Notwehr (Schluß), Jura 1993, S. 223, 233;<br />

Heinrich, Einkaufsfreuden, Jura 1997, S. 366, 374; Kretschmer, „Ein folgenschweres letztes<br />

Bier“, Jura 1998, S. 244, 248; Lencker, in: Schönke/Schröder, Vorb § 32 ff. Rn. 14.<br />

107 Kretschmer (Fn. 106), S. 248; Geppert (Fn. 106), S. 104.<br />

108 Hirsch, in: LK, § 32 Rn. 61.<br />

109 Hirsch, in: LK, Vorb. § 32 Rn. 59; Gallas (Fn. 105), S. 177.<br />

110 Seier, Strafrecht: Der Unhold im Pech, JuS 1978, S. 692, 695.<br />

111 Geppert (Fn. 106), S. 105; Roxin AT I, 3. Auflage (1997), S. 543; Kretschmer (Fn. 106),<br />

S. 248.<br />

112 Graul, Der „umgekehrte Erlaubnistatbestandsirrtum“, JuS 2000, L 41, 43; Seier (Fn.110),<br />

S. 695; Geppert (Fn. 106), S. 105.


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StudZR 3/2006<br />

lage bzw. durch die rechtliche Befürwortung des Erfolges kompensiert.113 Letztlich<br />

kommt es also durch den lediglich verbleibenden Handlungsunwert zu einer dem<br />

Versuch entsprechenden Situation.114 Gerade aus den Normen über die Versuchsstrafbarkeit<br />

folgt nun aber zwingend, dass bei einem lediglichen Handlungsunwert<br />

eine Bestrafung wegen eines vollendeten Delikts ausscheidet.115 Selbst wenn es durch<br />

die Anwendung der Versuchsregeln im Einzelfall mangels einer Strafbarkeit des Versuchs<br />

sogar zur Straflosigkeit kommt, folgt daraus keine Strafbarkeitslücke, sondern<br />

eine gesetzgeberische Entscheidung, die wie beim Versuch hinzunehmen ist.116<br />

Letztlich sind also die Versuchsvorschriften heranzuziehen, wobei dahinstehen kann,<br />

ob dies in direkter117 oder analoger118 Anwendung erfolgt.<br />

c) Zwischenergebnis<br />

Eine Vollendungsstrafbarkeit scheidet damit aus.<br />

3. Versuchte Körperverletzung mit Todesfolge, §§ 227 I, 18, 22, 23 I<br />

C könnte sich durch den Schlag mit dem Baseballschläger gemäß den §§ 227 I, 18, 22,<br />

23 I wegen einer versuchten Körperverletzung mit Todesfolge strafbar gemacht haben.<br />

Durch das fehlende Erfolgsunrecht der Tat ist diese nicht vollendet. Als Verbrechen<br />

i. S. d. § 12 ist der Versuch nach § 23 I strafbar. Zudem ermöglicht § 11 II auch bei<br />

Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen wie dem § 227 eine Versuchsstrafbarkeit.119<br />

Fraglich ist jedoch, ob nicht speziell § 227 eine Versuchsstrafbarkeit ausschließt.<br />

Nach der Letalitätstheorie (s. V. 2. a) cc)) scheidet ein erfolgsqualifizierter Versuch infolge<br />

der fehlenden Wunde aus.120 Jedoch ist dieser Ansicht nicht zu folgen (s. ebd.),<br />

sodass eine Versuchsstrafbarkeit möglich ist. C wollte die gefährliche Körperverletzung<br />

bewusst herbeiführen und hatte damit auch den Entschluss zur Tat gefällt. Zu-<br />

113 Geppert (Fn. 106), S. 105; Wessels/Beulke (Fn. 46), Rn. 279; Graul, Unrechtsbegründung<br />

und Unrechtsausschluß, JuS 1995, L 41, 44; Hellmann, Die Anwendbarkeit der zivilrechtlichen<br />

Rechtfertigungsgründe im Strafrecht, 1987, S. 31.<br />

114 Geppert (Fn. 106), S. 105; Otto, Die Lehre vom Tatbestand und der Deliktsaufbau, Jura<br />

1995, S. 468, 475; Graul (Fn. 113), L 44; Hellmann (Fn. 113), S. 31; Kretschmer (Fn. 106),<br />

S. 248.<br />

115 Rudolphi, in: SK, § 22 Rn. 29; Rudolphi, Inhalt und Funktion des Handlungsunwerts im<br />

Rahmen der personalen Unrechtslehre, in: Maurach-FS, 1979, S. 51, 58.<br />

116 Geppert (Fn. 106), S. 105; Roxin (Fn. 111), S. 543; Kühl (Fn. 22), S. 133.<br />

117 Graul (Fn. 112), L 43; Roxin (Fn. 111), S. 543; Frisch, Grund- und Grenzprobleme des sog.<br />

subjektiven Rechtfertigungselements, in: Lackner-FS, 1987, S. 133, 138 f.; Herzberg, Handeln<br />

in Unkenntnis einer Rechtfertigungslage, JA 1986, S. 190, 193.<br />

118 Geppert (Fn. 106), S. 105; Lencker, in: Schönke/Schröder, Vorb. §§ 32 ff. Rn. 15; Kühl<br />

(Fn. 22), S. 133; Jescheck/Weigend (Fn. 22), § 31 IV 2.<br />

119 Tröndle/Fischer, § 11 Rn. 32; vgl. auch Wessels/Beulke (Fn. 46), Rn. 693.<br />

120 Hirsch, in: LK, § 227 Rn. 9; vgl. dazu Sowada, Die erfolgsqualifizierten Delikte im Spannungsfeld<br />

zwischen Allgemeinem und Besonderem Teil des Strafrechts, Jura 1995, S. 644,<br />

652; Tröndle/Fischer, § 227 Rn. 8.


Petrovic/Hillenkamp <strong>Übungsfall</strong>: <strong>„Überschrittene</strong> <strong>Grenzen“</strong> 547<br />

dem war in der Durchführung des Schlages schon das unmittelbare Ansetzen zur Tat<br />

enthalten. Auch der tatbestandspezifische Gefahrenzusammenhang und die Fahrlässigkeit<br />

hinsichtlich der Todesfolge lagen vor. Somit hat sich C wegen einer versuchten<br />

Körperverletzung mit Todesfolge (§§ 227 I, 18, 22, 23 I) strafbar gemacht.<br />

4. Fahrlässige Tötung, § 222<br />

C führte durch eine Sorgfaltspflichtverletzung den Tod des X herbei. Fraglich ist jedoch,<br />

ob dieses fahrlässige Verhalten gerechtfertigt ist. Eine verbreitete Ansicht verzichtet<br />

bei Fahrlässigkeitsdelikten auf ein subjektives Element.121 Danach wäre C<br />

also gerechtfertigt gewesen und bliebe straffrei. Selbst wenn jedoch von dem Erfordernis<br />

eines subjektiven Elements ausgegangen wird, so kommt nach der vorzugswürdigen<br />

Ansicht (s. V. 2. a) cc)) nur eine Versuchsstrafbarkeit in Betracht. Diese<br />

scheidet jedoch bei Fahrlässigkeitsdelikten aus, womit auch nach dieser Ansicht keine<br />

Bestrafung erfolgt. C machte sich nach beiden Ansichten nicht wegen einer fahrlässigen<br />

Tötung strafbar.<br />

5. Ergebnis<br />

Die versuchte gefährliche Körperverletzung tritt gegenüber der versuchten Körperverletzung<br />

mit Todesfolge als subsidiär zurück. C machte sich gemäß den §§ 227, 18,<br />

22, 23 I wegen einer versuchten Körperverletzung mit Todesfolge strafbar.<br />

Gesamtkonkurrenzen und Gesamtergebnis<br />

Die in den jeweiligen Tatkomplexen begangenen Straftaten des C sind voneinander<br />

unabhängig und fallen zeitlich auseinander. Infolgedessen ist Tatmehrheit zwischen<br />

den Straftaten der einzelnen Tatkomplexe anzunehmen. Somit hat sich C wegen Beihilfe<br />

zum Mord (§§ 211, 212 I, 27) in Tateinheit mit Anstiftung zum Hausfriedensbruch<br />

(§§ 123, 26), weiterhin wegen Mordes (§§ 211, 212 I) in Tateinheit mit Hausfriedensbruch<br />

(§ 123) und wegen versuchter Körperverletzung mit Todesfolge<br />

(§§ 227 I, 18, 22, 23 I) strafbar gemacht. D hat sich eines Mordes in Mittäterschaft<br />

(§§ 211, 212 I, 25 II) in Tateinheit mit Hausfriedensbruch in Mittäterschaft (§§ 123,<br />

25 II) schuldig gemacht. E hat sich wegen Beihilfe zum Mord (§§ 211, 212 I, 27) strafbar<br />

gemacht.<br />

Bezüglich der Straftaten gemäß § 123 müssten die Strafanträge noch gestellt werden.<br />

Anmerkung: Auch im dritten Tatkomplex werden fast alle Probleme sehr überzeugend<br />

gelöst. Sehr schön ist, dass erkannt wird, dass die fahrlässige Tötung rechtmäßig<br />

begangen worden sein könnte. Hierzu hätte noch das Problem aufgeworfen werden<br />

121 Frisch (Fn. 117), S. 130; Schmitt, Subjektive Rechtfertigungselemente bei Fahrlässigkeitsdelikten,<br />

JuS 1963, S. 64, 68; Schünemann, Moderne Tendenzen in der Dogmatik der Fahrlässigkeits-<br />

und Gefährdungsdelikte, JA 1975, S. 787.


548<br />

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können, was dies für § 227 StGB bedeutet. Das hängt mit der Frage nach der Rechtswidrigkeit<br />

bei § 227 zusammen: Reicht hierfür die Rechtswidrigkeit des Vorsatzteils<br />

aus oder müssen Vorsatz- und Fahrlässigkeitsteil rechtswidrig sein? Das ist nach der<br />

Lösung der Verfasserin entscheidungserheblich, da der Fahrlässigkeitsteil des § 227<br />

rechtmäßig herbeigeführt wurde.<br />

Schlussbemerkung:<br />

Die Hausarbeit in der Übung im Strafrecht für Anfänger, die meine wissenschaftlichen<br />

Mitarbeiter Anne Käßner und Thomas Seibert entworfen haben, wirft klassische<br />

Probleme von Mord und Totschlag und der Beteiligung hieran sowie der erfolgsqualifizierten<br />

Delikte am Beispiel des § 227 auf. Einige knifflige Besonderheiten<br />

stellen sich, weil das Geschehen grenzüberschreitend stattfand und man sich daher<br />

Gedanken zum Einbau des internationalen Strafrechts in das Gutachten machen<br />

musste. Auch konnte man dem üblichen und zwingenden Aufbauschema Haupttat<br />

vor Teilnahme deshalb nicht durchgehend folgen, weil nicht alle Haupttäter noch am<br />

Leben waren: Wie also prüft man Tote? In § 227 war das Problem des Fehlens des<br />

subjektiven Rechtfertigungselements bei objektiv vorliegender Nothilfelage zu integrieren,<br />

eine sehr schwierige Aufgabe. Eigentlich war es nach meiner Prognose kaum<br />

zu schaffen, die Bearbeitung im vorgegebenen Umfang (20 S., 1/3 Rand, 1½-zeilig,<br />

Schriftgröße 12) zu bewältigen. Frau Petrovic ist das aber in brillanter Weise vor allem<br />

deshalb gelungen, weil sie in präziser Sprach- und Denkweise sich zielstrebig auf<br />

die Schwerpunkte konzentriert und in meisterhafter Weise die Dinge auf den Punkt<br />

gebracht hat, ohne die Herleitung der Probleme aus dem Sachverhalt und die Subsumtion<br />

zu vernachlässigen. Auch wenn das intrikate Problem des § 227 noch etwas<br />

differenzierter lag und naturgemäß nicht alles perfekt war, handelt es sich doch um<br />

eine Arbeit, die – von einer Teilnehmerin der Übung für Anfänger (!) – auf hervorragendem<br />

(Examens-)niveau geschrieben worden ist.

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