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Dr. Georg Schreiber 2009 Medien- preis

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FAST<br />

FAST ERWACHSEN, FAST GLÜCKLICH, FAST PERFEKT<br />

KLARTEXT<br />

DAS JUNGE MAGAZIN DER DEUTSCHEN JOURNALISTENSCHULE LEHRREDAKTION 47B NUMMER 1 <strong>2009</strong><br />

Gefangen im<br />

eigenen Land –<br />

jung sein<br />

in Palästina<br />

Seite 18<br />

Wie der Ex-Bassist<br />

der Sportfreunde<br />

das Rockstar-<br />

Leben verpasste<br />

Seite 10<br />

Die besten<br />

Ferien für<br />

100 Euro<br />

Seite 26<br />

Trip ohne Ende:<br />

Kann Kiffen den<br />

Verstand kosten?<br />

Seite 38<br />

Und: So wird<br />

man Vampir<br />

Seite 16


Hochmodernes Messegelände<br />

mit 180.000 m2 Hallenfläche,<br />

360.000 m2 Freigelände<br />

und State-of-the-Art-Services<br />

Im Umfeld international renom -<br />

mierter Wirtschafts- und Wissen -<br />

schaftseinrichtungen sowie<br />

zahlloser kultureller Highlights<br />

Individuelle Betreuung in rund<br />

100 Ländern durch ein weltweites<br />

Vertretungsnetzwerk<br />

Über 40 Jahre internationale<br />

Messekompetenz<br />

Die Messe München International ist mit<br />

40 Fachmessen für Investitionsgüter, Kon -<br />

sum güter und Neue Technologien eine der<br />

weltweit führenden Messegesellschaften.<br />

Hier treffen Märkte, Branchen, Produkte<br />

und Dienstleistungen aus aller Welt<br />

aufeinander, um die Zukunft zu gestalten.<br />

Messe München International<br />

Globaler <strong>Medien</strong>treffpunkt<br />

Sie haben Fragen zu den einzelnen<br />

Messen, Sie suchen Gesprächspartner?<br />

Die Kommunikationsabteilungen der<br />

Messe München International stehen<br />

Ihnen gerne zur Verfügung:<br />

www.messe-muenchen.de<br />

Wir freuen uns auf den Dialog mit Ihnen!<br />

Messe München GmbH, Messegelände<br />

81823 München, Germany<br />

Tel. (+49 89) 9 49-2 07 20<br />

Fax (+49 89) 9 49-2 07 29<br />

newsline@messe-muenchen.de<br />

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Connecting Global Competence


Chantal, 18, war ein<br />

Glücksfall: Ihre Freundin<br />

Nadja brachte sie zum<br />

Modeshoot mit. Erst war<br />

sie schüchtern – aber<br />

dann schaffte Chantal es<br />

mit großen Sprüngen<br />

sogar auf unser Cover.<br />

Seite 53<br />

Martin, 21, hat im Fotostudio<br />

sofort seinen MP3-<br />

Player aufgedreht. Als<br />

Profi-Model weiß er eben,<br />

wie man locker wird. Auf<br />

der Straße würde man ihn<br />

übrigens nicht wiedererkennen<br />

– mit Brille und<br />

gekämmten Haaren.<br />

Seite 50<br />

�<br />

Wir sind auch<br />

im Internet<br />

Das FAST MAGAZIN<br />

gibt’s gleichzeitig online.<br />

Wo dieses Zeichen steht,<br />

findest du im Netz neue<br />

Geschichten zum Thema:<br />

klartext-magazin.de/47b<br />

3<br />

Wem kann man glauben? Was<br />

machen die anderen<br />

eigentlich gerade?<br />

War früher vielleicht wirklich alles<br />

besser? Und was passiert morgen?<br />

Es geht los.<br />

Fast.<br />

Die Welt ist schnell, aufregend – und auf den ersten<br />

Blick ein ziemliches Durcheinander. Aber in<br />

dem Chaos verstecken sich Menschen und ihre Geschichten.<br />

Die erzählen wir in diesem Heft. �<br />

Und mit jeder Geschichte, die man kennt, ergibt<br />

das alles da draußen ein bisschen mehr Sinn. Auch<br />

wenn das vielleicht nur bedeutet, dass man jetzt<br />

endlich weiß, was Clown-Step eigentlich ist.<br />

Arne und Florian fanden heraus, wie es ist, gefangen<br />

im eigenen Land zu sein. Lisa und Martin sprachen<br />

mit jungen Müttern; Carina mit einem, der<br />

kiffte und dann Stimmen hörte. Und Alex traf<br />

Andi, der Rockstar hätte werden können, aber<br />

nicht wollte.<br />

Wie werde ich Vampir? Wer erledigt<br />

meinen Kram,<br />

wenn ich mal keine<br />

Lust habe? Warum weiß ich<br />

bei Liebesfilmen immer schon<br />

nach zwei Minuten, wie die Geschichte<br />

ausgeht? Wann kommst du? Oder<br />

bist du schon gekommen? Und jetzt?


4 Inhalt<br />

FAST Ausgabe 01 <strong>2009</strong><br />

Titelthema<br />

Weißt du, was du trägst?<br />

Unsere Models zeigen revolutionäre<br />

Accessoires by Che, Leo und Yassir<br />

Seite 48<br />

Titelthema<br />

Impressum<br />

Made in India<br />

Was herauskommt, wenn man sein<br />

Referat in Indien machen lässt<br />

Seite 28<br />

Wortplantage<br />

Für FAST schreiben drei<br />

Poetry-Slammer übers Reden<br />

Seite 36<br />

Kurvendiskussion<br />

Berühmte Kurven mal anders<br />

diskutiert<br />

Seite 60<br />

Wie werde ich Vampir?<br />

Beißen, saugen, Seele verkaufen –<br />

so könnte es klappen<br />

Seite 16<br />

KLARTEXT Nr. 18<br />

Ein Magazin der Lehrredaktion 47B<br />

der Deutschen Journalistenschule<br />

www.klartext-magazin.de<br />

Herausgeber:<br />

Deutsche Journalistenschule e.V.<br />

Altheimer Eck 3<br />

80331 München<br />

Telefon 089/2355740<br />

Fax 089/268733<br />

www.djs-online.de<br />

Redaktion & Layout:<br />

Martin Anetzberger<br />

Che Berberich<br />

Carina Braun (Bildredaktion)<br />

Lukas Eberle (Onlineredaktion)<br />

Sebastian Erb (Chefredaktion)<br />

Katharina Fuhrin (Art Direktion)<br />

Clemens Haustein<br />

Wer Fußballprofi werden will...<br />

...muss sich an strikte Regeln halten. So wie<br />

Patrick im Internat des VfB Stuttgart<br />

Seite 56<br />

Olivia Höner (Chefredaktion, V.i.S.d.P.)<br />

Florian Meyer (Onlineredaktion)<br />

Alexander Neumann (Chefredaktion)<br />

Arne Orgassa (Chef vom Dienst)<br />

Thomas Salter (Textchef)<br />

Samira Schellhaaß<br />

Lisa Srikiow<br />

Katharina Zabrzynski<br />

Beratung:<br />

Marc Deckert (Text)<br />

Maximilian Gaub (Online)<br />

Erol Gurian (Foto)<br />

Tom Ising (Layout)<br />

Carolin Schuhler (Konzept)<br />

Anzeigen:<br />

cross.com<br />

Tanja Leis<br />

Venusstraße 1<br />

82205 Gilching<br />

Telefon 08105/390799<br />

E-Mail: leis@cross-com.de<br />

Aufgemöbelt<br />

Bye-bye Kinderzimmer: Designermöbel<br />

zum Selbermachen<br />

Seite 14<br />

<strong>Dr</strong>uck und Lithografie:<br />

LANAREPRO GmbH<br />

Peter-Anich-Straße 14<br />

I-39011 Lana (BZ)<br />

Tel.: 0039(0)473/49 85 00<br />

E-Mail: info@lanarepro.com<br />

www.lanarepro.com<br />

Dank an:<br />

Nadja Attalai Achri, Katharina Bohndorf,<br />

Ulrich Brenner, Familie Cujko,<br />

Erik <strong>Dr</strong>eyer - Loft 506, Franz-Marc-<br />

Gymnasium Markt Schwaben, Chantal<br />

Geissler, PS Models, hair & make up:<br />

tina c/o.: www.artistgroupmierau.com<br />

using MAC, <strong>Dr</strong>. Derik Hermann,<br />

Simon Sieber (ComiCaturist TM,<br />

bebop666 @gmx.de), Familie Schöffmann<br />

und Tanja Siller von der Kupferglocke<br />

in der Theresienstraße 128,<br />

Jasmin Srouji, Sven Szalewa, Team der<br />

DJS, Willi-Graf-Gymnasium München<br />

Titelthema<br />

Blaufahren<br />

Fast philosophisch: Sätze, die man<br />

so nur im Nachtbus hört<br />

Seite 72<br />

<strong>Dr</strong>ogentrip ohne Ende<br />

Wie es ist, wenn der Rausch<br />

einfach nicht mehr aufhören will<br />

Seite 38<br />

Rettet die Wahlen!<br />

Du weißt nicht, was du wählen sollst?<br />

Nach 13 Fragen bist du schlauer<br />

Seite 44


Mehr Respekt, bitte<br />

Junge Mütter haben zu kämpfen –<br />

vor allem mit ihrem Image<br />

Seite 66<br />

Titelthema<br />

Stiller Sportfreund<br />

Andi Erhard hätte Rockstar werden<br />

können. Wollte er aber nicht<br />

Seite 10<br />

Im Auge des Sturms<br />

Von Nazis angegriffen, im Gefängnis<br />

gelandet: Trotzdem kämpft Rapper<br />

QuietStorm weiter gegen Rechts<br />

Seite 30<br />

Musikologie<br />

Clown-Step, Krishna-Core, Neurofunk<br />

– verwirrt? Wir klären auf<br />

Seite 54<br />

Titelthema<br />

Party auf Pump<br />

Wir erklären die Wirtschaftskrise –<br />

in einer Kneipe<br />

Seite 34<br />

Happy End in fünf Schritten<br />

Bastle dir deinen eigenen Liebesfilm.<br />

Wir liefern die Bausteine<br />

Seite 24<br />

So tickt die Welt<br />

Sieben Menschen, sieben Zeitzonen,<br />

sieben Momente<br />

Seite 6<br />

5<br />

Im Land der begrenzten Möglichkeiten<br />

Jung sein in Palästina heißt vor allem<br />

früh erwachsen werden<br />

Seite 18<br />

So kommst du billig weg!<br />

Du hast 100 Euro? Das reicht für den<br />

perfekten Urlaub<br />

Seite 26<br />

Titelthema<br />

Rubriken<br />

Einblick:<br />

Sandra zeigt uns, was alles in ihrem Geldbeutel steckt Seite 8<br />

Upgrade:<br />

Vom Telefonhäuschen zur iZelle Seite 37<br />

Beziehungsweise:<br />

Liebe trotz(t) Fernbeziehung Seite 65<br />

Quiz:<br />

Wie redest duden? Seite 64<br />

Altklug:<br />

Was Günther Jauch gerne schon mit 18 gewusst hätte Seite 74<br />

Kreuzverhör:<br />

Der MP3-Player-Tausch: Metal versus R’n’B Seite 46<br />

Kolumne:<br />

Zwei nüchterne Betrachtungen zum Thema Alkohol Seite 70


6 Text: Samira Schellhaaß<br />

So tickt die Welt<br />

Samstagnachmittag, 15.03 Uhr in Deutschland. Zeit für<br />

Hobbys, die besten Freunde oder die Frage: Was machen<br />

die Menschen in anderen Ländern eigentlich gerade?<br />

Der Nationalvogel von Nicaragua heißt Guardabarranco.<br />

08:03<br />

San Miguelito, Nicaragua<br />

Enmanuel Salvador Sandobal Sirias, 20<br />

„Samstags trainiere ich eine kleine Fußballmannschaft aus unserem<br />

Dorf, die sich gerade neu gegründet hat. Wir fangen um acht Uhr morgens<br />

an zu spielen, weil es da noch nicht so heiß ist. Die Schuhe und<br />

Trikots müssen wir uns von anderen Jugendlichen leihen, weil wir dafür<br />

kein Geld haben. Den Pokal auf dem Bild würden wir gerne am<br />

Ende des Jahres gewinnen, es ist unser Dorfpokal.“<br />

12:03<br />

Dois Irmãos, Brasilien<br />

Lílian Brandt Stein, 19<br />

„Heute bleibe ich zuhause mit meinen besten Freundinnen Cláudia<br />

und Bruna. Wir haben Freitagnacht durchgefeiert und die beiden<br />

haben bei mir übernachtet. Wir sind gerade aufgestanden und<br />

warten, dass das Mittagessen fertig wird. Traditionell gibt es am Wochenende<br />

immer Fleisch vom Grill.“<br />

17 ist in Italien eine Unglückszahl. In Flugzeugen von „Alitalia“ fehlt deswegen die 17. Sitzreihe.<br />

15:03<br />

Lotzorai, Italien<br />

Antonello Murru, 17<br />

„Auf Sardinien isst die ganze Familie am Wochenende gemeinsam zu<br />

Mittag. Das nervt manchmal, weil ich am liebsten den ganzen Tag am<br />

Meer verbringen würde. Sobald ich kann, fahre ich zum Strand. Dort<br />

mache ich dann erst mal ein Nickerchen.“<br />

Brasilien nimmt flächenmäßig 47 Prozent des südamerikanischen Kontinents ein.


Südafrika hat elf offizielle Landessprachen, das ist Weltrekord.<br />

20:03<br />

Surat Thani, Thailand<br />

Niall Henry Davis, 19<br />

„Ich komme aus Großbritannien und bin als Backpacker für<br />

ein Jahr auf Weltreise. Heute bin ich mit dem Nachtzug in den<br />

Süden Thailands gefahren. Es gibt hier einen Partywaggon mit<br />

DJ und Bar. Ich habe gerade Linda aus Dänemark kennengelernt.<br />

Wir wollen jetzt die ganze Nacht durchtanzen!“<br />

7<br />

15:03<br />

Stellenbosch, Südafrika<br />

Kevin und Christian Malan, 17 und 18<br />

„Heute hatten wir vormittags Schule, danach sind wir nach<br />

Kapstadt ins Schwimmbad gefahren. Normalerweise fahren wir<br />

lieber ans Meer, aber das ist jetzt im Winter zu kalt. Unsere beiden<br />

Nachbarjungs Iwan und Niel haben wir mitgenommen.<br />

Christian hat vor ein paar Monaten die Führerscheinprüfung<br />

bestanden, seitdem müssen wir nicht mehr unsere Eltern nerven,<br />

wenn wir etwas mit Freunden unternehmen wollen.“<br />

17:33<br />

Gaza-Stadt, Palästinensergebiete<br />

Lina Sharif, 17<br />

„Ich lebe seit 17 Jahren in Gaza, aber heute mache ich das erste Mal mit<br />

meinen Freunden eine Bootstour. Es ist einfach toll! Hier in Gaza können<br />

wir nicht viele Ausflüge machen, wegen der strengen Grenzpolitik.<br />

Nur auf dem Meer können wir uns frei fühlen, denn dort sind die Grenzen<br />

nicht sichtbar. Und zehn Minuten mit dem Boot sind auch gerade<br />

noch bezahlbar. Das werde ich jetzt öfter machen!“<br />

In Indien sind Spielkarten rund. Die Motive stammen aus der Hindu-Mythologie.<br />

19:33<br />

Mumbai, Indien<br />

Krupali Raiyani, 18<br />

„Es hat angefangen zu regnen. Ich fahre mit ein paar Freunden durch<br />

die Gegend. Wir lieben es, wenn der Regen gegen die Scheiben prasselt.<br />

Jetzt haben wir uns Eis geholt und danach gehen wir noch ins Kino.<br />

Es ist ein richtig schöner Samstagabend!“<br />

In Thailand werden den Wochentagen verschiedene Farben zugeordnet: Der Samstag ist violett.<br />

Das Durchschnittsalter im Gazastreifen liegt bei 17,4 Jahren.


8 Einblick<br />

Konzept: Lisa Srikiow|Foto: Erol Gurian<br />

„Schwarzfahren würde<br />

ich nicht, deshalb habe<br />

ich auch so viele<br />

Fahrscheine dabei!“<br />

„Die ist nur für den<br />

Arzt interessant!“<br />

„Diese Karte brauche<br />

ich eigentlich nie.“<br />

„Außer Münzen<br />

habe ich sonst nie<br />

viel Bargeld dabei.“<br />

„Shoppen!“<br />

„Der ist nur zur<br />

Erinnerung! Genau wie<br />

das gemalte Herz.“<br />

„Klar, der Perso ist wichtig,<br />

um in Clubs reinzukommen.<br />

Ab und an werde ich<br />

ja schon noch kontrolliert!“<br />

„Jedes Mal, wenn ich mir einen<br />

Kontoauszug hole, hoffe ich<br />

nur, dass genug drauf ist!“<br />

Mehr als nur der Kontostand:<br />

Sandra, 17, zeigt uns ihren Geldbeutel.


www.red.de<br />

Menschen bewegen<br />

Verbindungen zu schaffen – das ist unsere Profession. Als eine der führenden europäischen<br />

Luftverkehrsdrehscheiben führen wir am Flughafen München Menschen über<br />

Länder grenzen und Kontinente hinweg zueinander. Mit freund lichen und kompetenten<br />

Mitarbeitern, einem umfangreichen Serviceangebot und einem ebenso schönen wie<br />

funktionalen Flughafen machen wir Jahr für Jahr mehr Mobilität möglich. 2008 nutzten<br />

weit über 34 Millionen Reisende unser breites Flugangebot – mehr als jemals zuvor.<br />

Im gleichen Jahr wurden wir zum vierten Mal in Folge bei der weltweit größten Passagierbefragung<br />

zum besten Airport Europas gewählt. Schön, dass die Menschen bei uns<br />

genauso gut ankommen wie wir bei ihnen. Wir werden auch künftig für bewegende<br />

Momente am Flughafen München sorgen.<br />

www.munich­airport.de


Auf dem ersten Mini-Album von Stiller spielte Andi Erhard noch Bass. Der Name der EP: „Macht doch was ihr wollt – ich geh’ jetzt“. Als hätte die Band etwas geahnt.


11<br />

Text: Alexander Neumann|Foto: Erol Gurian<br />

Stiller<br />

Sportfreund<br />

Andi Erhard war der erste Bassist der Sportfreunde<br />

Stiller. Bevor die Band den Durchbruch<br />

schaffte, stieg er aus. Bereut er es?<br />

Das Ende hatte sich schon abgezeichnet und kam dann doch ganz plötzlich. An<br />

einem kühlen Tag im Frühjahr 1997 saß Andi Erhard auf dem Bett im ausgebauten<br />

Dachboden seines Elternhauses. Vor ihm standen Peter Brugger und Florian<br />

Weber. Die beiden waren gekommen, um ihn zur Probe ihrer gemeinsamen Band<br />

Stiller abzuholen. Aber Andi wollte einfach nicht mehr.<br />

Er hatte keine Lust mehr, bis spät nachts Konzerte zu spielen, wenn er am nächsten<br />

Morgen eine Schulaufgabe schreiben musste. Er hatte keine Lust mehr, Hunderte<br />

von Kilometern zu fahren, um dann vor 20 Leuten aufzutreten. Andi war<br />

müde. Und irgendwie war dieses simple <strong>Dr</strong>ei-Akkorde-Geschrammel auch nicht<br />

ganz seine Musik. Peter und Florian versuchten ihn zu überreden, wenigstens das<br />

für den nächsten Tag geplante Konzert noch mitzuspielen. Aber Andi hatte sich<br />

entschieden. „Ich mache nicht mehr mit. Keinen Bock mehr.“<br />

Tags darauf, bei ihrem Konzert im Münchner Stromlinienclub, traten Sänger und<br />

Gitarrist Peter und Schlagzeuger Florian als Duo auf. Mit ihnen auf der Bühne<br />

stand statt eines Bassisten eine Raumschiff-Enterprise-Figur aus Pappe. Ein paar<br />

Monate später hatten sie einen neuen Bassisten, Rüdiger Linhof. Und bald auch<br />

einen neuen Namen: Sportfreunde Stiller. Dann wurden sie berühmt.<br />

Wer im Sommer 2006 das Radio einschaltete, hörte Peter, Florian und Rüdiger,<br />

wer den Fernseher anknipste, sah sie, und wer zu einem WM-Spiel ins Stadion<br />

ging, sang mit großer Wahrscheinlichkeit eines ihrer Lieder: „54, 74, 90, 2006“.<br />

Die Sportfreunde Stiller hatten die inoffizielle WM-Hymne der deutschen Fußballfans<br />

geschrieben. Der Song wurde ihr erster Nummer-Eins-Hit.<br />

Schon seit Jahren waren die „Sportis“ die Lieblingsband<br />

der deutschen Abiturienten. Jetzt waren sie die Lieblingsband<br />

der Deutschen.<br />

Wenn Andi Erhard in diesem Sommer abends ausging, wurde ihm immer wieder<br />

dieselbe Frage gestellt, von Freunden, von Bekannten, von Fremden, die seine Geschichte<br />

irgendwo gehört hatten: Bereust du, dass du damals ausgestiegen bist?<br />

An einem Samstagabend im Mai <strong>2009</strong> sitzt Andreas Erhard in seinem Apartment in München-Sendling<br />

und nimmt einen Schluck Rotwein. Kochnische, Espressomaschine, ein Poster<br />

der Rockband Dinosaur Jr. an der der Wand. So stellt man sich einen Single-Haushalt<br />

vor. Andi trägt Vollbart, die Haare sind fransig, die obersten Knöpfe seines Hemdes geöffnet.<br />

Kleine Falten sind in dem fein geschnittenen Gesicht des 38-Jährigen zu sehen. Mittlerweile<br />

hat er einen Doktortitel. Einen Job hat er nicht.<br />

Die Frage mit dem Bereuen. Jetzt soll er sie schon wieder beantworten. Aber Andi ist ein geduldiger<br />

Mensch. Den Mund leicht geöffnet, blickt er kurz ins Leere. Dann sagt er: „Ich<br />

habe noch kein einziges Mal gedacht, dass das ein Fehler gewesen sein könnte, wirklich<br />

nicht.“ Wirklich überraschend an dieser Antwort ist vor allem, dass man sie ihm glaubt.<br />

Der erste Sportfreunde Stiller-Song überhaupt war „Wunderbaren Jahren“. Auch schon früh mit dabei: „Lobby“ und „Fahrt ins Grüne“.<br />

Weitere Bandnamen, die bei der Gründung zur Debatte standen: „Bodden“ und „Hennings Koffer“.<br />

Es hatte alles als Spaßprojekt begonnen. Ende<br />

1995 beschlossen Andi, Peter und Flo eine Band<br />

zu gründen. Sie wollten sie Endkrass nennen,<br />

nur ein einziges Konzert als Trio spielen, anschließend<br />

alle Instrumente zertrümmern und<br />

die Band wieder auflösen. So weit der Plan. Anfang<br />

1996 standen sie dann auf der Bühne des<br />

Germeringer Jugendzentrums Knast. Aus dem<br />

Namen Endkrass war mittlerweile Stiller geworden.<br />

Sie spielten sieben Lieder, warfen<br />

danach ihre Instrumente auf den<br />

Boden und erklärten: „Wir lösen<br />

uns auf, das war’s.“<br />

Als sie von der Bühne gingen, kam ein aufgeregter<br />

Mann auf sie zu. „Ihr spinnt ja wohl“, sagte<br />

er. „Ihr müsst unbedingt weiter machen!“ Der<br />

Name des Mannes: Marc Liebscher. Er ist bis<br />

heute Manager der Sportfreunde Stiller.<br />

Innerhalb weniger Monate wurde aus dem<br />

Spaßprojekt eine ernsthafte Band. Marc Liebscher<br />

organisierte die Auftritte und die drei<br />

Jungs spielten, wo immer man sie ließ. München,<br />

Nürnberg, bald auch in Köln oder Hamburg.<br />

„Oft waren nur 20 Leute da, aber es war<br />

eine tolle Zeit“, sagt Andi. „Wir waren eine richtige<br />

<strong>Dr</strong>eiergemeinschaft. Unser Ritual nach den<br />

Konzerten war immer das gleiche: Ausziehen<br />

und einmal nackt durch die Stadt laufen. Egal<br />

wo wir sind.“<br />

Peter und Florian studierten zu der Zeit Sport<br />

an der Münchner Universität. Andi, damals<br />

Mitte 20, versuchte sein Abitur nachzumachen.<br />

Die drei lernten im Tourbus, traten abends auf<br />

und fuhren nachts zurück nach Hause. Für<br />

Schlaf blieb oft keine Zeit. Während die Band


Foto: Privat<br />

immer mehr Konzerte spielte und die Reisen immer<br />

länger wurden, hatte Andi eine Prüfung nach der anderen.<br />

Das Abitur stand vor der Tür, Attestpflicht hatte<br />

er auch schon, weil er zu oft gefehlt hatte. Irgendwann<br />

ging es nicht mehr. Was folgte, war der Morgen auf<br />

dem Dachboden. Andi stieg aus.<br />

„Es fällt mir normalerweise schwer, mich zu entscheiden“,<br />

sagt Andi heute, „aber das war eine meiner leichtesten<br />

Entscheidungen. Es war auch für Peter und Flo<br />

erleichternd, weil sie jemanden suchen konnten, der<br />

mitzieht. Sie wollten ja viel mehr Gas geben. Aber ich<br />

konnte da nicht mit.“<br />

Florian und Peter gaben Gas,<br />

und wie. Ende der 90er Jahre<br />

spielten sie im Schnitt 200<br />

Konzerte pro Jahr.<br />

Im Jahr 2000 unterschrieben sie ihren ersten Plattenvertrag. Seitdem<br />

haben sie sieben Alben veröffentlicht. Die letzten zwei davon landeten<br />

jeweils auf Platz eins der deutschen Albumcharts.<br />

Florian Weber sitzt in einem Café in München-Schwabing und bestellt<br />

eine Grapefruitschorle. Der Schlagzeuger der Sportfreunde Stiller ist<br />

heute berühmt. Das merkt man zum Beispiel daran, dass der Barchef<br />

des Lokals kurz an den Tisch kommt, sich vorstellt und Florians Hand<br />

schüttelt. Kurz darauf läuft in dem Café ein Song der Sportfreunde.<br />

Florian blickt kurz irritiert auf. „Hier ist es nicht so schlimm, wenn sie<br />

ein Lied von dir spielen“, sagt er. „Aber wenn du in einem Club mit<br />

vielen Leuten stehst, und dann alle ihre Köpfe zu dir drehen, um zu sehen,<br />

wie du dich verhältst, das ist schon saublöd.“<br />

Florian und Andi sind auch heute noch gut befreundet. Sie spielen zusammen<br />

in einer Hobby-Fußballmannschaft. Über die Trennung von<br />

damals sprechen sie nicht mehr. „Ich habe von Andi nie gehört, dass<br />

er seinen Ausstieg bereut“, sagt Florian. „Das nehme ich ihm auch voll<br />

ab. Es wäre einfach nicht sein Leben gewesen.“ Natürlich war Florian<br />

damals enttäuscht, als Andi von einem Tag auf den anderen die Band<br />

verließ. Überraschend kam es jedoch nicht. „Er hat schon früh gesagt,<br />

dass das nichts für ihn ist, er wollte nicht ewig auf Reisen gehen“, sagt<br />

Florian. „Ich glaube auch, dass er die Musik nicht so toll fand. Das war<br />

ihm zu einfach, zu trivial. Wir haben einfach drei, vier Akkorde durchgerotzt.<br />

Aber Andi stand eher auf Musik, die ein bisschen arty ist.“<br />

Dann erzählt Florian von dem gemeinsamen Urlaub der Band im Sommer 1996. Mit<br />

einem Golf fuhren sie nach Italien, machten Straßenmusik in Florenz, feierten, tranken.<br />

„Irgendwann hat Andi dann einen Ausbruch gehabt, weil wir immer unsere Witzchen<br />

gerissen und niveauarme Gespräche geführt haben. Bei euch geht’s sowieso immer nur<br />

ums Saufen, hat er gesagt. Und dann hat er sich ins Zelt gelegt mit seinen Büchern.“<br />

Andi und die Bücher. Sie liegen überall in seiner Wohnung. Auf der grauen Eckcouch,<br />

auf dem kleinen Wohnzimmertisch, vor dem überquellenden Bücherregal. Vier Bände<br />

„Nietzsches Werke“, James Joyces „Ulysses“, das „Fußball Unser“.<br />

Während Peter und Florian nach Andis Ausstieg von Auftritt zu Auftritt jagten und vor<br />

immer mehr schreienden Zuschauern spielten, suchte Andi genau das Gegenteil davon:<br />

Zurückgezogenheit und Stille. „Ich war nie ein Typ, der gerne im Mittelpunkt steht“,<br />

sagt er. „Bei Konzerten hätte ich mich am liebsten mit dem Rücken zum Publikum<br />

gestellt.“<br />

Andi machte das Abitur, begann Germanistik zu studieren.<br />

Sein Schwerpunkt: deutsche Literatur des Mittelalters. Als<br />

die Sportfreunde Stiller<br />

im Sommer 2006 durch<br />

Deutschlands Fußballstadien<br />

und Fernsehstudios<br />

zogen, verbrachte<br />

Andi seine Tage im Lesesaal<br />

für Handschriften<br />

der Bayerischen Staatsbibliothek<br />

und arbeitete an<br />

seiner Doktorarbeit. Zugezogene<br />

Vorhänge, alte<br />

Holztische, absolute Stille.<br />

Andi war glücklich.<br />

„Jahrelang bin ich da jeden<br />

Tag hingegangen<br />

und habe einfach mein<br />

Florian lernte Peter im Sportstudium kennen. Der wiederum spielte damals mit Andi in einer Band namens: Vertical Orange Car Crash.<br />

Italien-Urlaub 1996: Peter an<br />

der E-Gitarre, Andi an der<br />

Akustischen, Florian am<br />

selbst gebastelten Schlagzeug.<br />

Zeug gemacht. Das war<br />

so gemütlich da. Schade,<br />

dass das jetzt vorbei ist.“<br />

Ein Freitagmorgen, Anfang Juli <strong>2009</strong>: Andi Erhard sitzt auf<br />

einem Holzstuhl im Sozialbürgerhaus München-Sendling und<br />

wartet. Um neun Uhr hat er einen Termin in Zimmer 210,<br />

Abteilung Arbeitslosengeld II. Andi ist gekommen, um seinen<br />

Antrag auf Hartz IV abzugeben.<br />

Peter und Florian, die gerade unterwegs sind, um ihr neues<br />

Sportfreunde Stiller-Album zu vermarkten, wird er in einer Woche<br />

wieder sehen. Dann haben die drei ein Fußballspiel mit ihrer<br />

Hobbymannschaft. Bis dahin macht sich Andi schon mal<br />

auf Jobsuche. Stellen im wissenschaftlichen Bereich sind selten.<br />

Das weiß er. Bibliotheksassistent könnte er sich vorstellen,<br />

notfalls auch Postbote.<br />

Und jetzt? Bereut er es? „Das Studium, die Doktorarbeit, all<br />

das, was ich statt der Band getan habe, hat für mich total Sinn<br />

gemacht“, sagt er. „Und wenn man zufrieden ist, dann ist es<br />

auch nicht schwer zurückzublicken und zu sagen: „Da konnte<br />

ich einfach nicht mit, das war nicht mein Weg.“


Unser Beitrag zum Thema Innovation.<br />

In Summe.<br />

Der neue Panamera kommt.<br />

Summiert sich ganz schön, die Sportwagentechnik in der Premiumklasse:<br />

Das optionale 7-Gang Porsche Doppelkupplungsgetriebe (PDK), für Gang-<br />

wechsel ohne Zugkraftunterbrechung. Die adaptive Luftfederung von<br />

komfortabel bis sehr sportlich. Und die optionale Porsche Ceramic Composite<br />

Brake (PCCB) für Verzögerungswerte wie im Rennsport. Plus serienmäßige<br />

Benzindirekteinspritzung (DFI) und Auto-Start-Stop-Funktion. Ergebnis: mehr<br />

Effizienz, bessere Umweltbilanz.<br />

Porsche empfiehlt<br />

Hier erfahren Sie mehr – www.porsche.de oder Telefon 01805 356 - 911, Fax - 912 (EUR 0,14/min).<br />

Kraftstoffverbrauch l/100 km: innerstädtisch 16,4 · außerstädtisch 8,1 · insgesamt 11,1 · CO 2 -Emission: 260 g/km


Aufgemöbelt<br />

Endlich! Das erste eigene Zimmer.<br />

Jetzt muss es nur noch eingerichtet<br />

werden. Dieser formvollendete<br />

Hausrat kostet nur ein paar Euro.<br />

Bett Château des Étudiants<br />

Matratze auf edlen Rotweinkisten (leer) aus<br />

Fichtenholz massiv. Durch die lockere Anordnung<br />

der Kisten wird das Bett optimal belüftet.<br />

Die Einzelkomponenten lassen sich dem<br />

eigenen Weingeschmack anpassen und sind<br />

günstig bei jedem Weinhändler erhältlich.<br />

Bücherregal Steinbeißer<br />

Klassisch-schlichtes Design<br />

mit höchster Stabilität.<br />

Leichte Montage durch<br />

Modulbauweise. Material:<br />

weißer Ziegel und Holzauflage,<br />

matt lackiert.<br />

Beistelltisch Vino Castro<br />

Zwillingskonstruktion aus Weinkisten<br />

mit klarer, geometrischer<br />

Silhouette. Leicht zu verrücken und<br />

mit viel Stauraum im Inneren.


Leuchte Origami de Luxe<br />

Raffinierte Multiform aus 24 Pyramidenelementen.<br />

Der Lichtwurf ist gleichmäßig<br />

und dennoch strukturiert. Ein Eigenbau<br />

für anspruchsvolle Individualisten.<br />

Deko Art<br />

Die Jagdtrophäen brechen das minimalistische<br />

Gesamtkonzept. Auf<br />

spielerische Weise wird der Raum<br />

so noch geschmackvoller. Der<br />

Glaskopf ist eine Stilikone der 70er<br />

Jahre und ideal, um Kopfhörer aufzubewahren.<br />

Zusammen mit dem<br />

Designer-Bügeleisen verleiht er dem<br />

Zimmer eine subtile Retro-Note.<br />

15<br />

Konzept: Che Berberich, Clemens Haustein|Foto: Erol Gurian<br />

Schreibtisch Grand Portal<br />

Die restaurierte Zimmertür<br />

bietet eine extra große<br />

Arbeitsfläche. Leichtbau-<br />

Stützen aus Edelstahlrohr<br />

erlauben eine flexible<br />

Platzierung im Wohnareal.<br />

Türklinke kann zum Lichtschalter<br />

umgerüstet werden.<br />

Nix wie raus �<br />

von zuhaus<br />

Die besten Tipps von<br />

„A bis Z“ auf:<br />

klartext-magazin.de/<br />

47b/ausziehen<br />

Hocker Monte Christo<br />

Raumgreifender Kubus in Fesselballon-<br />

Optik. Die oktopusartigen Tuchausläufer<br />

am Ende des Hockers funktionieren als<br />

Fußwärmer. Die Bezüge sind waschbar.


16<br />

Text: Thomas Salter<br />

Wie werde ich<br />

<strong>Dr</strong>acula und Co. sind immer wieder für einen Kinohit oder Bestseller gut. „Twilight“ beweist<br />

aufs Neue: Blutsauger sind beliebt. Grund genug mal nachzuschauen, wie man das eigentlich wird.<br />

Der Klassiker<br />

1<br />

2<br />

3 4<br />

Bei Bram Stoker hat <strong>Dr</strong>acula seine Seele für ewiges Leben an den Teufel verkauft. Der Urvampir erschafft Seinesgleichen seither selbst. Er steht auf<br />

Frauen und überrascht sie im Schlaf (1). Dann trinkt er sie über mehrere Nächte hinweg leer (2). Das Opfer stirbt und wird beerdigt (3). Voilà, ein<br />

neuer Blutsauger schlüpft aus dem Grab (4). Doch Biss ist nicht gleich Biss: Männer verwandelt <strong>Dr</strong>acula lieber in insektenfressende Sklaven.<br />

Für Fortgeschrittene<br />

Der Quickie<br />

1<br />

Der Coitus Interruptus<br />

1<br />

1<br />

Vampir?Eine Anleitung<br />

2<br />

Vampire in der Serie „Buffy“ haben es schwer. Erst müssen sie ein Opfer suchen (1). Das ist nicht so leicht: In Häuser können sie nur, wenn sie eingeladen<br />

werden. Spontane Bettbesuche à la <strong>Dr</strong>acula fallen also weg. Dann müssen sie den Auserwählten fast leer trinken und mit ihrem eigenen Blut<br />

füttern (2). Anschließend ist es notwendig, dass das Opfer stirbt (3). Nur so kann es als Vampir wiederauferstehen (4). Nichts für blutige Anfänger.<br />

2<br />

„From Dusk Till Dawn“ zeigt die schnellste und simpelste unter den Ansteckungsmöglichkeiten: Natürlich, als erstes muss ein Opfer her (1). Dann<br />

reicht ein kleiner Biss, egal ob in den Arm oder den Hals (2). Die Verwandlung beginnt umgehend, kein Tod notwendig (3). Minuten später wachsen<br />

dem Opfer schicke Vampirzähne (4). Keine lange Wartefrist, keine lästige Übernachtung unter der Erde.<br />

2<br />

Auch für die Vampire bei „Twilight“ geht ohne Opfer gar nichts (1). Dann reicht ein kleiner Biss, aber Selbstkontrolle ist gefragt: bloß nicht leer trinken<br />

(2). Nur sehr willensstarke Trinker können dem Blutrausch widerstehen. Beim Beißen übertragen sie ein Gift (3). Das Gift verwandelt das Opfer<br />

dann in einen Vampir (4). Ist ein Mensch nur angeknabbert, kann man ihn noch retten. Dazu muss man nur das Gift wieder heraussaugen.<br />

3<br />

3<br />

3<br />

4<br />

4<br />

4<br />

„Vampire gibt �<br />

es wirklich“,<br />

sagt <strong>Dr</strong>. Mark Benecke und<br />

erzählt von Blutpartys. Was<br />

moderne Vampire machen, liest<br />

du auf klartext-magazin.de/47b/<br />

vampir


Ressourcen schonen<br />

Science For A Better Life<br />

Klima schützen<br />

Der Klimawandel gehört zu den großen globalen<br />

Herausforderungen unserer Zeit. Daher<br />

will Bayer aktive Beiträge dazu leisten, den<br />

„Climate Footprint“, der symbolisch für die<br />

negativen Auswirkungen menschlichen Handelns<br />

auf das Klima steht, zu verkleinern.<br />

Mit dem „Bayer Climate Program“ treibt<br />

das Unternehmen seine Aktivitäten für den<br />

Klimaschutz und den Umgang mit dem<br />

Klimawandel voran.<br />

So ist der „Bayer Climate Check“ ein<br />

neues Instrument zur CO2-Reduktion in<br />

Produktionsprozessen.<br />

Mit Hilfe der modernen Biotechnologie<br />

steigern wir die Widerstandsfähigkeit von<br />

Nutzpflanzen gegen Hitze und Dürre. Eine<br />

Chance für die Landwirtschaft, die Folgen<br />

des Klimawandels zu bewältigen.<br />

Zur Senkung des Energieverbrauchs in<br />

Büro- und Industriegebäuden haben wir<br />

gemeinsam mit Partnern das „EcoCommercial<br />

Building“ entwickelt. Auf Basis<br />

hocheffizienter Polyurethan-Dämmung und<br />

regenerativer Energien deckt es seinen<br />

Energiebedarf komplett selbst – ein in den<br />

verschiedenen Klimazonen der Erde anwendbares<br />

Konzept für Gebäude mit null<br />

Emissionen. www.klima.bayer.de


18<br />

Text: Florian Meyer, Arne Orgassa|Fotos: Florian Meyer, Arne Orgassa, Jasmin Srouji<br />

Im Land der<br />

begrenzten<br />

Möglichkeiten<br />

Achmad Aslan boxt: Seit er 13 Jahre<br />

alt ist, trainiert er fast jeden Tag.<br />

Jugendliche im Westjordanland<br />

verlieben<br />

sich, wollen feiern und<br />

sorgen sich um ihre<br />

Noten. Doch der<br />

Konflikt im Nahen<br />

Osten macht schon<br />

Kinder zu Erwachsenen.<br />

Es war eine warme Herbstnacht in Hebron, als er<br />

das letzte Mal unbeschwert lachen konnte.<br />

Achmad Aslan stand in der Mitte des Boxrings<br />

und wehrte die Schläge seines Gegners ab. Nur<br />

noch wenige Sekunden musste er gegen den Titelverteidiger<br />

durchhalten. Von den Rängen jubelten<br />

700 Zuschauer Achmad zu. Der Schweiß triefte<br />

aus seinem Gesicht, unter dem linken Auge brannte<br />

eine kleine Platzwunde. Nach zwölf Kampfrunden<br />

hielt der Ringrichter Achmads Hand in die<br />

Höhe. Sieg nach Punkten. Achmad war der neue<br />

Champion, Klasse Schwergewicht, im Westjordanland<br />

– mit 22 Jahren, er lachte vor Freude.<br />

Seither ist fast ein Jahr vergangen. Achmad sitzt<br />

mit seinem Cousin Mustafa Aslan, 18, und Freund<br />

Jichia Faialah, 21, in einem kleinen Trainingsraum<br />

eines Jungendzentrums in Ramallah. Es ist heiß.<br />

„Ich musste diesen Kampf gewinnen, für meine<br />

Familie, für mich, für meinen Traum“, sagt Achmad.<br />

Jahrelang hatte er mit seinen Freunden für<br />

diesen Triumph trainiert, abends, nach der anstrengenden<br />

Arbeit als Maurer. Doch von seiner<br />

Freude ist nichts mehr zu spüren,<br />

der Alltag hat ihn eingeholt.<br />

Als Junge sah er oft Boxkämpfe im Fernsehen,<br />

wollte es früh selbst ausprobieren. Mit 13 Jahren<br />

begann er täglich zu trainieren. Sein Ziel dabei immer<br />

vor Augen: Als Champion in andere Länder<br />

reisen, um dort zu kämpfen. Doch dieser Traum<br />

wird nicht in Erfüllung gehen. Schuld ist seine<br />

Herkunft. Achmad lebt im Westjordanland, im<br />

Flüchtlingslager Kalandia. Seine Familie wohnt<br />

hier seit 1967. Längst stehen keine Zelte mehr,<br />

Kalandia ist nun eine kleine Siedlung am Rand<br />

von Ramallah, im Schatten einer acht Meter hohen<br />

Betonmauer. Achmad nennt sie ein Bollwerk<br />

der Unterdrückung.


Jichia Faialah und die Cousins<br />

Achmad und Mustafa Aslan<br />

(von links) haben ihr Land<br />

noch nie verlassen.


20<br />

Israel ist seit 1948 ein unabhängiger Staat. Die Palästinenser leben<br />

unter eigener Regierung im Gazastreifen und Westjordanland.<br />

Treffpunkt: der Manarah Platz in Ramallah. Das Auswärtige<br />

Amt warnt Touristen vor Reisen in die palästinensischen Gebiete.<br />

Seit 2002 baut Israel die Mauer. Der Wall<br />

aus Stein, Beton und Stacheldraht schlängelt<br />

sich über die sandigen Hügel Israels, an<br />

vielen Stellen auch durch Gebiete, in denen<br />

Palästinenser leben. 759 Kilometer lang soll<br />

sie am Ende sein. So wollen die Israelis sich<br />

vor Selbstmordattentätern schützen, die<br />

sich in Cafés und Bussen in die Luft sprengen.<br />

Für die Palästinenser ist sie ein Wall, der<br />

ihr Land trennt, ihre Rechte einschränkt.<br />

Etwa 2,4 Millionen Palästinenser<br />

leben im Westjordanland. Mehr<br />

als die Hälfte davon sind Jugendliche.<br />

Das Flüchtlingslager Kalandia ist nur einen<br />

Steinwurf von der Mauer entfernt. Täglich<br />

erleben Achmad und seine Freunde, wie<br />

wenig unabhängig sie sind: Militärposten,<br />

Checkpoints, Ausweiskontrollen. „Wir sind<br />

Gefangene in unserem eigenen Land, haben<br />

nur eingeschränkte Bewegungsfreiheit“, sagt<br />

Jichia. Und doch versuchen er und seine<br />

Freunde ein normales Leben zu führen – in<br />

einem Land, in dem nur vorübergehend<br />

Waffenstillstand herrscht und der Konflikt<br />

zwischen Israelis und Palästinensern jeden<br />

Moment wieder ausbrechen kann. Sie haben<br />

gelernt, mit den Einschränkungen umzugehen.<br />

Sie haben gelernt, ihre Hoffnungen zu<br />

begraben.<br />

Das Flüchtlingslager am Rand<br />

von Ramallah bietet keinen Platz<br />

für Träumereien. 20000 Menschen leben<br />

in diesem Labyrinth aus staubigen Gassen,<br />

begrenzt durch graue Häuser mit Flachdach,<br />

meist ohne Fenster. Wegziehen will<br />

trotzdem keiner der drei. „Es ist wie bei einer<br />

sehr großen Familie“, sagt Achmad. Er<br />

ist stolz dort zu wohnen. „Wir passen gegenseitig<br />

auf uns auf.“<br />

Abgeschirmt: Die Mauer hat<br />

ehemalige Nachbarn voneinander<br />

getrennt. Sie teilt Jerusalem<br />

und Ramallah.<br />

Wenn die israelischen Patrouillen ins Camp kommen –<br />

zwei, drei Mal die Woche – warnen sie sich gegenseitig.<br />

Meist am frühen Morgen fahren die Soldaten durch die<br />

engen Gassen, klingeln die Anwohner aus ihren Betten,<br />

durchwühlen die Häuser und suchen nach Waffen. Sie<br />

wollen herausfinden, ob Anschläge geplant werden.<br />

„Vor ein paar Wochen haben sie an einem<br />

Morgen 26 Jugendliche einfach mitgenommen“,<br />

sagt Mustafa. Darunter einige seiner<br />

Freunde. Der Cousin von Achmad versucht seine<br />

Emotionen zu unterdrücken, doch die Mischung aus<br />

Trauer und Wut kann er nicht verstecken: „Wir wollten<br />

diese Schikane nicht einfach hinnehmen, haben mit<br />

Steinen geschmissen, sie angeschrien und gefordert<br />

aufzuhören.“ Genutzt hat es nichts. „Wir haben aufgehört<br />

Angst zu haben“, sagt Achmad. Lieber schmeißt er<br />

einen Stein, als sich zu verstecken. Aber auch das ist nur<br />

ein Versuch, auf seine Situation aufmerksam zu machen.<br />

Weder Achmad noch Mustafa oder Jichia haben<br />

es je geschafft, das Westjordanland zu verlassen. Und<br />

sei es nur für einen Boxkampf.<br />

Ghadeer Ladaa ist schon draußen gewesen,<br />

in Kuala Lumpur und Abu Dhabi, in<br />

Katar und Amman.<br />

Ghadeer ist 18 Jahre alt und studiert Maschinenbau. Sie<br />

spielt Fußball in der palästinensischen Jugendnationalmannschaft,<br />

einer Gruppe von 22 Mädchen aus den Palästinensergebieten<br />

und Jerusalem. Ghadeer ist ein zartes,<br />

schüchternes Mädchen. Neben dem Fußballplatz<br />

ist sie ruhig, hört aufmerksam zu, spricht leise. Doch<br />

wenn sie kickt, sprudelt sie vor Energie. Wenn sie sprintet,<br />

peitschen ihr die langen schwarzen Locken ins<br />

Gesicht.<br />

Vor zwei Jahren hat Ghadeer Ramallah zum ersten Mal<br />

verlassen. An jenem Tag klingelte ihr Wecker viel früher<br />

als sonst. Ihre Mannschaft sollte am Abend gegen die<br />

jordanischen Nachwuchsfußballerinnen antreten. Verschlafen<br />

stieg sie zu ihrer Mutter ins Auto, die sie zum<br />

Bus brachte.


Abgefilmt: Ghadeer Ladaa tritt<br />

in der Jugendsendung „Alli<br />

Sotak“ auf. Sie soll anderen<br />

Jugendlichen Mut machen.<br />

Ghadeer kickt in der palästinensischen<br />

Jugendnationalmannschaft.<br />

Um sieben Uhr fuhr die Mannschaft los, vorbei an<br />

dürren Olivenbäumen, durch das Hügelland. Viermal<br />

mussten sie an Checkpoints stoppen, an den<br />

Kontrollposten, die das Westjordanland in kleine Fetzen<br />

zerschneiden. Jedes Mal zeigte Ghadeer den israelischen<br />

Soldaten ihren Pass, beantwortete die immer<br />

gleichen Fragen: Wohin wollt ihr? Woher kommt ihr?<br />

Erst um sechs Uhr abends erreichten die Mädchen<br />

die jordanische Hauptstadt Amman – obwohl sie keine<br />

100 Kilometer von Ramallah entfernt liegt. Den<br />

Fußballerinnen blieb gerade genug Zeit, um ihre Taschen<br />

ins Hotel zu werfen und zum Sportplatz zu eilen.<br />

Ghadeer war erschöpft von der langen Fahrt. Das<br />

Spiel verloren sie 2:4.<br />

Seitdem ist Ghadeer viele Male ins Ausland gefahren,<br />

immer mit der Jugendmannschaft. Viele ihrer Freunde<br />

beneiden sie deshalb. Und doch fühlt sich Ghadeer<br />

eingesperrt: „Ich kann zwar in den<br />

arabischen Emiraten und in Malaysia<br />

kicken, in Jerusalem werde ich aber<br />

nie spielen können.“ Das Stadion ist nur 20<br />

Kilometer von ihrem Haus entfernt.<br />

Ghadeer hat den grünen Personalausweis, wie alle, die<br />

im Westjordanland geboren sind. Durch den Kontrollposten<br />

an der Stadtgrenze zwischen Jerusalem<br />

und Ramallah kommt sie mit dem grünen Pass nicht.<br />

Der einzige Weg, das Westjordanland zu<br />

verlassen, ist über die Grenze im Osten,<br />

über Jordanien.<br />

Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern reicht weit über hundert Jahre zurück.<br />

Wichtige Stationen nach dem Zweiten Weltkrieg: 1947 Die Vereinten Nationen empfehlen die Gründung eines arabischen und<br />

eines jüdischen Staates. 1948 Der Staat Israel wird gegründet, die Hauptstadt Jerusalem geteilt. 1956 Suezkrise: Frankreich,<br />

Großbritannien und Israel greifen Ägypten an, um den Suezkanal unter ihre Kontrolle zu bringen. 1967 Israel besetzt im<br />

Sechstagekrieg das Westjordanland, den arabischen Teil Jerusalems, den Gazastreifen und die Sinai-Halbinsel.<br />

1973 Jom-Kippur-Krieg Syrien und Ägypten greifen Israel an, um die besetzten Gebiete zurückzuerobern. Die Angreifer<br />

verlieren aber. 1978/79 Friedensabkommen: Israel gibt den Sinai an Ägypten zurück. 1987 - 1993 Erste<br />

Intifada: Bewaffneter Widerstand der Palästinenser. Selbstmordattentäter sprengen sich in israelischen Cafés und in<br />

Bussen in die Luft. In Gaza gründet sich die „islamische Widerstandsbewegung“, kurz Hamas. 1994 Oslo-<br />

Abkommen zwischen Israel und Palästinensern. Die Palästinenser hoffen auf einen eigenen Staat. 2000 Israel räumt den<br />

seit 1978 besetzten Südlibanon. 2000 - 2004 Zweite Intifada. 2002 Israel beginnt, eine Mauer um die<br />

Palästinensergebiete zu bauen. Die Israelis wollen sich vor Angriffen schützen. 2006 Krieg zwischen Israel und Kämpfern<br />

der Hisbollah in Libanon. Die Hamas gewinnt die Wahlen im Gazastreifen. 2007 Nach blutigem Bürgerkrieg im<br />

Gazastreifen übernimmt die Hamas die Macht. Das Westjordanland bleibt unter Kontrolle der Fatah, der<br />

„Bewegung zur nationalen Befreiung Palästinas“. 2008 Israel bombardiert Gaza, Soldaten marschieren ein, weil von dort aus<br />

Raketen auf israelische Städte abgeschossen werden. <strong>2009</strong> Israelische Truppen ziehen sich aus Gaza zurück.<br />

21<br />

„Das ist unser Leben“, sagt Ghadeer. Sie<br />

versucht den Konflikt und die Enge zu<br />

vergessen. Sie glaubt, dass palästinensische<br />

Jugendliche dieselben Wünsche<br />

und Hoffnungen haben wie Jugendliche<br />

in Europa, dieselben Probleme. Sie sorgen<br />

sich um ihre Noten, wollen abends<br />

länger weggehen und haben Liebeskummer.<br />

Diese scheinbar kleinen Sorgen werden<br />

vom Nahostkonflikt überschattet.<br />

Der Alltag im Westjordanland wiegt<br />

schwer und macht schon Kinder zu jungen<br />

Erwachsenen.<br />

„Wen stört das schon, wenn<br />

ich unglücklich verliebt bin<br />

oder Streit mit meiner besten<br />

Freundin habe?“, fragt Ghadeer.<br />

Ihre Eltern verstehen sie oft nicht.<br />

Sie sagen, Ghadeer solle sich nicht wegen<br />

solcher Kleinigkeiten aufregen. Niemand<br />

interessiert sich für die Probleme der Jugendlichen,<br />

wenn zur gleichen Zeit eine<br />

befreundete Familie ihr Haus verliert,<br />

wenn eine israelische Siedlung ausgebaut<br />

wird, ein Bekannter keine Arbeit findet<br />

oder Verwandte unter Terrorverdacht im<br />

Gefängnis sitzen.<br />

Um ihre Sorgen zu vergessen, spielt Ghadeer<br />

Fußball.<br />

Heute sind nur vier Mädchen zum Training<br />

der First Ramallah Group gekommen.<br />

Die Jungs müssen aushelfen und<br />

spielen mit: <strong>Dr</strong>ibbel-Übung, Passen,<br />

Stoppen und Übersteiger. Wenn Ghadeer<br />

am Ball ist, vergisst sie alles um sich herum,<br />

die schäbige Betonhalle, den Staub<br />

in den Ecken und den Taubendreck auf<br />

den Zuschauerbänken.<br />

Gaza-Streifen<br />

Mittelmeer<br />

Ägypten<br />

Ramallah<br />

Jerusalem<br />

Libanon<br />

Jordanien<br />

Westjordanland<br />

Totes Meer<br />

Syrien


22<br />

Seina Abu Hamdan (Mitte) will<br />

ein ganz normales Leben führen:<br />

Nach der Uni trifft sie ihre<br />

Freundinnen im Café.<br />

Die Ansichten über den Nahostkonflikt sind festgefahren. Nur wenige junge Palästinenser an<br />

der Bir Seit Universität wollen noch darüber nachdenken, wie er eigentlich entstanden ist.<br />

Pyalara ist eine palästinensische Organisation, die Jugendlichen eine Stimme geben will.<br />

Sie sollen ermutigt werden, über ihre Gefühle und Probleme zu reden.


Alli Sotak – � Sprich lauter<br />

Jede Woche sendet die Organisation<br />

Pyalara ein Fernsehmagazin für<br />

Jugendliche. Wir haben die Macher<br />

interviewt, das hörst du auf:<br />

klartext-magazin.de/47b/pyalara<br />

Vor dem Training hat Ghadeer ein Interview gegeben. Ein<br />

Fernsehteam von Pyalara besuchte sie zu Hause. Die gemeinnützige<br />

Organisation versucht den ganzen Nahen Osten auf<br />

die Situation junger Palästinenser aufmerksam zu machen.<br />

Ghadeers Beispiel soll Mut machen. Den Beitrag sendet<br />

Pyalara im 90-minütigen Magazin „Alli Sotak“, das jede<br />

Woche über den Satellitenkanal Palestine TV ausgestrahlt<br />

wird. „Alli Sotak“ heißt „Sprich lauter“. Jugendliche können<br />

in der Sendung über ihre Probleme reden, über ihre Ängste,<br />

Wünsche und Träume. „Alli Sotak“ gibt den jungen<br />

Palästinensern eine Stimme. �<br />

Nach dem Interview haben die Journalisten Ghadeer beim<br />

Fußballspielen gefilmt, sie war aufgeregt. Vor der Kamera ist<br />

ihr der Ball vom Fuß gesprungen. Jetzt ist das Fernsehteam<br />

verschwunden und Ghadeer dribbelt ihre Mitspielerinnen<br />

aus, spielt sichere Pässe.<br />

Seina Abu Hamdan hat vor Kameras keine Scheu. Sie will<br />

Moderatorin werden, am liebsten in ihrer eigenen Fernsehsendung.<br />

Noch schreibt die 18-Jährige für die Pyalara-Jugendzeitung<br />

„The Youth Times“, die einmal pro Monat erscheint.<br />

An diesem Morgen hat Seina Glück. Normalerweise steigt sie<br />

in eines der gelben Gruppentaxis, alte Ford-, Mercedes- und<br />

Hyundai-Kleinbusse, die sich schwerfällig durch die löchrigen<br />

Straßen quälen. Die Fahrt zur Uni ist langsam, anstrengend<br />

und staubig. Weil die Fenster offen stehen, verwuschelt der<br />

Wind die Frisur, Staubkörner fliegen in die Augen. Doch heute<br />

wird Seina von ihrer Mutter gefahren. Ihre mühsam hochgesteckten<br />

Haare bleiben in Form. Sie trägt noch schnell etwas<br />

Make-up auf, schließlich sind auch Jungs in ihrem Kurs.<br />

20 Kilometer vor Ramallah, auf einem kleinen Hügel neben<br />

dem Dorf Bir Seit, steht eine Gruppe moderner, heller<br />

Gebäude. Die Universität ist eine Oase inmitten von leerstehenden<br />

Häusern und Bauschutt, der an der Straße liegt. 8700<br />

junge Menschen studieren hier. Die Studienplätze sind begehrt,<br />

aber nicht billig. Rund 400 Euro kostet ein Semester.<br />

Am Osteingang des Campus steigt Seina aus<br />

und läuft mit ihren Freundinnen durch das<br />

Sicherheitstor. Viele Mädchen tragen ein Kopftuch, dazu<br />

einen kurzen Rock über einer dunklen, langen Hose. Seina<br />

trägt eine grau-blaue Jeans, ein kariertes, kurzärmeliges Hemd<br />

und rot-weiße Ballerinas.<br />

Im Hörsaal setzt sich Seina auf einen Stuhl in der ersten Reihe.<br />

Nur die Hälfte der Plätze ist belegt. Den Kurs über<br />

Marketing besuchen die Studenten freiwillig, es sind Sommerferien.<br />

Aber nächste Woche ist Zwischenprüfung, und deshalb<br />

darf Seina nichts verpassen. Den Kurs muss sie bestehen,<br />

im Herbst will sie ihr Studienfach wechseln, von Maschinen-<br />

Willst du �<br />

mich heiraten?<br />

„Ja, ich will“, schreibt Seina<br />

Abu Hamdan in einem Artikel<br />

für „The Youth Times“.<br />

Der Text ist zu lesen auf:<br />

klartext-magazin.de/47b/palaestina<br />

23<br />

bau zu Wirtschafslehre. „Wirtschaft fällt mir<br />

leichter“, sagt Seina. Sie will mehr Zeit neben<br />

der Uni haben für ihr Hobby, ihre<br />

Arbeit bei der Organisation Pyalara, fürs<br />

Fernsehen.<br />

Als die Stunde aus ist, huscht Seina als erste<br />

aus dem Hörsaal. Ihre Freunde warten in der<br />

Mensa, einer dunklen Halle mit leuchtenden<br />

Coca Cola- und Bounty-Werbetafeln.<br />

Arabische Popmusik dröhnt aus den Lautsprechern,<br />

so laut, dass man sich kaum<br />

unterhalten kann. Hier bespricht Seina sich<br />

mit ihren Freundinnen, hier kommt sie auf<br />

ihre Ideen für neue Artikel. Vor kurzem waren<br />

ihre Freundinnen besorgt. Seina hatte in<br />

einem Kommentar geschrieben, dass sie heiraten<br />

will. Viel zu früh, meinten die Freundinnen<br />

– Seina ist erst 18. „Viele haben meinen<br />

Artikel nicht richtig verstanden“, sagt<br />

sie lachend. Ihr Artikel sollte die Antwort<br />

auf den Text eines Kollegen sein. Er hatte geschrieben,<br />

dass junge Männer nicht heiraten<br />

wollen, weil es zu teuer sei: die Feier, die Geschenke<br />

an die Familie, das Kleid. Seina<br />

wollte das ernste Thema lustig aufgreifen.<br />

Doch für Scherze ist oft kein<br />

Platz. �<br />

„Viele Leute im Westjordanland nehmen alles<br />

ernst“, klagt Seina. Über Unterhaltsames,<br />

Musik, neue Klamotten, oder über Gefühle<br />

– darüber redet keiner. Seina will das in ihren<br />

Artikeln ändern: „Die Jugendlichen sollen<br />

wissen, was um sie herum geschieht. Sie<br />

sollen verstehen, dass man auch in einem<br />

Krisengebiet das Leben genießen darf.“<br />

Nicht nur der Konflikt zwischen Israelis<br />

und Palästinensern, auch die Eltern machen<br />

den Kindern das Leben schwer. Sie machen<br />

sich ständig Sorgen. „Eltern schauen immer<br />

nur in die Zukunft“, sagt Seina. „Sie wollen<br />

die angesehenste Ausbildung und den besten<br />

Job für ihre Kinder. Dabei vergessen sie<br />

oft, dass wir in der Gegenwart leben.“ Durch<br />

ihr Engagement will Seina ihre Generation<br />

wachrütteln. Seit der neunten Klasse geht sie<br />

deshalb fast jeden Tag in das Büro von Pyalara.<br />

Die Jugendlichen sollen nicht zu<br />

schnell erwachsen werden.<br />

Seina ist in Abu Dhabi geboren, in den<br />

Arabischen Emiraten. Erst mit neun Jahren<br />

zog sie nach Ramallah. Sie spricht fließend<br />

Englisch und hat einen blauen Personalausweis,<br />

mit dem sie die Checkpoints nach Jerusalem<br />

passieren kann. Sie könnte<br />

raus aus dem Westjordanland,<br />

könnte im Ausland studieren.<br />

Eigentlich wäre sie frei. Doch anstatt<br />

an eine Universität in den USA zu gehen<br />

oder in Europa zu arbeiten, ist Seina fest entschlossen,<br />

im Westjordanland zu bleiben.<br />

„Ich will versuchen, hier etwas zu bewegen“,<br />

sagt sie. „Hier ist ja meine Heimat.“


24<br />

Text: Martin Anetzberger, Katharina Zabrzynski<br />

Happy End<br />

in<br />

fünf<br />

Schritten<br />

Bastle dir deine eigene<br />

romantische Komödie!<br />

Eine Anleitung für<br />

Liebesfilme.<br />

Los geht es mit den zwei Hauptpersonen.<br />

Wer soll sich verlieben und warum<br />

überhaupt? In den dunkellila Kreisen<br />

stehen vier klassische Beispiele. Einfach<br />

eins aussuchen, dann geht es zu Schritt<br />

zwei.<br />

Liebe auf den ersten Blick ist ja schön<br />

und gut, aber für einen guten Film<br />

muss etwas Besseres her: In den rosa<br />

Schmetterlingen findest du vier Möglichkeiten,<br />

einfach eine aussuchen.<br />

Im nächsten Schritt muss der Film zeigen,<br />

wie schön es ist, wenn die beiden<br />

zusammen sind. Am besten geht das<br />

mit einer romantischen Szene. In den<br />

Wolken gibt es vier Beispiele.<br />

Und jetzt, unverzichtbar: die Krise. Die<br />

muss natürlich zum Anfang passen.<br />

Und je schöner Wolke Sieben war, desto<br />

heftiger wirkt die Krise.<br />

❤<br />

Und zu guter Letzt: das Happy End!<br />

Anfang<br />

Wette: ER wettet mit<br />

Kumpels, dass ER SIE<br />

rumkriegt/zur Ballkönigin<br />

macht. Wer mit<br />

wem um was wettet,<br />

lässt sich natürlich<br />

beliebig variieren.<br />

Täuschung: ER gewinnt<br />

SIE durch<br />

irgendeine Lüge/SIE<br />

spielt mit falschen<br />

Karten. Das bietet<br />

Stoff für späteren<br />

Streit.<br />

„Keinohrhasen“<br />

Konkurrenten: Beide<br />

können sich auf den<br />

Tod nicht ausstehen.<br />

Diese Variante ist immer<br />

gut, damit nicht<br />

sofort klar ist, dass sie<br />

zusammenkommen.<br />

Soziale Barriere: ER<br />

und SIE sollen es<br />

nicht einfach haben:<br />

SIE ist arm, ER ist<br />

reich/SIE ist schön,<br />

ER ist hässlich – viele<br />

Varianten möglich.<br />

„Eine wie keine“<br />

„Shopaholic“<br />

„Manhattan Lovestory“<br />

Schmetterlinge<br />

im Bauch<br />

Schicksalsgemeinschaft:<br />

ER und SIE geraten in<br />

eine Situation, die sie<br />

nur meistern können,<br />

wenn sie ein gutes<br />

Team bilden.<br />

Verbotene Frucht: Bisher<br />

hat ER jede gekriegt<br />

– SIE will ihn nicht. ER<br />

weiß: SIE ist die Richtige.<br />

Schließlich verliebt<br />

SIE sich doch in ihn.<br />

Die Heldentat: SIE gerät<br />

in Gefahr, er sieht es<br />

zufällig. ER rettet SIE<br />

und kann endlich beweisen,<br />

wie mutig und<br />

stark ER ist.<br />

Ungewöhnliche Umstände:<br />

Normalerweise<br />

ist ER/SIE unnahbar,<br />

aber jetzt ist alles anders.<br />

Beiden wird klar:<br />

Sie gehören zusammen.


Wolke 7<br />

Sie lassen sich von der<br />

Magie des Abends hinreißen<br />

und landen – gegen<br />

jede Vernunft – miteinander<br />

im Bett. Danach ist<br />

nichts, wie es mal war.<br />

Sie sitzen bei Pizza und<br />

Rotwein bei einem schicken<br />

Italiener. Die Augen<br />

funkeln im Kerzenlicht,<br />

sanfter Jazz klimpert im<br />

Hintergrund.<br />

Sie sind allein an einem<br />

Ort mit schönem Ausblick<br />

(ideal: Sonnenuntergang).<br />

Ein Blick in die<br />

Augen des anderen und<br />

die Welt um sie versinkt.<br />

Sie tanzen zur romantischen<br />

Melodie eng umschlungen<br />

und schauen<br />

sich dabei tief in die Augen.<br />

Wenn die Zeit jetzt<br />

nur stehen bliebe.<br />

Krise<br />

Bindungsangst: Auf<br />

einmal bekommt<br />

ER/SIE kalte Füße.<br />

Das Ganze kann<br />

nicht gut gehen.<br />

ER/SIE lässt den anderen<br />

sitzen.<br />

Missverständnis:<br />

ER/SIE versteht den<br />

anderen falsch, was<br />

dazu führt, dass der<br />

andere verletzt wird.<br />

ER/SIE macht<br />

Schluss.<br />

Wahre Identität:<br />

ER/SIE merkt, dass<br />

der/die andere nicht<br />

der/die ist, für den<br />

ER/SIE ihn/sie hält.<br />

ER/SIE lässt den anderen<br />

sitzen.<br />

Die Wette fliegt auf:<br />

Alles war perfekt,<br />

aber dann hört<br />

ER/SIE von der Wette.<br />

Sie streiten sich,<br />

ER/SIE lässt den anderen<br />

sitzen.<br />

Für alle Pessimisten:<br />

Einfach bei der<br />

Krise aussteigen,<br />

dann habt ihr ein<br />

schönes <strong>Dr</strong>ama.<br />

Happy End<br />

25<br />

❤Sie versöhnen sich und<br />

alles wird gut.<br />

❤Sie versöhnen sich und<br />

alles wird gut.<br />

❤Sie versöhnen sich und<br />

alles wird gut.<br />

❤Sie versöhnen sich und<br />

alles wird gut.


26<br />

Text: Clemens Haustein<br />

edelboarden Du wolltest immer schon<br />

eine der edelsten Städte<br />

Europas sehen? Zürich? Ist<br />

mit 100 Euro zu schaffen: Hin- und Rückfahrt per Mitfahrgelegenheit<br />

zum Beispiel von Frankfurt für 40 Euro.<br />

Bei www.couchsurfing.com findest du vor dem Trip eine<br />

kostenlose Bleibe. Und jetzt kommt’s: Skateboards und<br />

Fahrräder kosten bei „Züri rollt“ auch nichts. Damit bist<br />

du flexibel in der Stadt unterwegs. Am nächsten Tag<br />

geht’s in Europas größtes Spaßbad nach Pfäffikon. Die<br />

Bahnfahrt am Zürichsee entlang kostet 17,60 Euro (hin<br />

und zurück), die Tageskarte fürs „Alpamare“ 31,60 Euro.<br />

Dafür gibt es aber auch zehn verschiedene Riesen-<br />

Rutschen. Zurück in Zürich sind sogar noch 10,80 Euro<br />

übrig. Ein Teil davon dürfte beim Besuch des Lindt-<br />

Schokoladen-Fabrikverkaufs draufgehen...<br />

runterheizen!<br />

Mit deinen drei besten Freunden<br />

fährst du mit dem Wochenendticket<br />

nach Freiburg (9,25 Euro pro Person).<br />

Übernachtung in Freiburg im „Blackforest-<br />

Hostel“ (14 Euro). Am nächsten Tag (Sonntag)<br />

geht’s auf Europas längste Downhill-Roller-Strecke:<br />

Mit dem Bus zur Schauinslandbahn (2 Euro) und<br />

mit der Gondel hinauf (7,50 Euro). Dort einen<br />

Mountainbike-Roller (19 Euro) mieten und damit<br />

die acht Kilometer lange Downhill-Strecke runterheizen.<br />

Mit dem Bus wieder zurück nach Freiburg.<br />

Ihr übernachtet noch zweimal im „Blackforest-Hostel“<br />

und habt noch einen ganzen Tag, um auf den<br />

Münsterturm zu steigen. Mit dem Quer-durchs-<br />

Land-Ticket fahrt ihr wieder zurück (12,25 Euro).<br />

im wilden Osten<br />

Ihr fahrt zu viert mit<br />

dem Quer-durchs-Land-<br />

Ticket nach Berlin (hin<br />

und zurück 24,50 Euro). In Berlin im DDR-Retro-Hostel<br />

„Ostel“ einchecken (echter Plattenbau!).<br />

Übernachtung im „Pionierlager“ (9 Euro).<br />

Am nächsten Tag Berlin erkunden und wieder<br />

im „Ostel“ schlafen. Jetzt geht’s raus in die Natur:<br />

Zelt einpacken, mit der S-Bahn nach Erkner<br />

fahren (2,80 Euro), am Dämeritzsee zwei Kajaks<br />

mieten (33 Euro pro Person für drei Tage) und<br />

in See stechen. Abends an einem Zeltplatz anlegen<br />

(9 Euro Platzgebühr). Nach drei Tagen geht<br />

es von Erkner wieder zurück in die Zivilisation.<br />

Im „Ostel“ übernachten und von den restlichen<br />

90 Cent einen Schokoriegel kaufen.<br />

So kommst du<br />

billig weg!<br />

Für den perfekten Urlaub reichen<br />

100 Euro und eine gute Idee.<br />

zu Gast bei Elchen<br />

100 Euro �<br />

verdienen<br />

Wie du das am schnellsten<br />

schaffst, liest du auf<br />

klartext-magazin.de/47b/<br />

urlaub<br />

Du fliegst von Frankfurt-Hahn<br />

nach Göteborg<br />

(Tickets gibt es schon ab 11 Euro – rechtzeitig buchen!<br />

– Busfahrt von Frankfurt Hbf nach Hahn kostet<br />

12 Euro). Vom Airport geht es mit dem Bus direkt in die<br />

Wildnis nach Kungälv (2,50 Euro) und dann weiter auf<br />

dem Fernwanderweg „Bohusleden“. Übernachtung im<br />

Zelt (Wildzelten ist in Schweden erlaubt!) oder in den<br />

Vindskydds (Schutzhütten) am Weg. Verpflegung aus<br />

Deutschland mitbringen, den ersten Supermarkt gibt’s<br />

erst wieder nach fünf Tagen Wandern! Wenn du von keinem<br />

Elch angefallen wurdest, geht es von Uddevalla mit<br />

dem Bus zurück nach Göteborg (7,40 Euro). Endlich<br />

wieder duschen und in einem Bett schlafen! Übernachtung<br />

im Hostel gibt es ab 14 Euro. 5,40 Euro brauchst<br />

du für die Rückfahrt zum Flughafen – bleibt sogar noch<br />

Geld übrig für den letzten Abend.


GUTE IDEEN HALTEN<br />

LÄNGER ALS EIN LEBEN.<br />

150 Jahre <strong>Georg</strong> Knorr<br />

K N O R R - B R E M S E G R O U P<br />

Vor 150 Jahren prägte eine Idee den Beginn der industriellen Mobilität: Den Transport großer Gütermengen zwischen<br />

den Städten und wachsenden Industriestandorten voranzutreiben. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Als bedeutender<br />

Er� nder seiner Zeit entwickelte <strong>Georg</strong> Knorr zukunftsweisende Technologien wie die <strong>Dr</strong>uckluftbremse für<br />

Güterzüge und nahm entscheidenden Ein� uss auf die Entwicklung des Schienenverkehrs zum beherrschenden Transportmittel.<br />

Knorrs unternehmerische Visionen – der Grundstein zu dem, was Knorr-Bremse heute ist: weltweit führender<br />

Hersteller von Bremssystemen für Schienen- und Nutzfahrzeuge. | www.knorr-bremse.com |


28<br />

Text: Lisa Srikiow<br />

Made in India<br />

Wer zu faul ist, nervige Aufgaben selbst zu<br />

erledigen, lässt andere arbeiten. Das nennt man<br />

Outsourcen. Angeblich spart man damit Zeit<br />

und Geld. Klappt das auch bei Referaten?<br />

Betreff: Urgent Request from Germany<br />

------------------------------<br />

„Hi Anne, Thanks for briefing us.<br />

We can assist you in said task. However, we wont be able<br />

to provide you the results by Tuesday of next week.“<br />

------------------------------<br />

Betreff: Re: Endversion<br />

-----------------------<br />

„Vielen Dank!“<br />

-----------------------<br />

�<br />

Das Gesicht hinter<br />

den E-Mails<br />

Wir haben mit einer<br />

Mitarbeiterin der Agentur<br />

telefoniert: Mehr über ihren<br />

Arbeitsalltag hörst du auf<br />

klartext-magazin.de/47b/<br />

outsourcen


Betreff: Task for Germany<br />

----------------------------<br />

„Hey Anne,<br />

Not to worry, I have already assigned assistant to you. He will get in touch with you soon.<br />

Regards, Smitha.“<br />

----------------------------<br />

Betreff: Zwischenbericht<br />

-------------------------<br />

„Hallo Frau Schmidt,<br />

heute schiche ich Ihnen die Zusammenfassung mit<br />

noch einiger Informationen. Ich schicke die Endversion<br />

bis 16 Uhr MEZ. Ich tue auch einige passende<br />

Bilder in der Präsentation rein.“<br />

-------------------------<br />

Dienstag, 16.17 Uhr<br />

Die meisten Lehrer haben mittlerweile mitbekommen, wie einfach<br />

es ist, Hausaufgaben aus dem Internet runterzuladen. Webseiten<br />

wie schoolunity.de oder wikipedia.com sind also nicht mehr<br />

brauchbar. Indische Outsourcing-Agenturen garantieren maßgeschneiderte<br />

Dienstleistungen – eine Alternative für faule Schüler?<br />

Wir machen den Test: Unser Lockvogel, nennen wir sie Anne,<br />

macht sich auf die Suche. Die erste Agentur ist schnell gefunden,<br />

Anne füllt das Onlineformular mit ihrer Anfrage aus und wartet...<br />

Donnerstag, 13.17 Uhr<br />

Erst die dritte Outsourcing-Agentur antwortet. Getfriday.com hat<br />

sogar eine kostenfreie Hotline, Anne ruft sofort an. Die Unterhaltung<br />

auf Englisch ist zwar etwas mühselig, aber Herr oder Frau Smitha<br />

(Anne ist sich nicht ganz sicher) ist freundlich. Die Agentur<br />

würde den Auftrag übernehmen.<br />

Freitag, 12.45 Uhr<br />

Ein reger E-Mail-Verkehr beginnt: Anne gibt ein paar kurze Anweisungen<br />

zum Thema, das Referat soll sich mit den Unterschieden<br />

zwischen Männer- und Frauensprache beschäftigen – ein geeignetes<br />

Oberstufenthema. Der nächste Punkt ist die Bezahlung: zwölf<br />

Euro pro Stunde wollen die Inder haben. Nicht billig, aber Anne<br />

akzeptiert – ein Schulreferat sollte nicht allzu viel Zeit einnehmen.<br />

Montag, 9.10 Uhr<br />

Anne gibt ihr PayPal-Konto an, Kreditkarten nimmt die Agentur<br />

auch. Als die Bezahlung geklärt ist, geht alles sehr schnell. Smitha<br />

aus dem Support-Team antwortet zügiger – jetzt da der Auftrag gesichert<br />

ist.<br />

Montag, 11.30 Uhr<br />

Ein kurzer Schreckensmoment. Der bisherige Kontakt verlief auf<br />

Englisch, Anne will das Referat aber natürlich auf Deutsch haben.<br />

Schnelle Nachfrage bei Smitha.<br />

Dienstag, 11.45 Uhr<br />

Der persönliche Assistent Samik meldet sich zum ersten Mal bei<br />

Anne – auf Deutsch. Er verspricht, sich an die Arbeit zu machen.<br />

Betreff: Endversion<br />

-----------------------------------<br />

„Hi Anne,<br />

ich habe Ihnen schon einmal die Präsentation geschickt. Ich<br />

glaube, dass Sie das nicht erhalten haben. anbei schicke Ich Ihnen<br />

die Endversion noch einmal. Ich würde Ihnen gerne mitteilen,<br />

dass das Thema auch mein Interrese geweckt. Wenn Sie später<br />

auch Aufgaben für uns haben, würde ich mich sehr freuen.<br />

Herzlichen Dank und viel Glück zu Ihrer Präsentation.<br />

Für eine Eingangsbestätigung bedanke ich mich im Voraus.“<br />

-----------------------------------<br />

Dienstag, 17.17 Uhr<br />

Ein paar Stunden später folgt tatsächlich der erste Zwischenbericht<br />

mit Präsentation zum Thema Männer- und Frauensprache. Auf den<br />

ersten Blick sieht es nicht schlecht aus: Tabellen, Beispiele und auffallend<br />

wenige Fehler. Anne weist nochmal darauf hin, dass das<br />

Handout noch fehlt. �<br />

Mittwoch, 9.45 Uhr<br />

Samik antwortet schnell. Das Handout komme noch, auch die<br />

Powerpoint-Präsentation sei nur ein Muster.<br />

Freitag, 16.00 Uhr<br />

Auf die Minute genau kommt Samiks E-Mail mit der Endversion<br />

des Referats an. Der zweite Teil des Projekts beginnt. Anne lässt das<br />

Ergebnis von einer Deutschlehrerin korrigieren.<br />

Sonntag, 21.34 Uhr<br />

Das Urteil fällt eher enttäuschend aus: Eine Vier, höchstens eine<br />

<strong>Dr</strong>ei minus, würde Anne für ihr indisches Referat bekommen. Den<br />

Anforderungen einer gymnasialen Oberstufe wird es nicht gerecht:<br />

Die wissenschaftliche Grundlage fehlt, Quellen- oder Autorenangaben<br />

werden nicht aufgeführt. Samik hat wichtige Teile wie die Einleitung<br />

vergessen, die Gliederung ist unübersichtlich und in der<br />

Präsentation wimmelt es nur so von Kommafehlern. Das Fazit<br />

kommt gut weg, auch die inhaltlichen Angaben sind zum größten<br />

Teil richtig. Insgesamt bleibt das Referat aber zu allgemein.<br />

Outsourcen wird daher sicherlich nicht Schule machen: Fast zwei<br />

Wochen hat das Hin und Her gedauert. Die Wartezeit könnte ein<br />

Schüler vielleicht noch in Kauf nehmen – 96 Euro würde aber sicher<br />

niemand für eine Vier bezahlen!<br />

29<br />

Betreff: Persönlicher Assistant<br />

------------------------<br />

„Hallo Frau Schmidt,<br />

vielen Dank, dass Sie uns die Aufgabe erteilt haben. Mein<br />

Name ist Samik, und ich bin Ihr Assistent bei dieser Aufgabe.<br />

Ich fange in Kurzem mit der Aufgabe. Danach in 1 Stunde<br />

schicke ich Sie einen Zwischenbericht.“<br />

------------------------<br />

Betreff: German speaking assistant?<br />

-----------------------------<br />

„Hi Anne, Sure, we will assign you assistant who<br />

can provide services and do your task in German.<br />

Regards, Smitha.“<br />

-----------------------------


30<br />

Text und Fotos: Sebastian Erb|Comic: Simon Sieber<br />

Im Auge<br />

des Sturms<br />

QuietStorm rappt gegen Rechts, wird von<br />

Nazis angegriffen, kommt ins Gefängnis.<br />

Und kämpft weiter. So gut die Geschichte<br />

auch klingt – sie bleibt undurchsichtig.<br />

Er ist auf der Hut. Wenn auf dem Display „Unbekannter Anrufer“ steht , dann<br />

geht er nicht mehr dran. Wenn er einen Werbebrief bekommt, wird er nervös,<br />

denn dann weiß irgendjemand da draußen, wo er wohnt. Und trotzdem sagt<br />

Tibor Sturm: „Inzwischen fühle ich mich wohl in Berlin. Angst verspüre ich<br />

nicht mehr.“<br />

Ein junger Schwarzer, der von Nazis angegriffen wurde, sich gewehrt hat, sieben<br />

Monate im Gefängnis saß – das ist seine Geschichte. Und die hat<br />

QuietStorm, wie Tibor Sturm sich nennt, bekannt gemacht in der Szene der<br />

Antifaschisten und unter Rappern, die mit Gewalttexten nichts zu tun haben<br />

möchten. Manche nennen ihn eine Kämpfernatur. Sie finden ihn inspirierend,<br />

wie er trotz allem mit erhobenem Haupt durchs Leben geht. Er wird eingeschüchtert,<br />

erhält Morddrohungen und er gibt trotzdem nicht auf. In<br />

gewisser Weise wurde Tibor Sturm zum Symbol des Kampfes<br />

gegen Rechtsradikale. Und er fühlt sich wohl dabei.<br />

Wie verabredet wartet er an der U-Bahn-Haltestelle. Auch wenn er ein leuchtend<br />

rotes T-Shirt trägt, fällt er nicht weiter auf. Seine Augen versteckt er hinter<br />

einer schwarzen Sonnenbrille. Er schaut sich um. Tibor Sturm ist 34 Jahre<br />

alt, stämmig, 1,94 Meter groß, vielleicht auch 1,95 Meter. Wenn man genau<br />

hinschaut, sieht man auf Tibors rechtem Arm einige schwarze Striche. Ein<br />

großes Tattoo, dass sich den Oberarm hochzieht. Es ist ein Motiv des Künstlers<br />

H. R. Giger, der es für ein Tarot-Set schuf. Der Name des Motivs: „Der<br />

Tod“. Allerdings ist die Tätowierung noch nicht ganz fertig.<br />

Am 12. Februar, das Datum weiß er noch ganz genau, bekam Tibor den ersten<br />

Anruf. Die Rufnummer unterdrückt. „Wir werden das zu Ende bringen,<br />

was unsere Kameraden nicht geschafft haben“, sagte die Stimme. Und: „Stirb,<br />

Nigger“. Wegen der Morddrohungen gegen ihn wurde ihm eine sichere Woh-<br />

nung in München angeboten, mit Personenschutz, rund<br />

um die Uhr, jeden Tag. Doch das wollte er nicht. Zu der<br />

Zeit war er in Berlin – und blieb dort. Er hatte nur seine<br />

Sporttasche dabei, nicht viel mehr als ein paar Klamotten.<br />

Der Rest sei eingelagert, er komme da nicht dran.<br />

Achtmal ist er seitdem umgezogen, oft wusste er nicht,<br />

wo er nun schlafen sollte. Auf seinem Facebook-Profil<br />

steht der Satz: „FREEDOM IS..... Sometimes<br />

Harder than i thought....“.<br />

Über sein Leben zu reden, dafür nimmt Tibor sich viel<br />

Zeit. Über seine Geschichte. Er erzählt seine Geschichte<br />

aber so, wie es ihm passt.<br />

Ab und zu zündet er sich eine Pall-Mall-Zigarette an.<br />

Und dann sagt er plötzlich, er habe jetzt seinen wichtigen<br />

Termin. Er tippt die Adresse in sein Nokia Smartphone<br />

ein: Kunstzentrum Radialsystem, Holzmarktstr.,<br />

Nähe Ostbahnhof. Ein Dutzend Polizeiautos stehen<br />

dort, die Straße ist abgesperrt. Eine Polizistin fragt ihn<br />

nach seinem Ausweis. Er zeigt ihn ihr. Sie fragt ihn nach<br />

seiner Einladung. „Brauch’ ich nicht“, sagt Tibor Sturm<br />

und geht weiter. Und er braucht sie wirklich nicht.<br />

Sie kennen ihn hier, in der Backsteinhalle bekommt er<br />

einen reservierten Platz ganz vorne, zweite Reihe. Er<br />

streckt die Beine lang aus, gemütlich, er ist heute hier,<br />

weil er dazugehört. Auf der Rednerliste: Klaus Wowereit,<br />

der Regierende Bürgermeister von Berlin, SPD-Chef<br />

Franz Müntefering und Außenminister Frank-Walter<br />

Am Donnerstag kommt eine SMS : „(...) Ich habe gerade den wichtigsten Termin meines Lebens verpasst bekommen. Leider morgen um 18Uhr.“


Die Nazis wollen euch<br />

mit Musik ködern.<br />

Sein Kampf gegen Rechts:<br />

Tibor Sturm gibt Workshops<br />

in Schulen und Jugendzentren.<br />

31


„Afrodeutsch und sorgenfrei“ hat er einen seiner Songs genannt.<br />

Nigger!<br />

Was?<br />

Steinmeier, der Kanzler werden will. „Heimat Metropole“<br />

ist das Thema der Veranstaltung, aber das ist nicht<br />

so wichtig. <strong>Dr</strong>ei Kollegen vom Projekt „GangWay<br />

Beatz“ rappen, das interessiert Tibor schon eher. Er<br />

wippt im Beat mit. Danach gehen alle nach draußen; an<br />

der Spree ist es ein bisschen kühler, die Atmosphäre<br />

locker, es gibt Bier.<br />

Erko, der Rapper, der gerade noch auf der Bühne stand,<br />

sagt: „Das wichtigste ist, er ist unser Bruder. Er ist nicht<br />

allein.“ Eigentlich wollte Tibor mit Herrn Steinmeier reden<br />

und Herrn Müntefering, aber die sind in Gespräche<br />

vertieft. Dann klappt zumindest noch ein<br />

Foto mit dem Außenminister, ein Händeschütteln.<br />

Steinmeier strahlt, Tibor auch. Er<br />

ist dabei, er wird endlich ernstgenommen.<br />

Tibor war immer schon politisch, hat im Kommunalwahlkampf<br />

öffentlich seinen Kandidaten unterstützt.<br />

Doch obwohl er sie um Hilfe gebeten hat – vor den sieben<br />

Monaten Knast konnte ihn keiner seiner Bekannten<br />

aus der Politik bewahren.<br />

Tibor zieht eine Postkarte aus der Hosentasche, sie ist<br />

zerknittert und in der Mitte gefaltet. Seine Glückspostkarte<br />

ist das, sagt er, die hat er immer dabei. Vorne ein<br />

Porträt von ihm im Comic-Style, in Graffiti-Schrift<br />

steht da „Freiheit für Tibor“. Auf der Rückseite schreibt<br />

7 Monate!<br />

Tibor Sturm irgendwo in Berlin.<br />

Die Geschichte, wie er sie erzählt,<br />

lässt sich nicht nachprüfen.<br />

ein Thomas: „Lieber Tibor, solidarische Grüße und viel Kraft“. Von diesen Postkarten<br />

habe er bestimmt 1000 bekommen, sagt Tibor, dazu viele Briefe. Das<br />

gab ihm Hoffnung.<br />

Heute schildert Tibor den Angriff, der ihn ins Gefängnis brachte,<br />

so: Nürnberg, in der Nähe des Reichsparteitagsgeländes. Ein<br />

kalter, nasser Abend im Dezember 2005, er ging von einer Feier zurück<br />

zum Auto. Da hörte er Geschrei, sie riefen seinen Namen. Nazis. „Heute<br />

Nacht muss du sterben, Nigger!“. Er rannte weg, blieb dann stehen. In seinem<br />

Kopf blitzte auf: Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? Der Kindergarten. Er<br />

war immer der schwarze Mann. „Ich wollte nicht mehr weglaufen“, sagt er. Also<br />

schlug er um sich. Griff nach einem Holzpfahl, den er am Boden fand und hämmerte<br />

ihn einem der sechs Angreifer auf den Schädel. Die Polizei kam. Vier<br />

Streifenwagen, acht Polizisten. Sie mussten ihn bändigen.<br />

Tibor zeigt mit seinem Zeigefinger ins Gesicht. Das Jochbein war gebrochen,<br />

die Gesichtshälfte doppelt so dick, sechs Zähne kaputt. „Ich hatte das Gefühl,<br />

jeden Moment stirbst du.“ Tibor ist überzeugt: Sie wollten ihn umbringen. Er<br />

fühlte sich dem Tod ganz nah. Der Prozess gegen die Angreifer stehe noch aus,<br />

sagt er. Der Justizsprecher in Nürnberg sagt, davon wisse er nichts.<br />

Das Problem mit Tibors Geschichte ist, dass nur er ihren Kern kennt. Auch viele<br />

aus seinem Umfeld kennen die Umstände nur vom Hörensagen. Anhand der<br />

Daten, die Tibor nennt, sind die Gerichtsakten nicht zu bekommen. Es gibt nur


die Geschichte, die Tibor erzählt. Und darüber schwieg Tibor lange Zeit.<br />

Selbst seinem Vater sagte er anderthalb Jahre nichts. Aus Scham? Aus Verdrängung?<br />

Oder weil vielleicht doch nicht alles so war, wie er selber irgendwann<br />

zu glauben begann?<br />

Als Tibor dem Mann auf den Kopf schlug, wurde der schwer verletzt, Schädelbruch,<br />

Kleinhirnquetschung. Deshalb landete Tibor vor Gericht, nicht<br />

als Zeuge, sondern als Angeklagter. Der Vorwurf: Notwehrexzess. Er habe<br />

zu stark zugeschlagen, zudem war er kampfsporterfahren. „Das war der eigentliche<br />

Grund für die Verurteilung“, sagt Tibor. Wie er selber sagt, nahm<br />

Tibor den Prozess nicht ernst, dachte die ganze Zeit, er würde nun freigesprochen.<br />

Lachte, antwortete nicht auf Fragen. „Ich war naiv“, gesteht Tibor<br />

zu. „Ich habe dazu beigetragen, dass die Strafe so war.“ Trotzdem sei<br />

das Urteil vielleicht „rechtlich korrekt, menschlich aber nicht nachvollziehbar.“<br />

Er bereut es nicht, sich nicht entschuldigt zu haben. „Ich habe<br />

mich nicht entschuldigt, dass ich Schwarzer bin.“<br />

Das ist die Geschichte, wie sie Tibor erzählt. Selbst wenn sie<br />

nicht so stimmen würde, er könnte sie gar nicht mehr anders<br />

erzählen. Es ist seine Geschichte. Ein Berliner Filmemacher<br />

hat einen Kurzfilm darüber gedreht, der auf vielen kleinen<br />

Festivals in Deutschland läuft. Auch der Film zeigt nur<br />

Tibors Sicht.<br />

Dass viele ihm sagten, er sei zu Unrecht im Gefängnis, er sei vom Opfer<br />

zum Täter gemacht worden, das hat ihm geholfen. Im Großen und Ganzen<br />

sei es zwar natürlich nicht schön gewesen im Gefängnis, sagt er. Aber<br />

es hätte schlimmer sein können. Er arbeitete als Koch, hatte deshalb eine<br />

Einzelzelle. Er hat dort gelernt, wie man Schweinebraten und Klöße<br />

macht. Und er hat viel nachgedacht über sein Leben. Über seine Kindheit.<br />

Beim Versuch Tibor zu verstehen, hilft es, etwas über seine Kindheit zu erfahren.<br />

Was ist das erste, an das er sich erinnern kann? „Das N-Wort. Das<br />

hat mich Zeit meines Lebens begleitet.“ Er war immer der Neger. Er fühlte<br />

sich minderwertig. „Ich musste mich täglich rechtfertigen, wo ich herkam.“<br />

Dabei war er doch ein ganz normaler Junge, der in einer Kleinstadt<br />

in der Nähe von Nürnberg aufwuchs, Einzelkind, die Mutter Zahnarzthelferin,<br />

der Vater im Immobiliengeschäft. Seinen leiblichen Vater kannte er<br />

nicht.<br />

Er war ein ganz normaler kleiner Junge. Bis er neun war, dachte er, er sei<br />

der einzige Schwarze auf der ganzen Welt. Ein Junge, der auf die Frage „Warum<br />

bin ich schwarz?“ die Antwort bekam: Weil Gott es so wollte. Ein Junge,<br />

der sich oft alleine fühlte. Als Opfer.<br />

Seine Herkunft, die war für ihn wie ein Puzzlespiel, das er nach und nach<br />

zusammensetzte. Mit 17 fand er schließlich heraus, wer sein leiblicher Vater<br />

ist, ein US-Soldat, der von seinem Sohn in Deutschland gar nichts wusste.<br />

Er rief ihn an, dessen Frau war dran, dann kein Kontakt mehr. Zwei<br />

Tage vor seinem 18. Geburtstag bekam er Post aus Brooklyn, New York.<br />

Mit 21 flog er hin. Heute habe er ein gutes Verhältnis zu seinem leiblichen<br />

Vater, den er Dad nennt, und auch zu seinem Stiefvater. Der sagt: „Das ich<br />

nicht sein leiblicher Vater bin, war nie ein Problem.“<br />

Seine Hautfarbe, die prägte Tibors Leben von Anfang an.<br />

Sie katapultierte ihn aus der Kindheit ins Erwachsenendasein.<br />

Eines der ersten Bücher, das er las: Kants „Rassentheorie“, da war er<br />

12 Jahre alt. Dann Nietzsches „Morgenröte“. Harter Stoff. Aber Tibor<br />

konnte nicht anders, als nach Antworten zu suchen, warum er anders war<br />

als andere, rein äußerlich. „Schneiden wir mal deinen Buschkopf wieder“,<br />

so redete früher die Friseurin mit ihm. Heute trägt Tibor die Haare kurzgeschoren.<br />

Musik gegen �<br />

Rechts<br />

Nicht nur QuietStorm<br />

singt gegen Rechts.<br />

Online hörst du die zehn<br />

besten Anti-Nazi-Songs:<br />

klartext-magazin.de/<br />

47b/gegenrechts<br />

Wenn Tibor redet, schwankt seine Stimme schnell von<br />

ernsthaft bis spaßig. Gerne sagt er „ganz geil“, dann<br />

kommt plötzlich eine Formulierung wie aus dem Soziologie-Lehrbuch.<br />

Und manches Mal zieht er beides zusammen<br />

in einen Ausdruck: „So ist eben der Status<br />

Quo im Business“. So redet Tibor. Lässig. So ist er auch,<br />

lässig, vielleicht manchmal zu sehr. So erzählt er seine<br />

Geschichte.<br />

Inzwischen hat Tibor in Berlin eine feste Wohnung. Er<br />

schläft immer lange, bis um elf Uhr mindestens, manchmal<br />

gibt er später Workshops. Das ist seine Hauptbeschäftigung,<br />

seit er den Brothers Keepers beigetreten ist,<br />

einer Vereinigung von Künstlern, die sich gegen Rassismus<br />

einsetzen. Xavier Naidoo und Samy Deluxe gehören<br />

dazu. Abends hat Tibor ab und zu einen kleinen<br />

Auftritt, für den Herbst planen sie eine Schultour durch<br />

Ostdeutschland. Und dazwischen denkt er sich neue<br />

Songs aus, die Ideen findet er im Leben, es geht um Obdachlose,<br />

Straßenjungen, Schwarze in Deutschland. Er<br />

will die Leute unterhalten, sagt er, aber sie sollen auch<br />

nachdenken über die Welt, in der sie leben.<br />

In der Jury des Musikwettbewerbs „Nazis aus dem Takt<br />

bringen“ sitzt er schon, jetzt will er noch in den Wahlkampf<br />

einsteigen. Er soll für Steinmeier einen Wahlkampfsong<br />

produzieren, vier Strophen plus Refrain. Er<br />

wird rappen und drei andere auch. Dazwischen Ausschnitte<br />

aus Steinmeier-Reden. Authentisch soll es sein<br />

und per Youtube unter die Leute kommen. „Du musst<br />

als Künstler eine Meinung haben, damit das Land geführt<br />

wird, wie du möchtest“, sagt Tibor. Er hat sich alle<br />

Parteiprogramme angesehen und gemerkt: Am besten<br />

passt zu ihm die SPD.<br />

Was Tibor gar nicht ausstehen kann: Rap, wie ihn Sido,<br />

Bushido oder Frauenarzt performen. Frauenverachtende<br />

Texte, Gewaltverherrlichung. Das sei doch Missbrauch<br />

von Rap, nur um mehr Platten zu verkaufen.<br />

„Es gibt viele Rapper, die nicht authentisch sind“, sagt<br />

Tibor Sturm.<br />

Bei seinen Workshops in Schulen und Jugendzentren<br />

will er den Schülern zeigen, welche Probleme es mit<br />

Rassismus gibt; er will, dass sie aufpassen, welche Musik<br />

sie hören. „Die Rechten finden immer wieder einen<br />

Weg, um mit Musik Leute zu ködern.“ Dagegen will er<br />

kämpfen. � Den großen Durchbruch als<br />

Rapper hat QuietStorm nicht geschafft, aber<br />

er hat eine besondere Gabe, junge Leute zu<br />

begeistern, sagen die, die ihn kennen. Es<br />

ist sein Kampf und der ist noch lange nicht<br />

vorbei.<br />

Dazu passt auch das Tattoo auf Tibors Arm. Er hat<br />

überlebt, deshalb hat er sich für den Tod als Figur entschieden.<br />

Aber der Umhang fehlt noch. Fünf Termine<br />

waren für die Tätowierung angesetzt, dreimal war er<br />

schon dort. Aber jetzt sitzt der Tätowierer im Gefängnis<br />

und kann das Kunstwerk nicht vollenden. Der Tod<br />

muss warten.<br />

33<br />

Als in der neunten Klasse die NS-Zeit auf dem Stundenplan stand, holte er sich Adolf Hitlers Buch „Mein Kampf“ fürs Referat. Das stand bei seinem Opa im Regal.


34<br />

Text: Katharina Zabrzynski|Fotos: Erol Gurian<br />

Party auf Pump<br />

Alle reden von der Finanzkrise, keiner versteht sie wirklich.<br />

Dabei lässt sie sich in fünf Minuten am Tresen erklären.<br />

1.<br />

Rudi hat eine Kneipe in München-Schwabing. Seine Stammkunden<br />

sind gesellig und trinkfest, aber nicht gerade zahlungskräftig.<br />

3.<br />

Die Kneipe wird zum Renner<br />

in der Stadt. Immer<br />

mehr Gäste drängen in<br />

Rudis Kneipe und trinken,<br />

als gäbe es kein Morgen.<br />

4.<br />

Schritt für Schritt erhöht Rudi die<br />

Preise. Trotzdem trinken die Gäste<br />

immer mehr. Um die Bezahlung<br />

müssen sie sich ja keine Gedanken<br />

machen. Rudis Umsatz steigt.<br />

2.<br />

Eines Tages hat Rudi eine<br />

außergewöhnliche Idee: Ab sofort<br />

können die Kunden alle<br />

Getränke anschreiben lassen.<br />

Das Motto: Trinken Sie jetzt<br />

und bezahlen Sie später. Damit<br />

will er den Umsatz steigern.<br />

5.<br />

Immer mehr Kneipen<br />

übernehmen<br />

Rudis Konzept.<br />

Auch der Kundenberater<br />

der lokalen<br />

Investmentbank hat<br />

von Rudis Erfolg<br />

gehört und wittert<br />

ein Geschäft.


6.<br />

Weil Rudi kein Bares mehr<br />

hat, bietet der Banker ihm einen<br />

Kredit mit niedrigen<br />

Zinsen an. Als Gegenleistung<br />

bekommt er die Bierdeckel<br />

mit den angeschriebenen Getränken.<br />

Der Plan des Bankers:<br />

die Bierdeckel verkaufen<br />

und viel Geld damit machen.<br />

9.<br />

Triple A (AAA) steht<br />

in der Finanzbranche<br />

für höchste<br />

Kreditwürdigkeit<br />

von Wertpapieren.<br />

Die Wertpapiere werden von Finanzpapier-Testern<br />

mit besten<br />

Noten bewertet. Der Investmentbanker<br />

bedankt sich mit<br />

lebenslangem Freibier.<br />

12.<br />

Rudi hat mit den Bierdeckeln<br />

prima verdient, weiß aber,<br />

dass die goldenen Zeiten<br />

vorbei sind. Er schließt den<br />

Laden und macht sich<br />

auf den Weg nach Mallorca.<br />

13.<br />

8.<br />

Die Party auf Pump ist vorbei:<br />

Die Wertpapiere verlieren<br />

98 Prozent an Wert. Der Bierund<br />

Schnapslieferant geht<br />

pleite, weil viele Kneipen dicht<br />

gemacht haben. Das Geld<br />

der Investoren, die SUFFDERI-<br />

VATE gekauft haben, ist futsch.<br />

Per E-Mail werden die Wertpapiere<br />

bei einer „seriösen“ usbekischen Versicherung<br />

abgesichert.<br />

14.<br />

Alter Wein in neuen Schläuchen:<br />

Tanja übernimmt die<br />

Kneipe. Die alten Kunden sind<br />

aber hoch verschuldet und<br />

müssen auf Bier verzichten.<br />

Der Staat rettet mit Steuergeldern<br />

die Banken – und damit<br />

auch den Job des Bankers.<br />

10.<br />

7.<br />

Keiner versteht die Abkürzungen<br />

der Wertpapiere. Aber dank<br />

Absicherung und exzellenter Bewertung<br />

werden sie ein Hit unter<br />

Investoren. Der Banker erhält<br />

einen sechsstelligen Bonus.<br />

35<br />

Der Banker sortiert die Bierdeckel<br />

und fasst sie mit anderen<br />

Schuldscheinen zu Wertpapieren<br />

zusammen. Jetzt heißen<br />

sie SUFFDERIVATE, FUTURE-<br />

SCHNAPSZERTIFIKATE und<br />

BIEROPTIONSSCHEINE.<br />

11.<br />

Eines Tages stellt der<br />

Banker fest, es sei an der<br />

Zeit, die ältesten Deckel<br />

von Rudis Kunden abzukassieren.<br />

Die Gäste<br />

können ihre Schulden<br />

aber nicht bezahlen.


36<br />

David Friedrich, 18<br />

stop.motion: das ist eine bilderkette zu so einer art pilgerstätte.<br />

ich steh auf ner bühne zitiere feierlich die strophen<br />

ca. über 100 leute leihen mir ihre ohren<br />

worte kleben,<br />

bleiben in<br />

den poren,<br />

haken sich fest.<br />

ich seh, dass es kleine, psychische narben hinterlässt.<br />

lasst! Lass, so lass los.<br />

stop motion. don’t fuck the rotation!<br />

zapp: reihenhaus, bäume weichen aus.<br />

zapp: wir brauchen mehr platz für noch weniger arbeitsplätze.<br />

stop.motion: das ist eine bilderkette zu so einer art pilgerstätte.<br />

stop.geh nicht! es ist kalt draußen.<br />

zur zeit wachsen nur alptrauben.<br />

stop.ich bemühe mich, doch ich komm<br />

nicht voran<br />

weils nicht grün ist. sondern rot. überholverbot.<br />

doch blinken bringt einen doch eh nur vom<br />

geraden weg ab.<br />

weg a ab.<br />

mein fotoapparat ist so alt, der passt nicht<br />

mal in einen h-milch tetra pak.<br />

stop.motion.<br />

ich baue bildhaft brücken über ebenen und<br />

überquere flüsse per zebrastreifen.<br />

bild.ich gehe den lyrischen<br />

jakobsweg<br />

und entdecke aufgaben, die auf das<br />

wachstum meiner leber scheißen.<br />

bild.die welt ist eine wortplantage. seid ihr<br />

mit mir auf der vorfahrtstraße?<br />

kein fein pixelfilter. plaketten<br />

von farbklecksen, total egal.<br />

bild.manchmal kommt man mit der bremse weiter als mit dem<br />

gaßpedal.<br />

stop.drive<br />

stop.motion.<br />

das ist eine bilderkette auf dem weg zu so einer art pilgerstätte.<br />

stop.motion.eine art diashow.<br />

ich sehe viele auf der bühne (klasse performence) doch lyrisch unterste<br />

economy.<br />

na kommen sie. da kommen die an und machen ein auf comedy.<br />

stop. sei nicht überheblich, lass dich unterhalten.<br />

ha ha ha ho he hi<br />

doch nimm zur abwechslung mal<br />

po e siiiiiiiiiiiiiideen<br />

sind mangelware,heutzutage machen slammer<br />

texte darüber, dass sie texte, was sie<br />

für texte machen,wie man am besten texte<br />

macht, was andere slammer für texte machen,<br />

oder darüber dass andere slammer<br />

texte darüber machen dass wiederum andere<br />

slammer texte machen und was die<br />

für texte machenwas ist das dann für ein<br />

text. das ist keine poesie, das ist<br />

poetik.tik.tik.tik<br />

stop.motion<br />

am baum des lebens wachsen nur noch leere hülsenfrüchte.<br />

sagt die eine zur anderen: ich lehre dir den übermensch!<br />

darauf die andere: du bist doch nur ne leere nuss!<br />

eine dicke hülle ohne inhalt. ein schönes leben ohne sinn.<br />

ein top aktuelles modernes farbiges G8 schulbuch, in dem nur<br />

scheiße drin steht.<br />

ein supergeiler cooler slammer, der nur texte darüber macht, dass<br />

er texte macht.<br />

stop motion.<br />

ich laufe durch eine versallee,<br />

es liegt erster schnee<br />

und ich sage dir: der zahn der zeit ist ein eifriges nagetier,<br />

ich sehe falten und falter und falltüren im winterfell.<br />

der eingang zur hinterwelt.<br />

schneebedeckte landschaften, kieselsteine auf den gehwegen<br />

ich trete an zum winterdienst, kehre die einfahrt mit dem schneebesen.<br />

anblick, der den atem raubt,<br />

warten auf<br />

den frühling, der den damm bricht,<br />

Ende vom Samenstau.<br />

Kaleb Erdmann, 18<br />

Ana Ryue, 17<br />

Ich will erzählen wie’s<br />

begann mit meinen reimintentionen -<br />

am anfang wollt ich nur meine Ikonen<br />

klonen<br />

doch dann kamen immer eigene ideen und langsam habe ich - eingesehen<br />

ich müsste eigentlich meinen eigenen weg<br />

gehen statt vor plattenläden rumzustehen<br />

ich hab mich also an<br />

mein schreibtisch gesetzt und hab mich gefragt wie entsteht eigentlich ein text?<br />

Ich nehm kein Blatt<br />

vor den Mund,<br />

sondern schreib drauf.<br />

Gedanken, Gefühle, in Worte gefasst, ich fass sie zusammen und schreib sie auf. Das Blatt als Truhe meines<br />

Worschatzes und der Stift als Bote.<br />

„Gefühle kann man nicht aufschreiben.“, sagst du.<br />

„Macht nichts.“, schreibe ich.<br />

Gefühle sind zum Leben da, und<br />

vielleicht wollen sie ja gar nicht, dass man<br />

soviel über sie redet.<br />

Und wenn ich sage, dass ich verliebt bin, weißt du was ich meine,<br />

ohne dass es Schmetterlinge im Bauch braucht oder Die-ganze-<br />

Wortplantage<br />

s<br />

<strong>Dr</strong>ei U20-Poetry-Slammer schreiben<br />

über den Kampf mit der Sprache.<br />

ich hatte mir das etwa so vorgestellt mit ideen ist es doch wie mit<br />

dem geld - sie liegen auf der straße man muss sie nur finden - aufsammeln<br />

zusammenbinden und bevor sie verschwinden sich nen text draus winden<br />

- aber - leicht gesagt doch - weit gefehlt weil, man sich immer fragt ob man die<br />

richtigen wählt<br />

denn wenn man einfach immer mehr gedanken zusammenschreibt<br />

ist man irgendwann leer oder überladen wie ein mastschwein<br />

wenn das<br />

passiert ist mit dem schreiben schnell schluss - hätt ich das nur mal - vorher<br />

gewusst - denn so hab ich ne stunde verträumt ausm fenster geschaut - dann -<br />

kaugummi kauend aus geklauten ideen 'nen text gebaut - was dabei rauskam war<br />

grausam - in einem wort lauwarm - ich begann zu zaudern - denn -<br />

ich wollt eigentlich zaubern aber schau an: zum schaudern.<br />

ich hab das ganze auch mal<br />

nem kumpel gezeigt der hat zuerst kritisch den kopf geneigt dann doch<br />

interesse gezeigt und letztendlich gemeint: gib mir fünf minuten einlesezeit.<br />

dann las er den text nur abschnittsweise lächelte auf zynische art und weise<br />

und sagte dann leise:<br />

dein text ist scheiße.<br />

mir wurde also klar ich brauch 'nen ganz neuen ansatz ich mach das ganz anders denn ich<br />

weiß ich kann das!<br />

glücklicherweise hab ich dann bald verstanden: man<br />

braucht zuerst einen grundgedanken. den muss man sich dann von allen seiten<br />

anschaun und ihn dann noch kräftig ausbaun<br />

behängen und schmücken wie ein<br />

tannbaum deshalb war ich die<br />

folgenden tage - schwer beschäftigt mit der themafrage. vielleicht einen text<br />

über den größten verbrecher aller zeiten<br />

george bush den zweiten? aber die<br />

idee hab ich dann schnell überwunden - hab einfach nich genug reime auf idiot<br />

gefunden<br />

außer vielleicht tod und so weit wollt ich nicht gehen - kann sonst<br />

morgen wolfgang schäuble auf video sehen.<br />

ich suchte immer weiter und weiter<br />

und nach einigem weiteren scheitern - brach schon der tag des slams an.<br />

und dann tat ich das was alle dichter je taten denen keine themen<br />

mehr<br />

blieben - ich hab nen text übers texteschreiben geschrieben.<br />

Welt-umarmen-können.<br />

Ich umarm lieber Dich, ohne was zu sagen. „Wir müssen doch<br />

nicht alles zerreden.“, sage ich, aber du willst wissen, was los ist.<br />

„Schau mir doch in die Augen.“, denke ich, aber dein Blick geht an<br />

mir vorbei ins Leere.<br />

Ich nehm kein Blatt vor den Mund,<br />

sondern schreib drauf. Schreib auf, dass ich dir nicht<br />

alles in Worten vor die Füße<br />

werfen will, dass ich dich<br />

nicht merken lassen will, wie<br />

es meinem Herz geht und<br />

dass ich dir keine Geschichte<br />

erzählen will von einem Mädchen,<br />

das nicht mehr wusste,<br />

was sie sagen soll.<br />

Wenn Blicke nicht reichen<br />

und sich nicht mal begegnen,<br />

wenn nicht mal aneinander<br />

vorbeigeredet wird, sondern<br />

überhaupt geredet wird, ohne<br />

dass einer von uns hinterher<br />

weiß, wie es weitergeht.<br />

Vielleicht ist es dann zu spät.<br />

Und muss ich jetzt sagen, der<br />

Zug ist abgefahren, die Zeit ist<br />

abgelaufen oder es ist vorbei,<br />

damit du mich verstehst? Reicht es dir nicht, dass du mich nicht<br />

anschaust, um zu merken, was du willst?<br />

Ich nehm kein Blatt vor den Mund, sondern<br />

schreib drauf. Schreibe und schreibe<br />

und schreibe, will nicht anders, kann<br />

nicht anders, meine Wörter als Trichter<br />

meines Herzens. Denn ohne sie könnte<br />

ich nicht sein.<br />

Aber soviel ich auch schreibe, soviel Tinte,<br />

die ich benutze, nicht verschwende, sie<br />

reicht nicht aus, um zu zeigen, wie es mir<br />

wirklich geht.<br />

Aber das ist gut so<br />

denn Dinge,<br />

die man nicht<br />

ausdrücken<br />

kann, haben<br />

meist am meisten<br />

Ausdruck.<br />

Und mein Herz ist froh darüber, dass es<br />

nicht jedes Gefühl an ein Wort verschwenden<br />

muss.<br />

Und jetzt hast du begriffen. „Leb wohl.“, denkst du und ich lese es<br />

in deinen Augen, die mich endlich anschauen.<br />

Unsere Autoren �<br />

beim Performen<br />

Wir haben einen Poetry<br />

Slam in München besucht.<br />

Das Video siehst du auf:<br />

klartext-magazin.de/<br />

47b/slam


Upgrade 37<br />

Thomas Salter, Lisa Srikiow|Foto: Erol Gurian<br />

Die iZelleKonzept:<br />

„Das kann ich auch“, dachte sich die Telefonzelle, als sie das neueste Smartphone sah.


2<br />

Text: Name Name Foto: Name Name<br />

Das erste Mal bemerkte Lars seine Verfolger in der U-Bahn. Von da an sah er sie überall.


Die Joints.<br />

Der<br />

Rausch.<br />

Die Blicke.<br />

Kiffen gehört für viele zum Alltag.<br />

Für Lars Schumann veränderte es die Welt.<br />

Diagnose: Schizophrenie.<br />

39<br />

Text: Carina Braun|Fotos: Erol Gurian<br />

THC, Delta-9-Tetrahydrocannabinol, ist der Hauptwirkstoff von Cannabis. In niedrigen Dosen wirkt er euphorisierend und entspannend.<br />

Der <strong>Dr</strong>ogentrip, der nicht verging,<br />

begann an einem Tag im Dezember.<br />

Lars Schumann kam von der Arbeit.<br />

Er war 21, Zivildienstleistender und vor<br />

wenigen Monaten von zuhause ausgezogen,<br />

vom Dorf ins nahe gelegene Hamburg.<br />

Lars war beliebt und selbstbewusst,<br />

einer, mit dem man was trinken gehen,<br />

aber auch reden konnte. Er war es gewohnt,<br />

im Mittelpunkt zu stehen. Mit<br />

vier Freunden hatte er eine WG nahe der<br />

Reeperbahn gegründet. Sie feierten die<br />

neue Unabhängigkeit, Alkohol und Gras<br />

waren zum täglichen Ritual geworden. Es<br />

war eine einzige, lange Party.<br />

Name von der Redaktion geändert.


40<br />

Heute, drei Jahre später, sitzt Lars in einem<br />

Sessel vor seinem Haus, blinzelt in<br />

die Sonne und versucht, sich zu erinnern,<br />

was seither passiert ist. Es ist ein<br />

guter Tag. Er kann sich konzentrieren<br />

und lange Gespräche führen, nur hin<br />

und wieder stockt er ein bisschen, wenn<br />

er nach Details sucht. Es ist ein guter<br />

Tag, denn es ist Donnerstag,<br />

und am Dienstag erst haben<br />

sie ihm seine Medikamente gespritzt.<br />

„Mein Depot ist voll“,<br />

sagt er und lächelt.<br />

Er ist ein kräftiger, nordischer Typ mit<br />

blauen Augen und rötlichem Sechstagebart.<br />

Dass er krank ist, sieht man ihm<br />

nicht an. Er hat etwas Ruhiges, Wetterfestes<br />

an sich und wählt seine Worte<br />

sorgfältig. Aber der Versuch, sich seiner<br />

Vergangenheit anzunähern, erschöpft<br />

ihn sichtlich. Noch immer kostet ihn<br />

die Krankheit Kraft.<br />

Was er am meisten vermisst, ist die alte<br />

Sicherheit: schlagfertig zu sein, andere<br />

mitreißen zu können. „Der Sunnyboy<br />

der Klasse“, hat ihm einmal eine Lehrerin<br />

ins Zeugnis geschrieben. Nun fällt<br />

es ihm oft schwer, Fremden gegenüberzutreten.<br />

„Es ist so eine Grundnervosität<br />

da“, erklärt er. „Ein Gefühl, dass<br />

andere bemerken, dass meine Einheit<br />

nicht stimmt.“ Gesten und Blicke<br />

nimmt er sich schnell zu Herzen. Er ist<br />

verletzlicher geworden.<br />

An jenem Abend im Dezember<br />

hatte er wie immer schon den<br />

ersten Joint geraucht, den täglichen<br />

„Feierabendpokal“ nach<br />

der Arbeit, und sich anschließend<br />

auf den Weg nach Hause<br />

gemacht. Aber etwas war anders<br />

dieses Mal. „Es war, als hätte ich etwas<br />

im Gesicht, auf das mich keiner aufmerksam<br />

machen wollte“, sagt er. In<br />

der Bahn starrten ihn die Leute an, als<br />

wollten sie ihn durchlöchern mit ihren<br />

Augen. Unsicherheit schlich in ihm<br />

hoch, er setzte Kopfhörer auf und versuchte,<br />

abzuschalten. Aber die Blicke<br />

hörten nicht auf. Nicht an diesem Tag,<br />

nicht am nächsten, nicht, als er wieder<br />

nüchtern war, und auch nicht die Woche<br />

darauf.<br />

Dopamin gehört zu den sogenannten „Glückshormonen“. Aktuelle Studien legen aber nahe, dass es auch eine Rolle bei Ängsten spielt.<br />

Schizophrenie stellt sich langsam<br />

ein. Anfangs sind es Kleinigkeiten: Farben,<br />

Gerüche, Geräusche. Die Lichter werden<br />

greller, die Gespräche lauter, die Blikke<br />

durchdringender. „Erst hat es mich nur<br />

irritiert“, erinnert sich Lars.<br />

Es war das Cannabis, sagt er rückblickend,<br />

das ihn damals in die Psychose trieb. Mit<br />

16 hatte er zum ersten Mal gekifft, dann<br />

war es zum Wochenend-Vergnügen geworden<br />

und nach dem Auszug von zuhause<br />

zur Alltäglichkeit. Erst rauchte er, weil die<br />

anderen rauchten, dann, um besser feiern<br />

zu können.<br />

In Menschenmengen war es am Schlimmsten – wenn er den Blicken nicht entgehen konnte.<br />

Gegen Ende des Jahres liefen ein paar Dinge nicht mehr so<br />

gut. Die Beziehung zur Freundin zerbrach. Er hatte das Fachabi<br />

verhauen und bekam Absagen auf seine Bewerbungen<br />

um einen Ausbildungsplatz. Nachts lag er wach und<br />

haderte mit seinen Gedanken. Da rauchte er<br />

auch, um Schlaf zu finden.<br />

Beim Kiffen schüttet das Gehirn Dopamin aus – ein Botenstoff,<br />

der für die Übertragung von Reizen zuständig ist. Der<br />

Körper produziert ihn eigentlich immer dann, wenn etwas<br />

eine erhöhte Aufmerksamkeit erfordert, bei Gefahr oder<br />

Stress etwa. Auf kurze Zeit wirkt er aber auch berauschend:<br />

Der Mensch nimmt seine Umwelt sensibler und intensiver<br />

wahr. Doch wenn der Körper den Stoff nicht mehr abbaut,<br />

wird die Reizüberflutung zum Dauerzustand und aus dem<br />

Höhenflug eine Qual. Die Erkrankten leiden unter Wahrnehmungsstörungen,<br />

die ihnen völlig real erscheinen, und beziehen<br />

ihre ganze Umwelt auf sich. Oft rutschen sie in einen<br />

Verfolgungswahn. �


Auch Lars begann bald, sich vor den Menschen<br />

zu fürchten. Er entwickelte Strategien,<br />

um ihren Blicken aus dem Weg zu gehen.<br />

Er lief Umwege und mied öffentliche<br />

Plätze. Musste er Bahn fahren, versteckte<br />

er sich hinter einem Buch. „Wenn jemand<br />

einsteigt, schaut er sich meist nach einem<br />

freien Platz um“, erklärt er. „Aber ich war<br />

mir sicher, sie suchen mich.“<br />

Gesprächsfetzen, das Fernsehprogramm,<br />

selbst Autokennzeichen<br />

und Telefonnummern enthielten<br />

plötzlich verschlüsselte Botschaften,<br />

die nur ihn betrafen. Die Anzeichen<br />

verdichteten sich, dass er die Hauptrolle<br />

spielte in einer zweiten „Truman<br />

Show“ – dass er das Opfer totaler Überwachung<br />

war. Weil er niemandem mehr vertrauen<br />

konnte, verkroch er sich in sein<br />

Zimmer. Er litt unter Depressionen und malte wie ein Getriebener<br />

bedrückende Bilder auf Wände und Papier. Manchmal<br />

ging er tagelang nicht aus dem Haus, doch bald fanden die Verfolger<br />

subtilere Wege. Lars begann, Stimmen zu hören. Sie krochen<br />

in seinen Kopf, verspotteten und demütigten ihn, bis er<br />

kaum noch schlief.<br />

Damit sie seine Gedanken nicht belauschen konnten,<br />

drehte er die Musik laut auf. In einer Nacht im<br />

Mai standen die Mitbewohner in der Tür, weil sie<br />

aufgewacht waren von dem Lärm. Es war die<br />

Nacht, bevor sie ihn in die Klinik brachten. <strong>Dr</strong>ei<br />

Wochen verbrachte er in der geschlossenen Psychiatrie, blickte<br />

in leere Gesichter und sprach kaum noch. Aber bald begannen<br />

die Medikamente zu wirken. Heute sind die Wände in seinem<br />

Zimmer weiß. Es ist noch derselbe Raum, aber die Wahnbilder<br />

sind übertüncht. Was von der Psychose übrig blieb – stapel-<br />

Schizophrenie wird oft mit Persönlichkeitsspaltung verwechselt, ist aber eine Wahrnehmungsstörung. Im Kopf der Erkrankten entwickelt sich eine neue Welt.<br />

Löst Kiffen Schizophrenie aus?<br />

Ein Zusammenhang zwischen Schizophrenie und Cannabis gilt<br />

durch viele Studien inzwischen als gesichert. Welche Rolle die<br />

<strong>Dr</strong>oge jedoch konkret spielt, ist umstritten. Viele Wissenschaftler<br />

gehen davon aus, dass durchs Kiffen gerade in jungen Jahren bleibende<br />

Schäden entstehen, weil sich das Gehirn dann noch in der<br />

Entwicklung befindet und der Stoffwechsel langfristig gestört<br />

wird. Eine Schizophrenie ist zwar unwahrscheinlich, aber manche<br />

Menschen sind gefährdeter als andere: Sie bauen Dopamin langsamer<br />

ab. Wenn eine genetische Vorbelastung besteht, Cannabis und<br />

irgendwann noch Stress hinzukommen, kann die Krankheit ausbrechen.<br />

In einem sind sich die meisten Forscher einig: Je früher<br />

im Leben gekifft wird, desto größer die Gefahr einer Psychose.<br />

... oder die Schizophrenie das Kiffen?<br />

Andere Forscher glauben, dass die Psychose zuerst da war und die<br />

Erkrankten Cannabis konsumieren, um die Symptome zu unterdrücken<br />

und sich zu betäuben. Für eine Forschungsarbeit der Universität<br />

Hamburg wurden junge Schizophrenie-Patienten nach den<br />

Gründen für ihren <strong>Dr</strong>ogenkonsum befragt. Einige gaben an, dass<br />

beim Kiffen die Stimmen weggingen. Andere sagten, sie fühlten<br />

sich unter Cannabis aktiver und konzentrationsfähiger, sie könnten<br />

dann Sport machen oder Bücher lesen. In der <strong>Dr</strong>oge enthalten<br />

ist unter anderem der Stoff Cannabidiol, der kurzfristig zur Verbesserung<br />

der Krankheitssymptome führen kann.<br />

41<br />

weise Zeichnungen und Pläne voll wirrer<br />

Ideen – hat seine Mutter zu sich genommen,<br />

damit sie nicht mehr in seiner<br />

Nähe sind. Er hat sie sich nie angesehen.<br />

Das Schwierigste am Erinnern ist, dass<br />

er nicht weiß, wie weit er dabei gehen<br />

darf. Bilder jener Zeit, Orte, an<br />

denen er war – sie könnten einen<br />

erneuten Schizophrenie-Schub<br />

auslösen. Mit jedem Rückfall<br />

aber sinkt die Wahrscheinlichkeit,<br />

einmal ein Leben ohne Medikamente<br />

führen zu können.<br />

Und einen hatte er schon. Als er damals<br />

entlassen wurde, fühlte er sich fremd in<br />

seiner alten Welt. Er begann, wieder zu<br />

kiffen.<br />

„Ich glaubte, ich könnte mir so<br />

mein Leben zurück holen“, sagt<br />

er. Doch nach nur wenigen<br />

Monaten kamen die Stimmen<br />

zurück. Das zweite Mal in der geschlossenen<br />

Psychiatrie hat er als die<br />

dunkelste Zeit in Erinnerung. „Ich bin<br />

dort innerlich gestorben“, sagt er.<br />

Nur langsam hat er sich wieder ins Leben<br />

eingefügt, aber er ist nicht wieder<br />

derselbe geworden. Die Krankheit hat<br />

ihm viel Energie und ein Stück seiner<br />

Selbst geraubt. Er sagt, dass er kühler<br />

geworden ist und abgeklärter. Sie fehlt<br />

ihm, die Leichtigkeit von einst. „Es ist<br />

wie damals, als mein Großvater starb.<br />

Da geht immer etwas in einem verloren,<br />

was nicht wiederkommen wird.“<br />

Seit der zweiten Psychose hat er die Medikamente<br />

nicht mehr abgesetzt und<br />

auch das Kiffen sein gelassen. Viele seiner<br />

Freunde haben mit ihm aufgehört –<br />

aus Freundschaft oder aus Angst, ihnen<br />

könnte Ähnliches passieren.<br />

Lars lebt heute ein normales Leben und<br />

geht wieder zur Schule, aber er weiß,<br />

dass er immer gefährdet sein wird. Er<br />

hat sich die eigene Stimme in<br />

seinem Kopf genau eingeprägt,<br />

um sich an ihr zu orientieren,<br />

falls es mal wieder soweit ist.


42<br />

Vor kurzem hat er die Frequenz der<br />

Spritzen reduziert und bekommt sie<br />

jetzt nur noch alle drei statt alle zwei<br />

Wochen. Jede dritte Woche zeigt ihm<br />

aufs Neue seine Grenzen auf. Er ist<br />

dann unkonzentriert, schwerfälliger im<br />

Gespräch und schreibt schlechte Klausuren.<br />

In letzter Zeit liegt er abends wieder<br />

lange wach. Bei weniger als acht<br />

Stunden Schlaf pro Nacht wird es riskant,<br />

haben die Ärzte gewarnt.<br />

Trotzdem hofft Lars, in zwei oder drei<br />

Jahren ganz ohne Medikamente leben<br />

zu können. „Vielleicht normalisiert sich<br />

mein Gehirn dann wieder“, sagt er.<br />

Noch immer gibt es oft bedrückende<br />

Tage, aber auch Tage, an denen er etwas<br />

von der alten Energie fühlt. „Manchmal<br />

spüre ich wieder, dass ich ich bin.“<br />

Er geht wieder mit Freunden weg, aber<br />

alles ist ein bisschen ruhiger geworden.<br />

„Es ist ein anderes Feiern, an das ich<br />

mich erst gewöhnen musste“, sagt er.<br />

Seit er die Medikamente nimmt,<br />

wirkt auch der Alkohol nicht<br />

mehr wie früher. Manchmal hätte<br />

er gerne wieder einen echten<br />

Rausch.<br />

In gewisser Weise ist es aber ein intensiveres<br />

Leben. <strong>Dr</strong>außen sein, die<br />

ersten Sonnenstrahlen des Sommers<br />

genießen, frei sprechen<br />

können oder ins Freiluftkino<br />

gehen – Dinge, die einst selbstverständlich<br />

waren und die er heute bewusster<br />

genießt.<br />

Und irgendwann, wenn er vielleicht fünf<br />

Jahre ohne Medikamente geschafft hat,<br />

dann würde Lars auch noch einmal kiffen.<br />

Es wäre nicht so exzessiv wie früher,<br />

es wäre dann etwas Besonderes. Ein<br />

Neujahrsjoint vielleicht. Ein Joint<br />

zum Genießen. Er weiß, dass es unvernünftig<br />

klingt und andere den Kopf<br />

schütteln, wenn sie es hören, und eigentlich<br />

will er auch nicht mehr kiffen,<br />

selbst wenn er zehn oder zwanzig Jahre<br />

ohne Medikamente geschafft hat. Aber<br />

ganz ausschließen möchte er es nicht.<br />

Allein die Entscheidung, es zu tun oder<br />

zu lassen: Auch das ist ein bisschen zurückgewonnene<br />

Freiheit.<br />

Welche <strong>Dr</strong>oge � wirkt wie?<br />

Wie User ihre <strong>Dr</strong>oge erleben –<br />

und was Experten über die<br />

Spätfolgen sagen. Eine<br />

Animation dazu siehst du auf:<br />

klartext-magazin.de/47b/drogen<br />

Die Fluchtgedanken wurden stärker. Lars begann, Menschen zu meiden.<br />

Viele Wissenschaftler gehen davon aus, dass die THC-Konzentration in den heutigen Züchtungen höher ist als früher.<br />

Oder ist es das Erwachsenwerden?<br />

Es gibt noch eine dritte Theorie, warum junge Schizophrenie-Patienten<br />

fast immer auch eine Cannabis-Vergangenheit<br />

haben: Jugendliche, die viel kiffen, werden demnach in ihrer<br />

sozialen Entwicklung gestört. Weil sie nicht lernen, mit Konflikten<br />

umzugehen und sich statt dessen mit <strong>Dr</strong>ogen ablenken,<br />

entwickeln sie keine Abwehrmechanismen gegen Lebenskrisen.<br />

Wenn dann die ersten großen Veränderungen<br />

kommen, werden sie von der Situation überfordert. Der<br />

Stress steigt, und mit ihm der Dopamin-Pegel. Fast immer treten<br />

Psychosen im Alter zwischen 15 und 25 Jahren zum ersten<br />

Mal auf – die Zeit, in der die ersten großen Stressmomente<br />

anstehen: Auszug, Prüfungen, Liebeskummer.


PixelschubsE<br />

Von wegen! Frauke bringt Form ins<br />

kreative Chaos und gibt Layouts den<br />

letzten Schliff. Die Reinzeichnerin bei<br />

Pleon sorgt dafür, dass Bilder optimal<br />

wirken und sich keine Schusterjungen<br />

auf schöne Seiten verirren.<br />

Von der Entwicklung eines Corporate<br />

Designs bis hin zur Gestaltung aufwändiger<br />

Publikationen: Beim Marktführer<br />

arbeiten Spezialisten für Design, Foto<br />

und Illustration.<br />

www.pleon.com<br />

BEYOND COMMUNICATIONS


44<br />

Konzept: Che Berberich<br />

Rettet die Wahlen!<br />

Viele wissen<br />

nicht, für<br />

welche Partei sie<br />

stimmen sollen.<br />

Eine Orientierungshilfe.<br />

Start<br />

Achtung!<br />

Egal, bei welcher Partei du raus kommst:<br />

Sie vertritt wahrscheinlich nicht alles,<br />

was du vorher gewählt hast. Genau wie<br />

in echt eben.<br />

Egal. Hauptsache<br />

alle Downloads<br />

sind kostenlos<br />

und legal.<br />

Sollten<br />

16-Jährige<br />

wählen dürfen?<br />

Wählen bringt<br />

Chaos. Ich will<br />

Führung.<br />

Bist du für ein<br />

Rauchverbot<br />

in Gaststätten?<br />

Quatsch, die<br />

sind noch viel<br />

zu unreif. Nein, ich will<br />

rauchen,<br />

wo ich will.<br />

Klar, 18-Jährige<br />

sind auch<br />

nicht schlauer.<br />

Ja.<br />

Nur so werden<br />

die Unis besser.<br />

Findest du<br />

Studiengebühren<br />

richtig?<br />

Nein. Meine<br />

Eltern sind doch<br />

keine Millionäre.<br />

Ja,<br />

Rauchen<br />

stinkt.<br />

Braucht Deutschland<br />

einen<br />

allgemeinen<br />

Mindestlohn?<br />

Nein, dafür sind<br />

die meisten<br />

zu doof.<br />

Soll das Volk<br />

öfter selbst<br />

über Gesetze<br />

abstimmen?<br />

Ja, wir sind<br />

das Volk!<br />

Nein, das<br />

kostet nur<br />

Arbeitsplätze.


Gehst du in<br />

die Kirche?<br />

Dafür stehe ich<br />

doch nicht auf.<br />

Sollten Straßen<br />

und Plätze<br />

videoüberwacht<br />

werden?<br />

Ja, jeder Job<br />

verdient einen<br />

fairen Lohn.<br />

--><br />

Ja, das stoppt<br />

Assis und<br />

Schläger.<br />

--><br />

Fliegen ist zu<br />

billig. Kerosin<br />

muss besteuert<br />

werden.<br />

Sind wir alle<br />

Verbrecher?<br />

Nein!<br />

Ja, fast jeden<br />

Sonntag.<br />

Niemals.<br />

Kiffen macht<br />

lahm und hohl.<br />

No, I wanna<br />

fly away!<br />

Ja, Fliegen<br />

schadet<br />

dem Klima.<br />

Legalize<br />

Cannabis!<br />

Sollen Schwule<br />

und Lesben<br />

heiraten düfen?<br />

Free the<br />

weed, man.<br />

Höhere<br />

Steuern<br />

für Reiche!<br />

Nein. Die Ehe<br />

ist was für<br />

Mann<br />

und Frau.<br />

Nein. Reiche<br />

zahlen eh’<br />

schon für alle<br />

anderen mit.<br />

Ja. Liebe<br />

kennt keine<br />

Geschlechter<br />

Ja, die können<br />

sich’s leisten.<br />

Die<br />

Wehrpflicht<br />

gehört<br />

abgeschafft!<br />

Weg mit<br />

Hartz IV!<br />

Hartz IV ist<br />

gut, sollte aber<br />

erhöht werden.<br />

Nein.<br />

Wir brauchen<br />

Bürger in<br />

Uniform.<br />

Jawoll! Wir<br />

brauchen eine<br />

Berufsarmee.<br />

Und zwar<br />

sofort. Hartz IV<br />

ist menschenunwürdig.<br />

Mit 16 vor die �<br />

Wahl gestellt<br />

In Österreich dürfen 16-<br />

Jährige das Parlament<br />

mitbestimmen. Was das<br />

bringt und wie sie sich<br />

dabei fühlen, liest du auf:<br />

klartext-magazin.de/<br />

47b/parteien<br />

45


46 Kreuzverhör<br />

Text: Olivia Höner|Fotos: Erol Gurian<br />

Metal vs.<br />

Was hörst du eigentlich? Irini, 17, und Philipp, 18, wollten das genauer wissen<br />

und haben für drei Tage ihre MP3-Player getauscht.<br />

Das Ergebnis: Philipp kam beim Joggen aus dem Takt. Irini war inspiriert.<br />

Maximum The Hormone<br />

Nightmare<br />

Caliban<br />

Heaven Shall Burn<br />

Amoral<br />

Callejón<br />

System Of A Down<br />

Slipknot<br />

Scars On Broadway<br />

In Extremo<br />

Philipp:<br />

Auf Dauer würde mir die Musik auf die Nerven gehen. Für drei<br />

Tage war’s okay. Vielleicht würde ich ja sogar Geschmack dran<br />

finden, wenn ich öfter Hip-Hop hören würde.<br />

Irini:<br />

Also, diese J-Rock-Sachen waren schon eher ungewohnt.<br />

Da singt dann eine Frau ganz hoch und plötzlich fangen<br />

die Männer an zu grölen. Aber Philipp hatte wohl<br />

auch so seine Probleme mit meiner Musik. Er hat mir<br />

gesagt, dass er sehr oft lachen musste.<br />

Philipps Top 10 Irinis Top 10<br />

Akon<br />

Ryan Leslie<br />

T. I.<br />

Flo Rida<br />

Jack Johnson<br />

Timbaland<br />

Baby Bash<br />

Soulja Boy<br />

Milow<br />

Lady Gaga<br />

R’n’B<br />

Irini:<br />

Nach den drei Tagen hab’ ich Philipp gefragt,<br />

ob er mir die Red Hot Chili Peppers<br />

und Evanescence rüberziehen würde. Ich<br />

frag’ bestimmt noch mal jemanden, ob er<br />

seinen Player mit mir tauschen will.<br />

Philipp:<br />

Das ist ja auch zum Lachen. Wenn die singen „my dick is<br />

bigger than yours“ – ich weiß nicht. Dieses Rap-Gehabe<br />

find’ ich albern.


standfestigkeit wird jetzt in talanx gemessen.<br />

Mit der richtigen Aufstellung trotzt man<br />

auf Dauer allen Stürmen. Als eine der erfolgreichsten<br />

Versicherungsgruppen beweisen wir<br />

dies jedes Jahr aufs Neue. Für das Jahr 2008<br />

verzeichnen wir trotz vieler Großschäden<br />

ein gutes Resultat beim versicherungs -<br />

technischen Ergebnis. Die renommierten<br />

Rating-Agenturen Standard & Poor’ s und<br />

A. M. Best bescheinigen unserer Gruppe<br />

regelmäßig eine sehr gute Finanzkraft.<br />

Und wir wachsen weiter – in der Lebens-,<br />

Schaden/Unfall- und Rückversicherung und<br />

in Finanzdienstleistungen. Unsere Stand -<br />

festigkeit wurzelt in einer bewährten<br />

Strategie aus antizyklischem Verhalten,<br />

vorausschauendem Handeln und nach -<br />

haltigem Ausbau unserer Kapitalkraft. Mehr<br />

dazu erfahren Sie unter www.talanx.com.<br />

Versicherungen. Finanzen.<br />

muthmarken


48<br />

Konzept: Samira Schellhaaß|Fotos: Erol Gurian<br />

Weißt du,<br />

was<br />

du trägst?<br />

Politik ist nicht sexy? Von wegen!<br />

Designer greifen oft auf politische<br />

Symbole zurück. Welchen Hintergrund<br />

die Modeaccessoires haben, weiß<br />

jedoch kaum jemand.


Das Peacezeichen<br />

kennt jeder. Was<br />

aber kaum einer<br />

weiß: Die Striche setzen<br />

sich zusammen<br />

aus den Buchstaben<br />

„N“ und „D“ aus<br />

dem Winkeralphabet,<br />

das vom Militär<br />

zur Nachrichtenübermittlungzwischen<br />

Schiffen benutzt<br />

wird. „N“ und<br />

„D“ stehen für „nuclear<br />

disarmament“,<br />

die nukleare Abrüstung.<br />

Wer hat’s erfunden?<br />

Die Briten,<br />

genauer: der Künstler<br />

Gerald Holtom.<br />

Er entwarf das Symbol<br />

für eine Kampagne<br />

zur nuklearen<br />

Abrüstung in den<br />

50er Jahren. Nicht<br />

zu verwechseln mit:<br />

Mercedes-Stern.


Vom Terroristen zum<br />

Friedensnobel<strong>preis</strong>träger,<br />

wie kriegt man das<br />

unter einen Hut? Yassir<br />

Arafat wusste: Das geht<br />

nur mit einem großen<br />

Tuch. Der schwarz-weiße<br />

Lappen heißt eigentlich<br />

Kufiya. Heute gibt<br />

es ihn in allen Farben.<br />

In der arabischen Welt<br />

wird er traditionell zum<br />

Turban gewickelt. Im<br />

Nahostkonflikt hat sich<br />

das Tuch zum Symbol<br />

für den Kampf um die<br />

Unabhängigkeit Palästinas<br />

entwickelt. Nicht zu<br />

verwechseln mit: Halskrause,<br />

Hermès-Tuch.


Er hatte sein Leben<br />

dem roten Stern verschrieben:<br />

Leo Trotzki,<br />

Kommunist der ersten<br />

Stunde, Führer in der<br />

russischen Oktoberrevolution<br />

1917. Hier<br />

taucht der Kommunistenstern<br />

zum ersten<br />

Mal auf. In den 70er<br />

Jahren verunstalteten<br />

die Terroristen der<br />

Roten Armee Fraktion<br />

das Symbol mit Maschinenpistole<br />

und<br />

dem Kürzel RAF. Aber<br />

auch demokratische<br />

Länder wie Neuseeland<br />

haben einen roten<br />

Stern auf der Flagge.<br />

Nicht zu verwechseln<br />

mit: Davidstern.


Kubanischer Volksheld, Märtyrer<br />

der Linken und verdammt<br />

gutaussehend: So schafft man<br />

es weltweit auf T-Shirts und<br />

G-Strings. Dabei geraten schon<br />

mal die Details in Vergessenheit.<br />

Ernesto Che Guevara war<br />

kein Gutmensch. Wankelmütige<br />

Gefährten ließ er kurzerhand<br />

erschießen. Beim Versuch,<br />

in Bolivien ebenfalls eine<br />

Revolution loszutreten, wurde<br />

Che Guevara 1967 festgenommen<br />

und hingerichtet. Nicht<br />

zu verwechseln mit: Benicio<br />

del Toro, Fidel Castro.


Die Regenbogenfarben<br />

als Friedenszeichen<br />

gibt es schon seit<br />

den 60ern. Für einen<br />

Friedensmarsch in Italien<br />

hat Aldo Capitini<br />

1961 eine Flagge entworfen,<br />

die den umgekehrten<br />

Farbverlauf eines Regenbogens<br />

zeigt. Der<br />

Marsch ging 30 Kilometer<br />

weit, von Perugia bis<br />

Assisi. Von dort wurden<br />

die Regenbogenfarben<br />

als Friedenssymbol in<br />

die ganze Welt hinausgetragen.<br />

Nicht zu verwechseln<br />

mit: Regenbogenflagge<br />

der Schwulenund<br />

Lesbenbewegung.


54<br />

Konzept: Che Berberich, Thomas Salter<br />

Angewandte<br />

Musikologie<br />

Gothik<br />

Paradise Lost<br />

Grind-Core<br />

Napalm Death<br />

Black-Metal<br />

Samael<br />

Death-Metal<br />

Obituary<br />

Metal-Core<br />

Integrity<br />

Power-Metal<br />

Blind Guardian<br />

Groove-Metal<br />

Pantera<br />

Speed-Metal<br />

Metallica<br />

Nu-Metal<br />

Limp Bizkit<br />

Krishna-Core<br />

108<br />

<strong>Dr</strong>umfunk, Screamo, Miami Bass – noch<br />

nie gehört? Kein Wunder. Die Popmusik ist<br />

heute in tausend Unterarten<br />

aufgesplittert. Jede Band, jeder DJ denkt<br />

sich einen eigenen Namen für seine Musik<br />

aus. Eine richtige Wissenschaft, da noch<br />

durchzublicken. Musikologie eben.<br />

Nard-Core<br />

Rich Kids on LSD<br />

Skate-Punk<br />

Pennywise<br />

Thrash-Metal<br />

Slayer<br />

Mensch<br />

Math-Core<br />

Dillinger Escape Plan<br />

Post-Hardcore<br />

Refused<br />

Psychedelic-<br />

Rock Doors<br />

Stoner-Rock<br />

Kyuss<br />

Crossover<br />

Rage Against the Machine<br />

Fun-Punk<br />

Toy Dolls<br />

Hardcore<br />

Minor Threat<br />

Heavy Metal<br />

Black Sabbath<br />

Power-Pop<br />

Weezer Brit-Pop<br />

Oasis<br />

Blues<br />

B.B. King<br />

Screamo<br />

Envy<br />

Punk<br />

Ramones<br />

Beat<br />

Beatles<br />

West Coast<br />

Hip-Hop<br />

Indie<br />

The Smiths<br />

New Wave<br />

The Cure<br />

Emo<br />

Panic at the Disco<br />

Elektroclash<br />

Chicks on Speed<br />

Glam-Rock<br />

Kiss<br />

Hardrock<br />

AC/DC<br />

Rock<br />

Rolling Stones<br />

Rock’n’Roll<br />

Bill Haley<br />

Progressive<br />

Frank Zappa<br />

Rock<br />

Grunge<br />

Nirvana<br />

Crunk<br />

Lil Jon<br />

R’n’B<br />

Whitney Houston<br />

Disco<br />

Bee Gees<br />

Funk<br />

James Brown<br />

Soul<br />

Aretha Franklin<br />

Folk<br />

Bob Dylan<br />

N.W.A


Grime<br />

Dizzee Rascal<br />

Tech-Step<br />

Ed Rush<br />

Eurodance<br />

Two Unlimited<br />

Elektro<br />

Kraftwerk<br />

Gospel<br />

Al Green<br />

East Coast<br />

Hip-Hop<br />

EPMD<br />

Hip-Hop<br />

Grand Master Flash<br />

Reggae<br />

Bob Marley<br />

Dub<br />

Lee „Scratch“ Perry<br />

Rocksteady<br />

Justin Hinds<br />

Ska<br />

Skatalites<br />

Dark-Step<br />

Dylan<br />

G-Funk<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dr</strong>e<br />

Miami Bass<br />

2 Live Crew<br />

Jazz<br />

John Coltrane<br />

Trip Hop<br />

Tricky<br />

Gangsta-Rap<br />

Ice-T<br />

Goa Trance<br />

Astral Projection<br />

House<br />

Jesse Sauders<br />

Clown-Step<br />

Clips<br />

Jazz-Step<br />

LTJ Bukem<br />

Acid-Jazz<br />

Galliano<br />

Hard-Step<br />

Adam F<br />

Trance<br />

Paul van Dyk<br />

Ambient<br />

Brian Eno<br />

2 Step<br />

Artful Dodger<br />

Big Beat<br />

Prodigy<br />

Ragga<br />

Wayne Smith<br />

Dancehall<br />

Yellowman<br />

Techno<br />

Jeff Mills<br />

Industrial<br />

Ministry<br />

<strong>Dr</strong>umfunk<br />

Paradox<br />

<strong>Dr</strong>um’n’Bass<br />

Goldie<br />

Liquid Funk<br />

Marcus Intalex<br />

Jungle<br />

Shy FX<br />

Maschine<br />

Neurofunk<br />

Teebee<br />

Ghetto-Tech<br />

DJ Assault<br />

Tech-House<br />

Laurent Wolf<br />

Schranz<br />

Chris Liebing<br />

Minimal<br />

Richie Hawtin<br />

Bist du � Musikologe?<br />

Teste dein Wissen und hör<br />

dich durch die ausgefallensten<br />

Musikstile auf:<br />

klartext-magazin.de/47b/<br />

musikologie<br />

Hardcore-<br />

Spiral Tribe<br />

Techno<br />

55<br />

2000<br />

1990<br />

1980<br />

1970<br />

1960<br />

1950


Regel 17<br />

Entschuldigungen für das<br />

Training nicht über<br />

Mitspieler oder per SMS<br />

Regel 10<br />

Keine unnatürlichen<br />

oder extremen<br />

Haarfärbungen<br />

Regel 8<br />

Das Leergut muss<br />

immer aufgeräumt<br />

werden<br />

Regeln aus dem Verhaltens-ABC des VfB Stuttgart für Jugendspieler.


Text: Lukas Eberle|Fotos: Erol Gurian, Florian Peljak<br />

Patrick trainiert im Internat für die erste Bundesliga –<br />

dieses Ziel bestimmt sein ganzes Leben.<br />

Heute bricht Patrick alle Vorschriften.<br />

Er reißt sich das Trikot vom Körper,<br />

um es später sogar falsch herum wieder<br />

anzuziehen. Er füllt leere Sprudelflaschen<br />

und benutzt sie als Wasserspritzen.<br />

Er brüllt so laut er kann immer<br />

wieder „Jawoll“ und „Das ist das<br />

Größte“. An den restlichen 364 Tagen im Jahr<br />

muss Patrick sein Trikot in der Hose tragen, das<br />

Leergut wegbringen und sich in Zimmerlautstärke<br />

unterhalten.<br />

Nur an diesem Tag im Sportpark des kleinen<br />

Münchner Vororts Aschheim spielen Regeln<br />

keine Rolle mehr.<br />

Patrick Maurer, 17, ist gerade deutscher Jugendmeister<br />

geworden, mit 3:1 hat sein Team den FC<br />

Wer Fußballprofi<br />

werden will,<br />

räume sein<br />

Leergut weg<br />

und schneide<br />

seine Haare<br />

kopfballgerecht!<br />

Bayern München besiegt. Später am Abend<br />

wird er noch die Bettruhe- und gleichzeitig die<br />

Alkoholverbotsregel brechen.<br />

Patrick hat den Traum von einem Leben als<br />

Fußballprofi. Seinem Traum ordnet er alles unter.<br />

Patrick lebt an fünf Tagen in der Woche abgeschottet<br />

und unnahbar im Fußball-Internat<br />

des VfB Stuttgart – zusammen mit Gleichgesinnten,<br />

für die alle eindeutige Vorschriften gelten.<br />

Die jungen Fußballer müssen früh Opfer<br />

bringen und akzeptieren dabei die<br />

Gefahr, nie etwas zurückzubekommen.<br />

Siege feiert Patrick bereits wie die Profis. Auch<br />

sonst lebt er in einer mindestens schon dreiviertelprofessionellen<br />

Fußballwelt. Beim Meister-<br />

57<br />

schaftsfinale wird die Nationalhymne gespielt.<br />

Die Fans singen Patricks Namen durch<br />

ihr Megafon ins Stadion. Und die Menschen<br />

mit dem Wort „Security“ auf ihren T-<br />

Shirts halten ihm in der Halbzeit den Weg zur<br />

Kabine frei. Dies alles gibt Patrick das Gefühl,<br />

schon in einer Art Bundesliga light zu spielen.<br />

Außerdem schaut ihm Uli Hoeneß zu, der Manager<br />

des FC Bayern. Er sieht, wie Patrick als<br />

Innenverteidiger jeden steilen Pass seiner Gegner<br />

abläuft. Wie er den Kopf beim Rennen immer<br />

leicht nach vorne beugt, als ob er damit<br />

eine unsichtbare Wand durchbrechen müsste.<br />

Als aufstrebender Nachwuchsfußballer genießt<br />

Patrick einen hohen Status. Das bekommen<br />

auch die Journalisten zu spüren, die über ihn be-


58 Regel 20<br />

Regel 21<br />

Im Internat<br />

herscht überall<br />

Hausschuhpflicht<br />

Regel 12<br />

Mahlzeiten werden<br />

gemeinsam begonnen<br />

und beendet<br />

Tattoos und<br />

Piercings sind<br />

nicht erlaubt<br />

Regel 6<br />

Diebstahl wird nicht<br />

geduldet. Wer stiehlt,<br />

verlässt den Verein<br />

Regel 10<br />

Die Haarlänge sollte<br />

das Fußballspielen<br />

nicht beeinträchtigen<br />

Ömer Toprak war kurz davor, ein Bundesligaspieler zu<br />

werden. Auf www.klartext-magazin.de steht, warum er<br />

heute als Maurer auf dem Bau arbeitet.


ichten wollen. Viele E-Mails und Telefonate<br />

mit dem VfB Stuttgart sind nötig, um<br />

den Kontakt herzustellen. Der Besuch bei<br />

ihm wird aber nur eine Stippvisite. Das<br />

Interview darf nicht mehr als eine halbe<br />

Stunde dauern. „Die Jungs sollen<br />

sich auf die Schule und das Training<br />

konzentrieren. Mehr gibt es<br />

bei den Profis auch nicht“, sagt der<br />

Pressesprecher Jens Marschall.<br />

Stuttgart, fünf Tage nach dem Titelgewinn:<br />

Patrick öffnet die Tür zum Besprechungsraum<br />

in der Geschäftsstelle des<br />

VfB. Er kommt direkt aus dem Fußball-<br />

Internat, das ein paar Meter von hier, direkt<br />

neben der Mercedes-Benz-Arena liegt.<br />

In diesem Internat lebte auch<br />

Mario Gomez, bevor er zum<br />

teuersten deutschen Fußballspieler<br />

wurde. Patrick gibt allen freundlich<br />

die Hand, dann setzt er sich aufrecht hin.<br />

Er wird während der nächsten 30 Minuten<br />

kein einziges Mal die Rückenlehne seines<br />

Stuhls berühren. Die Atmosphäre ist steif,<br />

der Umgang professionell. Auch der Vereinspädagoge<br />

Markus Rüdt und Jens Marschall<br />

sitzen am Tisch. Auf die Frage, ob<br />

man später noch in das Internat schauen<br />

könne, antwortet der Pressesprecher kurz:<br />

„Nein. Das ist die Privatsphäre der<br />

Spieler.“<br />

Und so kann Patrick von seinem Internatsleben<br />

nur erzählen. So wie er fast jedem<br />

nur davon erzählen kann. Vor einem Jahr<br />

zog er bei seinen Eltern in Ulm aus und in<br />

die VfB-Akademie ein. Die Junioren<br />

trainieren achtmal in der Woche,<br />

fahren im Winter ins Trainingslager nach<br />

Katar und müssen nach ihren Spielen zur<br />

Dopingkontrolle.<br />

„Am härtesten ist das Training im Winter,<br />

da müssen wir schon um acht Uhr morgens<br />

in den Kraftraum“, sagt Patrick. „Früher<br />

hat es mich schon gestört, dass ich wenig Freizeit<br />

habe. Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt.<br />

Das ist eben mein Leben.“<br />

Sein Tagesablauf ist durchstrukturiert bis ins<br />

kleinste Detail. Er besteht hauptsächlich aus<br />

Training, Schule und Lernzeit. Freizeit gibt es<br />

auch – zu einem festgelegten Zeitpunkt: mittwochnachmittags.<br />

Und am Wochenende. Aber<br />

nur, wenn keine Spiele anstehen.<br />

„Die Jungs sind nicht hier, um eingesperrt zu<br />

werden“, sagt Markus Rüdt. „Aber wir geben<br />

schon einen Rahmen vor.“ Der ist eng. Der<br />

Klub erwartet von ihnen Ordnung,<br />

Selbstdisziplin und Professionalität, so<br />

steht es in der „Jugendkonzeption“.<br />

Jedes Jahr bekommt Patrick das neue Verhaltens-ABC.<br />

Darin steht, wen Patrick grüßen muss<br />

und wie, wann er zum Arzt gehen oder welche<br />

Kleider er zum Training anziehen muss.<br />

Genau 22 Regeln enthält dieser Knigge<br />

für junge Kicker. Sogar eine kopfballgerechte<br />

Frisur wird vorgeschrieben.<br />

Tapestreifen auf den Stutzen sind ebenso<br />

verboten wie SMS im Teambus. „Das<br />

mit den Handys halten wir alle ein, das sorgt<br />

sonst für großen Stunk“, sagt Patrick. „Wer im<br />

Bus telefoniert, muss bis zu 20 Euro Strafe<br />

bezahlen.“<br />

Mit Vorschriften kann Patrick mittlerweile aber<br />

umgehen. „Die Regeln kommen nur nach außen<br />

so krass rüber. Im Grunde kann ich gar keine<br />

schlimmen Dinge anstellen“, sagt er. Er würde<br />

nie Gefahr laufen, die Bettruhe um halb elf<br />

Uhr zu missachten. „Ich habe abends sowie keine<br />

Kraft mehr, um in Stuttgart einen drauf zu<br />

machen.“ Und wenn doch, dürfte er dort auch<br />

nur Cola bestellen. Neben Diebstahl ist zu viel<br />

Alkohol der schlimmste Verstoß. Wer klaut oder<br />

trinkt, fliegt sofort.<br />

„Da zeigt sich eben die Einstellung jedes Spielers.<br />

Alkohol gehört nicht zum Leistungssport“,<br />

sagt Patrick.<br />

Der Fußballer hat sich an das Schablonenleben<br />

und die Regeln gewöhnt. „Ich lebe einfach ganz<br />

normal, es ist nichts anderes als zuhause“, sagt<br />

er. Von der Tatsache abgesehen, dass ihn seine<br />

Patrick Maurer:<br />

Mit zwölf Jahren bekam er<br />

sein erstes Angebot vom<br />

VfB Stuttgart. Heute ist er einer der<br />

besten Nachwuchskicker in<br />

Deutschland und hat bereits zweimal für<br />

das Jugend-Nationalteam gespielt.<br />

Freundin Carolin nicht besuchen<br />

darf. Im Internat<br />

gilt Mädchenverbot.<br />

„Das ist schon schwer, aber<br />

das hat sich mit der Zeit<br />

eingespielt. Wir sehen uns<br />

eben am Wochenende in<br />

Ulm.“ An seinem rechten<br />

Handgelenk trägt Patrick<br />

ein Armband aus Holzelementen,<br />

auf denen kleine<br />

Marienbilder zu sehen<br />

sind. Sein Leben ist dem eines<br />

Mönchs gar nicht so<br />

unähnlich. Kumpels könne<br />

er auch nicht einladen, das<br />

sei schon ein Haken, sagt<br />

Patrick. „Wir sollten im<br />

Internat eben unter uns<br />

sein.“ Die wenige Zeit, die<br />

Patrick bleibt, braucht er<br />

sowieso zum Lernen.<br />

Das Abitur ist seine einzige Absicherung, falls es<br />

mit der Fußballkarriere nichts wird. Aus der<br />

VfB-Jugend schaffen es immer nur zwei bis drei<br />

Spieler ins Profiteam. „Die Jungs brauchen<br />

nicht denken, dass sie im Internat<br />

schon mit einem Fuß in der Bundesliga<br />

stehen“, sagt Rüdt. Patrick weiß das. „Natürlich<br />

habe ich Angst, dass es nicht klappt“,<br />

sagt er. „Vielleicht verletze ich mich schwer oder<br />

ich werde irgendwann nicht mehr besser. Es<br />

kann ja alles passieren.“�<br />

Zwei Bänderrisse hatte er schon. Doch über einen<br />

Plan B, eine Alternative zum Leben als Fußballprofi,<br />

will er sich keine Gedanken machen.<br />

„Deswegen mache ich ja mein Abitur.“<br />

An diesem Abend muss Patrick noch büffeln.<br />

„Morgen schreibe ich Chemie. Das liegt mir gar<br />

nicht. Die ganzen Alkohole und Fette, das muss<br />

ich auswendig lernen.“ Patrick geht in die zwölfte<br />

Klasse des Wirtemberg-Gymnasiums in Stuttgart.<br />

Es ist eine Eliteschule des Sports, Patrick<br />

kann seine Schulstunden flexibel um das Training<br />

legen – das Verpasste muss er dann aber<br />

nachholen. Er lernt dort zusammen mit<br />

Leichtathleten und Schwimmern, zu<br />

seinen Klassenkameraden zählen aber auch<br />

Nichtsportler. „Bei ihnen kommt vielleicht<br />

manchmal Neid auf“, sagt Patrick. „Wir Sportler<br />

haben Privilegien, wir können morgens fehlen,<br />

und beim Nachholunterricht sitzen wir alleine<br />

im Zimmer und bekommen mehr mit.“<br />

Unsere halbe Stunde ist vorbei. Der letzte Vorstoß,<br />

um noch irgendwie einen Blick ins Internat<br />

werfen zu können, wird abgeblockt.<br />

Wir haben eine CD mit<br />

Fotos vom Endspiel gegen die<br />

Bayern dabei. Bilder von den Momenten<br />

seines größten Erfolgs.<br />

Patrick könne sie auf seinen Laptop<br />

ziehen. Er freut sich und würde<br />

uns noch ins Internat einladen.<br />

„Netter Versuch“, sagt der<br />

Pressesprecher und nimmt die<br />

CD an sich. Vor der Geschäftsstelle<br />

gibt Patrick noch<br />

einmal allen die Hand.<br />

Er ist überrascht, weil er<br />

auch nicht wusste, dass<br />

wir nicht mit ins Internat<br />

dürfen. Dann läuft<br />

er allein zurück zu seinem<br />

Schreibtisch. Der<br />

Lernstoff für die Chemieklausur<br />

wartet.<br />

Der Ball macht, �<br />

was Camill will<br />

Ein Beinbruch zwang ihn<br />

zum Sitzsport. Heute ist<br />

Camill Hauser einer der<br />

besten Trickfußballer der<br />

Welt. Ein Portrait auf:<br />

klartext-magazin.de/47b/<br />

fußball


60<br />

Text: Katharina Fuhrin|Formeln: Andreas Fackler<br />

Kurvendiskussion<br />

Wir reden gerne über alles, was extrem<br />

ist. Uns interessieren Wendepunkte,<br />

Höhen und Tiefen. Im Prinzip machen<br />

wir nichts anderes, als ständig über<br />

Kurven zu diskutieren.<br />

Eisbach-Surfer<br />

Das ganze Leben ist nach dem Sinus-Prinzip aufgebaut, mit<br />

seinen Wende-, Extrem- und absoluten Nullpunkten. So wie<br />

die Funktion fEisbachwelle(x). Surfprofis aus Hawaii und Kalifornien<br />

sind schon angereist, weil sie mitten in München<br />

eine fast perfekte, berechenbare Welle finden. Aber: Ufer-<br />

Links


Foto: Getty Images<br />

Beth Ditto<br />

So sieht Erfolg aus, wenn man ihn zwischen<br />

zwei unrasierte Achse(l)n presst. Eine Erfolgskurve<br />

sozusagen. Sehr schöne, deutlich zu bestimmende<br />

Extrempunkte im Busen-, Bauchund<br />

Po-Bereich, die den Verlauf prägnant bestimmen.<br />

Interessant sind vor allem die Bereiche<br />

x=(Mode), x=(Musik) und x=(coole Freunde).<br />

Denn f BethDitto(x) erreicht trotz hoher Körperfettwerte<br />

den Status einer Stilikone, macht<br />

zusammen mit ihrer Graphenschar fnTheGossip<br />

Nummer1-Hits und liegt eng zu ihrer kurvenfreien<br />

Freundin g KateMoss.<br />

61


62<br />

Formel 1<br />

Achtung, dieser Kurve muss man sich mit größter Vorsicht<br />

annähern. Der Streckenabschnitt durch Monte Carlo übertragen<br />

in ein Koordinatensystem – das funktioniert einfach nicht<br />

als Funktion. Zu viele y-Werte! Genauso schwierig funktioniert<br />

die Kurve für die Formel-1-Fahrer, die sich einmal im<br />

Jahr über die haarnadelförmige Straße manövrieren. Manchen<br />

hat es da schon aus der Kurve gehauen, bei diesen extremen<br />

Wendepunkten und zahlreichen Attraktionen am Rand.<br />

Foto: dpa


Foto: ap<br />

Amy Winehouse<br />

Eine höchst problematische Kurve,<br />

die fast ausschließlich im negativen Bereich<br />

definiert ist. Mit etwas gutem<br />

Willen ist im Ursprung eine Normalparabel<br />

zu erkennen, die durch die Parameter<br />

Crack, Rum und Gefängnis<br />

allerdings deformiert wurde. Im Griechischen<br />

bedeutet der Begriff Parabel<br />

das „Daneben-Gehende“, also die Abweichung<br />

vom rechten Weg. Der hätte<br />

bei f AmyWinehouse durchaus bei x -->unendlich<br />

nach oben führen können. So<br />

zeigt ihre Kurve aber steil nach unten.<br />

63


64 Quiz<br />

Konzept: Che Berberich<br />

Wenn Werbetexter junge Leute ansprechen wollen, schreiben sie<br />

Sätze wie diesen: „Süße Candy-Ladies in poppigen Eiscreme-<br />

Farben verdrehen Beach-Promenaden-Jungs den Kopf.“ Die<br />

Texter schlagen dafür im Jugendsprache-Wörterbuch nach. Dort<br />

stehen die seltsamsten Dinge. Aber was sollen sie bedeuten?<br />

a) b)<br />

c)<br />

e)<br />

g)<br />

Wie redest duden?<br />

Auflösung: a) 1, b) 2, c) 2, d) 2, e) 1, f) 2, g) 3, h) 1<br />

d)<br />

h)<br />

f)


Als ich nach Argentinien gegangen bin, waren Isabelle und ich erst vier<br />

Monate zusammen. Trotzdem wollte ich nach dem Abi erstmal weg<br />

und Zivildienst im Ausland machen. Und da mir Südamerika schon<br />

immer total gefallen hat,<br />

habe ich in Argentinien<br />

18 Monate in einer Pfarrei<br />

gearbeitet.<br />

Wir haben gesagt,<br />

dass wir das schaffen<br />

wollen, obwohl uns<br />

klar war, dass wir uns<br />

zehn lange Monate<br />

nicht sehen werden.<br />

Ich war ja in der<br />

13. Klasse, habe ein<br />

Jahr nach Vinzenz<br />

Abitur gemacht. Der<br />

Abschied war der<br />

schlimmste Tag in<br />

meinem Leben. Am<br />

Flughafen habe ich<br />

nur geheult. Vinzenz<br />

erst, nachdem er hinter<br />

der Absperrung war.<br />

Stimmt, erst nachdem du mich nicht mehr<br />

gesehen hast. Unser großer Plan war, dass<br />

mich Isabelle gleich nach ihrem Abi im<br />

Juli für sechs Wochen besucht.<br />

Ich habe mir ein Maßband gekauft<br />

und ausgerechnet, wie viele<br />

Tage bis zu meinem Flug noch vergehen<br />

müssen. Jeden Tag habe ich<br />

dann einen Zentimeter vom Band<br />

abgeschnitten. So fiel das Warten<br />

etwas leichter.<br />

Beziehungsweise 65<br />

Text: Lukas Eberle, Lisa Srikiow<br />

11300 Kilometer zwischen dir und mir<br />

Kann die Liebe den ersten langen Auslandsaufenthalt überleben?<br />

Wir haben zwei getroffen, die sich eineinhalb Jahre treu geblieben sind.<br />

Vinzenz<br />

Isabelle<br />

Vinzenz<br />

Isabelle<br />

Vinzenz<br />

Gedankenaustausch über 11 300 Kilometer. Ihr Rekord<br />

In dieser Zeit haben wir drei Mal pro Woche<br />

telefoniert. Es war verdammt schwer,<br />

Isabelle alles bildlich zu erklären: meinen<br />

Freundeskreis, meine Umgebung oder meine<br />

Arbeit. Unsere Beziehung funktionierte zu 100 Prozent über reinen<br />

Gedankenaustausch. Mehr gab es nicht, keine gemeinsamen Erlebnisse<br />

und keinen richtigen Streit. Nur ein Telefon.<br />

Am meisten habe ich Vinzenz vermisst, wenn ich etwas<br />

Schönes oder Trauriges erlebt hatte. Dann hatte ich dieses<br />

Bedürfnis, das zu teilen. Deswegen habe ich versucht,<br />

es ihm per Telefon zu erzählen. Unsere<br />

Beziehung hat auch gehalten,<br />

weil wir gut im Telefonieren sind und<br />

uns mitteilen können. In den ersten<br />

vier Wochen habe ich 80 Euro vertelefoniert.<br />

Das längste Gespräch hat<br />

vier Stunden gedauert. Außerdem<br />

habe ich ihm Briefe geschrieben. Liebesworte<br />

auf Papier sind etwas ganz<br />

anderes als in einer SMS oder in einer<br />

E-Mail.<br />

im Telefonieren: vier Stunden.<br />

Wichtig war, dass ich versucht habe, Isabelle<br />

in Argentinien präsent zu machen. Ich habe<br />

viel über sie erzählt. Meine Freunde kannten<br />

sie schon, bevor sie zu Besuch kam.<br />

Bei meinem Besuch habe ich erlebt,<br />

wie sich Vinzenz verändert hat. Er ist<br />

viel lockerer geworden<br />

und ging mehr auf<br />

andere Menschen zu.<br />

Fast noch schlimmer<br />

als der erste Abschied<br />

war dann aber der<br />

zweite in Argentinien.<br />

Vinzenz blieb ja noch<br />

sechs Monate länger<br />

dort. Da wurden wir<br />

dann zum zweiten Mal<br />

getrennt. Wenn ich<br />

heute daran denke,<br />

heul’ ich immer noch<br />

fast.<br />

teilhaben lassen, das ging nur über das Telefon.<br />

Ich habe in Argentinien relativ<br />

schnell gewusst, dass unsere<br />

Beziehung halten wird.<br />

Ich habe gemerkt, was ich an<br />

Isabelle habe. Die argentinischen<br />

Mädchen sind zwar total lebensfroh, aber haben oft keinen Tiefgang.<br />

Mit Isabelle verstehe ich mich auf tiefster persönlicher Ebene.<br />

Das wurde mir erst durch die Fernbeziehung klar.<br />

Vinzenz wollte Isabelle an seinem Leben in Argentinien<br />

Isabelle<br />

Vinzenz<br />

Isabelle<br />

Vinzenz


66<br />

Text: Martin Anetzberger, Lisa Srikiow|Foto: Erol Gurian<br />

Mehr<br />

Respekt,<br />

bitte<br />

Junge Mütter haben es doppelt schwer. Sie müssen<br />

sich um ihre Kinder kümmern und hören ständig,<br />

sie seien dafür nicht reif genug.<br />

Rebecca hält ihre Tochter Hannah an der Hand,<br />

während sie mit ihr durch das Fotostudio geht. „Gefällt<br />

es dir hier?“, fragt sie. Die Kleine nickt. Sie weiß<br />

nicht, dass sie schon einmal mit ihrer Mutter in einem<br />

Fotostudio war. Damals, zwei Jahre zuvor, war<br />

Rebecca erst 18 Jahre alt und mit Hannah im neunten<br />

Monat schwanger.<br />

Jetzt will Rebecca festhalten, wie beide sich seither<br />

entwickelt haben. Die blonde Hannah fühlt sich<br />

schnell wohl und turnt auf der Lehne des Sessels herum.<br />

Eine Sekunde später flitzt sie mit ihrem Stoffpferd<br />

durch das Fotostudio. Rebecca schaut ihr gelassen<br />

zu.<br />

Junge Mütter wie Rebecca werden seltener in<br />

Deutschland. Im Jahr 2000 kamen noch rund<br />

29 000 Kinder zur Welt, deren Mütter jünger als 20<br />

waren. Heute sind es etwa 6 000 weniger.<br />

Ein <strong>Dr</strong>ittel der jungen Schwangeren treibt ab. Die,<br />

die ihr Kind bekommen, haben nicht selten mit<br />

Vorurteilen zu kämpfen.<br />

Angeblich wollen sie nur Stütze<br />

vom Staat, haben keine Lust, eine<br />

Ausbildung zu machen und hausen<br />

in verdreckten Einzimmerwohnungen<br />

– überfordert und asozial.<br />

„Es gibt viele ernsthafte und verantwortungsvolle Mädchen“, sagt dagegen<br />

Beraterin Hermine Baumann von Pro Familia. Sie spricht von Frauen<br />

wie Rebecca, Carmen und Nicole. Carmen kommt aus der Nähe von Hagen.<br />

Sie bekam ihr erstes Kind mit 19. Obwohl es ungeplant war, wollte<br />

sie nicht abtreiben. „Das wäre irgendwie Mord gewesen“, sagt sie. Mit 20<br />

wurde sie wieder schwanger – diesmal absichtlich: „Ich wollte immer zwei<br />

Kinder, die vom Alter her nicht so weit auseinander sind“, sagt Carmen.<br />

Die Ausbildung war schon abgeschlossen. Während sie davon erzählt,<br />

klappt ihre zweijährige Tochter die Schranktür auf und zu. Die Kleinen<br />

spielen Verstecken im Wohnzimmer. Carmen sagt ganz ruhig: „Katja, deine<br />

Schwester ist nicht im Schrank.“<br />

Nicole lebt im ostfriesischen Leer. Sie war 18, als sie schwanger wurde. Von<br />

Anfang an stand für sie fest, dass sie ihr Kind behalten will. „Ich bin stolz<br />

darauf, eine junge Mutter zu sein“, sagt Nicole. „Auch Teenager haben das<br />

Zeug dazu.“ Sie lebt heute mit der vier Monate alten Marie-Johanna in ihrer<br />

eigenen Wohnung. Wenn Nicole davon erzählt, schwingt auch ein bisschen<br />

Stolz mit.


Foto: Privat<br />

Rebecca, 18, im neunten Monat schwanger.


68<br />

Rebeccas Start als Mutter war schwieriger – als<br />

Zehntklässlerin am Gymnasium Tutzing bei München.<br />

Ihr Freund war gegen das Kind, stellte sie vor<br />

die Wahl: ich oder das Baby. „Es war die Hölle“,<br />

sagt sie heute. Nach drei schweren Tagen entschied<br />

sie sich gegen eine Abtreibung, gegen ihren Freund,<br />

für das Baby.<br />

Rebecca hatte anfangs mit den Gerüchten in ihrem<br />

Heimatdorf zu kämpfen. Manche Leute schauten<br />

sie schräg an; das Kind sei gar nicht von ihrem<br />

Freund, erzählte man sich. Dann schlug sich auch<br />

noch eine ihrer besten Freundinnen auf die Seite ihres<br />

Freundes. „Sie sagte, du bist wahnsinnig. Es ist<br />

viel zu früh für ein Kind“, erzählt Rebecca. „In den<br />

ersten Monaten hatte ich echte Depressionen.“<br />

Dennoch: Überfordert fühlte sie sich selten. Ihr<br />

Schuldirektor erlaubte ihr, ein Jahr in Mutterschaftsurlaub<br />

zu gehen. Die elfte Klasse durfte sie<br />

überspringen. Rebecca hörte auf zu rauchen und zu<br />

trinken. „Später habe ich mich wahnsinnig wohl gefühlt.<br />

Meine Haare waren toll, meine Haut war<br />

toll“, erzählt sie und lacht. Von da an stand nur<br />

noch Hannah im Vordergrund. Etwas Wichtiges<br />

verpasst habe sie nicht, sagt Rebecca.<br />

„Die Glücksgefühle mit meiner<br />

kleinen Hannah sind besser als<br />

jeder <strong>Dr</strong>ogenrausch.“<br />

In TV-Doku-Soaps und Gerichtsshows sehen Mütter<br />

unter 20 anders aus, haben erweiterte Poren im<br />

Gesicht und schlecht blondierte Strähnchen auf<br />

dem Kopf. So wie bei „Erwachsen auf Probe“, der<br />

umstrittenen Sendung, die im Juni bei RTL anlief.<br />

Junge Pärchen wurden vor laufender Kamera zu<br />

Versuchseltern gemacht: arbeiten, Wäsche waschen,<br />

Windeln wechseln – Partyleben ade.<br />

Für gecastete Teenager wie Tamara folgt eine unlösbare<br />

Aufgabe nach der anderen: Ihr Ziehbaby Lasse<br />

stinkt aus der Windel und hört einfach nicht auf<br />

zu schreien. Aber sie weiß nicht, wie sie Lasse beru-<br />

higen soll. Als der Kleine endlich schläft, greift sie<br />

entnervt zur Zigarette.<br />

Der Sender macht das Fehlverhalten zur Show, bedient<br />

das Klischee der jungen, überforderten Mutter<br />

– auf Kosten der Teilnehmer. RTL-Geschäftsführerin<br />

Anke Schäferkordt sieht das anders: „Die Sendung<br />

ist eine einzigartige Möglichkeit für Jugendliche<br />

mit Kinderwunsch, Verantwortung für Kinder<br />

zu übernehmen.“ Dabei lebt die Serie aber vor allem<br />

von ihren Negativbeispielen.<br />

Ein Kind bedeutet für jede Mutter eine Umwälzung, ganz andere Dinge<br />

werden wichtig. Selbst wenn die Freude über den Nachwuchs überwiegt –<br />

Ängste kommen, früher oder später. Hermine Baumann von Pro Familia<br />

hält es für normal, dass Mütter sich manchmal überfordert fühlen. Sie sehen<br />

sich auf die Mutterrolle reduziert. „Viele haben das Gefühl, noch andere<br />

Erfahrungen im Leben machen zu müssen“, sagt Baumann. Ob jung<br />

oder alt – auch einer 30-Jährigen kann die neue Aufgabe über den Kopf<br />

wachsen.<br />

„Es gibt kein perfektes Alter, um Mutter zu werden“, sagt Nicole aus Leer.<br />

„Vielleicht wäre ich in zehn Jahren weniger überrascht gewesen, aber alles<br />

wäre genauso neu wie jetzt.“<br />

Vor zwei Generationen war es noch üblich, jung<br />

Mutter zu werden. Mitte der 60er Jahre waren Frauen<br />

bei ihrem ersten Kind im Schnitt 23 Jahre alt.<br />

Wer mit 30 noch kein Kind hatte, galt schon als<br />

hoffnungsloser Fall, als alte Jungfer. Heute liegt das<br />

Durchschnittsalter bei 26 Jahren. Prominente über<br />

40, die ihre Kinder von bezahlten Leihmüttern austragen<br />

lassen, füllen die Seiten der Klatschmagazine.<br />

Rebecca hat den nächsten Schritt gewagt: Mit ihrem<br />

neuen Freund ist sie nach Offenbach gezogen, er<br />

studiert dort Kunst. Hannah ist natürlich dabei. In<br />

den ersten Monaten will Rebecca als Tagesmutter<br />

jobben oder ein Praktikum machen, bevor sie selbst<br />

mit dem Studium beginnt. Was sie studieren will,<br />

weiß sie noch nicht genau, aber eines ist sicher: Von<br />

ihrem Freund lässt sie sich nicht reinreden. Auch<br />

diese Entscheidung wird sie selbständig treffen.


Rebecca mit ihrer zweijährigen Tochter Hannah.


70 Kolumne<br />

Kein<br />

Spaß,<br />

keine<br />

Reue<br />

von Katharina Fuhrin<br />

Trinken oder nicht trinken? Zwei nüchterne<br />

Überlegungen zum Thema Alkohol.<br />

Ich kannte mal einen, der brach bei jeder Party, und er war auf sehr<br />

vielen Partys, kurz nach Mitternacht über den Rotweinvorräten zusammen<br />

und blieb dort liegen, bis die Letzten gingen und ihn mitnahmen.<br />

Manchmal fand sich auch niemand, und dann musste er<br />

dort auf den Kisten übernachten. Rund um den Mund hatte der Wein<br />

meistens eine violette, halbmondförmige Verfärbung hinterlassen.<br />

Das sah irgendwie sehr traurig aus.<br />

Ein anderer, den ich kannte, trank immer gerne Bacardi-<br />

Cola und fasste nach ein paar Gläsern allen Frauen<br />

unter ihre T-Shirts. Auch das sah irgendwie sehr traurig<br />

aus, wenn er dann eine Ohrfeige kassierte und ganz<br />

betroffen guckte.<br />

Über mich sagen Leute vielleicht, „ich kenne eine, die ist schon nach<br />

einem halben Glas Wein betrunken.“ Das mag sein. Und meistens<br />

werde ich nicht nur schnell betrunken, sondern auch schnell müde.<br />

Es gab schon früh Anzeichen dafür, dass mein Körper gut auf Rauschmittel<br />

anspringt. Mit acht Jahren habe ich mal den Eiskaffee meiner<br />

Mutter heimlich ausgetrunken, danach hatte ich Herzrasen und flatternde<br />

Muskeln. Von meinem ersten Glas Sekt an Silvester bin ich<br />

kurz nach den Knallfröschen und Silberfontänen eingeschlafen. Um<br />

das zu vermeiden, vermeide ich heute oft den Alkohol.<br />

Wenn ich nüchtern bleibe, bekomme ich meistens die Autoschlüssel<br />

in die Hand gedrückt und werde mit einer Cola an der Bar abgestellt.<br />

Ich versuche, trotzdem Spaß zu haben, wirklich. Aber wenn ich zu<br />

„Sweet Home Alabama“ mithüpfen soll, mache ich unweigerlich ein<br />

Gesicht, als hätte ich in die Zitronenscheibe in meiner Cola gebissen.<br />

Aber: Auch meine Zeit kommt, und zwar so sicher wie der Kopfschmerz<br />

nach Batida de Coco. Wenn am nächsten Tag meine Freundinnen<br />

anrufen, um sich ihre vagen Erinnerungen bestätigen zu lassen<br />

– ja, dann kann ich mich vielleicht an die eine oder andere Peinlichkeit<br />

erinnern. Und während die anderen noch hoffen, dass ihr Kater<br />

möglichst schnell vorbei geht, mache ich all die Dinge, die am<br />

Sonntag Spaß machen. Zum Beispiel ordentlich frühstücken gehen –<br />

mit dem netten Typen, mit dem ich mich den ganzen Abend über unsere<br />

peinlichen Freunde amüsiert habe.<br />

Viel<br />

Spaß,<br />

viel<br />

Reue<br />

von Thomas Salter<br />

Darwin, der alte Klugscheißer, hat in dem sympathischen Durcheinander,<br />

das wir Natur nennen, die Ordnung entdeckt. Das klingt<br />

schrecklich langweilig. Aber eigentlich heißt das ja nur, dass selbst in<br />

Darwins Ordnung das Chaos seinen Platz findet. Zum Beispiel Alkohol:<br />

Ich habe einmal gelesen, der Mensch fing an, Pflanzen gären zu<br />

lassen, um so sein Trinkwasser zu desinfizieren. Der beste Weg, um<br />

sich vor Mikroben und Keimen zu schützen, war es also, die Leber<br />

zum Schwellen und das Hirn zum Schrumpfen zu bringen. Verrückt.<br />

Ich liebe Chaos. Vielleicht trinke ich deswegen so gerne einen über<br />

den Durst. Es gibt keinen leichteren Weg, aus der alltäglichen Ordnung<br />

auszubrechen, als mit einem ordentlichen Rausch in der Fresse.<br />

Ich beobachte mich dann selbst, wie ich die verrücktesten Sachen mache.<br />

Ich rede Schwachsinn und benehme mich, als hätte ich keinerlei<br />

Erziehung genossen. Ja, wenn ich genau darüber nachdenke, ist es genau<br />

das: Ich werde zu einem kleinen, unanständigen, nach Bier riechenden<br />

Kind.<br />

Aber die Natur wäre nicht die Natur, wenn sie einen<br />

derart sorglosen Spaß nicht mit einem rostigen Haken<br />

versehen hätte. Fasst man tags darauf die Ergebnisse<br />

eines durchzechten Abends zusammen, ist die Bilanz<br />

meist ganz mies.<br />

Der Kopf: leer, bis auf Kopfschmerzen und ein schlechtes Gewissen.<br />

Der Geldbeutel: leer, bis auf sechs Pfandmarken. Der Magen: leer, jedoch<br />

ohne Bedürfnis, Essen länger als drei Minuten bei sich zu behalten.<br />

Wie kann die Natur so grausam sein? Warum muss auf glücklichen<br />

Überschwang immer schmerzhafte Nüchternheit folgen? Es gibt Insekten,<br />

die Alkohol nie abbauen. Wenn sie also in mein Bierglas fallen<br />

und einen großen Schluck nehmen, werden sie nie wieder nüchtern.<br />

Natürlich wissen sie diese Vergiftung nicht zu schätzen. Sie haben<br />

ja auch keinen lästigen Verstand, den sie sich wegsaufen können.<br />

Die Evolution gab uns Menschen also den Kater, damit wir nicht immer<br />

betrunken sein wollen. Wir sollen ein Gleichgewicht halten zwischen<br />

Spaß und Pflicht. Und das finde ich zwar etwas langweilig, aber<br />

absolut in Ordnung.


DIE DEUTSCHE JOURNALISTENSCHULE DANKT<br />

ALLEN INSERENTEN UND FÖRDERERN<br />

DIESES ABSCHLUSSMAGAZINS UNSERER ZEIT-<br />

SCHRIFTENAUSBILDUNG DER KLASSE 47B<br />

HERZLICH FÜR DIE UNTERSTÜTZUNG.<br />

AOK BAYERN - DIE GESUNDHEITSKASSE<br />

ZENTRALE<br />

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THOMAS V. MALLINCKRODT<br />

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<strong>Dr</strong>. <strong>Georg</strong> <strong>Schreiber</strong><br />

<strong>Medien</strong>-<br />

<strong>2009</strong><strong>preis</strong><br />

Die Gesundheitsreform<br />

sieht vor, dass künftig alle<br />

gesetzlichen Krankenkassen<br />

insolvenzfähig sind. Auch<br />

für die landesunmittelbaren<br />

Krankenkassen, die derzeit<br />

noch als insolvenzunfähig<br />

gelten, soll die Insolvenzfähigkeit<br />

hergestellt werden.<br />

Gleichzeitig werden die<br />

bestehenden Bundesverbände<br />

als solidarische Haftungsverbünde<br />

der jeweiligen<br />

Kassenart aufgelöst. Die<br />

Haftungsgebäude der Landes-<br />

und Spitzenverbände<br />

passen nicht mehr in die<br />

von der Politik gewünschte<br />

neue Struktur mit einem<br />

Wettbewerb für Printmedien,<br />

Hörfunk und Fernsehen!<br />

Zugelassen sind Beiträge junger Jour -<br />

nalistinnen und Journalisten bis 35 Jahre<br />

zu den Themen Gesundheit und Soziales,<br />

die <strong>2009</strong> in einer in Bayern erscheinenden<br />

Zeitung bzw. Zeitschrift veröffentlicht<br />

oder von einem Rundfunksender<br />

mit Sitz in Bayern ausgestrahlt worden<br />

sind. Beiträge aus den elektronischen<br />

<strong>Medien</strong> außerhalb Bayerns sind zulässig,<br />

wenn sie einen thematischen Bezug zum<br />

Freistaat haben.<br />

Im Printbereich wird zudem ein bundesweiter<br />

Sonder<strong>preis</strong> ohne Altersbeschränkung<br />

vergeben.<br />

Der <strong>Medien</strong><strong>preis</strong> ist mit insgesamt<br />

25.500 Euro dotiert.<br />

Informationen und Anmeldung:<br />

Internet: www.aok-medien<strong>preis</strong>.de<br />

e-mail: presse@by.aok.de<br />

Telefon: 089 62730-146<br />

AOK Bayern, Zentrale, Pressestelle<br />

Carl-Wery-Str. 28, 81739 München<br />

Ausgeschrieben von der AOK Bayern in<br />

Zusammenarbeit mit den Nachwuchsjournalisten<br />

in Bayern (NJB) e.V. - unterstützt<br />

von der Deutschen Journalistenschule<br />

(DJS) e.V. München.


72<br />

Belauscht von: Lukas Eberle, Lisa Srikiow<br />

Blaufahren<br />

Wer im Nachtbus einschläft, fährt bis zur Endstation.<br />

Dagegen hilft nur ausgiebige Konversation.<br />

Gesprächsfetzen um 5 Uhr morgens.<br />

„Die ganze Zeit hat er mich heute Mausi genannt. Das hat mich total genervt.“<br />

„Bei mir ist heute ein<br />

Bett frei.“<br />

...<br />

„Aber weißt du<br />

noch, wo du<br />

wohnst?“<br />

„Tschau Bine.“<br />

...<br />

„Ich glaub’ die Bine muss<br />

kotzen, so schnell wie die läuft.“<br />

„Ich schlaf’ heut’ unterm<br />

Tisch, Alter.“<br />

„Ich sag’ immer: Man darf extrem sein, aber man darf es nicht übertreiben.“<br />

„Inzwischen sieht er total hässlich aus, mit Zahnspange und so. Früher war er<br />

nicht so übermäßig hässlich, aber jetzt, mit seinen aufgesprungenen Lippen.“<br />

„Ich hab’ noch mehr<br />

getrunken als er.“<br />

...<br />

„Ja, aber du bist auch<br />

größer als er.“<br />

„Die Ex von deinem besten Freund ist tabu. Das ist einfach so. Leider.“


Foto: Zepsis<br />

„Der Andi ist total assi.<br />

Trotzdem steht sie auf ihn.“<br />

...<br />

„Ja, weil sie auch assi sein will.“<br />

„Ich hasse so was: Gucci ist Shit, Louis Vuitton ist Shit, Prada ist Shit! Arrrhgg!“<br />

„Mannomann, was meinst<br />

du, wenn du ihm mal<br />

nachts begegnest?“<br />

...<br />

„Was hat der für<br />

einen Oberarmumfang?“<br />

...<br />

„Ich glaub’, 56 oder 57<br />

Zentimeter.“<br />

„Welche ist die<br />

Eklige?“<br />

...<br />

„Die Mittlere.“<br />

„Ich glaub’, wir hätten hier raus<br />

gemusst.“<br />

...<br />

„Und wo fahren wir jetzt hin?“<br />

...<br />

„Direkt in die Hölle, Alter.“<br />

„Mein Rücken hat ein paar Mal geknackst beim Tanzen.“<br />

„Das ist diese Beste-Freund-Schiene.<br />

Das ist doch scheiße.“<br />

„Einer hat mir<br />

an den Arsch gegrapscht,<br />

dann hab’ ich mich umgedreht<br />

und dann standen<br />

da ganz viele Männer.<br />

Ich konnte ja nicht allen<br />

eine klatschen.“<br />

„Nur mit meiner Gedankenkraft kann ich meinen Arm heben.“<br />

„Ich wette, du bekommst<br />

dein Studium nicht besser<br />

hin als ich.“<br />

...<br />

„Was hattest du für eine<br />

Note?“<br />

...<br />

„1,8.“<br />

...<br />

„Das schaff’ ich auf jeden<br />

Fall.“<br />

...<br />

„Ich wiederhole: 1,8.<br />

Und das in einem<br />

Ingenieursstudium!“<br />

...<br />

„Ach so.“


74 Altklug<br />

Text: Olivia Höner<br />

Was ich gerne schon<br />

mit 18 gewusst hätte<br />

Das Abitur hatte er schon, Glück bei den Mädchen noch nicht: Günther Jauch, 1976.<br />

Ich hätte gerne gewusst, was Mädchen wirklich<br />

beeindruckt. Das weiß ich heute besser.<br />

Und was wäre das?<br />

dieses Mal mit Günther Jauch.<br />

(er legt den Kopf ein bisschen schief, so wie er das im Fernsehen auch immer macht)<br />

Man kann es ganz schwer erklären. Es ist eine<br />

Mischung aus lässig sein, aber sich doch so<br />

wichtig machen, dass man überhaupt wahrgenommen<br />

wird. Das hinzukriegen ist ganz<br />

schwierig. Weil es nur so ein ganz schmaler Grat<br />

ist.<br />

Woher wussten Sie mit 18, dass Sie den <strong>Dr</strong>eh noch nicht raus hatten?<br />

Wenn ich zum Beispiel in einer Kneipe im großen<br />

Gedränge etwas zu trinken bestellt habe<br />

und um mich herum haben auch zwei, drei Leute<br />

was bestellt, dann kam immer ein Glas zu wenig.<br />

Weil sich niemand mehr daran erinnerte,<br />

dass ich auch etwas bestellt hatte. Zumindest bei<br />

weiblichen Bedienungen war das so. Da habe<br />

ich gemerkt, dass mir irgendwas fehlt. Aber ich<br />

habe dann viele Jahre daran gearbeitet.<br />

Was haben Sie gemacht?<br />

Das ist natürlich geschwindelt, ich habe nicht<br />

daran gearbeitet. Ich war bis 18 so ziemlich der<br />

Kleinste, zumindest Schmächtigste in der Klasse<br />

und bin dann erst gewachsen. Das war die eine<br />

Sache. Aber ich war eben auch furchtbar unsicher.<br />

Die Sicherheit ist erst sehr spät gekommen.<br />

Wie denn? Verraten Sie uns Ihr Geheimnis?<br />

(Jetzt kratzt er sich am Kopf)<br />

So seltsam es auch klingt: Wenn man nicht alles<br />

persönlich nimmt, ist man gleich sicherer. Es<br />

bringt doch nichts zu sagen: „Ich kann nichts<br />

dafür, die Welt meint es einfach nicht gut mit<br />

mir.“ Man sollte das Ganze statistisch nehmen:<br />

„Heute habe ich verloren, morgen werde ich gewinnen.<br />

Und wenn ich morgen nicht gewinne,<br />

dann wird es übermorgen sein.“ Wer diese etwas<br />

amerikanisch klingende Aufstehparole verinnerlicht,<br />

wird sich nicht so schnell einschüchtern<br />

lassen.<br />

Und wenn ich übermorgen und überübermorgen auch nicht gewinne?<br />

Es gibt keinen Menschen ohne jeden Erfolg. Ich<br />

habe entweder Erfolg in der Arbeit oder in der<br />

Liebe oder im Umgang mit Tieren oder im Spielcasino.<br />

Ein Mensch ohne Erfolg ist für mich genauso<br />

unglaubwürdig wie einer, der von sich behauptet:<br />

Ich habe überall Erfolg. Beides kann<br />

nicht stimmen.<br />

Foto: DJS-Archiv


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