Biographie von der JVA Lichtenberg
Biographie von der JVA Lichtenberg
Biographie von der JVA Lichtenberg
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
ES GIBT ELEND; Not und<br />
Verzweiflung in unserem Land, <strong>von</strong><br />
dem man nichts sieht, nichts liest<br />
und nichts hört. Und auch nichts<br />
sehen, lesen und hören will. In den<br />
Zeitungen liest man dann <strong>von</strong><br />
steigen<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>armut,<br />
Vernachlässigung,<br />
Familienauflösung. Die Polizei<br />
ermittelt bei Nachbarn, Freunden<br />
und Familie. Zuerst hat niemand<br />
etwas gehört und gesehen, „ganz<br />
ruhige Mieter, sehr angenehm!“<br />
Dann kommen die TV-Sen<strong>der</strong> und<br />
interviewen die selben Nachbarn:<br />
„Na, ja, Eigentlich waren sie immer<br />
schon etwas an<strong>der</strong>s, Aber d a s!<br />
Nein! Das konnten wir uns dann<br />
doch nicht vorstellen!.“<br />
Die Szene beruhigt sich etwas –<br />
eine deutsche Bank müsste eben<br />
mal <strong>von</strong> <strong>der</strong> Bundesregierung mit<br />
Milliarden Euro gestützt werden,<br />
zum Wohle des deutschen Volkes,<br />
doch dann stürzt sich die<br />
Medienmeute erneut auf das<br />
Thema: Vier tote Kin<strong>der</strong> im<br />
Blumenkohlbeet vergraben. Da<br />
kann man als guter Staatsbürger,<br />
<strong>der</strong> seine über Generationen<br />
vererbte Laube pflegt und<br />
herausputzt, immer passend zur<br />
Jahreszeit schmückt, nicht einfach<br />
zur Tagesordnung über gehen. Und<br />
dann ergötzen wir uns wie<strong>der</strong> und<br />
wie<strong>der</strong> an den Bil<strong>der</strong>n, die uns das<br />
TV vermittelt, <strong>von</strong> einer Frau, die<br />
nicht wusste, was sie mit sich und<br />
ihrem Leben und damit mit ihren<br />
Kin<strong>der</strong>n anfangen sollte. Dann<br />
sehen wir einem stupide blickenden<br />
Vater in seine leeren Augen, <strong>der</strong><br />
Liebe mit Hiebe verwechselte, weil<br />
es ja auch eine Form <strong>von</strong><br />
Berührung ist. Die überlebenden<br />
Kin<strong>der</strong> umklammern ihre Eltern,<br />
<strong>der</strong>en Lieblosigkeit die Art <strong>von</strong><br />
Liebe ist, die sie kennen.<br />
Und wir ? Die Gesellschaft, die<br />
„Guten“, wir lehnen uns in unsere<br />
Sessel zurück, öffnen uns eine gute<br />
Flasche Rotwein, die wir natürlich<br />
RUND UM DIE <strong>JVA</strong><br />
9<br />
im richtigen Glas kredenzen und<br />
regen uns auf. Fünf Minuten regen<br />
wir uns auf. Ein paar Hartnäckige<br />
stellen noch ein paar Kerzen und<br />
Schmusetiere an den Ort <strong>der</strong><br />
Schreckenstat und einer , <strong>der</strong> in<br />
Sachen Schrecken in Deutschland<br />
unterwegs ist – sozusagen<br />
semiprofessionell- stellt noch ein<br />
Schild „WARUM?“ hinzu.<br />
Deutschland ist geschockt.<br />
Und dann? Dann werden die<br />
überlebenden Kin<strong>der</strong> in Obhut<br />
gegeben, wo ihnen hoffentlich<br />
endlich die Liebe und Zuneigung<br />
entgegen gebracht werden, die sie<br />
zu einem menschenwürdigen und<br />
selbstbestimmten Leben brauchen.<br />
Die Täter kommen vor Gericht.<br />
Weg, Man sieht und man hört sie<br />
nicht mehr. Das beste, was man <strong>von</strong><br />
ihnen sagen kann.<br />
Was danach auf die Verurteilten<br />
wartet, interessiert buchstäblich<br />
niemanden mehr. Und dabei ist es<br />
völlig gleichgültig, wer da hinter<br />
Gittern sitzt, was er getan hat, ob er<br />
überhaupt etwas getan hat. Egal.<br />
Die Gesellschaft ist an den<br />
Haftbedingungen inhaftierter<br />
vollkommen uninteressiert und<br />
teilnahmslos. Fälle wie die<br />
misshandelter, verhungerter und<br />
getöteter Kin<strong>der</strong> stören empfindlich<br />
das sogenannte gesunde<br />
Volksempfinden, dabei regt man<br />
sich völlig zu Recht über die<br />
Teilnahmslosigkeit <strong>der</strong> Behörden,<br />
Gerichte etc auf. Aber sobald die<br />
Fälle wie<strong>der</strong> im Mediendunkel<br />
verschwinden, ist unser Interesse<br />
ebenso verebbt und auf demselben<br />
Stand wie vorher. Nur: diejenigen,<br />
die in den Justizvollzugsanstalten<br />
sitzen, weggesperrt, verwahrt, mit<br />
dem Notwendigsten versorgt, sind<br />
auch Menschen. Menschen, die<br />
größere und kleinere Fehler<br />
begangen haben (Schwarz fahren,<br />
Geldstrafen) und welche, die<br />
wirklich große Schuld auf sich<br />
geladen haben. Was passiert jetzt<br />
mit denen!