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D 1250 - DRK Kliniken Berlin

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Implementierung von klinischen<br />

Behandlungspfaden:<br />

Das Krankenhaus vor neuen<br />

organisatorischen Herausforderungen<br />

Gunhild Leppin M. A. und Thomas Rosenthal, Diplom-Sozialökonom<br />

1 Einleitung 1-3<br />

2 Behandlungspfade – Zum<br />

Konzept 4-7<br />

3 Behandlungspfade – Zu den<br />

organisatorischen Herausforderungen<br />

8-26<br />

3.1 Herausforderungen für die<br />

Organisationsstruktur im<br />

Krankenhaus 10-17<br />

3.1.1 Vom funktionalen zum prozessorientierten<br />

Betrieb 11, 12<br />

3.1.2 Vom Pflegeprozess zum<br />

Behandlungsprozess 13-16<br />

3.1.3 Von der patientenbezogenen<br />

zur fallbezogenen Betreuung 17<br />

3.2 Herausforderungen für die<br />

Unternehmenskultur im<br />

Krankenhaus 18-26<br />

3.2.1 Der Behandlungspfad erfordert<br />

eine berufsgruppenübergreifende<br />

Kooperation 19-24<br />

Kooperation 22<br />

Pflegefachkräfte 12, 14-16, 23, 34, 38<br />

1 Einleitung<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Rn. Rn.<br />

Schlagwortübersicht<br />

D <strong>1250</strong><br />

3.2.2 Der Behandlungspfad erfordert<br />

einen kontinuierlichen<br />

Verbesserungsprozess 25, 26<br />

4 Behandlungspfade – Zu<br />

den organisatorischen<br />

Gestaltungsmaßnahmen 27-39<br />

4.1 Klärung der Rahmenbedingungen<br />

29, 30<br />

4.2 Bereitstellung der<br />

Ressourcen 31<br />

4.3 Einbeziehung der<br />

Mitarbeiter 32-34<br />

4.4 Fundierter Einsatz von<br />

Kommunikation 35, 36<br />

4.5 Konstruktiver Umgang mit<br />

Widerstand 37-39<br />

5 Zusammenfassung 40, 41<br />

Literatur<br />

Rn. Rn.<br />

Prozessverantwortliche 12<br />

Verbesserungsprozess 26<br />

Spätestens seit dem Jahr 2004 erfolgt die Finanzierung der allgemeinen<br />

vollstationären und teilstationären Krankenhausleistungen über ein<br />

„durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergü-<br />

MH Pflege, 7. Aktualisierung März 2006 (Leppin/Rosenthal) 1<br />

1


D<strong>1250</strong> Implementierung von klinischen Behandlungspfaden<br />

tungssystem“ 1) auf Grundlage der Diagnosis Related Groups (DRGs). 2)<br />

Die Vergütung orientiert sich nicht mehr an der Verweildauer im<br />

Krankenhaus, sondern bezieht sich auf die „komplette konservative,<br />

interventionelle oder operative Gesamtbehandlung eines Krankheitsbildes.“<br />

3) Vor diesem Hintergrund erscheint die Einführung von klinischen<br />

Behandlungspfaden dringend geboten.<br />

2 Derzeit liegt der Schwerpunkt der fachlichen Diskussion bei der Entwicklung<br />

von Behandlungspfaden; die mit der Implementierung klinischer<br />

Behandlungspfade verbundenen organisatorischen Herausforderungen<br />

werden hingegen kaum thematisiert. Es wird folgende These<br />

vertreten: Die erfolgreiche und nachhaltige Implementierung von<br />

Behandlungspfaden setzt eine prozessorientierte Organisation voraus.<br />

Der Behandlungspfad bildet den Kernprozess des Krankenhauses, um<br />

den sich alle anderen Prozesse ranken. Es wird bei der Einführung von<br />

Behandlungspfaden offensichtlich zu wenig berücksichtigt, dass Krankenhäuser<br />

nach wie vor noch funktional und berufsständisch organisiert<br />

sind (traditionelle Organisationsstruktur und Unternehmenskultur)<br />

und daher eine Arbeitsorganisation auf der Grundlage von<br />

Behandlungspfaden systemfremd ist.<br />

3 Im Folgenden werden – neben einigen grundlegenden Anmerkungen<br />

zu den Behandlungspfaden (Kapitel 2) – die organisatorischen Herausforderungen<br />

aufgezeigt, die mit der Implementierung von klinischen<br />

Behandlungspfaden einhergehen (Kapitel 3). Es wird dargestellt, dass<br />

eine nachhaltige Einführung von Behandlungspfaden zu einem tiefgreifenden<br />

organisatorischen Wandel führen muss; dieser Veränderungsprozess<br />

ist nur erfolgreich zu bewältigen, wenn er von entsprechenden<br />

Maßnahmen seitens des Managements flankiert wird (Kapitel 4).<br />

2 Behandlungspfade – Zum Konzept<br />

4 Der Begriff „Behandlungspfad“ lässt sich folgendermaßen definieren:<br />

„Ein klinischer Behandlungspfad ist der im Behandlungsteam selbst<br />

gefundene berufsgruppen- und institutionenübergreifende Konsens<br />

1 Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der<br />

Krankenhauspflegesätze – Krankenhausfinanzierungsgesetz 2005: § 17 b Absatz 1<br />

Satz 1.<br />

2 Vgl. Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung<br />

der Krankenhauspflegesätze – Krankenhausfinanzierungsgesetz 2005: § 17 b<br />

Absatz2Satz1.<br />

3 Roeder, N. u. a.: Frischer Wind mit klinischen Behandlungspfaden (I): Instrumente<br />

zur Verbesserung der Organisation klinischer Prozesse, in: das Krankenhaus 95/1<br />

2003, S. 20.<br />

2


Implementierung von klinischen Behandlungspfaden D <strong>1250</strong><br />

für die beste Durchführung der gesamten stationären Behandlung<br />

unter Wahrung festgelegter Behandlungsqualität sowie unter Berücksichtigung<br />

der notwendigen und verfügbaren Ressourcen, ebenso<br />

unter Festlegung der Aufgaben sowie der Durchführungs- und Ergebnisverantwortlichkeiten.<br />

Der klinische Behandlungspfad steuert den<br />

Behandlungsprozess; gleichzeitig ist er das behandlungsbegleitende<br />

Dokumentationsinstrument und erlaubt die Kommentierung von<br />

Normabweichungen zum Zwecke fortgesetzter Evaluation und Ver-<br />

besserung.“ 4)<br />

4 Roeder, N. u. a.: Frischer Wind mit klinischen Behandlungspfaden (I): Instrumente<br />

zur Verbesserung der Organisation klinischer Prozesse, in: das Krankenhaus 95/1<br />

2003, S. 21 f.<br />

Durch Behandlungspfade werden die Kosten, die Erlöse<br />

und die Qualität transparent. Die Unternehmensleitung kann die Leistungsprozesse<br />

des Krankenhauses strategisch planen und operativ<br />

steuern.<br />

Seit der Umstellung auf eine DRG-basierende Krankenhausfinanzierung<br />

gibt es einen festen Preis pro DRG – ohne Beachtung der im<br />

Krankenhaus tatsächlich angefallenen Kosten und weitestgehend<br />

unabhängig von der Verweildauer des Patienten. „Da die Erlösmöglichkeiten<br />

somit fixiert sind, bleibt dem Krankenhaus zur Steuerung<br />

von Gewinn und Verlust lediglich die Einflussnahme auf die Kosten<br />

der Behandlung.“ 5) Eine Planung, Steuerung sowie Kontrolle der personellen<br />

bzw. materiellen Ressourcen und Kosten ist jedoch nur möglich,<br />

wenn Leistungsprozesse mittels Behandlungspfaden standardisiert<br />

werden. 6)<br />

Mit der inhaltlichen und zeitlichen Standardisierung der diagnostischen,<br />

therapeutischen und pflegerischen Maßnahmen, von der Aufnahme<br />

bis zur Entlassung, wird die Effizienz7) bei gleichzeitiger Kostenreduzierung8)<br />

gesteigert. Des Weiteren kann die Behandlungsqualität<br />

anhand der Überprüfung von Abweichungen vom Behandlungspfad<br />

auf ihre Ursachen hin gesteuert werden. Behandlungspfade sind<br />

daher als Managementinstrument sowohl zur Steuerung der Wirtschaftlichkeit<br />

des Krankenhauses als auch zur Qualitätssicherung und<br />

-verbesserung von außerordentlicher Bedeutung.<br />

5 Küttner, T. / Wiese, M. / Roeder, N.: Klinische Behandlungspfade (Teil 1): Hohe Qualität<br />

zu niedrigen Kosten – ein unlösbarer Zielkonflikt?, in: Pflegezeitschrift 58/3<br />

2005, S. 176.<br />

6 Eine Standardisierung durch Behandlungspfade bietet sich insbesondere für planbare<br />

und häufige bzw. kostenintensive Krankheitsfälle an.<br />

7 Als Beispiel sei die Optimierung der Verweildauer genannt.<br />

8 Es können z. B. nicht medizinisch notwendige Doppeluntersuchungen vermieden<br />

werden.<br />

MH Pflege, 7. Aktualisierung März 2006 (Leppin/Rosenthal) 3<br />

5<br />

6


D<strong>1250</strong> Implementierung von klinischen Behandlungspfaden<br />

7 Um so mehr erstaunen die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage<br />

des Deutschen Krankenhausinstitutes zwischen Mai und September<br />

2003: In 10 % der Krankenhäuser sind „schon“ Behandlungspfade entwickelt<br />

worden; 73 % der Krankenhäuser beabsichtigen Behandlungspfade<br />

zu entwickeln. 9) Es scheint dies – kurz vor der Umstellung auf<br />

eine pauschalierende fallbezogene Vergütung der Krankenhausleistungen<br />

– eine sehr zögerliche Reaktion zu sein; sowohl was die Bedeutung<br />

des Behandlungspfads als Managementinstrument angeht, als auch<br />

was die zeitintensiven organisatorischen Veränderungsprozesse anbelangt,<br />

die mit der Implementierung der Pfade verbunden sind.<br />

3 Behandlungspfade – Zu den<br />

organisatorischen Herausforderungen<br />

8 Die mit der Einführung von klinischen Behandlungspfaden verbundenen<br />

organisatorischen Herausforderungen für Krankenhäuser (Abbildung<br />

1) beziehen sich einerseits auf die Organisationsstruktur<br />

(Abschnitt 3.1) und andererseits auf die Unternehmenskultur<br />

(Abschnitt 3.2).<br />

Impementierung<br />

Organisationsstruktur<br />

Vom funktionalen zum<br />

prozessorientierten Betrieb<br />

berufsgruppenübergreifende<br />

Kooperation<br />

Krankenhaus<br />

Von Pflegeprozess<br />

zum Behandlungsprozess<br />

Behandlungspfade<br />

Von der patientenbezogenen<br />

zur fallbezogenen<br />

Betreuung<br />

kontinuierlicher<br />

Verbesserungsprozess<br />

Unternehmenskultur<br />

9 Abb. 1: Implementierung von Behandlungspfaden – Herausforderungen für<br />

das Krankenhaus<br />

9 Vgl. Deutsches Krankenhausinstitut e. V.: Krankenhaus-Barometer. Umfrage 2003,<br />

Internet: www.dkgev.de [Datum des Aufrufs: 11. 08. 2005], S. 22.<br />

4


Implementierung von klinischen Behandlungspfaden D <strong>1250</strong><br />

3.1 Herausforderungen für die<br />

Organisationsstruktur im Krankenhaus<br />

Die interne Organisation vieler deutscher Krankenhäuser basiert nach<br />

wie vor auf fachabteilungsbezogenen und berufsständischen Strukturen.<br />

Die Implementierung von Behandlungspfaden führt daher zu<br />

„Prozessinseln, für die jeweils unterschiedliche Personen zuständig<br />

sind. Je mehr Abteilungen eine Prozesskette durchläuft und je tiefer die<br />

Abteilungsorganisation gegliedert ist, desto häufiger sind Prozess- und<br />

Verantwortungsbrüche sowie Schnittstellen anzutreffen, die einen<br />

hohen Koordinations- und Kontrollaufwand erfordern sowie die<br />

Ergebnisqualität und die Produktivität mindern.“ 10) Die Behandlungspfade<br />

werden deshalb als systemfremd wahrgenommen.<br />

3.1.1 Vom funktionalen zum prozessorientierten Betrieb<br />

Die Krankenhausorganisation ist weitestgehend von der Aufbauorganisation<br />

(d. h. der Zuordnung der gebildeten Stellen in einem Unternehmensorganigramm)<br />

und der Ablauforganisation bestimmt (d. h. die<br />

Anordnung der Arbeitsplätze sowie die Art der Verrichtungen der<br />

Tätigkeiten und die Arbeitsfolge). In einer funktionalen und gleichzeitig<br />

Hierarchie betonten Krankenhausorganisation wird die Zuständigkeit<br />

in der Ablauforganisation formal bestimmt durch die Aufbauorganisation,<br />

die berufsständischen Interessen und die Zugehörigkeit zu<br />

einer bestimmten Gruppe (z. B. Team, Funktionseinheit).<br />

In einer prozessorientierten Organisation hingegen steht der reibungslose<br />

und patientenorientierte Behandlungsablauf im Vordergrund:<br />

„“Wer“ kann „was“ im Dienst der patientenorientierten Versorgung<br />

am besten und Ressourcen schonend leisten, was muss die Organisation<br />

bereithalten, um diese Leistungsprozesse zu unterstützen?“ 11) Dies<br />

erfordert eine hohe Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit von allen<br />

an der Behandlung des Patienten beteiligten Mitarbeitern – fachabteilungs-,<br />

berufsgruppen- und hierarchieübergreifend. Behandlungspfade<br />

bieten hierfür eine sinnvolle Basis. Allerdings sollte es Prozessverantwortliche<br />

geben, damit die Prozess- und Verantwortungsbrüche vermieden<br />

und die Schnittstellen gemanagt werden können. Nur so kann<br />

der Behandlungspfad für den einzelnen Patienten realisiert werden.<br />

10 Greiling, M.: Prozessbrüche vermeiden. Das Krankenhaus der Zukunft ist prozessorientiert,<br />

prozessstrukturiert und workflowbasiert, in: Krankenhaus Umschau 73/<br />

10 2004, S. 879.<br />

11 Dahlgaard, K. / Stratmeyer, P.: Kooperatives Prozessmanagement im Krankenhaus,<br />

in: das Krankenhaus 96/8 2004, S. 639.<br />

MH Pflege, 7. Aktualisierung März 2006 (Leppin/Rosenthal) 5<br />

10<br />

11<br />

12


D<strong>1250</strong> Implementierung von klinischen Behandlungspfaden<br />

Für diese Aufgabe sind Pflegefachkräfte mit ihrer spezifischen Prozesserfahrung<br />

geradezu prädestiniert.<br />

3.1.2 Vom Pflegeprozess zum Behandlungsprozess<br />

13 Behandlungspfade12) bilden die Kernprozesse des Krankenhauses.<br />

DieseProzessemüssenvon der Aufnahme bis zur Entlassung gemanagt<br />

werden – einschließlich einer Überleitung in eine andere Institution.<br />

Im Hinblick auf eine optimale quantitative und qualitative Ressourcennutzung<br />

sollten sich die Ärzte „auf ihre Kernaufgaben in der<br />

Planung und Durchführung von Diagnostik und Therapie konzentrieren.<br />

Angrenzende Managementaufgaben, die eine Prozesskenntnis<br />

voraussetzen, jedoch keine medizinische Ausbildung erfordern, können<br />

von anders qualifizierten, zeitlich besser verfügbaren und nicht<br />

zuletzt kostengünstigeren Mitarbeitern übernommen werden.“ 13)<br />

14 Hier bieten sich die Pflegefachkräfte geradezu an:<br />

– Pflegefachkräfte haben längst auf einer Station die Steuerung der<br />

Behandlungsprozesse „ihrer“ Patienten und das Belegungsmanagement<br />

für die Station – soweit es ohne offizielle Befugnisse geht –<br />

übernommen.<br />

– Pflegefachkräfte haben Schnittstellen zu allen Berufsgruppen, die am<br />

Behandlungsprozess des Patienten beteiligt sind (z. B. Physiotherapie,<br />

Funktionsbereiche, Küche, Verwaltung), und können damit den klinischen<br />

Behandlungspfad von der Aufnahme bis zur Entlassung (einschließlich<br />

der nicht medizinischen Sekundärprozesse) unter Berücksichtigung<br />

der Bedürfnisse des Patienten optimal gestalten.<br />

– Pflegefachkräfte sind medizinisch ausreichend qualifiziert, um zu<br />

erkennen, wann der bisher vorgesehene Behandlungspfad für einen<br />

bestimmten Patienten durch den behandelnden Arzt erneut überprüft<br />

und ggf. korrigiert werden muss. 14)<br />

– Pflegefachkräfte sind über vierundzwanzig Stunden mit dem Patienten<br />

in Kontakt und gewährleisten damit eine Kontinuität, welche<br />

die bestmögliche Patientenbetreuung und -orientierung garantiert.<br />

12 In diesem Kontext beziehen sich die Behandlungspfade auf die standardisierten<br />

Behandlungspfade. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Prozessverantwortung<br />

in einem nächsten Schritt auch auf individuelle Einzelfälle abgestimmte<br />

Behandlungspfade Bezug nehmen kann.<br />

13 Dahlgaard, K. / Stratmeyer, P.: Kooperatives Prozessmanagement im Krankenhaus,<br />

in: das Krankenhaus 96/8 2004, S. 638.<br />

14 Gerade dieser Aspekt zeigt auf, dass die Steuerung der Behandlungspfade nur von<br />

Pflegefachkräften und nicht – was derzeit auch diskutiert wird – von Arzthelferinnenübernommenwerdenkann;vgl.dazuSchmitz-Rixen,<br />

T.: Behandlungspfade –<br />

ein Weg aus der Krise der Krankenhäuser?, in: Hessisches Ärzteblatt 8/2003, S. 392.<br />

6


Implementierung von klinischen Behandlungspfaden D <strong>1250</strong><br />

Entschiede man sich für dieses Verfahren, so würden die Pflegefachkräfte<br />

die Prozessverantwortung für die „Realisation (Veranlassen,<br />

Disponieren, Einwirken, Organisieren)“ 15) und in Teilen auch für die<br />

Kontrolle übernehmen. Die Ärzte würden die Fachverantwortung tragen,<br />

das Behandlungsziel festlegen und die Entscheidung für einen<br />

bestimmten Behandlungspfad treffen. Anhand des jeweiligen medizinischen<br />

Sollzustandes des Patienten im Behandlungsverlauf gleicht der<br />

Arzt zudem ab, ob die Behandlung im Rahmen des Behandlungspfades<br />

fortgesetzt werden kann oder angepasst werden muss.<br />

Die Übernahme der Prozessverantwortung durch Pflegefachkräfte<br />

setzt jedoch voraus, dass diese die notwendigen Befugnisse erhält, um<br />

auf den jeweiligen Prozess einwirken zu können. 16) Das Konzept des<br />

Case Managements als eine inhaltliche Weiterführung des Prozessgedankens<br />

für Behandlungspfade bietet sich hierfür als Instrument an.<br />

3.1.3 Von der patientenbezogenen zur fallbezogenen<br />

Betreuung<br />

Im deutschen Sprachraum wird der Begriff „Case Management“ sehr<br />

unterschiedlich definiert. In der Regel handelt es sich – ob einrichtungsbezogen<br />

oder sektorenübergreifend – um ein Fallmanagement<br />

von bestimmten Krankheitsbildern. „Das Case-Management ist [] notwendig,<br />

um auffällige und die Abläufe deutlich störende Probleme<br />

innerhalb eines sorgfältig geplanten, berufsgruppenübergreifenden<br />

Einsatz-, Zeit- und Kostenrahmens gezielt in den Griff zu bekommen.<br />

Auf das aktive Zusammenwirken von Personal, Systemen und Organisationen<br />

wird dabei besonderer Wert gelegt.“ 17) Neben der auf Patienten<br />

bezogenen Prozessverantwortung – im Sinne eines „one face to the<br />

customer“ – ist daher die fallbezogene Evaluation unter verschiedenen<br />

Aspekten von Bedeutung. Dazu zählen die jeweilige Fallauswertung<br />

unter Kosten- und Erlösgesichtspunkten, einschließlich der Fallkodierung,<br />

die Auswertung des organisatorischen Ablaufes einschließlich<br />

des Entlassungsmanagements und die Auswertung der eventuellen<br />

Beschwerden des Patienten.<br />

15 Dahlgaard, K. / Stratmeyer, P.: Kooperatives Prozessmanagement im Krankenhaus,<br />

in: das Krankenhaus 96/8 2004, S. 638.<br />

16 Vgl. Dahlgaard, K. / Stratmeyer, P.: Kooperationsanforderungen an Pflege und Medizin<br />

im Krankenhaus der Zukunft, in: das Krankenhaus 95/2 2003, S. 134.<br />

17 Gratias, R.: Case-Management. Den Patienten zielgerichtet durch den Leistungsprozess<br />

führen. Ziele, Funktionen und Aufgaben eines pflegerisch gestützten Case-<br />

Managements, in: Die Schwester/Der Pfleger 43/4 2004, S. 289.<br />

MH Pflege, 7. Aktualisierung März 2006 (Leppin/Rosenthal) 7<br />

15<br />

16<br />

17


D<strong>1250</strong> Implementierung von klinischen Behandlungspfaden<br />

3.2 Herausforderungen für die<br />

Unternehmenskultur im Krankenhaus<br />

18 Die Einführung der Behandlungspfade und der damit verbundene<br />

Wandel hin zu einer prozessorientierten Organisation kommt einem<br />

Paradigmenwechsel gleich. Dieser kann nur gelingen, wenn sich parallel<br />

die Unternehmenskultur verändert; denn „zu einer Kultur gehört<br />

die Art und Weise, wie bestimmte Dinge und Angelegenheiten gesehen<br />

und behandelt werden.“ 18) Insbesondere zwischen Ärzten und<br />

Pflegenden hatte sich eine Kultur herausgebildet, die von stereotypen<br />

Verhaltensmustern geprägt ist. Im Folgenden wird aufgezeigt, dass<br />

eine nachhaltige Implementierung von Behandlungspfaden nur gelingen<br />

kann, wenn sich das traditionelle Rollenverständnis von Ärzten<br />

und Pflegenden entsprechend verändert.<br />

3.2.1 Der Behandlungspfad erfordert eine<br />

berufsgruppenübergreifende Kooperation<br />

19 In der Krankenhausorganisation habendieBerufsgruppenderÄrzte<br />

und der Pflegenden ihre jeweils eigene (Sub-)Kultur entwickelt,<br />

geprägt vom jeweiligen standesorientierten Berufsverständnis. Zum<br />

Teil ergänzen sich beide, aber sie werden auch genutzt und „dies<br />

höchst effektiv, um sich voneinander abzugrenzen und die eigene Profession<br />

kenntlich und wichtig zu machen.“ 19)<br />

20 Die medizinische Versorgung bestimmt den Zweck des Krankenhauses.<br />

20) Damit sehen sich die Ärzte als die „eigentlichen Taktgeber“ 21) .In<br />

der ärztlichen Wahrnehmung verantworten sie den Behandlungsprozess,<br />

insbesondere nach dem Grundsatz der Therapiefreiheit. „Kooperationen<br />

im Sinne einer ernst gemeinten Beteiligung anderer Berufs-<br />

18 Rosenthal, T. / Wagner, E.: Organisationsentwicklung und Projektmanagement im<br />

Gesundheitswesen. Grundlagen – Methoden – Fallstudien, Heidelberg 2004, S. 92.<br />

19 Rosenthal, T. / Wagner, E.: Organisationsentwicklung und Projektmanagement im<br />

Gesundheitswesen. Grundlagen – Methoden – Fallstudien, Heidelberg 2004, S. 93.<br />

20 Krankenhäuser sind „Einrichtungen, in denen durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung<br />

Krankheiten, Leiden oder Körperschäden festgestellt, geheilt oder gelindert<br />

werden sollen oder Geburtshilfe geleistet wird und in denen die zu versorgenden<br />

Personen untergebracht und verpflegt werden können“; Gesetz zur wirtschaftlichen<br />

Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze<br />

– Krankenhausfinanzierungsgesetz 2005: § 2 Nr. 1.<br />

21 Dahlgaard, K. / Stratmeyer, P.: Kooperationsanforderungen an Pflege und Medizin im<br />

Krankenhaus der Zukunft, in: das Krankenhaus 95/2 2003, S. 131.<br />

8


Implementierung von klinischen Behandlungspfaden D <strong>1250</strong><br />

gruppen an patientenbezogenen Entscheidungen“ 22) sind dabei nicht<br />

vorgesehen. Der Blick auf den Patienten wird von medizinischen<br />

Aspekten dominiert.<br />

Die Pflegenden konnten demgegenüber in den letzten zwanzig Jahren<br />

ihre unselbständige Rolle als „Hilfskraft des Arztes“ immer weniger<br />

akzeptieren – verstärkt durch Erfahrungen, vielfach vom „guten Willen“<br />

des Arztes abhängig zu sein. Im Rahmen ihrer Professionalisierungsbestrebungen<br />

hat die Pflege deshalb eigenständige Aufgaben wie<br />

z. B. den Pflegeprozess23) entwickelt. Trotz Berücksichtigung von Diagnose<br />

und Behandlung steht er jedoch losgelöst und unabhängig<br />

neben der medizinischen Versorgung. Im Zuge der Definition von<br />

eigenständigen Aufgaben hat eine deutliche Abgrenzung gegenüber<br />

denärztlichenTätigkeitenstattgefunden. Viele delegierbare medizinische<br />

Aufgaben (wie z. B. Blutentnahmen) werden daher aus berufspolitischen<br />

Gründen abgelehnt.<br />

Die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Pflegenden in nicht prozessorientierten<br />

Organisationen ist daher formal in Bezug auf die fachliche<br />

Weisungsbefugnis der Ärzte gegenüber den Pflegenden<br />

beschränkt. Eine weitergehende Kooperation existiert höchstens<br />

„zusammengehalten durch ein Netz von Routinen, Einzelabsprachen,<br />

Weisungen, formalen und informellen Kompetenzen, Aushandlungsprozessen<br />

und Kompensationsmaßnahmen.“ 24) Diese Form der Kooperation<br />

lässt einen patientenbezogenen und effizienten Behandlungsprozess<br />

nicht zu.<br />

Die Implementierung von Behandlungspfaden in diesen berufsständischen<br />

(Sub-)Kulturen stellt neue Anforderungen an die Kooperationsbeziehungen<br />

zwischen Ärzten und Pflegenden. Beide Berufsgruppen25) müssen sich als ein Behandlungsteam verstehen. Entscheidend für das<br />

Gelingen ist dabei die „funktionale, komplementäre Arbeitsteilung auf<br />

der Grundlage eines gemeinsamen Verständnisses von patientenorientiertem<br />

Handeln mit klaren Absprachen und verbindlichen Regelun-<br />

22 Dahlgaard, K. / Stratmeyer, P.: Kooperationsanforderungen an Pflege und Medizin im<br />

Krankenhaus der Zukunft, in: das Krankenhaus 95/2 2003, S. 131.<br />

23 Der Pflegeprozess ist ein Regelkreis bestehend aus Informationssammlung, Erkennen<br />

von Ressourcen bzw. Pflegeproblemen, Festlegen der Pflegeziele, Planung der<br />

Pflegemaßnahmen, Durchführung der geplanten Maßnahmen sowie Überprüfung<br />

der Wirksamkeit der Maßnahmen.<br />

24 Dahlgaard, K. / Stratmeyer, P.: Kooperationsanforderungen an Pflege und Medizin im<br />

Krankenhaus der Zukunft, in: das Krankenhaus 95/2 2003, S. 132.<br />

25 Auch wenn hier nur auf die Berufsgruppe der Ärzte und die der Pflegenden Bezug<br />

genommen wird, gelten diese Aussagen natürlich auch für alle anderen Berufsgruppen,<br />

die den Patienten medizinisch, pflegerisch oder therapeutisch betreuen.<br />

MH Pflege, 7. Aktualisierung März 2006 (Leppin/Rosenthal) 9<br />

21<br />

22<br />

23


D<strong>1250</strong> Implementierung von klinischen Behandlungspfaden<br />

gen.“ 26) Beiden Berufsgruppen wird abverlangt, ihr einseitiges berufsständisches<br />

Denken zu verlassen und den gesundheits- und gesellschaftspolitischen<br />

Erfordernissen anzupassen. Hinweis: Behandlungspfade<br />

sind kein Eingriff in die ärztliche Therapiefreiheit, sondern stellen<br />

transparent die Handlungsroutine des Arztes dar. Mit der Übernahme<br />

von medizinischen Aufgaben27) würden die Pflegefachkräfte<br />

aktiv zu einer Reduzierung der Schnittstellen beitragen.<br />

24 Somit wäre die Anwendung der Behandlungspfade in Hinblick auf die<br />

Optimierung der personellen Ressourcen – qualitativ, quantitativ und<br />

kostenmäßig – sowie in Hinblick auf die Qualität der Patientenversorgung<br />

nicht nur ein gemeinsames Anliegen der Ärzte bzw. der Pflege<br />

sondernauchihreHandlungsgrundlage.<br />

3.2.2 Der Behandlungspfad erfordert einen<br />

kontinuierlichen Verbesserungsprozess<br />

25 Der Behandlungspfad ermöglicht es, nicht gewollte Abweichungen zu<br />

erkennen, deren Ursachen zu analysieren, Verbesserungspotential zu<br />

identifizieren und entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Mit Hilfe<br />

des Pfades lässt sich zu jedem Behandlungszeitpunkt überprüfen, ob es<br />

bei der medizinischen Behandlung oder im zeitlichen Prozessablauf zu<br />

unerwarteten und unerwünschten Abweichungen gekommen ist. Falls<br />

notwendig, kann dann im Interesse des Patienten zeitnah interveniert<br />

werden. Des Weiteren kann eine Varianzanalyse auch rückwirkend<br />

erfolgen, indem der Ist-Pfad mit dem Soll-Verlauf abgeglichen wird.<br />

26 Den Behandlungspfad als Instrument im kontinuierlichen Verbesserungsprozess<br />

zu begreifen, setzt jedoch einen offenen und selbstkritischen<br />

Umgang mit den Abweichungen und ihren Ursachen voraus<br />

(Fehlerkultur). „Der Aufbau einer Fehlerkultur, welcher die Fehlerhaftigkeit<br />

menschlichen Handelns akzeptiert, einen Fehler auch als<br />

Chance zur Verbesserung begreift und durch geeignete Strategien effiziente<br />

Fehlerprävention ermöglicht“ 28) , ist notwendig und muss als<br />

weitere gewünschte (Sub-)Kultur im Unternehmen existieren. Damit<br />

ist der Behandlungspfad – trotz seiner Festschreibung – gleichzeitig ein<br />

äußerst dynamisches Instrument der Qualitätssicherung und -verbesserung<br />

sowie des Risk Managements.<br />

26 Dahlgaard, K. / Stratmeyer, P.: Kooperatives Prozessmanagement im Krankenhaus,<br />

in: das Krankenhaus 96/8 2004, S. 636.<br />

27 Vgl. Gaede, K.: Starke Schwestern, in: kma 1/2005, S. 38 ff.<br />

28 Meilwes, M.: Aspekte zu Risiken aus der Sicht der Health Professionals. Was können<br />

wirvonanderenlernen?,in:Holzer,E.u.a.(Hrsg.):Patientensicherheit.Leitfaden<br />

für den Umgang mit Risiken im Gesundheitswesen, Wien 2005, S. 31.<br />

10


Implementierung von klinischen Behandlungspfaden D <strong>1250</strong><br />

4 Behandlungspfade – Zu den organisatorischen<br />

Gestaltungsmaßnahmen<br />

Die Implementierung von Behandlungspfaden ist eine strategische<br />

Entscheidung des Krankenhausmanagements; damit verbunden sind<br />

erhebliche Herausforderungen hinsichtlich der Organisationsstruktur<br />

und Unternehmenskultur eines Krankenhauses als komplexe Organisationen.<br />

Bei Veränderungen reagieren diese sozial geprägten Gebilde<br />

oftmals recht eigensinnig und entfalten häufigeinestarkekonservative<br />

Eigendynamik, d. h. das Festhalten am Althergebrachten steht einer<br />

strategischen Neuausrichtung diametral entgegen. Methoden und<br />

Instrumente des Veränderungsmanagements müssen daher bewusst<br />

ausgewählt und eingesetzt werden, um die Organisationsstruktur und<br />

deren Unternehmenskultur Schritt für Schritt an die strategische<br />

(Neu-)Ausrichtung anzupassen. Insgesamt können fünf Gestaltungsmaßnahmen<br />

benannt werden (Abbildung 2).<br />

Klärung der<br />

Rahmenbedingungen<br />

K r a n k e n h a u s<br />

Bereitstellung der<br />

Ressourcen<br />

I m p l e m e n t i e r u n g Behandlungspfade<br />

Fundierter Einsatz von<br />

Kommunikation<br />

Einbeziehung der<br />

Mitarbeiter<br />

Konstruktiver Umgang mit<br />

Widerstand<br />

Abb. 2: Implementierung von Behandlungspfaden – Gestaltungsmaßnahmen<br />

für das Krankenhaus<br />

MH Pflege, 7. Aktualisierung März 2006 (Leppin/Rosenthal) 11<br />

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D<strong>1250</strong> Implementierung von klinischen Behandlungspfaden<br />

4.1 Klärung der Rahmenbedingungen<br />

29 Eine wichtige Voraussetzung für die krankenhausweite Implementierung<br />

von Behandlungspfaden ist ein einheitliches Verständnis zum<br />

Thema „Behandlungspfade im Unternehmen“. Die Unternehmensführung<br />

muss daher grundsätzliche Anforderungen an einen Behandlungspfad<br />

festlegen. Dazu gehören z. B. eine interdisziplinäre Ausrichtung<br />

und eine am Patienten bzw. am Behandlungsprozess orientierte<br />

Organisation der Behandlung.<br />

30 Die Entwicklung und Implementierung von Behandlungspfaden muss<br />

fachabteilungsübergreifend organisiert und gesteuert werden. Die Entwicklung<br />

einschließlich der Implementierung von Behandlungspfaden<br />

muss als unternehmensweites Projekt organisiert werden, um die Aktivitäten<br />

der verschiedenen Fachabteilungen sinnvoll zu verzahnen. Hierbei<br />

kann es zweckmäßig sein, eine Steuerungsgruppe (mit Koordinationsfunktion)<br />

bzw. eine Lenkungsgruppe (mit Entscheidungsbefugnissen)<br />

einzusetzen. Es muss geklärt werden, in welcher Reihenfolge, mit welcher<br />

Zeitplanung (einschließlich einer Fortschrittskontrolle) Behandlungspfade<br />

für welche Krankheitsfälle entwickelt und eingeführt sein sollen.<br />

4.2 Bereitstellung der Ressourcen<br />

31 Entwicklung sowie Implementierung von Behandlungspfaden binden<br />

erheblich Ressourcen. Es sind die personellen Voraussetzungen zu<br />

schaffen, damit die Freistellung zur Teilnahme an den Arbeitsgruppen<br />

(„Entwicklung von Behandlungspfaden“) sichergestellt werden kann,<br />

ohne dass es zu einer Arbeitsmehrbelastung der Arbeitsgruppenmitglieder<br />

bzw. der Kollegen im Arbeitsalltag kommt. Auch das notwendige<br />

Know-how muss zur Verfügung stehen; entweder in Form interner<br />

bzw. externer Beratung oder durch die Möglichkeit für Arbeitsgruppenmitglieder<br />

sich die notwendigen Kompetenzen aneignen zu<br />

können. Von großer Bedeutung ist auch die Bereitstellung der notwendigen<br />

Sachmittel als Voraussetzung für eine erfolgreiche Implementierung<br />

von Behandlungspfaden (z. B. Dokumentationssystem).<br />

4.3 Einbeziehung der Mitarbeiter<br />

32 Die Mitarbeiter sind ein entscheidender Erfolgsfaktor für die nachhaltige<br />

Implementierung von Behandlungspfaden. Durch sie wird der<br />

Behandlungspfad für den Patienten erst erlebbar. Durch die Einbeziehung<br />

der betroffenen Mitarbeiter ist es möglich, praxisgerechte – und<br />

damit im Arbeitsalltag akzeptierte – Lösungen zu finden. Trotzdem<br />

12


Implementierung von klinischen Behandlungspfaden D <strong>1250</strong><br />

stehen diesem organisatorischen Wandel „arbeitende Menschen gegenüber,<br />

deren Veränderungswillen und Veränderungstempo nicht<br />

zwangsläufig den aktuellen Erfordernissen entsprechen müssen.“ 29)<br />

Deshalb müssen die Führungskräfte als Multiplikatoren frühzeitig in<br />

den Veränderungsprozess einbezogen und von dem Vorhaben überzeugt<br />

werden. Diese wiederum müssen die Erwartungen, die in diesem<br />

Zusammenhang an ihre Mitarbeiter gestelltwerden,kommunizieren<br />

und die Entwicklung und Implementierung von Behandlungspfaden<br />

vorbildhaft unterstützen. 30) Entscheidend für die erfolgreiche Einführung<br />

von Behandlungspfaden ist die Auswahl der richtigen Schlüsselpersonen,<br />

die den Veränderungsprozess vorantreiben können – z. B.<br />

im Hinblick auf die Koordination und Steuerung des Projektes. Wichtigste<br />

Voraussetzung dafür wiederum ist die Akzeptanz gegenüber<br />

den Behandlungspfaden bei den Mitarbeitern.<br />

Viele Mitarbeiter stehen vor neuen Anforderungen (z. B. die Pflegefachkräfte<br />

als Prozessverantwortliche). Hier sollten frühzeitig Schulungen<br />

zur Vorbereitung auf die neuen Aufgaben angeboten werden.<br />

Grundsätzlich müssen die Mitarbeiter im Veränderungsprozess von<br />

Führungskräften als auch von Projektverantwortlichen aktiv begleitet<br />

werden. Hier sind die Instrumente der Mitarbeiterführung und der<br />

Personalentwicklung bewusst einzusetzen.<br />

4.4 Fundierter Einsatz von Kommunikation<br />

Einen entscheidenden Faktor, die Mitarbeiter „ins Boot zu holen“, stellen<br />

die rechtzeitige Information über Entwicklung und Implementierung<br />

der Behandlungspfade sowie die Kommunikation über diese Thematik<br />

dar. Hier sollten alle dem Unternehmen zur Verfügung stehenden<br />

Informations- und Kommunikationsmittel (z. B. Mitarbeiterzeitung,<br />

Intranet, Betriebsversammlung, Besprechung oder Teamsitzung)<br />

intensiv genutzt werden, um möglichst viele Mitarbeiter zu erreichen.<br />

Von besonderer Bedeutung ist die verbale Form der Kommunikation,<br />

um auf Fragen und Bedenken von Mitarbeitern sofort eingehen zu<br />

können. Gleichzeitig wird sich die Informations- und KommunikationskulturdurchdieArbeitmitBehandlungspfaden<br />

verändern (müssen).<br />

Information und Kommunikation richten sich zukünftig an den<br />

Prozessen aus und finden berufsübergreifend und interdisziplinär<br />

29 Hensen, P. u. a.: Veränderungsmanagement im DRG-Zeitalter: Anpassungsprozesse<br />

müssen integrativ bewältigt werden, in: das Krankenhaus 96/2 2004, S. 88.<br />

30 Hensen, P. u. a.: Veränderungsmanagement im DRG-Zeitalter: Anpassungsprozesse<br />

müssen integrativ bewältigt werden, in: das Krankenhaus 96/2 2004, 88 f.<br />

MH Pflege, 7. Aktualisierung März 2006 (Leppin/Rosenthal) 13<br />

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D<strong>1250</strong> Implementierung von klinischen Behandlungspfaden<br />

statt. Die Kommunikationspartner verstehensichalsgleichberechtigte<br />

Mitglieder eines patientenbezogenen Behandlungsteams.<br />

4.5 Konstruktiver Umgang mit Widerstand<br />

37 Doch selbst wenn die besten Voraussetzungen für eine erfolgreiche<br />

Einführung klinischer Behandlungspfade geschaffen wurden, wird<br />

sich ein Teil der Mitarbeiter den Veränderungen widersetzen. Das<br />

Bewusstsein dafür und ein konstruktiver Umgang mit diesem Widerstand<br />

sind wichtige Bausteine im Veränderungsmanagement.<br />

38 Oftmals handelt es sich beim Widerstand gegenüber organisatorischen<br />

Veränderungen um eine diffuse Ablehnung, um nicht unmittelbar<br />

nachvollziehbare Bedenken oder um ein Unterlaufen durch passives<br />

Verhalten. 31)<br />

Für das Auflösen des Widerstandes ist es entscheidend,<br />

die tatsächlichen Ursachen zu ergründen und auf diese angemessen zu<br />

reagieren. Ein häufig genannter Grund, der gegen die Implementierung<br />

von Behandlungspfaden spricht, ist aus Sicht der Ärzte die Einengung<br />

ihrer Therapiefreiheit. Pflegefachkräfte wiederum könnten sich<br />

durchdieneuenAufgabenderProzessverantwortungfürdenBehandlungspfad<br />

überfordert fühlen. Doch auchvieleandereUrsachenkönnen<br />

zu aktivem oder passivem Widerstand führen (z. B. Wissenslükken,<br />

Besitzstandswahrung oder Angst vor Veränderung). Auch (zu)<br />

theoretische Lösungsansätze provozieren Widerstand. Gerade deshalb<br />

sollten Mitarbeiter in die Gestaltung der Veränderungen einbezogen<br />

werden, damit praxisgerechte Lösungen entwickelt werden können.<br />

39 Widerstand, auf den nicht professionell reagiert wird, bindet unnötig<br />

Ressourcen. Deshalb muss Widerstand ernst genommen werden. Es<br />

müssen die eigentlichen Ursachen erkannt und behoben werden. Nur<br />

dann wird die Implementierung der Behandlungspfade nachhaltig sein<br />

und den gewünschten Effekt haben.<br />

5 Zusammenfassung<br />

40 Die Krankenhäuser werden zeitnah unweigerlich Behandlungspfade<br />

einführen müssen. Dies wird deren Organisationsstruktur und Unternehmenskultur<br />

tiefgreifend verändern. Aber trotz des Wandels hin zu<br />

einer prozessorientierten Organisation erweist sich die traditionellen<br />

Organisationsstruktur und Unternehmenskultur vieler Krankenhausbetriebe<br />

als starr und überaus langlebig. Doch es sind auch andere<br />

31 Vgl. Doppler, K. / Lauterburg, C.: Change Management. Den Unternehmenswandel<br />

gestalten, Frankfurt a. M., New York 2002, S. 323.<br />

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Implementierung von klinischen Behandlungspfaden D <strong>1250</strong><br />

bzw. ergänzende Veränderungen der Krankenhausorganisation vorstellbar.<br />

Eine Alternative wäre: Viele Krankenhäuser bilden Zentren<br />

(z. B. ein Brust- oder Gefäßzentrum) oder führen Care Manager ein, die<br />

die Betreuung der Patienten von der Aufnahme bis zur Entlassung<br />

fachabteilungsübergreifend übernehmen. 32)<br />

Entscheidend für eine erfolgreiche Einführung von Behandlungspfaden<br />

ist jedoch nicht die Entwicklung der Behandlungspfade selbst<br />

(auch wenn dies eine berufsübergreifende und interdisziplinäre<br />

Zusammenarbeit voraussetzt), sondern die flankierenden Maßnahmen,<br />

um den damit verbundenen Organisationswandel möglich zu machen.<br />

FürdieKrankenhäuseristjetztderZeitpunktgekommen,durchprofessionell<br />

gestaltete Reorganisationsprozesse die Nachhaltigkeit und<br />

Zukunftstauglichkeit zu sichern.<br />

Literatur<br />

Dahlgaard, K./Stratmeyer, P.: Kooperationsanforderungen an Pflege und<br />

Medizin im Krankenhaus der Zukunft, in: das Krankenhaus 95/2<br />

2003.<br />

Dahlgaard, K./Stratmeyer, P.: Kooperatives Prozessmanagement im<br />

Krankenhaus, in: das Krankenhaus 96/8 2004.<br />

Deutsches Krankenhausinstitut e. V.: Krankenhaus-Barometer. Umfrage<br />

2003, Internet: www.dkgev.de [Datum des Aufrufs: 11. 08. 2005].<br />

Doppler, K./Lauterburg, C.: Change Management. Den Unternehmenswandel<br />

gestalten, Frankfurt a. M., New York 2002.<br />

Gaede, K.: Starke Schwestern, in: kma 1/2005.<br />

Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur<br />

Regelung der Krankenhauspflegesätze – Krankenhausfinanzierungsgesetz,<br />

Internet: www.bmgs.bund.de [Datum des Aufrufs: 21. 07. 2005].<br />

Gratias, R.: Case-Management. Den Patienten zielgerichtet durch den<br />

Leistungsprozess führen. Ziele, Funktionen und Aufgaben eines<br />

pflegerisch gestützten Case-Managements, in: Die Schwester/Der<br />

Pfleger 43/4 2004.<br />

Greiling, M.: Prozessbrüche vermeiden. Das Krankenhaus der Zukunft<br />

ist prozessorientiert, prozessstrukturiert und workflowbasiert, in:<br />

Krankenhaus Umschau 73/10 2004.<br />

Hensen, P. u. a.: Veränderungsmanagement im DRG-Zeitalter: Anpassungsprozesse<br />

müssen integrativ bewältigt werden, in: das Krankenhaus<br />

96/2 2004.<br />

32 Vgl. dazu Zietemann, F.: Clinical Pathways. Viele Pfade führen nach Rom, in: Klinikmanagement<br />

Aktuell 3/2004, S. 57.<br />

MH Pflege, 7. Aktualisierung März 2006 (Leppin/Rosenthal) 15<br />

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D<strong>1250</strong> Implementierung von klinischen Behandlungspfaden<br />

Küttner, T./Wiese, M. / Roeder, N.: Klinische Behandlungspfade (Teil 1):<br />

Hohe Qualität zu niedrigen Kosten – ein unlösbarer Zielkonflikt?, in:<br />

Pflegezeitschrift 58/3 2005.<br />

Meilwes, M.: Aspekte zu Risiken aus der Sicht der Health Professionals.<br />

Was können wir von anderen lernen?, in: Holzer, E. u. a. (Hrsg.):<br />

Patientensicherheit. Leitfaden für den Umgang mit Risiken im<br />

Gesundheitswesen, Wien 2005.<br />

Roeder, N. u. a.: Frischer Wind mit klinischen Behandlungspfaden (I):<br />

Instrumente zur Verbesserung der Organisation klinischer Prozesse,<br />

in: das Krankenhaus 95/1 2003.<br />

Rosenthal, T./Wagner, E.: Organisationsentwicklung und Projektmanagement<br />

im Gesundheitswesen. Grundlagen – Methoden – Fallstudien,<br />

Heidelberg 2004.<br />

Schmitz-Rixen, T.: Behandlungspfade – ein Weg aus der Krise der Krankenhäuser?,<br />

in: Hessisches Ärzteblatt 8/2003.<br />

Zietemann, F.: Clinical Pathways. Viele Pfade führen nach Rom, in: Klinikmanagement<br />

Aktuell 3/2004.<br />

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