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Portraits von Sophie Barat: Bilder und Vorstellungen

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Madeleine <strong>Sophie</strong> <strong>Barat</strong> 1779 – 1865<br />

Porträts <strong>von</strong> <strong>Sophie</strong> <strong>Barat</strong> : <strong>Bilder</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorstellungen</strong><br />

Alte Fotografien haben etwas Faszinierendes. Wir schätzen sie besonders, wenn<br />

geliebte Menschen sterben, oder wenn sie in einen anderen Teil der Welt<br />

übersiedeln, oder sogar aus unserem Leben verschwinden. Und Fotos wecken alle<br />

möglichen Erinnerungen, frohe <strong>und</strong> glückliche, aber auch schmerzliche <strong>und</strong><br />

sorgenvolle.<br />

Trotz ihres langen Lebens <strong>und</strong> ihrer vielen Kontakte gibt es kein authentisches<br />

Portrait oder Foto <strong>von</strong> <strong>Sophie</strong> <strong>Barat</strong>. Wir haben eine Unzahl <strong>von</strong> künstlerischen<br />

Abbildungen <strong>von</strong> <strong>Sophie</strong>, aber keines da<strong>von</strong> war zu ihren Lebzeiten <strong>von</strong> ihr in Auftrag<br />

gegeben oder gestattet worden. Wir alle kennen Menschen, möglicherweise sind Sie<br />

selbst so jemand, die es hassen fotografiert zu werden! <strong>Sophie</strong> war auch so jemand.<br />

1820 versuchte die Gemeinschaft in der Rue de Varenne in Paris <strong>Sophie</strong> zu<br />

überreden sich portraitieren zu lassen, aber es war nutzlos. Das war umso mehr<br />

frustrierend, da es in Paris zu dieser Zeit viele Portraitkünstler gab, einschließlich<br />

Pauline Perdreau. Bevor sie in die Gesellschaft eintrat, malte sie Ölportraits <strong>und</strong> ihr<br />

Werk ist immer noch in der Schatzkammer <strong>von</strong> Notre Dame in Paris zu sehen.<br />

Es war aber doch Pauline Perdreau, die versuchte, <strong>Sophie</strong> heimlich zu fotografieren,<br />

doch <strong>Sophie</strong> durchschaute dies lachend. Als <strong>Sophie</strong> starb, wurde Pauline am späten<br />

Abend des 25. Mai 1865 gebeten, schnell eine <strong>Portraits</strong>kizze zu machen, doch sie<br />

konnte es einfach nicht, so wurde daher ein Fotograf gerufen, der dann die einzige<br />

Fotografie machte, die wir <strong>von</strong> <strong>Sophie</strong> <strong>Barat</strong> haben, am frühen Morgen des 26. Mai<br />

nach ihrem Tod.<br />

So können wir wohl die Frage stellen: Wie hat <strong>Sophie</strong> <strong>Barat</strong> ausgesehen? Was für<br />

eine Art hatte sie? Wie präsentierte sie sich selbst ihrer Umgebung? Wie haben<br />

andere sie gesehen? Wie waren ihre Gesten, was war typisch ihre Art oder ihr<br />

Verhalten? Wie hat sie gesprochen, welchen Akzent hatte sie, welchen Klang hatte<br />

ihre Stimme? Und wie kamen die Temperamente(cholerisch, phlegmatisch,<br />

melancholisch, sanguinisch) in ihrem Leben durch, in den verschiedenen<br />

Lebensabschnitten <strong>und</strong> in welchen Kombinationen?<br />

Es ist wichtig, diese Fragen zu stellen, da wir <strong>von</strong> vielen künstlerischen Eindrücken<br />

<strong>von</strong> <strong>Sophie</strong> <strong>Barat</strong> beeinflusst sind, wahrscheinlich mehr als uns bewusst ist.<br />

Unzählige <strong>Portraits</strong> wurden gemalt, entweder im Hinblick auf die Heiligsprechung<br />

1925, oder sie wurden später zu einem feierlichen Anlass in Auftrag gegeben. Dies<br />

geschah in großer Redlichkeit, <strong>und</strong> doch erzählen diese <strong>Bilder</strong> oft mehr über die<br />

Künstler, ihre Theologie <strong>und</strong> ihr Verständnis <strong>von</strong> Heiligkeit, als <strong>von</strong> <strong>Sophie</strong> <strong>Barat</strong> in<br />

ihrer Zeit <strong>und</strong> ihrem Lebensraum. Aber das ist es, was wir machen. Wir erfinden die<br />

<strong>Bilder</strong> derer, die wir lieben <strong>und</strong> in Ehren halten, fortwährend neu. Wenn wir also uns<br />

alle ein paar Minuten Zeit nehmen <strong>und</strong> uns fragen würden: Was habe ich für ein Bild<br />

<strong>von</strong> <strong>Sophie</strong> <strong>Barat</strong>, so würden wir einige interessante Überlegungen miteinander<br />

teilen können, sowohl über uns selbst als auch über <strong>Sophie</strong>!.... Und so treten wir ein<br />

in das Reich der Ikonographie, der künstlerischen Erforschung <strong>von</strong> Heiligkeit.


In unseren Archiven in Rom haben wir einige Reisepässe <strong>von</strong> <strong>Sophie</strong>, die sie auf<br />

Reisen in Frankreich <strong>und</strong> Europa gebraucht hat. Im 19.Jh. hat man jedoch keine<br />

Passfotos gebraucht. Dennoch sagen uns diese Dokumente, dass <strong>Sophie</strong> 150 cm<br />

groß war, dass sie braune Augen hatte <strong>und</strong> bis in die Mitte ihrer Sechzigerjahre<br />

waren ihre Haare braun, dann ergrauten sie. Ihr Gesicht wurde als oval <strong>und</strong><br />

fre<strong>und</strong>lich beschrieben. Ein weiteres Detail hat uns Adèle Cahier übermittelt, die über<br />

20 Jahre ihre Sekretärin <strong>und</strong> ihre Biografin war. Adèle spricht <strong>von</strong> <strong>Sophie</strong>s auffallend<br />

braunen Augen <strong>und</strong> berichtet <strong>von</strong> dem Fleck auf <strong>Sophie</strong>s linkem Auge, eine Narbe<br />

<strong>von</strong> den Pocken, die <strong>Sophie</strong> als Kind hatte.<br />

Es gibt allerdings viele Möglichkeiten, um ein Porträt zu malen, <strong>und</strong> seitdem wir eine<br />

leere Leinwand geschenkt bekommen haben, fragen wir, wie sollen wir uns <strong>Sophie</strong><br />

vorstellen, in ihrer Zeit <strong>und</strong> so wie sie war; wie sollen wir ihren Lebensweg<br />

nachgehen <strong>und</strong> das erfüllen, was sie als ihre spirituelle Aufgabe <strong>und</strong> ihre<br />

Bestimmung in der Welt gesehen hat? Wir können das tun, wir tun es jedoch die<br />

ganze Zeit unbewusst. Wenn wir einander lange genug beobachten, beginnen wir<br />

einander gut zu kennen, wir erkennen, wie wir sprechen, <strong>und</strong> wir werden vertraut mit<br />

Gesten, Formen, Geschmäckern, Seinsweisen. Oft kennen uns andere besser als wir<br />

ahnen oder es zulassen würden.<br />

So ist es auch mit <strong>Sophie</strong> <strong>Barat</strong>. Wenn wir sie in unserer Vorstellung vor uns sehen,<br />

so können wir doch nur unser eigenes Bild <strong>von</strong> <strong>Sophie</strong> <strong>Barat</strong> malen. Wir können sie<br />

uns vorstellen in den verschiedenen Etappen ihres Lebens. Auf diese Weise taucht<br />

eine Reihe <strong>von</strong> Bleistiftzeichnungen auf; das Spiel des Sonnenlichtes auf dem<br />

Gesicht der kleinen <strong>Sophie</strong> in Joigny, die bei der Geburt eine Feuersbrunst<br />

überlebte; das kleine frühreife Mädchen, das zu früh auf die Welt kam, das<br />

gesprächig <strong>und</strong> entzückend war, wurde geliebt <strong>und</strong> verwöhnt bis zu ihrem<br />

7.Lebensjahr. Dann überschattete sie der Ernst ihres Bruders Louis, der ihrer Seele<br />

Fesseln anlegte durch das Stärken ihres Willens, was wichtig aber sicher zu früh <strong>und</strong><br />

streng war. Als sie 10 war, erschütterte die Revolution Frankreich, Joigny <strong>und</strong> die<br />

Familie <strong>Barat</strong>. Dunkelheit <strong>und</strong> Gewalt traten in <strong>Sophie</strong>s Leben ein. Sie wurde schnell<br />

erwachsen <strong>und</strong> mit 12 half <strong>Sophie</strong> ihrer Mutter aus einer lang anhaltenden<br />

Depression heraus zu kommen <strong>und</strong> kümmerte sich um die familiären<br />

Angelegenheiten. Sie hatte eine kurze Kindheit. Dazu gibt es eine Menge <strong>von</strong><br />

<strong>Portraits</strong>.<br />

Dann kam eine dramatische Wende. Wir sehen <strong>Sophie</strong> <strong>Barat</strong> in Paris, zur Zeit des<br />

Terrors <strong>von</strong> 1795, als junge Frau <strong>von</strong> 16 Jahren. Sie lebt im Marais-Bezirk <strong>von</strong> Paris,<br />

nahe zur Bastille. Sie lebt mehr ein Leben ähnlich wie die Trappisten als wie ein<br />

junges Mädchen, das in das Erwachsenenalter kommt. Ihr Gesicht verändert sich,<br />

Schatten <strong>und</strong> Falten bilden sich, nehmen sogar zu. Wie können ihre Gesichtszüge<br />

Licht <strong>und</strong> Schatten dieser Erfahrungen im Gleichgewicht halten? Die Sonne geht auf,<br />

wenn sie nach Joigny zur Erntezeit zurück kehren kann. Dann nimmt sie das<br />

familiäre Leben wieder auf, arbeitet viel <strong>und</strong> nimmt an Festen teil. Ihre Mutter <strong>und</strong> der<br />

Pfarrer hoffen, dass <strong>Sophie</strong> wieder nach Hause zurück kehren <strong>und</strong> heiraten wird.<br />

Doch sie fährt wieder nach Paris, zum Ort ihres künftigen Schicksals, was sie selbst<br />

gewählt hat, nicht Louis. Was sollte das sein?<br />

Die <strong>Portraits</strong> <strong>von</strong> 1800 zeigen <strong>Sophie</strong> <strong>Barat</strong> in Paris <strong>und</strong> dann in Amiens, wieder<br />

verändert, sie zeigen das Gesicht einer jungen Frau mit einer impulsiven,<br />

energischen Natur, die sogar die kritischen Bemerkungen <strong>von</strong> Louis nicht beugte.<br />

Aber das Leben ist jetzt komplexer <strong>und</strong> reicher, <strong>und</strong> ihr Gesicht drückt ihr Suchen<br />

aus, doch sie hält sich straffer, ziemlich steif <strong>und</strong> ordentlich, sie forderte <strong>von</strong> sich<br />

perfekt zu sein. <strong>Sophie</strong> <strong>Barat</strong> war ziemlich in sich verschlossen <strong>und</strong> wurde dann in<br />

den Mittelpunkt ihrer Gruppe hinein gestellt als sie <strong>von</strong> Louise Naudet anlässlich


ihres Besuches in Amiens 1804 zur Oberin ernannt wurde. Von diesem Moment der<br />

Ernennung an hat sich das Leben <strong>von</strong> <strong>Sophie</strong> <strong>Barat</strong> total verändert. <strong>Sophie</strong> gelangt<br />

in die Öffentlichkeit <strong>und</strong> wird nie mehr da<strong>von</strong> zurück treten. Bis zu ihrem Tod 1865<br />

lebt <strong>Sophie</strong> ihr Leben unter den Augen der Öffentlichkeit, innerhalb <strong>und</strong> außerhalb<br />

der Gesellschaft.<br />

<strong>Sophie</strong>s charakteristisches Merkmal <strong>und</strong> Bild kann das einer Führernatur sein, die<br />

die Erfahrung <strong>von</strong> zwei längeren Perioden macht, wo ihr Führungsstil auf die Probe<br />

gestellt wird, 1806 – 1815 <strong>und</strong> 1839 – 1851. Beide Perioden haben ähnliche Muster<br />

<strong>und</strong> Abläufe. Sie gelangt aus beiden heraus <strong>und</strong> ist <strong>von</strong> jeder gezeichnet <strong>und</strong><br />

geformt. Wie können wir uns das offizielle Portrait <strong>von</strong> <strong>Sophie</strong> <strong>Barat</strong> vorstellen, z.B. in<br />

1826, als ihre Führung nicht gefragt war, aber <strong>Sophie</strong> selbst kämpfte mit enormen<br />

persönlichen Schwierigkeiten. Wie hätte sie bei all den Leiden <strong>und</strong> Verwirrungen in<br />

ihrer inneren Welt zustimmen können, dass ein Portrait <strong>von</strong> ihr hätte gemacht werden<br />

können? Als Oberin verlangte sie <strong>von</strong> den Mitgliedern der Gesellschaft danach zu<br />

streben, ihre innere Welt der Kontemplation <strong>und</strong> die Welt der Aktivität zu integrieren.<br />

Diese Aufgabe fand sie jedoch selber überwältigend. War das der Gr<strong>und</strong>, warum sie<br />

einem Portrait nicht zustimmte? Vielleicht war es eine Frage <strong>von</strong> Wahrheit, oder das<br />

Offengelegte wäre für sie zu schwierig gewesen zu leben?<br />

Pauline Perdreau schrieb eine Biographie <strong>von</strong> <strong>Sophie</strong> <strong>Barat</strong>: Les Loisirs de<br />

L´Abbeye. Das ist eine kunstvolle Biographie, die <strong>Sophie</strong> <strong>Barat</strong> in ihren späteren<br />

Jahren beschreibt. Statt eines Gemäldes in Öl malt Pauline sie in geschriebenen<br />

<strong>Bilder</strong>n. In ihren Siebzigern sehen wir <strong>Sophie</strong> viel entspannter <strong>und</strong> mit sich <strong>und</strong> der<br />

Welt im Klaren. Sie lacht mehr <strong>und</strong> lässt ihren Sinn für Humor sprechen, der ihr zwar<br />

nie gefehlt hat, trotz der dunklen Perioden ihres Lebens. Sie ist immer noch<br />

ungeduldig <strong>und</strong> impulsiv, aber sie ist ihrer selbst schon sicherer. Schließlich weiß sie,<br />

dass sie wirklich auf ihrem richtigen Platz ist. Wie schaut ihr Portrait jetzt aus? Es<br />

zeigt eine Führerpersönlichkeit über eine internationale Gemeinschaft, es zeigt eine<br />

Frau, die mit sich selbst <strong>und</strong> ihren Fre<strong>und</strong>/innen Frieden geschlossen hat, die<br />

Beziehungen fester knüpft, andere beendet.<br />

Diese nobel <strong>und</strong> hart gewonnenen Kämpfe haben ihr Gesicht gezeichnet, haben<br />

sich in ihren Gesten <strong>und</strong> ihrer ganzen Art sich zu geben nieder geschlagen. Vielleicht<br />

ist das ihr letztes Portrait. <strong>Sophie</strong> <strong>Barat</strong> ist zu ihrem eigenen Selbst gelangt <strong>und</strong> hat<br />

schmerzlich gelernt, in sich zu stehen, in ihrer eigenen Individualität. Ihre innere Welt<br />

des Gebetes <strong>und</strong> der Kontemplation <strong>und</strong> ihre äußere Welt der intensiven Aktivität<br />

sind zusammen geflossen. In diesem Raum <strong>und</strong> auf diesem Platz mit seinen<br />

irdischen Aufgaben war <strong>Sophie</strong> in Frieden <strong>und</strong> schon zum ewigen Horizont<br />

ausgerichtet.<br />

Lektüre für diesen Monat:<br />

M.S.<strong>Barat</strong>, Ein Leben<br />

Einige persönliche <strong>Bilder</strong> <strong>von</strong> <strong>Sophie</strong> <strong>Barat</strong>: S. 3 – 6, 14 – 17, 22 – 25<br />

<strong>Bilder</strong> <strong>von</strong> der Führerpersönlichkeit: S. 55 – 59, 103 –4, 109 – 11, 369 – 72, 408 – 11<br />

<strong>Bilder</strong> r<strong>und</strong> um ihren inneren Weg: S. 164 – 7, 238 – 41, 429 – 432 (Epilog)


Reflexion in diesem Monat<br />

1. Schau einige Fotos <strong>von</strong> dir aus den verschiedenen Phasen deines Lebens an:<br />

aus Kindheit, Jugend, junges Erwachsenenalter, Zeit der reifen Frau. Wenn du<br />

keine hast, erinnere dich, wie du warst <strong>und</strong> wie du dich gefühlt hast in den<br />

verschiedenen Phasen deines Lebens. Was vermitteln diese <strong>Bilder</strong> <strong>von</strong> dir<br />

<strong>und</strong> was gibt dir Einsicht in das Leben <strong>von</strong> <strong>Sophie</strong> <strong>Barat</strong>?<br />

2. Kennst du deine eigenen Gesten, deine typische Art zu sein, deine<br />

Verhaltensmuster <strong>und</strong> Formen? Hat es die immer schon gegeben? Wie stellst<br />

du dir <strong>Sophie</strong> <strong>Barat</strong> vor im Licht deiner eigenen Reflexion?<br />

3. Kannst du im Licht dieser Reflexionen über dich selbst <strong>und</strong> <strong>Sophie</strong> <strong>Barat</strong> dein<br />

eigenes Bild <strong>von</strong> <strong>Sophie</strong> in deiner Vorstellung malen, oder greif zu Farben,<br />

Musik, Poesie, um es auszudrücken? Was stellst du dir vor, was hörst <strong>und</strong><br />

siehst du?<br />

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