Sozialwahlen 2011 - DHV-Deutscher Handels- und ...
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Nr. 4 - <strong>2011</strong> · 10. August <strong>2011</strong><br />
<strong>DHV</strong> – Die Berufsgewerkschaft C 2223 F<br />
Die politische Diskussion ist seit<br />
Jahren davon geprägt, wer den Menschen<br />
in unserem Land die besseren<br />
Geschenke machen kann. Die Meinungsumfragen<br />
orientieren sich daran<br />
<strong>und</strong> die politischen Parteien stricken<br />
ihre Wahlprogramme danach in der<br />
Hoffnung, dass die Wählergunst sie<br />
damit an die Spitze spült. Die Folge<br />
sind Erdrutsche in Meinungsumfragen,<br />
wie sie in den vergangenen zwei<br />
Jahren am deutlichsten an der FDP<br />
auszumachen waren.<br />
ie Folge eines solchen Handelns<br />
Dwird oftmals nicht mehr wahrgenommen.<br />
Welche gesellschaftspolitischen<br />
Gr<strong>und</strong>werte <strong>und</strong> welches Menschenbild<br />
vertreten die politischen<br />
Parteien heute noch? Viele Bürger beantworten<br />
diese Frage nur noch mit einem<br />
Schulterzucken, die meisten Mitglieder<br />
der politischen Parteien im<br />
Übrigen auch.<br />
Was für politische Parteien gilt, das gilt<br />
für die Gewerkschaften genauso. Das<br />
gewerkschaftliche Handeln ist geprägt<br />
von Gr<strong>und</strong>werten <strong>und</strong> von Überzeugungen,<br />
die sich nicht so ohne weiteres<br />
umstoßen lassen. Und auch hier gibt es<br />
nach wie vor große Unterschiede.<br />
ie <strong>DHV</strong> bekennt sich zur christ-<br />
Dlichen Soziallehre. Diese fußt auf<br />
drei Gr<strong>und</strong>werten, auf denen eine<br />
Gesellschaftsordnung aufgebaut sein<br />
soll, dem Gr<strong>und</strong>wert der Solidarität,<br />
dem Gr<strong>und</strong>wert der Subsidiarität <strong>und</strong><br />
dem Gr<strong>und</strong>wert der Personalität. Mit<br />
diesen Gr<strong>und</strong>werten unterscheiden wir<br />
uns elementar von den sogenannten<br />
Einheitsgewerkschaften.<br />
Der Gr<strong>und</strong>wert der Solidarität verbindet<br />
alle Gewerkschaften. Ziel ist es,<br />
dass sich die Beschäftigten <strong>und</strong> die<br />
Belegschaften nicht gegeneinander ausspielen<br />
lassen. Auftrag bleibt es des-<br />
Der Mensch steht im Mittelpunkt<br />
halb, dass beim Aushandeln von Arbeitsbedingungen,<br />
z. B. über Tarifverträge,<br />
ein Ausgleich von Interessen der<br />
Arbeitnehmer innerhalb der Gewerkschaften<br />
erfolgt <strong>und</strong> nicht Partikularinteressen<br />
gegeneinander ausgespielt<br />
werden.<br />
er Gr<strong>und</strong>wert der Subsidiarität fin-<br />
Ddet sich in der Gewerkschaftsbewegung<br />
schon nicht mehr geschlossen<br />
wieder. Das gewerkschaftliche<br />
Handeln nach dem Subsidiaritätsprinzip<br />
bedeutet eine Stärkung der<br />
Gestaltungsmöglichkeiten der kleinen<br />
Einheiten. Die Bevorm<strong>und</strong>ung von<br />
oben lehnen wir ab.<br />
In unserem Handeln kommt dieser<br />
Gr<strong>und</strong>wert zum Beispiel in unserer<br />
Tarifarbeit zum Ausdruck. Maßgeblich<br />
für die gewerkschaftliche Willensbildung<br />
bei Tarifverhandlungen sind die<br />
Tarifkommissionen, die durch Mitarbeiter<br />
der Betriebe gebildet werden. Bei<br />
der gewerkschaftlichen Konkurrenz bestimmen<br />
oftmals externe Funktionäre<br />
über die Inhalte von Tarifverhandlungen,<br />
<strong>und</strong> überstimmen somit die<br />
Meinung der eigentlich Betroffenen.<br />
s kommt auch bei Kandidaturen<br />
Efür betriebliche Aufsichtsratswahlen<br />
zum Ausdruck. Nicht der hauptberufliche<br />
Gewerkschaftsfunktionär kandidiert<br />
auf der Gewerkschaftsliste, sondern<br />
wir lassen betriebsangehörige<br />
Mitarbeiter kandidieren.<br />
Auch bei dem Gr<strong>und</strong>wert der Personalität<br />
unterscheidet sich unser Gesellschaftsbild<br />
f<strong>und</strong>amental von denen, die<br />
einer Klassengesellschaft nachrennen.<br />
Aus unserem Selbstverständnis hat<br />
jeder Mensch eine eigene Persönlichkeit.<br />
Er bestimmt damit auch sein eigenes<br />
Handeln selbst <strong>und</strong> wird nicht<br />
fremdbestimmt. Er ist für sein Handeln<br />
selbst verantwortlich. Die Verantwor-<br />
tung kann nicht auf andere abgeschoben<br />
werden.<br />
nser Bekenntnis für eine leistungs-<br />
Ugerechte Entlohnung ist Ergebnis<br />
dieses Gr<strong>und</strong>wertes. Jeder Mensch<br />
muss aufgr<strong>und</strong> seiner individuellen<br />
Fähigkeiten <strong>und</strong> Fertigkeiten beurteilt<br />
werden, nicht aufgr<strong>und</strong> einer Funktionsgruppenzugehörigkeit.<br />
Unsere gewerkschaftliche Konkurrenz<br />
setzt hier oftmals einen anderen<br />
Schwerpunkt. In tarifpolitischen Auseinandersetzungen<br />
finden sich oftmals<br />
Forderungen, die bestimmte Gruppenzugehörigkeiten<br />
bevorzugen <strong>und</strong> die<br />
Elemente der Umverteilung zum Ziel<br />
haben. Der Bezug auf eine Leistungsgerechtigkeit<br />
tritt in den Hintergr<strong>und</strong>.<br />
ür die <strong>DHV</strong> bleibt es deshalb wich-<br />
Ftig, sich in ihrem Handeln durch<br />
Gr<strong>und</strong>werte leiten zu lassen, auch wenn<br />
das nicht immer populär ist. Nur so<br />
werden wir unserem Anspruch gerecht:<br />
„Der Mensch steht im Mittelpunkt!“<br />
Aus dem Inhalt:<br />
Gunter Smits ■<br />
8 Arbeitswelt<br />
Arbeitszufriedenheit hoch<br />
9 Bildung<br />
Tod der Hauptschule?<br />
13 medsonet<br />
Mitarbeiterfeindliche Querelen<br />
14 contterm<br />
Sammelklage gegen den GHBV<br />
1
Baden-Württemberg machte den Anfang,<br />
nun sind die Tarifverhandlungen<br />
im deutschen Einzelhandel fast vollständig<br />
abgeschlossen. Lediglich die<br />
Nordb<strong>und</strong>esländer Bremen, Mecklenburg-Vorpommern,<br />
Niedersachen <strong>und</strong><br />
Schleswig-Holstein haben die Tarifverhandlungen<br />
noch nicht beendet.<br />
Die Ergebnisse der verschiedenen regionalen<br />
Entgeltabschlüsse haben sich<br />
am Pilotabschluss orientiert. Dieser<br />
beinhaltet eine lineare Lohnerhöhung<br />
von 3,0 Prozent zum Juni <strong>2011</strong>. Einige<br />
B<strong>und</strong>esländer haben diese Lohnerhöhung<br />
erst zum 1. Juli oder 1. August<br />
<strong>2011</strong> in Kraft gesetzt.<br />
Im Sommer 2012 erhöhen sich Löhne<br />
<strong>und</strong> Gehälter um weitere 2,0 Prozent.<br />
Das Inkrafttreten der unterschiedlichen<br />
Zeitpunkte für die Entgelttarifverträge<br />
wird durch Einmalzahlungen ausgeglichen.<br />
Die Laufzeit der Entgelttarifverträge<br />
beträgt 24 Monate. Damit ist<br />
auf der Entgeltfront im Einzelhandel eine<br />
relativ kurze Verhandlungsr<strong>und</strong>e zu<br />
Ende gegangen, die für die Beschäftigten<br />
deutliche Entgeltverbesserungen<br />
bedeuten.<br />
2<br />
Tarifarbeit<br />
Entgeltr<strong>und</strong>e Einzelhandel <strong>2011</strong> weitgehend abgeschlossen<br />
Auch im Groß- <strong>und</strong> Außenhandel hat<br />
Baden-Württemberg einen Pilotabschluss<br />
erzielt, der mittlerweile für alle Tarifbezirke<br />
umgesetzt worden ist. Die Tarifabschlüsse<br />
bringen deutlich mehr Geld in den<br />
Geldbeutel der Beschäftigten. 3,0 Prozent<br />
Lohnerhöhung gibt es rückwirkend zum<br />
Vergleicht man diesen Entgeltabschluss<br />
mit anderen Branchen, so ist es für die<br />
Beschäftigten ein ordentlicher Abschluss.<br />
In der Druckindustrie müssen<br />
sich die Beschäftigten für das Jahr <strong>2011</strong><br />
mit einer Einmalzahlung von 280,–<br />
Euro begnügen <strong>und</strong> mit einer weiteren<br />
Entgelterhöhung von lediglich 2,0 Prozent<br />
zum 1. August 2012. Und auch in<br />
der privaten Versicherungswirtschaft<br />
übersteigt das Gesamtpaket von 5,2<br />
Prozent auf zwei Jahre die Einzelhandelsabschlüsse<br />
nur unwesentlich.<br />
In einigen Regionen ist zu vernehmen<br />
gewesen, dass die neuen Entgeltabschlüsse<br />
für allgemeinverbindlich erklärt<br />
werden sollen. Die <strong>DHV</strong> unterstützt<br />
diese Bestrebungen ausdrücklich.<br />
Dies ist ein Weg, um faire Wettbewerbsbedingungen<br />
nicht zu Lasten<br />
der Arbeitnehmerinnen <strong>und</strong> Arbeitnehmer<br />
sicherzustellen. Da sich im<br />
Einzelhandel auch eine hohe Zahl von<br />
Teilzeitbeschäftigten <strong>und</strong> geringfügig<br />
Beschäftigten findet, können über die<br />
Allgemeinverbindlichkeitserklärung<br />
der Entgelttarifverträge soziale Mindeststandards<br />
auch gegenüber den tarif-<br />
1. Juni <strong>2011</strong>. Zum 1. Juni 2012 steigen die<br />
Löhne um weitere 2,4 Prozent. Die Entgelttarifverträge<br />
haben eine Laufzeit von<br />
24 Monaten. Damit liegt der Abschluss für<br />
das Jahr <strong>2011</strong> gut über der prognostizierten<br />
Preissteigerungsrate. Dies sichert den Beschäftigten<br />
der Branche eine, wenn auch<br />
ungeb<strong>und</strong>enen Einzelhandelsbetrieben<br />
sichergestellt werden. Dabei ist nicht zu<br />
befürchten, dass es zu Abgrenzungsschwierigkeiten<br />
der Geltungsbereiche<br />
der Entgelttarifverträge gegenüber anderen<br />
Branchen kommen wird.<br />
Aufgr<strong>und</strong> der Rechtsprechung sind<br />
auch Änderungen in den Manteltarifverträgen<br />
vorgenommen worden. Diese<br />
betreffen vor allem die Urlaubsregelungen<br />
<strong>und</strong> Anpassungen bei Gehaltsstaffeln<br />
aufgr<strong>und</strong> des Lebensalters. Nun<br />
gilt, dass für alle Beschäftigten ein<br />
Urlaubsanspruch von 36 Werktagen<br />
festgeschrieben ist, unabhängig davon,<br />
wie alt die Mitarbeiter sind. Hinsichtlich<br />
der Altersstaffelung bei Entlohnungszuschlägen<br />
sind kleine Veränderungen<br />
vorgenommen worden. Die<br />
Substanz ist indess nicht in Frage gestellt<br />
worden. Mit den Änderungen<br />
wird auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgr<strong>und</strong>satz<br />
reagiert, der eine<br />
Ungleichbehandlung erkennt, wenn<br />
aufgr<strong>und</strong> des Lebensalters unterschiedliche<br />
Leistungen seitens des Arbeitgebers<br />
gewährt werden.<br />
gs ■<br />
Tarifabschlüsse im Großhandel, Außenhandel <strong>und</strong> gewerbliche<br />
Verb<strong>und</strong>gruppen (genossenschaftlicher Großhandel)<br />
Tarifabschluss für die Textilreinigung<br />
Als Abschluss mehrerer Verhandlungsr<strong>und</strong>en<br />
haben sich der Arbeitgeberverband<br />
TATEX (Tarifpolitische Arbeitsgemeinschaft<br />
Textilreinigung) <strong>und</strong> die<br />
Berufsgewerkschaft <strong>DHV</strong> auf ein Tarifergebnis<br />
verständigt. Es wurden Entgelterhöhungen,<br />
eine Erhöhung der Ausbildungsvergütungen,<br />
eine gemeinsame Urlaubsstaffel<br />
<strong>und</strong> Verbesserungen bei der<br />
Jahressonderzahlung erreicht.<br />
Fast 6 St<strong>und</strong>en dauerte die entscheidende<br />
Verhandlungsr<strong>und</strong>e am 7. Juni in Duisburg,<br />
bis das Ergebnis fest stand: Erhöhung<br />
der Entgelte in 2 Stufen bei einer<br />
Laufzeit von 18 Monaten:<br />
Westliche B<strong>und</strong>esländer<br />
Entgeltanhebungen<br />
ab 01.07.<strong>2011</strong> bis 30.3.2012 2,0%<br />
<strong>und</strong><br />
ab 01.04.2012 bis 31.12.2012 1,0 %<br />
Östliche B<strong>und</strong>esländer<br />
Entgeltanhebungen<br />
ab 1.7.<strong>2011</strong> bis 31.03.2012 2,0 %<br />
<strong>und</strong><br />
ab 1.4.2012 bis 31.12.2012 1,2 %.<br />
Die Ausbildungsvergütungen erhöhen<br />
sich ab 1.8.<strong>2011</strong> in allen Gruppen um 20<br />
Euro, im Osten in der untersten Gruppe<br />
um 70 Euro. Ab dem 1.8.2012 steigen alle<br />
Stufen noch einmal um 20 Euro.<br />
Ab dem Urlaubsjahr 2012 gibt es eine gemeinsame<br />
Urlaubsstaffel für alle<br />
Tarifregionen in Deutschland mit 29<br />
Arbeitstagen Urlaub pro Jahr in der<br />
Endstufe.<br />
kleine, Reallohnsteigerung. Die Ausbildungsvergütungen<br />
werden ab dem 1. September<br />
<strong>2011</strong> um 3,0 Prozent <strong>und</strong> ab dem<br />
01. September 2012 um weitere 2,4 Prozent<br />
erhöht.<br />
■<br />
Der Fixanteil der Jahressonderzahlungen<br />
wird einheitlich für alle Tarifregionen auf<br />
150 Euro angeglichen.<br />
<strong>DHV</strong>-Mitglieder erhalten 50,– n zusätzlich.<br />
Angemessenes Ergebnis<br />
„Wir haben unser Ziel erreicht, die<br />
Einkommen der Beschäftigten in der<br />
Textilreinigung zu sichern, trotz der nach<br />
wie vor vorhandenen wirtschaftlichen<br />
Schwierigkeiten in der Branche“, so Hans-<br />
Joachim Bondzio, Tarifbeauftragter <strong>und</strong><br />
Hauptvorstandsmitglied der <strong>DHV</strong>.<br />
■<br />
DAZ 04/<strong>2011</strong>
Tarifabschluss BARMER GEK<br />
<strong>DHV</strong> <strong>und</strong> BARMER GEK haben am<br />
7.7.<strong>2011</strong> einen Gehaltstarifvertrag <strong>und</strong><br />
einen neuen Manteltarifvertrag abgeschlossen.<br />
Der Gehaltstarifvertrag sieht<br />
➤ eine Einmalzahlung für Beschäftigte<br />
in Höhe von 600 j für September<br />
<strong>2011</strong> vor,<br />
➤ Auszubildende erhalten eine Einmalzahlung<br />
von 250 j,<br />
➤ ab 1.4.2012 erfolgt eine erste lineare<br />
Gehaltserhöhung von 1,4 %,<br />
➤ weitere 1,6 % folgen ab 1.3.2013.<br />
Der Gehaltstarifvertrag hat eine<br />
Laufzeit bis 31.12.2013.<br />
ngesichts des guten Geschäftsver-<br />
Alaufs in 2010 wäre eine lineare<br />
Gehaltserhöhung bereits in <strong>2011</strong> zu begrüßen<br />
gewesen. Auch hätte die <strong>DHV</strong>-<br />
Tarifkommission eine kürzere Laufzeit<br />
gewünscht. Letztendlich ist der Gehaltskompromiss<br />
aber vertretbar, weil<br />
DAZ 04/<strong>2011</strong><br />
Tarifarbeit<br />
das Volumen der Einmalzahlung in<br />
<strong>2011</strong> zumindest in den unteren Gehaltsgruppen<br />
an die Höhe der <strong>DHV</strong>-<br />
Forderung von 2,5 % für <strong>2011</strong> herankommt<br />
<strong>und</strong> die Gehaltserhöhungen in<br />
2012 <strong>und</strong> 2013 im Lichte der Arbeitgeberzugeständnisse<br />
beim Manteltarifvertrag<br />
akzeptabel sind.<br />
Die <strong>DHV</strong>-Tarifkommission konnte<br />
durchsetzen, dass sich die Gehaltserhöhungen<br />
auch auf die Aufrückungszulagen<br />
angerechnet erstrecken.<br />
ereinbart wurde eine neue Gehalts-<br />
Vtabelle zum 1.1.2012. Die Vergütung<br />
orientiert sich nicht mehr anhand des<br />
Lebensalters, sondern anhand von Erfahrungsstufen.<br />
Ein besonderer Erfolg<br />
ist, dass 12 Monate Elternzeit auf die<br />
Erfahrungsstufen angerechnet werden.<br />
Die <strong>DHV</strong>-Verhandlungskommission<br />
hatte diese Forderung in die Verhandlungen<br />
eingebracht. Sie erreichte auch,<br />
JobB GmbH: Tarifabschluss in letzter Minute<br />
Vor dem Eindruck eines drohenden<br />
Streiks (siehe DAZ 2/11) hatte der<br />
Arbeitgeber quasi in letzter Minute<br />
ein verbessertes Angebot vorgelegt.<br />
Nach einer weiteren Tarifr<strong>und</strong>e am<br />
27.5.<strong>2011</strong> in Oldenburg/Holstein hatten<br />
sich die Tarifkommission der<br />
<strong>DHV</strong> <strong>und</strong> der Arbeitgeber auf eine<br />
rückwirkende Erhöhung der Vergütungen<br />
ab dem 1.1.2010 von 1,75 %<br />
sowie weitere 1,75 % ab dem 1.1.12<br />
verständigt. Darüber hinaus wird die<br />
Kinderzulage rückwirkend ab dem<br />
1.1.2010 auf 80,– Euro pro Kind erhöht.<br />
In einer zweiten Urabstimmung<br />
waren die Mitglieder der <strong>DHV</strong> bei der<br />
JobB GmbH aufgerufen über das<br />
Verhandlungsergebnis zu entscheiden.<br />
92 % der Mitglieder sprachen sich für<br />
die Annahme des Ergebnisses aus.<br />
Abschluss im privaten Versicherungsgewerbe:<br />
<strong>DHV</strong>-Forderungen weitgehend erfüllt<br />
Nach einer langen <strong>und</strong> zähen Tarifauseinandersetzung<br />
konnte in der Nacht zum<br />
22. Juli <strong>2011</strong> im Versicherungsinnendienst<br />
ein Tarifabschluss erzielt werden:<br />
Gehaltserhöhungen: 3,0 % ab dem<br />
1.9.<strong>2011</strong> <strong>und</strong> 2,2 % ab dem 1.10.2012<br />
Einmalzahlungen im August <strong>2011</strong>: 450 n<br />
für Beschäftigte der unteren<br />
Tarifgruppen <strong>und</strong> 350 n Einmalzahlung<br />
für Beschäftigte ab Tarifgruppe<br />
III<br />
Erhöhung der Auszubildendenvergütungen<br />
um jeweils 25 n ab dem<br />
1.9.<strong>2011</strong> <strong>und</strong> ab dem 1.10.2012<br />
Laufzeit des Gehaltstarifvertrages bis<br />
zum 31.3.2013<br />
Verlängerung des Altersteilzeitabkommens<br />
bis zum 31.12.2013<br />
Verpflichtung, im Jahr 2012 Verhandlungen<br />
über die Zukunftsfähigkeit der<br />
Tarifverträge in der Versicherungsbranche<br />
aufzunehmen.<br />
Der Abschluss ist ein guter Kompromiss.<br />
Der <strong>DHV</strong>-Tarifkommission ging es vor allem<br />
darum, die Beschäftigten des privaten<br />
Versicherungsgewerbes angemessen an den<br />
guten Ergebnissen der vergangenen beiden<br />
Jahre zu beteiligen. Dieses Ziel wurde erreicht.<br />
Besonders erfreulich ist die<br />
Tatsache, dass die <strong>DHV</strong>-Verhandlungskommission<br />
in der ersten Gehaltserhöhungsstufe<br />
eine 3 vor dem Komma erreichen<br />
konnte. Damit haben die<br />
Beschäftigten des privaten Versicherungsgewerbes<br />
einen Zuwachs über der<br />
Inflationsrate <strong>und</strong> einen realen Nettolohngewinn!<br />
dass angeordnete Mehrarbeitsst<strong>und</strong>en<br />
an tariflich arbeitsfreien Tagen weiter<br />
als Überst<strong>und</strong>en gelten <strong>und</strong> entsprechend<br />
mit Zuschlägen berücksichtigt<br />
werden. In dem von der Arbeitgeberseite<br />
vorgelegten, bereits mit verdi vereinbarten<br />
Manteltarifvertragstext war<br />
diese Bestimmung nicht enthalten.<br />
Im Ersatzkassentarifvertrag war geregelt,<br />
dass die Beschäftigten erst nach einer<br />
bestimmten Anzahl von Beschäftigungsjahren<br />
Anspruch auf Urlaubsgeld<br />
bzw. alternativ auf arbeitsfreie<br />
Tage <strong>und</strong> auf Weihnachtsgeld hatten.<br />
Diese Wartezeitregelung ist nun entfallen.<br />
Es ist ein großer Erfolg, dass die<br />
Beschäftigten nun bereits im ersten<br />
Beschäftigungsjahr die vollen Ansprüche<br />
haben <strong>und</strong> nicht erst nach<br />
9 Jahren beim Weihnachtsgeld <strong>und</strong><br />
nach 10 Jahren beim Urlaubsgeld bzw.<br />
arbeitsfreien Tagen.<br />
rö ■<br />
Das Ergebnis, insbesondere die prozentuale<br />
Erhöhung, konnte nicht voll<br />
zufrieden stellen. Angesichts der politisch<br />
verursachten wirtschaftlichen<br />
Situation der Bildungsbranche im<br />
Allgemeinen <strong>und</strong> der JobB GmbH im<br />
Besonderen war in der jetzigen<br />
Situation nicht mehr drin.<br />
Michael Schulz ■<br />
Gut für die Beschäftigten ist auch die<br />
Verlängerung des Altersteilzeitabkommens<br />
bis zum 31.12.2013. Die Altersteilzeit ist<br />
eine gute Maßnahme, um den<br />
Beschäftigten einen sozialverträglichen<br />
Übergang in den Ruhestand zu ermöglichen.<br />
Auch die Forderung der <strong>DHV</strong>, Verhandlungen<br />
über die Zukunftsfähigkeit der<br />
Tarifverträge im privaten Versicherungsgewerbe<br />
aufzunehmen, haben die<br />
Arbeitgeber aufgenommen. Die <strong>DHV</strong>-<br />
Tarifkommission wird in diesen Verhandlungsprozess<br />
ihre Forderungen zu einer<br />
attraktiven Gestaltung der Tarifverträge<br />
im Sinne der Beschäftigten des privaten<br />
Versicherungsgewerbes einbringen.<br />
rö ■<br />
3
Lohnentwicklung rückläufig<br />
Die aktuellen Tarifabschlüsse lassen es<br />
nicht vermuten, aber die Nettolohnentwicklung<br />
war auch im Jahr 2010<br />
rückläufig. Das Deutsche Institut für<br />
Wirtschaftsforschung (DIW) befragt<br />
für eine Studie jährlich tausende B<strong>und</strong>esbürger<br />
nach ihren Lebensumständen.<br />
Vorab veröffentlichte Ergebnisse<br />
dieser Studie bestätigen, dass der rückläufige<br />
Trend der Nettolohnentwicklung<br />
nicht gestoppt ist. Die ersten<br />
Auswertungen für das Jahr 2010 zeigen,<br />
dass die Nettolöhne zwischen dem<br />
Jahr 2000 <strong>und</strong> dem Jahr 2010 preisbereinigt<br />
im Durchschnitt<br />
über alle<br />
Beschäftigten um<br />
2,5 Prozent gesunken<br />
sind. Die<br />
Gründe dafür sind<br />
vielfältig.<br />
Besonders deutlich<br />
fiel der Rückgang<br />
der Nettolöhne<br />
bei den unterenEinkommensgruppen<br />
aus. In<br />
diesen Verdienstgruppen<br />
sanken<br />
die Löhne sogar<br />
zwischen 16 <strong>und</strong><br />
22 Prozent. Dazu<br />
trägt vor allem bei,<br />
dass unter den sozialversicherungspflichtigenBeschäftigungsverhältnissenMinijobs,Teilzeitbeschäftigung<br />
<strong>und</strong> Zeitarbeitsverhältnisse<br />
überproportional zugenommen haben.<br />
iese von der Politik gewollten ar-<br />
Dbeitsmarktpolitischen Maßnahmen<br />
existierten im Jahre 2000 nicht in der<br />
heutigen Form. Folglich sind die Datenvergleiche<br />
für diese Beschäftigtengruppen<br />
nur bedingt möglich. Die Zahl der<br />
sogenannten Minijobber oder 400,–<br />
Euro Kräfte fließt in die Gruppe der unteren<br />
Einkommensgruppen, ist aber in<br />
der Studie nicht explizit ausgewiesen.<br />
Insgesamt waren nach Auskunft der<br />
B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit Ende 2009<br />
gut 4,9 Mio. geringfügig beschäftigt.<br />
Auch in den höheren Entgeltgruppen<br />
sind Nettolohneinbußen festzustellen.<br />
Genaue Daten sind hierzu noch nicht<br />
veröffentlicht. Es ist anzunehmen, dass<br />
für das Jahr 2010 besondere Effekte zu<br />
4<br />
Tarifarbeit<br />
Nettolohnsenkungen geführt haben.<br />
Aufzuführen wäre hier das Kurzarbeitergeld,<br />
von dem vor allem im produzierenden<br />
Gewerbe im Jahre 2010 noch<br />
Gebrauch gemacht wurde.<br />
Für die Politik <strong>und</strong> die Tarifvertragsparteien<br />
ergeben sich klare Konsequenzen<br />
aus den vorab veröffentlichten Zahlen.<br />
rstens sind sämtliche Beschäfti-<br />
Egungsverhältnisse steuerlich zu entlasten.<br />
Die sogenannte kalte Progression<br />
trifft insbesondere die mittleren<br />
Einkommen. Sie wird hinsichtlich der<br />
Reallohnentwicklung einen Beitrag zu<br />
diesem ernüchternden Ergebnis beitragen.<br />
Die Politik kommt nicht daran vorbei,<br />
hierzu alsbald ein vernünftiges<br />
Konzept anzubieten. Diese Forderung<br />
bleibt aktuell.<br />
um zweiten muss die Politik dafür<br />
ZSorge tragen, dass die Sozialversicherungsabgaben<br />
auf die Löhne nicht<br />
willkürlich steigen. Aktuell sind die<br />
Löhne mit gut 40 Prozent an Sozialversicherungsbeiträgen<br />
belastet. Wird<br />
akzeptiert, dass die Sozialversicherungsbeiträge<br />
steigen statt sinken, dann<br />
trifft diese Entwicklung insbesondere<br />
die Arbeitnehmerinnen <strong>und</strong> Arbeitnehmer<br />
überproportional, die einer<br />
Vollzeitbeschäftigung mit einem vergleichsweise<br />
bescheidenen Bruttomonatslohn<br />
nachgehen. Die knapp<br />
5 Mio. geringfügig Beschäftigten sind<br />
hingegen von Beitragsentwicklungen in<br />
der Sozialversicherung <strong>und</strong> auch nicht<br />
von der kalten Progression betroffen.<br />
Denn die Arbeitgeber führen für diese<br />
Beschäftigtengruppe einen Pauschalbeitrag<br />
von 30 Prozent des Lohnes ab,<br />
mit dem auch die Lohnsteuer pauschalisiert<br />
wird.<br />
uch von den Tarifvertragsparteien<br />
Asind Anstrengungen zu unternehmen.<br />
Dass für 400,– Euro-Kräfte keine<br />
tariflichen Lohnerhöhungen vorgenommen<br />
werden, ist<br />
nicht länger zu akzeptieren,<br />
<strong>und</strong> sei<br />
es, dass die 400,–<br />
Euro Kräfte dann<br />
weniger arbeiten.<br />
Verweigert man<br />
Lohnerhöhungen<br />
für 400,– Euro<br />
Kräfte, so spielt<br />
man sie gegen niedrig<br />
entlohnte<br />
Vollzeitkräfte aus.<br />
Zudem sind tarifpolitischeMechanismen<br />
zu entwickeln,<br />
die eine<br />
Zunahme von Teilzeitbeschäftigungsverhältnisseneindämmen,<br />
sowie das<br />
sogenannte Outsourcingerschweren.<br />
Hierzu gehören<br />
zum Beispiel<br />
Modelle, mit denen sachgr<strong>und</strong>lose<br />
Befristungen nach dem Teilzeit- <strong>und</strong><br />
Befristungsgesetz stärker reguliert werden,<br />
oder Quotenregelungen für die<br />
Fremdvergabe von Dienstleistungen in<br />
Tarifverträgen.<br />
amit die Nettolohnentwicklung zu-<br />
Dkünftig wieder steigt, ist ein Zusammenspiel<br />
von verschiedenen Mechanismen<br />
gefragt. Die Tarifvertragsparteien<br />
können alleine schon lange<br />
nicht mehr die Nettolohnentwicklung<br />
positiv beeinflussen. Denn selbst die<br />
schönste tarifliche Lohnerhöhung ist<br />
nicht viel wert, wenn dem Arbeitnehmer<br />
davon nichts bleibt.<br />
Gunter Smits ■<br />
DAZ 04/<strong>2011</strong>
Der CGB begrüßt die von der B<strong>und</strong>esregierung<br />
angekündigte Steuerentlastung.<br />
Sie vermindert die überproportionale<br />
Steuerbelastung der Geringverdiener,<br />
vor allem aber die der Arbeitnehmerinnen<br />
<strong>und</strong> Arbeitnehmer mit mittlerem<br />
Einkommen, den so genannten Mittelstandsbauch.<br />
Die Steuerentlastung kann zwar nur im<br />
Rahmen der haushaltspolitischen Möglichkeiten<br />
liegen, womit die Entlastung pro<br />
Kopf eher dürftig ist. Entscheidend ist<br />
jedoch die Signalwirkung auf die betroffenen<br />
Beschäftigten, die trotz der Tariferhöhungen<br />
der zurückliegenden Jahre keine<br />
Kaufkraftsteigerung erleben konnten,<br />
sondern einen realen Kaufkraftverlust.<br />
Es ist aus Sicht der B<strong>und</strong>esregierung<br />
sicher erfreulich, dass die Steuerein-<br />
DAZ 04/<strong>2011</strong><br />
Steuern<br />
Im Zuge von verschiedenen Politikern gemachte Steuersenkungsvorschlägen veröffentlichte der CGB dazu eine Stellungnahme,<br />
die aus Sicht der <strong>DHV</strong> die Handlungsnotwendigkeit treffend beschreibt <strong>und</strong> daher auch von der <strong>DHV</strong> unterstützt<br />
wird. <strong>DHV</strong>-Hauptvorstand<br />
Steuerentlastung der Gering- <strong>und</strong> Mittelverdiener<br />
ist ein Mehr an Gerechtigkeit!<br />
„Soli“ bleibt<br />
Der B<strong>und</strong>esfinanzhof hat eine Klage gegen<br />
den Solidarzuschlag auf die Einkommenssteuer<br />
in Höhe von 5,5 Prozent abgewiesen.<br />
Die Sondersteuer sei angemessen<br />
<strong>und</strong> habe auch im beklagten 2007 noch zur<br />
Deckung der Vereinigungskosten gedient.<br />
Die Kläger wollen jetzt das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht<br />
anrufen.<br />
Ihnen ist viel Erfolg zu wünschen. Denn<br />
der Solidarzuschlag ist ein Etikettenschwindel,<br />
mit dem endlich Schluss gemacht<br />
werden muss. Steuern werden nicht<br />
zweckgeb<strong>und</strong>en erhoben, sondern fließen<br />
in die Haushalte zur allgemeinen Finanzierung<br />
der öffentlichen Aufgaben. So ist<br />
Nicht nur Politiker fordern seit Jahren die<br />
Glättung des „Mittelstandsbauchs”. Der<br />
entsteht, weil der progressive Steuertarif<br />
zwischen 14 <strong>und</strong> 42 % nicht gleichmäßig<br />
wächst, sondern bis zu einem Einkommen<br />
von 13.469 Euro (im Jahr!) von<br />
14 auf 24 % sehr steil steigt. Ab 13.470<br />
Euro verlangt das Finanzamt dann r<strong>und</strong><br />
24 Prozent. Nach diesem „Knick“ verläuft<br />
die Kurve flacher, bis bei 52.882<br />
Euro 42 % als Höchstsatz gelten. Damit<br />
werden die kleinen Einkommen im<br />
Verhältnis viel zu stark besteuert, oder<br />
umgekehrt die „Reichen“ zu gering.<br />
Unangenehme Folge dieses Tarifs für<br />
die Steuerzahler ist, dass z. B. Tarif-<br />
nahmen im 1. Quartal <strong>2011</strong> stark gestiegen<br />
sind. Im Mai stiegen die Lohnsteuereinnahmen<br />
sprunghaft um 16 Prozent<br />
gegenüber dem Vorjahr, weit mehr als bei<br />
allen anderen Steuereinnahmen. Dabei<br />
stieg die gesamtwirtschaftliche Lohnsumme<br />
gegenüber dem Vorjahr aber<br />
„nur“ um 4,4 Prozent! Diese Differenz<br />
zwischen Steigerung des Lohnsteueraufkommens<br />
<strong>und</strong> der Lohnsumme ist die<br />
„kalte Progression“, die vor allem bei<br />
den mittleren Einkommen erbarmungslos<br />
zuschlägt <strong>und</strong> den volkswirtschaftlich<br />
möglichen <strong>und</strong> notwendigen Kaufkraftzuwachs<br />
vernichtet. Die Verringerung<br />
dieser Progression ist daher volkswirtschaftlich<br />
zwingend geboten.<br />
Diese Entwicklung des Steueraufkommens<br />
führt in der Praxis dazu, dass vor<br />
es auch beim Solidarzuschlag: Das<br />
Aufkommen wird nur teilweise für den<br />
Aufbau Ost verwendet, sondern vielmehr<br />
für das Stopfen von Löchern im B<strong>und</strong>eshaushalt.<br />
Seit 2006 liegen die Einnahmen<br />
aus dem Solidaritätszuschlag über den benötigten<br />
Ausgaben. Allein für das Jahr<br />
<strong>2011</strong> wird der B<strong>und</strong> geschätzte 11,4<br />
Mrd. j aus dem Solidaritätszuschlag einnehmen,<br />
gibt aber für den Solidarpakt II lediglich<br />
8,027 Mrd. j aus. Unter dem<br />
Deckmantel der besonderen Solidarität für<br />
den Osten Deutschlands sind die<br />
Arbeitnehmer willkommene Melkkühe zur<br />
Sanierung des B<strong>und</strong>eshaushalts.<br />
Weg mit dem Mittelstandsbauch <strong>und</strong> runter<br />
von der kalten Progression<br />
erhöhungen bei den kleinen <strong>und</strong> mittleren<br />
Einkommen zu progressiv steigenden<br />
Lohnsteuerbelastungen führen –<br />
die kalte Progression. Die schlägt auch<br />
zu, wenn durch Tariferhöhungen nur die<br />
Inflation ausgeglichen wird: trotz tariflichem<br />
Inflationsausgleich sinkt die<br />
Kaufkraft.<br />
Natürlich hat der Tarif angenehme<br />
Folgen für den Fiskus: Schätzungen<br />
der Forschungsinstitute zufolge spielt<br />
dieser Effekt dem Staat in diesem Jahr<br />
allein 3,9 Mrd. Euro bei der<br />
Lohnsteuer zusätzlich in die Kasse;<br />
2012 werden es r<strong>und</strong> 8,7 Mrd. Euro<br />
sein – wenn die Löhne je Be-<br />
allem die Arbeitnehmerinnen <strong>und</strong> Arbeitnehmer<br />
zur Kasse gebeten werden, um<br />
die Schulden zu tilgen, neue Ausgaben<br />
zu finanzieren <strong>und</strong> letztlich vor allem<br />
auch die Risiken der finanzwirtschaftlichen<br />
Transaktionen <strong>und</strong> Misswirtschaft<br />
zu tragen. Das ist nicht gerecht!<br />
Ein Stück mehr an Gerechtigkeit <strong>und</strong> die<br />
Stärkung der Kaufkraft sind ebenso<br />
wichtig wie die Rückführung der Schulden<br />
des Staatshaushalts. Wollte man<br />
zuerst alle Schulden tilgen, wäre die<br />
Verringerung der kalten Progression auf<br />
den St. Nimmerleinstag verschoben. Der<br />
CGB fordert deswegen von der B<strong>und</strong>esregierung,<br />
ihre politischen Absichtserklärungen<br />
umgehend in die Tat umzusetzen!<br />
■<br />
Der B<strong>und</strong>esfinanzhof hat in seiner Entscheidung<br />
einschränkend festgestellt, dass<br />
der Solidarzuschlag nicht zu einem dauerhaften<br />
Instrument der Steuerumverteilung werden<br />
darf. Die Richter erinnern daran, dass der<br />
Solidarpakt II zur Finanzierung der einigungsbedingten<br />
Lasten im Jahr 2019 ausläuft.<br />
Das ist ein deutlicher Hinweis darauf,<br />
dass dem Fahrplan zum Ausstieg aus dem<br />
Aufbau Ost auch ein Fahrplan zur<br />
Abschaffung des Solidarzuschlages folgen<br />
muss.<br />
rö ■<br />
schäftigten wie erhofft um 2,6 <strong>und</strong><br />
3,0 % steigen.<br />
Eine vollständige Begradigung der<br />
Tarifkurve würde nach früheren Berechnungen<br />
zu Steuermindereinnahmen<br />
für den Staat von 25 Milliarden<br />
Euro führen. Das wird haushaltsbedingt<br />
nicht möglich sein. Eine „Glättung“<br />
<strong>und</strong> Abflachung der Kurve würde den<br />
Bürgern zwar ein geringere Steuerersparnis<br />
bringen. Es wäre aber wenigstens<br />
ein Anfang beim Abbau des Mittelstandsbauchs<br />
gemacht. Ein Gebot<br />
der Steuergerechtigkeit.<br />
he ■<br />
5
6<br />
Verbandsarbeit<br />
Landesfachgruppen Sparkassen <strong>und</strong> Genossenschaftsbanken<br />
tagten gemeinsam<br />
Bereits zum dritten Mal fanden im<br />
Landesverband Baden-Württemberg die<br />
Landesfachgruppen Sparkassen <strong>und</strong><br />
Genossenschaftsbanken am 9.6.<strong>2011</strong><br />
zu einer gemeinsamen Tagung zusammen.<br />
Tagungsstätte <strong>und</strong> -ort war dieses<br />
Mal das Hotel „Gasthof zum Rößle“ in<br />
Fürstenberg bei Donaueschingen. Im<br />
Mittelpunkt der Tagung stand ein<br />
Vergleich der Arbeitsbedingungen bei<br />
diesen Kreditinstituten. Dabei wurden<br />
neben Arbeitszeiten, Vergütung <strong>und</strong><br />
deren Struktur alle sozialen Leistungen<br />
auf den Prüfstand gestellt. Sparkassen<br />
<strong>und</strong> Genossenschaftsbanken unterliegen<br />
verschiedenen tariflichen Regelungen.<br />
Während für die Sparkassen der<br />
TVöD der Kommunalen Arbeitgeberverbände<br />
in Verbindung mit dem SSZ<br />
(TV Sparkassensonderzahlung) gilt,<br />
sind für die Genossenschaftsbanken die<br />
Tarifwerke mit dem AVR (Arbeitgeberverband<br />
der Volks- <strong>und</strong> Raiffeisenbanken)<br />
maßgebend. Größere Unterschiede<br />
ergeben sich bei der Eingruppierung<br />
<strong>und</strong> den Berufsjahresstaffelungen. Bezogen<br />
auf ein durchschnittliches, längeres<br />
Berufsleben ergeben sich annähernde<br />
Werte, die es kaum zulassen, eine<br />
Wertung zu Lasten oder zu Gunsten der<br />
Sparkassen oder Genossenschaftsbanken<br />
auszusprechen.<br />
Der offene Erfahrungsaustausch wurde<br />
von allen Teilnehmern geschätzt. Auch<br />
wenn im Herbst <strong>2011</strong> wieder getrennt<br />
getagt wird, so will man sich von Zeit<br />
zu Zeit wieder gemeinsam austauschen.<br />
Zertifiziertes Managementsystem für die Kaufm. Berufsbildungsstätte<br />
der <strong>DHV</strong> e.V.<br />
Um die Qualität der Bildungsarbeit zu<br />
sichern hat die Kaufmännische Berufsbildungsstätte<br />
der <strong>DHV</strong> e.V., Bezirk<br />
Südbaden bereits 2007 ein Qualitätsmanagementsystem<br />
nach ISO 9001 eingeführt.<br />
Die Umsetzung des umfangreichen<br />
Systems hatte damals viel Zeit<br />
(<strong>und</strong> Kosten) in Anspruch genommen.<br />
Im Sommer 2007 erhielt die <strong>DHV</strong>-<br />
Bildungsstätte das Zertifikat über die<br />
erfolgreiche Einführung des Qualitätsmanagements<br />
sowie die Zulassung zum<br />
Träger für Förderung der beruflichen<br />
Weiterbildung nach dem Recht der<br />
Arbeitsförderung gemäß § 84 SGB III<br />
<strong>und</strong> §§ 7,8 AZWV (Anerkenungs- <strong>und</strong><br />
Zulassungsverordnung Weiterbildung).<br />
Damit wurde amtlich bestätigt, dass die<br />
Kaufmännische Berufsbildungsstätte<br />
mit ihren verschiedenen Einrichtungen<br />
(z. B. die Lernbüros in Bad Säckingen,<br />
Lahr <strong>und</strong> Lörrach) eine nach dem SGB<br />
III zugelassene Bildungseinrichtung ist<br />
<strong>und</strong> von den Förderstellen (Agentur für<br />
Die Absolventen des ersten Lehrgangs<br />
Fachwirt Sozial- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
Arbeit oder Jobcenter) ausgestellte Bildungsgutscheine<br />
von Lehrgangsteilnehmern<br />
einlösen kann.<br />
Im Mai <strong>2011</strong> stand jetzt wiederum das<br />
Überwachungsaudit an, das ohne jeg-<br />
Tagung der Landesfachgruppen<br />
in Fürstenberg<br />
liche Abweichungen erfolgreich überstanden<br />
wurde. Die QM-Beauftragte ist<br />
die Kollegin Angelika Hebeisen, die somit<br />
auch zur Geschäftsleitung zählt.<br />
■<br />
■<br />
DAZ 04/<strong>2011</strong>
<strong>DHV</strong> im Nürnberger Hafen<br />
Am einem Freitag besuchte die <strong>DHV</strong>-<br />
Ortsgruppe Nürnberg den Nürnberger<br />
Hafen mit seinem Güterverkehrszentrum.<br />
Der CSU-Stadtrat <strong>und</strong> <strong>DHV</strong>-Mitglied<br />
Andreas Krieglstein erklärte fachk<strong>und</strong>ig<br />
das größte Güterverkehrszentrum<br />
Süddeutschlands.<br />
Nur 4 % der Güter<br />
werden über den Wasserweg<br />
umgeschlagen,<br />
während 26 % über die<br />
Schiene <strong>und</strong> 70 % über<br />
die Straße abgewickelt<br />
werden. Die <strong>DHV</strong>-Mitglieder<br />
waren restlos<br />
erstaunt über tausende<br />
von Frachtcontainern<br />
<strong>und</strong> der logistischen<br />
Meisterleistung, die<br />
Container entsprechend<br />
zu ordnen, zu<br />
schichten <strong>und</strong> zu verladen.<br />
Das Güterverkehrszentrum<br />
bietet<br />
5000 Arbeitsplätze <strong>und</strong><br />
ist jetzt schon bis Ende<br />
2018 ausgelastet.<br />
<strong>DHV</strong>-Tarifabschlüsse<br />
Branchen-/Flächentarifverträge:<br />
Groß- <strong>und</strong> Außenhandel<br />
Baden-Württemberg<br />
Gehaltstarifvertrag, Tarifvertrag für<br />
Auszubildende<br />
Raiffeisen-Warengenossenschaften /<br />
AGRAVIS Raiffeisen AG Niedersachsen<br />
<strong>und</strong> Bremen sowie Sachsen-Anhalt,<br />
Thüringen, Berlin, Brandenburg <strong>und</strong><br />
Mecklenburg-Vorpommern<br />
Gehalts-/ Lohntarifverträge einschl.<br />
Ausbildungsvergütungen<br />
Süßwaren-Industrie<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
Entgelttarifvertrag einschl.<br />
Ausbildungsvergütungen<br />
Haus-/Firmen- u.Verbandstarifverträge<br />
(alphabetisch):<br />
Biodesign GmbH, Frankfurt<br />
Entgelttarifvertrag einschl.<br />
Ausbildungsvergütungen<br />
Petermann Verwaltungs GmbH,<br />
Bensheim<br />
Manteltarifvertrag, Entgelt- <strong>und</strong><br />
Entgeltrahmentarifvertrag<br />
Simeonsbetriebe Nord GmbH,<br />
Klinik Textilien Eppendorf GmbH<br />
DAZ 04/<strong>2011</strong><br />
Verbandsarbeit<br />
Der weitere Verlauf der Führung ging<br />
dann in den Bereich der Personenschifffahrt.<br />
Hotelschiffe, die den Main-<br />
Donau-Kanal befahren, legen hier in<br />
Nürnberg an, damit die Gäste die Stadt<br />
oder das fränkische Umland mit seinen<br />
Manteltarifvertrag, Entgeltrahmen- <strong>und</strong><br />
Entgelttarifvertrag<br />
SITEX – Textile Dienstleistungen<br />
Simeonsbetriebe Lübben GmbH, Lübben<br />
Vereinbarung zur Zahlung einer Einmalzahlung<br />
in 06/<strong>2011</strong> <strong>und</strong> Aufnahme von<br />
weitern Tarifverhandlungen über einen<br />
Haustarifvertrag<br />
Tarifgemeinschaft Christlicher<br />
Gewerkschaften für Zeitarbeit <strong>und</strong> PSA<br />
AMP – Arbeitgeberverband Mittelständischer<br />
Personaldienstleister e.V., Berlin<br />
Tarifvertrag über Mindestentgelt<br />
Der Umfang <strong>und</strong> der organisatorische<br />
Ablauf unserer Tarifarbeit führen dazu,<br />
Nachruf<br />
Am 17. Juni <strong>2011</strong> verstarb im Alter<br />
von 77 Jahren der ehemalige Rechner<br />
des Landesverbandes Hessen<br />
Paul Weith<br />
Am 1. Juni 1964 trat Kollege Weith<br />
dem <strong>DHV</strong> bei. Innerhalb des <strong>DHV</strong><br />
war er als Rechner über 40 Jahre für<br />
die Finanzen des Landesverbandes<br />
Hessen <strong>und</strong> der Ortsgruppe Frankfurt<br />
Sehenswürdigkeiten bestaunen können.<br />
Auch in das benachbarte Tschechien<br />
mit seiner Hauptstadt Prag starten von<br />
Nürnberg aus die Reisen der Urlauber.<br />
„Der Nürnberger Hafen ist wirklich beeindruckend“<br />
sagte Horst Mailer, der<br />
Bezirksvorsitzende der<br />
<strong>DHV</strong> in Mittelfranken,<br />
„als Nürnberger fährt<br />
man zwar immer vorbei,<br />
aber vom Ausmaß<br />
des Nürnberger Hafens<br />
bekommt man erst eine<br />
Vorstellung, wenn man<br />
ihn zu Fuß erk<strong>und</strong>et.“<br />
So endete der R<strong>und</strong>gang<br />
nach mehr als<br />
zwei St<strong>und</strong>en mit einer<br />
kleinen Erfrischung.<br />
■<br />
Hafenbesucher<br />
in Nürnberg<br />
dass die abgeschlossenen Tarifverträge nur<br />
mit einer zeitlichen Verzögerung <strong>und</strong> auch<br />
nicht immer vollständig veröffentlicht<br />
werden können. Dafür bitten wir um<br />
Verständnis.<br />
<strong>DHV</strong>- <strong>und</strong> Medsonet-Mitglieder können die<br />
Tarifverträge bei ihrer zuständigen Landesgeschäftsstelle,<br />
bzw. bei unserer Hauptgeschäftsstelle<br />
in Hamburg anfordern.<br />
Alle Mitglieder, die ihren Arbeitgeber<br />
gewechselt haben, bitten wir, uns dies<br />
unverzüglich mitzuteilen. Nur dann sind wir<br />
in der Lage, ihnen die richtigen Tarifverträge<br />
bzw. Tarifinformationen zuzustellen.<br />
Abt. Tarifpolitik ■<br />
zuständig. Von 1971 bis 1994 gehörte<br />
er dem <strong>DHV</strong> Aufsichtsrat an.<br />
Auf Vorschlag des CGB war er von<br />
1980 bis 1984 ehrenamtlicher Richter<br />
am Arbeitsgericht Frankfurt <strong>und</strong> von<br />
1984 bis 1998 ehrenamtlicher Richter<br />
am Landesarbeitsgericht Hessen.<br />
Mit Paul Weith haben wir einen wertvollen<br />
Menschen <strong>und</strong> engagierten<br />
Kollegen verloren. Wir werden sein<br />
Andenken stets in Ehren halten.<br />
<strong>DHV</strong> – Hauptvorstand <strong>und</strong><br />
Landesverband Hessen<br />
7
8<br />
Arbeitswelt<br />
Arbeitszufriedenheit hoch – Burn-out-Gefahr sinkt<br />
Was die Situation am Arbeitsplatz angeht,<br />
gibt es gute Nachrichten:<br />
ine Studie der JOB AG über den Ar-<br />
Ebeitsklima-Index kommt zum<br />
Ergebnis, dass die Zufriedenheit der<br />
Deutschen mit ihrem Arbeitsplatz bemerkenswert<br />
hoch ist; einen Einbruch<br />
infolge der Weltwirtschaftskrise hat es<br />
nicht gegeben.<br />
An der Umfrage nahmen über 1.100<br />
ausgewählte berufstätige Frauen <strong>und</strong><br />
Männer aus allen Regionen, Altersgruppen<br />
<strong>und</strong> Bildungsschichten in<br />
Deutschland teil. Auf einer Skala von<br />
1 (= sehr schlecht) bis 10 (= sehr gut)<br />
bewerteten die Berufstätigen ihre<br />
Stimmungslage. Der Wert der Zufriedenheit<br />
lag vom ersten Quartal 2008 bis<br />
einschließlich des vierten Quartals<br />
2010 im Schnitt bei 7,5. Der niedrigste,<br />
in diesem Zeitraum gemessene Quartalseinzelwert<br />
war 7,4, der höchste Einzelwert<br />
7,7.<br />
ei den für die Befragten wichtigsten<br />
BFaktoren für ihre Arbeitszufriedenheit<br />
steht an erster Stelle das<br />
Arbeitsklima (West: 54 %; Ost: 57 %).<br />
An zweiter Stelle folgen die beruflichen<br />
Aufgaben (West: 42 %; Ost: 47 %).<br />
Dicht dahinter steht das Gehalt (West:<br />
40 %; Ost: 46 %). In weitem Abstand<br />
nennen die Beteiligten die Sicherheit<br />
ihres Arbeitsplatzes (West: 29 %; Ost:<br />
32 %).<br />
as positive Ergebnis der Umfrage<br />
Duntermauert eine Umfrage der Step-<br />
Stone Deutschland GmbH zur Gefahr<br />
des Burn-outs am Arbeitsplatz. An dieser<br />
nahmen r<strong>und</strong> 3.000 Fach- <strong>und</strong><br />
Führungskräfte teil. Der Ergebnisvergleich<br />
mit der letzten Umfrage in 2007<br />
zeigt: Zwar ist die Arbeit für viele<br />
Deutsche immer noch ein Stressfaktor,<br />
die Lage hat sich allerdings entspannt.<br />
Mehr als die Hälfte der deutschen Fach<strong>und</strong><br />
Führungskräfte (54 %) kommt sehr<br />
gut mit dem eigenen Arbeitspensum zurecht<br />
– ein Zehntel mehr als noch 2007.<br />
Ebenfalls erfreulich ist, dass der Anteil<br />
der Befragten, die sich akut vom Burnout<br />
bedroht sieht, von 24 % auf 16 %<br />
gesunken ist. Auch die Zahl derjenigen,<br />
die zunehmend unter ihrem Arbeitspensum<br />
leiden, hat sich geringfügig<br />
verringert – von 32 % (2007) auf 30 %<br />
(<strong>2011</strong>).<br />
Die positiven Ergebnisse dieser beiden<br />
Umfragen sind ein gutes Zeichen für<br />
den Arbeitsstandort Deutschland. Die<br />
Zahl der Arbeitsunfälle stark gestiegen<br />
Die Deutsche gesetzliche Unfallversicherung<br />
veröffentlichte die Statistik der Arbeitsunfälle<br />
für das Jahr 2010. Mehr<br />
Unternehmen, mehr Beschäftigte, mehr<br />
Arbeitsst<strong>und</strong>en, aber auch mehr Arbeitsunfälle:<br />
Die Eckdaten der gesetzlichen<br />
Unfallversicherung für 2010 spiegeln<br />
die sich erholende deutsche Wirtschaftsleistung<br />
wider. Parallel zu dieser Entwicklung<br />
ist das Risiko, einen Arbeitsunfall<br />
zu erleiden, leicht gestiegen. Das<br />
Risiko von 24,3 Unfällen je 1.000<br />
Vollzeitbeschäftigten hat sich auf 25,8<br />
Unfälle erhöht. Trotz dieser Erhöhung<br />
liegen die Unfallzahlen aber immer<br />
noch unter dem Niveau des Jahres 2008.<br />
Die gesetzliche Unfallversicherung bot<br />
2010 75,5 Millionen Menschen Versicherungsschutz<br />
– darunter Schüler,<br />
ehrenamtlich Tätige <strong>und</strong> Arbeitnehmer.<br />
Das sind 0,7 Prozent mehr als im<br />
Vorjahr. Im gleichen Zuge hat sich die<br />
Zahl der geleisteten Arbeitsst<strong>und</strong>en um<br />
3,2 Prozent auf 59,106 Milliarden<br />
St<strong>und</strong>en erhöht. Die Zahl der meldepflichtigen<br />
Arbeitsunfälle ist 2010 um<br />
7,7 Prozent auf 954.459 gestiegen. 519<br />
Arbeitsunfälle endeten tödlich, das<br />
sind 63 mehr als im Vorjahr.<br />
Mitverantwortlich für den starken<br />
Anstieg der Unfallzahlen war das Wetter.<br />
Alleine die Zahl der Wegeunfälle<br />
von <strong>und</strong> zur Arbeit stieg um ein Viertel<br />
auf 223.973. Ursache war der schnee<strong>und</strong><br />
eisglatte Winter zu Beginn <strong>und</strong><br />
Ende des vergangenen Jahres. Auch<br />
Branchen wie die Logistik <strong>und</strong> Verkehrswirtschaft,<br />
aber auch Postboten<br />
oder Zeitungsträger waren stark betroffen.<br />
Die gesetzliche Unfallversicherung hat<br />
2010 3,676 Milliarden Euro für die<br />
Heilbehandlung <strong>und</strong> Rehabilitation<br />
ihrer Versicherten ausgegeben. Das<br />
sind 6,5 Prozent mehr als im Vorjahr.<br />
Deutschen sind mehrheitlich zufrieden<br />
mit ihrer Arbeit <strong>und</strong> scheinen Vertrauen<br />
in die Verlässlichkeit ihres Arbeitgebers<br />
zu sehen. Der Job macht weniger krank<br />
als noch vor ein paar Jahren – <strong>und</strong> das<br />
trotz der größten Rezession der Nachkriegszeit.<br />
Das Festhalten vieler Unternehmen<br />
an ihrem Mitarbeiterstamm<br />
auch in der Krise <strong>und</strong> die großzügige<br />
Kurzarbeiterregelung haben wohl entscheidend<br />
zu dieser hohen Arbeitszufriedenheit<br />
beigetragen <strong>und</strong> das Vertrauen<br />
der Arbeitnehmer in die Sicherheit<br />
ihres Arbeitsplatzes gestärkt.<br />
ass das Gehalt erst an dritter Stelle als<br />
DFaktor für Arbeitszufriedenheit genannt<br />
wird, ist kein Zeichen dafür, dass<br />
den Arbeitnehmern die Höhe ihres<br />
Gehaltes weniger wichtig erscheint.<br />
Ebenso gut hätte die Gehaltsfrage angesichts<br />
des knappen Abstands zu den<br />
Aufgaben des Arbeitsplatzes auch an<br />
zweiter Stelle stehen können. Den Arbeitnehmern<br />
ist es wichtig, für ihre<br />
Arbeit auch gut bezahlt zu werden. Dafür<br />
kämpft die <strong>DHV</strong> in den Tarifr<strong>und</strong>en <strong>2011</strong>.<br />
rö ■<br />
Quelle: Pressemitteilungen der<br />
StepStone Deutschland GmbH <strong>und</strong> der<br />
JOB AG vom 13.07.<strong>2011</strong><br />
Die Aufwendungen für finanzielle<br />
Entschädigungen stiegen um ein Prozent<br />
auf 5,628 Milliarden Euro. Für<br />
Prävention wendete die gesetzliche<br />
Unfallversicherung r<strong>und</strong> 911 Mio.<br />
Euro auf.<br />
9,8 Milliarden Euro sind an Beiträgen<br />
aus der gewerblichen Wirtschaft eingenommen<br />
worden. Das sind 352 Mio.<br />
Euro (3,7 Prozent) mehr als im Vorjahr.<br />
Der durchschnittliche Beitragssatz<br />
stieg leicht von 1,31 auf 1,32 Prozent.<br />
Auch der Umlagebeitrag der Unfallversicherungsträger<br />
der öffentlichen<br />
Hand ist leicht um 1,3 Prozent gestiegen<br />
<strong>und</strong> liegt bei 1,238 Milliarden<br />
Euro.<br />
■<br />
Quelle:<br />
Pressemeldung der DGUV vom 26.<br />
Juli <strong>2011</strong><br />
DAZ 04/<strong>2011</strong>
Tod der Hauptschule?<br />
Jetzt ist auch die CDU umgefallen: auf<br />
ihrem Parteitag im November <strong>2011</strong> hat<br />
ihr B<strong>und</strong>esvorstand einen Antrag eingebracht,<br />
der die Abschaffung der Hauptschule<br />
zum Ziel hat. Sie soll mit den<br />
Realschulen zusammengelegt werden<br />
<strong>und</strong> künftig Oberschule heißen. Diese<br />
neuen Oberschulen sollen so anspruchsvoll<br />
werden, dass nur noch die<br />
„Besten“ auf das Gymnasium gehen.<br />
Ist das der Todesstoß der ins Gerede gekommenen<br />
Hauptschule? Vielleicht<br />
geht der Name verloren. Aber wenn<br />
auch „Haupt“ durch „Ober“ ersetzt<br />
wird: Die offenk<strong>und</strong>igen Probleme vieler<br />
Hauptschüler bleiben. Ob sie keinen<br />
Hauptschulabschluss schaffen oder keinen<br />
Oberschulabschluss, ist für ihre<br />
persönliche Zukunft nebensächlich.<br />
Wer diesen Jugendlichen ernsthaft helfen<br />
will, braucht kein neues Etikett,<br />
sondern eine interne Schulreform, in<br />
der es um Inhalte <strong>und</strong> Schwerpunktsetzungen<br />
geht, <strong>und</strong> man braucht Lehrkräfte,<br />
die pädagogisch darauf trainiert<br />
sind, Wissen an Kinder zu vermitteln,<br />
deren Begabungen <strong>und</strong> Fähigkeiten nicht<br />
intellektueller Art <strong>und</strong> die zu einem wesentlichen<br />
Teil gar nicht bildungsinteressiert<br />
sind. Das Aushängeschild „Oberschule“<br />
reicht nicht zur Verbesserung unseres<br />
Bildungssystems.<br />
Die Kulturhoheit liegt bei den B<strong>und</strong>esländern.<br />
Die CDU hätte in vielen<br />
Ländern unendlich Zeit gehabt, überall<br />
die „gute alte“ Hauptschule auf die<br />
Erfordernisse der Zukunft weiterzuent-<br />
DAZ 04/<strong>2011</strong><br />
Bildung<br />
wickeln. Manche haben das auch getan.<br />
Es darf daher nicht w<strong>und</strong>ern, wenn sich<br />
einige CDU-Landesverbände gegen die<br />
Abschaffung der Hauptschule wehren.<br />
Die neue „Oberschule“ soll so anspruchsvoll<br />
werden, dass mancher potentielle<br />
Gymnasiast statt auf ein<br />
Gymnasium auf eine Oberschule gehen<br />
soll. Auf welchem schulischen Niveau<br />
soll der Unterricht stattfinden? Die<br />
CDU scheint die Fehler früherer Reformen<br />
zu wiederholen <strong>und</strong> aus jedem<br />
„Oberschüler“ einen kleinen Gymnasiasten<br />
machen zu wollen. Das ist schon<br />
jetzt zum Scheitern verurteilt. Denn<br />
entweder wird die neue Oberschule den<br />
derzeitigen Realschülern (nur den guten,<br />
fast gymnasiumsreifen?) eine neue Heimat<br />
sein, oder aber den Hauptschülern,<br />
die bisher nicht einmal den derzeitigen<br />
Hauptabschluss schaffen.<br />
Vielleicht will die CDU aber auch nur<br />
ein b<strong>und</strong>esweites Thema aus parteipolitischen<br />
Gründen an ihre Fahnen heften?<br />
Davor kann man nur warnen. Bildungspolitik<br />
hat die Zukunft künftiger Generationen<br />
zum Ziel. Die Verantwortung<br />
dafür müsste eigentlich verhindern,<br />
dass Bildungspolitik zum Spielball <strong>und</strong><br />
Kinder zu Versuchsobjekten gemacht<br />
werden. Die CDU sollte ihren Parteitagsantrag<br />
zurückziehen.<br />
Denn ihre Rechnung muss nicht<br />
zwangsläufig aufgehen. Das Scheitern<br />
der Hamburger Bildungsreform unter<br />
dem damaligen schwarz-grünen Regierungsbündnis<br />
am Wählerwillen ist noch<br />
PISA-Studie: Deutsche Schüler sind nur Mittelmaß<br />
Bei der Berufsausbildung gehört<br />
Deutschland zur Weltspitze. Es gibt<br />
hierzulande mehr als 340 verschiedene<br />
Ausbildungsberufe. Nach zwei bis maximal<br />
dreieinhalb Jahren ist der<br />
Nachwuchs fit für eine gewerbliche<br />
oder kaufmännische Tätigkeit. Der<br />
Gr<strong>und</strong>stein aber wird in den allgemeinbildenden<br />
Schulen gelegt, <strong>und</strong> da gibt<br />
es erhebliche Defizite.<br />
Vergleichsweise gut stehen die Gr<strong>und</strong>schulen<br />
da. Bei den IGLU-Studien rangieren<br />
sie unter 42 Ländern auf Platz<br />
elf, also knapp hinter den Top Ten.<br />
Geprüft wird, wie gut Viertklässler lesen<br />
können <strong>und</strong> wie gut sie Texte verstehen.<br />
Thüringens Schüler schneiden am besten<br />
ab. Sie gehören mit den Kindern<br />
aus Hongkong zur internationalen<br />
Spitzengruppe. Dahinter folgen die<br />
Schüler aus Bayern <strong>und</strong> Sachsen. Das<br />
deutsche Schlusslicht bilden die Stadtstaaten<br />
Berlin, Hamburg <strong>und</strong> Bremen.<br />
Der Leistungsabfall kommt später: Die<br />
PISA-Studie vergleicht die Kompetenzen<br />
von 15-Jährigen in den drei<br />
Bereichen Lesekompetenz, Mathematik<br />
<strong>und</strong> Naturwissenschaften. Unter<br />
den 57 teilnehmenden Ländern belegen<br />
die deutschen Schüler beim Lesen Platz<br />
18. Deutliche Schwächen haben sie in<br />
Mathematik, wo sie nur auf Rang 20<br />
landen.<br />
Bei den Naturwissenschaften kommen<br />
die deutschen Schüler immerhin auf<br />
den 13. Platz. Sie können wissenschaftliche<br />
Phänomene wie den Treibhauseffekt<br />
gut erklären <strong>und</strong> kennen sich<br />
mit dem menschlichen Körper <strong>und</strong> dem<br />
Ökosystem aus. Innerhalb Deutschlands<br />
haben die jungen Sachsen in allen<br />
Disziplinen die Nase vorn.<br />
PISA wird von der Organisation für<br />
wirtschaftliche Zusammenarbeit <strong>und</strong><br />
Entwicklung (OECD) durchgeführt.<br />
Die Studien sollen herausfinden, wie<br />
in guter Erinnerung. Diese Niederlage<br />
hat den Absturz der CDU beschleunigt<br />
<strong>und</strong> nicht unerheblich zum Scheitern<br />
der Koalition beigetragen. Am<br />
Schlimmsten aber war, dass die bürgerlichen<br />
Mitglieder der CDU den<br />
anschließenden Wahlkampf nicht oder<br />
nur halbherzig mitgetragen haben, das<br />
Ergebnis ist bekannt. Mit dem angestrebten<br />
Parteitagsbeschluss kann die<br />
CDU nichts gewinnen, aber einen<br />
wesentlichen Teil ihrer Anhängerschaft<br />
<strong>und</strong> deren Unterstützung verlieren.<br />
he ■<br />
Gescheitert<br />
Die B<strong>und</strong>esbildungsministerin Annette<br />
Schwan erklärte am 8.5.2006:<br />
„Die Abschaffung von Schulformen<br />
ist keine Lösung. Gerade die<br />
Hauptschule muss von der Bildungspolitik<br />
besser beachtet werden“.<br />
Das war’s! Jetzt will sie die Hauptschule<br />
abschaffen. Offensichtlich<br />
ist sie mit ihrer Politik gescheitert,<br />
mögliche Schwächen der Hauptschule<br />
zu beseitigen <strong>und</strong> diesen<br />
Schultyp aufzuwerten: eine gescheiterte<br />
Bildungsministerin.<br />
■<br />
gut die Schüler auf die Herausforderungen<br />
der Zukunft vorbereitet<br />
sind. Deutschland hat großen Nachholbedarf.<br />
Bildungspolitiker empfehlen<br />
daher gr<strong>und</strong>legende Reformen:<br />
➤ Standards setzen durch Zentralprüfungen<br />
➤ Mehr Freiheit für Schulen<br />
➤ Lernen schon im Kindergarten<br />
➤ Hilfe für Migrantenkinder beim Lernen<br />
der deutschen Sprache<br />
➤ Ganztagsschulen<br />
➤ Praxisnahe Lehrausbildung<br />
Die Kulturhoheit der B<strong>und</strong>esländer<br />
führt dazu, dass diese auf die Ergebnisse<br />
unterschiedlich reagieren.<br />
Wohl dem Kind das in Sachsen aufwächst.<br />
Das ist eigentlich ein unhaltbarer<br />
Zustand.<br />
he ■<br />
9
CGB zufrieden<br />
Im Juni hat die Deutsche Rentenversicherung<br />
B<strong>und</strong> (DRV) das Wahlergebnis<br />
der diesjährigen <strong>Sozialwahlen</strong><br />
bekannt gegeben. Mit den alle<br />
sechs Jahre stattfindenden <strong>Sozialwahlen</strong><br />
haben die Versicherten die<br />
Möglichkeit, die Selbstverwaltung<br />
der gesetzlichen Sozialversicherungsträger<br />
zu wählen.<br />
Neben zwölf anderen Listen von<br />
Gewerkschaften <strong>und</strong> Versichertenverbänden<br />
hat auch der CGB im Jahr<br />
<strong>2011</strong> wieder bei der DRV B<strong>und</strong> kandidiert.<br />
Der CGB erreichte in einer<br />
Listenverbindung mit dem Deutschen<br />
Beamtenb<strong>und</strong> <strong>und</strong> der Gewerkschaft<br />
der Sozialversicherung<br />
5,29 Prozent <strong>und</strong> überwand damit die<br />
Fünf-Prozent-Hürde. „Das ist ein gutes<br />
Ergebnis“, so Christian Hertzog,<br />
Generalsekretär des CGB. „Das gute<br />
Ergebnis ermöglicht es dem CGB,<br />
sich in der kommenden Amtsperiode<br />
bei der Benennung der 2.600 ehrenamtlichen<br />
Versichertenberater <strong>und</strong><br />
der Besetzung der Widerspruchsausschüsse<br />
mit eigenen Vorschlägen<br />
zu beteiligen“.<br />
„Der CGB kann aufgr<strong>und</strong> des Verteilungsmodus<br />
<strong>und</strong> der Abgeordnetenzahl<br />
trotz des erfolgreichen<br />
Ergebnisses keinen Abgeordneten in<br />
die Vertreterversammlung der DRV<br />
B<strong>und</strong> entsenden. Es sollte daher über<br />
die Größe der Vertreterversammlung<br />
diskutiert werden, so dass das Überschreiten<br />
der Fünf-Prozent-Hürde<br />
auch tatsächlich die Entsendung eines<br />
Abgeordneten ermöglicht“, erklärt<br />
Gunter Smits, Listenführer der<br />
CGB-Liste in Berlin.<br />
Die Vertreterversammlung bei der<br />
DRV B<strong>und</strong> zählt derzeit lediglich 15<br />
Abgeordnete. Somit sind rechnerisch<br />
6,5 Prozent nötig, um einen Abgeordneten<br />
zu entsenden. Diese Diskrepanz<br />
im Wahlmodus in Bezug auf die<br />
Fünf-Prozent-Hürde sollte durch<br />
Vergrößerung der Vertreterversammlung<br />
ausgeräumt werden.<br />
■<br />
Sozialwahl <strong>2011</strong><br />
Zukunft wählen.<br />
10<br />
Sozialwahl<br />
<strong>Sozialwahlen</strong> <strong>2011</strong>: Tendenzwende<br />
Nach Auffassung des B<strong>und</strong>eswahlbeauftragten<br />
Gerald Weiss sind die<br />
<strong>Sozialwahlen</strong> <strong>2011</strong> erfolgreich verlaufen.<br />
So gibt es einen neuen Rekord bei<br />
der Anzahl der Wahlberechtigten. In der<br />
gesamten Nachkriegszeit war die<br />
Anzahl der Wahlberechtigten nie höher<br />
als <strong>2011</strong>. Der bisherige Rekord aus dem<br />
Jahr 1999 verzeichnete 46,9 Millionen<br />
Wahlberechtigte. <strong>2011</strong> sind es 51,5<br />
Millionen.<br />
➤ <strong>2011</strong> wurden mehr Stimmen als<br />
2005 abgeben. Im Vergleich zu der<br />
vorangegangenen Sozialwahl wurden<br />
bislang über eine halbe Million<br />
Stimmen mehr abgegeben, exakt<br />
sind dies 547.054 Stimmen. Diese<br />
Zahl wird noch ansteigen, weil<br />
Stimmen aus den Reihen der Versicherten<br />
der Berufsgenossenschaft<br />
Holz <strong>und</strong> Metall hinzukommen, deren<br />
Sozialwahl noch bis zum<br />
5.10.<strong>2011</strong> läuft.<br />
➤ Es gibt wieder mehr Versicherungsträger<br />
mit echten Wahlhandlungen.<br />
Die Tendenz der vergangenen<br />
Wahlen lautete: Immer weniger Versicherungsträger<br />
führen eine Urwahl<br />
durch. 2005 wurde mit acht urwählenden<br />
Versicherungsträgern der<br />
vorläufige Tiefpunkt erreicht. Die<br />
Tendenzwende hat stattgef<strong>und</strong>en.<br />
Diesmal wurde bzw. wird bei 10<br />
Versicherungsträgern gewählt. Die<br />
Dimension dieser Tendenzwende<br />
vergrößert sich, wenn man berücksichtigt,<br />
dass sich die Anzahl der<br />
Versicherungsträger mit der Möglichkeit<br />
zur Durchführung von <strong>Sozialwahlen</strong><br />
von 340 auf 206 verringert<br />
hat.<br />
➤ In den neun bisher stattgef<strong>und</strong>enen<br />
Wahlgängen wurden 14,16 Millionen<br />
Stimmen abgegeben. Wobei jede<br />
Wählerin <strong>und</strong> jeder Wähler pro Wahl<br />
nur eine Stimme vergeben konnte.<br />
Das ist nach Auffassung von Weiss<br />
wirklich eine gewaltige Volksinitiative!<br />
„Ich freue mich sehr, dass eine<br />
lebendige Selbstverwaltung so<br />
vielen Menschen am Herzen liegt.“<br />
Aus vielen Gesprächen <strong>und</strong> aus den<br />
Erfahrungen der Telefonhotlines weiß<br />
er, dass die Menschen den Gedanken<br />
der Selbstverwaltung schätzen.<br />
➤ Die Spannbreite der Wahlbeteiligungen<br />
reicht von 25,5 % bis 63 %.<br />
Der Durchschnitt liegt bei der 30-<br />
Prozent-Marke. Deshalb kann man<br />
sagen, dass etwa jeder dritte<br />
Wahlberechtigte an den Abstimmungen<br />
teilgenommen hat.<br />
Der B<strong>und</strong>eswahlbeauftragte Weiss:<br />
„Mich hat besonders gefreut, dass es<br />
den Ersatzkassen gelungen ist, ihre<br />
Kultur des Wählens auf die vielen neuen<br />
Kassenmitglieder zu übertragen. So<br />
hat die Techniker Krankenkasse eine<br />
um etwa 1,6 Millionen erhöhte Anzahl<br />
von Wahlberechtigten. Das ist eine<br />
Steigerung um über 40 % im Vergleich<br />
zu 2005. Die BARMER GEK erhöhte<br />
den Anteil ihrer Wahlberechtigten<br />
durch Fusion mit der GEK um fast 1,2<br />
Millionen neue Mitglieder. Es ist eine<br />
großartige Leistung, diese traditionelle<br />
Urwählerkultur auf die neuen Mitglieder<br />
zu übertragen. Hierfür meine<br />
herzlichsten Glückwünsche!“<br />
Die innere Demokratie in der Sozialversicherung<br />
lebt! Diese Wahl bedeutet<br />
eine Revitalisierung der Selbstverwaltung!<br />
■<br />
Quelle: Pressekonferenz des B<strong>und</strong>eswahlbeauftragten<br />
Gerald Weiss am<br />
20.6.<strong>2011</strong><br />
Redaktionsschluss<br />
für die Ausgabe<br />
5/<strong>2011</strong>:<br />
31. August <strong>2011</strong><br />
DAZ 04/<strong>2011</strong>
Der Generationenvertrag<br />
Unsere gesetzliche Rentenversicherung<br />
(GRV) wird häufig als Generationenvertrag<br />
bezeichnet. Diese Form der<br />
Altersvorsorge gehört gewissermaßen<br />
zum anthropologischen Erbe. In allen<br />
Kulturen <strong>und</strong> Religionen zählt das<br />
Aufziehen der Kinder genauso zur natürlichen<br />
Verpflichtung der aktiven Generation<br />
wie die Betreuung der Eltern.<br />
Dieser traditionelle Generationenvertrag<br />
zeichnet sich durch einige wichtige<br />
Charakteristika aus:<br />
➤ In ihm steckt ein kräftiger Schuss<br />
Sparen für das eigene Alter, also das,<br />
was die Ökonomen als Kapitaldeckungsverfahren<br />
bezeichnen. Die<br />
Eltern z. B. haben den Hof unterhalten<br />
oder sogar ausgebaut <strong>und</strong> übergeben<br />
ihn am Ende des aktiven<br />
Lebens dem Sohn.<br />
➤ In der „guten alten Zeit“ dauerte die<br />
aktive Phase des Lebens unvergleichlich<br />
länger als das „Rentnerdasein“,<br />
<strong>und</strong> die Mithilfe im Hof ist<br />
fast bis zum Lebensende selbstverständlich.<br />
Auch die Kinder tragen<br />
parallel zur Schule zur Wertschöpfung<br />
der Familie bei.<br />
➤ Die Unterstützung der Eltern ist<br />
zwar in einem Moralkodex verankert,<br />
aber nicht gesetzlich erzwun-<br />
Renten steigen um ein Prozent – Schutzklausel für das<br />
Altersruhegeld zeigt nun ihre Schattenseite<br />
Obwohl die Löhne der Erwerbstätigen<br />
im vergangenen Jahr mit 3,10 Prozent in<br />
den alten <strong>und</strong> 2,55 Prozent in den neuen<br />
Ländern deutlich gestiegen sind, erhalten<br />
die 20 Millionen Rentner zum 1. Juli nur<br />
eine Rentenerhöhung von 0,99 Prozent.<br />
Hauptgr<strong>und</strong> des geringen Zuwachses ist<br />
die Rentengarantie. Diese Schutzklausel<br />
wurde eingeführt, um Rentenkürzungen<br />
zu verhindern. Eine solche wäre nach der<br />
Rentenformel unvermeidbar, wenn die<br />
Arbeitseinkommen, z. B. durch die Wirtschaftskrise<br />
sinken.<br />
Schattenseite der Klausel „Rentengarantie“<br />
ist, dass unterbliebene Rentenkürzun-<br />
DAZ 04/<strong>2011</strong><br />
Rente<br />
gen, weder im Gr<strong>und</strong>satz noch im<br />
Umfang.<br />
➤ Am wichtigsten aber ist wohl, dass<br />
es sich um einen „Generationenvertrag“<br />
innerhalb einer Kleingruppe<br />
handelt, dass sich die „Vertragspartner“<br />
also kennen.<br />
Das ist die<br />
sicherste Absicherunggegenüber<br />
der<br />
Ausbeutung der<br />
Kinder durch<br />
ihre Eltern oder<br />
umgekehrt der<br />
Eltern durch ihre<br />
Kinder. In<br />
einer solchen<br />
Kleingruppe sind Leistung <strong>und</strong><br />
Gegenleistung eher erkennbar <strong>und</strong><br />
werden als Selbstverständlichkeit<br />
wahrgenommen – gelebte Solidarität.<br />
Der viel zitierte Generationenvertrag<br />
unserer GVR ist vom „natürlichen“<br />
Gr<strong>und</strong>modell meilenweit entfernt; die<br />
soziale Altersvorsorge wird nicht als<br />
Solidarität, sondern als gesetzliche<br />
Zwangsabgabe empf<strong>und</strong>en. Die Kombination<br />
von demokratischen Entscheidungsmechanismen,<br />
die es Mehrheiten<br />
erlauben, Leistungen <strong>und</strong> Beiträge nach<br />
gen in späteren Jahren nachgeholt werden<br />
müssen. Dies führt nun dazu, dass die<br />
Rentenerhöhungen solange jedes Jahr<br />
halbiert werden, bis die Rentner die unterbliebenen<br />
Rentenkürzungen von 3,81<br />
Prozent in den alten <strong>und</strong> 1,83 Prozent in<br />
den neuen Ländern abgetragen haben.<br />
Auch ohne diese Halbierung wären die<br />
Renten mit 1,99 Prozent <strong>und</strong> 1,41 Prozent<br />
(neue Länder) deutlich weniger gestiegen<br />
als die Löhne. Gr<strong>und</strong> dafür sind<br />
Dämpfungsfaktoren in der Rentenformel.<br />
So müssen sich die Rentner über den<br />
„Riester Faktor“ an den steigenden Kosten<br />
der Erwerbstätigen für ergänzende<br />
Rentenanspruch für Berufsanfänger:<br />
Große Sicherheit – kleiner Beitrag<br />
Ein wichtiger Hinweis für alle jungen Leute,<br />
die jetzt ins Berufsleben starten: Bereits<br />
vom ersten Ausbildungstag an sind Berufsanfänger<br />
in der gesetzlichen Rentenversicherung<br />
umfangreich abgesichert.<br />
Was viele nicht wissen: Berufsanfänger<br />
sind besonders geschützt, wenn sie einen<br />
Arbeitsunfall, einen Wegeunfall<br />
oder eine Berufskrankheit erleiden. In<br />
diesem Fall haben junge Versicherte<br />
tages- oder parteipolitischen Gegebenheiten<br />
zu verändern <strong>und</strong> Lasten von einer<br />
zu anderen Versichertengruppe zu<br />
verschieben, schaffen Unsicherheit. Immer<br />
neue Lasten werden vom Staat <strong>und</strong><br />
seinen Haushalten auf die als Solidargemeinschaft<br />
bezeichneten Beitragszahler<br />
verlagert. Politiker betrachten<br />
Simone Hainz/pixelio.de<br />
die für die Altersvorsorgebestimmten<br />
Beitragsgelder<br />
als Verfügungsmasse<br />
des Staates.<br />
Dieses politische<br />
Verständnis führt<br />
fast zwangsläufig<br />
in eine Rentenpolitik<br />
ohne Generationengerechtigkeit<br />
<strong>und</strong> immer<br />
weiter sinkende Akzeptanz bei den<br />
Betroffenen.<br />
Wollte man Generationengerechtigkeit<br />
<strong>und</strong> Akzeptanz bei allen Betroffenen,<br />
Jugend <strong>und</strong> Alter, Beitragszahler <strong>und</strong><br />
Rentnern wieder herstellen, müsste<br />
man dagegen die vier ideellen Gr<strong>und</strong>lagen<br />
des traditionellen Generationenvertrages<br />
wieder in den Vordergr<strong>und</strong><br />
der Rentenpolitik rücken <strong>und</strong> das derzeit<br />
ausgeübte „Primat der Politik“ zurückführen.<br />
Jörg Hebsacker ■<br />
Vorsorge (Riesterrente) beteiligen. Der<br />
Nachhaltigkeitsfaktor dämpft die<br />
Rentenerhöhung zudem immer dann,<br />
wenn die Zahl der Rentner stärker wächst<br />
als die der Beitragszahler. Beide Faktoren<br />
mindern den Rentenanstieg dieses Jahr um<br />
1,1 Prozentpunkte.<br />
Für die ostdeutschen Rentner dürfte es<br />
dieses Jahr nach den Anpassungsregeln<br />
eigentlich nur ein Plus von 0,71 Prozent<br />
geben. Doch hier greift eine weitere<br />
Schutzklausel. Danach dürfen die<br />
Renten im Osten nicht weniger stark erhöht<br />
werden als die Westrenten.<br />
■<br />
von Anfang an – <strong>und</strong> zwar ohne zusätzliche<br />
Kosten oder Ges<strong>und</strong>heitsprüfungen<br />
– Anspruch auf das komplette<br />
Leistungspaket der gesetzlichen Ren-<br />
Fortsetzung auf Seite 12<br />
11
Fortsetzung von Seite 11<br />
tenversicherung: Rehabilitation, Rente<br />
wegen Erwerbsminderung <strong>und</strong> im Todesfall<br />
auch Hinterbliebenenrente für<br />
die Angehörigen, sofern bereits eine eigene<br />
Familie gegründet wurde.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich entsteht ein Anspruch auf<br />
die Rente zwar erst, wenn eine bestimmte<br />
Anzahl von Beiträgen entrichtet wurde –<br />
für Berufsanfänger kann jedoch ein einziger<br />
Beitrag für einen Anspruch auf Rente<br />
wegen Erwerbsminderung genügen.<br />
Rentendiskussion ohne Ende<br />
Ab 2012 beginnt das schrittweise Heraufsetzen<br />
des Renteneintritts von 65<br />
auf 67 Jahre. Der bis 2029 angesetzte<br />
Übergangsprozess hat noch nicht einmal<br />
begonnen, da werden eifrige Diskussionen<br />
um eine weitere Heraufsetzung<br />
des Renteneintrittsalters geführt<br />
<strong>und</strong> als Begründung für eine solche<br />
Maßnahme gerne Horrorszenarien an<br />
die Wand gemalt.<br />
Die EU-Kommission ist bereits mit ihrem<br />
Vorschlag zu einer Rente ab 70<br />
Jahren vorgeprescht, dem ist der Sachverständigenrat<br />
der B<strong>und</strong>esregierung<br />
mit seiner Empfehlung für eine Rente<br />
mit 69 Jahren gefolgt. Das gesetzliche<br />
Rentenalter müsse bis 2045 auf 68<br />
Jahre <strong>und</strong> bis 2060 auf 69 Jahre heraufgesetzt<br />
werden. Sollte diese Empfehlung<br />
nicht umgesetzt werden, drohe eine<br />
Finanzierungslücke der Sozialversicherung<br />
von 3,1 Prozent der Wirtschaftsleistung,<br />
<strong>und</strong> die Schuldenstandsquote<br />
des Staates würde bis 2060<br />
auf etwa 270 Prozent der Wirtschaftsleistung<br />
steigen. Derzeit liegt die Quote<br />
bei gut 80 Prozent.<br />
12<br />
Rente<br />
Ein Beispiel:<br />
Jan B. aus Frankfurt, geboren am 4. Oktober<br />
1992, hatte im September 2010<br />
seine Ausbildung begonnen. Er erhielt<br />
510 Euro an Ausbildungsvergütung<br />
monatlich. Im Mai <strong>2011</strong> wurde er bei<br />
einem Arbeitsunfall schwer verletzt.<br />
Seitdem ist er dauerhaft voll erwerbsgemindert.<br />
Bis zu seinem Unfall hatte Jan<br />
neun Beitragsmonate zurückgelegt,<br />
denn auch der Mai zählt voll mit. Da er<br />
wegen eines Arbeitsunfalls erwerbsge-<br />
Die Diskussionen um die Heraufsetzung<br />
des Renteneintrittsalters sind bedenklich.<br />
Anstatt erst einmal den Übergangsprozess<br />
des Renteneintrittsalters<br />
von 65 auf 67 Jahre geschehen zu lassen<br />
<strong>und</strong> eine Analyse dieses Prozesses<br />
vorzunehmen, malen die Protagonisten<br />
eines noch späteren Renteneintritts weitere<br />
Schreckgespenster an die Wand,<br />
die vielleicht in 40 Jahren eintreten<br />
könnten, wenn nicht bald gehandelt<br />
wird <strong>und</strong> „endlich“ Maßnahmen geplant<br />
werden, die in 20 Jahren umzusetzen<br />
sind.<br />
Die Heraufsetzung des Renteneintrittsalters<br />
war ein Kraftakt der großen Koalition<br />
<strong>und</strong> ist bis heute noch hoch umstritten.<br />
Deshalb sollten weiter gehende<br />
Diskussionen nicht leichtfertig vom<br />
Zaun gebrochen werden. Erst einmal gibt<br />
es noch genug zu tun, um die Akzeptanz<br />
der Bevölkerung zur Rente mit 67 zu<br />
steigern. Denn diese lässt noch zu wünschen<br />
übrig: R<strong>und</strong> 71 Prozent lehnen die<br />
Rente mit 67 Jahre ab, wie ein<br />
Ruhestands-Barometer der Versicherungsgesellschaft<br />
Axa ergab. Außerdem<br />
Inflation führt zu realer Rentenkürzung<br />
Die Inflation frisst die Rentenerhöhungen<br />
auf. Rentner haben daher heute real<br />
weniger als vor zehn Jahren. Doch auch<br />
die Arbeitnehmer trafen die unsozialen<br />
Wirkungen der Geldentwertung. Im<br />
Jahr 2009 sanken die Löhne, während<br />
die Preise weiter stiegen, erklärte das<br />
B<strong>und</strong>esministerium für Arbeit (BMA)<br />
auf eine Anfrage aus dem B<strong>und</strong>estag.<br />
Danach stiegen die Renten von 2001<br />
bis 2010 jahresdurchschnittlich um<br />
r<strong>und</strong> 0,82 Prozent, die durchschnittliche<br />
Preissteigerung betrug dagegen<br />
r<strong>und</strong> 1,36 Prozent im Jahr. Unter<br />
Berücksichtigung der von den Rentnern<br />
zu zahlenden Beiträge zur Kranken<strong>und</strong><br />
Pflegeversicherung stiegen die<br />
Altersbezüge nach Angaben des BMA<br />
sogar nur um r<strong>und</strong> 0,56 Prozent im Jahr.<br />
Die Rentenanpassung orientiert sich an<br />
der Entwicklung der Löhne <strong>und</strong> nicht<br />
an der Preisentwicklung. Auch die<br />
Löhne der Beschäftigten genießen keinen<br />
Schutz vor Inflation, hebt das BMA<br />
hervor. Anders als die Arbeitnehmer<br />
sind die Rentner jedoch gegen<br />
Kürzungen ihrer Bezüge abgesichert,<br />
so dass den Rentnern die<br />
Kaufkraftverluste entstanden, wie sie<br />
die Beschäftigten trafen. Zum<br />
Ausgleich werden von diesem Jahr an<br />
positive Rentenanpassungen halbiert.<br />
■<br />
mindert ist, reicht diese Versicherungszeit<br />
für den Rentenanspruch aus.<br />
Für die Rentenberechnung zählen aber<br />
nicht nur die bisherigen neun Beitragsmonate,<br />
sondern weitere 497 Monate<br />
(1. Juni <strong>2011</strong> bis 3. Oktober 2052) bis<br />
zu seinem 60. Geburtstag. Das ist die<br />
sogenannte Zurechnungszeit. Insgesamt<br />
erhält Jan deswegen eine Monatsrente<br />
von r<strong>und</strong> 1.000 Euro.<br />
DRV ■<br />
ist das tatsächliche Renteneintrittsalter<br />
noch weit vom „Rentenalter 67“ entfernt.<br />
Die berechtigte Sorge der Bevölkerung<br />
ist, dass Wirtschaft <strong>und</strong> Politik es nicht<br />
schaffen, die richtigen Rahmenbedingungen<br />
dafür zu setzen, dass die<br />
Menschen auch bis 67 Jahre arbeiten<br />
können. Diese Sorgen müssen ernst genommen<br />
werden. Deshalb sollten sich<br />
Politik <strong>und</strong> Wirtschaft darauf konzentrieren,<br />
in den nächsten Jahren den<br />
Anteil der arbeitenden älteren Bevölkerung<br />
zu steigern <strong>und</strong> die Gefahr eines<br />
unfreiwilligen früheren Eintritts in den<br />
Ruhestand zu mindern. Diskussionen<br />
um eine weitere Heraufsetzung des<br />
Renteneintrittsalters sind dabei kontraproduktiv,<br />
zumal wenn sie mit Horrorszenarien<br />
als Begründung geschmückt<br />
sind. Denn sie produzieren eher Ablehnung<br />
als Akzeptanz.<br />
Es kann ja durchaus sein, dass bis 2060<br />
eine drohende Finanzierungslücke bei<br />
der Sozialversicherung entsteht <strong>und</strong> die<br />
Schuldenstandsquote auf 270 Prozent<br />
der Wirtschaftsleistung steigt. Wer kann<br />
dies aber mit absoluter Sicherheit sagen?<br />
Es ist ja angesichts der derzeitigen<br />
Stabilitätskrise des Euro <strong>und</strong> des Dollar<br />
schon schwierig zu prognostizieren,<br />
wohin die Reise in den nächsten Jahren<br />
gehen wird. Da sollte man mit Prognosen<br />
über so lange Zeiträume sehr<br />
vorsichtig sein; am Ende kann alles<br />
noch anders kommen, als man es sich<br />
vorgestellt hat.<br />
Es geht nicht darum, die Augen vor den<br />
Risiken des demographischen Wandels<br />
zu verschließen nach dem Motto „Die<br />
Party auf der Titanic geht weiter“. Die<br />
Diskussion um das richtige Renteneintrittsalter<br />
muss mit Augenmaß geführt<br />
werden. Da gilt es vor allem, die<br />
beschlossene Heraufsetzung des Renteneintrittsalters<br />
erst einmal wirken zu<br />
lassen <strong>und</strong> zu analysieren, ob diese<br />
Maßnahme ausreicht oder was noch getan<br />
werden muss. Bis 2029 ist noch ein<br />
wenig Zeit.<br />
rö ■<br />
DAZ 04/<strong>2011</strong>
Von außen betrachtet, muss man schon<br />
den Kopfschütteln. Da soll im Landkreis<br />
Elbe-Elster der Rettungsdienst nach erfolgter<br />
Neuausschreibung nun von einem<br />
Kreisverband des Deutschen Roten<br />
Kreuzes (DRK) zu einer GmbH des<br />
DRK gehen <strong>und</strong> alle Rettungsdienstmitarbeiter<br />
werden zunächst mal auf die<br />
Straße gesetzt, ohne Information, wie es<br />
nun weitergeht! .… Liebe zum Menschen<br />
sieht anders aus.<br />
In Brandenburg ist ein Wechsel des<br />
Rettungsdienstbetreibers kein Einzelfall,<br />
da die Landkreise zur Erfüllung ihrer<br />
Aufgabe aus Kostengründen den<br />
Rettungsdienst lieber an Dritte vergeben,<br />
statt selbst zu unterhalten. Bleibt<br />
die Frage einer sauberen, arbeitnehmergerechten<br />
Umsetzung.<br />
Auch wenn Streit besteht in der Frage,<br />
ob der Betreiberwechsel ein Betriebsübergang<br />
im Sinne des § 613a BGB ist<br />
mit der Folge, dass ohnehin alle Arbeitsverhältnisse<br />
zu unveränderten Bedingungen<br />
auf den neuen Betreiber<br />
übergehen: Eine solche Rechtsfolge<br />
lässt sich auch durch vertragliche<br />
Absprache herbeiführen. So wird es –<br />
zur Rechtssicherheit aller Beteiligten –<br />
DAZ 04/<strong>2011</strong><br />
in der Praxis auch oftmals gehandhabt.<br />
Doch eine solche Vereinbarung bekommen<br />
die beiden Arbeitgeber nicht zustande,<br />
<strong>und</strong> der Landkreis hat offenbar<br />
versäumt, die Umsetzung der Ausschreibung<br />
ausreichend zu regeln:<br />
Außer Apellen <strong>und</strong> einer Zusicherung,<br />
alle Mitarbeiter würden übernommen<br />
(die der Landkreis gar nicht geben<br />
kann), passiert von dessen Seite offenbar<br />
auch nichts.<br />
Und so haben die Mitarbeiter zwar im<br />
Mai eine Kündigung erhalten, wissen<br />
aber bis heute nicht, was ab dem<br />
01.01.2012 nun passiert. Aus Sicht der<br />
medsonet liegt klar ein Betriebsübergang<br />
vor <strong>und</strong> damit auch ein Kündigungsverbot.<br />
Die Arbeitgeber könnten<br />
ihrer Pflicht, die Mitarbeiter darüber<br />
(<strong>und</strong> die wirtschaftlichen <strong>und</strong> personellen<br />
Folgen) zu informieren, ohne weiteres<br />
nachkommen. Wir führen daher<br />
Kündigungsschutzklagen für unsere<br />
Mitglieder. Der Betriebsrat setzt sich<br />
engagiert für eine Klärung im Sinne der<br />
Mitarbeiter ein – die medsonet wird ihn<br />
nach Kräften unterstützen.<br />
Klaas Kuhlman ■<br />
Droopweg 31 | 20537 Hamburg<br />
Postfach 26 13 51 | 20503 Hamburg<br />
Tel.: 040 / 63280227<br />
E-Mail: info@medsonet.de<br />
www.medsonet.de<br />
Mitarbeiterfeindliche Querelen im Zusätzliches Seminar<br />
Rettungsdienst Elbe-Elster-Nord Arbeitsrecht <strong>und</strong> Betriebsverfassung<br />
Unter dem Thema „Gr<strong>und</strong>lagen des<br />
Arbeitsrechts <strong>und</strong> der Betriebsverfassung<br />
nach § 37 Abs. 6“ bietet die<br />
Ges<strong>und</strong>heitsgewerkschaft medsonet ein<br />
weiteres Gr<strong>und</strong>lagenseminar für Betriebsräte<br />
im Ges<strong>und</strong>heitswesen an.<br />
Dieses Seminar ist eine Ergänzung zum<br />
Jahresprogramm der medsonet-Bildungsarbeit.<br />
Im Seminar werden gr<strong>und</strong>legende<br />
Aspekte des Betriebsverfassungs-<br />
<strong>und</strong> des Arbeitsrechts angesprochen.<br />
Im besonderen sollen aber auch<br />
Betriebsräte sensibilisiert werden, andere<br />
Betriebsräte zur Wahrnehmung der<br />
gesetzlich garantierten Betriebsratsschulungen<br />
anzuhalten.<br />
Teilnehmen können alle Mitglieder der<br />
Arbeitnehmervertretungen, unabhängig<br />
davon, ob <strong>und</strong> wo sie gewerkschaftlich<br />
organisiert sind, oder auch nicht.<br />
Das Seminar findet vom 21. bis 23.<br />
November <strong>2011</strong> in Barnstorf/Niedersachsen<br />
statt.<br />
Es wird in bewährter Weise von der<br />
kooperierenden <strong>DHV</strong>-Bildungsstätte<br />
Nordwest in Bremen durchgeführt, das<br />
unter den nebenstehenden Kontaktdaten<br />
gerne nähere Auskünfte erteilt<br />
<strong>und</strong> Anmeldungen entgegen nimmt.<br />
■<br />
Tarifabschlüsse medsonet Seminare <strong>2011</strong><br />
Kliniken der Lielje-Gruppe<br />
Änderungstarifvertrag zum Entgelttarifvertrag differenziert<br />
nach:<br />
Berolina Klinik GmbH & Co. KG,<br />
Salze Klinik GmbH & Co.<br />
2. Betriebs-KG,<br />
Abschlüsse gemeinsam mit <strong>DHV</strong><br />
DRK Kreisverband Östliche Altmark, Stendal<br />
(Haustarifvertrag)<br />
Ergänzung zum Entgelttarifvertrag<br />
(Lohn- <strong>und</strong> Gehaltstarifvertrag)<br />
einschl. Ausbildungsvergütungen<br />
Nr. 03/<strong>2011</strong> Betriebsverfassungsgesetz II<br />
Aufbauseminar Betriebsverfassung<br />
Termin: 08.11.–10.11.<strong>2011</strong><br />
Ort: Waren/Müritz<br />
Anmeldeschluss: 14.09.<strong>2011</strong><br />
Nr. 06/<strong>2011</strong> Dienstplangestaltung <strong>und</strong> -mitbestimmung<br />
Termin: 18.10.–20.10.<strong>2011</strong><br />
Ort: Würzburg<br />
Anmeldeschluss: 16.09.<strong>2011</strong><br />
Nr. 08/<strong>2011</strong> Seminar für Mitarbeiter im Rettungsdienst<br />
Termin: 29.11.–01.12.<strong>2011</strong><br />
Ort: Bad Zwischenahn, Landkreis Ammerland<br />
Anmeldeschluss: 30.09.<strong>2011</strong><br />
Informationen <strong>und</strong> Anmeldungen beim<br />
<strong>DHV</strong>-Bildungswerk Nordwest<br />
Birkenstraße 16/17, 28195 Bremen<br />
Tel: 0421. 32 33 31, Fax 0421. 32 33 21<br />
E-Mail: dhv.bremen@dhv-cgb.de<br />
13
contterm – Rechtsschutz<br />
Schon im Januar <strong>2011</strong> hatten wir über<br />
ein Gerichtsverfahren berichtet, das<br />
contterm für ein Mitglied gegen dessen<br />
Arbeitgeber führte. Das Landes arbeits -<br />
gericht Bremen hatte unserem Mitglied<br />
nicht nur eine Nachzahlung von<br />
2.000 j zugesprochen, sondern gleichzeitig<br />
das Arbeitsverhältnis für unbefristet<br />
erklärt.<br />
Unsere Rechtsschutztätigkeit nimmt zu.<br />
Wir nehmen das zum Anlass, ausführlich<br />
darüber zu berichten. Der Rechts -<br />
schutz ist eine der Kernaufgaben jeder<br />
Gewerkschaft: Die Rechte des Mit -<br />
glieds gegenüber dem Arbeitgeber<br />
<strong>und</strong> – im Bereich des Sozialrechtes –<br />
auch gegen die Träger der gesetzlichen<br />
So zial versicherung durchzusetzen.<br />
Rechts gr<strong>und</strong>lage des contterm-<br />
Rechtsschutzes sind die Satzung sowie<br />
die Rechtsschutzordnung.<br />
Dies geschieht zum einen durch die<br />
Rechts beratung. Vor Abschluss eines<br />
Arbeitsvertrages, oder einer vom<br />
Arbeit geber gewünschten oder geforderten<br />
Vertragsänderung sollte contterm<br />
konsultiert werden. Es erfolgt<br />
dann eine Beratung des Mitglieds, entweder<br />
durch sachk<strong>und</strong>ige Gewerk -<br />
schafts kollegen/Vorstandsmitglieder<br />
oder bei schwierigen Fällen durch einen<br />
Rechtsanwalt. Wie wichtig Rechts bera -<br />
tung sein kann, zeigt der nebenstehende<br />
Beitrag „Sammelklage“.<br />
Bei Streitigkeiten zwischen einem Mit -<br />
glied <strong>und</strong> seinem Arbeitgeber gewährt<br />
contterm Rechtsschutz, d. h. das Mit -<br />
glied wird vor dem Arbeitsgericht kostenlos<br />
durch contterm vertreten. Dies<br />
geschieht in der Regel durch einen<br />
Rechts anwalt, oder aber durch einen<br />
sachk<strong>und</strong>igen Rechtsvertreter unserer<br />
Partnergewerkschaft <strong>DHV</strong>. Derzeit sind<br />
die Rechtsvertretungskosten für die laufenden<br />
Gerichtsverfahren für unsere<br />
Mitglieder der größte Kostenfaktor unserer<br />
jungen Gewerkschaft, denn schon<br />
bei einfachen Verfahren kommen<br />
schnell mal ein- bis zweitausend Euro<br />
zusammen, weil Rechtsanwälte nach<br />
einer Gebührenordnung abrechnen.<br />
Diese Kosten werden auch dann nicht<br />
erstattet, wenn man das Verfahren ge-<br />
14<br />
Contterm<br />
Fachgewerkschaft<br />
Deutsche Seehäfen<br />
wonnen hat. Denn abweichend vom<br />
„normalen“ Zivilverfahren tragen vor<br />
den Arbeitsgerichten in der 1. Instanz<br />
die Beteiligten ihre Kosten gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
selbst.<br />
Die Arbeitgeber sind die wirtschaftlich<br />
mächtigeren Vertragspartner eines Ar -<br />
beits verhältnisses. Durch ihre Mitglied -<br />
schaft in contterm können sich Hafen -<br />
arbeiter für Streitfälle mit dem Arbeit -<br />
geber eines sachk<strong>und</strong>igen Beistandes<br />
versichern.<br />
Also: Rein in die contterm!<br />
Vorstand der contterm ■<br />
Beitrittserklärungen gibt es unter<br />
info@contterm.com oder in unserer<br />
Geschäftsstelle:<br />
Droopweg 31, 20537 Hamburg,<br />
Telefon 040-632802-50<br />
Telefax 040-632802-25<br />
contterm-Rechtsschutz –<br />
Auszug aus der<br />
contterm-Satzung<br />
§ 2 – Aufgaben <strong>und</strong> Ziele<br />
Absatz 2: Die Gewerkschaft vertritt<br />
die Interessen der Mitglieder<br />
[..]<br />
Absatz 3 c: Beratung <strong>und</strong> Betreu -<br />
ung der Mitglieder in allen ihr<br />
Arbeitsverhältnis betreffenden<br />
recht lichen, sozialen <strong>und</strong> beruflichen<br />
Fragen<br />
§ 8 – Rechtschutz<br />
Die Gewerkschaft gewährt ihren<br />
Mitgliedern nach sechsmonatiger<br />
Mitgliedschaft Rechtsschutz nach<br />
Maßgabe der Rechtsschutz ord -<br />
nung, die vom Gewerkschaftsrat<br />
auf Antrag des Vorstandes beschlossen<br />
wird.<br />
■<br />
Contterm<br />
Fachgewerkschaft Deutsche Seehäfen<br />
Droopweg 31, 20537 Hamburg<br />
Postfach 26 13 51, 20503 Hamburg<br />
Telefon: 040-63 28 02 50<br />
E-Mail: info@contterm.com<br />
Sammelklage gegen<br />
den GHBV Bremen<br />
Nicht immer loyal verhalten sich Ar -<br />
beitgeber gegenüber ihren Mitarbeitern,<br />
das gilt in besonderem Maße derzeit für<br />
den Gesamthafenbetriebsverein Bre -<br />
men (GHBV). Nachdem contterm bereits<br />
im vergangenen Herbst die ersten<br />
Verfahren gegen den GHBV führen<br />
musste, kommt jetzt die nächste Pro -<br />
zesswelle in Form einer Sammelklage:<br />
Zahlreiche Mitarbeiter wurden (mit<br />
mehr oder wenige Druck?) davon überzeugt,<br />
eine Vereinbarung zu unterschreiben,<br />
die einen Wechsel in neue –<br />
natürlich schlechtere – Tarifverträge<br />
zum Ziel hat. 15 contterm-Mitglieder<br />
haben nach rechtlicher Beratung den<br />
GHBV Bremen folgendermaßen angeschrieben:<br />
„Hiermit fechte ich die mit Ihnen getroffene<br />
Vereinbarung über den Wechsel<br />
in die neuen Tarifverträge zum<br />
Autoumschlag wegen Irrtums <strong>und</strong> vorsätzlicher<br />
<strong>und</strong> arglistiger Täuschung<br />
an. Bei meiner Unterschrift wurde ich<br />
über die Bedeutung <strong>und</strong> den Inhalt der<br />
Regelung getäuscht. Mir war erklärt<br />
worden, ich „müsse“ die Vereinbarung<br />
unterzeichnen. Andernfalls könnte ich<br />
gar nicht weiterarbeiten. Tatsächlich<br />
aber habe ich von der so genannten<br />
Besitzstandsregelung für Beschäftigte<br />
im Automobilumschlag erst vor […]<br />
Tagen erfahren. Ich fühle mich daher<br />
arglistig <strong>und</strong> vorsätzlich getäuscht <strong>und</strong><br />
verlange meine Beschäftigung zu den<br />
Konditionen des alten Tarifvertrages,<br />
da ich vor dem 1.4.2010 eingestellt<br />
wurde <strong>und</strong> zuletzt ausschließlich mit<br />
Fahrertätigkeiten im Automobilum -<br />
schlag beschäftigt war. Weitere diesbezügliche<br />
Erklärungen gehen Ihnen von<br />
Seiten des von mir mit der Wahr neh -<br />
mung meiner Interessen beauftragten<br />
Rechtsanwaltes […] zu.“<br />
Die Kosten für den Anwalt übernimmt<br />
die contterm.<br />
■<br />
DAZ 04/<strong>2011</strong>
<strong>DHV</strong> – Die Berufsgewerkschaft Nr. 4 · August <strong>2011</strong><br />
Jugendarbeitslosigkeit in Europa<br />
In Deutschland beträgt die Jugend arbeits -<br />
losigkeit zur Zeit 7,7 Prozent. Nach den<br />
Niederlanden (6,9 Prozent) ist dies der<br />
zweit beste Wert unter den 27 EU-Staaten.<br />
Düster sieht es dagegen in anderen EU-<br />
Staaten aus. Trauriger Spitzenreiter ist<br />
Spanien mit einer Jugend arbeits losenquote<br />
von 44,4 Prozent! Die 16 bis 24-jährigen<br />
Spanier gelten als verlorene Generation.<br />
Beunruhigend ist der rasante Anstieg: Nach<br />
der letzten Erhebung der OECD im Jahr<br />
2009 betrug die Quote erst 15,3 Prozent.<br />
Soziale Unruhe oder Spannungen treten –<br />
mit Ausnahme der jüngsten Proteste gegen<br />
die Regierung Zapatero – dennoch nicht<br />
auf. Die meisten Betroffenen bleiben einfach<br />
weiter bei ihren Eltern wohnen, lassen<br />
sich versorgen <strong>und</strong> erhalten weiter ein<br />
Taschengeld. Es gab in der Krise bislang<br />
auch keinen Ansturm auf Schulen oder<br />
Fortbildungskurse. Vielmehr stieg in<br />
Spanien die Zahl der Schulabbrecher mit<br />
inzwischen 35,6 Prozent auf mehr als das<br />
doppelte des EU-Durchschnitts.<br />
Hinter Spanien folgt Griechenland mit einer<br />
Jugendarbeitslosenquote von 38,5 Pro -<br />
zent! In Griechenland war die Jugend -<br />
arbeitslosigkeit bereits vor der Schul den -<br />
krise hoch. Kurz vor Aus bruch der Krise<br />
hatte die Zahl im September 2009 bei 25<br />
Prozent gelegen <strong>und</strong> im Jahr davor bei 21<br />
Prozent. Der Sparkurs der Regierung <strong>und</strong><br />
die tiefe Rezession haben die Zahlen dramatisch<br />
weiter ansteigen lassen. Die OECD<br />
hat ermittelt, dass ein junger Grieche eine<br />
doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit hat wie<br />
Gleichaltrige in OECD-Staaten, langfristig<br />
arbeitslos zu sein. Insbe son dere die Jung -<br />
akademiker haben dies erkannt <strong>und</strong> sehen<br />
ihre Zukunft nicht im Krawall, sondern in<br />
der Auswanderung, vor allem nach Nord -<br />
amerika <strong>und</strong> Australien. Die griechische<br />
Regierung hofft, mit einer Reform des<br />
Arbeits marktes Hürden zur Einstellung von<br />
Jugendlichen zu beseitigen <strong>und</strong> Anreize zu<br />
ihrer Einstellung zu schaffen.<br />
Die noch im wirtschaftlichen Umbruch sich<br />
befindenden osteuropäischen Staaten gehören<br />
ebenfalls zu den Spitzenreitern: Slo -<br />
wakische Republik (33,7 Prozent), Li -<br />
tauen (32,9 Pro zent) <strong>und</strong> Lettland (29,8<br />
Prozent). Allein Slowenien (16,9 Prozent)<br />
<strong>und</strong> die Tschechische Republik (17,0 %)<br />
liegen unter dem EU-Durchschnitt von 20,4<br />
DAZ 04/<strong>2011</strong><br />
B<strong>und</strong> der Kaufmannsjugend im <strong>DHV</strong><br />
BLÄTTER FÜR<br />
JUNGE KAUFLEUTE<br />
Prozent. Estland (20,4 Prozent) liegt im<br />
EU-Durchschnitt.<br />
Italien verzeichnet mit 28,9 Prozent ebenfalls<br />
eine problematische Jugend arbeits -<br />
losigkeit. Regional gesehen fällt sie sogar<br />
noch höher aus: Sardinien mit 44,7 Prozent,<br />
38,5 Prozent in Sizilien <strong>und</strong> 38,1 Prozent in<br />
Kampanien. Zu den Gründen für die hohe<br />
Jugend arbeits losigkeit gehören die schlechte<br />
Schul ausbildung <strong>und</strong> die nur rudimentär<br />
vorhandene Berufs ausbildung. Ex per ten sehen<br />
aber auch eine falsche Orien tierung: In<br />
Industrie, Hand werk, Bau oder Land wirt -<br />
schaft wollen die Jugend lichen nicht arbeiten.<br />
Sie streben entweder in Richtung öffentlicher<br />
Verwal tung, die ohnehin überbesetzt<br />
ist, oder in Richtung der freien Berufe<br />
wie Rechtsanwalt oder Steuerberater. Zu -<br />
dem arbeiten viele<br />
Jüngere mit Zeit -<br />
verträgen <strong>und</strong> verlieren<br />
ihre Arbeits -<br />
plätze in jeder Krise.<br />
Auch Irland (26,5<br />
Prozent) ist be-<br />
Duales Ausbildungssystem<br />
bewahrt Jugendliche vor<br />
Arbeitslosigkeit<br />
sonders gebeutelt von der Krise. Je jünger,<br />
desto schlimmer: R<strong>und</strong> 36 Prozent der 15<br />
bis 19-jährigen, die nicht mehr in<br />
Ausbildung sind, haben keinen Job. In der<br />
Altersgruppe zwischen 20 <strong>und</strong> 24 Jahren ist<br />
jeder vierte arbeitslos. Wenn es nicht bald<br />
besser wird, droht Irland Zehntausende junge<br />
Menschen zu verlieren. Bei einer<br />
Umfrage gaben r<strong>und</strong> 70 Prozent der jungen<br />
Arbeits suchenden an, binnen zwölf<br />
Monaten das Land zu verlassen, sollte sich<br />
an der wirtschaftlichen Situation nichts ändern.<br />
Frankreich hat eine Jugendarbeits -<br />
losenquote von 22,7 Prozent. Der große<br />
Anteil von jungen Menschen, die auf die<br />
Schule oder die Universität gehen, ist dabei<br />
jedoch nicht berücksichtigt. Wenn man die<br />
r<strong>und</strong> 630.000 arbeits losen jungen Personen<br />
auf ihre gesamte Altersklasse bezieht, gelangt<br />
man in Frankreich zu einer Arbeits -<br />
losenquote von r<strong>und</strong> 8 Prozent. Dennoch<br />
hat Frank reich erhebliche Probleme. In den<br />
unter sozialen Spannungen stehenden Vor -<br />
städten kann die Arbeitslosenquote bis zu<br />
40 Prozent erreichen. Auch ist die Schul -<br />
abgängerquote ohne Ab schluss sehr hoch.<br />
Jedes Jahr steigen r<strong>und</strong> 160.000 Personen<br />
ohne jeden Ab schluss aus. Auch das Uni -<br />
ver si täts studium brechen viele ab. Ein duales<br />
Ausbildungssystem ist unterentwickelt.<br />
Das soll sich ändern: Premierminister<br />
Francois Fillion hat das Ziel ausgegeben,<br />
die Zahl der Lehrstellen von derzeit<br />
425.000 bis 2015 auf 800.000 zu erhöhen.<br />
Doch die Ausbildungskultur in vielen<br />
Unter nehmen ist nicht sehr weit entwickelt.<br />
Es herrscht oft noch die Er wartung, Aus -<br />
bildung sei vor allem Aufgabe des Staates.<br />
Angesichts dieser teilweise erschreckenden<br />
Zahlen steht Deutschland hervorragend da.<br />
Der Gr<strong>und</strong> hierfür liegt vor allem in dem<br />
gut funktionierenden dualen Ausbil dungs -<br />
system. Während die OECD regelmäßig<br />
den aus ihrer Sicht zu niedrigen Aka -<br />
demikeranteil in Deutschland geißelt, ohne<br />
zu berücksichtigen, dass in Deutschland ein<br />
Facharbeiter oft das-<br />
selbe tut wie in<br />
Südeuropa ein Uni -<br />
versitäts absol vent,<br />
wird in China das<br />
deutsche Aus bil -<br />
dungssystem kopiert.<br />
„In Deutschland bewahrt das duale<br />
Ausbildungssystem viele Jugendliche vor<br />
Arbeitslosigkeit“, urteilt auch die Inter na -<br />
tionale Ar beitsorganisation. Hinzu kommen<br />
der demographische Wandel <strong>und</strong> das beginnende<br />
Ausscheiden der geburtenstarken<br />
Jahrgänge aus dem Berufsleben, die den<br />
Einstieg junger Menschen in das Be -<br />
rufsleben erleichtert.<br />
Quelle:<br />
Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zei -<br />
tung vom 28. Januar <strong>2011</strong> mit Er gän zungen<br />
von rö.<br />
■<br />
Impressum:<br />
Blätter für junge Kaufleute-<br />
Stimme der <strong>DHV</strong>-Jugend<br />
Herausgeber:<br />
B<strong>und</strong> der Kaufmannsjugend im <strong>DHV</strong><br />
B<strong>und</strong>esjugendführung<br />
20537 Hamburg<br />
kaufmannsjugend@dhv-cgb.de<br />
Für den Inhalt<br />
verantwortlich:<br />
Henning Röders<br />
15
16<br />
Aktuelle Rechtsprechung<br />
Abmeldepflicht von Betriebsratsmitgliedern<br />
Ein Betriebsratsmitglied, das an seinem<br />
Arbeitsplatz während seiner Arbeitszeit<br />
Betriebsratsaufgaben erledigt, ist<br />
gr<strong>und</strong> sätzlich verpflichtet, sich beim<br />
Arbeitgeber abzumelden <strong>und</strong> die voraussichtliche<br />
Dauer der Betriebs rats -<br />
tätig keit mitzuteilen.<br />
Zweck der Meldepflicht ist es, dem<br />
Arbeitgeber die Überbrückung des<br />
Arbeits ausfalls zu ermöglichen. Daher<br />
besteht keine vorherige Meldepflicht in<br />
Fällen, in denen eine vorübergehende<br />
Umorganisation der Arbeitseinteilung<br />
nicht ernsthaft in Betracht kommt.<br />
Maßgeblich sind die Umstände des<br />
Einzelfalls. Dazu gehören insbesondere<br />
die Art der Arbeitsaufgabe des Be -<br />
triebs ratsmitglieds <strong>und</strong> die voraussichtliche<br />
Dauer der Arbeitsunterbrechung.<br />
In Fällen, in denen sich das Be triebs -<br />
ratsmitglied nicht vorher abmeldet, ist<br />
es verpflichtet, dem Arbeitgeber auf<br />
dessen Verlangen nachträglich die<br />
Gesamtdauer der in einem bestimmten<br />
Zeitraum geleisteten Betriebsrats tätig -<br />
keit mitzuteilen.<br />
Der neunköpfige Betriebsrat eines Un -<br />
ter nehmens für automobile Markt -<br />
forschung mit ca. 220 Arbeitnehmern<br />
wollte gerichtlich festgestellt wissen,<br />
dass seine Mitglieder nicht verpflichtet<br />
sind, sich bei Ausführung von Betriebs -<br />
ratstätigkeit, die sie am Arbeitsplatz erbringen,<br />
zuvor beim Arbeitgeber abzu-<br />
Ersatz des Unfallschadens an einem<br />
Privatfahrzeug<br />
Ein Arbeitnehmer, der im Rahmen seiner<br />
Rufbereitschaft bei der Fahrt von<br />
seinem Wohnort zur Arbeitsstätte mit<br />
seinem Privatwagen verunglückt, hat<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich Anspruch gegen seinen<br />
Arbeitgeber auf Ersatz des an seinem<br />
Pkw entstandenen Schadens. Die Höhe<br />
dieses Ersatzanspruchs bemisst sich<br />
nach den Regeln des innerbetrieblichen<br />
Schadensausgleichs.<br />
Der Kläger war als Oberarzt im Klini -<br />
kum in L. beschäftigt. Er wohnte einige<br />
Kilometer von seinem Arbeitsort entfernt<br />
in der Gemeinde A. An einem Sonn tag<br />
war er zum Ruf bereit schafts dienst eingeteilt<br />
<strong>und</strong> hielt sich in seiner Wohnung auf.<br />
Als er gegen 09:00 Uhr zur Dienst -<br />
aufnahme ins Klinikum gerufen wurde,<br />
fuhr er mit seinem Pri vatfahrzeug von<br />
seinem Wohnort nach L. Bei Straßen -<br />
glätte kam er dabei von der Straße ab <strong>und</strong><br />
rutschte in den Straßengraben. Die Er -<br />
stattung des durch diesen Unfall an seinem<br />
Pkw entstandenen Schadens in<br />
Höhe von 5.727,52 Euro verlangt er von<br />
seinem Arbeitgeber.<br />
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.<br />
Die Revision des Klägers hatte<br />
vor dem Achten Senat des Bun des -<br />
arbeitsgerichts Erfolg. Gr<strong>und</strong>sätz lich hat<br />
jeder Arbeitnehmer – soweit keine abweichenden<br />
Vereinbarungen vorliegen – seine<br />
Aufwendungen für Fahrten zwischen<br />
seiner Wohnung <strong>und</strong> seiner Arbeitsstätte<br />
selbst zu tragen. Dazu gehören auch<br />
Schäden an seinem Fahrzeug.<br />
Eine Ausnahme davon ist dann zu machen,<br />
wenn der Arbeitnehmer während<br />
melden. Der Antrag hatte vor dem<br />
Siebten Senat – wie bereits in den Vor -<br />
instanzen – keinen Erfolg. Der uneingeschränkt<br />
gestellte Antrag erfasst auch<br />
Fallgestaltungen, in denen er unbegründet<br />
ist. Die umstrittene Pflicht lässt sich<br />
weder generell verneinen noch bejahen.<br />
Sie hängt von den Umständen des Ein -<br />
zelfalls ab.<br />
BAG, 29.6.<strong>2011</strong> – 7 ABR 135/09 ■<br />
seiner Rufbereitschaft vom Arbeitgeber<br />
aufgefordert wird, seine Arbeit anzutreten<br />
<strong>und</strong> er die Benutzung seines<br />
Privatfahrzeugs für erforderlich halten<br />
durfte, um rechtzeitig am Arbeitsort zu<br />
erscheinen.<br />
BAG, 22.6.<strong>2011</strong> – 8 AZR 102/10 ■<br />
Abgelehnte Sprachkursteilnahme – Entschädigung wegen Diskriminierung?<br />
Die Aufforderung durch den Arbeitgeber,<br />
an einem Deutschkurs teilzunehmen, um<br />
arbeitsnotwendige Sprachkenntnisse zu<br />
erwerben, stellt als solche keinen Verstoß<br />
gegen das Allgemeine Gleich behand -<br />
lungs gesetz dar.<br />
Die Klägerin ist seit Juni 1985 in dem<br />
von der Beklagten bewirtschafteten<br />
Schwimm bad beschäftigt. Ihre Mut ter -<br />
sprache ist kroatisch. Sie wurde zunäch st<br />
als Reinigungskraft eingesetzt. Vor über<br />
14 Jahren wurde ihr zusätzlich Kassen -<br />
befugnis erteilt <strong>und</strong> sie arbeitete ab da<br />
auch als Vertretung der Kassenkräfte im<br />
Schwimmbad. Im Frühjahr 2006 forderte<br />
der Betriebsleiter der beklagten Arbeit -<br />
geberin die Klägerin auf, zur Verbes se -<br />
rung ihrer Deutschkenntnisse auf eigene<br />
Kosten <strong>und</strong> außerhalb der Arbeitszeit einen<br />
Deutschkurs zu absolvieren. Die von<br />
der Klägerin verlangte Kostenübernahme<br />
lehnte die Beklagte ab. Die Klägerin nahm<br />
nicht an einem Deutschkurs teil, was nach<br />
zwischenzeitlichen Phasen der Arbeits -<br />
unfähigkeit schließlich im Oktober 2007<br />
zu einer Abmahnung durch die Beklagte<br />
führte. Die Klägerin verlangte daraufhin<br />
wegen Diskriminierung aufgr<strong>und</strong> ihrer<br />
ethnischen Herkunft eine Entschädigung<br />
in Höhe von 15.000,00 Euro.<br />
Wie schon in den Vorinstanzen blieb die<br />
Klage vor dem Achten Senat des Bun des -<br />
arbeitsgerichts ohne Erfolg. Der Arbeit -<br />
geber kann das Absolvieren von Sprach -<br />
kursen verlangen, wenn die Arbeits -<br />
aufgabe die Beherrschung der deutschen<br />
(oder einer fremden) Sprache erfordert.<br />
Die Auf for derung, dies auf eigene Kosten<br />
<strong>und</strong> außerhalb der Arbeitszeit zu tun, kann<br />
im Einzelfall gegen den Arbeitsvertrag<br />
oder Regeln eines Tarifvertrages verstoßen.<br />
Ein solcher Verstoß stellt aber keine<br />
unzulässige Diskriminierung wegen der<br />
ethnischen Herkunft dar, der Ent schädi -<br />
gungs an sprüche auslöst.<br />
BAG, 22.6.<strong>2011</strong> - 8 AZR 48/10 ■<br />
Carlo Schrodt/pixelio.de<br />
DAZ 04/<strong>2011</strong>
Der Betriebsübergang<br />
Wenn Betriebe übernommen werden,<br />
oder Fusionen, Ausgliederungen oder<br />
Outsourcing stattfinden, handelt es sich<br />
in aller Regel um einen Betriebs über -<br />
gang, der unter § 613 a BGB fällt. Das<br />
bedeutet, dass der neue Arbeit geber in<br />
alle Rechte <strong>und</strong> Pflichten eintritt. Je doch<br />
sind in Folge Ver schlech terungen für<br />
Arbeitnehmer nicht ausgeschlossen.<br />
Welche Rechtsfolgen hat ein<br />
Betriebsübergang?<br />
Arbeitsverträge:<br />
Da die Übertragung der Arbeits verhält -<br />
nisse durch § 613 a BGB erfolgt, ist<br />
ein neuer Arbeitsvertrag weder notwendig<br />
noch sinnvoll. Änderungen des<br />
Ar beits vertrages (Änderungskündigungen)<br />
dür fen erst nach einem Jahr<br />
erfolgen (Bestandsschutz).<br />
Also: Neuer Arbeitsvertrag – Nein!<br />
Betriebsvereinbarungen (BV):<br />
Betriebsvereinbarungen gem. § 77<br />
BetrVG gehen über, können aber ebenfalls<br />
nach einem Jahr gekündigt werden.<br />
Hier ist zu beachten, ob im übernehmenden<br />
Betrieb bereits Betriebs -<br />
vereinbarungen existieren. Weiter ist<br />
bei Kündigung die Nachwirkung der<br />
BV zu beachten.<br />
Betriebsvereinbarungen gem. § 88<br />
BetrVG können mit einer Frist von drei<br />
Monaten gekündigt werden.<br />
Mit dieser Entscheidung aus April <strong>2011</strong><br />
hat das B<strong>und</strong>esarbeitsgericht (BAG) eine<br />
gravierende Änderung für befristete<br />
Arbeitsverträge herbeigeführt.<br />
Gem. § 14 Abs. 2 TzBfG ist eine kalendermäßige<br />
Befristung ohne Vorliegen<br />
DAZ 04/<strong>2011</strong><br />
Arbeitsrecht<br />
Tarifverträge:<br />
Sofern der bisherige <strong>und</strong> der neue Ar -<br />
beit geber demselben Tarifvertrag<br />
unter liegen, ändert sich nichts. Unter -<br />
liegt der neue Arbeitgeber einem anderen<br />
Ta rifvertrag, so gilt der neue Tarif -<br />
vertrag für diejenigen Arbeitnehmer,<br />
die Mitglied der Ge werkschaft sind, die<br />
diesen Tarif ver trag abgeschlos sen hat.<br />
Ist der Arbeit neh mer nicht tarifgeb<strong>und</strong>en<br />
oder/<strong>und</strong> der neue Arbeitgeber<br />
nicht in einem tarifschliessenden Ar -<br />
Konstantin Gastmann/pixelio.de<br />
beit geberverband, so gilt der bisherige<br />
Tarifvertrag während der Schutzfrist<br />
von einem Jahr weiter.<br />
Informationsrecht:<br />
Am 1. April 2002 trat eine Neu rege -<br />
lung zum Betriebsübergang in Kraft.<br />
eines sachlichen Gr<strong>und</strong>es bis zur Dauer<br />
von zwei Jahren zulässig, wenn mit<br />
demselben Arbeitgeber zuvor kein befristetes<br />
oder unbefristetes Arbeits -<br />
verhältnis bestanden hat.<br />
Dies wurde bisher so ausgelegt, dass<br />
bei einer – auch über viele Jahre zurückliegenden<br />
– früheren Beschäfti -<br />
gung beim selben Arbeitgeber eine<br />
wirksame, sachgr<strong>und</strong>lose, kalendermäßige<br />
Befristung nicht mehr möglich ist.<br />
Entsprechende befristete Arbeits ver -<br />
träge wurden damit als unbefristet bewertet.<br />
Nach der Entscheidung des B<strong>und</strong>es -<br />
arbeits gerichts vom 4. April <strong>2011</strong> ( Az:<br />
7 AZR 716/09) ist nun auch eine sach-<br />
Danach sind bei einem Betriebs -<br />
übergang nach § 613 a BGB sowohl<br />
der bisherige Ar beitgeber als auch der<br />
neue Betriebs inhaber verpflichtet,<br />
sämtliche Arbeit nehmer über die<br />
Einzelheiten des Betriebsübergangs<br />
schriftlich zu unterrichten.<br />
Widerspruchsrecht:<br />
In § 613 a, Absatz 6 wird das Wider -<br />
spruchsrecht des Arbeitnehmers gegen<br />
den Übergang geregelt: Der Wider -<br />
spruch muss innerhalb eines Monats<br />
nach Zugang der Mitteilung schriftlich<br />
erfolgen. Der Widerspruch kann<br />
gegenüber dem bisherigen oder dem<br />
neuen Betriebsinhaber erklärt werden.<br />
Sofern der Arbeitnehmer widerspricht,<br />
so geht sein Arbeitsverhältnis nicht auf<br />
den neuen Betriebsinhaber über. Der<br />
Arbeitnehmer verbleibt im bisherigen<br />
Betrieb. Aber Achtung: Sofern kein<br />
adäquater Arbeitsplatz vorhanden ist<br />
<strong>und</strong> kein besonderer Schutz besteht,<br />
kann eine betriebsbedingte Kündigung<br />
drohen!<br />
Betriebs-/Personalrat:<br />
Mit dem Betriebsübergang endet i.d.R.<br />
die Amtszeit des Betriebs- bzw. Per so -<br />
nal rates.<br />
■<br />
BAG ermöglicht sachgr<strong>und</strong>lose Befristung bei mehr als drei<br />
Jahren zurückliegender Zuvor-Beschäftigung!<br />
Gerd Altmann pixelio/de<br />
gr<strong>und</strong>lose Befristung bis zu zwei Jahren<br />
möglich, wenn eine frühere Beschäf -<br />
tigung des Arbeitnehmers beim selben<br />
Arbeitgeber mehr als drei Jahre zurückliegt.<br />
Dadurch soll nach Ansicht des 7.<br />
Senats verhindert werden, dass das dauerhafte<br />
Beschäftigungsverbot ein Ein -<br />
stellungshindernis darstellt. Die Re ge -<br />
lung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG soll<br />
den Arbeitgebern ermöglichen, auf<br />
schwankende Auftragslagen <strong>und</strong> wechselnde<br />
Marktbedingungen flexibel zu<br />
reagieren. Daneben soll für Ar beit -<br />
nehmer die Möglichkeit einer Dauer -<br />
beschäftigung geschaffen werden.<br />
Raym<strong>und</strong> Kandler, GÖD ■<br />
B<strong>und</strong>esvorsitzender<br />
17
Das B<strong>und</strong>esarbeitsgericht hat sich mit<br />
der Frage befasst, in welchen Fällen<br />
Arbeitnehmer Rechtsansprüche aus einem<br />
nachbindenden Tarifvertrag geltend<br />
machen können. Der 4. Senat hat<br />
hierzu eine neue Gr<strong>und</strong> satz ent schei -<br />
dung getroffen. Danach ist es unmaßgeblich,<br />
wann eine Gewerkschafts mit -<br />
gliedschaft begründet werden muss, um<br />
sich auf einen nachbindenden Tarif -<br />
vertrag berufen zu können.<br />
Geklagt hatte ein Arbeitnehmer in<br />
Baden-Württemberg, der bei einem<br />
Unternehmen der Metallindustrie beschäftigt<br />
war. Der Arbeitgeber trat zum<br />
31. Dezember 2005 aus dem Metall -<br />
arbeit geberverband aus. Die regelmäßige<br />
wöchentliche Arbeitszeit des zuvor<br />
geltenden Tarifvertrages betrug<br />
35 Stun den in der Woche. In einem<br />
neuen Arbeitsvertrag des Klägers wurde<br />
zum 1. Januar 2006 eine 40 St<strong>und</strong>en<br />
Woche festgeschrieben. Außerdem<br />
wurde Ende 2005 eine Betriebs ver -<br />
einbarung abgeschlossen, mit der das<br />
Führen von Arbeitszeitkonten auf der<br />
Basis einer 40-St<strong>und</strong>en-Woche eingeführt<br />
worden ist. Der Kläger hat tatsächlich<br />
die 40 Wochenst<strong>und</strong>en Ar -<br />
beits zeit erbracht.<br />
Der Kläger ist zum 1. Juli 2007 in die<br />
IG-Metall eingetreten <strong>und</strong> machte im<br />
Herbst 2007 gerichtlich geltend, dass<br />
insgesamt 13 Tarifverträge der Metall -<br />
industrie auf sein Arbeitsverhältnis An -<br />
wendung fänden. Daraus ergebe sich<br />
u. a. eine Gutschrift von 189,5 St<strong>und</strong>en<br />
auf seinem Arbeitszeitkonto. Einige<br />
Monate nach der Entscheidung des<br />
Lan desarbeitsgerichtes Baden-Würt -<br />
tem berg schloss die IG-Metall mit dem<br />
Arbeitgeber einen Haustarifvertrag ab,<br />
18<br />
Arbeitsrecht<br />
Gewerkschaftsmitglieder haben Rechtsanspruch auf<br />
Leistungen aus nachbindendem Tarifvertrag<br />
in dem eine regelmäßige Arbeitszeit<br />
von 40 Wochenst<strong>und</strong>en geregelt ist.<br />
Das B<strong>und</strong>esarbeitsgericht gewährte<br />
dem Kläger die Gutschrift aus dem<br />
Arbeitszeitkonto zwar nicht, weil die<br />
Betriebsvereinbarung zum Arbeits zeit -<br />
konto eine Regelarbeitszeit von<br />
40 Wochen st<strong>und</strong>en vorsah. Insofern habe<br />
er alleine auf die tatsächlich geleisteten<br />
Arbeitsst<strong>und</strong>en einen Vergütungs -<br />
anspruch, die zuvor nicht mit dem<br />
Gehalt abgegolten worden seien. Eine<br />
zusätzliche Gutschrift in das Ar beits -<br />
zeitkonto könne nicht erfolgen.<br />
Dennoch stellte das B<strong>und</strong>es arbeits -<br />
gericht klar, dass nicht der Zeitpunkt<br />
des Beitritts zur Gewerkschaft maßgeblich<br />
für die Tarifbindung ist. In seiner<br />
Pressemitteilung lässt der 4. Senat verlautbaren,<br />
dass der Beitritt des Klägers<br />
zur Gewerkschaft bereits eine beiderseitige<br />
Tarifgeb<strong>und</strong>enheit im Sinne von<br />
TVG § 4 Abs. 1 herbeigeführt hat. Da -<br />
für genüge es, dass die beklagte Arbeit -<br />
geberin zum Zeitpunkt des Gewerk -<br />
schaftsbeitritts im Wege der Nach -<br />
bindung nach § 3 Abs. 3 TVG an den<br />
Tarifvertrag geb<strong>und</strong>en war.<br />
Das B<strong>und</strong>esarbeitsgericht unterscheidet<br />
demnach zwischen Nachbindung <strong>und</strong><br />
Nachwirkung nach dem Tarif vertrags -<br />
gesetz. Der Austritt aus dem Arbeit -<br />
geber verband beendet die Nachbindung<br />
nicht. Dafür müsste der Tarifvertrag gekündigt<br />
werden. Ein Kündigungsrecht<br />
besteht bei Verbandstarifverträgen aber<br />
nur zwischen den beiden Verbänden.<br />
Einzelnen Mitgliedsunternehmen von<br />
Arbeitgeberverbänden ist ein solches<br />
Kündigungsrecht ausdrücklich verwehrt.<br />
Die Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG<br />
setzt eine aktive Kündigung eines Tarif -<br />
Gewichtung bei Sozialauswahl –<br />
Schutz älterer Arbeitnehmer gestärkt<br />
Nach dem Kündigungsschutzgesetz<br />
(1 Abs. 3 KSchG) hat bei einer betriebsbedingten<br />
Kündigung eine soziale Aus -<br />
wahl zu erfolgen, die u. a. Lebens alter<br />
<strong>und</strong> Betriebszugehörig keit berücksichtigt.<br />
Zu vergleichen sind Arbeitnehmer<br />
mit vergleichbaren Tätigkeiten. In der<br />
Rechtsprechung ist bisher weitgehend<br />
ungeklärt, wie diese Kriterien untereinander<br />
zu gewichten sind.<br />
Das Landesarbeitsgericht Köln hatte<br />
unter Berücksichtigung der Gewich -<br />
tung der sozialen Aspekte zu entscheiden,<br />
welchem von zwei vergleichbaren<br />
Arbeitnehmern bei Wegfall eines<br />
Arbeitsplatzes gekündigt werden<br />
kann. Der zu entscheidende Sach -<br />
verhalt betraf zwei Arbeitnehmer in<br />
der Metallverarbeitung mit etwa gleichen<br />
betrieblichen Voraussetzungen.<br />
vertrages voraus. Die Nachwirkung erstreckt<br />
sich auf den Zeitraum bis es<br />
zwischen den Vertragsparteien zu einer<br />
Abmachung kommt, die die alte ersetzt.<br />
Im vorliegenden Fall ist es aber nicht zu<br />
einer Nachwirkung gekommen, weil<br />
ein Austritt aus dem Arbeit geber ver -<br />
band den Tarifvertrag als solchen nicht<br />
unmittelbar beendet.<br />
Dennoch führt die Entscheidung zu<br />
Konsequenzen. Rechtsansprüche aus<br />
einem Tarifvertrag ergeben sich aus der<br />
Tatsache, dass ein Tarifvertrag nicht endet.<br />
Sofern Arbeitgeber zukünftig aus<br />
dem Arbeitgeberverband austreten, besteht<br />
auch für nach Austritt erworbene<br />
<strong>DHV</strong>-Mitgliedschaften ein Rechts an -<br />
spruch auf die tarifvertraglichen Leis -<br />
tungen. Außerdem ist genau darauf zu<br />
achten, ob im Falle von Tarifverträgen,<br />
die von der <strong>DHV</strong> lediglich nachgezeichnet<br />
werden, oder im Falle von<br />
mehrgliederigen Tarifverträgen tatsächlich<br />
gegenüber der <strong>DHV</strong> eine Kün -<br />
digung ausgesprochen worden ist.<br />
gs ■<br />
Quelle: B<strong>und</strong>esarbeitsgericht Urteil<br />
vom 6. Juli <strong>2011</strong> – 4 AZR 424/09)<br />
Jetzt Mitglied werden!<br />
Der Unterschied bestand in Alter <strong>und</strong><br />
Familienstand, der eine 35 Jahre mit<br />
zwei Kindern, der andere 53 <strong>und</strong> kinderlos.<br />
Das LAG Köln entschied hier,<br />
dass die Kündigung des älteren<br />
Arbeitnehmers unwirksam war, da der<br />
jüngere Arbeitnehmer viel bessere<br />
Chancen hätte, schnell eine neue<br />
Arbeit zu finden. Dadurch bestehe eine<br />
hohe Wahrscheinlichkeit, dass<br />
Unterhalts pflichten für die Kinder gar<br />
nicht beeinträchtigt werden.<br />
ak ■<br />
LAG Köln 4 Sa 1122/1<br />
DAZ 04/<strong>2011</strong>
Zur Schuldenkrise<br />
Die griechische Schuldenproblematik<br />
wächst zu einem unlösbaren Problem<br />
heran; ob die Beschlüsse der EU-<br />
Finanzminister diese Volkswirtschaft<br />
nachhaltig stabilisieren, ist unter<br />
Fachleuten umstritten. Die offiziellen<br />
Verlautbarungen der letzten Monate<br />
wecken beim Bürger jedoch kein<br />
Vertrauen auf Weisheit <strong>und</strong> Sach -<br />
verstand in der Politik. Da kommt eine<br />
kleine Geschichte gerade recht, die<br />
zumindest über die Verteilungs -<br />
gerechtigkeit etwas zur Lösung beitragen<br />
könnte.<br />
Ein Urlauber auf der Insel Rhodos hält<br />
an einem kleinen Hotel. Er sagt dem<br />
Eigentümer, dass er gerne die Zimmer<br />
anschauen möchte, um vielleicht eines<br />
zu mieten. Als Kaution legt er einen<br />
100 Euro-Schein auf den Tresen.<br />
Der Eigentümer gibt ihm einige<br />
Schlüssel. Als der mögliche Gast die<br />
Treppe hinaufgeht, nimmt der Hotelier<br />
den Geldschein, rennt zu seinem<br />
Nachbarn, dem Metzger, <strong>und</strong> bezahlt<br />
seine Schulden. Der Metzger wiederum<br />
nimmt die 100 Euro, läuft die Straße<br />
hinunter <strong>und</strong> bezahlt den Bauern. Der<br />
Bauer nimmt die 100 Euro <strong>und</strong> bezahlt<br />
DAZ 04/<strong>2011</strong><br />
Kommentare<br />
seine Rechnung bei seiner Stamm -<br />
kneipe. Der Wirt schiebt den Schein zu<br />
einer an der Theke sitzenden Prosti -<br />
tuierten, welcher der Wirt einige Nächte<br />
auf Kredit gewährt hat. Die Dame des<br />
horizontalen Gewerbes wiederum eilt<br />
zum Hotel <strong>und</strong> bezahlt ihre ausstehenden<br />
Zimmerrechnungen mit den 100<br />
Euro.<br />
Der Hotelier legt den Schein wieder<br />
zurück auf den Tresen. In diesem<br />
Moment kommt der Reisende die<br />
Treppe herunter, nimmt seinen<br />
Geldschein zurück, da ihm keines der<br />
Zimmer gefallen hat <strong>und</strong> geht. In dieser<br />
Geschichte werden mit dem minimalen<br />
Einsatz von 100 j, einer Bürgschaft<br />
vergleichbar, in kürzester Zeit 500 j<br />
Schulden getilgt. Könnte sich das<br />
Schuldenproblem auf diese Weise lösen<br />
lassen? Theoretisch schon, aber nur<br />
dann, wenn viele Schuldner gleichzeitig<br />
auch Gläubiger sind. Das ist in der<br />
Schuldenkrise jedoch nur in der<br />
Realwirtschaft der Fall, nicht an den<br />
Kapitalmärkten.<br />
Das Kapital häuft sich aber immer mehr<br />
bei immer weniger Superreichen, während<br />
die Armen immer ärmer werden.<br />
Ein Beispiel aus der aktuellen<br />
Goldstudie der Erste Bank Research:<br />
Verdiente ein Vorstandschef 1980 noch<br />
24-mal so viel wie ein Arbeiter, so liegt<br />
das Chef-Einkommen aktuell beim<br />
425-fachen des durchschnittlichen Loh -<br />
nes. Was aber macht der Vorstandschef<br />
mit den Einnahmen, die er als Mensch<br />
nicht verbrauchen kann? Richtig – er<br />
legt sie mit höchstem (=spekulativem)<br />
Ertrag an <strong>und</strong> stärkt damit die weltweite<br />
Spekulation, auch die Spekulationen<br />
gegen die gutgemeinten EU-Hilfs aktio -<br />
nen für Griechenland.<br />
Ein Mehr an Verteilungsgerechtigkeit<br />
des real Erwirtschafteten würde die<br />
Spekulation eingrenzen. In der Volks -<br />
wirtschaft Griechenland fehlt es z. B.<br />
auch an einem Steuersystem, das die<br />
Großverdiener <strong>und</strong> -eigentümer angemessen<br />
an der Finanzierung des Staates<br />
beteiligt. Und sollte man das ernsthaft<br />
anstreben, würden sie ihr Geld ins<br />
Ausland verlagern <strong>und</strong> damit wieder<br />
die Spekulation anheizen. Die Spirale<br />
dreht sich weiter.<br />
Jörg Hebsacker ■<br />
Bündnis zur Tarifeinheit gescheitert. DGB gibt gesetzliche Regelung auf<br />
Der Deutsche Gewerkschaftsb<strong>und</strong><br />
(DGB) <strong>und</strong> die B<strong>und</strong>esvereinigung der<br />
deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)<br />
haben im Frühjahr 2010 eine gemeinsame<br />
Gesetzesinitiative be grün det, mit der<br />
auf die neue Recht sprechung des<br />
B<strong>und</strong>esarbeits gerichtes zur Tarifeinheit<br />
im Betrieb reagiert werden sollte. (siehe<br />
u.a. ausführlicher Bericht in der DAZ<br />
03/<strong>2011</strong>). Nachdem die Gewerkschaft<br />
verdi unmittelbar nach unserem letzten<br />
Redaktionsschluss in ihrem Gewerk -<br />
schaftsrat beschlossen hatte, dass dieses<br />
Aktionsbündnis von ihr nicht mehr<br />
unterstützt wird, hat sich ihr jetzt auch<br />
der DGB offiziell angeschlossen <strong>und</strong><br />
wird die gemeinsame Gesetzesinitiative<br />
mit den Arbeit gebern nicht weiter verfolgen.<br />
Für die <strong>DHV</strong> ist diese Nachricht eine<br />
gute Nachricht. Damit wird es deutlich<br />
unwahrscheinlicher, dass sich der<br />
Gesetzgeber mit dieser verfassungsrechtlich<br />
heiklen Frage noch länger<br />
ernsthaft befasst.<br />
Die <strong>DHV</strong> kann mit der bestehenden<br />
Rechtsprechung gut leben. Da wir die<br />
Tarifeinheit auf dem Verhandlungs wege,<br />
also auf freiwilliger Basis anstreben,<br />
ändert sich nichts für unsere Ver -<br />
handlungsstrategien. Wir müssen uns<br />
auch nicht mit möglichen Vor würfen<br />
auseinandersetzen, dass wir alleine<br />
Partikularinteressen von klei nen Berufs -<br />
gruppen in Tarifver hand lungen vertreten<br />
würden. Die <strong>DHV</strong> sieht sich in ihrer<br />
tarifpolitischen Zielsetzung durch die<br />
Aufgabe einer Gesetzes änderung durch<br />
die gewerkschaftliche Konkur renz<br />
bestätigt.<br />
gs ■<br />
Schullandschaft in Deutschland wird noch <strong>und</strong>urchsichtiger<br />
Es wird nicht einfacher für schulpflich -<br />
tige Kinder, wenn die Eltern in ein anderes<br />
B<strong>und</strong>esland umziehen. Die Schul -<br />
landschaft wird in Deutschland immer<br />
vielfältiger. Die Qualität der Abschlüsse<br />
hingegen sinkt weiter. Die nordrhein-west -<br />
fälische Landes regie rung hat sich nun mit<br />
der CDU-Opposition auf einen Schul -<br />
kompromiss geeinigt. In der Folge wird<br />
es fünf statt bislang vier weiterführende<br />
Schularten in diesem B<strong>und</strong>esland geben.<br />
In Baden-Württemberg hat erst vor<br />
einem Jahr die damalige Landes regie -<br />
rung unter CDU-Führung die Werk -<br />
realschule eingeführt. Die grün-rote<br />
Landesregierung hat nun angekündigt<br />
ein neues Schulkonzept durchzusetzen,<br />
bei dem Haupt- <strong>und</strong> Realschule zusam -<br />
mengelegt werden sollen.<br />
Wenn das so weitergeht, dann gibt es<br />
erstens keine Konstanz mehr in den<br />
Schulabschlüssen <strong>und</strong> die Vergleich -<br />
barkeit der Abschlüsse zwischen den<br />
B<strong>und</strong>esländern wird alsbald überhaupt<br />
nicht mehr gegeben sein. Bildungs -<br />
föderalismus ist schön. Wenn er, wie<br />
derzeit, aber dazu führt, dass keinerlei<br />
Koordinierung für eine b<strong>und</strong>esweite<br />
Vergleichbarkeit der Abschlüsse stattfindet,<br />
dann ist er nicht mehr wünschenswert.<br />
Gunter Smits ■<br />
19
Betriebsratsseminare<br />
Gr<strong>und</strong>lagenseminare für Betriebsräte<br />
Arbeitsrecht I<br />
Begründung, Ausfüllung <strong>und</strong><br />
Beendigung eines Arbeitsverhältnisses<br />
Termin: 14.09.11–16.09.11<br />
Ort: Hüfingen-Fürstenberg<br />
(bei Donaueschingen)<br />
Bildungsstätte Südwest<br />
Aufbauseminare für Betriebsräte<br />
JAV-Aufbauseminar<br />
Termin: 14.09.11–16.09.11<br />
Ort: Bamberg<br />
Bildungsstätte Bayern<br />
JAV-Aufbauseminar<br />
Termin: 19.09.11–21.09.11<br />
Ort: Willingen<br />
Bildungsstätte NRW<br />
Betriebsverfassungsrecht <strong>und</strong><br />
Arbeitsrecht für Fortgeschrittene<br />
Termin: 19.09.11–23.09.11<br />
Ort: Willingen<br />
Bildungsstätte NRW<br />
Arbeitsrecht II<br />
Die wichtigsten Arbeitsgesetze im<br />
Überblick<br />
Termin: 23.09.11–25.09.11<br />
Ort: Elzach-Oberprechtal<br />
Bildungsstätte Südwest<br />
Die Beteiligungsrechte des Betriebsrates<br />
Termin: 05.10.11 - 07.10.11<br />
Ort: Regensburg<br />
Bildungsstätte Bayern<br />
Die Beteiligungsrechte des Betriebsrates<br />
Termin: 19.10.11–21.10.11<br />
Ort: Würzburg<br />
Bildungsstätte Bayern<br />
Die Beteiligungsrechte des Betriebsrates<br />
Termin: 19.10.11–21.10.11<br />
Ort: Elzach-Oberprechtal<br />
Bildungsstätte Südwest<br />
BR-Wissen für Profis<br />
Neue Arbeitsgesetze <strong>und</strong> aktuelle<br />
Rechtsprechung<br />
Termin: 17.10.11–20. 10.11<br />
Ort: Treis-Karden / Pfalz<br />
Bildungsstätte<br />
Rheinland-Pfalz/Saar<br />
Die Beteiligungsrechte des Betriebsrates<br />
Termin: 19.10. 11–21.10.11<br />
Ort: Elzach-Oberprechtal<br />
Bildungsstätte Südwest<br />
Die Beteiligungsrechte des Betriebsrates<br />
Termin: 09.11.11–11.11.11<br />
Ort: Wensickendorf<br />
Bildungsstätte Berlin<br />
20<br />
Seminare<br />
Betriebs- <strong>und</strong> Personalrats-Seminare im 2. Halbjahr <strong>2011</strong><br />
Fachseminare für Betriebsräte<br />
Wirtschaftsausschuss<br />
Termin: 19.09.11–22.09.11<br />
Ort: Dahn / Pfalz<br />
Bildungsstätte<br />
Rheinland-Pfalz / Saar<br />
Betriebsvereinbarungen<br />
Termin: 26.10. 11–28.10.11<br />
Ort: Elzach-Oberprechtal<br />
Bildungsstätte Südwest<br />
Arbeitnehmerdatenschutz<br />
Termin: 23.11.11–25.11.11<br />
Ort: Würzburg<br />
Bildungsstätte Bayern<br />
Arbeitsrecht II<br />
Die wichtigsten Arbeitsgesetze im<br />
Überblick<br />
Termin: 23.11. 11–25.11.11<br />
Ort: Elzach-Oberprechtal<br />
Bildungsstätte Südwest<br />
Termin: 31.10.11–04.11.11<br />
Ort: Bad Zwischenahn<br />
Bildungsstätte Nordwest<br />
(Bremen)<br />
BR-Wissen kompakt<br />
Termin: 30.11.11–02.12.11<br />
Ort: Nürnberg<br />
Bildungsstätte Bayern<br />
Spezialseminare für Betriebsräte<br />
Betriebs-/Personalversammlung:<br />
Rhetorik, Kommunikation<br />
Termin: 28.09.11–30.09.11<br />
Ort: Elzach-Oberprechtal<br />
Bildungsstätte Südwest<br />
Handel im Wandel<br />
Neues im Arbeits- <strong>und</strong> Tarifrecht<br />
Termin: 05.10.11–06.10.11<br />
Ort: Willingen<br />
Bildungsstätte NRW<br />
Mobbing<br />
Termin: 12.10.11–14.10.11<br />
Ort: Elzach-Oberprechtal<br />
Bildungsstätte Südwest<br />
Geschäfts- <strong>und</strong> Schriftführung des<br />
Betriebsrates<br />
Termin: 09.11.11–11.11.11<br />
Ort: München<br />
Bildungsstätte Bayern<br />
Arbeitsrecht aktuell<br />
Neue Arbeitsgesetze <strong>und</strong> aktuelle<br />
Rechtsprechung<br />
Termin: 30.11.11–02.12.11<br />
Ort: Elzach-Oberprechtal<br />
Bildungsstätte Südwest<br />
Arbeitsrecht aktuell<br />
Neue Arbeitsgesetze <strong>und</strong> aktuelle<br />
Rechtsprechung<br />
Termin: 14.12.11–16.12.11<br />
Ort: Elzach-Oberprechtal<br />
Bildungsstätte Südwest<br />
Personalratsseminare<br />
Aufbauseminare für Personalräte<br />
Seminar nach dem LPVG Baden-<br />
Württemberg:<br />
Die Beteiligungsrechte als Personalrat<br />
Termin: 16.11.11–18.11.11<br />
Ort: Hüfingen-Fürstenberg<br />
Bildungsstätte Südwest<br />
Arbeitsrecht II<br />
Die wichtigsten Arbeitsgesetze im<br />
Überblick<br />
Termin: 23.11. 11–25.11.11<br />
Ort: Elzach-Oberprechtal<br />
Bildungsstätte Südwest<br />
Fachseminare für Personalräte<br />
TVöD Eingruppierungsrecht<br />
Termin: 05.10.11 – 07.10.11<br />
Ort: Elzach-Oberprechtal<br />
Bildungsstätte Südwest<br />
Arbeitsrecht aktuell<br />
Neue Arbeitsgesetze <strong>und</strong> aktuelle<br />
Rechtsprechung<br />
Termin: 30.11.11–02.12.11<br />
Ort: Elzach-Oberprechtal<br />
Bildungsstätte Südwest<br />
Arbeitsrecht aktuell<br />
Neue Arbeitsgesetze <strong>und</strong> aktuelle<br />
Rechtsprechung<br />
Termin: 14.12.11–16.12.11<br />
Ort: Elzach-Oberprechtal<br />
Bildungsstätte Südwest<br />
Deutsche<br />
Angestellten<br />
Zeitung<br />
Herausgeber:<br />
<strong>DHV</strong> – Die Berufsgewerkschaft im CGB (Sitz Hamburg)<br />
Droopweg 31, 20537 Hamburg<br />
Schriftleitung: Jörg Hebsacker (he)<br />
Mitarbeit: Lucas Breuckmann (LBr), Hening Röders (rö),<br />
Gunter Smits (gs), Klaas Kuhlmann, Anne Kiesow (ak),<br />
Michael Schulz<br />
Verlag <strong>und</strong> Anzeigenverwaltung:<br />
<strong>DHV</strong>-Dienstleistungs GmbH<br />
Telefon: (0 40 ) 63 28 020<br />
Telefax: (0 40 ) 63 28 0218<br />
eMail: GmbH@dhv-cgb.de<br />
Internet: www.dhv-cgb.de<br />
Satz: Copy-Druck GmbH, Hamburg<br />
Druck: WL-Druck, Seevetal<br />
Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier.<br />
Bezugspreis:<br />
Für <strong>DHV</strong>-Mitglieder durch den Mitgliedsbeitrag abgegolten.<br />
Gültige Anzeigenpreisliste Nr. 6 vom 1. Juli 2003.<br />
■<br />
DAZ 04/<strong>2011</strong>
Bonus für treue Aktionäre?<br />
Wenn Politiker sich zur Börse äußern,<br />
kommt selten etwas Gescheites heraus.<br />
So möchte die Regierungskoalition<br />
doch tatsächlich durchsetzen, dass<br />
langjährige Aktionäre eine höhere<br />
Dividende bekommen als eher kurzfristig<br />
agierende Anleger – ganz so, wie<br />
man es von klassischen Bank spar -<br />
plänen kennt: mit steigender Einzah -<br />
lungsdauer klettert hier die Verzinsung<br />
(bzw. Bonus). Die Folge: treue Prä -<br />
miensparer, keine habgierigen Speku -<br />
lanten. So etwas wünscht sich mancher<br />
Volksvertreter auch für den Aktien -<br />
markt. Über die praktische Um setz -<br />
barkeit oder die logischen Folgen hat<br />
man sich wohl keine Gedanken gemacht.<br />
Denn Dividenden sind etwas<br />
komplett anderes als Zinszahlungen!<br />
So ist es den Politikern entgangen, dass<br />
es an der Börse einen Dividen den ab -<br />
schlag gibt. Am Tag der Ausschüttung<br />
verringert sich der Aktienkurs in der<br />
Regel um den Betrag der Dividende.<br />
Das ist logisch: Zahlt ein Unternehmen<br />
wie Daimler für 2010 eine Dividende<br />
von 1,85 Euro je Aktie, bedeutet das einen<br />
Geldabfluss von r<strong>und</strong> 2 Mrd. Euro.<br />
Den Umgang mit Geld lernen<br />
Im Mittelpunkt der aktuellen Bil -<br />
dungspolitik stehen die Schulre for men,<br />
an die Bildungsinhalte scheint man wenig<br />
zu denken, obwohl sie das eigentliche<br />
Ziel jeglicher Bildungs aufgabe<br />
sind: Wie bereiten wir unsere Kinder<br />
<strong>und</strong> Jugend lichen auf das wirkli che<br />
Leben vor? Ein Aspekt dazu sei hier angesprochen.<br />
Auch wenn man nicht dem Gr<strong>und</strong> satz<br />
huldigt, dass Geld die Welt regiert,<br />
kommt man nicht um die Feststellung<br />
herum, dass richtiger Umgang mit Geld<br />
Fünf Billionen Euro!<br />
Noch nie zuvor hatten die Deutschen so viel<br />
Geld auf der hohen Kante liegen wie heute:<br />
Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung stiegen<br />
im vergangenen Jahr auch die<br />
Ersparnisse der Deut schen – <strong>und</strong> zwar auf<br />
Rekordniveau. Das Geldvermögen der privaten<br />
Haus halte summierte sich Ende 2010<br />
auf 4,93 Billionen Euro, ein Plus von 5 %<br />
gegenüber dem Vorjahr, wie der Bun -<br />
desverband <strong>Deutscher</strong> Banken mitteilte.<br />
Zwei Drittel (66 %) des Vermögens ruhten<br />
klassisch auf einem Bankkonto, waren<br />
Bargeld oder Geldanlagen bei<br />
Versicherungen. Nur 5 % der Erspar nisse<br />
DAZ 04/<strong>2011</strong><br />
Aktionärvereinigung<br />
Dieses Geld befindet sich nicht mehr<br />
auf den Konten von Daimler, sondern<br />
auf jenen der Aktionäre. Daimler ist<br />
2 Mrd. Euro weniger wert als vor der<br />
Dividendenzahlung. Genau dieser<br />
Sach verhalt kommt im Dividen den -<br />
abschlag zum Ausdruck.<br />
Was würde passieren, wenn Daimler<br />
die Dividende – wie vorgeschlagen –<br />
proportional zur Haltedauer verteilte?<br />
Wer den Titel zwei Jahre im Depot hat,<br />
kassiert 2 Euro je Aktie; Anleger, die<br />
bereits fünf Jahre investiert sind, erhalten<br />
2,30 Euro; wer erst sechs Monate<br />
dabei ist, bekommt nur 80 Cent; Neu -<br />
einsteiger vielleicht überhaupt nichts.<br />
Unterm Strich mag die Dividen den -<br />
summe immer noch bei 2 Mrd. Euro<br />
liegen. Folgerichtig müsste der<br />
Daimler-Konzern nach der Aus schüt -<br />
tung an der Börse um exakt diesen<br />
Betrag weniger wert sein; bei<br />
1,07 Milliarden existierenden Aktien<br />
bedeutet das einen Abschlag von 1,85<br />
Euro je Aktie. Das wäre ein schlechtes<br />
Geschäft für neue Daimler-Aktionäre:<br />
0,80 j Dividende, aber 1,85 j Dividen -<br />
denabschlag! Wer würde da noch<br />
eine Gr<strong>und</strong> voraussetzung des Lebens<br />
ist. Geld verdienen <strong>und</strong> maßvoll wieder<br />
auszugeben <strong>und</strong> die Kon trolle darüber<br />
zu behalten, ist praktische Lebens vor -<br />
bereitung. Wichtig ist, dass Abituri -<br />
enten nicht nur Integ ralrechnung oder<br />
Logarithmen beherrschen, sondern<br />
auch Drei satz <strong>und</strong> Zinses zinsrechnung.<br />
Das gilt auch für Haupt-, Real - <strong>und</strong><br />
Gesamtschüler.<br />
Zur Lebensvorbereitung gehört auch<br />
die Frage, was man mit dem Geld<br />
macht, dass man gerade nicht zur<br />
wurden in Aktien investiert – obwohl die<br />
Börsenkurse stiegen <strong>und</strong> das<br />
Aktienvermögen dadurch um 20 % zunahm.<br />
Vor 50 Jahren, zu Zeiten eines deutlich<br />
niedrigeren Wohlstandsniveaus als heute,<br />
lag der Aktienanteil am Geldvermögen<br />
laut Bankenverband noch bei über 20 %!<br />
Eine Studie der Bank of Scotland betätigt<br />
die Deutschen als Spar-Welt meister. Über<br />
ihr Anlageverhalten stellt sie ihnen aber ein<br />
schlechtes Zeugnis aus. Jeder Vierte weiß<br />
nicht, wie viele Zinsen er für seine<br />
Sparanlagen erhält. Und relativ viele Sparer<br />
Dividendentitel kaufen? Das kann nicht<br />
im Sinne des Erfinders sein <strong>und</strong> wäre<br />
eine weitere Beschädigung der<br />
Aktienkultur in Deutschland, die mit<br />
dem Vorschlag doch verbessert werden<br />
soll.<br />
Eigentlich will die B<strong>und</strong>esregierung<br />
das Spekulantentum bekämpfen <strong>und</strong><br />
langfristige Aktienanleger begünstigen.<br />
Das ist richtig! Sollte die B<strong>und</strong>es regie -<br />
rung ihre politische Absicht ernst nehmen,<br />
gäbe es einen ganz einfachen<br />
Weg, der garantiert zum Erfolg führt:<br />
➤ Abschaffung der Abgeltungssteuer<br />
<strong>und</strong><br />
➤ Verzicht auf die Versteuerung<br />
langfristiger Kursgewinne (das sind<br />
nämlich keine Spekulations -<br />
gewinne).<br />
Dies würde die langfristige Aktien -<br />
anlage garantiert mehr fördern, als das<br />
jetzt angedachte Durcheinander unterschiedlicher<br />
Dividenden.<br />
Jörg Hebsacker ■<br />
Vorsitzender der <strong>DHV</strong>-<br />
Aktionärvereinigung<br />
Deckung des unmittel baren Lebens -<br />
unterhalts benötigt – um die Geld -<br />
anlage. Die Deutschen sparen demnach<br />
wie die Weltmeister, vom Geld anlegen<br />
verstehen sie in der Mehrheit aber<br />
nichts.<br />
Ich wünsche mir Anleger, die Vor- <strong>und</strong><br />
Nachteile abwägen, ihre Entschei dun -<br />
gen treffen <strong>und</strong> damit hoffent lich eine<br />
ordentliche Rendite er zielen können.<br />
Jörg Hebsacker ■<br />
kennen nicht einmal die gesetzliche<br />
Einlagen siche rung. Das beliebteste Produkt<br />
ist <strong>und</strong> bleibt wie zu Omas Zeiten das Spar -<br />
buch, auch wenn es dafür nur mickrige<br />
Renditen von 0,2 bis 0,5 % gibt. Aus<br />
Unsicherheit <strong>und</strong>/oder Unwissenheit verschenken<br />
die Bürger jedes Jahr viel Geld.<br />
Der Fondsverwalter Fidelity hat einmal berechnet,<br />
dass die Deutschen bei einer besseren<br />
Geldanlage 27 Mrd. Euro mehr Rendite<br />
erzielen könnten!<br />
he ■<br />
21
In der Bevölkerung rumort es, da die<br />
Erwartungen von der Politik in vielen<br />
Bereichen nicht erfüllt werden. Der<br />
schwarz-gelbe Wahlerfolg 2009 war<br />
von Versprechungen, wie Steuer reform<br />
(Abbau der „kalten Pro gres sion”) oder<br />
Abbau der Bürokratie beflügelt.<br />
Stattdessen folgt die Fortsetzung des<br />
Marsches in den Regulierungsstaat,<br />
Energiewende, Rente mit 67, eine verkorkste<br />
Ges<strong>und</strong>heitsreform, nach der<br />
künftige Beitragserhöhungen nur<br />
noch von Arbeitnehmern geschultert<br />
werden müssen. Die Verunsicherung<br />
um den Euro, die Risiken der<br />
Griechenland-Hilfe, der Wegfall des<br />
Zivildienstes wegen der B<strong>und</strong>es -<br />
wehrreform <strong>und</strong> dessen Ersetzung<br />
22<br />
CGB<br />
CGB-B<strong>und</strong>esvorsitzender Matthäus Strebl:<br />
Politik darf nicht nur vom Zeitgeist bestimmt werden<br />
CGB zu Gast bei der CDA<br />
Neben vielen prominenten Gästen aus<br />
Politik, Gewerkschaften <strong>und</strong> Wirtschaft<br />
wurden auch die B<strong>und</strong>es geschäfts -<br />
führerin des CGB, Anne Kiesow, <strong>und</strong><br />
der CGB-Generalsekretär Christian<br />
Hertzog als offizielle Vertreter des<br />
CGB auf der 34. CDA-B<strong>und</strong>estagung<br />
Ende Mai <strong>2011</strong> in Berlin begrüßt.<br />
Das Motto der B<strong>und</strong>estagung „sozial.gerecht.<br />
Arbeit in Würde – Alter in<br />
Würde“ war zugleich Titel des Leit -<br />
antrags, der von den Delegierten diskutiert<br />
<strong>und</strong> verabschiedet wurde. Kern -<br />
punkt der Diskussion war die Frage,<br />
wie Arbeit <strong>und</strong> Arbeitsleben menschenwürdig<br />
gestaltet werden können <strong>und</strong><br />
wie sich daraus ein würdevoller Ruhe -<br />
stand gestalten <strong>und</strong> finanzieren lässt.<br />
Die zahlreichen aktiven Dele gierten aus<br />
den Reihen des CGB beteiligten sich<br />
durch einen gutgemeinten Frei wil -<br />
ligendienst, dem jedoch die Frei -<br />
willigen fehlen: Die negativ bewerteten<br />
Politikfelder überlagern, dass die<br />
große Wirtschaftskrise relativ gut gemeistert<br />
wurde <strong>und</strong> Deutschland wieder<br />
zur Wirtschaftslokomotive Euro -<br />
pas wurde.<br />
Der Unmut der Menschen wird durch<br />
eine demoskopiegesteuerte Regie -<br />
rungs weise verstärkt. Eine Politik, die<br />
stark auf Umfragen schielt, die ihr<br />
Handeln an der öffentlichen bzw. der<br />
veröffentlichen Meinung ausrichtet,<br />
kann nur scheitern, weil sie die vorhandenen<br />
Probleme nicht in der Sache<br />
löst, von einer ordnungspolitischen<br />
Linie ganz zu schweigen.<br />
lebhaft an dieser Diskussion, denn auch<br />
im CGB beobachtet man die Zunahme<br />
der Altersarmut mit Sorge. Konsequen -<br />
terweise vertraten die CGB-Vertreter<br />
die Meinung, dass Arbeitnehmer nach<br />
45 Beitragsjahren abschlagsfrei in<br />
Rente gehen können – auch <strong>und</strong> gerade<br />
schon vor dem 65. Lebensjahr. Es ist erfreulich,<br />
dass CGB <strong>und</strong> CDA in dieser<br />
Frage einer Meinung sind.<br />
Auf der B<strong>und</strong>estagung wurde auch der<br />
CDA-B<strong>und</strong>esvorstand neu gewählt.<br />
Alter <strong>und</strong> neuer B<strong>und</strong>esvorsitzender ist<br />
Karl-Josef Laumann, derzeitig CDU-<br />
Fraktionsvorsitzender im Landtag von<br />
Nordrhein-Westfalen.<br />
Zum 1. Stellvertreter wurde Christian<br />
Bäumler aus Baden-Württemberg gewählt.<br />
Er löst Gerald Weiß ab, der zum<br />
Ehrenvorsitzenden gewählt wurde. Als<br />
52. ADM-B<strong>und</strong>esverbandstag in Brandenburg<br />
Vom 25. bis 28. Mai <strong>2011</strong> fand in Cott -<br />
bus der 52. B<strong>und</strong>esverbandstag des<br />
ADM (Arbeitnehmerverband deutscher<br />
Milchkontroll- <strong>und</strong> Tierzucht bediens -<br />
teter) statt. Der ADM-B<strong>und</strong>es vorsitzende<br />
Sönke Clasen konnte neben den Dele -<br />
gierten, auch zahlreiche Eh ren gäste aus<br />
Verbänden, Politik <strong>und</strong> Wirtschaft willkommen<br />
heißen, darunter auch die<br />
B<strong>und</strong>esvorsitzenden der christ lichen<br />
Schwestergewerkschaften <strong>DHV</strong>, Gunter<br />
Smits, sowie der CGPT, Ulrich Bösl.<br />
Vom CGB waren die B<strong>und</strong>es ge -<br />
schäftsführerin Anne Kiesow <strong>und</strong> Gene -<br />
ralsekretär Christian Hertzog gekom-<br />
men. In seinem Grußwort hob Hertzog<br />
die Bedeutung des ADM für den CGB<br />
hervor <strong>und</strong> würdigte ihre engagierte <strong>und</strong><br />
erfolgreiche gewerkschaftliche Arbeit.<br />
Der ADM-B<strong>und</strong>esvorsitzende Sönke<br />
Clasen wurde für eine weitere Amtszeit<br />
wie der gewählt, ebenso wie sein Stell -<br />
vertreter Jürgen Thiele <strong>und</strong> das Vor -<br />
standsmitglied Sabine Hopp. Das langjährige<br />
geschäftsführende Vorstands -<br />
mit glied Wolfgang Jazosch schied altershalber<br />
aus; als Nachfolger wurde<br />
Manfred Regele aus Baden-Würt -<br />
temberg in den Vorstand gewählt.<br />
■<br />
Es ist nicht zu fragen, was ankommt,<br />
sondern worauf es ankommt. Und wer<br />
dem Zeitgeist nachläuft, der wird in<br />
der Politik schnell Witwer sein. Wer<br />
glaubt, er sei „alternativlos”, der irrt<br />
gewaltig, Alternativen gibt es immer<br />
<strong>und</strong> für alles. Eine Partei <strong>und</strong> ihre<br />
Politiker müssen stattdessen einen<br />
„Markenkern“ haben.<br />
Der CGB fordert daher mehr Ver -<br />
lässlichkeit, Berechenbarkeit <strong>und</strong> Be -<br />
ständigkeit in der Politik, damit der<br />
Wählerauftrag im Sinne der Eides -<br />
formel – „zum Wohle des Volkes <strong>und</strong><br />
Schaden vom Deutschen Volk abwenden...“<br />
– ausgeführt wird.<br />
■<br />
weitere Stellvertreter sind Staats -<br />
sekretär Dr. Ralf Brauksiepe MdB, Elke<br />
Hannack, Alexander Krauß MdL, Dr.<br />
Max Matthiesen MdL, Ingrid Sehr -<br />
brock <strong>und</strong> Dr. Matthias Zimmer MdB<br />
gewählt worden. Der CGB freut sich<br />
besonders über die Wiederwahl des<br />
GÖD-Mitglieds Monika Sturm in den<br />
CDA B<strong>und</strong>esvorstand.<br />
Der CGB gratuliert allen gewählten<br />
CDA-Vorstandsmitgliedern zu ihrer<br />
Wahl <strong>und</strong> wünscht ihrer politischen<br />
Arbeit für die Arbeitnehmerschaft viel<br />
Erfolg.<br />
■<br />
Wahlerfolg bei der<br />
Telegate AG<br />
Bei den kürzlich stattgef<strong>und</strong>enen Auf -<br />
sichtsratswahlen bei der Telegate AG<br />
konnte die Christliche Gewerk schaft<br />
Post service <strong>und</strong> Telekom munikation<br />
(CGPT) beide Gewerk schafts sitze gewinnen.<br />
Auf der CGPT-Gewerkschaftsliste<br />
wurden Ilona Rosenberg <strong>und</strong> Silke Lich -<br />
ner in den Telegate-Aufsichtsrat gewählt.<br />
Mit der Wahl der Rostocker Be triebs -<br />
ratsvorsitzenden Anett Kaczo rak als<br />
Arbeit nehmervertreterin in den Auf -<br />
sichts rat der Telegate AG verbuchte die<br />
CGPT für ihr Mitglied einen weiteren<br />
Wahlerfolg. Damit gehört die Hälfte aller<br />
Arbeitneh mer vertreter in diesem Un -<br />
ternehmen der CGPT an.<br />
■<br />
DAZ 04/<strong>2011</strong>
Seit 2005 sind Rentner nicht nur für die<br />
laufenden gesetzlichen Rentenbezüge<br />
sozialversicherungspflichtig, sondern<br />
über eine komplizierte Errechnungs -<br />
methode auch für Kapitalleistungen aus<br />
Direktversicherungen <strong>und</strong> Pensions kas -<br />
sen, <strong>und</strong> zwar unabhängig davon, ob eine<br />
Einmalzahlung oder eine monatliche<br />
Leistung vereinbart sind. Die anfallenden<br />
Sozialabgaben können dann in der<br />
Steuererklärung als Sonderausgaben<br />
ab gesetzt werden.<br />
Seit 2005 besteht für alle Einkünfte von<br />
Rentnern Einkommenssteuerpflicht.<br />
Das ist vielen Rentnern immer noch<br />
nicht bewusst (wir hatten schon mehrfach<br />
darauf hingewiesen). Zwar haben<br />
die Finanzämter bis 2009 <strong>und</strong> 2010 wenig<br />
unternommen, um die Rentner zu<br />
informieren oder gar an die fälligen<br />
Steuern heranzukommen. Das lag daran,<br />
dass sie dazu weder die technischen<br />
noch personellen Voraussetzungen hatten.<br />
Der Anspruch auf die Steuern<br />
bleibt jedoch bestehen. Und jetzt sind<br />
die Finanzämter <strong>und</strong> damit auch die betroffenen<br />
Rentner dran!<br />
Die Einführung der Steueridentifi ka -<br />
tionsnummer ermöglicht den gläsernen<br />
DAZ 04/<strong>2011</strong><br />
Forum<br />
Rentenbesteuerung <strong>und</strong> Sozialabgaben für Kapitalleistungen<br />
Lohnsteuerkarte 2010<br />
gilt auch noch für <strong>2011</strong><br />
Die Lohnsteuerkarte 2010 behält für<br />
den Übergangszeitraum ab <strong>2011</strong> bis<br />
zur erstmaligen Anwendung der elek -<br />
tronischen Lohnsteuerabzugs merk -<br />
male (vor aus sichtlich zum 1.1. 2012)<br />
ihre Gül tigkeit. Nachdem nun auch<br />
das Projekt ELENA gestoppt wurde,<br />
bleibt sie vielleicht sogar noch länger<br />
gültig. Daraus ergeben sich Konse -<br />
quenzen für die Praxis:<br />
Arbeitgeber<br />
Die Lohnsteuerkarte 2010 darf nicht<br />
vernichtet werden. Die Eintragungen<br />
auf der Lohnsteuerkarte sind auch für<br />
den Lohnsteuerabzug <strong>2011</strong> zugr<strong>und</strong>e<br />
zu legen.<br />
Bei einem Wechsel des Arbeitgebers<br />
sollte der bisherige Arbeitgeber eine<br />
Fotokopie der an den Arbeitnehmer<br />
auszuhändigenden Lohnsteuerkarte<br />
2010 zu den Akten nehmen.<br />
Wird <strong>2011</strong> erstmalig eine LST-Karte<br />
benötigt, stellt das Finanzamt eine<br />
Ersatzbescheinigung aus, die die<br />
LST-Karte ersetzt. Eine Ausnahme<br />
besteht für ledige Arbeitnehmer, die<br />
Rentner. Über sie wird elektronisch zusammengetragen,<br />
was deutsche Ruhe -<br />
ständler an Altersbezügen aus verschiedensten<br />
Quellen <strong>und</strong> als Kapital leis -<br />
tungen seit 2005 erhalten haben. Alle<br />
Rentenversicherungsträger, Pensions -<br />
kassen, betriebliche Altersvorsorgeein -<br />
richtungen, Banken, Sparkassen, Le -<br />
bens versicherungen usw. melden an eine<br />
zentrale Stelle die von ihnen gegenüber<br />
Rentnern erbrachten Leistungen.<br />
Von dieser zentralen Stelle werden,<br />
wieder auf elektronischem Wege, die<br />
für die Rentner zuständigen Finanz -<br />
ämter informiert. Diese tragen jetzt alle<br />
Fakten zusammen <strong>und</strong> stellen fest, welche<br />
Rentner steuerpflichtig werden. Sie<br />
erhalten eine Art „blauen Brief“ mit der<br />
Aufforderung, eine Steuererklärung abzugeben,<br />
obwohl deutsche Bürger, also<br />
auch Rentner, eigenverantwortlich zur<br />
Abgabe einer persönlichen Einkom -<br />
menssteuererklärung verpflichtet sind.<br />
Ergibt sich aus der Einkommens -<br />
steuererklärung, dass auf Gr<strong>und</strong> dauerhafter<br />
Einkommensverhältnisse keine<br />
Steuerpflicht besteht, wird der Rentner<br />
von der Pflicht zur Abgabe einer<br />
Einkommenssteuererklärung befreit.<br />
ein Ausbildungsverhältnis beginnen.<br />
Hier soll eine Erklärung des<br />
Arbeitnehmers ausreichen, die zum<br />
Lohnkonto zu nehmen ist.<br />
Arbeitnehmer<br />
Änderungen der Lohnsteuerabzugs -<br />
merk male nehmen ausschließlich die<br />
zuständigen Finanzämter vor.<br />
Wird im Jahr <strong>2011</strong> erstmals eine<br />
Lohnsteuerkarte benötigt, wird vom<br />
zuständigen Finanzamt eine Ersatz -<br />
be scheinigung ausgestellt, die dem<br />
Ar beit geber zu übergeben ist.<br />
Arbeitnehmer sind verpflichtet, ihre<br />
Lohnsteuerkarte 2010 ändern zu lassen,<br />
wenn die Eintragungen 2010 zu<br />
ihren Gunsten abweichen, z. B. bzgl.<br />
Steuerklasse nach Ehescheidung oder<br />
Wegfall von Kinderfreibeträgen.<br />
Verringern sich die eingetragenen<br />
Frei beträge, z. B. durch Wegfall von<br />
Werbungskosten gegenüber 2010,<br />
kann ebenfalls eine Korrektur beantragt<br />
werden, um Nachzahlungen zu<br />
vermeiden.<br />
■<br />
Ohne diese Befreiung muss er weiterhin<br />
eine jährliche Einkommens -<br />
steuererklärung abgeben, auch wenn<br />
gar keine Einkommenssteuer entstanden<br />
war.<br />
Die umfassende Steuerpflicht wurde<br />
2005 eingeführt, wenn auch bisher<br />
noch nicht überall umgesetzt. Wer nach<br />
den neuen Erkenntnissen der Finanz -<br />
ämter steuerpflichtig ist <strong>und</strong> bis jetzt<br />
noch keine Steuererklärung abgegeben<br />
hat, muss die Steuer in voller Höhe<br />
nachzahlen. Dazu kommen 6 % Zinsen,<br />
die für die Zeit ab dem 15. Monat nach<br />
dem Ende des Steuerjahres fällig werden:<br />
wer für das Jahr 2005 steuerpflichtig<br />
ist, muss ab März 2007 für die anfallenden<br />
Steuern Zinsen zahlen. Dazu<br />
kann das Finanzamt noch Versäum -<br />
niszuschläge wegen der verspäteten<br />
Steuer erklärungen verlangen. Teuer<br />
wird das allzumal.<br />
Strafverfahren oder eine Steuer fahn -<br />
dung haben Rentner üblicherweise<br />
nicht zu erwarten, es sei denn, ein<br />
Rentner hätte bewusst in größerem<br />
Umfang seine Steuerpflichten verletzt<br />
<strong>und</strong> Steuern hinterzogen. Ratschlag an<br />
alle Rentner: Unverzüglich eine<br />
Steuererklärung abgeben, soweit das<br />
zurück bis 2005 noch nicht geschehen<br />
ist. Steuerberater <strong>und</strong> Lohnsteuer -<br />
hilfevereine leisten dabei Hilfestellung.<br />
he ■<br />
Informationen zum<br />
Steuerrecht<br />
Die neuen Regelungen zur Besteue rung<br />
von Renten <strong>und</strong> steuerlichen Freistellung<br />
von Beiträgen zur Alters vor sorge gelten<br />
bereits seit 2005. Das Interesse an diesem<br />
Thema ist dennoch ungebrochen. Die<br />
Deutsche Ren ten versicherung hat daher<br />
weiterhin die Broschüre „Ver sicherte <strong>und</strong><br />
Rent ner: Informationen zum Steuer -<br />
recht” im Angebot. Sie bietet Rent nern,<br />
Ar beitnehmern <strong>und</strong> Selb stän di gen einen<br />
Überblick über das Thema.<br />
Die kostenlose Broschüre ist in der<br />
5. Auflage, Stand 9/2010 erschienen <strong>und</strong><br />
kann bei der DRB B<strong>und</strong> bezogen werden:<br />
E-Mail: redaktion-aktuell@drv-b<strong>und</strong>.de<br />
Telefon: 030-865-24536<br />
Fax: 030-865-27089<br />
Internet:<br />
www.deutsche-rentenversicherung-b<strong>und</strong>.de.<br />
■<br />
23
Deutsche Angestellten Zeitung<br />
Verlag: <strong>DHV</strong>-Dienstleistungs GmbH<br />
Postfach 261351, 20503 Hamburg<br />
Postvertriebsstück C 2223 F, Deutsche Post AG<br />
Entgelt bezahlt<br />
ISSN 0178-6717<br />
24<br />
Südafrika – Reise in ein faszinierendes Land<br />
Über kaum ein afrikanisches Land wurde in den vergangenen<br />
Jahrzehnten so viel geschrieben <strong>und</strong> berichtet wie Südafrika.<br />
Apartheid, Nelson Mandela, Fußball WM – wer kennt nicht<br />
diese Schlagwörter <strong>und</strong> den berühmten ersten schwarzen<br />
Präsidenten dieses Staates?<br />
Aber Südafrika kann man sich nicht erlesen oder im Fern -<br />
sehen sehen, man muss es bereisen. Nur so kann man einen<br />
Eindruck von diesem faszinierenden<br />
Land erhalten. Dieses<br />
Glück hatten wir während einer<br />
zweiwöchigen Familien r<strong>und</strong> -<br />
reise über Ostern dieses Jahres.<br />
Kapstadt die Perle am Atlan -<br />
tischen <strong>und</strong> Indischen Ozean<br />
Kapstadt ist eine Metropole, die<br />
w<strong>und</strong>erschön an zwei Ozeanen<br />
liegt <strong>und</strong> die eigentlich kaum<br />
dem Klischee einer afrikanischen<br />
Stadt entspricht. Kapstadt<br />
strahlt mit seiner Hafen pro -<br />
menade, dem Parlamentspark,<br />
den Einkaufs straßen <strong>und</strong> den<br />
Stränden eher ein europäisches,<br />
mediterranes Flair aus. Ein Muss<br />
ist der Besuch des Tafelbergs,<br />
der einen atemberaubenden<br />
Blick auf die Stadt, den At lan -<br />
tischen <strong>und</strong> den Indischen Ozean<br />
bietet. Dass Kapstadt eine der<br />
gefährlichsten Metropolen sein<br />
soll, ist – was zumindest die Hafenpromenade angeht – ein<br />
Gerücht. Jedenfalls war der Abendspaziergang auf der beliebten<br />
Flaniermeile mit den vielen Restaurants, dem Rie sen -<br />
rad <strong>und</strong> dem weltberühmten Aquarium nicht gefährlicher als<br />
in anderen europäischen Großstädten<br />
Verregnete Reise an Afrikas Südspitze<br />
Afrika, der Kontinent der Sonne, Wärme <strong>und</strong> der Trockenheit<br />
– diesem Ruf wurde unser Ausflug an das südliche Ende<br />
Afrikas nicht gerecht, im Gegenteil: Es regnete in Strömen,<br />
<strong>und</strong> die Temperatur betrug an diesem Tag nur r<strong>und</strong> 15 Grad.<br />
Es war halt ein Tag, der für den südafrikanischen Spätherbst<br />
durchaus als typisch gelten kann. Der guten Stimmung tat<br />
der Regen aber keinen Abbruch, zumal dieser nachließ, als<br />
wir am Kap der Guten Hoffnung die spektakuläre Aussicht<br />
auf die Ozeane genießen konnten.<br />
Wilde Tiere<br />
Ein Besuch einer der vielen Tierreservate ist Pflicht. Es muss<br />
nicht unbedingt der Krüger Nationalpark sein. Wir verbrachten<br />
drei herrliche Tage in einem kleinen, aber feinen Wild -<br />
reservat. Es ist ein großer Unterschied, Löwen, Nashörner,<br />
Leoparden <strong>und</strong> Elefanten im Zoo oder in der freien Natur zu<br />
erleben. Mit dem Jeep über Grasland zu fahren, einer<br />
Elefantenherde friedlich beim Grasen oder Löwen beim<br />
Jagen zuzusehen, das macht den Reiz Südafrikas aus. Dem<br />
kann sich keiner entziehen. In der Lodge arbeiteten Schwarze<br />
<strong>und</strong> Weiße gleichberechtigt zusammen. Die Leitungs funk -<br />
tion übte ein Schwarzer aus. Das ist ein gutes Beispiel für ein<br />
Zusammenarbeiten der beiden Rassen.<br />
Reise zwischen zwei Welten<br />
An einem Abend waren wir bei<br />
Bekannten zum Abendessen<br />
außer halb Kapstadts eingeladen.<br />
Auf dem Hinweg standen wir auf<br />
der Autobahn im Stau. Kilo me -<br />
terlang reihen sich die Elends -<br />
viertel außerhalb Kapstadts entlang<br />
der Autobahn. Die Kinder<br />
spielen neben der Straße Fußball.<br />
Welche Zukunft haben diese<br />
Kinder, die in solch armseligen<br />
Behausungen aufwachsen?<br />
Zu den Bekannten konnte unser<br />
Taxi nicht so einfach hinkommen.<br />
Die Siedlung kann nicht mit dem<br />
Navigationsgerät geortet werden.<br />
Am Eingang des mit hohen<br />
Mauern <strong>und</strong> Stacheldraht umgebenen<br />
Areals steht ein Wär terhaus<br />
mit Schlagbaum. Erst nach<br />
Aufnahme der Per so nalien, der<br />
Abfrage des Gr<strong>und</strong>es unseres Besuches <strong>und</strong> einem Telefonat<br />
mit unserem Gastgeber konnten wir den Schlagbaum pas -<br />
sieren – wie eine Grenzkontrolle in ein fremdes Land. Selbst<br />
innerhalb der Siedlung gibt es Häuser, die von Mauern<br />
umgeben sind. Viele Bewohner fühlen sich trotz Bewachung<br />
<strong>und</strong> Mauerumgrenzung der Siedlung nicht sicher. Da<br />
muss noch eine weitere Mauer um das Haus gebaut werden.<br />
Solche Siedlungen gibt es überall in Afrika. Es gibt kaum ein<br />
Haus, das nicht von einer hohen Mauer <strong>und</strong> Stacheldraht umgeben<br />
ist. Was für eine Zukunft hat das Land, wenn der<br />
Gegensatz zwischen arm <strong>und</strong> reich so groß <strong>und</strong> die Furcht<br />
vor Kriminalität allgegenwärtig ist?<br />
„Ich bin vorsichtig optimistisch“ – Das sagte unser Reise -<br />
führer am Ende der Reise als persönliche Einschätzung zur<br />
Zukunft des Landes. Hoffentlich behält er Recht. Diesem<br />
großartigen Land ist es wirklich zu wünschen. Afrika hat<br />
schon genug Krisenregionen. Südafrika muss sich in diese<br />
ungute Tradition nicht noch einreihen. Das Land ist zwar auf<br />
einem guten Weg, aus der Gefahrenzone ist es aber noch<br />
längst nicht heraus.<br />
Henning Röders ■<br />
DAZ 04/<strong>2011</strong>