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Portrait Johanna Neubert Leipziger Buchmesse Das ... - buchSIRENE

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L E S E P R O B E<br />

... die leere Zigarettenschachtel flog in die Ecke. Emma legte sich ihren dünnen<br />

Anorak um die Schultern und setzte sich an den Tisch. Sie schlug das Tagebuch<br />

auf, doch bereits nach drei Worten war der Kugelschreiber leer. Wütend schmiss<br />

sie ihn zu der Zigarettenschachtel und während sie nach einem Bleistift suchte,<br />

füllten sich ihre Augen mit Tränen. Sie wischte sich mit dem Shirtärmel die<br />

Tränen weg, schnieft energisch und wurde noch wütender. Sie wollte fernsehen,<br />

stattdessen musste sie dieses blöde Tagebuch führen. Die Mariehn denkt, ich<br />

kann das nicht, der werd ich es schon zeigen. Die Alte blamiert mich nicht, die<br />

nicht. Statt eines Bleistiftes fand sie einen grünen Filzstift. Na okay, dann eben<br />

damit, dachte Emma und schrieb:<br />

Liebe blöde Marieh, 15.01<br />

heute was zu meiner Alten.<br />

Sie ist 36 und bräzelt sich auf wie ne Nutte. Rotgefärbte<br />

Haare, aber die gleichen langweiligen Augen wie ich. Ihre Fingernägel<br />

sind immer rot lakiert, irre lang und spitz wie Krallen. <strong>Das</strong><br />

mögen die Männer, vor allen der Andere. Da geht es rund im Bett<br />

und nicht nur da. Ständig sind die beiden am fummeln. Ich könnt<br />

kotzen, wenn ich das sehe. Meine Alte motzt ständig mit mir<br />

rum. Wenn ich bloß erst hier raus bin. Nichts mache ich ihr richtig,<br />

also mache ich gar nichts mehr. Ich habe sowieso mit mir genug<br />

zu tun und damit, dass mich die kleine Kröte in ruhe läßt. <strong>Das</strong><br />

ist Lilly. Der Andere hat anfangs auch bei mir gegrabscht und<br />

wollt mich befummeln. Da hab ich ihm anständig in die Eier getreten,<br />

der konnte drei Tage nicht ficken. Die Alte hat sich gewundert,<br />

rumgezickt und geschrien. Ich hab zurückgeschrien und<br />

gesagt, wat der Andere für ein Schwein is. Doch sie meinte ich<br />

lüge. <strong>Das</strong> war ja klar, die hält doch immer zu ihm. Sie hat auch<br />

meinen Alten auf dem Gewissen. Da bin ich mir sicher. Ich weiß<br />

zwar nicht wie, aber ich werde es herausbekommen und dann geht<br />

die in den Knast!<br />

Schöne Albträume<br />

Emmy<br />

Als Emma mit dem Tagebucheintrag fertig war, tat ihr die Hand vom Schreiben<br />

weh. Sie schwor sich, nie wieder so viel zu schreiben. Sorgfältig verstaute sie das<br />

Tagebuch unter dem Fensterbrett. Emma verspürte Hunger. Sie ging in die<br />

Küche und inspizierte den Kühlschrank. Doch außer Ketchup, vergammelten<br />

Mohrrüben und drei Flaschen Bier war hier nicht viel zu holen. Aus dem<br />

Wohnzimmer hörte sie Gelächter und zotige Worte. Mit geübten Fingern zog sie<br />

die Geldbörse aus der Winterjacke, welche im Flur an einem Nagel hing. Ein<br />

Fünfeuroschein und etwas Kleingeld, damit es nicht auffällt, das reicht für Essen<br />

und Zigaretten. Emma zog ihren Anorak über und schlüpfte in die Turnschuhe.<br />

Scheißdinger, dachte sie, die sind schon wieder hin. Ständig hab ich nasse Füße<br />

und Eisbeine. Rasch lief sie die Stufen hinab und ging zunächst zum Bäcker, dort<br />

kaufte sie sich ein Brötchen und einen Kaffee. Im Supermarkt reichte das Geld<br />

noch für eine Cola und billige Zigaretten. Der Azubi an der Kasse kannte sie.<br />

Und selbst wenn er sie gefragt hätte, sie hatte Mellys alten Studentenausweis. Sie<br />

ging zum Bahnhof und traf sich mit der Clique. Alle waren laut und derb. Es gab<br />

wieder Alkohol zu trinken und Tütchen zu rauchen. Leider hatte sie kein Geld<br />

mehr dafür. Der ein oder andere ließ sie mal ziehen. Besser als nichts. Die Zeit<br />

verflog. Gegen zwei kam Emma völlig durchgefroren heim. Die Wohnung war<br />

dunkel, kalt, stank nach kaltem Rauch und schalem Bier. Emma ging in ihr<br />

Zimmer. Sie verspürte keine Lust, sich schlafen zu legen. Sie fühlte sich mutig.<br />

Ja, dachte sie, ich schreibe noch ein paar Zeilen in das Tagebuch. Sie nahm den<br />

grünen Filzstift und ihre Wangen glühten vor Zorn als sie zu schreiben begann...<br />

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Emma schreibt ihr Tagebuch<br />

nicht aus freien Stücken.<br />

Widerwillig, schockierend<br />

ehrlich und mutig kritzelt sie<br />

ihr Leben zwischen Brutalität,<br />

Sex, Armut und nie<br />

endender Hoffnung nieder.<br />

Spannend wie ein Krimi,<br />

berührend wie eine Liebesgeschichte<br />

und doch etwas<br />

ganz Anderes...<br />

Dieses Buch befriedigt<br />

unsere voyeuristischen<br />

Neigungen auch die intimsten<br />

Geheimnisse in einem<br />

fremden Tagebuch zu lesen...<br />

ISBN 978-39813435-4-0<br />

NEUERSCHEINUNG<br />

FRÜHJAHR 2011

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