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Glaube und Zweifel - Studi38

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Fotos: Maria Boger, Privat<br />

bekommen. „Wenn die Unternehmen<br />

eine Promotion fordern, hat man natürlich<br />

keine andere Wahl“, meint auch<br />

Dr. Ferdinand Esser. „Außerdem kann<br />

es mit Doktor leichter sein, sich im Unternehmen<br />

in Richtung Führungsebene<br />

durchzusetzen.“<br />

Auch bei Tobi gab die Verbesserung<br />

der Jobchancen den Ausschlag für die<br />

Promotion. Es sah auch alles gut aus.<br />

Das Thema seiner Dissertation war<br />

durch die Arbeiten seiner Vorgänger<br />

vorgegeben, er durfte selbst darüber<br />

entscheiden, welche Geräte angeschafft<br />

werden <strong>und</strong> war mit der Betreuung zufrieden.<br />

Die böse Überraschung kam,<br />

als er seinem Professor die erste Version<br />

seiner fertigen Doktorarbeit vorlegte.<br />

„Er hat erst mal ein halbes Jahr<br />

Zeit gebraucht, um meine Arbeit zu lesen<br />

<strong>und</strong> mir dann nur Textkorrekturen<br />

gegeben, obwohl es eigentlich um den<br />

Inhalt gehen sollte“, erzählt Tobi. Auch<br />

bei der überarbeiteten Version ließ sich<br />

sein Betreuer Zeit. „Nachdem wieder<br />

ein halbes Jahr nichts passiert ist, habe<br />

ich versucht ein bisschen Druck zu machen.<br />

Daraufhin hat mein Professor beschlossen<br />

die Arbeit einfach nicht zu lesen<br />

<strong>und</strong> mir per Mail mitzuteilen, dass<br />

das Ganze nicht gut genug ist <strong>und</strong> er es<br />

nicht bewerten wird.“<br />

Ganz anders lief es bei Martin Eisemann.<br />

Er hat Computervisualistik in<br />

Koblenz studiert<br />

<strong>und</strong> am Institut<br />

für Computergraphik<br />

der TU<br />

promoviert. Obwohl<br />

in Martins<br />

Fachrichtung keine<br />

Promotion nötig<br />

ist, um einen<br />

gut bezahlten Job<br />

zu finden, hat<br />

er sich entschieden<br />

an der Uni<br />

zu bleiben. „Mir<br />

wurde immer<br />

gesagt, wenn ich Geld verdienen will,<br />

dann soll ich es lassen <strong>und</strong> keinen Doktor<br />

machen. Wenn man direkt in die<br />

Wirtschaft geht, verdient man sehr viel<br />

mehr“, erzählt er. Doch Martin wollte<br />

nicht in die Wirtschaft, sondern in die<br />

Wissenschaft. Fünf Jahre hat er an seiner<br />

Dissertation gearbeitet, gerade hat<br />

er eine Postdoc-Stelle an seinem Institut<br />

bekommen, das nächste Ziel heißt Professor.<br />

„Ich finde die wissenschaftliche<br />

Arbeit spannender <strong>und</strong> das Umfeld toll.<br />

Mir graut es vor Fabrikgeländen. Die Atmosphäre<br />

an der Uni ist angenehmer<br />

<strong>und</strong> inspirierender“, sagt er.<br />

Fragt man die Promotionsberater<br />

hatte Martin mit seiner Stelle Glück.<br />

Häufig können Institute ihre wissenschaftlichen<br />

Mitarbeiter nur drei Jahre<br />

finanzieren. Das letzte halbe Jahr sollte<br />

eigentlich zum Zusammenschreiben<br />

der Doktorarbeit genutzt werden, was<br />

jedoch oft nicht ausreicht, da die wissenschaftlichen<br />

Mitarbeiter in den Instituten<br />

auch viele andere Aufgaben<br />

übernehmen. Laut Dr. Ferdinand Esser<br />

verbreitet sich dadurch nicht selten eine<br />

andere Praxis. „Es kann vorkommen,<br />

dass sich Mitarbeiter nach drei Jahren<br />

arbeitslos melden müssen <strong>und</strong> zuhause<br />

45<br />

„Es kann mit<br />

Doktor<br />

leichter<br />

sein, sich im<br />

Unternehmen<br />

in RichtungFührungsebene<br />

durchzu-<br />

setzen.“<br />

Dr. Ferdinand Esser<br />

„In bestimmtenBerufsfeldern<br />

ist<br />

die Promotion<br />

für<br />

den Berufseinstieg<br />

hilfreich.“<br />

Claudia Banke<br />

ihre Doktorarbeit<br />

f e r t i g s t e l l e n “ ,<br />

erklärt er. Der<br />

Wissenschaftszeitvertrag<br />

macht<br />

es möglich. Demnach<br />

dürfen<br />

Wissenschaftler<br />

immer wieder befristete<br />

Verträge<br />

bekommen. Läuft<br />

dann nach drei<br />

Jahren der Vertrag<br />

aus <strong>und</strong> die<br />

Doktorarbeit ist noch nicht fertig, wird<br />

mit Arbeitslosengeld weitergearbeitet.<br />

Vom Betrug am Arbeitsamt ganz abgesehen,<br />

ist diese Regelung merkwürdig<br />

für ein Land, in dem ständig die Rede<br />

davon ist, dass mehr qualifizierte Nachwuchskräfte<br />

für die Bereiche Forschung<br />

<strong>und</strong> Entwicklung gebraucht werden.<br />

Eine Studie der TU Berlin, die 2009 im<br />

Auftrag von ver.di durchgeführt wurde,<br />

kommt außerdem zu dem Ergebnis,<br />

dass befristete Verträge sich negativ auf<br />

die Arbeitsmotivation der wissenschaftlichen<br />

Mitarbeiter auswirken. 47 Prozent<br />

der Befragten gaben an, dass die<br />

Befristung des Arbeitsverhältnisses ein<br />

besonders demotivierender Faktor ist.<br />

Eigentlich ein alarmierendes Ergebnis.<br />

Schließlich werden die großen Innovationen,<br />

die die vielseitigen Probleme unserer<br />

Zeit lösen sollen, wahrscheinlich<br />

nicht von jungen Forschern gef<strong>und</strong>en,<br />

die zuhause vor ihren Laptops sitzen<br />

<strong>und</strong> auf die Überweisung des Arbeitslosengeldes<br />

warten.<br />

Lars befindet sich in der Endphase seiner<br />

Promotion <strong>und</strong> hofft im nächsten<br />

halben Jahr seine Doktorarbeit zu schaffen.<br />

Wie auch Martin <strong>und</strong> Tobi wurde<br />

er als wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

mit Möglichkeit zur Promotion eingestellt.<br />

Diese individuelle Promotion ist<br />

der Standardweg zum Doktor. Zwar gibt<br />

es in einigen Fächern auch Promotionsstudiengänge<br />

<strong>und</strong> die Möglichkeit in<br />

einem Unternehmen zu promovieren,<br />

diese machen jedoch einen geringeren<br />

Anteil aus. Dass der Doktorvater bei<br />

der individuellen Promotion gleichzeitig<br />

der Chef ist, kann es für die Promo-

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