EIN BILD ROMAN STÜCKEN A Pictorial Novel In Pieces - Captain ...
EIN BILD ROMAN STÜCKEN A Pictorial Novel In Pieces - Captain ...
EIN BILD ROMAN STÜCKEN A Pictorial Novel In Pieces - Captain ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Keiper: Wenn ich mir die Ausstellung anschaue, so sehe<br />
ich sehr unterschiedliche Zugänge und individuelle<br />
künstlerische Lösungen. Aber die hohe Diversität der<br />
Arbeiten untereinander hat ja wieder ein neues Problem<br />
geschaffen. Das von euch entwickelte Ausstellungsdisplay,<br />
eine Allover-Hängung mit dazwischen eingestreuten<br />
Textpassagen, ist ja eigentlich eine ‚No-Go-Area‘: Zu<br />
viele Bilder, zu viele verschiedene<br />
Arbeiten – statt der heute angesagten<br />
eher sparsamen Platzierung mit luftig<br />
im Raum verteilten Werken, die ihrerseits<br />
einen möglichst ephemeren<br />
Eindruck erzeugen – Wo also würdet<br />
ihr die ‚Zeitgenossenschaft‘ für euch<br />
reklamieren?<br />
Reski: Aus dem Alter fürs explizit<br />
Zeitgenössische sind wir schon eine<br />
Weile raus. Ich sehe auch gerade<br />
nicht so die Ausschließlichkeit, dass<br />
heutzutage immer nur halbe Krümel<br />
im White Cube rumtanzen. Es<br />
ist natürlich immer billiger und geht<br />
schneller. Trotzdem sind da jede<br />
Menge an sich konträre Paralleluniversen<br />
unterwegs, nicht nur bei den<br />
Ausstellungsdisplays.<br />
Weber: Mal abgesehen von puristischen<br />
<strong>In</strong>szenierungen in der „Weißen Zelle“, verweist<br />
unser Ausstellungsdisplay eher auf die Erste <strong>In</strong>ternationale<br />
Dada-Messe oder das Modell der Petersburger Hängung<br />
bzw. der Großen Herbstausstellung.<br />
Für mich kann die Ausstellung aber überhaupt nicht<br />
anders funktionieren als in dieser Überfülle, die wiederum<br />
die Überfülle des Romans widerspiegelt. Es ergeben<br />
sich dadurch vielseitige Bild-zu-Bild- und Bild-zu-Text-<br />
Bezüge. Dazu kommt ja noch eine dezente Hörbuchbeschallung.<br />
Das erinnert mich an einen 3D-Film, der mit<br />
29<br />
Charlotte Salomon, Leben? Oder Theater?<br />
Blatt 4920, Gouache auf Papier, 1940-42.<br />
Binnen 18 Monaten entstand Charlotte<br />
Salomons’ Leben erzählender Bildroman.<br />
Es umfasst etwa 800 in Gouache gezeichnete<br />
und beschriebene Blätter. Ihr grandioses<br />
Werk wird von ihrem tragischem Schicksal<br />
im Holocaust überschattet.<br />
altertümlichen Mitteln hergestellt wurde, oder an eine<br />
begehbare Moritatentafel. Man befindet sich mitten in<br />
der Story bzw. ist von ihr umzingelt. Die Bildgeschichten<br />
von Charlotte Salomon Leben? Oder Theater?, Pushwagners<br />
Soft City oder Frans Masereels Die Stadt wären noch<br />
als <strong>In</strong>spirations quelle zu nennen.<br />
Die formale Heterogenität wird durch den Erzählstrang<br />
und deren Hauptprotagonisten,<br />
welche selbst von Bild zu Bild<br />
weitermorphen, gut zusammengehalten.<br />
Nach und nach verwandelt<br />
sich diese chaotische Ansammlung<br />
in einen Erzählkollektivkörper.<br />
Keiper: Mir scheint das ganze Unternehmen<br />
in seiner vielfachen Brechung<br />
und Bespiegelung dann doch<br />
auch sehr zeitgemäß zu sein. Die<br />
Spanne der eingeflossenen Themen<br />
und <strong>In</strong>halte wurde mit jeder neuen<br />
Wendung potenziert: Ausgehend<br />
von einem Roman, der zunächst<br />
schlichtweg unterhaltsam ist, über<br />
reale historische und reale aktuelle<br />
Ereignisse und deren <strong>In</strong>terpretation<br />
durch die eingeladenen Künstler<br />
bis hin zum sehr eigenwilligen Ausstellungsformat<br />
stellen sich plötzlich<br />
viele neue Fragen – die Frage<br />
nach Zeitgenossenschaft, nach Kunst und ihrem Material,<br />
nach Malerei, nach <strong>In</strong>dividualität, nach Ausstellung<br />
und Vermittlung, nach Politik usw. Man kann also die<br />
Ausstellung in ganz viele Richtungen lesen und interpretieren.<br />
Da wird ja ganz viel zur Diskussion gestellt …<br />
Hattet ihr beim Entwickeln eures Konzeptes einen<br />
bestimmten Adressaten im Blick, oder ein bestimmtes<br />
Anliegen oder Thema im Fokus?