Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie 04/2012
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Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie 04/2012
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Themen <strong>der</strong> Zeit<br />
von Heilbemühungen eintritt, son<strong>der</strong>n sich einstellt trotz vergeblicher<br />
o<strong>der</strong> auch im Einzelfall nicht möglicher medizinischer Heilmaûnahmen.<br />
Im Volksglauben haben wir da<strong>für</strong> den Begriff des<br />
Wun<strong>der</strong>s. Dies gilt nicht nur <strong>für</strong> die Bewertung aus Sicht <strong>der</strong> Kranken.<br />
Die Vorstellung <strong>der</strong> gegenseitigen Ergänzung von medizinischer<br />
Wissenschaft und göttlicher Hilfe, d.h. von Heilkunst und<br />
Heilkult, findet sich auch bei ¾rzten in <strong>der</strong> frühen Antike. Wenn<br />
sie nicht mehr weiterwussten, wurde praktisch als letzte Instanz<br />
<strong>der</strong> Heilgott angerufen. Gläubige Katholiken wenden sich neben<br />
<strong>der</strong> direkten Bitte um göttliche Hilfe mit Gebet und Gelübde an<br />
Heilige, um durch <strong>der</strong>en Fürsprache von Gott Heilung zu erlangen<br />
(23). Ein beredtes Beispiel da<strong>für</strong> sind die zahlreichen Votivtafeln<br />
<strong>der</strong> Altöttinger Gnadenkapelle.<br />
Spiritualität und Glaube stellen sicher auch Konditionen im Bereich<br />
des Copings dar (24). Dabei gibt es bei wissenschaftlicher<br />
Analyse hinsichtlich eines positiven religiösen Copings auch<br />
eher überraschende Befunde. Letzteres korreliert z.B. eindeutig<br />
mit dem Wunsch nach einer aggressiveren Therapie im finalen<br />
Krankheitsstadium (25). Aktiv gläubige Menschen erhielten gemäû<br />
dieser Studie fast 3-mal häufiger eine intensive lebensverlängernde<br />
Therapie einschlieûlich einer Beatmung und Wie<strong>der</strong>belebungsmaûnahmen<br />
als die Patienten, die als weniger religiös<br />
eingestuft wurden. Ein Cochrane-Bericht befasste sich mit <strong>der</strong><br />
Bedeutung von Fürbitten auf die Lin<strong>der</strong>ung von Krankheitszuständen.<br />
Es wurden 10 Studien mit immerhin mehr als 7000 Patienten<br />
identifiziert, die randomisiert nach Gruppen mit und ohne<br />
Gebet waren. Dabei lieûen sich keine signifikanten Unterschiede<br />
darstellen (26).<br />
Zweifellos kann die Bedeutung von Gläubigkeit und Spiritualität<br />
<strong>für</strong> das Heilgeschehen nicht alleine mit rationalen Messparametern<br />
quantifiziert werden. Es muss den Einzelnen überlassen bleiben,<br />
den Patienten, ihren Angehörigen, den ¾rzten und den Pflegenden,<br />
ihr eigenes Verhältnis zur Kraft des Religiösen zu klären<br />
(24). Vertrauen ist die Grundlage jedes fruchtbaren Arzt-Patienten-Verhältnisses<br />
und ist nicht immer auf eindeutige Wenn-Dann-<br />
Beziehungen rationaler Gesetzmäûigkeiten mit reproduzierbaren<br />
Prozessen zurückzuführen. Nicht nur in <strong>der</strong> Medizin sollen Wissenschaft<br />
und Glaube keine Gegensätze darstellen. ¹Wo <strong>der</strong><br />
Glaube fehlt, helfen die Heiligen nicht, und wo es an Vertrauen<br />
mangelt, müht sich <strong>der</strong> Arzt vergebensª (27).<br />
Mit freundlicher Genehmigung aus: Cadenabbia-Gespräche Medizin-Ethik-Recht<br />
2011: Gesundheitssystem im Umbruch. V.<br />
Schumpelick, M. Borchard (Hrsg.), Her<strong>der</strong>-Verlag Freiburg <strong>2012</strong>,<br />
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Deutsche <strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong> <strong>Chirurgie</strong> ± <strong>Mitteilungen</strong> 4/12 309