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Geschichtswerkstatt Lohfelden

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Wir wurden herzlich empfangen und hatten Zeit mit Andreas und seinem Vater Achim ein<br />

Gespräch über die vergangenen 20 Jahre zu führen, während sich die Frauen in die Küche<br />

zurückgezogen hatten, wo Inge Büchner eine herzhafte Thüringer Spezialität zubereitete:<br />

Kartoffelklöße und Rotkraut, dazu herzhaftes Bratenfleisch.<br />

Wir erfuhren viel über das Leben der Menschen nach „der Wende“ hier in diesem<br />

ausgesprochen ländlichen Gebiet am Fuße des Hainich, einem ausgedehnten Waldgebiet in<br />

Westthüringen, das heute als Nationalpark ausgewiesen ist. Mülverstedt ist ein kleines Dorf:<br />

Etwa 400 Einwohner hat das Dorf. Die jungen Leute arbeiten in der Woche meist auswärts,<br />

verteilt über die ganze Republik und kommen nur zum Wochenende heim zur Familie. Oft<br />

haben sie dann dort einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb zu versorgen. Die Erträge aus<br />

den Bauerngärten mit dahinter liegenden Gewannen helfen, die wirtschaftliche Situation der<br />

Familien sicherzustellen oder zu verbessern. Andreas, der uns obigen Bericht schrieb, arbeitet<br />

bei Opel in Eisenach und hofft auf Erhalt seines Arbeitplatzes. Achtzig Zentner Kartoffeln<br />

konnte er von seinem Feld ernten und verkaufen. Obst und Gemüse für die ganze Familie gibt<br />

es nur aus nur aus eigener Ernte.<br />

Achim Büchner, der Vater von Andreas arbeitet noch kräftig mit. Die Schwielen an den<br />

Händen des Siebzigjährigen erzählen von einem Leben mit harter Arbeit. Er hatte vor der<br />

Wende viele Jahre in einem Betrieb in Mühlhausen gearbeitet, der Elektronenröhren<br />

(Gleichrichter- und Verstärkerröhren) fertigte. Danach erhielt er beim Forst eine Anstellung als<br />

„Sondengeher“. Es galt die Munitionsreste und Blindgänger im Hainich zu orten. Das<br />

Waldgebiet war vordem Zielort bei Manövern der sowjetischen Besatzungsarmee und der<br />

„Nationalen Volkarmee“ gewesen. Die Militärs hatten hier mit schweren Geschützen über die<br />

Dörfer hinweg in die Wälder geschossen. Bevor Achim in den Ruhestand ging, fand er Arbeit<br />

im Braunkohleabbau bei Leipzig. „Das war schwere Arbeit, und nicht ungefährlich, beides“,<br />

sagte er. -<br />

Manchmal spürte ich im Gespräch: die Menschen fühlen sich hier verlassen, ausgeschlossen,<br />

abseits des pulsierenden Lebens im Lande. Fast ein wenig traurig berichteten sie über<br />

mangelnde Betreuung der Gemeinde durch ihre Kirche. Büchners sind gläubige Menschen<br />

und erlebten in den letzten Jahren harte Schicksalsschläge. „Für Gottesdienste oder Gespräche<br />

hat die zuständige Pfarrerin für uns kaum Zeit. Für Kindtaufen in Mülverstedt hat sie nur noch<br />

am Totensonntag Zeit; an dem Tag haben wir doch andere Gedanken in uns“, sagt Inge<br />

Büchner, fast ein wenig zornig. Dann kochte sie uns erst mal einen guten Kaffee und freute<br />

sich über unser Beisammensein.<br />

Wir erfuhren bei diesem Besuch: die zwanzig Jahre seit Öffnung der Grenze haben diese<br />

Menschen gelöst von der inneren Spannung, die vordem oft gerade bei älteren Menschen<br />

durch das Erleben und Erleiden von zwei Epochen mit diktatorischen Systemen<br />

unterschiedlicher Prägung tiefe Spuren hinterlassen hatten.<br />

Wir glauben, dass die herzliche Freundschaft zur <strong>Lohfelden</strong>er Familie von Heusinger dazu<br />

ihren positiven Beitrag geleistet hat.<br />

Am späten Nachmittag verabschiedeten wir uns von Familie Büchner und dem heute noch<br />

kleinen, aber sauberen und in der späten Oktobersonne in freundlichen Farben leuchtenden<br />

Dorf Mülverstedt.<br />

Rtr.<br />

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