Der Trave-Segler - Günther Muchow
Der Trave-Segler - Günther Muchow
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Richtig! Also verordne ich mir heute einen Ausflug nach Stolp/Slupsk*, jene<br />
Kreisstadt, die etwa wie Lübeck zu <strong>Trave</strong>münde liegt; nur mit 30 Kilometer fast<br />
doppelt so weit entfernt. Hier in Stolpmünde einen Bus zu finden, wird zum<br />
echten Abenteuer. Als ich schließlich auf eine Ansammlung von Bussen stoße<br />
und daraus messerscharf schließe, das könnte der örtliche Busbahnhof sein, muß<br />
ich feststellen: Mein polnischer Sprachschatz, bestehend aus den drei Worten für<br />
„prosche“( bitte ), „dschenkúje“( danke ) und „ja nje rosumnje“( ich verstehe Sie<br />
nicht ) hilft mir hier überhaupt nicht weiter, Englisch versteht keiner, und mit<br />
Russisch werde ich nur verjagt. Also was tun? Ich überlege gerade, ob ich<br />
überhaupt noch fahren soll, da schiebt mich ein freundlicher Mensch in den<br />
nächsten Bus und gibt mir mit Händen und Füßen zu verstehen, daß der jetzt<br />
gleich nach „Slupsk“ abgeht. Erleichtert löse ich eine Fahrkarte ( dazu reicht das<br />
Wort „Slupsk“ ), lasse mich in einen Sitz fallen und atme erst einmal durch. Dann<br />
packt mich schon der nächste Zweifel. Wie komme ich mit meinen unzulänglichen<br />
Sprachkenntnissen zurück? Doch da hilft mir ein Engel: Am Fahrtziel sagt mir ein<br />
junger Pole, den ich gar nicht gefragt hatte, plötzlich in fließendem Deutsch:<br />
„Wenn Sie pünktlich um 18.00 Uhr wieder hier sind, können Sie mit einem Bus<br />
zurück nach Ustka fahren.“ Mit 30% meines polnischen Wortschatzes bedanke<br />
ich mich herzlich bei ihm…<br />
Stolp war eine schmucke deutsche Kreisstadt mit ( vor dem Krieg ) insgesamt<br />
83.000 Einwohnern, fast ausschließlich evangelisch, wie in Pommern damals<br />
üblich. Stolpmünde als die größte Landgemeinde zählte davon knapp 5.000<br />
Einwohner. Heute sind in Stolp viele<br />
historische Gebäude wieder aufgebaut<br />
oder liebevoll restauriert, so z. B. das<br />
prächtige Backstein-Rathaus, die Stadt-<br />
Bibliothek, das Schloß der pommerschen<br />
Herzöge oder das Stettiner Tor. Gott hat<br />
ein Einsehen mit dem einsamen<br />
Wanderer und schickt ihm zum<br />
Fotografieren von Zeit zu Zeit ein paar<br />
Sonnenstrahlen. Pünktlich um 18.00 Uhr<br />
nimmt mich ein Bus auf und bringt mich<br />
wohlbehalten zurück nach Stolpmünde.<br />
Es ist aber ein anderer Bus, der Fahrpreis erheblich höher als auf der Herfahrt<br />
und der Platz, an dem ich in Stolpmünde eingestiegen war, ist dem Fahrer nicht<br />
zu vermitteln. Also steige ich „irgendwo“ aus in Stolpmünde und wandere von<br />
dort ca. drei Kilometer zurück zum Schiff. Später erfahre ich, daß – anders als bei<br />
uns – fünf ( ! ) Busunternehmen sich jeweils Konkurrenz machen auf der Strecke<br />
zwischen beiden Orten mit Fahrplänen, die „häufig“ eingehalten werden, aber mit<br />
unterschiedlichen Haltestellen und Preisen. Ich jedenfalls bin froh, wieder am<br />
Schiff zu sein, zumal sich schon wieder ein Regenschauer ankündigt.<br />
<strong>Der</strong>weil steht die See noch mächtig jenseits der Mole und jagt ihre<br />
Gischtfontänen hoch. Ob ich morgen wieder auslaufen kann?<br />
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