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Umsetzung der Projektziele - Caritas

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Migrantenorganisationen – ein Schlüssel<br />

zur selbstbestimmten Teilhabe von<br />

Menschen mit Migrationshintergrund<br />

Dokumentation des Expertenworkshops<br />

Fulda, 23./24. März 2010<br />

Deutscher <strong>Caritas</strong>verband


Migrantenorganisationen – ein Schlüssel zur<br />

selbstbestimmten Teilhabe von Menschen<br />

mit Migrationshintergrund<br />

Expertenworkshop<br />

23./24. März 2010, Hotel Bachmühle in Fulda<br />

Dokumentation


Migrantenorganisationen – ein Schlüssel zur<br />

selbstbestimmten Teilhabe von Menschen mit<br />

Migrationshintergrund<br />

Expertenworkshop<br />

23./24. März 2010, Hotel Bachmühle in Fulda<br />

Dokumentation<br />

Redaktion: Thomas Leipp<br />

Technische Redaktion: Katharina Bischof<br />

Herausgeber: Deutscher <strong>Caritas</strong>verband e.V.<br />

Abteilung Soziales und Gesundheit<br />

Referat Migration und Integration<br />

Freiburg, August 2010


Inhalt<br />

1. Vorwort ..........................................................................................................................5<br />

2. Teil I ................................................................................................................................6<br />

2.1 Eröffnung des Expertenworkshops des Deutschen <strong>Caritas</strong>verbandes<br />

„Migrantenorganisationen – ein Schlüssel zur selbstbestimmten Teilhabe von<br />

Menschen mit Migrationshintergrund“ (Roberto Alborino) ......................................6<br />

2.2 Migrantenselbstorganisation: Formen, Aktivitäten, Potenziale und Wege des<br />

Empowerments (Prof. Dr. Sabine Jungk) …………..…….......................................9<br />

2.3 Migrantenselbstorganisationen – Herausfor<strong>der</strong>ungen für Politik und<br />

Zivilgesellschaft (Dr. Claudia Martini) ...................................................................22<br />

2.4 Migrantenorganisationen in <strong>der</strong> Integrationsför<strong>der</strong>ung – Erfahrungen und<br />

Empfehlungen (Romy Bartels)..............................................................................27<br />

2.5 Potenziale und Grenzen <strong>der</strong> Migrantenorganisationen in <strong>der</strong> Integrationsarbeit<br />

(Kenan Küçük)......................................................................................................39<br />

2.6 Empowerment von Migrantenorganisationen – Zusammenarbeit zwischen<br />

Wohlfahrtsverbänden und Migrantenorganisationen gestalten (Vicente Riesgo).41<br />

2.7 Migrantenorganisationen – Bekanntheit, Nutzung, Erwartungen. Ergebnisse<br />

aus <strong>der</strong> Sinus Migranten-Milieu®-Studie (Thomas Leipp) ....................................42<br />

3. Teil II .............................................................................................................................58<br />

3.1 Präsentation Modellprojekte .................................................................................58<br />

3.1.1 PAKT – anpacken – zupacken. Mentoring für einen interkulturellen<br />

Migrantinnenverein (Manuela Pintus) .......................................................58<br />

3.1.2 Interkulturelle Öffnung – professionelles und ehrenamtliches<br />

Engagement vor Ort verbinden (Dorothee Hüllen) ...................................69<br />

3.2 Zusammenfassung <strong>der</strong> Diskussionspunkte ..........................................................75<br />

4. Anhang .........................................................................................................................77


1. Vorwort<br />

In <strong>der</strong> aktuellen Integrationsdebatte wird Migrantenorganisationen eine große Aufmerksamkeit<br />

geschenkt. Sie werden als wichtige Experten für die Bedarfe von Menschen mit Migrationshintergrund,<br />

als Brückenbauer und Vermittler sowie als unverzichtbare Akteure <strong>der</strong> Integrationsarbeit<br />

beschrieben. In zahlreichen För<strong>der</strong>programmen wird <strong>der</strong> Fokus auf eine verstärkte<br />

Zusammenarbeit zwischen etablierten Trägern und Migrantenorganisationen o<strong>der</strong> auf<br />

die Professionalisierung <strong>der</strong> Selbstorganisationen von Menschen mit Migrationshintergrund<br />

gelegt.<br />

Für den Deutschen <strong>Caritas</strong>verband ist es seit langem ein wichtiges Anliegen, Migrantenorganisationen<br />

und ausländische Vereinigungen zu för<strong>der</strong>n und zu unterstützen. Ziel war und<br />

ist die Stärkung <strong>der</strong> selbstbestimmten Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund.<br />

Aktuell stellt sich jedoch die Frage, wie die verbandliche <strong>Caritas</strong> mit <strong>der</strong> wachsenden Bedeutung<br />

<strong>der</strong> Migrantenorganisationen umgehen soll. Denn die Zusammenarbeit mit den Selbstorganisationen<br />

von Menschen mit Migrationshintergrund rührt an das Selbstverständnis als<br />

Wohlfahrtsverband in seiner Rolle als Solidaritätsstifter, Anwalt und Dienstleister.<br />

An diesem Punkt setzte <strong>der</strong> Expertenworkshop „Migrantenorganisationen – ein Schlüssel zur<br />

selbstbestimmten Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund“ an. In einem ersten<br />

Teil hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, mit Vertreterinnen und Vertretern <strong>der</strong> Wissenschaft,<br />

Politik und Migrantenorganisationen ins Gespräch zu kommen. In einem zweiten<br />

Teil waren die Mitarbeitenden <strong>der</strong> <strong>Caritas</strong> bzw. katholischen Einrichtungen dazu eingeladen,<br />

die grundlegenden Fragestellungen zur Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen zu<br />

diskutieren, Erfahrungen auszutauschen und neue Perspektiven zu entwickeln. Um dabei<br />

auch einen Einblick in die Praxis zu erhalten, wurden zudem die beiden Modellprojekte <strong>der</strong><br />

<strong>Caritas</strong>, die <strong>der</strong>zeit im Rahmen des För<strong>der</strong>programms „Verstärkte Partizipation von Migrantenorganisationen“<br />

des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge geför<strong>der</strong>t werden, dargestellt.<br />

Da gerade vor Ort die Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen konkret gestaltet<br />

und durchgeführt wird, richtete sich <strong>der</strong> Expertenworkshop vor allem an Mitarbeitende aus<br />

den Ortscaritasverbänden.<br />

Der Expertenworkshop ist Teil des Projektes „Migrantenorganisationen ein Schlüssel zur<br />

selbstbestimmten Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund – Beitrag <strong>der</strong> <strong>Caritas</strong>“.<br />

Seine Ergebnisse fließen in die Arbeit des Projektes, das im Oktober 2009 startete und eine<br />

Laufzeit von eineinhalb Jahren hat, ein.<br />

Freiburg, August 2010<br />

Roberto Alborino Thomas Leipp<br />

Referatsleiter Referent<br />

Referat Migration und Integration Referat Migration und Integration<br />

Deutscher <strong>Caritas</strong>verband e.V. Deutscher <strong>Caritas</strong>verband e.V.<br />

5


Alborino: Eröffnung des Expertenworkshops<br />

_________________________________________________________________________________<br />

2. Teil I<br />

2.1 Eröffnung des Expertenworkshops des Deutschen <strong>Caritas</strong>verbandes „Migrantenorganisationen<br />

– ein Schlüssel zur selbstbestimmten Teilhabe von Menschen<br />

mit Migrationshintergrund“<br />

Roberto Alborino, Leiter des Referats Migration und Integration im Deutschen <strong>Caritas</strong>verband<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

ich möchte Sie sehr herzlich zum Expertenworkshop „Migrantenorganisationen – ein Schlüssel<br />

zur selbstbestimmten Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund“ des Deutschen<br />

<strong>Caritas</strong>verbandes hier in Fulda begrüßen.<br />

Wie Sie wissen, wird in <strong>der</strong> aktuellen Integrationsdebatte den Migrantenorganisationen eine<br />

große Aufmerksamkeit geschenkt. Sie werden als wichtige Experten für die Bedarfe von<br />

Menschen mit Migrationshintergrund, als Brückenbauer und Vermittler zwischen <strong>der</strong> Aufnahme-<br />

und Zuwan<strong>der</strong>ungsgesellschaft sowie als unverzichtbare Akteure <strong>der</strong> Integrationsarbeit<br />

beschrieben. Auch in zahlreichen För<strong>der</strong>programmen auf Bundes-, Landes und kommunaler<br />

Ebene wird <strong>der</strong> Fokus auf eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen etablierten Trägern<br />

und Migrantenorganisationen o<strong>der</strong> auf die Professionalisierung <strong>der</strong> Selbstorganisationen<br />

von Menschen mit Migrationshintergrund gelegt.<br />

Beson<strong>der</strong>s deutlich wurde die gewachsene Bedeutung von Migrantenorganisationen, vor<br />

allem auch durch ihre Beteiligung an <strong>der</strong> Entwicklung des Nationalen Integrationsplans <strong>der</strong><br />

Bundesregierung. Darin sind drei zentrale Empfehlungen bzw. Selbstverpflichtungen festgehalten:<br />

1. Als ein Ziel wird benannt die Einbeziehung von Migrantenorganisationen in die Erarbeitung<br />

von kommunalen- und Landesintegrationsplänen.<br />

2. Der Bund hat zugesagt, dass er fachliche Hilfe für Migrantenorganisationen als Träger<br />

von Projekten anbieten und hierfür auch die Bildung von Netzwerken von Migrantenorganisationen<br />

unterstützen werde.<br />

3. Das Bundesamt hat sich verpflichtet, Migrantenorganisationen in die Entwicklung des<br />

bundesweiten Integrationsprogramms einzubeziehen.<br />

Für den Deutschen <strong>Caritas</strong>verband ist es seit langem ein wichtiges Anliegen gewesen,<br />

Migrantenorganisationen und ausländische Vereinigungen in ihren Selbsthilfepotentialen, als<br />

gleichberechtigte Partner sowie als eigenständige Akteure im Integrationsgeschehen zu<br />

stärken. Bereits in den 1950er Jahren zählte nicht nur die Beratung und Betreuung <strong>der</strong> ausländischen<br />

Arbeitskräfte zu den Aufgaben <strong>der</strong> muttersprachlichen Gemeinden und dem Auslän<strong>der</strong>sozialdienst<br />

<strong>der</strong> <strong>Caritas</strong>, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong> Auf- und Ausbau von Selbstorganisationen.<br />

Viele Vereinigungen und Gruppierungen sind aus den muttersprachlichen Gemeinden hervorgegangen<br />

o<strong>der</strong> sind in enger Zusammenarbeit mit dem Auslän<strong>der</strong>sozialdienst entstanden.<br />

Ich freue mich deshalb ganz beson<strong>der</strong>s, Monsignore Wolfgang Miehle, Nationaldirektor<br />

für die Auslän<strong>der</strong>seelsorge bei <strong>der</strong> Deutschen Bischofskonferenz, begrüßen zu dürfen. Diese<br />

wegweisende Haltung <strong>der</strong> <strong>Caritas</strong> wurde in den Folgejahren immer wie<strong>der</strong> aufgegriffen. So<br />

wird beispielsweise in einer Orientierungshilfe für den Auslän<strong>der</strong>sozialdienst zur „Zusammenarbeit<br />

<strong>der</strong> <strong>Caritas</strong> mit Auslän<strong>der</strong>vereinigungen“ aus dem Jahr 1990 hingewiesen:<br />

„Nach mehr als dreißigjähriger Erfahrungen in <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>arbeit und auch mit<br />

Auslän<strong>der</strong>vereinigungen hält <strong>der</strong> Deutsche <strong>Caritas</strong>verband es heute für beson<strong>der</strong>s<br />

dringend geboten, auf den beson<strong>der</strong>en Arbeitsschwerpunkt ,Befähigung <strong>der</strong><br />

6


Alborino: Eröffnung des Expertenworkshops<br />

_________________________________________________________________________________<br />

Auslän<strong>der</strong> zur Bildung eigener Organisationen mit eigenen Strukturen’ … erneut<br />

hinzuweisen […] Er möchte zu einer Intensivierung <strong>der</strong> Arbeit ermutigen.“ 1<br />

Der Deutsche <strong>Caritas</strong>verband sieht seine Position durch die aktuellen Diskussionen zur Rolle<br />

und Funktion von Migrantenorganisationen im Integrationsprozess gestärkt. Ein zentrales<br />

Anliegen ist es dabei, das Zusammenleben zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund<br />

zu gestalten und zu för<strong>der</strong>n. Wichtige Merkmale einer gelungenen Integration sind<br />

gegenseitige Anerkennung, Partizipation, Gleichberechtigung und Chancengleichheit. Da ein<br />

großer Teil <strong>der</strong> Menschen mit Migrationshintergrund immer noch keinen gleichberechtigten<br />

Zugang zu gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich relevanten Bereichen hat, setzt sich<br />

die verbandliche <strong>Caritas</strong> auch heute aktiv für die Erweiterung ihrer Partizipationsmöglichkeiten<br />

ein. Ein wichtiges Element dieser Unterstützungsleistungen ist demnach die Unterstützung<br />

und För<strong>der</strong>ung ihrer Selbstorganisation. Denn damit kann im Sinne von Empowerment<br />

ein Prozess hin zu einer verstärkten Autonomie, Selbstbestimmung und Interessenvertretung<br />

von Personen mit Migrationshintergrund unterstützt werden. Und in diesem Sinne haben wir<br />

unseren Workshop auch benannt: Migrantenorganisationen als Schlüssel zur selbstbestimmten<br />

Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund!<br />

Gleichwohl muss kritisch darauf hingewiesen werden, dass die zielgerichtete Unterstützung<br />

und För<strong>der</strong>ung von Migrantenorganisationen innerhalb des Verbandes nicht immer unumstritten<br />

ist. Mancherorts lässt sich auch eine gewisse Unsicherheit über die konkrete Ausgestaltung<br />

<strong>der</strong> Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen feststellen. Dies liegt sicherlich<br />

auch daran, dass sich mit dem Begriff „Migrantenorganisationen“ eine Vielzahl an sehr unterschiedlichen<br />

Organisationen, Gruppierungen und Vereinigungen zusammenfassen lässt.<br />

Diese Unterschiede beziehen sich sowohl auf die jeweiligen Zielsetzungen, Aktivitäten, Organisationsstrukturen<br />

als auch auf die religiöse bzw. politische Ausrichtung o<strong>der</strong> den Grad<br />

<strong>der</strong> Professionalisierung. Dies hat zur Folge, dass bei <strong>der</strong> Unterstützung und För<strong>der</strong>ung von<br />

Migrantenorganisationen durchaus eine Differenzierung vorgenommen werden kann. Die<br />

Frage, mit welchen Selbstorganisationen und in welcher Form eine Zusammenarbeit angestrebt<br />

und durchgeführt wird, ist dann wie<strong>der</strong>um sehr eng mit den eigenen Vorstellungen und<br />

Zielsetzungen <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong> Gesellschaft und des Sozialraums verbunden.<br />

Ich möchte dazu noch einen weiteren kritischen Punkt anmerken: durch die starke Fokussierung<br />

auf die Migrantenorganisationen im Integrationsdiskurs und in För<strong>der</strong>programmen<br />

könnte die Gefahr bestehen, dass eine Erwartungshaltung hinsichtlich <strong>der</strong> Leistungsfähigkeit<br />

von Migrantenorganisationen aufgebaut wird, <strong>der</strong> viele Migrantenorganisationen nicht entsprechen<br />

können o<strong>der</strong> wollen. Sehr viele Gruppierungen und Vereinigungen haben nur begrenzte<br />

infrastrukturelle, finanzielle und personelle Ressourcen, die allermeisten sind nicht<br />

an übergeordnete Bundes- bzw. Dachverbände angeschlossen. Aber gerade vor Ort haben<br />

sie vielfach einen verbesserten Zugang und Blick auf die eigene Community bzw. einzelne<br />

Gruppen von Menschen mit Migrationshintergrund. Und gerade dort gilt es zu beachten,<br />

dass Unterstützungsleistungen – z. B. die Bereitstellung von Räumlichkeiten, Qualifizierungsprogramme<br />

zur Professionalisierung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Aufbau von hauptamtlichen Strukturen –<br />

in ein übergeordnetes Konzept zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Selbstorganisationen eingebettet sind.<br />

Ansonsten bleiben einzelne För<strong>der</strong>ungsmaßnahmen ein Strohfeuer, eine partnerschaftliche<br />

und auf gleicher Augenhöhe angesetzte Zusammenarbeit wird erschwert, die Nachhaltigkeit<br />

ist nicht gesichert.<br />

Genau an diesem Punkt setzt <strong>der</strong> heute und morgen stattfindende Expertenworkshop an.<br />

Das übergeordnete Ziel <strong>der</strong> Veranstaltung ist es, einen innerverbandlichen Diskussionsprozess<br />

zur Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen anzustoßen bzw. weiterzuführen.<br />

1 Stellungnahme des Zentralrats des Deutschen <strong>Caritas</strong>verbandes vom 11.10.1989: Zusammenarbeit <strong>der</strong> <strong>Caritas</strong><br />

mit Auslän<strong>der</strong>vereinigungen – Eine Orientierungshilfe für den Auslän<strong>der</strong>sozialdienst. In: <strong>Caritas</strong>, H. 3, Jg. 91,<br />

März 1990 (Son<strong>der</strong>druck). S. 136-142, hier S. 136f.<br />

7


Alborino: Eröffnung des Expertenworkshops<br />

_________________________________________________________________________________<br />

Dazu sollen die grundlegenden Fragestellungen zur Zusammenarbeit mit den Selbstorganisationen<br />

von Menschen mit Migrationshintergrund diskutiert, bisherige Erfahrungen ausgetauscht<br />

und neue Perspektiven entwickelt werden.<br />

Der Expertenworkshop ist Teil des Projektes „Migrantenorganisationen ein Schlüssel zur<br />

selbstbestimmten Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund – Beitrag <strong>der</strong> <strong>Caritas</strong>“.<br />

Es soll erkunden und ausloten, welche Formen <strong>der</strong> Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen<br />

in den Orts-<strong>Caritas</strong>verbänden bereits bestehen und in welchen Bereichen eine verstärkte<br />

Zusammenarbeit notwendig und sinnvoll ist. Zentral ist dabei die Frage, wie bestehende<br />

Kooperationen ausgebaut und neue Kooperationen initiiert werden können. Das Ergebnis<br />

des Projekts soll eine Handreichung zum Themenfeld Migrantenorganisationen sein.<br />

Das Projekt wird in <strong>der</strong> Zentrale des Deutschen <strong>Caritas</strong>verbandes durchgeführt und hat eine<br />

Laufzeit von eineinhalb Jahren. Beginn war <strong>der</strong> 1. Oktober 2009.<br />

Ein erstes Ergebnis des Projektes ist eine Orientierungshilfe für den Fachdienst Migration<br />

und Integration zur Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen. Sie kann als erste Standortbestimmung<br />

zur Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen angesehen werden und<br />

enthält Anregungen und Hilfestellungen für die praktische Arbeit mit den Selbstorganisationen<br />

<strong>der</strong> Menschen mit Migrationshintergrund. Die Orientierungshilfe finden Sie übrigens<br />

auch in Ihren Tagungsmappen.<br />

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für die Zielsetzung <strong>der</strong> Veranstaltung war es uns<br />

wichtig, ausgewiesene und erfahrene Fachleute für den Themenbereich Migrantenorganisationen<br />

zu gewinnen. Und ich denke, dass unsere Veranstaltung zu Recht die Bezeichnung<br />

Experten-Workshop hat.<br />

Zum einen konnten wir Experten aus den Bereichen Wissenschaft, Politik und Selbstorganisationen<br />

für uns gewinnen. Ganz beson<strong>der</strong>s möchte ich in diesem Zusammenhang Frau<br />

Prof. Dr. Sabine Jungk von <strong>der</strong> Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin sowie Frau<br />

Dr. Claudia Martini vom Arbeitsstab <strong>der</strong> Beauftragten <strong>der</strong> Bundesregierung für Migration,<br />

Flüchtlinge und Integration begrüßen. Des Weiteren freut es mich außerordentlich, dass Herr<br />

Kenan Küçük, Sprecher des Forums für Migrantinnen und Migranten im Paritätischen Wohlfahrtsverband<br />

und Geschäftsführer des Multikulturellen Forums sowie Herr Vicente Riesgo,<br />

Fachberater des Bundes <strong>der</strong> Spanischen Elternvereine und Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Spanischen<br />

Weiterbildungsakademie heute den Weg zu uns gefunden haben.<br />

Zum an<strong>der</strong>en sind aber auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen aus den Diözesan- und<br />

Ortscaritasverbänden, aus den Fachverbänden und <strong>der</strong> Kirche, Experten für die Belange von<br />

Menschen mit Migrationshintergrund bzw. <strong>der</strong>en Organisationen. Denn Sie haben in Ihrer<br />

praktischen Arbeit den direkten und vielfältigen Kontakt mit den Vereinigungen und Organisationen.<br />

Sie wissen, welche Bedeutung diese vor Ort für den Sozialraum haben und wie<br />

sich eine Zusammenarbeit mit ihnen gestalten lässt.<br />

Ich freue mich auf sehr spannende Vorträge und Diskussionen. Vielen Dank!<br />

8


Jungk: Migrantenselbstorganisation: Formen, Aktivitäten, Potenziale und Wege des Empowerments<br />

________________________________________________________________________________<br />

2.2 Migrantenselbstorganisation: Formen, Aktivitäten, Potenziale und Wege des<br />

Empowerments<br />

Prof. Dr. Sabine Jungk, Arbeitsbereich Interkulturelle Bildung und Erziehung an <strong>der</strong> Katholischen<br />

Hochschule für Sozialwesen Berlin<br />

Einleitung<br />

Dass die <strong>Caritas</strong> einen Expertenworkshop zum Thema „Migrantenselbstorganisationen“<br />

gestaltet, zeigt einen Verständigungsbedarf, <strong>der</strong> nicht nur theoretischer Natur ist.<br />

Die Forschung, die wissenschaftliche und öffentliche Debatte über Migrantenselbstorganisationen<br />

war zwar in Deutschland immer ausgesprochen randständig, aber hat immerhin eine<br />

ca. 20-jährige Tradition. Im Vor<strong>der</strong>grund stand dabei überwiegend eine integrationspolitische<br />

Fragestellung, nämlich ob Migrantenselbstorganisationen eher eine Segregation <strong>der</strong> Zugewan<strong>der</strong>ten,<br />

die Verfestigung von integrations- und aufstiegsbehin<strong>der</strong>nden Strukturen beför<strong>der</strong>n<br />

o<strong>der</strong> ob sie eine wertvolle Brücke zur Aufnahmegesellschaft bilden. Das ist auch heute<br />

noch das vorherrschende Erkenntnisinteresse.<br />

Aber es hat sich doch einiges bewegt. Erstens kann man seit ca. zehn Jahren eine verstärkte<br />

Beschäftigung, geradezu einen Trend in <strong>der</strong> Thematisierung von Migrantenselbstorganisationen<br />

feststellen (z. B. Koopmans/Statham 1998; MASSKS 1999; Schwenken 2000; Thränhardt<br />

2000; Enquete-Kommission 2002; Jungk 2001, 2003, 2005; MGSFF 2004; Huth 2004;<br />

Hunger 2004; Klein et al. 2004; Weiss/Thränhardt 2005; Halm/Sauer 2005; Latorre Pallares/Zitzelsberger<br />

2006; Stadt Pa<strong>der</strong>born 2007). Zweitens hat sich <strong>der</strong> Fokus, unter dem<br />

Migrantenselbstorganisationen beforscht werden, doch etwas erweitert – etwa um demokratietheoretische<br />

und zivilgesellschaftliche Perspektiven. Darauf werde ich noch zu sprechen<br />

kommen. Drittens verfügen wir inzwischen über – zwar immer noch zu wenige – empirische<br />

Forschungen über Migrantenselbstorganisationen, die sie als soziale Organisationen real in<br />

den Blick nehmen und den Dialog mit den Organisationen aufnehmen. Das ist etwas an<strong>der</strong>es<br />

als ein Forschungsinteresse, in dem ethnische Vereinigungen lediglich als Artefakte aufscheinen<br />

und als „Indikator des Assimilationsgrades einer ethnischen Gruppe“ abstrakt gesetzt<br />

werden. Viertens haben sich integrationspolitische Zielformulierungen verän<strong>der</strong>t; die<br />

Politik setzt stärker auf Dialog und Partizipation von Migrantinnen und Migranten bei den<br />

Integrationsanstrengungen. Dadurch sind Migrantinnen und Migranten, und dabei häufig<br />

VertreterInnen ihrer Organisationen, „aufgestiegen“ zu GesprächspartnerInnen und BeraterInnen,<br />

z. B. beim ersten Integrationsgipfel 2006, beim Nationalen Integrationsplan und -<br />

programm, bei <strong>der</strong> Islamkonferenz, auch z. B. bei <strong>der</strong> Entwicklung von Integrationsplänen in<br />

Kommunen.<br />

Entsprechend wird bei diversen För<strong>der</strong>programmen – wie <strong>der</strong> „Sozialen Stadt“ o<strong>der</strong> bei Projekten<br />

gegen Rechtsextremismus und für „Vielfalt“ – o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung des Bundesamts<br />

für Migration und Flüchtlinge für die gemeinwesenorientierten Integrationsprojekte – die Unterstützung<br />

von Selbstorganisationen propagiert, eine Kooperation mit den Interessenvertretungen<br />

von ethnischen Min<strong>der</strong>heiten verlangt und honoriert.<br />

Um also den Bogen zurück zu meinem einleitenden Satz zu schlagen: Ihre Verständigung<br />

hier und heute ist nicht theoretischer Natur, son<strong>der</strong>n steht im Zusammenhang mit einem<br />

praktischen Interesse <strong>der</strong> Ausgestaltung neuer Arbeitsansätze im Bereich Migration und Integration.<br />

Noch vor zehn Jahren bedeutete es eher einen mutigen Schritt, sich für die För<strong>der</strong>ung von<br />

Migrantenselbstorganisationen einzusetzen. Das Beispiel Nordrhein-Westfalen zeigt, dass<br />

ein solcher Schritt einer sorgfältigen Absicherung bedurfte. So wurde die dort 1997 erstmals<br />

9


Jungk: Migrantenselbstorganisation: Formen, Aktivitäten, Potenziale und Wege des Empowerments<br />

________________________________________________________________________________<br />

eingerichtete Landes-För<strong>der</strong>ung für Migrantenselbstorganisationen zu Beginn auf zwei Jahre<br />

begrenzt und durch eine wissenschaftliche Studie ihres Selbsthilfe- und Integrationspotenzials<br />

(MASSKS 1999) sowie eine Evaluation (ebd.) <strong>der</strong> geför<strong>der</strong>ten Projekte begleitet, um Informationen<br />

und Erfahrungen zu sammeln. Erst die positiven Ergebnisse dieser Studien führten<br />

schließlich dazu, dass das För<strong>der</strong>programm in eine För<strong>der</strong>richtlinie umgewandelt wurde.<br />

Und obgleich, wie gerade kurz skizziert, sich die Öffnung zu Migrantenorganisationen vielerorts<br />

abzeichnet, beginnt erst jetzt richtig, wenn auch immer noch zögerlich, <strong>der</strong> Weg, Erfahrungen<br />

in <strong>der</strong> „Kooperation auf Augenhöhe“ zu sammeln.<br />

Allerdings hatten die Organisationen auf kommunaler o<strong>der</strong> sozialräumlicher Ebene hier immer<br />

schon einen Vorsprung und ich nehme stark an, dass in diesem Kreis schon viele Erfahrungen<br />

mit Migrantenselbstorganisationen vorhanden sind.<br />

Zur – hoffentlich hilfreichen – Unterstützung Ihrer Positionsfindung und als Anregungen für<br />

Ihre Arbeit werde ich zunächst (1) einen Überblick über Migrantenselbstorganisationen und<br />

ihre Aktivitäten geben, (2) die Rolle und Funktion von Migrantenselbstorganisationen thematisieren,<br />

die sie im Integrationsprozess, in <strong>der</strong> Zivilgesellschaft und demokratietheoretisch<br />

einnehmen, (3) Bedingungen und Voraussetzungen für Empowerment von Migrantenselbstorganisationen<br />

benennen und (4) Herausfor<strong>der</strong>ungen für die Kooperation/Zusammenarbeit<br />

<strong>der</strong> <strong>Caritas</strong> als Wohlfahrtsverband mit Migrantenselbstorganisationen, beson<strong>der</strong>s<br />

im Sozialraum, geben.<br />

1. Migrantenselbstorganisationen: Formen, Aktivitäten, Dynamik<br />

Zur Bedeutung – quantitativ: In älteren Studien <strong>der</strong> 1980er und 1990er Jahre schwankten die<br />

Angaben über die Mitgliedschaft von Migrantinnen und Migranten in einer Eigenorganisation<br />

zwischen einem Fünftel bis einem Drittel <strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung. Die neue Studie<br />

von Sinus Sociovision – von <strong>der</strong> Sie heute noch hören werden – ermittelte 2008, dass 22<br />

Prozent <strong>der</strong> Menschen mit Migrationshintergrund „aktives o<strong>der</strong> passives Mitglied von Migrantenselbstorganisation“<br />

sind, 16 % sind aktiv. 1<br />

Quelle: http://www.caritas.de/57946.html<br />

1 Thränhardt/Dieregsweiler errechneten, dass 17 % aller in Nordrhein-Westfalen lebenden Migrantinnen und<br />

Migranten Mitglied einer Selbstorganisation sind. Sie verweisen darauf, dass <strong>der</strong> tatsächliche Anteil „deutlich<br />

darüber“ liege, da sich die Angabe auf die gesamte Wohnbevölkerung, also auch Kin<strong>der</strong> bezieht (MASSKS<br />

1999, S. 32). Des Weiteren verweisen sie auf eine Untersuchung von Krummacher/Waltz (1996), die in den<br />

1980er Jahren einen Organisationsgrad von 20 bis 30 % ermittelten. Während <strong>der</strong> Freiwilligensurvey keine aktualisierte<br />

Berechnung erlaubt, hat Sinus Sociovision 2008 die genannten alten Daten mit 22 % aktiver o<strong>der</strong><br />

passiver Mitgliedschaft bestätigt.<br />

10


Jungk: Migrantenselbstorganisation: Formen, Aktivitäten, Potenziale und Wege des Empowerments<br />

________________________________________________________________________________<br />

In ihrer Bekanntheit liegen Migrantenselbstorganisationen zwar hinter denen <strong>der</strong> verschiedenen<br />

sozialen Dienste in unterschiedlicher Trägerschaft. Aber bezüglich <strong>der</strong> Nutzungsdaten<br />

liegen Migrantenselbstorganisationen meist über denen sozialer Dienste. Dies weist schon<br />

auf einen qualitativen Unterschied hin: Migrantenselbstorganisationen sind nicht nur für soziale<br />

Notlagen wichtig, sie sind mehr als Organisationen <strong>der</strong> Sozialen Arbeit.<br />

Damit wären wir bei <strong>der</strong> Beschreibung <strong>der</strong> äußerst heterogenen Landschaft <strong>der</strong> Migrantenselbstorganisationen.<br />

Das Bundeszentralregister (wiewohl nicht vollständig, Hunger 2005, S.<br />

223) vermeldet 2004 ca. 16.000 Vereine von Zugewan<strong>der</strong>ten in den alten Bundeslän<strong>der</strong>n<br />

und nur zwölf in den neuen Bundeslän<strong>der</strong>n (Kindelberger 2005, S. 164). Sezgin/Tuncer-<br />

Zengingül (2009) haben 3.480 Migrantenselbstorganisationen in 75 kreisfreien Städten erfasst<br />

– ich kann zurzeit diese Differenz nicht aufklären, da eine weiterführende Veröffentlichung<br />

(Pries/Sezgin 2010) erst für 2010 annonciert ist. Die Dichte <strong>der</strong> Migrantenorganisationen<br />

ist in NRW und Hessen am größten, die höchste Pro-Kopf-Dichte aber gibt es in<br />

Schleswig-Holstein (Sezgin/Tuncer-Zengingül 2009).<br />

Zunächst einige impressionistische Eindrücke von <strong>der</strong> Vielgestaltigkeit <strong>der</strong> Migrantenselbstorganisationen:<br />

Das Spektrum reicht von kleinen Initiativgruppen, z. B. von alleinerziehenden<br />

Frauen, die sich im „Wohnzimmer“ treffen über ethnische Vereine, die über eigene<br />

Räume verfügen, häufig ethnisch homogen sind, vielleicht über kleinere Projektgel<strong>der</strong> verfügen<br />

und auch sozialarbeiterische Angebote o<strong>der</strong> Deutschkurse u. ä. durchführen. Es gibt<br />

Zentren, häufig multikulturelle Organisationen (wie z. B. das Multikulturelle Forum Lünen,<br />

das Herr Küçük leitet), die oft aus binationalen Vereinen hervorgegangen und mittlerweile<br />

professionelle Träger von Sozialer Arbeit sind und es gibt einige wenige Dachvereine, die<br />

ihrerseits öffentliche Gel<strong>der</strong> an im Land verteilte Ortsvereine weitergeben.<br />

Seit Mitte <strong>der</strong> 1980er Jahre – so wies bereits eine Studie 1999 aus und ich kann es aus neueren<br />

Projektzusammenhängen bestätigen – ist eine zunehmende Orientierung <strong>der</strong> Vereine<br />

auf die Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> bundesdeutschen Gesellschaft zu beobachten. Und zwar<br />

unabhängig davon, ob es sich um Zusammenschlüsse <strong>der</strong> ersten, zweiten o<strong>der</strong> dritten Einwan<strong>der</strong>ergeneration<br />

handelt (MASSKS 1999, S. 59 und S. 115). Nur noch wenige Organisationen<br />

arbeiten ausschließlich herkunftslandbezogen, Mischformen zwischen beiden Orientierungen<br />

sind aber bei über <strong>der</strong> Hälfte üblich (ebd.). 2 Hunger (2005, S. 226) hat für das Jahr<br />

2001 ermittelt, dass nur noch 61,9 % aller Vereinsneugründungen, an denen Auslän<strong>der</strong> beteiligt<br />

waren, herkunftshomogene Zusammenschlüsse sind, während es noch Ende <strong>der</strong><br />

1980er Jahre fast 90 % waren.<br />

Für eine etwas strukturiertere Charakterisierung beziehe ich mich im Folgenden auf Uwe<br />

Hunger (2005, S. 224). Er hat anhand des Bundesauslän<strong>der</strong>vereinsregisters (Zentralregister)<br />

eine statistisch repräsentative Zahl von fast 5.700 Vereinen detailliert untersucht.<br />

Interessant ist zunächst <strong>der</strong> Blick auf die Gründungswellen ausländischer Vereine in<br />

Deutschland: Zwei Drittel wurden seit 1990 gegründet, aber <strong>der</strong> Anteil von Auslän<strong>der</strong>n an <strong>der</strong><br />

Wohnbevölkerung stieg zwischen 1989 und 1995 bis 2003 lediglich von 7,7 % auf rund 9 %,<br />

um 2007 auf 8,2 % zu sinken (BAMF 2008, S. 3f.) 3 . Mit an<strong>der</strong>en Worten: Der Trend zur<br />

Gründung von Selbstorganisationen wächst stärker, als sich allein über die wachsende Zahl<br />

<strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung erklären ließe.<br />

2 Weiter ist zu beobachten, dass Vereine neben <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung mit politischen Vorgängen im Herkunftsland<br />

zum Träger humanitärer Hilfe dort werden, wie das große Engagement von türkischen Organisationen<br />

nach dem Erdbeben in <strong>der</strong> Türkei 1999 zeigt.<br />

3 Hier sind die Statistiken kongruent, sie weisen lediglich Personen ohne deutschen Pass aus – weshalb ich hier<br />

sowie folgend an Stellen mit gleichem Dilemma – von „Auslän<strong>der</strong>innen und Auslän<strong>der</strong>n“ spreche. Aussiedler<br />

und Eingebürgerte werden nicht erfasst und sind entsprechend in den genannten Zahlen nicht enthalten.<br />

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Jungk: Migrantenselbstorganisation: Formen, Aktivitäten, Potenziale und Wege des Empowerments<br />

________________________________________________________________________________<br />

Gründungen ausländischer Vereine in Deutschland *<br />

Zeit Häufigkeit Prozent<br />

bis 1959 9 0,2<br />

1960er Jahre 54 1,0<br />

1970er Jahre 163 2,9<br />

1980er Jahre 1.903 33,5<br />

ab 1990 3.548 62,5<br />

Gesamt 5.677 100<br />

* repräsentative Auswahl aus ca. 16.000 erfassten Vereinen des Bundesauslän<strong>der</strong>vereinsregisters,<br />

Hunger 2005, S. 224.<br />

Die Aktivitätenstruktur von Migrantenselbstorganisationen entspricht grosso modo <strong>der</strong> Struktur<br />

deutscher Vereine (BMFSFJ 2005). „Den dominierenden Typus ausländischer Vereine<br />

bilden (...) Kultur- und Begegnungsvereine, gefolgt von religiösen Vereinen. Weiter spielen<br />

Sportvereine, soziale Vereine (wie Gesundheitsvereine o<strong>der</strong> ähnliche) und Freizeitvereine<br />

eine bedeutende Rolle. Politische Vereine sowie Flüchtlings- beziehungsweise humanitäre<br />

Vereine machen je circa fünf Prozent aus. Unter den Vereinen, die für spezielle Gruppen<br />

(Eltern, Senioren, Frauen, bestimmte Berufe etc.) gegründet wurden, haben Elternvereine<br />

mit insgesamt 4,6 % den größten Stellenwert. Auffallend ist, dass spezielle ausländische<br />

Jugendvereine kaum eine Rolle spielen“ (Hunger 2005, S. 232). Diese Schwerpunkte „Kultur-<br />

und Begegnungsvereine“ sieht Hunger (2008, S. 12) auch bei den Neugründungen bestätigt;<br />

Sezgin/Tuncer-Zengingül (2009) sehen ebenfalls die Funktionen „Identität“ und „Integration“<br />

im Vor<strong>der</strong>grund.<br />

Laut Sinus Sociovision nennen 22 % <strong>der</strong> befragten Migrantinnen und Migranten als Erwartung<br />

an Migrantenorganisationen, „mit Landsleuten zusammenkommen“, 18 % „<strong>der</strong> Familie<br />

den Kontakt zur Kultur des Herkunftslandes ermöglichen“, 16 % „Anschluss an die Kultur<br />

meines Herkunftslandes halten“: Anliegen, die in Zeiten <strong>der</strong> Globalisierung, in denen viele<br />

die Frage beschäftigt, wie Vielfalt bei wachsendem Angleichungsdruck erhalten werden<br />

kann, m. E. auf größeres Verständnis stoßen als noch vor 30 Jahren, als „Anschluss an die<br />

Herkunftskultur“ doch eher antiquiert o<strong>der</strong> gar als Anzeichen von Abschottung galten. Es<br />

irritiert, dass die von Sinus Sociovision ermittelten Erwartungen überwiegend als „private“ zu<br />

kennzeichnen sind, dass Motive wie politische Einflussnahme und Interessenvertretung, Unterstützung<br />

bei <strong>der</strong> Erziehung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> etc. völlig fehlen. Fehlt damit doch auch ein ganz<br />

großer Bereich <strong>der</strong> soziokulturellen Arbeit <strong>der</strong> Vereine, die z. B. auf die schulische För<strong>der</strong>ung<br />

von Kin<strong>der</strong>n gerichtet ist.<br />

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Jungk: Migrantenselbstorganisation: Formen, Aktivitäten, Potenziale und Wege des Empowerments<br />

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Verfolgt man die Aktivitäten von IDA e.V. (Projekt: Kooperation und Netzwerkarbeit för<strong>der</strong>n:<br />

Ein Verzeichnis von Vereinen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund - "VJM VZ", s. u.),<br />

so kann man eine neue Entwicklung von Jugendvereinen annehmen (entgegen <strong>der</strong> Diagnose<br />

von Hunger 2005, S. 232). Auch eine Tagung in Loccum (15.-17.5.2009: Coole Muslime?<br />

Muslimische Jugend in Deutschland) sieht hier einen Trend und hat 2009 eine veritable Anzahl<br />

von in Migrantenselbstorganisationen engagierten Jugendlichen eingeladen 4 .<br />

Haupttätigkeitsbereich von Migrantenvereinen, repräsentative Auswahl von ca.<br />

1/3 <strong>der</strong> im Bundesauslän<strong>der</strong>vereinsregisters erfassten Vereine<br />

Haupttätigkeitsbereich Häufigkeit Prozent<br />

Brauchtumspflege 958 18,9<br />

Informationsveranstaltungen 621 12,2<br />

Gottesdienst/Religionsunterricht 599 11,8<br />

Sportveranstaltungen 565 11,1<br />

Freizeitgestaltung 406 8,0<br />

Interkulturelle Begegnung 296 5,8<br />

Hilfe für das Heimatland 272 5,4<br />

Interessenvertretung nach außen 215 4,2<br />

Beratungsdienste 205 4,0<br />

Öffentlichkeitsarbeit 185 3,6<br />

Soziale Hilfe 162 3,2<br />

Schülerhilfe 161 3,2<br />

Sprachkurse Muttersprache 144 2,8<br />

Infrastrukturelle Unterstützung 132 2,6<br />

Kontaktpflege und Vernetzung 105 2,1<br />

Sprachkurs Deutsch 34 0,7<br />

Keine Angabe möglich 14 0,3<br />

Gesamt 5.074 100<br />

Quelle: Hunger 2005, S. 233 (Tätigkeiten entsprechen Sozialer Arbeit, politische Partizipation,<br />

Hervorhebungen durch Autorin)<br />

4 Laut Tagungsprogramm: MJD; Life Makers, Bonn; Bündnis <strong>der</strong> Islamischen Gemeinden im Norden, Hamburg;<br />

Jugend und Mädchen, DITIB Köln; Milli Görüş; Inssan, Berlin; Islamischer Jugendbund, Hamburg; ufuq.de, Berlin;<br />

Freihafen, Hamburg.<br />

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Jungk: Migrantenselbstorganisation: Formen, Aktivitäten, Potenziale und Wege des Empowerments<br />

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Hunger hat diese Aktionsschwerpunkte <strong>der</strong> Vereine aus <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> Satzungen ermittelt<br />

und sich dabei um die Identifikation eines Hauptschwerpunkts bemüht. Die Realität von<br />

Migrantenselbstorganisationen stellt sich gegenüber dieser Dokumentenanalyse vielschichtiger<br />

dar. Arbeit und Angebotsstruktur entwickeln sich entlang bestimmter Bedürfnisse und <strong>der</strong><br />

Möglichkeiten, sie durch in <strong>der</strong> Organisation vorhandene Fähigkeiten zu befriedigen. Aspekte<br />

<strong>der</strong> Kulturarbeit, <strong>der</strong> Begegnung und Bildung, <strong>der</strong> Beratung (Sozial- o<strong>der</strong> Rentenberatung)<br />

und Betreuung (von Schulkin<strong>der</strong>n, Müttern o<strong>der</strong> Senioren), gesundheitsbezogene Angebote<br />

und politische Aktivitäten stehen häufig nebeneinan<strong>der</strong> o<strong>der</strong> wechseln sich im Verlauf <strong>der</strong><br />

Zeit ab.<br />

Migrantenselbstorganisationen entwickeln Aktivitäten entlang <strong>der</strong> Bedürfnisse, Interessen<br />

und Fähigkeiten ihrer Mitglie<strong>der</strong> (zumeist) multifunktional und dynamisch im Verlauf des Prozesses<br />

<strong>der</strong> Einwan<strong>der</strong>ung und <strong>der</strong> gesellschaftlichen Entwicklung.<br />

2. Rolle und Funktion von Migrantenselbstorganisation<br />

Der schon klassische Begriff für die zentrale integrationspolitische Leistung von Migrantenselbstorganisationen<br />

lautet: „Integration durch Binnenintegration“ (Elwert 1982). Migrantenorganisationen<br />

tragen, und hier zitiere ich den Bericht <strong>der</strong> Enquete-Kommission <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

zur Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements, „zur Bildung von sozialem<br />

Kapital bei, da soziale Kompetenzen trainiert, gesellschaftliche Bezüge für Min<strong>der</strong>heiteninteressen<br />

hergestellt und Aktivitäten mobilisiert werden, die für den individuellen Integrationsprozess<br />

för<strong>der</strong>lich sind“ (2002, S. 221). Mit an<strong>der</strong>en Worten: Durch Zusammenhalt und Unterstützung<br />

in <strong>der</strong> eigenen ethnischen Gruppe erhalten Zugewan<strong>der</strong>te erst jene Sicherheit<br />

und Orientierung, die es ihnen ermöglicht, sich gegenüber <strong>der</strong> Aufnahmegesellschaft zu öffnen.<br />

Das möchte ich mit Blick auf die Entwicklungsdynamik auf Seiten <strong>der</strong> Migrantinnen und<br />

Migranten beschreiben: Kettenmigration und ethnische Strukturen als typische Kennzeichen<br />

von Einwan<strong>der</strong>ungsgesellschaften führen zu Formen <strong>der</strong> Selbsthilfe, die in <strong>der</strong> Lebenswelt<br />

verankert sind. 5 In zunächst eher informellen Kreisen findet sich Rat in vielen unbekannten<br />

Lebenssituationen. Diese gegenseitige Hilfe ist durch psychologische und physische Nähe,<br />

durch Vertrautheit gekennzeichnet. Hier werden Sicherheit und Vertrauen erwartet und vermittelt.<br />

Die existenzielle Bedeutung von eigenethnischen Gruppen in allen Migrationsprozessen<br />

erklärt sich auch über ein Muster, das Leon und Rebeca Grinberg beschrieben haben,<br />

zwei Psychoanalytiker, die selber die Erfahrung des Exils gemacht haben. „Die Verwundbarkeit<br />

des Neuankömmlings ist wie die des Neugeborenen sehr groß“, so dass ein starkes<br />

„Bedürfnis nach einer vertrauten Figur, die die Ängste und Befürchtungen des Immigranten<br />

angesichts des Neuen und Unbekannten aufwiegt beziehungsweise neutralisiert“ (1990,<br />

S. 86f, zit. nach Matterei 2005, S. 186) entsteht. Es geht also um das Gefühl des Angenommenseins<br />

und Wohlbefindens, darum, keine Ausgrenzung und Gefühle <strong>der</strong> sozialen Scham<br />

zu erfahren, die lebensweltliche Selbsthilfe zu garantieren scheint. Zugleich aber, auch das<br />

soll nicht ausgeblendet werden, kompensieren Personen und zugängliche Strukturen <strong>der</strong><br />

eigenen Community die Unkenntnis über Strukturen <strong>der</strong> Aufnahmegesellschaft.<br />

Am Beispiel von Frauen in <strong>der</strong> Migration illustriert: Bei den lokalen Frauenorganisationen, die<br />

Latorre Pallares et al. (2006, S. 34 ff) untersuchten, liegen die Motive „Überwindung <strong>der</strong><br />

häuslichen Isolation“, Ausgrenzungserfahrungen im privaten wie institutionellen Umfeld und<br />

die positive Erfahrung, Frei-Räume und Frei-Zeit von familiären Kontexten mit an<strong>der</strong>en Frauen<br />

gestalten zu können, weit vorne. Die Bildungsarbeit reicht von niedrigschwelligen gesundheitlichen<br />

Aufklärungs- über Alphabetisierungs- bis zu berufsbezogenen Deutschkursen<br />

5 Vgl. auch die Unterscheidung zwischen lebensweltlich orientierten Vereinen, vor allem auf lokaler Ebene, und<br />

gesellschaftspolitischen Assoziationen, zumeist Dachverbände, die Rauer (2004, S. 212 f.) vornimmt.<br />

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Jungk: Migrantenselbstorganisation: Formen, Aktivitäten, Potenziale und Wege des Empowerments<br />

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und Elternbildungsangeboten. Selbstorganisationen von Migrantinnen, so die Autorinnen,<br />

bringen „durch Selfempowerment die Frauen dazu (…), Exklusionsmechanismen zu überwinden<br />

und somit mehrheitsgesellschaftliche Dominanzverhältnisse zu durchbrechen“ (ebd.,<br />

S. 44). Die „Vermittlung von Selbstsicherheit und Selbstbewusstsein“ (ebd., S. 46) ist deshalb<br />

ein wichtiges Ziel, das offensichtlich beson<strong>der</strong>s gut gemeinsam mit ähnlich von <strong>der</strong><br />

Migrationssituation betroffenen Frauen erreicht werden kann.<br />

Schwenken 6 weist darauf hin, dass zwischen den aktiven Trägerinnen – vor allem Migrantinnen<br />

mit einem relativ gesicherten Aufenthaltstitel sowie Frauen, die schon vor <strong>der</strong> Migration<br />

in politische Kontexte eingebunden waren – und den Nutzerinnen zu unterscheiden ist 7 . Mittlerweile<br />

kennen wir auch genügend Frauen, die sich z. B. als Elternbegleiterinnen engagieren<br />

und keinerlei Berührungsängste mit Institutionen des Aufnahmelandes haben. Generell<br />

ist also eine sukzessive Partizipation an Strukturen <strong>der</strong> Aufnahmegesellschaft nicht ausgeschlossen,<br />

son<strong>der</strong>n Erfahrungen in Eigenorganisationen können sie beför<strong>der</strong>n – den migrationsunspezifischen<br />

Willen <strong>der</strong> Subjekte, sich überhaupt in „anonymere“ Organisationen zu<br />

begeben, vorausgesetzt.<br />

Zwischenresümee<br />

Als Stärken und Potenziale von Migrantenselbstorganisationen im Sinne <strong>der</strong> Sozialen Arbeit<br />

kann also festgehalten werden: Sie sind ein „Aktivposten“, Menschen sind freiwillig engagiert.<br />

Ihre Vereinigungen, gleich welchen Rechtsstatus sie haben, sind von lebensweltlicher<br />

Nähe, Ganzheitlichkeit und Niedrigschwelligkeit gekennzeichnet. Sie leben vom gegenseitigen<br />

Vertrauen, von <strong>der</strong> dichten Kommunikation in <strong>der</strong> community und sind dadurch zugänglich<br />

und bekannt. Muttersprachliche Kompetenz spielt dort eine weitere Rolle, wo Menschen<br />

die lingua franca Deutsch noch nicht (ausreichend) zur Verfügung steht. Migrantenselbstorganisationen<br />

sind deshalb auch längst in <strong>der</strong> sogenannten Mehrheitsgesellschaft als Brückenbauer<br />

und Vermittler anerkannt; sie verfügen über praktisches Know-how in für Zuwan<strong>der</strong>er<br />

existentiellen Fragen. Sie sind aber mehr als „Clearingstellen“ im Vorfeld <strong>der</strong> professionellen<br />

sozialen Dienste. Sie haben teilweise hohe Fachkompetenz und eine hohe<br />

Spezialisierung, z. B. in <strong>der</strong> psycho-sozialen Beratung und in <strong>der</strong> Flüchtlingsarbeit; Arbeitsfel<strong>der</strong>,<br />

in denen häufig gut ausgebildete Menschen mit Migrationshintergrund auch hauptamtlich<br />

tätig sind.<br />

Damit komme ich zu einer neueren Entwicklungsdynamik, <strong>der</strong>en Beginn ich in den 1980er<br />

Jahren sehe, die m. E. aber zunehmend kennzeichnend für Migrantenselbstorganisationen<br />

wird. Auf Seiten <strong>der</strong> Migrantinnen und Migranten geht <strong>der</strong> Wunsch nach Engagement,<br />

Selbsthilfe und (politischer) Eigenvertretung häufig Hand in Hand. Sie möchten eine eigene<br />

Organisation, eine gewisse Selbständigkeit erlangen. Damit verbindet sich <strong>der</strong> Wille nach<br />

eigener Gestaltung, eigenständiger Interessenpolitik und Lobbyarbeit, aber auch nach Schaffung<br />

eigener Arbeitsplätze, gerade auch bei gut, zumeist akademisch Qualifizierten, die keinen<br />

Zugang zum ersten Arbeitsmarkt erlangt haben. Und zwar durchaus in Verbindung mit<br />

dem Anspruch, eigene Methoden und Konzepte zu entwickeln.<br />

6 Die Erhebung von Schwenken (2000) stützt sich auf Analysen von Zeitschriften v. a. <strong>der</strong> Frauenbewegung, so<br />

dass davon ausgegangen werden kann, dass exponiertere, publizistisch tätige Organisationen („gesellschaftspolitische<br />

Assoziationen“), häufig mit feministischem Hintergrund erfasst wurden.<br />

7 Dies ist kein exklusives Merkmal von Migrantinnenorganisationen: In <strong>der</strong> Mikroanalyse eines türkischen Arbeitervereins<br />

zeigt Daniela Schmidt (2003), dass die Vereinsaktiven ein Selbstverständnis als politische Person<br />

auszeichnet. Diese aus dem Herkunftsland mitgebrachte biografische Prägung führt auch in Deutschland zum<br />

Engagement. Dabei liegt es nahe, sich für die eigene Gruppe einzusetzen, <strong>der</strong>en Probleme und Benachteiligungen<br />

offensichtlich sind.<br />

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Jungk: Migrantenselbstorganisation: Formen, Aktivitäten, Potenziale und Wege des Empowerments<br />

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Politisch ist auch das Anliegen, in selbstbestimmter Weise Bedarfe zu definieren, die von <strong>der</strong><br />

Mehrheitsgesellschaft nicht gesehen und befriedigt werden o<strong>der</strong> gegen Diskriminierung als<br />

eigener Anwalt tätig zu werden. Vereine <strong>der</strong> Migrantinnen und Migranten wirken hier als ethnische<br />

Öffentlichkeit, in <strong>der</strong> Meinungen gebildet werden – nicht zuletzt ist es diese demokratietheoretisch<br />

ausgewiesene Funktion, die die Teilnahme von Vereinen und Verbänden <strong>der</strong><br />

Min<strong>der</strong>heiten beim Integrationsgipfel und ähnlichen Diskussionsforen legitimiert.<br />

3. Bedingungen und Voraussetzungen für ein Empowerment von Migrantenorganisationen<br />

Die bisherige Analyse hat an einigen Punkten schon erkennen lassen, dass auch Barrieren<br />

<strong>der</strong> Aufnahmegesellschaft die Eigenaktivitäten von Migrantinnen und Migranten stimulieren.<br />

Die Entwicklungsdynamik ist historisch durchaus durch mangelnde Angebote <strong>der</strong> Aufnahmegesellschaft<br />

gekennzeichnet: Die bekanntlich zu späte und schwache Reaktion auf die Einwan<strong>der</strong>ungssituation,<br />

das fehlende Problembewusstsein, fehlende Konzepte und mangelhafte<br />

Zugänglichkeit von Lebenswelt, Gesellschaft, Organisationen und sozialen Dienstleistungen.<br />

Fehlende Anerkennung und Partizipationsmöglichkeiten sind auch heute noch zu<br />

beklagen; unter dem Stichwort interkulturelle Öffnung gibt es die Fülle <strong>der</strong> Defizite o<strong>der</strong>, positiv<br />

gesprochen, <strong>der</strong> Herausfor<strong>der</strong>ungen nachzulesen. Dazu gehört auch zwingend <strong>der</strong> Punkt:<br />

Kooperation mit Migrantenorganisation.<br />

Für mich ist eine <strong>der</strong> entscheidenden Bedingungen <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von Migrantenorganisationen<br />

ihr offensiver Einbezug in die relevanten Strukturen <strong>der</strong> Information, Kooperation, des<br />

sozialräumlichen Netzwerkens – hingegen tue ich mich mit dem Begriff des „Empowerments“<br />

von Migrantenorganisationen schwer. Hier klingt erneut etwas Paternalistisches an: jemand,<br />

z. B. eine Ortsgruppe eines Wohlfahrtsverbands, „ermächtigt“ eine Migrantenorganisation.<br />

Empowerment ist aber Selbstermächtigung – und wie dies in den Organisationen geschieht,<br />

habe ich sowohl für die Nutzerinnen als auch unter dem Stichwort „neuere Entwicklungen“<br />

versucht deutlich zu machen.<br />

Wir haben relativ wenig Aussagen aus Migrantenorganisationen über ihre Erwartungen gegenüber<br />

<strong>der</strong> Aufnahmegesellschaft o<strong>der</strong> ihren Institutionen. Hier besteht weiterer Forschungsbedarf<br />

(das BAMF hat gerade eine Expertise zu Tandem-Kooperationsmodellen in<br />

Auftrag gegeben), aber auch in <strong>der</strong> Kooperationspraxis wird man mehr über die Notwendigkeiten<br />

zur Stärkung von Migrantenorganisationen erfahren.<br />

Aber einige Punkte sind bekannt (vgl. Freiwilligensurvey 2005, S. 401 f; Halm/Sauer 2005, S.<br />

169). Neben <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung nach direkter finanzieller För<strong>der</strong>ung werden wie<strong>der</strong>holt drei Aspekte<br />

genannt: <strong>der</strong> Wunsch nach Anerkennung ihrer Arbeit, nach Weiterbildungsmaßnahmen<br />

und fachlicher Unterstützung sowie nach Möglichkeiten <strong>der</strong> beruflichen Verwertung etwa<br />

durch Anerkennung des Engagements als Praktikum. Hier sind also Anfor<strong>der</strong>ungen benannt,<br />

denen Wohlfahrtsverbände versuchen könnten gerecht zu werden.<br />

Gemeinsame Projekte können zur Qualifizierung von Migrantenselbstorganisationen beitragen.<br />

Sie können z. B. die Potenziale im Sinne <strong>der</strong> Organisationsentwicklung stärken (Cakir/Jungk<br />

2004; Jungk 2005, 2006; MASGF 2007; Grünhage-Monetti 2006) o<strong>der</strong> einzelne<br />

Fachkompetenzen wie Bildungs- und Arbeitsmarktberatung (Pro Qualifizierung o. J.) för<strong>der</strong>n.<br />

Entscheidend ist darüber hinaus, dass Vernetzungen <strong>der</strong> Organisationen untereinan<strong>der</strong> und<br />

mit an<strong>der</strong>en migrations- und integrationspolitischen Akteuren ermöglicht werden. Eingebettet<br />

in einen Beziehungs- und Arbeitszusammenhang, erreichen relevante Informationen Migrantenselbstorganisationen<br />

besser, machen den Nutzen plausibel und reduzieren Schwellenängste.<br />

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Jungk: Migrantenselbstorganisation: Formen, Aktivitäten, Potenziale und Wege des Empowerments<br />

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4. Herausfor<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Kooperation zwischen Wohlfahrtsverbänden und<br />

Migrantenselbstorganisationen<br />

Nur kurz möchte ich die normativen Grundlagen skizzieren, die eine Kooperation von Wohlfahrtsverbänden<br />

und Migrantenorganisationen nahe legen:<br />

a) In zivilgesellschaftlicher und demokratietheoretischer Perspektive lassen sich Migrantenselbstorganisationen<br />

als Teil Sozialer Bewegungen, als Aktionsform „von unten“ interpretieren.<br />

Migrantenorganisationen sind Ausdruck <strong>der</strong> Pluralität von Bedürfnissen, Interessen und<br />

Zugehörigkeiten und ein legitimer Ausweis lebendiger, politisch-partizipativer Demokratie.<br />

„Im zivilgesellschaftlichen Kontext kommt gerade den kleinen Vereinigungen und Initiativen,<br />

die Raum für die plurale Identität des Einzelnen und gesellschaftliche Selbstorganisationsprozesse<br />

bieten, ein beson<strong>der</strong>er Stellenwert zu, da hier Solidarität als Steuerungsmechanismus<br />

aufgrund <strong>der</strong> vergleichsweise kleinen Gruppen am stärksten ausgeprägt ist“ (Priller/Zimmer<br />

2004, S.105).<br />

Selbstorganisation und Solidarität: Im Werteverständnis können Wohlfahrtsverbände nicht<br />

an<strong>der</strong>s, als zivilgesellschaftliche Strukturen zu begrüßen.<br />

b) Migrantenorganisationen, das habe ich im ersten Teil dargestellt, wirken im Sinne <strong>der</strong> sozialen<br />

Selbsthilfe.<br />

Empowerment ist in <strong>der</strong> Sozialen Arbeit ein zentrales Ziel: die Gewinnung von Kontrolle und<br />

die Ermöglichung <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong> eigenen Lebensumstände durch die Betroffenen selbst.<br />

Insofern müssen Wohlfahrtsverbände das Selbsthilfe-Engagement begrüßen und ausloten,<br />

in welchem Verhältnis sie dazu mit ihren professionellen o<strong>der</strong> auch ehrenamtlichen Aktivitäten<br />

stehen. Hier hieße die Aufgabe von Wohlfahrtsverbänden in <strong>der</strong> Positionsbestimmung:<br />

Erwächst uns eine Konkurrenz o<strong>der</strong> ein wertvoller Kooperationspartner? Das haben sie in<br />

<strong>der</strong> Vergangenheit getan und werden es prozessbezogen weiter fortsetzen. Es stellt sich<br />

also keine an<strong>der</strong>e Aufgabe in Bezug auf die Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen<br />

als in Bezug auf an<strong>der</strong>e Organisationen <strong>der</strong> Selbsthilfe auch.<br />

Für Wohlfahrtsverbände steht diese Positionsklärung zudem im Kontext mit verbands- und<br />

gesellschaftspolitischen, d.h. wohlfahrtsstaatlichen Fragen: Wo wird durch Stärkung von<br />

Bürgerengagement, Ehrenamt und Selbsthilfestrukturen in Migrantenorganisationen eine<br />

neoliberale Politik, <strong>der</strong> „schlanke Staat“ und die Deregulierung beför<strong>der</strong>t in einem Ausmaß,<br />

das sie nicht tragen wollen?<br />

Inwieweit es Vereinen und Netzwerken von Migrantinnen und Migranten gelingt, ihr soziales<br />

Kapital und ihr spezielles Know-how in Interaktionen mit <strong>der</strong> deutschen Umgebung einzusetzen,<br />

ist nicht nur von ihnen zu beeinflussen. Ob und in welchem Umfang sich die Brücken-<br />

Funktion <strong>der</strong> Eigenorganisationen realisieren kann o<strong>der</strong> wie durch Kooperation und Netzwerke<br />

die spezifischen Potenziale von Eigenorganisationen eingebunden werden können, hängt<br />

ebenso von <strong>der</strong> Bereitschaft <strong>der</strong> deutschen Institutionen ab, dieses Potenzial anzuerkennen<br />

und zu för<strong>der</strong>n.<br />

Für die Gestaltung einer Zuwan<strong>der</strong>ungsgesellschaft, die auf Partizipation und Aktivierung<br />

von Migrantinnen und Migranten setzt, ist die Anerkennung, För<strong>der</strong>ung und Kooperation mit<br />

ihren Eigenorganisationen unverzichtbar. Hier bündeln sich zivilgesellschaftliche und selbsthilfebezogene<br />

Ressourcen mit hohem Potenzial für gesamtgesellschaftliche Öffnungsprozesse.<br />

Hervorzuheben ist auch die Bedeutung <strong>der</strong> Organisationen für die Weiterentwicklung<br />

demokratischer Kultur und Gremien, sei es durch Mobilisierung für Auslän<strong>der</strong>beirats- o<strong>der</strong><br />

Integrationsratswahlen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Formen <strong>der</strong> Interessensartikulation. Wie bereits dargestellt,<br />

sind die Potenziale von Migrantenselbstorganisationen in den letzten Jahren deutlich<br />

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Jungk: Migrantenselbstorganisation: Formen, Aktivitäten, Potenziale und Wege des Empowerments<br />

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gestiegen, ihre Arbeitsbereiche haben sich ständig erweitert und: Sie liegen vor allem im<br />

sozialen Bereich. Damit sind sie eigentlich gute Partner für Wohlfahrtsverbände und Kommunen.<br />

Ihre Potenziale können sich nur im Zusammenspiel mit Institutionen <strong>der</strong> Mehrheitsgesellschaft<br />

voll entfalten. Hier kann die Ausrichtung <strong>der</strong> bundesgeför<strong>der</strong>ten gemeinwesenorientierten<br />

Integrationsprojekte, die gefor<strong>der</strong>te Tandemkonstruktion, eine wichtige Rolle<br />

spielen.<br />

Trotzdem gestalten sich Kooperationen nicht leicht. Unterschiedliche Professionalitätsniveaus,<br />

aber auch ungeklärte Erwartungen o<strong>der</strong> Ziele stellen sich als Hin<strong>der</strong>nis heraus. So<br />

wird oft beklagt, dass Migrantenselbstorganisationen als Partner häufig zu schwach sind, um<br />

effektiv in bestimmten Projekten mitarbeiten zu können. Vor allem ehrenamtlich arbeitende<br />

Organisationen können manchmal die gestiegenen Anfor<strong>der</strong>ungen an die Qualität <strong>der</strong> Arbeit<br />

nicht erfüllen und verfügen nicht über die dafür nötigen Qualifikationen. Ihnen fehlen Zeit und<br />

Geld, aber auch Wissen und Fähigkeiten, sich in komplexe Planungen einzubringen. An<strong>der</strong>e<br />

bringen zwar hohe fachliche Kompetenz mit (gerade auch im psychosozialen Bereich), geraten<br />

aber an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit, wenn finanzielle Mittel für Infrastruktur und<br />

Personal fehlen.<br />

Man kann aber auch beobachten, dass viele Organisationen <strong>der</strong> so genannten Mehrheitsgesellschaft<br />

nicht wissen, wie sie die Beteiligung von Migrantenselbstorganisationen erreichen<br />

können. Hier fehlt es an Erfahrung und Know-how, auch, weil zu den Beschäftigten „deutscher“<br />

Organisationen kaum Migrantinnen und Migranten gehören. Das Informations- und<br />

Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e.V. (IDA e.V.; www.idaev.de) hat 2009 im<br />

Rahmen eines vom Bundesministerium des Innern (BMI) geför<strong>der</strong>ten Projekts VJM VZ (Verzeichnis<br />

von Vereinen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund) – gerade auch wegen<br />

<strong>der</strong> fehlenden Kenntnisse über Migrantenorganisationen im Sozialraum und um Kooperationen<br />

und Vernetzung zu för<strong>der</strong>n – rund 270 Vereine von Jugendlichen mit Migrationshintergrund<br />

recherchiert, die allen Interessierten als Online-Datenbank zur Verfügung stehen.<br />

Offene Ohren bei Kooperationspartnern vor Ort reichen nicht aus. Wenn es ernst gemeint ist<br />

mit <strong>der</strong> Partizipation von Migrantinnen und Migranten und ihren Organisationen, müssen<br />

ihnen Beteiligungen, z. B. an Bildungsveranstaltungen, Projekten und Finanzierungen, ermöglicht<br />

und angeboten werden. Auf diese Weise können sie auch „wachsen“, personell,<br />

bezogen auf die Infrastruktur und Qualifikationen. Die Auffor<strong>der</strong>ung zur gleichberechtigten<br />

Mitwirkung bleibt ein Lippenbekenntnis, wenn nicht <strong>der</strong> strukturelle Nachteil <strong>der</strong> Migrantenselbstorganisationen<br />

gesehen und Abhilfe geschaffen wird.<br />

Wohlfahrtsverbände können an positiven Traditionen anknüpfen und sollten diese in Hinblick<br />

auf die neuen Projektanfor<strong>der</strong>ungen überprüfen. Neu zu entwickeln sind:<br />

� neue Netzwerke, eine neue Systematik des Zugehens, <strong>der</strong> Identifikation von geeigneten<br />

Migrantenselbstorganisationen, z. B. auch in Hinblick auf passende Arbeitsschwerpunkte,<br />

Ziele und Adressaten, denn: Netzwerke bedürfen eines Anlasses, einer<br />

gemeinsamen Basisintention, eines erwartbaren, durch „Tausch“ realisierten<br />

Mehrwerts und eines Beziehungspotenzials (Jungk 1994);<br />

� ein neuer Blick auf Potenziale und (fachliche) Fähigkeiten und ein Abwägen, welche<br />

„Option auf die Zukunft“ eingegangen wird, sodass eine ggf. aktuell geringere Leistungskraft<br />

<strong>der</strong> Migrantenorganisationen aufgewogen wird;<br />

� eine neue Definition <strong>der</strong> Aufgaben- und Ressourcenverteilung, als grundsätzliche<br />

Selbstdefinition und in konkreten Projekten;<br />

� neue Formen <strong>der</strong> Aushandlung und Gestaltung von Arbeitsprozessen.<br />

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Jungk: Migrantenselbstorganisation: Formen, Aktivitäten, Potenziale und Wege des Empowerments<br />

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Perspektiven<br />

Ich halte den offensiven Dialog und die direkte wie indirekte För<strong>der</strong>ung von Migrantenselbstorganisationen<br />

für den besten und im demokratischen Gemeinwesen alternativlosen<br />

Weg, Ausschluss und (Selbst-)Separierung zu vermeiden. Denn: „Gesellschaftlicher Wandel<br />

kann am gründlichsten durchgesetzt werden, wenn er in sozialen Gemeinschaften verankert<br />

wird und Kommunikations-Ketten geschaffen werden, die eine weitgehende und umfassende<br />

Ausstrahlung haben“ (Thränhardt/Weiss 2005, S. 39). Je mehr das deutlich sichtbare Engagement<br />

gewürdigt wird – und durch Anerkennung illegitimes in legitimes soziales und symbolisches<br />

Kapital verwandelt wird (Bourdieu) – und die Vereine selbst in die vielfältigen Handlungsfel<strong>der</strong><br />

vor Ort produktiv einbezogen werden, desto mehr werden sich Brücken zwischen<br />

Min<strong>der</strong>heit und Mehrheit aufbauen.<br />

Literatur<br />

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) (2008): Auslän<strong>der</strong>zahlen 2007. Nürnberg<br />

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (Hg.) (2005): Freiwilliges<br />

Engagement in Deutschland 1999 – 2004. Ergebnisse <strong>der</strong> repräsentativen Tren<strong>der</strong>hebung<br />

zu Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und bürgerschaftlichem Engagement. Vorgelegt von<br />

TNS Infratest Sozialforschung/Gensicke, Thomas/Picot, Sibylle/Geiss, Sabine. München.<br />

Internetpublikation: http://bmfsfj.de/bmfsfj/generator/RedaktionBMFSFJ/Arbeitsgruppen/Pdf-<br />

Anlagen/freiwilligen-survey-langfassung,property=pdf,bereich=,sprache=de,rwb=true.pdf<br />

(Abruf 20.02.2008)<br />

Cakir, Sedat/Jungk, Sabine (2004): SternStunden. Management-Handbuch für Zuwan<strong>der</strong>er-<br />

Vereine. Essen<br />

Enquete-Kommission „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“ des Deutschen Bundestags<br />

(2002): Bericht. Bürgerschaftliches Engagement: auf dem Weg in eine zukunftsfähige<br />

Bürgergesellschaft. Opladen<br />

Grünhage-Monetti, Matilde (Hg.) (2006): Interkulturelle Kompetenz in <strong>der</strong> Zuwan<strong>der</strong>ungsgesellschaft.<br />

Fortbildungskonzepte für kommunale Verwaltungen und Migrantenselbstorganisation.<br />

Bielefeld<br />

Halm, Dirk/Sauer, Martina (2004): Freiwilliges Engagement von Türkinnen und Türken in<br />

Deutschland. Projekt <strong>der</strong> Stiftung Zentrum für Türkeistudien im Auftrag des Bundesministeriums<br />

für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Internetpublikation:<br />

http://www.bmfsfj.de/Publikationen/engagementstudie-zft/ (Abruf 12.06.2008)<br />

Hunger, Uwe (2004): Wie können Migrantenselbstorganisationen den Integrationsprozess<br />

betreuen? Wissenschaftliches Gutachten im Auftrag des Sachverständigenrates für Zuwan<strong>der</strong>ung<br />

und Integration des Bundesministeriums des Innern <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland.<br />

Münster/Osnabrück. Internetpublikation:<br />

http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Migration/Downloads/Expertisen/exp-hungerzuwan<strong>der</strong>ungsrat,templated=raw,property=publicationFile.pdf/exp-hungerzuwan<strong>der</strong>ungsrat.pdf<br />

(Abruf 14.06.2006)<br />

Hunger, Uwe (2005): Auslän<strong>der</strong>vereine in Deutschland. Eine Gesamterfassung auf <strong>der</strong> Basis<br />

des Bundesauslän<strong>der</strong>vereinsregisters. In: Weiss, Karin/Thränhardt, Dietrich (Hg.): SelbstHilfe.<br />

Wie Migranten Netzwerke knüpfen und soziales Kapital schaffen, Freiburg i. Br., S. 211-<br />

244.<br />

19


Jungk: Migrantenselbstorganisation: Formen, Aktivitäten, Potenziale und Wege des Empowerments<br />

________________________________________________________________________________<br />

Huth, Susanne (2004): Partizipation durch bürgerschaftliches Engagement in Migrantenselbstorganisationen,<br />

INBAS-Sozialforschung GmbH. Internetpublikation:<br />

http://www.inbas-sozialforschung.de/download/2004-02_huth_partizipation_engagement.pdf<br />

(Abruf 30.06.2006)<br />

Jungk, Sabine (1994): Kooperation und Vernetzung. Strukturwandel als Kompetenzanfor<strong>der</strong>ung.<br />

In: Hagedorn, Friedrich/Jungk, Sabine/Lohmann, Mechthild/Meyer, Heinz H. (Hg.): An<strong>der</strong>s<br />

arbeiten in Bildung und Kultur, Kooperation und Vernetzung als soziales Kapital. Weinheim<br />

und Basel, S. 61-76.<br />

Jungk, Sabine (2001): Soziale Selbsthilfe und politische Interessenvertretung in Organisationen<br />

von Migrantinnen und Migranten – Politische Rahmenbedingungen, Forschungslage,<br />

Weiterbildungsbedarf. In: Informationszentrum Sozialwissenschaften und Landeszentrum für<br />

Zuwan<strong>der</strong>ung NRW (Hg.): Migration und ethnische Min<strong>der</strong>heiten. Sozialwissenschaftlicher<br />

Fachinformationsdienst. Band 1, S. 7-15.<br />

Jungk, Sabine (2003): Politische und soziale Partizipation von Migrantinnen und Migranten<br />

und ihren Selbstorganisationen – Beiträge zu Mitwirkungsmöglichkeiten, Inanspruchnahme<br />

und Chancen in Deutschland. In: Navend – Zentrum für kurdische Studien e.V. (Hg.): Politische<br />

und soziale Partizipation von MigrantInnen. Navend-Schriftenreihe Band 12, Bonn, S.<br />

49-66.<br />

Jungk, Sabine (2005): Selbsthilfe-För<strong>der</strong>ung in Nordrhein-Westfalen. In: Weiss, Karin/Thränhardt,<br />

Dietrich (Hg.): SelbstHilfe. Wie Migranten Netzwerke knüpfen und soziales<br />

Kapital schaffen, Freiburg i. Br., S. 135-155.<br />

Jungk, Sabine (2006): Erfahrungen aus Fortbildungen für Migrantenselbstorganisation. In:<br />

Grünhage-Monetti, Matilde (Hg.): Interkulturelle Kompetenz in <strong>der</strong> Zuwan<strong>der</strong>ungsgesellschaft.<br />

Fortbildungskonzepte für kommunale Verwaltungen und Migrantenselbstorganisation.<br />

Bielefeld, 94-103.<br />

Kindelberger, Hala (2005): Selbsthilfe und Auslän<strong>der</strong>beiräte in den neuen Bundeslän<strong>der</strong>n, in:<br />

Weiss, Karin/Thränhardt, Dietrich (Hg.): SelbstHilfe. Wie Migranten Netzwerke knüpfen und<br />

soziales Kapital schaffen, Freiburg i. Br., S. 135-155.<br />

Klein, Ansgar/Kern, Kristine/Geißel, Brigitte/Berger, Maria (Hg.) (2004): Zivilgesellschaft und<br />

Sozialkapital. Herausfor<strong>der</strong>ungen politischer und sozialer Integration. Wiesbaden.<br />

Koopmans, Ruud/Statham, Paul (1998): Challenging the Liberal Nation-State? Postnationalism,<br />

Multiculturalism and the Collective Claims-Making of Migrants and Ethnic Minorities in<br />

Britain and Germany. Berlin.<br />

Krummacher, Michael (2004): Hohe Erwartungen nicht erfüllt. Bürgerbeteiligung und Aktivierung<br />

in <strong>der</strong> Programmumsetzung „Soziale Stadt“, in: Neue Praxis, November.<br />

Latorre Pallares, Patricia/Zitzelsberger, Olga (2006): Selbstorganisationen von Migrantinnen<br />

– ihre Bedeutung für die Partizipation in <strong>der</strong> Einwan<strong>der</strong>ungsgesellschaft. Abschlussbericht<br />

für das Ministerium Wissenschaft und Kunst. Darmstadt. Internetpublikation:<br />

http://www.frauennrw.de/docs/handbuch/Latorre-in-Handbuch-Demografischer-Wandel.pdf<br />

(Abruf 21.07.2008)<br />

20


Jungk: Migrantenselbstorganisation: Formen, Aktivitäten, Potenziale und Wege des Empowerments<br />

________________________________________________________________________________<br />

MASGF – Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie Brandenburg (2007): Das<br />

Projekt „KOMMIT“ – Kompetenzen von Migrantinnen und Migranten stärken. Internetpublikation:<br />

http://www.masgf.brandenburg.de/cms/detail.php?gsid=bb2.c.422163.de&_siteid=19<br />

(Abruf 30.06.2008)<br />

MASSKS – Ministerium für Arbeit, Soziales, Stadtentwicklung, Kultur und Sport NRW (Hg.)<br />

(1999): Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten in NRW. Wissenschaftliche<br />

Bestandsaufnahme. Düsseldorf.<br />

Matterei, Norma (2005): Zwischen sozialer Kompensation und emanzipatorischer Perspektive:<br />

Selbsthilfe-För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Stadt München. In: Weiss, Karin/Thränhardt, Dietrich (Hg.):<br />

SelbstHilfe. Wie Migranten Netzwerke knüpfen und soziales Kapital schaffen, Freiburg i. Br.,<br />

S. 135-155.<br />

MGSFF – Ministerium für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie des Landes Nordrhein-<br />

Westfalen (Hg.) (2004): Zuwan<strong>der</strong>ung und Integration in Nordrhein-Westfalen. 3. Bericht <strong>der</strong><br />

Landesregierung. Düsseldorf.<br />

Pries, Ludger/Sezgin, Zeynep (Hg.) (2010): Jenseits von Identität und Integration – Grenzen<br />

überspannende Migrantenselbstorganisationen. Wiesbaden.<br />

Priller, Eckhardt/Zimmer, Annette (2004): Zwischen „Markt“ und „Mission“. In: Gosewinkel,<br />

Dieter/Rucht, Dieter/van den Daele, Wolfgang/Kocka, Jürgen (Hg.): Zivilgesellschaft – national<br />

und transnational. WZB-Jahrbuch 2003. Berlin, S. 105-127.<br />

Pro Qualifizierung – Teilprojekt Ostwestfalen-Lippe: Internetpublikation:<br />

http://www.proqua.de/publikation._aWQ9NDU0MA_.html (Abruf 15.09.2007)<br />

Puskeppeleit, Jürgen/Thränhardt, Dietrich (1990): Vom betreuten Auslän<strong>der</strong> zum gleichberechtigten<br />

Bürger. Perspektiven <strong>der</strong> Beratung und Sozialarbeit, <strong>der</strong> Selbsthilfe und <strong>der</strong> Artikulation<br />

und <strong>der</strong> Organisation und Integration <strong>der</strong> eingewan<strong>der</strong>ten Auslän<strong>der</strong> aus den Anwerbestaaten<br />

in <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland. Freiburg.<br />

Schwenken, Helena (2004): Migrantinnenorganisationen: Zur Selbstorganisierung von<br />

Migrantinnen. In: Becker, Ruth/Kortendieck, Beate (Hg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung.<br />

Theorie, Methoden, Empirie. Wiesbaden, 698-703.<br />

Sezgin, Zeynap/Tuncer-Zengingül, Tülay: Grenzüberschreitende Migrantenselbstorganisationen<br />

– Herausfor<strong>der</strong>ungen und Chancen im 21. Jahrhun<strong>der</strong>t, in: BBE-Newsletter 7/2009.<br />

Sinus Sociovision (2007): Die Milieus <strong>der</strong> Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland.<br />

Internetpublikation: http://www.sinus-sociovision.de (Abruf 12.02.2008)<br />

Stadt Pa<strong>der</strong>born (Hg.) (2007): Selbstorganisation und bürgerschaftliches Engagement von<br />

Migranten in <strong>der</strong> Stadt Pa<strong>der</strong>born. Eine empirische Studie zur Bildung von Sozialkapital. Pa<strong>der</strong>born.<br />

Internetpublikation: www.pa<strong>der</strong>born.de/integration (Abruf 12.09.2007)<br />

Thränhardt, Dietrich (2000): Einwan<strong>der</strong>erkulturen und soziales Kapital. Eine komparative<br />

Analyse. In: Thränhardt, Dietrich/Hunger, Uwe (Hg.): Einwan<strong>der</strong>er-Netzwerke und ihre Integrationsqualität<br />

in Deutschland und Israel. Münster, S. 15-52.<br />

Weiss, Karin/Thränhardt, Dietrich (Hg.) (2005): SelbstHilfe. Wie Migranten Netzwerke knüpfen<br />

und soziales Kapital schaffen. Freiburg.<br />

21


Martini: Migrantenselbstorganisationen – Herausfor<strong>der</strong>ungen für Politik und Zivilgesellschaft<br />

_________________________________________________________________________<br />

2.3 Migrantenselbstorganisationen – Herausfor<strong>der</strong>ungen für Politik und Zivilgesellschaft<br />

Dr. Claudia Martini, Arbeitsstab <strong>der</strong> Beauftragten <strong>der</strong> Bundesregierung für Migration,<br />

Flüchtlinge und Integration<br />

Migrantenorganisationen in <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>- und Integrationspolitik<br />

In <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>- und Integrationspolitik in Deutschland sind Migrantenselbstorganisationen<br />

o<strong>der</strong> Migrantenorganisationen, auch Auslän<strong>der</strong>-, herkunftsorientierte o<strong>der</strong> ethnische Vereine<br />

genannt, recht unterschiedlich wahrgenommen worden.<br />

Seit Beginn <strong>der</strong> Phase <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>politik zur Zeit <strong>der</strong> Anwerbung ausländischer Arbeitnehmer<br />

müssen sich die sogenannten Auslän<strong>der</strong>vereine im Auslän<strong>der</strong>zentralregister registrieren<br />

lassen. 1 Dies betrifft bis heute alle Vereine, <strong>der</strong>en Leitung o<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> sämtlich<br />

o<strong>der</strong> überwiegend ausländische Staatsangehörige sind. Sie werden im Auslän<strong>der</strong>vereinsregister<br />

registriert (§ 14 Vereinsgesetz, Abs. 1). Seit <strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ung des Vereinsgesetzes im<br />

Jahr 2001 werden ausschließlich Vereine von Drittstaatsangehörigen registriert. Die Gesamtzahl<br />

<strong>der</strong> registrierten ausländischen Vereine ist infolge dessen von 16.000 auf ca.<br />

13.000 ausländische Vereine zurückgegangen. 2 Gemäß Art. 9 Abs. 1 GG „haben alle Deutschen<br />

das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.“ Ein Auslän<strong>der</strong>verein war und ist<br />

damit einem Nicht-Auslän<strong>der</strong>verein nicht gleichgestellt. Auslän<strong>der</strong>vereine wurden wegen<br />

ihrer tatsächlichen o<strong>der</strong> angenommenen Verbindungen zu den Herkunftslän<strong>der</strong>n oft als folkloristische<br />

Freizeitgruppe, als politische Stimme <strong>der</strong> Herkunftslän<strong>der</strong> o<strong>der</strong> als <strong>der</strong> Segregation<br />

för<strong>der</strong>lich betrachtet. Ihre bereits zu Beginn <strong>der</strong> Gastarbeiterzuwan<strong>der</strong>ung umfängliche<br />

Beratungsarbeit, die <strong>der</strong> Integration <strong>der</strong> Neuzuwan<strong>der</strong>er diente, wurde öffentlich kaum wahrgenommen.<br />

Ein deutlicher Entwicklungsschritt wurde mit dem Bericht <strong>der</strong> unabhängigen Kommission<br />

Zuwan<strong>der</strong>ung (2001) vollzogen. Der Bericht befasste sich mit <strong>der</strong> Frage, ob eigenethnische<br />

Vereine zur „Abkapselung“ von <strong>der</strong> Mehrheitsgesellschaft führten o<strong>der</strong> eine Voraussetzung<br />

für die gleichberechtigte Teilhabe seien. Die eigenethnischen Vereine wurden einerseits als<br />

Mittel zur Verbesserung <strong>der</strong> Lebenszufriedenheit und sozialen Anerkennung insbeson<strong>der</strong>e<br />

für Erstzuwan<strong>der</strong>er bewertet. Gleichzeitig wurde auf die Gefahr des Rückzugs durch diese<br />

Organisationsform hingewiesen. Dem Engagement von Zuwan<strong>der</strong>ern in deutschen Vereinen<br />

wurde ein hohes Integrationspotenzial zugeschrieben.<br />

Einen Schritt weiter ging <strong>der</strong> Sachverständigenrat Integration drei Jahre später (2004). Er<br />

maß Migrantenselbstorganisationen ein „hohes Integrationspotenzial“ zu. Dieses liege unter<br />

an<strong>der</strong>em in <strong>der</strong> Vermittlung integrationspolitischer Ziele und Strategien in die Eigengruppen<br />

hinein. Die Sachverständigen empfahlen daher: „Vertreter von Migrantenselbstorganisationen<br />

sowie <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>beiräte sollten als Diskussions- und Gestaltungspartner kontinuierlich<br />

in den politischen Prozess eingebunden werden.“ Auch die Entwicklung von Migrantenorganisationen<br />

hin zu aufnahmelandbezogenen Interessengruppen von Migranten <strong>der</strong> zweiten<br />

und dritten Generation unterschiedlicher Herkunft wurde in <strong>der</strong> Kommission<br />

wahrgenommen.<br />

1<br />

Vgl. Jagusch, Birgit: Rechtliche Grundlagen für Auslän<strong>der</strong>vereine; Newsletter des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches<br />

Engagement, 22/2008.<br />

2<br />

Vgl. Hunger, Uwe: Auslän<strong>der</strong>vereine in Deutschland: Eine Gesamterfassung auf <strong>der</strong> Basis des Bundesauslän<strong>der</strong>vereinsregisters.<br />

In: Weiss, Karin/Thränhardt, Dietrich (Hg.): SelbstHilfe. Wie Migranten Netzwerke knüpfen<br />

und soziales Kapital schaffen, Freiburg i.Br. 2005, S. 221-244.<br />

22


Martini: Migrantenselbstorganisationen – Herausfor<strong>der</strong>ungen für Politik und Zivilgesellschaft<br />

_________________________________________________________________________<br />

Der erste Integrationsgipfel 2006 ließ <strong>der</strong> grundsätzlichen Anerkennung des Integrationspotentials<br />

von Migrantenorganisationen Taten folgen. Migrantenorganisationen wurden erstmals<br />

gleichberechtigt mit an<strong>der</strong>en zivilgesellschaftlichen Akteuren an <strong>der</strong> Weiterentwicklung<br />

<strong>der</strong> Integrationspolitik <strong>der</strong> Bundesregierung beteiligt. Län<strong>der</strong> und insbeson<strong>der</strong>e Kommunen<br />

hatten bereits langjährige Erfahrungen mit Auslän<strong>der</strong>- und Integrationsräten o<strong>der</strong> –beiräten.<br />

Für die Bundesregierung war die aktive Mitwirkung von Migrantenorganisationen bei <strong>der</strong><br />

Erstellung und Fortschreibung des Nationalen Integrationsplans eine neue und sehr gewinnbringende<br />

Erfahrung. Insgesamt rund 20 Migrantenorganisationen – meist bundesweit tätige<br />

Dachverbände - sowie knapp 10 Selbstorganisationen aus dem unternehmerischen Bereich<br />

nahmen an den integrationspolitischen Gremien wie den Integrationsgipfeln, regelmäßigen<br />

Dialogforen, auch zu konkreten Anliegen <strong>der</strong> Organisationen wie Einbürgerung, Anerkennung<br />

von Abschlüssen etc. teil. Erstmalig hat eine Gruppe überregionaler Migrantendachverbände<br />

eine Stellungnahme in einen Bericht <strong>der</strong> Bundesregierung eingebracht und sich mit<br />

umfangreichen Selbstverpflichtungen am Gelingen des Integrationsplans beteiligt. Die wichtige<br />

Rolle von Migrantenorganisationen im Integrationsprozess ist damit auf allen politischen<br />

Ebenen anerkannt. In <strong>der</strong> Folge hat die Nachfrage nach <strong>der</strong> Mitwirkung von Migrantenorganisationen<br />

in Beratungsgremien des Sports, <strong>der</strong> Kultur, des bürgerschaftlichen Engagements<br />

und vieler an<strong>der</strong>er gesellschaftlicher Bereiche stark zugenommen.<br />

Auch von Seiten <strong>der</strong> beteiligten Migrantenorganisationen wird ihre Beteiligung als Fortschritt<br />

bewertet. Ihre Rolle im Prozess des Nationalen Integrationsplans beschrieben sie folgen<strong>der</strong>maßen:<br />

„Ihre Meinung war gefragt und ihre speziellen Anliegen wurden aufgegriffen. Die<br />

Migrantenorganisationen partizipierten als gleichberechtigter und gleichwertiger Partner in<br />

den Gremien. Der Prozess des Dialogs funktionierte gut, verlangte allerdings einen sehr hohen<br />

Kosten- und Zeitaufwand für die Organisationen“ (1. Fortschrittsbericht zur <strong>Umsetzung</strong><br />

des Nationalen Integrationsplans S. 212)<br />

Migrantenorganisationen in <strong>der</strong> Praxis<br />

Dass Migrantenorganisationen in <strong>der</strong> Praxis von Beginn <strong>der</strong> Zuwan<strong>der</strong>ung an eine wichtige<br />

und zumeist integrative Rolle spielten, ist bereits erwähnt worden. Auslän<strong>der</strong>vereine, oft gemeinsam<br />

mit Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften, Kirchen und an<strong>der</strong>en etablierten Organisationen,<br />

setzen sich für die Belange von Zuwan<strong>der</strong>ern ein, bieten Beratung und Unterstützung<br />

in allen Belangen <strong>der</strong> Zuwan<strong>der</strong>er an. Sie vertreten neben <strong>der</strong> praktischen Integrationsarbeit<br />

auch die gesellschafts-politischen Anliegen von Zuwan<strong>der</strong>ern. Dies hat sich in den<br />

Kommunen, also bei <strong>der</strong> Integration vor Ort, frühzeitig in Form von Kooperationen mit öffentlichen<br />

Stellen, Mitwirkung in Beiräten und Bereitstellung von För<strong>der</strong>mitteln für lokale Vereine<br />

nie<strong>der</strong>geschlagen.<br />

Vicente Riesgo vom Bundesverband <strong>der</strong> Spanischen Elternvereine beschreibt die Rolle von<br />

Migrantenorganisationen daher zutreffend als sowohl „prospektiv“ als auch „generativ“. Das<br />

heißt, sie greifen vielfach Themen und Probleme früher auf als Gesellschaft und Politik und<br />

sie tragen dazu bei, diese Themen zum Gegenstand gesellschaftlicher Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

und politischen Handelns zu machen. Die Integration <strong>der</strong> zugewan<strong>der</strong>ten Bevölkerung wäre<br />

in den ersten Jahrzehnten <strong>der</strong> Einwan<strong>der</strong>ung ohne Selbstvertretungen von Zuwan<strong>der</strong>ern und<br />

ohne <strong>der</strong>en Kooperationspartner denkbar schlechter verlaufen.<br />

Die Anzahl von Migrantenorganisationen in Deutschland ist unbekannt. Im Auslän<strong>der</strong>zentralregister<br />

werden unter den Vereinen mit überwiegend ausländischer Mitgliedschaft bzw. ausländischem<br />

Vorstand inzwischen nur diejenigen <strong>der</strong> Drittstaater festgehalten. 2001 waren<br />

dort 16.000 ausländische Vereine registriert. Eine Vollerhebung von Migrantenorganisationen<br />

in Nordrhein-Westfalen ermittelte über 2.200 Organisationen. In Anbetracht <strong>der</strong> Vielfalt<br />

23


Martini: Migrantenselbstorganisationen – Herausfor<strong>der</strong>ungen für Politik und Zivilgesellschaft<br />

_________________________________________________________________________<br />

hinsichtlich Größe, Ausrichtung, Aktivitätsgrad, Vernetzung mit an<strong>der</strong>en Organisationen etc.<br />

können Zahlenangaben nur sehr begrenzt Auskunft geben. Auf Bundesebene hat die<br />

Staatsministerin und Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration regelmäßig mit<br />

mindestens 20 Dachverbänden verschiedener Herkunftsgemeinden sowie herkunftsunabhängigen<br />

Dachverbänden zu tun. Auf Landesebene wie<strong>der</strong>um sind neben den Unterglie<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> bundesweiten Dachverbände auch regionale Organisationen aktiv. In den Kommunen<br />

gibt es große Unterschiede zwischen denjenigen mit sehr aktiven Migrantenorganisationen<br />

und Kommunen, in denen das Vereinsleben von Migranten praktisch nur auf dem Papier<br />

besteht. Hinzu kommt die große Zahl interkultureller Initiativen, in denen Migrantinnen<br />

und Migranten ebenfalls stark repräsentiert sind. In München beispielsweise wurden über<br />

100 interkulturelle Initiativen gezählt.<br />

Migrantenorganisationen werden zahlreiche Qualitäten zugeschrieben, die sie zu wichtigen<br />

Beteiligten bei <strong>der</strong> Integration machen. Sie gelten als Experten in eigener Sache, als Brücken<br />

in die Gemeinschaften <strong>der</strong> Zugewan<strong>der</strong>ten, als erster Ansprechpartner für Neuzuwan<strong>der</strong>er<br />

und auch als Katalysatoren für die interkulturelle Öffnung vorhandener Einrichtungen.<br />

Ihre Angebote gelten als passgenau und erreichen oft Gruppen, die von allgemeinen Integrations-<br />

und Beteiligungsangeboten nicht angesprochen werden. Für aktive Migrantinnen und<br />

Migranten stellt die Beteiligung ihrer Organisationen auch eine Anerkennung ihrer gesellschaftlichen<br />

und integrativen Leistungen dar. Nicht zuletzt transportieren Migrantenorganisationen<br />

gesellschaftliche und politische Themen aus <strong>der</strong> Mehrheitsgesellschaft in die Migrantengemeinschaften<br />

hinein und beteiligen diese damit an gesellschaftlichen Entwicklungen.<br />

Heutige und zukünftige Rolle von Migrantenorganisationen<br />

Betrachtet man Migrantenorganisationen aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Engagementforschung, müssen<br />

sie als Teil <strong>der</strong> deutschen Bürgergesellschaft beschrieben werden. Denn Engagement heißt,<br />

dass sich Personen zusammenschließen, die ein Interesse o<strong>der</strong> ein Anliegen teilen und dieses<br />

gemeinsam bearbeiten wollen. Damit ist auch die Grundlage für ihre gleichberechtigte<br />

Position in <strong>der</strong> gesellschaftlichen und politischen Mitwirkung gelegt. Dass dies einer Entwicklung<br />

vom sogenannten Auslän<strong>der</strong>verein zur Migrantenorganisation bedarf, ist oben bereits<br />

beschrieben worden.<br />

In einem Steuerungsmodell <strong>der</strong> politischen Integration von Migrantenorganisationen lässt<br />

sich diese Entwicklung in Form von acht Beteiligungsmustern von Migrantinnen bzw. Migranten<br />

und Migrantenorganisationen beschreiben 1 : Steuerungsobjekt – Infogeber – Bittsteller –<br />

Mithersteller – Berater – Anfor<strong>der</strong>er – Entschei<strong>der</strong> im eingeschränkten Wirkungskreis –<br />

gleichberechtigter Partner.<br />

Diese Beteiligungsformen können in verschiedenen Bereichen gleichzeitig existieren; sie<br />

können aber auch als Prozess gesehen werden. Im ersten Stadium als „Steuerungsobjekt“<br />

dominieren die staatlichen Akteure, sie entscheiden allein über die Verteilung öffentlicher<br />

Güter; als „Mithersteller“ sind Migrantenorganisationen in <strong>der</strong> Rolle, die von staatlicher Seite<br />

definierten Güter in ihren Gemeinschaften umzusetzen; dann geht die Entwicklung <strong>der</strong> Entscheidungsfindung<br />

weiter bis zur partnerschaftlichen Interaktion, bei <strong>der</strong> Migrantinnen und<br />

Migranten und ihre Organisationen eine fest definierte Entscheidungsmacht innehaben<br />

(„Machtteilung“). Das Modell bezieht sich auf freiwillige staatliche Leistungen, d.h. nicht auf<br />

Bereiche wie beispielsweise die Gesetzgebung, für die allein Parlamente und Regierungen<br />

verantwortlich sein können – beratende Kooperationsformen kommen hier selbstverständlich<br />

auch zum Tragen. Es beschreibt sehr treffend eine Entwicklung, die Migrantenorganisationen<br />

auch in Deutschland durchlaufen haben.<br />

1<br />

Dr. Scott Stock Gissendanner, Georg-August-Universität Göttingen: Ein Steuerungsmodell <strong>der</strong> politischen Integration<br />

von Migrantenorganisationen.<br />

24


Martini: Migrantenselbstorganisationen – Herausfor<strong>der</strong>ungen für Politik und Zivilgesellschaft<br />

_________________________________________________________________________<br />

Cemalettin Özer ermittelte in seiner Studie zu „Interkulturellen Dialogaktivitäten zwischen<br />

Migrantenselbstorganisationen und Organisationen <strong>der</strong> Mehrheitsbevölkerung in Ostwestfalen-Lippe“<br />

(2008) ähnliche Beteiligungsformen:<br />

� MSO als Informationsvermittler<br />

� MSO als Interessenvertreter<br />

� MSO als Expertengremium<br />

� MSO als Kooperationspartner<br />

� MSO als anerkannter Träger für Integrationsprojekte<br />

Im Allgemeinen vereinen Migrantenorganisationen mehrere <strong>der</strong> o. g. Muster in ihren Aktivitäten.<br />

Eine Entwicklung entsprechend <strong>der</strong> oben genannten Steuerungsmodelle ist auch bei Migrantenorganisationen<br />

auf Bundesebene in Deutschland nachvollziehbar. Sie stehen heute in <strong>der</strong><br />

zweiten Hälfte <strong>der</strong> Entwicklungslinie. Denn sie sind Mithersteller von Integration, z. B. als<br />

Projektträger; sie werden als Berater angefragt; sie sind in <strong>der</strong> Position, selbst Mittel und<br />

Dialog an- bzw. einzufor<strong>der</strong>n; sie entscheiden in einem eingeschränkten Wirkungskreis wie<br />

in Integrationsräten und an<strong>der</strong>en Gremien mit und sie sind in einigen Bereichen gleichberechtigte<br />

Partner in Beratungsgremien geworden wie zum Beispiel in Projekten zu Freiwilligendiensten,<br />

in <strong>der</strong> Erstellung und Weiterentwicklung des Nationalen Integrationsplans sowie<br />

des Integrationsprogramms. Die Position als gleichberechtigter Partner kann nur dann<br />

zufriedenstellend ausgefüllt werden, wenn gleiche Beteiligungsvoraussetzungen bestehen,<br />

d.h. auch Kenntnisse, Qualifikationen und Mittel vorhanden sind, um die eigenen Kompetenzen<br />

wirksam einzubringen. Die Migrantenorganisationen, die am Nationalen Integrationsplan<br />

mitgewirkt haben, formulieren dies folgen<strong>der</strong>maßen:<br />

„Eine staatliche Politik, die sich das teilhabe- und integrationsför<strong>der</strong>nde Potential <strong>der</strong> MSOs<br />

zu Nutze machen möchte, muss diesen Organisationen die Möglichkeit eröffnen, eine aktive<br />

Rolle in <strong>der</strong> Integrationspolitik ihrer neuen Wahlheimat zu spielen.“ 1<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung für Politik und Zivilgesellschaft: Partnerschaftliche Beteiligung ermöglichen<br />

In <strong>der</strong> vergangenen Legislatur haben sich staatliche Stellen und zivilgesellschaftliche Organisationen<br />

mit <strong>der</strong> Frage befasst, wie Migrantenorganisationen ihre Rolle als bürgerschaftlicher<br />

Akteur und als Akteur in <strong>der</strong> Integrationspolitik stärken können. Zu nennen sind neben<br />

dem oben genannten Nationalen Integrationsplan und dem Ersten Fortschrittsbericht das<br />

vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entwickelte Integrationsprogramm und die entsprechenden<br />

Maßnahmen zur För<strong>der</strong>ung von Migrantenorganisationen sowie Initiativen <strong>der</strong><br />

interkulturellen Öffnung von Freiwilligendiensten durch das Bundesministerium für Familie,<br />

Senioren, Frauen und Jugend. Im zivilgesellschaftlichen Bereich haben das Bundesnetzwerk<br />

bürgerschaftliches Engagement, die Stiftung Bürger für Bürger, Wohlfahrtsverbände und<br />

weitere Organisationen des bürgerschaftlichen und freiwilligen Engagements an <strong>der</strong> Formulierung<br />

von Grundlagen und <strong>der</strong> Erprobung von Praxismodellen mitgewirkt.<br />

1<br />

1. Fortschrittsbericht zur <strong>Umsetzung</strong> des Nationalen Integrationsplans, 2008: Stellungnahme <strong>der</strong> Migrantenorganisationen,<br />

S. 213.<br />

25


Martini: Migrantenselbstorganisationen – Herausfor<strong>der</strong>ungen für Politik und Zivilgesellschaft<br />

_________________________________________________________________________<br />

Die Vorschläge für die Stärkung und Professionalisierung von Migrantenorganisationen lassen<br />

sich in vier Punkten zusammenfassen:<br />

1. Ausbau <strong>der</strong> Infrastruktur: Bislang beruht das Engagement von Migrantenorganisationen<br />

im Vergleich zu nicht migrantischen Organisationen weitaus häufiger auf ehrenamtlichem<br />

Engagement. Es mangelt an hauptamtlichen Strukturen. Migrantenorganisationen<br />

benötigen aber ebenso wie nicht migrantische Organisationen eine hauptamtliche<br />

Infrastruktur, um sich zu qualifizieren, ihre Engagementfel<strong>der</strong> zu verbreitern<br />

und weitere ehrenamtlich Engagierte zu gewinnen.<br />

2. Einen Prozess <strong>der</strong> Qualifizierung einleiten: Qualifizierungsinitiativen sind auf verschiedenen<br />

Ebenen notwendig. Diese reichen von Fortbildungen für Vereinsgründung,<br />

Vereinsfinanzen und Pressearbeit bis hin zu langfristigen Qualifizierungsprozessen,<br />

zum Beispiel als Träger und Einsatzstelle im Bereich <strong>der</strong> Freiwilligendienste.<br />

3. Beteiligung an Netzwerken, Beiräten und Gremien: Die Beteiligung von Migrantenorganisationen<br />

an Diskursen und Entscheidungen zur Integrationspolitik im weiteren<br />

Sinne dient <strong>der</strong> fachlichen Qualifizierung und dem berechtigten Anliegen, Bevölkerungsgruppen<br />

mit Migrationshintergrund auch unabhängig von ihrem Wahlrecht an<br />

politischen Entscheidungen mitwirken zu lassen.<br />

4. Abbau von Barrieren durch interkulturelle Öffnung bestehen<strong>der</strong> Strukturen systematisch<br />

verfolgen: Bei <strong>der</strong> interkulturellen Öffnung von Maßnahmen wird zum Beispiel<br />

<strong>der</strong> Kreis <strong>der</strong> potentiellen Projektträger in den entsprechenden Richtlinien erweitert<br />

o<strong>der</strong> es werden gezielte Fortbildungen für Migrantenorganisationen angeboten. Ein<br />

vielerorts bewährtes Instrument ist die Tandempartnerschaft, die gleichberechtigte<br />

Partizipation und Qualifizierung vereint sowie ein Katalysator für die interkulturelle<br />

Öffnung in etablierten Einrichtungen ist.<br />

Im Koalitionsvertrag für die 17. Legislaturperiode hat die Bundesregierung festgelegt, den<br />

Dialog zwischen Staat und Gesellschaft, insbeson<strong>der</strong>e den Migrantinnen und Migranten, in<br />

institutionalisierter Form fortzusetzen und das bürgerschaftliche Engagement von Migrantinnen<br />

und Migranten weiter zu för<strong>der</strong>n und zu stärken, insbeson<strong>der</strong>e über den Ausbau <strong>der</strong><br />

Jugendfreiwilligendienste. Auch viele zivilgesellschaftlichen Organisationen werden ihre Kooperation<br />

mit Migrantenorganisationen erweitern. Migrantenorganisationen werden sich weiter<br />

qualifizieren und ihre Aktivitäten erweitern. Die Stimme von Migrantenorganisationen sowie<br />

ihre aktive und tragende Rolle bei <strong>der</strong> Integration werden an Bedeutung gewinnen.<br />

26


Bartels: Migrantenorganisationen in <strong>der</strong> Integrationsför<strong>der</strong>ung – Erfahrungen und Empfehlungen<br />

_________________________________________________________________________________<br />

2.4 Migrantenorganisationen in <strong>der</strong> Integrationsför<strong>der</strong>ung – Erfahrungen und Empfehlungen<br />

1<br />

Romy Bartels, Leiterin des Referats Grundsatzangelegenheiten in <strong>der</strong> Integrationsför<strong>der</strong>ung<br />

im BAMF<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

ich bedanke mich sehr für die Einladung zu diesem Expertenworkshop. Ich freue mich, dass<br />

<strong>der</strong> DCV das Thema Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen für so wichtig einstuft,<br />

dass ein eigenes Projekt eingerichtet wurde, um einen innerverbandlichen Diskussionsprozess<br />

zu diesem gesellschaftspolitisch bedeutsamen Thema anzustoßen. Gleichzeitig fühle<br />

ich mich geehrt, dass Sie das Bundesamt als Experten für dieses Thema ansehen und eingeladen<br />

haben, Ihnen einen Impuls für Ihren internen Konzeptions- und Orientierungsprozess<br />

geben zu dürfen.<br />

Zunächst möchte ich mich kurz vorstellen: Mein Name ist Romy Bartels, ich leite das Referat<br />

Grundsatzangelegenheiten <strong>der</strong> Integrationsför<strong>der</strong>ung im Bundesamt für Migration und<br />

Flüchtlinge in Nürnberg.<br />

Meinen Vortrag möchte ich wie folgt glie<strong>der</strong>n:<br />

I. Stellenwert <strong>der</strong> Migrantenorganisationen in <strong>der</strong> För<strong>der</strong>politik des Bundesamtes<br />

II. Vorschläge im Rahmen des Integrationsprogramms zur För<strong>der</strong>ung von Migrantenorganisationen<br />

III. För<strong>der</strong>ung von Migrantenorganisationen: Erfahrungen und Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

IV. Erste Erfahrungen aus den Modellprojekten zur verstärkten Partizipation von<br />

Migrantenorganisationen<br />

V. Empfehlungen an die Wohlfahrtsverbände.<br />

I. Kurze Einführung in die Integrationsför<strong>der</strong>ung des Bundesamtes und Stellenwert<br />

<strong>der</strong> Migrantenorganisationen in <strong>der</strong> För<strong>der</strong>politik des Bundesamtes<br />

Das Bundesamt ist seit 2003 neben den Themen Migration und Flüchtlingsschutz nunmehr<br />

auch für verschiedene Aufgaben im Bereich <strong>der</strong> Integration zuständig. Mit Inkrafttreten des<br />

Zuwan<strong>der</strong>ungsgesetzes am 1. Januar 2005 wurde eine systematische Integrationspolitik mit<br />

einem bundesweit einheitlichen Erstför<strong>der</strong>angebot für Neuzuwan<strong>der</strong>er eingeführt. Dazu zählen<br />

insbeson<strong>der</strong>e die Steuerung und Koordinierung <strong>der</strong> Integrationskurse und <strong>der</strong> Migrationsberatung<br />

für erwachsene Zuwan<strong>der</strong>er. Ergänzt werden diese beiden Integrationsangebote<br />

durch Projekte zur sozialen und gesellschaftlichen Einglie<strong>der</strong>ung von Zuwan<strong>der</strong>innen und<br />

Zuwan<strong>der</strong>ern.<br />

Integration ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, zu <strong>der</strong>en Erfolg <strong>der</strong> Staat auf verschiedenen<br />

Ebenen beiträgt. Ziel <strong>der</strong> Integrationsför<strong>der</strong>ung sind das friedliche Miteinan<strong>der</strong> von<br />

Migranten und Einheimischen und die Stärkung des sozialen Zusammenhalts in <strong>der</strong> Gesellschaft.<br />

In Deutschland leben <strong>der</strong>zeit 15,6 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund, dies<br />

sind etwa 19 % <strong>der</strong> Gesamtbevölkerung. Durch den demographischen Wandel ist in den<br />

kommenden Jahren mit einem weiteren Anstieg dieser Quote zu rechnen. Diese Menschen<br />

sollen alle Chancen auf eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen<br />

und politischen Zusammenleben unter Respektierung gesellschaftlicher Vielfalt haben. Die<br />

kulturelle Vielfalt anzuerkennen, Vielfalt als Chance zu begreifen und gleichzeitig den Zu-<br />

1<br />

Romy Bartels konnte aus Krankheitsgründen nicht an <strong>der</strong> Veranstaltung teilnehmen, hat aber ihren Vortrag für<br />

die Dokumentation zur Verfügung gestellt.<br />

27


Bartels: Migrantenorganisationen in <strong>der</strong> Integrationsför<strong>der</strong>ung – Erfahrungen und Empfehlungen<br />

_________________________________________________________________________________<br />

sammenhalt <strong>der</strong> Gesellschaft zu sichern, ist eine herausragende Aufgabe für Politik und Gesellschaft.<br />

Die Integration neu zugewan<strong>der</strong>ter wie auch <strong>der</strong> zum Teil bereits länger hier leben<strong>der</strong> Menschen<br />

mit Migrationshintergrund ist eine langfristige Herausfor<strong>der</strong>ung und Aufgabe für Staat<br />

und Gesellschaft. Für ein gutes Miteinan<strong>der</strong> ist ein gemeinsamer Gestaltungswillen und die<br />

Bereitschaft aller, für die Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen, notwendig.<br />

Migrantenorganisationen sind Foren <strong>der</strong> Selbstorganisation und gesellschaftlichen Beteiligung.<br />

Sie können als Teil <strong>der</strong> Zivilgesellschaft einen wichtigen Beitrag zur Integration leisten.<br />

Migrantenorganisationen engagieren sich in vielfältiger Weise und zwar hauptsächlich ehrenamtlich<br />

für die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Integration: in Migrantenorganisationen werden Menschen<br />

mit Migrationshintergrund aktiv und können ihre Kompetenzen einbringen. Sie kennen die<br />

Bedarfe von Menschen mit Migrationshintergrund und schließen mit ihren Angeboten häufig<br />

Lücken in <strong>der</strong> Integrationsarbeit. Sie haben meist einen guten Zugang zu Gruppen, die von<br />

an<strong>der</strong>en Integrationsangeboten schlechter erreicht werden.<br />

Es hat sich ein Perspektivwechsel im Umgang mit Migrantenorganisationen vollzogen. Früher<br />

wurden Migranten beraten und betreut und waren nur Zielgruppe von Integrationsmaßnahmen.<br />

Heutzutage möchten sich Migranten verstärkt organisieren und auch selbst Integrationsmaßnahmen<br />

für Migranten durchführen. Sie sind damit nicht nur Empfänger, son<strong>der</strong>n<br />

auch Gestalter von Integrationsangeboten. Der Handlungsansatz in <strong>der</strong> Integrationsför<strong>der</strong>ung<br />

richtet sich damit stärker auf den Gesichtspunkt <strong>der</strong> gesellschaftlichen Teilhabe. Übergeordnetes<br />

Ziel ist die gleichberechtigte Teilhabe von Migranten und ihren Organisationen in<br />

Wirtschaft, Politik und Gesellschaft.<br />

Dem entsprechend wird die Rolle von Migrantenorganisationen heute an<strong>der</strong>s wahrgenommen,<br />

nämlich stärker als Brückenbauer und unverzichtbare Akteure in <strong>der</strong> Integrationsarbeit<br />

vor Ort. Sie werden zunehmend als Experten für eine bedarfsgerechte Ausrichtung <strong>der</strong> Integrationspolitik<br />

und -för<strong>der</strong>ung wahrgenommen und mit einbezogen. Die aktive Mitgestaltung<br />

<strong>der</strong> Integrationsarbeit durch Migrantenorganisationen führt damit zu einem Mehrwert für unsere<br />

Gesellschaft.<br />

Wen meinen wir, wenn wir von Migrantenorganisationen sprechen?<br />

In Deutschland gibt es eine große Vielfalt von Organisationen, in denen sich Menschen mit<br />

Migrationshintergrund zusammenschließen. „Die“ Migrantenorganisation gibt es ebenso wenig<br />

wie „die“ Migrantin o<strong>der</strong> „den“ Migranten. Zu beachten ist, dass mit Blick auf Aufgaben<br />

und Ziele, Zusammensetzung <strong>der</strong> Vereinsmitglie<strong>der</strong> und Organisationsgrad starke Unterschiede<br />

zwischen den Organisationen auffallen, es gibt kulturelle, religiöse und politische<br />

Vereine, die nur eine Zuwan<strong>der</strong>ergruppe repräsentieren o<strong>der</strong> aber interkulturell zusammengesetzt<br />

sind, Migrantinnen- und Vertriebenenorganisationen, Bildungsträger (wie die AEF).<br />

Neben unzähligen kleineren lokal agierenden Migrantenorganisationen, die nur zum Teil in<br />

einem Wohlfahrtsverband organisiert sind (dem DPWV) gibt es eine kleine Zahl an bundesweit<br />

agierenden Dachverbänden (z. B. TGD, Alevitische Gemeinde in Deutschland).<br />

Die im Rahmen des bundesweiten Integrationsprogramms entwickelten Empfehlungen richten<br />

sich an Organisationen, die überwiegend von Zugewan<strong>der</strong>ten gegründet wurden, <strong>der</strong>en<br />

Mitglie<strong>der</strong> überwiegend Migranten sind und die sich nachweislich in <strong>der</strong> Integrationsarbeit<br />

engagieren und nach außen in die Gesellschaft wirken.<br />

28


Bartels: Migrantenorganisationen in <strong>der</strong> Integrationsför<strong>der</strong>ung – Erfahrungen und Empfehlungen<br />

_________________________________________________________________________________<br />

II. Vorschläge im Rahmen des Integrationsprogramms zur För<strong>der</strong>ung von Migrantenorganisationen<br />

Die Entwicklung des bundesweiten Integrationsprogramms ist ein Auftrag aus § 45 AufenthG<br />

und als langfristiger Prozess <strong>der</strong> Qualitätsentwicklung <strong>der</strong> Integrationsför<strong>der</strong>ung angelegt.<br />

Dieser Auftrag wurde dem BAMF vom Bundesministerium des Innern übertragen. Der Auftrag<br />

besteht darin, die bestehenden Integrationsangebote von Bund, Län<strong>der</strong>n, Kommunen<br />

und privaten Trägern festzustellen und Empfehlungen zur Weiterentwicklung vorzulegen.<br />

U.a. sollen gemeinsame Ziele für die Integrationsför<strong>der</strong>ung in verschiedenen Bereichen entwickelt<br />

werden. Im Rahmen des bundesweiten Integrationsprogramms sollen ganz konkrete,<br />

praxisbezogene Vorschläge zur Verbesserung <strong>der</strong> Integration entwickelt werden.<br />

Was haben wir getan? – Situationsanalyse<br />

Im Austausch mit Experten aus Politik, Verwaltung, Praxis <strong>der</strong> Integrationsför<strong>der</strong>ung und<br />

Wissenschaft wurden unter <strong>der</strong> Fe<strong>der</strong>führung des BAMF die drängenden Handlungsbedarfe<br />

in den Handlungsfel<strong>der</strong>n sprachliche Integration, Bildung und Integration, berufliche Integration<br />

und gesellschaftliche Integration ermittelt und konkrete Empfehlungen und Strategien<br />

entwickelt.<br />

Als Ergebnis wurden praxisbezogene Vorschläge zu konkreten Fragestellungen erarbeitet.<br />

Die Empfehlungen betreffen nicht nur das BAMF, son<strong>der</strong>n richten sich an Bund, Län<strong>der</strong>,<br />

Kommunen, Verbände, freie Träger, Migrantenorganisationen, Forschungseinrichtungen und<br />

viele an<strong>der</strong>e Akteure.<br />

Ein Schwerpunktthema im bundesweiten Integrationsprogramm im Handlungsfeld gesellschaftliche<br />

Integration ist die Stärkung von Migrantenorganisationen als Akteure <strong>der</strong> Integrationsför<strong>der</strong>ung.<br />

Bei <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Empfehlungen wurden viele Vertreter <strong>der</strong> Migrantenorganisationen<br />

eingebunden und Erfahrungen einiger Län<strong>der</strong> und Kommunen einbezogen.<br />

In diesem Zusammenhang sind zwei Aspekte beson<strong>der</strong>s wichtig:<br />

1. Zum einen ist die Integration von Zuwan<strong>der</strong>ern im Sinn <strong>der</strong> Schaffung gleicher Teilhabechancen<br />

an Bildung – Arbeit – gesellschaftlicher Mitgestaltung eine Aufgabe des<br />

Staates und <strong>der</strong> Gesellschaft. Migrantenorganisationen können diese Aufgabe unterstützen,<br />

aber nicht übernehmen.<br />

2. Migrantenorganisationen sind bei aller Vielfalt überwiegend ehrenamtlich organisiert.<br />

Integrationsför<strong>der</strong>ndes, bürgerschaftliches Engagement von Migrantenorganisationen<br />

und an<strong>der</strong>en Gruppen leistet einen wichtigen Beitrag für ein gelingendes Zusammenleben<br />

von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. Es kann und soll aber professionelle<br />

Sozialarbeit nicht ersetzen. Vielmehr geht es um die Nutzung und För<strong>der</strong>ung<br />

komplementärer Strukturen und Kompetenzen.<br />

Empfehlungen des bundesweiten Integrationsprogramms<br />

Derzeit gibt es keine systematische und gleichberechtigte Einbeziehung und Nutzung <strong>der</strong><br />

vielfältigen Kompetenzen <strong>der</strong> Migrantenorganisationen in die Gestaltung <strong>der</strong> Integrationsarbeit.<br />

Eine systematische För<strong>der</strong>ung von Migrantenorganisationen als Akteure und insbeson<strong>der</strong>e<br />

Träger <strong>der</strong> Integrationsför<strong>der</strong>ung geschieht bisher nur punktuell.<br />

Einzelne Län<strong>der</strong> (bspw. Nordrhein-Westfalen, Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt) haben<br />

För<strong>der</strong>programme gezielt zur Unterstützung von Migrantenorganisationen und zur För<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Zusammenarbeit zwischen etablierten Trägern (wie den Wohlfahrtsverbänden) und<br />

29


Bartels: Migrantenorganisationen in <strong>der</strong> Integrationsför<strong>der</strong>ung – Erfahrungen und Empfehlungen<br />

_________________________________________________________________________________<br />

Migrantenorganisationen mit ersten guten Kooperationsbeispielen. Darauf muss jetzt aufgebaut<br />

werden.<br />

Rahmenbedingungen vieler Migrantenorganisationen<br />

Da Migrantenorganisationen hauptsächlich ehrenamtlich Integrationsarbeit leisten, stoßen<br />

sie oft an ihre Grenzen, sie sind meist kaum über Netzwerke und För<strong>der</strong>möglichkeiten informiert.<br />

Insbeson<strong>der</strong>e darf man Migrantenorganisationen nicht überfor<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> erwarten,<br />

dass sie genauso leistungsfähig sind wie bspw. die vergleichsweise großen Wohlfahrtsverbände.<br />

Man muss sich die schwierigen Rahmenbedingungen vieler Migrantenorganisationen<br />

vor Augen halten:<br />

� Die meisten Migrantenorganisationen sind ehrenamtlich engagiert und verfügen nicht<br />

o<strong>der</strong> kaum über hauptamtliche Strukturen.<br />

� Kleinere, rein ehrenamtlich arbeitende Migrantenorganisationen verfügen nicht über<br />

die Personalressourcen, längerfristig in Netzwerken mitzuarbeiten, während <strong>der</strong> regulären<br />

Arbeitszeit an Sitzungen und Besprechungen teilzunehmen o<strong>der</strong> sich an <strong>der</strong><br />

Erarbeitung von kommunalen Integrationskonzepten zu beteiligen.<br />

� Ehrenamtlich Engagierte sind meist keine ausgebildeten Sozialarbeiter, ehrenamtliche<br />

Arbeit soll und kann professionelle Sozialarbeit nicht ersetzen.<br />

� Häufig fehlen Erfahrungen und spezifische Fachkenntnisse in Vereinsführung und<br />

Vereinsrecht sowie Projektmanagement und Öffentlichkeitsarbeit.<br />

Die Empfehlungen des Integrationsprogramms sollen konkrete Vorschläge unterbreiten, wie<br />

dies verän<strong>der</strong>t werden kann. Dabei hat sich unser Blick beson<strong>der</strong>s auf folgende vier Bereiche<br />

gerichtet:<br />

� Auf- und Ausbau tragfähiger Strukturen für die Integrationsarbeit von Migrantenorganisationen,<br />

� Ausbau <strong>der</strong> Weiterbildungsangebote,<br />

� För<strong>der</strong>ung des bürgerschaftlichen Engagement in und durch Migrantenorganisationen,<br />

� positive Effekte <strong>der</strong> interkulturellen Öffnung <strong>der</strong> Gesellschaft für Migrantenorganisationen.<br />

In verschiedenen Gesprächen mit Vertretern von Migrantenorganisationen, Verbänden, Län<strong>der</strong>n,<br />

Kommunen, Einrichtungen und Forschung wurden die Ist-Situation, Handlungsbedarfe<br />

und För<strong>der</strong>modelle diskutiert. Es wurden umfangreiche Empfehlungen und praxisorientierte<br />

<strong>Umsetzung</strong>shinweise zusammengestellt. Dabei wurden konkrete Schritte vorgeschlagen, um<br />

die Arbeit <strong>der</strong> Migrantenorganisationen zu unterstützen, ihnen ein langfristiges Engagement<br />

in <strong>der</strong> Integrationsför<strong>der</strong>ung zu ermöglichen und damit auch ihre Kompetenzen und Ressourcen<br />

gezielt zu nutzen.<br />

Einige <strong>der</strong> Ideen, die in den Empfehlungen ausgeführt werden:<br />

Strukturaufbau <strong>der</strong> Migrantenorganisationen<br />

Diskutiert wurden Möglichkeiten, um die Partizipation von Migrantenorganisationen an För<strong>der</strong>strukturen<br />

zu erleichtern. Dabei müssen die unterschiedlichen Unterstützungsbedarfe<br />

gesehen werden: Viele ehrenamtlich aufgestellte Migrantenorganisationen benötigen zuvör<strong>der</strong>st<br />

eine Grundausstattungsför<strong>der</strong>ung (bspw. Geschäftsräume, technische Ausstattung wie<br />

PC, Schreibtisch). Daneben benötigen Migrantenorganisationen auch eine infrastrukturelle<br />

För<strong>der</strong>ung (z. B. eine minimale Regelfinanzierung von Personal- und Sachkosten).<br />

30


Bartels: Migrantenorganisationen in <strong>der</strong> Integrationsför<strong>der</strong>ung – Erfahrungen und Empfehlungen<br />

_________________________________________________________________________________<br />

Im Fokus war darüber hinaus die Frage, wie die Beteiligung von Migrantenorganisationen an<br />

<strong>der</strong> Projektför<strong>der</strong>ung gestärkt werden kann. Diskutiert wurden dabei z. B. Lösungen für den<br />

vom Zuwendungsgeber meist gefor<strong>der</strong>ten Eigenmittelanteil: z. B. durch Anrechnung ehrenamtlicher<br />

Arbeit auf den finanziellen Eigenanteil <strong>der</strong> Migrantenorganisationen. Hinterfragt<br />

wurde beispielsweise auch, ob auf die von einigen För<strong>der</strong>programmen gefor<strong>der</strong>te bundesweite<br />

Tätigkeit des Antragstellers verzichtet werden kann, damit auch lokal agierende<br />

Migrantenorganisationen (bzw. grundsätzlich kleine lokale Organisationen) in den Genuss<br />

einer För<strong>der</strong>ung gelangen können.<br />

Ausbau <strong>der</strong> Weiterbildungsangebote<br />

Ein weiteres wichtiges Thema war die Frage nach einem Ausbau <strong>der</strong> Weiterbildungsmaßnahmen<br />

für Migrantenorganisationen. Aus Sicht <strong>der</strong> beteiligten Experten sind folgende Aspekte<br />

in diesem Zusammenhang beson<strong>der</strong>s wichtig:<br />

� Entwicklung von Qualifizierungs-/Weiterbildungsangeboten für Migrantenorganisationen;<br />

� das Beratungsangebot für Migrantenorganisationen sollte ausgedehnt werden;<br />

� Informationsfluss über För<strong>der</strong>mittel verbessern;<br />

� Kooperation zwischen etablierten Trägern <strong>der</strong> Integrationsför<strong>der</strong>ung, z. B. Wohlfahrtsverbänden<br />

o<strong>der</strong> Einrichtungen <strong>der</strong> Engagementför<strong>der</strong>ung und Migrantenorganisationen;<br />

� stärkere Vernetzung zwischen etablierten Trägern und Migrantenorganisationen;<br />

� Einbeziehung von Migrantenorganisationen in die bestehenden Integrationsnetzwerke<br />

vor Ort und in die Entwicklung von Integrationskonzepten.<br />

Interkulturelle Öffnung<br />

Angesprochen wurden auch Möglichkeiten, die bereits bestehenden Aktivitäten zur interkulturellen<br />

Öffnung auf Seiten <strong>der</strong> Verwaltung, bei bestehenden Einrichtungen und Angebote zu<br />

stärken und eine engere Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen hierbei zu unterstützen.<br />

Eine partnerschaftliche und mitgestaltende Kooperation zwischen Migrantenorganisationen<br />

und öffentlichen und privaten Einrichtungen und Verbänden (z. B. Wohlfahrtsverbände,<br />

Bildungsträger) kann <strong>der</strong>en interkulturelle Öffnung nachhaltig stärken.<br />

Ausblick<br />

Die Empfehlungen des bundesweiten Integrationsprogramms sollen mit den zuständigen<br />

Ressorts abgestimmt und im Anschluss veröffentlicht werden. Einzelne Themen werden<br />

dann weiter vertieft und <strong>Umsetzung</strong>sprozesse angestoßen, z. B. in Form von Modellprojekten.<br />

Das Integrationsprogramm zeigt sich damit als Prozess und nicht nur als eine Publikation.<br />

31


Bartels: Migrantenorganisationen in <strong>der</strong> Integrationsför<strong>der</strong>ung – Erfahrungen und Empfehlungen<br />

_________________________________________________________________________________<br />

III. För<strong>der</strong>ung von Migrantenorganisationen: Erfahrungen und Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

Das Bundesamt för<strong>der</strong>t flankierend zu den gesetzlichen Integrationsangeboten Projekte zur<br />

sozialen und gesellschaftlichen Einglie<strong>der</strong>ung von jugendlichen und erwachsenen Zuwan<strong>der</strong>ern<br />

mit dauerhafter Bleibeperspektive.<br />

Gemeinsame För<strong>der</strong>richtlinien von BMI und BMFSFJ<br />

Grundlage sind die am 1. März 2010 in Kraft getretenen För<strong>der</strong>richtlinien für Maßnahmen zur<br />

gesellschaftlichen und sozialen Integration von Zuwan<strong>der</strong>ern. För<strong>der</strong>fähig sind sowohl Maßnahmen<br />

zur sozialen und gesellschaftlichen Integration von Neuzuwan<strong>der</strong>ern als auch Maßnahmen<br />

<strong>der</strong> nachholenden Integration. Die Mitwirkung von Migrantenorganisationen wird<br />

in den neuen För<strong>der</strong>richtlinien erstmals ausdrücklich hervorgehoben.<br />

Ziele <strong>der</strong> Projektför<strong>der</strong>ung sind<br />

� Stärkung <strong>der</strong> Kompetenzen <strong>der</strong> Zuwan<strong>der</strong>er (insbeson<strong>der</strong>e soziale Kompetenzen und<br />

Erziehungskompetenz <strong>der</strong> Eltern);<br />

� Verbesserung <strong>der</strong> gesellschaftlichen Teilhabe <strong>der</strong> Zuwan<strong>der</strong>er (z. B. durch Stärkung<br />

des bürgerschaftlichen Engagements und gleichberechtigte Teilhabe von Mädchen<br />

und Frauen mit Migrationshintergrund);<br />

� För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> gegenseitigen Akzeptanz von Zuwan<strong>der</strong>ern und Einheimischen (und<br />

damit eine Verbesserung des Zusammenlebens vor Ort);<br />

� Stärkung <strong>der</strong> Teilhabe von Migrantenorganisationen.<br />

Die Projektför<strong>der</strong>ung konzentriert sich auf innovative, gemeinwesen- und ressourcenorientierte<br />

Integrationsmaßnahmen, in denen an die mitgebrachten Talente, Kompetenzen und<br />

Qualifikationen <strong>der</strong> jugendlichen Zuwan<strong>der</strong>er angeknüpft wird, um <strong>der</strong>en Selbstwertgefühl<br />

und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu steigern (Hilfe zur Selbsthilfe, Empowerment).<br />

In Zusammenarbeit mit zahlreichen Verbänden, Vereinen, Stiftungen, Initiativen sowie<br />

Behörden auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene werden bundesweit jährlich rund<br />

400 bis 450 Projekte durchgeführt. Dafür werden im Jahr 2010 Bundesmittel in Höhe von<br />

rund 21 Mio. € zur Verfügung gestellt.<br />

Erfahrungen und Herausfor<strong>der</strong>ungen aus <strong>der</strong> Projektför<strong>der</strong>ung<br />

Die Projekte wurden bisher von den Wohlfahrtsverbänden und zahlreichen Verbänden und<br />

Vereinen, Vertriebenenorganisationen und Kommunen durchgeführt. Eine systematische und<br />

gleichberechtigte Einbeziehung und Nutzung <strong>der</strong> Kompetenzen von Migrantenorganisationen<br />

in die Gestaltung von Integrationsangeboten sowie eine systematische För<strong>der</strong>ung von<br />

Migrantenorganisationen als Akteure <strong>der</strong> Integrationsför<strong>der</strong>ung hat bisher nur punktuell stattgefunden.<br />

So sind die Migrantenorganisationen im Rahmen <strong>der</strong> Projektför<strong>der</strong>ung bislang nur<br />

in geringem Umfang eigenständige Projektträger. In 2008 konnten von 400 vom Bundesamt<br />

geför<strong>der</strong>ten Projekten lediglich 33 Projekte (8 %) von Migrantenorganisationen durchgeführt<br />

werden.<br />

Damit sich dies än<strong>der</strong>t, hat das Bundesamt am 31.10.2008 eine vielfach beachtete Informationsveranstaltung<br />

für Migrantenorganisationen durchgeführt, an <strong>der</strong> über 120 Vertreter <strong>der</strong><br />

verschiedensten Migrantenorganisationen teilgenommen haben. Im För<strong>der</strong>jahr 2009 gingen<br />

über 10 % <strong>der</strong> zur Projektför<strong>der</strong>ung zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel an Migrantenorganisationen.<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> Projektauswahl 2009 konnte <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> bewilligten<br />

Neuanträge von Migrantenorganisationen nahezu verdreifacht werden.<br />

32


Bartels: Migrantenorganisationen in <strong>der</strong> Integrationsför<strong>der</strong>ung – Erfahrungen und Empfehlungen<br />

_________________________________________________________________________________<br />

Im Rahmen von Beratungsgespräche mit Verbänden, Vereinen und Migrantenorganisationen<br />

haben wir eine Vielzahl an unterschiedlichen Erkenntnissen gewinnen können.<br />

Kompetenzen von Migrantenorganisationen<br />

Die Migrantenorganisationen sind eine wichtige Interessenvertretung für Menschen mit<br />

Migrationshintergrund und leisten vielfältige Integrationsarbeit vor Ort. Migrantenorganisationen<br />

bringen eine Reihe von Kompetenzen mit:<br />

� Sie kennen die Bedarfe von Migranten.<br />

� Sie haben häufig besseren Zugang zu verschiedenen Migrantengruppen.<br />

� Vertreter <strong>der</strong> Migrantenorganisationen können ihre sprachlichen und (inter-) kulturellen<br />

Kompetenzen im Kontakt mit Migranten einbringen und damit als Brückenbauer<br />

agieren.<br />

� Migrantenorganisationen genießen das Vertrauen und den Respekt von Migranten.<br />

� Das Engagement von Migrantenorganisationen (etwa im Bildungsbereich) kann in erheblichem<br />

Umfang zu mehr Partizipation beitragen.<br />

Bedarfe von Migrantenorganisationen<br />

Die Erfahrungen zeigen, dass, um sich beteiligen zu können o<strong>der</strong> entsprechende Projekte<br />

durchzuführen, viele Migrantenorganisationen spezifische Qualifizierungsangebote benötigen,<br />

da sie meist ehrenamtlich tätig sind und kaum über hauptamtliche Strukturen verfügen.<br />

Sie benötigen insbeson<strong>der</strong>e:<br />

� Organisationsberatung und Entwicklungsbegleitung, die konkret am Entwicklungsstand<br />

und den Bedürfnissen <strong>der</strong> jeweiligen Organisation anknüpfen;<br />

� mehr fachliche Beratung und Fortbildung (insbeson<strong>der</strong>e Vereinsrecht, Vereinsmanagement);<br />

� aufeinan<strong>der</strong> abgestimmte, bezahlbare und auf die Bedürfnisse <strong>der</strong> Migrantenorganisationen<br />

ausgerichtete Weiterbildungsangebote;<br />

� Möglichkeiten zum bundesweiten Austausch;<br />

� besseren Zugang zu För<strong>der</strong>mitteln und<br />

� mehr gesellschaftliche Anerkennung.<br />

<strong>Umsetzung</strong> <strong>der</strong> Empfehlungen im Rahmen <strong>der</strong> Projektför<strong>der</strong>ung<br />

Das Bundesamt hat bereits viele <strong>der</strong> im Integrationsprogramm entwickelten und oben exemplarisch<br />

dargestellten Empfehlungen zur Stärkung von Migrantenorganisationen umgesetzt,<br />

insbeson<strong>der</strong>e im Rahmen <strong>der</strong> eigenen Projektför<strong>der</strong>ung:<br />

� Die Projektför<strong>der</strong>ung hat ihre För<strong>der</strong>kriterien stärker interkulturell geöffnet. Migrantenorganisationen<br />

werden zukünftig insbeson<strong>der</strong>e durch folgende Ansätze stärker geför<strong>der</strong>t:<br />

o Die neue För<strong>der</strong>richtlinie sieht erstmals ausdrücklich eine umfassende Mitwirkung<br />

von Migrantenorganisationen an <strong>der</strong> Integrationsför<strong>der</strong>ung vor.<br />

o Das Bundesamt hat verstärkt Migrantenorganisationen mit <strong>der</strong> Durchführung<br />

gemeinwesenorientierter Projekte beauftragt, <strong>der</strong> Projektanteil wurde bei neuen<br />

Projekten verdreifacht. Diese Projekte erfor<strong>der</strong>n zum Teil eine erhöhte Beratungstätigkeit<br />

und enge Begleitung durch das Bundesamt, insbeson<strong>der</strong>e<br />

durch die Regionalkoordinatoren vor Ort. Beratung ist aber auch bei <strong>der</strong> Projektabwicklung<br />

wie z. B. <strong>der</strong> Abrechnung im Rahmen <strong>der</strong> Verwendungsnachweise<br />

nötig.<br />

33


Bartels: Migrantenorganisationen in <strong>der</strong> Integrationsför<strong>der</strong>ung – Erfahrungen und Empfehlungen<br />

_________________________________________________________________________________<br />

o Zugleich wird vermehrt Beratung für Migrantenorganisationen zur Projektkonzeption<br />

und Antragstellung angeboten, z. B. über die Regionalkoordinatoren<br />

aber auch über die För<strong>der</strong>referate in <strong>der</strong> Zentrale des Bundesamtes.<br />

o Verstärkte För<strong>der</strong>ung von Weiterbildungsmaßnahmen für Migrantenorganisationen<br />

wie etwa Multiplikatorenschulungen und inhaltliche und organisationenbezogene<br />

Qualifizierungsmaßnahmen.<br />

o Eine fachliche und wissenschaftliche Begleitung/Evaluation ist z. B. im Rahmen<br />

<strong>der</strong> 15 Modellprojekte zur verstärkten Partizipation von MO-Projekten<br />

vorgesehen.<br />

� Das Bundesamt wird seine Zusammenarbeit und Unterstützung von Migrantenorganisationen<br />

in 2010 weiter ausbauen. Am 7. Mai 2010 findet im Bundesamt eine zweite<br />

Tagung mit Migrantenorganisationen unter dem Motto „Kompetenzen nutzen –<br />

Migrantenorganisationen stärken“ statt. Im Gegensatz zu dem Treffen im Jahr 2008,<br />

das von Vorträgen dominiert war, steht diesmal <strong>der</strong> Arbeitscharakter im Vor<strong>der</strong>grund.<br />

Neben Informationen zu den Fortschritten seit <strong>der</strong> letzten Veranstaltung sowie einem<br />

Impulsreferat besteht die Gelegenheit, sich im Rahmen des sog. World-Café ausführlich<br />

zu den Themenkomplexen<br />

o Kooperationsprojekte mit Migrantenorganisationen – Erfahrungen mit Tandems<br />

o Elternbildung in und mit Migrantenorganisationen<br />

o Interkulturelle Öffnung von Migrantenorganisationen, Verbänden und Verwaltung<br />

zu äußern. Ergebnisse werden zum Abschluss <strong>der</strong> Konferenz präsentiert und besprochen.<br />

IV. Modellprojekte zur verstärkten Partizipation von Migrantenorganisationen<br />

Anschließend möchte ich Ihnen erläutern, warum wir 15 Modellprojekte zur verstärkten Partizipation<br />

von Migrantenorganisationen för<strong>der</strong>n und welche Ziele wir damit verfolgen.<br />

Das Bundesamt hat im September 2009 ein Interessenbekundungsverfahren durchgeführt.<br />

Dabei sollten aus einer möglichst großen Anzahl an Projektideen unterschiedliche Handlungsansätze<br />

und Themenfel<strong>der</strong> identifiziert werden, in denen verschiedene Kooperationsmöglichkeiten<br />

zwischen unterschiedlichen Trägern vom Tandem- bis zum Mentoringprojekt<br />

erprobt werden können. Die verschiedenen Formen <strong>der</strong> Zusammenarbeit sollten sowohl auf<br />

bundesweiter als auch auf lokaler Ebene erfolgen. Die zweijährige Modellphase erfolgt mit<br />

fachlicher Begleitung durch zwei Experten und wird durch verschiedene Veranstaltungen und<br />

Workshops unterstützt. Am Ende soll eine Dokumentation die Erfahrungen und Handlungsempfehlungen<br />

aus diesen Kooperationsprojekten festhalten.<br />

Ziele <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Modellprojekte sind<br />

1. Potenziale und Professionalität von Migrantenorganisationen stärken (Migrantenorganisationen<br />

sollen als Brückenbauer und Experten für eine bedarfsgerechte Ausrichtung<br />

<strong>der</strong> Integrationsför<strong>der</strong>ung verstärkt in die Integrationsarbeit vor Ort einbezogen<br />

werden. Erfahrene Träger sollen ihre vielfältigen Erfahrungen, Fachkenntnisse und<br />

Kontakte/Vernetzung einbringen);<br />

2. Verbesserung <strong>der</strong> Integrationsarbeit vor Ort durch stärkere Vernetzung (Durch Zusammenarbeit<br />

mit Migrantenorganisationen können neue Zielgruppen erreicht werden;<br />

Migrantenorganisationen sollen in die Integrationsnetze vor Ort verstärkt mit<br />

einbezogen werden);<br />

3. Beitrag zur interkulturellen Öffnung bei<strong>der</strong> Träger (Durch die Zusammenarbeit sollen<br />

die interkulturelle Kompetenz und das gegenseitige Verständnis verbessert werden).<br />

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Bartels: Migrantenorganisationen in <strong>der</strong> Integrationsför<strong>der</strong>ung – Erfahrungen und Empfehlungen<br />

_________________________________________________________________________________<br />

Die Modellprojekte sollen sich in folgenden Handlungsfel<strong>der</strong>n bewegen:<br />

� Ausbau interkultureller Kompetenz<br />

� Aktivierung von Jugendlichen<br />

� stärkere Teilhabe im Stadtteil/freiwilliges Engagement<br />

� Stärkung <strong>der</strong> Erziehungskompetenz.<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> Ausschreibung sind drei verschiedene Kooperationsmöglichkeiten vorgesehen:<br />

1. Tandempartnerschaft<br />

Bei einer Tandempartnerschaft arbeiten zwei Träger (Wohlfahrtsverband und Migrantenorganisation)<br />

zusammen, um ein Projekt zu beantragen (möglichst bereits gemeinsame Konzepterstellung)<br />

und durchzuführen. Beide Partner bringen unterschiedliche Stärken und fachliche<br />

Kompetenzen ein und können voneinan<strong>der</strong> lernen. Wie jede Partnerschaft funktioniert<br />

sie nur dann gut, wenn beide Seiten davon profitieren.<br />

Tandems bedürfen einer Vielzahl von Absprachen:<br />

� Wer stellt den Antrag, wird Zuwendungsempfänger und rechnet das Projekt gegenüber<br />

dem Zuwendungsgeber ab?<br />

� Wer ist verantwortlich und hält letztendlich den „Kopf“ hin?<br />

� Wer macht was im Projekt?<br />

� Was bedeutet „gleiche Augenhöhe“ für das Projekt und wie wird diese tatsächlich<br />

umgesetzt, damit sich keiner benachteiligt fühlt?<br />

� Wie sieht <strong>der</strong> Finanzierungsplan aus? Wer erhält was?<br />

� Wie viel Personal bei welchem Träger muss eingestellt werden?<br />

Wichtig ist dabei gegenseitiges Vertrauen. Vertrauen heißt, auch dem Kooperationspartner<br />

etwas zuzutrauen. Offenheit gegenüber neuen Ideen, Arbeitsformen und Handlungsperspektiven<br />

und Wertschätzung, um auf gleicher Augenhöhe arbeiten zu können, sind erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Der Vorteil <strong>der</strong> Tandems liegt darin, dass in <strong>der</strong> projektbezogenen Zusammenarbeit die fachlichen<br />

Kompetenzen bei<strong>der</strong> Partner miteinan<strong>der</strong> gebündelt und effektiv eingesetzt werden<br />

können. Bei <strong>der</strong> Finanzierung sollte berücksichtigt werden, dass in einem Tandemprojekt<br />

zwei Träger tätig sind und dementsprechend ein höherer Zuwendungsbedarf besteht. Tandemprojekte<br />

kommen hauptsächlich in Betracht, wenn die MO bereits über Projekterfahrung<br />

und (geringe) hauptamtliche Strukturen o<strong>der</strong> zumindest gut ausgebaute ehrenamtliche Strukturen<br />

verfügt.<br />

2. Kooperationspartnerschaft<br />

Im Unterschied zur Tandempartnerschaft bezeichnet Kooperation eine losere Form <strong>der</strong> Zusammenarbeit,<br />

bei <strong>der</strong> die Beteiligten selbstständig bleiben. Auch auf dieser Ebene bietet<br />

Kooperation mit Migrantenorganisationen vielfältige Möglichkeiten, die eigene Projektarbeit<br />

zu stärken und Synergien zu nutzen. Kooperationsformen können sein:<br />

� Die Zusammenarbeit erfolgt nur während <strong>der</strong> inhaltlichen Vorarbeiten (indem beispielsweise<br />

die Erfahrungen des jeweiligen an<strong>der</strong>en Trägers in das Konzept aufgenommen<br />

werden), die <strong>Umsetzung</strong> erfolgt dann nur durch einen Träger, auf den sich<br />

beide Seiten geeinigt haben.<br />

� Die Zusammenarbeit erfolgt nur hinsichtlich einer Zielgruppe, zu <strong>der</strong>en Erreichung<br />

beispielsweise eine Migrantenorganisation (zeitweise) mit eingebunden wird und hierfür<br />

ein Honorar/Vergütung für ehrenamtliche Tätigkeiten erhält.<br />

35


Bartels: Migrantenorganisationen in <strong>der</strong> Integrationsför<strong>der</strong>ung – Erfahrungen und Empfehlungen<br />

_________________________________________________________________________________<br />

� Eine weitere Kooperationsmöglichkeit wäre, dass ein etablierter Träger eine Migrantenorganisation<br />

hinsichtlich Antragstellung und Abrechnung/Nachweis unterstützt,<br />

aber die inhaltliche Durchführung <strong>der</strong> Migrantenorganisation überlässt.<br />

Kooperationen sind einfacher zu vereinbaren und durchzuführen, haben aber den Nachteil,<br />

dass Migrantenorganisationen sich häufig ausgenutzt fühlen, da sie an <strong>der</strong> bewilligten Summe<br />

kaum teilhaben und ihre Leistung kostenfrei zur Verfügung stellen (müssen).<br />

3. Mentoring<br />

Ein solches Projekt dient <strong>der</strong> Professionalisierung und Entwicklungsbegleitung <strong>der</strong> MO. Hier<br />

ist die Unterstützung durch den erfahrenen Träger Schwerpunkt <strong>der</strong> Projektdurchführung.<br />

Ziel eines solchen Mentoringprojektes kann z. B. <strong>der</strong> Aufbau von Strukturen bei <strong>der</strong> MO o<strong>der</strong><br />

die Gründung eines rechtsfähigen Vereins sein.<br />

Allgemein zur Zusammenarbeit:<br />

Wir legen Wert darauf, dass Migrantenorganisationen von Anfang an in die Erstellung von<br />

Integrationskonzepten einbezogen werden, um aktiv mitgestalten zu können und nicht lediglich<br />

Objekt <strong>der</strong> Maßnahmen zu sein. Durch die Mitwirkung beim Projekt erfahren die Migrantenorganisationen<br />

eine Stärkung:<br />

� Sie können sich mit ihren Kompetenzen, ihren Erfahrungen, ihren Zugangsmöglichkeiten<br />

in die Projektarbeit einbringen.<br />

� Sie lernen, wie Anträge formuliert werden müssen und welche Möglichkeiten es für<br />

eine För<strong>der</strong>ung gibt.<br />

� Sie lernen die Ansprechpartner in den Behörden vor Ort kennen.<br />

� Sie werden vom Integrationsnetzwerk, in dem sie (evtl. gemeinsam mit einem etablierten<br />

Träger) das Projekt vorstellen, als ernstzunehmen<strong>der</strong> Partner wahrgenommen.<br />

� Sie werden mit ihrer Arbeit in <strong>der</strong> Öffentlichkeit wahrgenommen.<br />

� Hierdurch wird es für sie einfacher, Gel<strong>der</strong> zu akquirieren (z. B. Kommunen, Sparkassen,<br />

Rotary Club und sonstige Sponsoren)<br />

� Sie lernen, wie Projekte gegenüber dem Zuwendungsgeber abzurechnen sind und<br />

erfahren Anerkennung.<br />

� Im Rahmen <strong>der</strong> Projektför<strong>der</strong>ung können sie damit auch die Struktur ihrer Organisation<br />

stärken und verstärkt Mitglie<strong>der</strong> für die ehrenamtliche Tätigkeit werben.<br />

Welche Migrantenorganisationen kommen für eine Zusammenarbeit in Betracht?<br />

Wichtig ist uns im Rahmen <strong>der</strong> Projektför<strong>der</strong>ung insbeson<strong>der</strong>e mit Migrantenorganisationen<br />

zusammenzuarbeiten, die sich interkulturell geöffnet haben und möglichst nicht nur eine<br />

Ethnie vertreten, um einer möglichen Zersplitterung <strong>der</strong> Integrationsarbeit vorzubeugen. Allerdings<br />

kann es auch Sinn machen, mit einer Migrantenorganisation, die nur eine Ethnie<br />

vertritt, zusammenzuarbeiten, um gerade diese Zielgruppe (beispielsweise Muslime) besser<br />

zu erreichen (z. B. in Moscheen).<br />

Auswahlkriterien<br />

Die Ausschreibung des Bundesamtes ist erfreulicherweise auf eine sehr große Resonanz<br />

gestoßen. Insgesamt gingen über 200 Projektideen und –skizzen ein. Diese wurden in einer<br />

großen Übersicht erfasst und nach verschiedenen Kriterien bewertet.<br />

36


Bartels: Migrantenorganisationen in <strong>der</strong> Integrationsför<strong>der</strong>ung – Erfahrungen und Empfehlungen<br />

_________________________________________________________________________________<br />

Das Bundesamt hat <strong>der</strong> Beurteilung <strong>der</strong> eingereichten Interessenbekundungen u. a. folgende<br />

Kriterien zugrunde gelegt:<br />

� För<strong>der</strong>fähigkeit: Nur ein grundsätzlich för<strong>der</strong>fähiges Projekt kann für die För<strong>der</strong>ung im<br />

Rahmen <strong>der</strong> ausgeschriebenen Modellprojekte ausgewählt werden.<br />

� Art <strong>der</strong> geplanten Zusammenarbeit: Eine <strong>der</strong> drei vorgegebenen Kooperationsformen<br />

muss gewählt werden. Am höchsten wurde bewertet, wenn die Träger eine Tandempartnerschaft<br />

anstreben, bei <strong>der</strong> sie zusammen ein Projekt beantragen, um es anschließend<br />

gemeinsam umzusetzen. Die Partner bringen während <strong>der</strong> gesamten Projektlaufzeit<br />

unterschiedliche Stärken und fachliche Kompetenzen ein und können<br />

voneinan<strong>der</strong> lernen.<br />

� Art <strong>der</strong> Migrantenorganisation: Wichtig ist, dass insbeson<strong>der</strong>e mit Migrantenorganisationen<br />

zusammengearbeitet werden soll, die sich interkulturell geöffnet haben. Ebenfalls<br />

wirkt es sich positiv aus, wenn es sich um eine landes- o<strong>der</strong> bundesweit tätige<br />

o<strong>der</strong> eine spezifische Migrantenorganisation wie eine Frauen- o<strong>der</strong> Jugendmigrantenorganisation<br />

handelt.<br />

� Art des etablierten Trägers: Bevorzugt werden Träger, die bereits gewisse Erfahrung<br />

in <strong>der</strong> Migrationsarbeit haben, möglichst interkulturell geöffnet sind und die auch bereit<br />

sind zu einer offenen interkulturellen Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen.<br />

Das Auswahlverfahren wurde Ende November 2009 abgeschlossen, und alle 15 Modellprojekte<br />

haben noch im Dezember den Bewilligungsbescheid erhalten. Alle Projekte werden eng<br />

fachlich wissenschaftlich begleitet durch Frau Dr. Beer und Herrn Dr. Ernst und durch die<br />

Regionalkoordinatoren des Bundesamtes mindestens einmal besucht.<br />

V. Empfehlungen an die Wohlfahrtsverbände<br />

Zusammenfassend möchte ich die anwesenden Vertreter <strong>der</strong> <strong>Caritas</strong> zu einer verstärkten<br />

Kooperation mit Migrantenorganisationen aufrufen. Es gibt wie soeben dargestellt vielfältige<br />

Möglichkeiten <strong>der</strong> Zusammenarbeit zwischen Wohlfahrtsverbänden und Migrantenorganisationen.<br />

Dabei ist zu beachten, dass beide Seiten lernen müssen, mit einem strukturellen Ungleichgewicht<br />

umzugehen:<br />

Wohlfahrtsverbände sind große, bundesweit agierende Organisationen, die über eine gesicherte<br />

Grundfinanzierung und eine mächtige Struktur mit vielen hauptamtlichen Mitarbeitern<br />

verfügen. Da diese meist seit vielen Jahren in <strong>der</strong> Integrationsarbeit tätig sind und entsprechende<br />

Schulungsmöglichkeiten haben bzw. finanzieren können, verfügen sie über ein umfassendes<br />

Know-how auf diesem Gebiet. Zudem haben die Wohlfahrtsverbände sehr gute<br />

politische wie auch außerpolitische Kontakte sowohl auf Bundes- als auch auf Landes- und<br />

Ortsebene und sind überall aufgrund ihrer umfassenden Öffentlichkeitsarbeit sehr bekannt<br />

und anerkannt.<br />

Migrantenorganisationen sind dagegen häufig nur auf örtlicher Ebene aktiv und verfügen<br />

aufgrund ihrer überwiegend ehrenamtlichen und ortsgebundenen Struktur kaum über hauptamtliche<br />

Mitarbeiter. In <strong>der</strong> Öffentlichkeit sind Migrantenorganisationen bis auf wenige Ausnahmen<br />

kaum bekannt und verfügen über wenig politische Kontakte.<br />

Überlegungen zum Auffangen des strukturellen Ungleichgewichts<br />

Das strukturelle Ungleichgewicht von etablierten Trägern und Migrantenorganisationen kann<br />

ein Problem für eine Partnerschaft sein. Hierüber müssen sich beide Partner im Klaren sein<br />

und vor Beginn einer Partnerschaft (ob Tandemprojekt o<strong>der</strong> losere Kooperation) offen sprechen.<br />

Wenn eine Migrantenorganisation eine Partnerschaft mit einem etablierten Träger eingeht,<br />

hat sie insbeson<strong>der</strong>e auch das Interesse, ihre Strukturen zu verbessern und hierauf<br />

sollte sich <strong>der</strong> etablierte Träger auch einlassen, denn er profitiert umgekehrt von den guten<br />

Zugangsmöglichkeiten <strong>der</strong> Migrantenorganisation. Häufig wird es notwendig sein, dass die<br />

37


Bartels: Migrantenorganisationen in <strong>der</strong> Integrationsför<strong>der</strong>ung – Erfahrungen und Empfehlungen<br />

_________________________________________________________________________________<br />

Beantragung und die Abrechnung des Projekts aufgrund <strong>der</strong> vorhandenen Strukturen über<br />

den etablierten Träger erfolgt. Aber es macht auch durchaus Sinn, zur Stärkung <strong>der</strong> Strukturen<br />

dies <strong>der</strong> Migrantenorganisation zu überlassen und sie hierbei entsprechend zu unterstützen.<br />

Aufgrund ihrer meist ehrenamtlichen Struktur sind Migrantenorganisationen kaum in <strong>der</strong> Lage<br />

einen höheren Eigenmittelanteil einzubringen. Das Bundesamt nimmt darauf Rücksicht.<br />

Dies bedeutet keine Ungleichbehandlung <strong>der</strong> etablierten Träger, vielmehr ist <strong>der</strong> Eigenmittelanteil<br />

nach den Vorgaben <strong>der</strong> BHO in jedem Einzelfall individuell zu prüfen und hängt von<br />

<strong>der</strong> finanziellen Ausstattung <strong>der</strong> jeweiligen Organisation ab.<br />

Wichtig ist, dass Migrantenorganisationen von Anfang an in die Erstellung von Integrationskonzepten<br />

einbezogen werden, um aktiv mitgestalten zu können.<br />

Fazit:<br />

Ziel des Bundesamtes ist, Migrantenorganisationen künftig verstärkt und in angemessenem<br />

Umfang an <strong>der</strong> Projektför<strong>der</strong>ung zu beteiligen. Die Wohlfahrtsverbände sollten die verstärkte<br />

Berücksichtigung von Migrantenorganisationen als Chance begreifen und diese soweit wie<br />

möglich in die Projekte, die sie beantragen und durchführen, einbeziehen.<br />

Durch ihre beson<strong>der</strong>en Zugangsmöglichkeiten können Migrantenorganisationen helfen, neue<br />

Zuwan<strong>der</strong>ergruppen für die Wohlfahrtsverbände zu erschließen. Migrantenorganisationen<br />

können als Brückenbauer und Experten für die Bedarfe <strong>der</strong> Zuwan<strong>der</strong>er dazu beitragen, Zuwan<strong>der</strong>er<br />

schneller und besser zu erreichen, da sie <strong>der</strong>en Hintergründe und Interessen besser<br />

kennen. Sie können die Zuwan<strong>der</strong>er dort aufsuchen, wo sie sich aufhalten (z. B. in Moscheen)<br />

und finden einen besseren/einfacheren Zugang zu ihnen. Durch ihre umfassenden<br />

Erfahrungen im ehrenamtlichen Bereich, gelingt es ihnen besser, Zuwan<strong>der</strong>er für die ehrenamtliche<br />

Mitarbeit zu gewinnen.<br />

Die Wohlfahrtsverbände sollten Migrantenorganisationen daher nicht als Konkurrenz ansehen,<br />

son<strong>der</strong>n als Belebung <strong>der</strong> Integrationsarbeit und gleichwertige Partner. Migrantenorganisationen<br />

können gerade in Zusammenarbeit mit einem in <strong>der</strong> Integrationsarbeit erfahrenen<br />

Wohlfahrtsverband einen wesentlichen Beitrag zur Optimierung <strong>der</strong> Integrationsarbeit leisten.<br />

Auch wenn es nicht sofort zu einer Tandempartnerschaft kommt, sollten zumindest feste<br />

Kooperationen mit Migrantenorganisationen angestrebt werden.<br />

Migrantenorganisationen können einen Beitrag zur interkulturellen Öffnung von Wohlfahrtsverbänden,<br />

Vereinen und Einrichtungen leisten. Entscheidend ist, dass <strong>der</strong> Dialog „auf Augenhöhe“<br />

stattfindet.<br />

38


Küçük: Potenziale und Grenzen <strong>der</strong> Migrantenorganisationen in <strong>der</strong> Integrationsarbeit<br />

_________________________________________________________________________________<br />

2.5 Potenziale und Grenzen <strong>der</strong> Migrantenorganisationen in <strong>der</strong> Integrationsarbeit<br />

Kenan Küçük, Geschäftsführer Multikulturelles Forum e.V. und Sprecher des Forums<br />

<strong>der</strong> Migrantinnen und Migranten im Paritätischen<br />

Potenziale <strong>der</strong> Migrantenorganisationen<br />

� Migrantenorganisationen leisten einen wichtigen Beitrag zur Integration und sollten<br />

geför<strong>der</strong>t und gestärkt werden.<br />

� Beitrag <strong>der</strong> Migrantenorganisationen:<br />

o Mittlerfunktion<br />

o Interessenvertretung<br />

o Identitätsstärkung<br />

o Pflege des kulturellen Kapitals<br />

o Stärkung sozialer Kompetenzen<br />

o Präventions- und Dienstleistungsaufgaben<br />

o Aufbau von Netzwerken<br />

o Selbsthilfe<br />

o Ansprechpartner für Verwaltung und Politik<br />

� Migrantenorganisationen sind in zweierlei Hinsicht wichtig für die Integration: Zum einen<br />

können Migrant(inn)en, die sich häufig politisch nicht beteiligen können, sich<br />

durch dieses Engagement in die Gesellschaft einbringen. Sie werden aktiv und ihre<br />

Kompetenzen werden sichtbar und nutzbar. Zum an<strong>der</strong>en führt dieses Engagement<br />

zu einer gemeinsamen Bewältigung von Problemen, die auch eine gegenseitige Akzeptanz<br />

ermöglicht.<br />

� Migrantenorganisationen tragen zur interkulturellen Öffnung von Einrichtungen und<br />

Behörden bei, mit denen sie kooperieren; sie sensibilisieren für die Notwendigkeit <strong>der</strong><br />

gleichberechtigten Teilhabe.<br />

� Die Zahl <strong>der</strong> Migrantenorganisationen zeigt zweierlei: Zum einen macht sie deutlich,<br />

dass Defizite in den Betreuungsangeboten deutscher Wohlfahrtsverbände und an<strong>der</strong>er<br />

Organisationen die Gründung vielfältiger Migrantenorganisationen notwendig gemacht<br />

haben. Zum an<strong>der</strong>en macht sie deutlich: Migranten engagieren sich – aber<br />

an<strong>der</strong>s!<br />

Grenzen <strong>der</strong> Migrantenorganisationen<br />

� Migrantenorganisationen können staatliches Handeln nicht ersetzen; sie können Aufgaben<br />

<strong>der</strong> Integration nicht alleine erfüllen. Bereiche wie Bildungs-, Arbeitsmarkt- und<br />

Sozialpolitik bilden staatliche und gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die nicht ganz<br />

o<strong>der</strong> teilweise von Migrantenorganisationen übernommen werden können. Sie können<br />

diese Bereiche jedoch durch aktive Teilhabe mitgestalten.<br />

� Viele Migrantenorganisationen arbeiten auf ehrenamtlicher Basis. Sie sind häufig<br />

nicht professionalisiert, haben noch keine klaren Strukturen, erhalten nur wenig För<strong>der</strong>ung<br />

und sind häufig nicht in <strong>der</strong> Lage, bürokratische Hürden zu überwinden. Sie<br />

sollten in <strong>der</strong> Weiterbildung ihrer aktiven Mitglie<strong>der</strong> unterstützt werden.<br />

Kooperation mit Migrantenorganisationen – aber wie?<br />

� Menschen mit Migrationshintergrund sollten nicht immer als Zielgruppe von Integrationspolitik<br />

behandelt werden. Sie sind Mitglie<strong>der</strong> dieser Gesellschaft und sollten als<br />

eigenständige Akteure auf gleicher Augenhöhe behandelt werden.<br />

39


Küçük: Potenziale und Grenzen <strong>der</strong> Migrantenorganisationen in <strong>der</strong> Integrationsarbeit<br />

_________________________________________________________________________________<br />

� Migrantenorganisationen ermöglichen, dass man nicht über „die Migranten“ redet und<br />

entscheidet, son<strong>der</strong>n gemeinsam mit ihnen. Hierfür muss ihnen jedoch auch das entsprechende<br />

Forum gegeben werden. Integration muss als beidseitiger Prozess verstanden<br />

werden, in dem auch Vertreter bestehen<strong>der</strong> Strukturen bereit sind, diesen<br />

Wandel zu vollziehen.<br />

40


Riesgo: Empowerment von Migrantenorganisationen<br />

_________________________________________________________________________________<br />

2.6 Empowerment von Migrantenorganisationen – Zusammenarbeit zwischen Wohlfahrtsverbänden<br />

und Migrantenorganisationen gestalten<br />

Vicente Riesgo, Fachberater des Bundes <strong>der</strong> Spanischen Elternvereine und Vorsitzen<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Spanischen Weiterbildungsakademie<br />

1. Grundvoraussetzungen für eine auf Empowerment ausgerichtete Zusammenarbeit<br />

<strong>der</strong> Wohlfahrtsverbände mit Migrantenorganisationen:<br />

� Wissen und verinnerlichte Überzeugung, dass Migrantenorganisationen Stärken<br />

haben, sehr wichtige Funktionen im Migrationsprozess erfüllen und eine überwiegend<br />

positive Rolle bei <strong>der</strong> Integration spielen (können)<br />

� (Selbst)kritische Reflexion <strong>der</strong> Wohlfahrtsverbände über ihre langjährige Einstellung<br />

zu Migrantenorganisationen (Misstrauen, Geringschätzung, Defizitansatz ↔ Empowerment)<br />

2. Funktionen <strong>der</strong> Migrantenorganisationen im Migrationsprozess:<br />

� Erfahrung von Selbsthilfe, kollektiver Solidarität und Organisationsfähigkeit<br />

� Brücke zwischen Herkunfts- und Zielgesellschaft (Integration statt Assimilation und<br />

Verdrängung)<br />

� Anker und Ruhepunkte im multikulturellen Leben<br />

� Selbstbestimmte Ergreifung des Wortes (Bedürfnisse, Interessen, Wünsche artikulieren/Handlungsstrategien<br />

entwickeln)<br />

3. Kriterien zur Gestaltung erfolgreicher Zusammenarbeit zwischen Wohlfahrtsverbänden<br />

und Migrantenorganisationen:<br />

� Zusammenarbeit soll langfristig, strukturell und nachhaltig angestrebt und konzipiert<br />

werden<br />

� Wohlfahrtsverbände ermöglichen den Migrantenorganisationen ihre eigene Bedarfsanalyse<br />

zu machen und nehmen diese Ernst<br />

� Wohlfahrtsverbände und Migrantenorganisationen wirken zusammen und gleichberechtigt<br />

an <strong>der</strong> Planung, Durchführung und Auswertung <strong>der</strong> gemeinsam durchgeführten<br />

Maßnahmen<br />

� Wohlfahrtsverbände respektieren die Autonomie <strong>der</strong> Migrantenorganisationen<br />

� Wohlfahrtsverbände entwickeln neue, kooperative, offene Formen <strong>der</strong> Zusammenarbeit<br />

� Wohlfahrtsverbände för<strong>der</strong>n alles, was Migrantenorganisationen besser als sie<br />

selbst leisten können statt es selber tun zu wollen<br />

� Wohlfahrtsverbände erwarten nicht von Migrantenorganisationen, was diese nicht<br />

leisten können (Symmetrie – Asymmetrie)<br />

4. Was Zusammenarbeit scheitern lässt:<br />

� Wenn Migrantenorganisationen “zum Zugang zur Zielgruppe” missbraucht werden<br />

� Wenn Migrantenorganisationen als Lieferanten von Teilnehmer für Maßnahmen betrachtet<br />

werden<br />

� Wenn Migrantenorganisationen als Unterabteilungen o<strong>der</strong> Nebenstellen angesehen<br />

werden o<strong>der</strong> das Organigramm wichtiger ist als die Ziele<br />

� Wenn von Migrantenorganisationen immer nur ehrenamtliche Arbeit erwartet wird.<br />

41


Leipp: Migrantenorganisationen – Bekanntheit, Nutzung, Erwartungen<br />

_________________________________________________________________________________<br />

2.7 Migrantenorganisationen – Bekanntheit, Nutzung, Erwartungen. Ergebnisse aus<br />

<strong>der</strong> Sinus Migranten-Milieu®-Studie<br />

Thomas Leipp, Referent im Referat Migration und Integration, Deutscher <strong>Caritas</strong>verband<br />

Migrantenorganisationen - Bekanntheit, Nutzung, Erwartungen.<br />

Ergebnisse aus <strong>der</strong> Sinus Migranten-Milieu ® -Studie<br />

Expertenworkshop des Deutschen <strong>Caritas</strong>verbandes<br />

Migrantenorganisationen als Schlüssel zur selbstbestimmten Teilhabe von<br />

Menschen mit Migrationshintergrund<br />

23. März 2010, Fulda<br />

Thomas Leipp<br />

1. Hintergrund zur Studie und allgemeine Ergebnisse<br />

2. Bekanntheit und Nutzung von Migrantenorganisationen<br />

3. Erwartungen an Migrantenorganisationen<br />

4. Aktivitäten in „deutschen“ Organisationen<br />

5. Zusammenfassung <strong>der</strong> Ergebnisse<br />

1<br />

2<br />

42


Leipp: Migrantenorganisationen – Bekanntheit, Nutzung, Erwartungen<br />

_________________________________________________________________________________<br />

Zwischen 2006-2008 Durchführung einer Studie des Sinus-<br />

Instituts zur Erfassung unterschiedlicher Lebenswelten von<br />

Menschen mit Migrationshintergrund<br />

� 1. Phase 2006-2007: qualitative ethnographische Leitstudie<br />

→ über 100 Tiefeninterviews<br />

� 2. Phase 2008: Quantifizierung<br />

→ Befragung von 2.072 Personen mit Migrationshintergrund ab<br />

14 Jahren<br />

� Stichprobe ist empirische gesichert und repräsentativ für<br />

definierte Grundgesamtheit<br />

� Studie repräsentiert 17,4 % <strong>der</strong> Wohnbevölkerung<br />

Deutschlands = 11,3 Mio. Menschen<br />

Das DCV-Fragenprogramm<br />

– 4 Hauptthemen –<br />

� Soziale Dienste und Einrichtungen<br />

– Bekanntheit, Inanspruchnahme, Wichtigkeit<br />

� Migrantenorganisationen<br />

– Bekanntheit, Nutzung, Erwartungen<br />

� Einstellungen zur Einbürgerung<br />

– Status, Einbürgerungsabsicht, Vor- und Nachteile<br />

� Heiratsverhalten<br />

– Ethnische Homogenität <strong>der</strong> Partner, Heiratsalter,<br />

Einfluss <strong>der</strong> Familie auf die Eheschließung<br />

3<br />

4<br />

43


Leipp: Migrantenorganisationen – Bekanntheit, Nutzung, Erwartungen<br />

_________________________________________________________________________________<br />

Milieus werden als „real existierende Teilkulturen in unserer<br />

Gesellschaft mit gemeinsamen Sinn- und Kommunikationszusammenhängen<br />

in ihrer Alltagswelt“ verstanden.<br />

Es handelt sich dabei um eine Gruppe Gleichgesinnter mit<br />

ähnlichen:<br />

� Grund- und Wertorientierungen<br />

� Lebensstil<br />

� sozialen Lage<br />

� Lebensziel und Zukunftserwartung<br />

Die Migranten-Milieus in Deutschland 2008<br />

Milieu-Segmente nach © Sinus Sociovision<br />

hoch 1<br />

mittel 2<br />

niedrig 3<br />

Bürgerliche<br />

Migranten-Milieus<br />

A3<br />

Religiösverwurzeltes<br />

Milieu<br />

7%<br />

Soziale AI<br />

Lage<br />

Vormo<strong>der</strong>ne<br />

Tradition<br />

Konservativreligiös,<br />

strenge, rigide<br />

Grund- Wertvorstellungen,<br />

orientierung kulturelle Enklave<br />

Tradition<br />

AB12<br />

Statusorientiertes<br />

Milieu<br />

12%<br />

AB3<br />

Traditionelles<br />

Arbeitermilieu<br />

16%<br />

AII<br />

Ethnische Tradition<br />

Pflicht- und Akzeptanzwerte,<br />

materielle Sicherheit,<br />

traditionelle Moral<br />

Traditionsverwurzelte<br />

Migranten-Milieus<br />

B12<br />

Intellektuellkosmopolitisches<br />

Milieu<br />

11%<br />

B23<br />

Adaptives<br />

Bürgerliches Milieu<br />

16%<br />

B3<br />

Entwurzeltes<br />

Milieu<br />

9%<br />

BI<br />

Konsum-Materialismus<br />

Status, Besitz, Konsum,<br />

Aufstiegsorientierung,<br />

soziale Akzeptanz und<br />

Anpassung<br />

Mo<strong>der</strong>nisierung<br />

BII<br />

Individualisierung<br />

Selbstverwirklichung,<br />

Leistung, Genuss,<br />

bi-kulturelle Ambivalenz<br />

und Kulturkritik<br />

Ambitionierte<br />

Migranten-Milieus<br />

BC2<br />

Multikulturelles<br />

Performermilieu<br />

13%<br />

BC3<br />

Hedonistischsubkulturelles<br />

Milieu<br />

15%<br />

5<br />

© Sinus Sociovision 2008<br />

C<br />

Multi-Optionalität<br />

Postmo<strong>der</strong>nes Werte-<br />

Patchwork, Sinnsuche,<br />

multikulturelle<br />

Identifikation<br />

Neuidentifikation<br />

Prekäre<br />

Migranten-Milieus<br />

6<br />

44


Leipp: Migrantenorganisationen – Bekanntheit, Nutzung, Erwartungen<br />

_________________________________________________________________________________<br />

Die Migranten-Milieus in Deutschland<br />

Bürgerliche Migranten-Milieus<br />

Traditionsverwurzelte Migranten-<br />

Milieus<br />

� Sinus A3 Religiös- verwurzeltes Milieu (7%)<br />

� Vormo<strong>der</strong>nes, sozial und kulturell isoliertes Milieu, verhaftet<br />

in den patriarchalischen und religiösen Traditionen <strong>der</strong><br />

Herkunftsregion<br />

� Sinus AB3 Traditionelles Arbeitermilieu (16%)<br />

� Traditionelles Blue Collar Milieu <strong>der</strong> Arbeitsmigranten und<br />

Spätaussiedler, das nach materieller Sicherheit für sich und<br />

seine Kin<strong>der</strong> strebt<br />

Kurzcharakteristik<br />

© Sinus Sociovision<br />

Ambitionierte Migranten-Milieus<br />

� Sinus B23 Adaptives Bürgerliches Milieu (16%)<br />

� Sinus BC2 Multikulturelles Performermilieu (13%)<br />

� Die pragmatische mo<strong>der</strong>ne Mitte <strong>der</strong> Migrantenpopulation, � Junges, leistungsorientiertes Milieu mit bi-kulturellem<br />

die nach sozialer Integration und einem harmonischen Leben Selbstverständnis, das sich mit dem westlichen Lebensstil<br />

in gesicherten Verhältnissen strebt<br />

� Sinus AB12 Statusorientiertes Milieu (12%)<br />

identifiziert und nach beruflichem Erfolg und intensivem<br />

Leben strebt<br />

� Klassisches Aufsteiger-Milieu, das durch Leistung und<br />

� Sinus B12 Intellektuell-kosmopolitisches Milieu (11%)<br />

Zielstrebigkeit materiellen Wohlstand und soziale<br />

� Aufgeklärtes, global denkendes Bildungsmilieu mit einer<br />

Anerkennung erreichen will<br />

weltoffenen, multikulturellen Grundhaltung und vielfältigen<br />

intellektuellen Interessen<br />

Prekäre Migranten-Milieus<br />

� Sinus B3 Entwurzeltes Milieu (9%)<br />

� Sozial und kulturell entwurzeltes Milieu, das Problemfreiheit<br />

und Heimat / Identität sucht und nach Geld, Ansehen und<br />

Konsum strebt<br />

� Sinus BC3 Hedonistisch-subkulturelles Milieu (15%)<br />

� Unangepasstes Jugendmilieu mit defizitärer Identität und<br />

Perspektive, das Spaß haben will und sich den Erwartungen<br />

<strong>der</strong> Mehrheitsgesellschaft verweigert<br />

Milieu-Untersuchung zeigt:<br />

� Differenziertes und facettenreiches Bild <strong>der</strong> Milieulandschaft<br />

� 8 Migranten-Milieus mit unterschiedl. Lebensauffassung und<br />

Lebensweise sind identifizier- und beschreibbar = MmM sind<br />

keine homogene Gruppe<br />

� Integrationsdiskurs in Deutschland ist sehr stark auf<br />

Defizitperspektive verengt. Unterschätzung von:<br />

a) Ressourcen an kulturellem Kapital von MmM<br />

b) ihrer Anpassungsleistungen<br />

c) ihrer Etablierung in <strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

8<br />

7<br />

45


Leipp: Migrantenorganisationen – Bekanntheit, Nutzung, Erwartungen<br />

_________________________________________________________________________________<br />

� Migranten-Milieus unterscheiden sich weniger nach ethnischer<br />

Herkunft und sozialer Lage; viel eher nach Wertvorstellungen,<br />

Lebensstilen und ästh. Vorlieben<br />

� Gemeinsame lebensweltliche Muster bei MmM aus<br />

unterschiedlichen Herkunftskulturen:<br />

a) Menschen des gleichen Milieus mit unterschiedlichem Migrationshintergrund<br />

verbindet mehr miteinan<strong>der</strong> als mit dem Rest ihrer Landsleute<br />

aus an<strong>der</strong>en Milieus.<br />

b) Man kann nicht von <strong>der</strong> Herkunftskultur auf das Milieu schließen. Und man<br />

kann auch nicht vom Milieu auf die Herkunftskultur schließen.<br />

c) Ethnische Zugehörigkeit und Religion beeinflussen die Alltagskultur, sind<br />

aber kaum milieuprägend und auf Dauer nicht identitätsstiftend.<br />

Die Migranten-Milieus im Vergleich<br />

Migrationshintergrund: Erkennbare Schwerpunkte<br />

hoch 1<br />

mittel 2<br />

niedrig 3<br />

Türkei<br />

A3<br />

Religiösverwurzeltes<br />

Milieu<br />

Soziale AI<br />

Lage<br />

Vormo<strong>der</strong>ne<br />

Tradition<br />

Konservativreligiös,<br />

strenge, rigide<br />

Grund- Wertvorstellungen,<br />

orientierung kulturelle Enklave<br />

Tradition<br />

AB12<br />

Statusorientiertes<br />

Milieu<br />

Südeuropa<br />

AB3<br />

Traditionelles<br />

Arbeitermilieu<br />

AII<br />

Ethnische Tradition<br />

Pflicht- und Akzeptanzwerte,<br />

materielle Sicherheit,<br />

traditionelle Moral<br />

An<strong>der</strong>es EU-Land<br />

Polen<br />

Ex-Sowjetunion<br />

B3<br />

Entwurzeltes<br />

Milieu<br />

Ex-Jugoslawien<br />

BI<br />

Konsum-Materialismus<br />

Status, Besitz, Konsum,<br />

Aufstiegsorientierung,<br />

soziale Akzeptanz und<br />

Anpassung<br />

B12 Amerika<br />

Intellektuellkosmopolitisches<br />

Milieu Ex-Jugoslawien<br />

B23<br />

Adaptives<br />

Bürgerliches Milieu<br />

Mo<strong>der</strong>nisierung<br />

Afrika<br />

BII<br />

Individualisierung<br />

Selbstverwirklichung,<br />

Leistung, Genuss,<br />

bi-kulturelle Ambivalenz<br />

und Kulturkritik<br />

Türkei<br />

BC3<br />

Hedonistischsubkulturelles<br />

Milieu<br />

9<br />

© Sinus Sociovision<br />

BC2<br />

Multikulturelles<br />

Performermilieu<br />

An<strong>der</strong>es Land<br />

in Osteuropa<br />

© Sinus Sociovision 2008<br />

C<br />

Multi-Optionalität<br />

Postmo<strong>der</strong>nes Werte-<br />

Patchwork, Sinnsuche,<br />

multikulturelle<br />

Identifikation<br />

Neuidentifikation<br />

10<br />

46


Leipp: Migrantenorganisationen – Bekanntheit, Nutzung, Erwartungen<br />

_________________________________________________________________________________<br />

1. Hintergrund zur Studie und allgemeine Ergebnisse<br />

2. Bekanntheit und Nutzung von Migrantenorganisationen<br />

3. Erwartungen an Migrantenorganisationen<br />

4. Aktivitäten in „deutschen“ Organisationen<br />

5. Zusammenfassung <strong>der</strong> Ergebnisse<br />

Gesamtergebnisse:<br />

� Fast alle <strong>der</strong> Befragten kennen eine <strong>der</strong> aufgeführten<br />

Migrantenorganisationen<br />

� Die Hälfte <strong>der</strong> Menschen mit Migrationshintergrund haben<br />

solche Organisationen schon einmal genutzt<br />

� Lediglich 16 % <strong>der</strong> Befragten sind in den<br />

Migrantenorganisationen selbst aktiv<br />

11<br />

12<br />

47


Leipp: Migrantenorganisationen – Bekanntheit, Nutzung, Erwartungen<br />

_________________________________________________________________________________<br />

Migrantenorganisationen:<br />

Bekanntheit, Nutzung und aktive Beteiligung<br />

Organisationen * Davon<br />

gehört<br />

Schon<br />

genutzt<br />

Selbst<br />

aktiv<br />

• Religiöse Vereinigung, Kirchengemeinde,<br />

ausländische Mission, Moschee etc. 58% 21% 7%<br />

• Kulturverein einer o<strong>der</strong> mehrerer<br />

Nationalitäten 49% 15% 4%<br />

• Ethnischer Sportverein 46% 12% 4%<br />

• Interessenvertretung einer<br />

Migrantengruppe 39% 9% 1%<br />

• Heimatverein 36% 7% 1%<br />

• Elternverein 32% 7% 1%<br />

• polit. Organisation 25% 3% 1%<br />

• Interkulturelle Organisation / Verein 21% 5% 2%<br />

• Nationalitätenübergreifende Interessenvertretung<br />

/ Dachverband 19% 2% 0%<br />

• Landsmannschaft 17% 3% 1%<br />

Nutzung von Migrantenorganisationen<br />

– Zielgruppenspezifische Beson<strong>der</strong>heiten –<br />

Überdurchschnittliche Nutzer von<br />

Migrantenorganisationen:<br />

• Ältere ab 60 Jahren 59%<br />

• Personen mit einfacher<br />

Schulbildung 57%<br />

• Menschen aus <strong>der</strong> Türkei 72%<br />

• Befragte mit muslimischer<br />

Religionszugehörigkeit 71%<br />

� Durchschnitt 50%<br />

Basis: Alle Befragte, N = 2.072 Personen<br />

* Listenvorgabe<br />

Basis: Alle Befragte, N = 2.072<br />

Personen<br />

Von diesen werden überdurchschnittlich<br />

häufig genutzt:<br />

religiöse Vereinigungen, Kulturvereine und<br />

ethnische Sportvereine<br />

48


Leipp: Migrantenorganisationen – Bekanntheit, Nutzung, Erwartungen<br />

_________________________________________________________________________________<br />

Nutzung von Migrantenorganisationen<br />

Durchschnitt über alle Organisationstypen *<br />

hoch 1 B12<br />

Intellektuell-<br />

mittel 2<br />

niedrig 3<br />

Soziale<br />

Lage<br />

A3<br />

Religiösverwurzeltes<br />

Milieu<br />

67%<br />

AI<br />

Vormo<strong>der</strong>ne<br />

Tradition<br />

Konservativreligiös,<br />

strenge, rigide<br />

Grund- Wertvorstellungen,<br />

orientierung kulturelle Enklave<br />

= stark überrepräsentiert<br />

Indexwert ≥ 126<br />

Tradition<br />

61%<br />

= überrepräsentiert<br />

Indexwert 116 - 125<br />

AB12<br />

Statusorientiertes<br />

Milieu<br />

51%<br />

AB3<br />

Traditionelles<br />

Arbeitermilieu<br />

AII<br />

Ethnische Tradition<br />

Pflicht- und Akzeptanzwerte,<br />

materielle Sicherheit,<br />

traditionelle Moral<br />

B3<br />

Entwurzeltes<br />

Milieu<br />

54%<br />

BI<br />

Konsum-Materialismus<br />

Status, Besitz, Konsum,<br />

Aufstiegsorientierung,<br />

soziale Akzeptanz und<br />

Anpassung<br />

= durchschnittlich<br />

Indexwert 85 -115<br />

kosmopolitisches<br />

Milieu<br />

45%<br />

46%<br />

B23<br />

Adaptives<br />

Bürgerliches Milieu<br />

Mo<strong>der</strong>nisierung<br />

BII<br />

Individualisierung<br />

Selbstverwirklichung,<br />

Leistung, Genuss,<br />

bi-kulturelle Ambivalenz<br />

und Kulturkritik<br />

= unterrepräsentiert<br />

Indexwert 75 - 84<br />

BC2<br />

Multikulturelles<br />

Performermilieu<br />

37%<br />

BC3<br />

Hedonistischsubkulturelles<br />

Milieu<br />

47%<br />

© Sinus Sociovision 2008<br />

C<br />

Multi-Optionalität<br />

Postmo<strong>der</strong>nes Werte-<br />

Patchwork, Sinnsuche,<br />

multikulturelle<br />

Identifikation<br />

Neuidentifikation<br />

= stark unterrepräsentiert<br />

Indexwert ≤ 74<br />

Nutzung von Migrantenorganisationen<br />

Religiöse Vereinigungen *<br />

hoch 1 B12<br />

Intellektuell-<br />

mittel 2<br />

niedrig 3<br />

Soziale<br />

Lage<br />

A3<br />

Religiösverwurzeltes<br />

Milieu<br />

49%<br />

AI<br />

Vormo<strong>der</strong>ne<br />

Tradition<br />

Konservativreligiös,<br />

strenge, rigide<br />

Grund- Wertvorstellungen,<br />

orientierung kulturelle Enklave<br />

= stark überrepräsentiert<br />

Indexwert ≥ 126<br />

Tradition<br />

28%<br />

= überrepräsentiert<br />

Indexwert 116 - 125<br />

AB12<br />

Statusorientiertes<br />

Milieu<br />

22%<br />

AB3<br />

Traditionelles<br />

Arbeitermilieu<br />

AII<br />

Ethnische Tradition<br />

Pflicht- und Akzeptanzwerte,<br />

materielle Sicherheit,<br />

traditionelle Moral<br />

B3<br />

Entwurzeltes<br />

Milieu<br />

20%<br />

BI<br />

Konsum-Materialismus<br />

Status, Besitz, Konsum,<br />

Aufstiegsorientierung,<br />

soziale Akzeptanz und<br />

Anpassung<br />

= durchschnittlich<br />

Indexwert 85 -115<br />

kosmopolitisches<br />

Milieu<br />

19%<br />

15%<br />

B23<br />

Adaptives<br />

Bürgerliches Milieu<br />

Mo<strong>der</strong>nisierung<br />

BII<br />

Individualisierung<br />

Selbstverwirklichung,<br />

Leistung, Genuss,<br />

bi-kulturelle Ambivalenz<br />

und Kulturkritik<br />

= unterrepräsentiert<br />

Indexwert 75 - 84<br />

BC2<br />

Multikulturelles<br />

Performermilieu<br />

11%<br />

BC3<br />

Hedonistischsubkulturelles<br />

Milieu<br />

17%<br />

© Sinus Sociovision 2008<br />

C<br />

Multi-Optionalität<br />

Postmo<strong>der</strong>nes Werte-<br />

Patchwork, Sinnsuche,<br />

multikulturelle<br />

Identifikation<br />

Neuidentifikation<br />

= stark unterrepräsentiert<br />

Indexwert ≤ 74<br />

Ø = 50%<br />

* Listenvorgabe<br />

Basis:<br />

Alle Befragte,<br />

N = 2.072<br />

Ø = 21%<br />

* Listenvorgabe<br />

Basis:<br />

Alle Befragte,<br />

N = 2.072<br />

49


Leipp: Migrantenorganisationen – Bekanntheit, Nutzung, Erwartungen<br />

_________________________________________________________________________________<br />

Nutzung von Migrantenorganisationen<br />

Kulturvereine *<br />

hoch 1 B12<br />

Intellektuell-<br />

mittel 2<br />

niedrig 3<br />

Soziale<br />

Lage<br />

A3<br />

Religiösverwurzeltes<br />

Milieu<br />

23%<br />

AI<br />

Vormo<strong>der</strong>ne<br />

Tradition<br />

Konservativreligiös,<br />

strenge, rigide<br />

Grund- Wertvorstellungen,<br />

orientierung kulturelle Enklave<br />

= stark überrepräsentiert<br />

Indexwert ≥ 126<br />

Tradition<br />

16%<br />

= überrepräsentiert<br />

Indexwert 116 - 125<br />

AB12<br />

Statusorientiertes<br />

Milieu<br />

19%<br />

AB3<br />

Traditionelles<br />

Arbeitermilieu<br />

AII<br />

Ethnische Tradition<br />

Pflicht- und Akzeptanzwerte,<br />

materielle Sicherheit,<br />

traditionelle Moral<br />

B3<br />

Entwurzeltes<br />

Milieu<br />

19%<br />

BI<br />

Konsum-Materialismus<br />

Status, Besitz, Konsum,<br />

Aufstiegsorientierung,<br />

soziale Akzeptanz und<br />

Anpassung<br />

= durchschnittlich<br />

Indexwert 85 -115<br />

kosmopolitisches<br />

Milieu<br />

12%<br />

15%<br />

B23<br />

Adaptives<br />

Bürgerliches Milieu<br />

Mo<strong>der</strong>nisierung<br />

BII<br />

Individualisierung<br />

Selbstverwirklichung,<br />

Leistung, Genuss,<br />

bi-kulturelle Ambivalenz<br />

und Kulturkritik<br />

= unterrepräsentiert<br />

Indexwert 75 - 84<br />

BC2<br />

Multikulturelles<br />

Performermilieu<br />

9%<br />

BC3<br />

Hedonistischsubkulturelles<br />

Milieu<br />

14%<br />

© Sinus Sociovision 2008<br />

C<br />

Multi-Optionalität<br />

Postmo<strong>der</strong>nes Werte-<br />

Patchwork, Sinnsuche,<br />

multikulturelle<br />

Identifikation<br />

Neuidentifikation<br />

= stark unterrepräsentiert<br />

Indexwert ≤ 74<br />

Nutzung von Migrantenorganisationen<br />

Ethnische Sportvereine *<br />

hoch 1 B12<br />

Intellektuell-<br />

mittel 2<br />

niedrig 3<br />

Soziale<br />

Lage<br />

A3<br />

Religiösverwurzeltes<br />

Milieu<br />

16%<br />

AI<br />

Vormo<strong>der</strong>ne<br />

Tradition<br />

Konservativreligiös,<br />

strenge, rigide<br />

Grund- Wertvorstellungen,<br />

orientierung kulturelle Enklave<br />

= stark überrepräsentiert<br />

Indexwert ≥ 126<br />

Tradition<br />

11%<br />

= überrepräsentiert<br />

Indexwert 116 - 125<br />

AB12<br />

Statusorientiertes<br />

Milieu<br />

14%<br />

AB3<br />

Traditionelles<br />

Arbeitermilieu<br />

AII<br />

Ethnische Tradition<br />

Pflicht- und Akzeptanzwerte,<br />

materielle Sicherheit,<br />

traditionelle Moral<br />

B3<br />

Entwurzeltes<br />

Milieu<br />

18%<br />

BI<br />

Konsum-Materialismus<br />

Status, Besitz, Konsum,<br />

Aufstiegsorientierung,<br />

soziale Akzeptanz und<br />

Anpassung<br />

= durchschnittlich<br />

Indexwert 85 -115<br />

kosmopolitisches<br />

Milieu<br />

10%<br />

6%<br />

B23<br />

Adaptives<br />

Bürgerliches Milieu<br />

Mo<strong>der</strong>nisierung<br />

BII<br />

Individualisierung<br />

Selbstverwirklichung,<br />

Leistung, Genuss,<br />

bi-kulturelle Ambivalenz<br />

und Kulturkritik<br />

= unterrepräsentiert<br />

Indexwert 75 - 84<br />

BC2<br />

Multikulturelles<br />

Performermilieu<br />

10%<br />

BC3<br />

Hedonistischsubkulturelles<br />

Milieu<br />

13%<br />

© Sinus Sociovision 2008<br />

C<br />

Multi-Optionalität<br />

Postmo<strong>der</strong>nes Werte-<br />

Patchwork, Sinnsuche,<br />

multikulturelle<br />

Identifikation<br />

Neuidentifikation<br />

= stark unterrepräsentiert<br />

Indexwert ≤ 74<br />

Ø = 15%<br />

* Listenvorgabe<br />

Basis:<br />

Alle Befragte,<br />

N = 2.072<br />

Ø = 12%<br />

* Listenvorgabe<br />

Basis:<br />

Alle Befragte,<br />

N = 2.072<br />

50


Leipp: Migrantenorganisationen – Bekanntheit, Nutzung, Erwartungen<br />

_________________________________________________________________________________<br />

1. Hintergrund zur Studie und allgemeine Ergebnisse<br />

2. Bekanntheit und Nutzung von Migrantenorganisationen<br />

3. Erwartungen an Migrantenorganisationen<br />

4. Aktivitäten in „deutschen“ Organisationen<br />

5. Zusammenfassung <strong>der</strong> Ergebnisse<br />

Wichtige Ergebnisse:<br />

� Hauptsächliches Motiv für die Inanspruchnahme o<strong>der</strong> die<br />

aktive Beteiligung ist die Möglichkeit…<br />

a) zur Begegnung mit Menschen aus eigener Herkunftskultur<br />

b) zur Pflege <strong>der</strong> Sprache und Kultur des Herkunftslandes<br />

c) soziale Kontakte zu haben<br />

� Daneben spielt die Hoffnung auf praktische Hilfen eine<br />

wichtige Rolle:<br />

a) direkte Unterstützungsleistungen (z.B. finanzielle Hilfen, Unterstützung bei<br />

Wohnungssuche)<br />

b) Dienstleistungsangebote (z.B. Bildungsangebote)<br />

19<br />

20<br />

51


Leipp: Migrantenorganisationen – Bekanntheit, Nutzung, Erwartungen<br />

_________________________________________________________________________________<br />

� Im Vergleich dazu ist die Möglichkeit zur politischen<br />

Interessensvertretung nachrangig:<br />

a) Interessen als Zugewan<strong>der</strong>te(r) vertreten<br />

b) Interessen meiner ethnischer Gruppe bzw. meines Herkunftslandes<br />

vertreten<br />

� Möglichkeit zur Religionsausübung wird ambivalent<br />

eingeschätzt:<br />

für religiöse MmM sehr wichtig; für nicht-religiöse MmM unwichtig<br />

Erwartungen an Migrantenorganisationen<br />

Soziale Kontakte und Sprache/Kultur Herkunftsland<br />

Ich habe die Erwartung an solche<br />

Organisationen / Vereine …<br />

… dass ich mit Landsleuten zusammenkommen<br />

kann<br />

… dass ich Menschen treffe, mit denen<br />

ich meine Freizeit verbringen kann<br />

… dass meine Familie / meine Kin<strong>der</strong><br />

Kontakt zur Kultur und Sprache<br />

meines Herkunftslandes bekommen<br />

… dass ich meine Religion ausüben<br />

kann<br />

… dass ich Anschluss an die Kultur und<br />

Sprache meines Herkunftslandes<br />

halten kann<br />

Basis: Alle Befragte, N = 2.072 Personen<br />

"Sehr wichtig"<br />

ältere Menschen<br />

21<br />

Beson<strong>der</strong>s wichtig für Personen:<br />

Personen mit einfacher Schulbildung<br />

Menschen aus <strong>der</strong> Türkei<br />

Befragte mit muslimischer<br />

Religionszugehörigkeit<br />

52


Leipp: Migrantenorganisationen – Bekanntheit, Nutzung, Erwartungen<br />

_________________________________________________________________________________<br />

Erwartungen an Migrantenorganisationen<br />

… dass ich mit Landsleuten zusammenkommen kann *<br />

hoch 1 B12<br />

Intellektuell-<br />

mittel 2<br />

niedrig 3<br />

Soziale<br />

Lage<br />

A3<br />

Religiösverwurzeltes<br />

Milieu<br />

47%<br />

AI<br />

Vormo<strong>der</strong>ne<br />

Tradition<br />

Konservativreligiös,<br />

strenge, rigide<br />

Grund- Wertvorstellungen,<br />

orientierung kulturelle Enklave<br />

= stark überrepräsentiert<br />

Indexwert ≥ 126<br />

Tradition<br />

23%<br />

= überrepräsentiert<br />

Indexwert 116 - 125<br />

AB12<br />

Statusorientiertes<br />

Milieu<br />

27%<br />

AB3<br />

Traditionelles<br />

Arbeitermilieu<br />

AII<br />

Ethnische Tradition<br />

Pflicht- und Akzeptanzwerte,<br />

materielle Sicherheit,<br />

traditionelle Moral<br />

B3<br />

Entwurzeltes<br />

Milieu<br />

29%<br />

BI<br />

Konsum-Materialismus<br />

Status, Besitz, Konsum,<br />

Aufstiegsorientierung,<br />

soziale Akzeptanz und<br />

Anpassung<br />

= durchschnittlich<br />

Indexwert 85 -115<br />

kosmopolitisches<br />

Milieu<br />

16%<br />

17%<br />

B23<br />

Adaptives<br />

Bürgerliches Milieu<br />

Mo<strong>der</strong>nisierung<br />

BII<br />

Individualisierung<br />

Selbstverwirklichung,<br />

Leistung, Genuss,<br />

bi-kulturelle Ambivalenz<br />

und Kulturkritik<br />

= unterrepräsentiert<br />

Indexwert 75 - 84<br />

BC2<br />

Multikulturelles<br />

Performermilieu<br />

11%<br />

BC3<br />

Hedonistischsubkulturelles<br />

Milieu<br />

19%<br />

© Sinus Sociovision 2008<br />

C<br />

Multi-Optionalität<br />

Postmo<strong>der</strong>nes Werte-<br />

Patchwork, Sinnsuche,<br />

multikulturelle<br />

Identifikation<br />

Neuidentifikation<br />

= stark unterrepräsentiert<br />

Indexwert ≤ 74<br />

Erwartungen an Migrantenorganisationen<br />

Politische Interessensvertretung<br />

Ich habe die Erwartung an solche<br />

Organisationen / Vereine …<br />

… dass ich meine Interessen als<br />

Zugewan<strong>der</strong>te(r) in Deutschland<br />

wirkungsvoll vertreten kann<br />

… dass ich Informationen über die<br />

aktuelle Situation in meinem<br />

Herkunftsland bekomme<br />

… dass ich die Interessen meiner<br />

Landsleute in Deutschland vertreten<br />

kann<br />

… dass ich mich auch als Zuwan<strong>der</strong>er<br />

politisch engagieren kann<br />

… dass ich die Interessen meines<br />

Herkunftslandes in Deutschland<br />

vertreten kann<br />

Basis: Alle Befragte, N = 2.072 Personen<br />

"Sehr wichtig"<br />

Ø = 22%<br />

* Listenvorgabe<br />

Basis:<br />

Alle Befragte,<br />

N = 2.072<br />

Beson<strong>der</strong>s wichtig für Personen:<br />

� ab 60 Jahren, mit einfacher Schulbildung<br />

� aus <strong>der</strong> Türkei<br />

� mit muslimischer Religionszugehörigkeit<br />

� mit einfacher Schulbildung<br />

� aus <strong>der</strong> Türkei, aus an<strong>der</strong>en osteuropäischen<br />

Län<strong>der</strong>n (ohne ehemalige Sowjetunion und Polen)<br />

� mit muslimischer o<strong>der</strong> orthodoxer Religionszugehörigkeit<br />

� mit Menschen einfacher aus Schulbildung <strong>der</strong> Türkei<br />

� aus <strong>der</strong> Türkei, aus an<strong>der</strong>en osteuropäischen<br />

Län<strong>der</strong>n Befragte mit muslimischer<br />

� mit muslimischer Religionszugehörigkeit<br />

Religionszugehörigkeit<br />

� ab 60 Jahren<br />

� aus <strong>der</strong> Türkei, aus an<strong>der</strong>en osteuropäischen<br />

Län<strong>der</strong>n, aus Südeuropa<br />

� mit muslimischer Religionszugehörigkeit<br />

� ab 60 Jahren, mit einfacher Schulbildung<br />

� aus <strong>der</strong> Türkei, aus an<strong>der</strong>en osteuropäischen<br />

Län<strong>der</strong>n<br />

� mit muslimischer o<strong>der</strong> orthodoxer Religionszugehörigkeit<br />

53


Leipp: Migrantenorganisationen – Bekanntheit, Nutzung, Erwartungen<br />

_________________________________________________________________________________<br />

Erwartungen an Migrantenorganisationen<br />

...dass ich mich auch als Zuwan<strong>der</strong>er politisch engagieren kann *<br />

hoch 1 B12<br />

Intellektuell-<br />

mittel 2<br />

niedrig 3<br />

Soziale<br />

Lage<br />

A3<br />

Religiösverwurzeltes<br />

Milieu<br />

10%<br />

AI<br />

Vormo<strong>der</strong>ne<br />

Tradition<br />

Konservativreligiös,<br />

strenge, rigide<br />

Grund- Wertvorstellungen,<br />

orientierung kulturelle Enklave<br />

= stark überrepräsentiert<br />

Indexwert ≥ 126<br />

Tradition<br />

12%<br />

= überrepräsentiert<br />

Indexwert 116 - 125<br />

AB12<br />

Statusorientiertes<br />

Milieu<br />

18%<br />

AB3<br />

Traditionelles<br />

Arbeitermilieu<br />

AII<br />

Ethnische Tradition<br />

Pflicht- und Akzeptanzwerte,<br />

materielle Sicherheit,<br />

traditionelle Moral<br />

B3<br />

Entwurzeltes<br />

Milieu<br />

9%<br />

BI<br />

Konsum-Materialismus<br />

Status, Besitz, Konsum,<br />

Aufstiegsorientierung,<br />

soziale Akzeptanz und<br />

Anpassung<br />

= durchschnittlich<br />

Indexwert 85 -115<br />

kosmopolitisches<br />

Milieu<br />

6%<br />

13%<br />

B23<br />

Adaptives<br />

Bürgerliches Milieu<br />

Mo<strong>der</strong>nisierung<br />

BII<br />

Individualisierung<br />

Selbstverwirklichung,<br />

Leistung, Genuss,<br />

bi-kulturelle Ambivalenz<br />

und Kulturkritik<br />

= unterrepräsentiert<br />

Indexwert 75 - 84<br />

BC2<br />

Multikulturelles<br />

Performermilieu<br />

6%<br />

BC3<br />

Hedonistischsubkulturelles<br />

Milieu<br />

11%<br />

© Sinus Sociovision 2008<br />

C<br />

Multi-Optionalität<br />

Postmo<strong>der</strong>nes Werte-<br />

Patchwork, Sinnsuche,<br />

multikulturelle<br />

Identifikation<br />

Neuidentifikation<br />

= stark unterrepräsentiert<br />

Indexwert ≤ 74<br />

1. Hintergrund zur Studie und allgemeine Ergebnisse<br />

2. Bekanntheit und Nutzung von Migrantenorganisationen<br />

3. Erwartungen an Migrantenorganisationen<br />

4. Aktivitäten in „deutschen“ Organisationen<br />

5. Zusammenfassung <strong>der</strong> Ergebnisse<br />

Ø = 11%<br />

* Listenvorgabe<br />

Basis:<br />

Alle Befragte,<br />

N = 2.072<br />

26<br />

54


Leipp: Migrantenorganisationen – Bekanntheit, Nutzung, Erwartungen<br />

_________________________________________________________________________________<br />

Engagement in „deutschen“<br />

Organisationen zum Vergleich<br />

"Sind Sie selbst aktiv in<br />

Organisationen o<strong>der</strong> Vereinen,<br />

die von Deutschen getragen werden?"<br />

Aktiv<br />

Basis: Alle Befragte, N = 2.072 Personen<br />

18% 82% Ja 12% 70%<br />

"Würden Sie gerne dort<br />

mitmachen?"<br />

Selbst aktiv in dt. Organisationen<br />

o<strong>der</strong> Vereinen (18%)<br />

Nicht aktiv in dt. Organisationen<br />

o<strong>der</strong> Vereinen (82%)<br />

davon:<br />

Würde gerne mitmachen<br />

(12%)<br />

Möchte nicht mitmachen<br />

(70%)<br />

Aktivität in deutschen Organ./Vereinen *<br />

"Bin selbst aktiv"<br />

hoch 1 B12<br />

Intellektuell-<br />

mittel 2<br />

niedrig 3<br />

Soziale<br />

Lage<br />

A3<br />

Religiösverwurzeltes<br />

Milieu<br />

7%<br />

AI<br />

Vormo<strong>der</strong>ne<br />

Tradition<br />

Konservativreligiös,<br />

strenge, rigide<br />

Grund- Wertvorstellungen,<br />

orientierung kulturelle Enklave<br />

= stark überrepräsentiert<br />

Indexwert ≥ 126<br />

Tradition<br />

8%<br />

= überrepräsentiert<br />

Indexwert 116 - 125<br />

AB12<br />

Statusorientiertes<br />

Milieu<br />

18%<br />

AB3<br />

Traditionelles<br />

Arbeitermilieu<br />

AII<br />

Ethnische Tradition<br />

Pflicht- und Akzeptanzwerte,<br />

materielle Sicherheit,<br />

traditionelle Moral<br />

B3<br />

Entwurzeltes<br />

Milieu<br />

5%<br />

BI<br />

Konsum-Materialismus<br />

Status, Besitz, Konsum,<br />

Aufstiegsorientierung,<br />

soziale Akzeptanz und<br />

Anpassung<br />

= durchschnittlich<br />

Indexwert 85 -115<br />

kosmopolitisches<br />

Milieu<br />

16%<br />

33%<br />

B23<br />

Adaptives<br />

Bürgerliches Milieu<br />

Mo<strong>der</strong>nisierung<br />

BII<br />

Individualisierung<br />

Selbstverwirklichung,<br />

Leistung, Genuss,<br />

bi-kulturelle Ambivalenz<br />

und Kulturkritik<br />

= unterrepräsentiert<br />

Indexwert 75 - 84<br />

BC2<br />

Multikulturelles<br />

Performermilieu<br />

28%<br />

BC3<br />

Hedonistischsubkulturelles<br />

Milieu<br />

21%<br />

© Sinus Sociovision 2008<br />

C<br />

Multi-Optionalität<br />

Postmo<strong>der</strong>nes Werte-<br />

Patchwork, Sinnsuche,<br />

multikulturelle<br />

Identifikation<br />

Neuidentifikation<br />

= stark unterrepräsentiert<br />

Indexwert ≤ 74<br />

27<br />

Ø = 18%<br />

* Organisationen /<br />

Vereine, die von<br />

Deutschen getragen<br />

werden<br />

Basis:<br />

Alle Befragte,<br />

N = 2.072<br />

55


Leipp: Migrantenorganisationen – Bekanntheit, Nutzung, Erwartungen<br />

_________________________________________________________________________________<br />

Gründe gegen eine Beteiligung an deutschen<br />

Organisationen / Vereinen<br />

� Ich habe dafür keine Zeit<br />

� Ich kenne dort niemanden<br />

� Es gibt hier am Ort keine solche<br />

Organisation, die meinen Interessen<br />

entspricht<br />

� Die Mitgliedsgebühr bzw. an<strong>der</strong>e<br />

finanzielle Aufwendungen sind mir zu<br />

hoch<br />

� Ich glaube nicht, dass ich als Zuwan<strong>der</strong>er<br />

dort Anschluss finden kann<br />

� Ich befürchte, dass ich als<br />

Zuwan<strong>der</strong>er ausgegrenzt werde<br />

� Ich kann dafür nicht genug Deutsch<br />

� Als Zuwan<strong>der</strong>er habe ich keine Möglichkeit,<br />

in einem deutschen Verein<br />

meinen Interessen nachzugehen<br />

Basis: Migranten, die nicht in deutschen Organisationen o<strong>der</strong> Vereinen aktiv sind, N = 1.709 Personen<br />

Soziale Distanz<br />

Ausgrenzung<br />

1. Hintergrund zur Studie und allgemeine Ergebnisse<br />

2. Bekanntheit und Nutzung von Migrantenorganisationen<br />

3. Erwartungen an Migrantenorganisationen<br />

4. Aktivitäten in „deutschen“ Organisationen<br />

5. Zusammenfassung <strong>der</strong> Ergebnisse<br />

30<br />

56


Leipp: Migrantenorganisationen – Bekanntheit, Nutzung, Erwartungen<br />

_________________________________________________________________________________<br />

� (Relativ) geringes Engagement – geringe Repräsentativität<br />

� Fokussierte Nutzung bzw. Engagement –<br />

Zugangsschwierigkeiten<br />

� Fokussierte Nutzung bzw. Engagement –<br />

Zugangsmöglichkeiten<br />

� Soziale Kontakte statt politische Interessensvertretung<br />

� Engagement in deutschen Organisationen (auch) för<strong>der</strong>n<br />

Migrantenorganisationen - Bekanntheit, Nutzung, Erwartungen.<br />

Ergebnisse aus <strong>der</strong> Sinus Migranten-Milieu®-Studie<br />

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!<br />

31<br />

32<br />

57


Pintus: PAKT – anpacken – zupacken<br />

_________________________________________________________________________________<br />

3. Teil II<br />

3.1 Präsentation Modellprojekte<br />

3.1.1 PAKT – anpacken – zupacken. Mentoring für einen interkulturellen Migrantinnenverein<br />

Manuela Pintus, <strong>Caritas</strong>verband Wiesbaden-Rheingau-Taunus e.V.<br />

BAMF Bundesmodellprojekt<br />

PAKT – anpacken – zupacken –<br />

Mentoring für einen interkulturellen Migrantinnenverein<br />

Migrantenorganisationen-Expertenworkshop des DCV, 23./24. März 2010 in Fulda - Manuela Pintus<br />

Bundesmodellprojekt PAKT<br />

Maßnahmeträger: <strong>Caritas</strong>verband Wiesbaden-Rheingau-Taunus e.V.<br />

Projektpartner: MigraMundi e.V.<br />

Projektlaufzeit: 15.12.2009 bis 14.12.2011<br />

Projektort: Wiesbaden<br />

Projektleiterin: Manuela Pintus<br />

Mitarbeiterinnen: Ayṣegül Güler, Özlem Ṣenay<br />

Migrantenorganisationen-Expertenworkshop des DCV, 23./24. März 2010 in Fulda - Manuela Pintus<br />

1<br />

2<br />

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Pintus: PAKT – anpacken – zupacken<br />

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MigraMundi e.V.<br />

- Gemeinnütziger Verein<br />

- Am 8.12.2009 gegründet<br />

- 13 Gründungsmitglie<strong>der</strong><br />

- Derzeit Frauen aus: Afghanistan,<br />

Dominikanische Republik, Irak,<br />

Kasachstan, Kolumbien, Kroatien, Kuba,<br />

Marokko, Peru, Russland, Türkei<br />

- Kulturell, religiös, ethnisch und politisch<br />

unabhängig<br />

Migrantenorganisationen-Expertenworkshop des DCV, 23./24. März 2010 in Fulda - Manuela Pintus<br />

MigraMundi e.V.<br />

Jugendhilfe<br />

Erziehung und<br />

Bildung<br />

Umwelt und<br />

Naturschutz<br />

Völkerverständigung<br />

MigraMundi e.V.<br />

Partizipation von<br />

Min<strong>der</strong>heiten<br />

Migrantenorganisationen-Expertenworkshop des DCV, 23./24. März 2010 in Fulda - Manuela Pintus<br />

gegenseitige<br />

Akzeptanz<br />

Abbau von<br />

Fremdenfeindlichkeit<br />

För<strong>der</strong>ung des<br />

Demokratieverständnisses<br />

3<br />

4<br />

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Pintus: PAKT – anpacken – zupacken<br />

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Ausgangssituation<br />

31,5 % Menschen mit Migrationshintergrund in Wiesbaden<br />

- 45,7 % Ortsteil Amöneburg<br />

- 69,9 % Ortsteil Siedlung Sauerland<br />

- 64,4 % Ortsteil Schelmengraben<br />

- 58,0 % Ortsteil Klarenthal Nord<br />

Migrantenorganisationen-Expertenworkshop des DCV, 23./24. März 2010 in Fulda - Manuela Pintus<br />

Ausgangssituation<br />

Ca. 90 Migrantenvereine in Wiesbaden<br />

- Kulturell, religiös, ethnisch und/o<strong>der</strong> politisch geprägt<br />

- Überwiegend von Männern dominiert<br />

- Gering ausgeprägte Professionalität<br />

- Keine hauptamtlichen Strukturen<br />

Migrantenorganisationen-Expertenworkshop des DCV, 23./24. März 2010 in Fulda - Manuela Pintus<br />

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Pintus: PAKT – anpacken – zupacken<br />

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Zielgruppe<br />

- Als Vereinsmitglie<strong>der</strong> Frauen mit Migrationshintergrund<br />

unterschiedlicher kultureller, ethnischer und/o<strong>der</strong><br />

religiöser Zugehörigkeit<br />

- Wiesbadener Bevölkerung mit und ohne<br />

Migrationshintergrund<br />

- Gremien, Soziale Einrichtungen und Institutionen<br />

Migrantenorganisationen-Expertenworkshop des DCV, 23./24. März 2010 in Fulda - Manuela Pintus<br />

<strong>Projektziele</strong><br />

Hauptziele:<br />

- Etablierung eines kulturell, religiös, ethnisch und<br />

politisch unabhängigen Migrantinnenvereins<br />

- Vernetzung mit sozialen Einrichtungen, Institutionen und<br />

fachspezifischen Gremien<br />

Migrantenorganisationen-Expertenworkshop des DCV, 23./24. März 2010 in Fulda - Manuela Pintus<br />

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Pintus: PAKT – anpacken – zupacken<br />

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<strong>Projektziele</strong><br />

Unterziele:<br />

1. Vereinsmitglie<strong>der</strong> sind qualifiziert<br />

2. Vereinsstrukturen sind organisiert<br />

3. Verein ist in wichtigen kommunalen Gremien vertreten<br />

4. Verein ist kommunal bekannt<br />

5. Tandemprojekt zw. <strong>Caritas</strong> und Verein wird durchgeführt<br />

6. Verein ist anerkannter Projektträger<br />

Migrantenorganisationen-Expertenworkshop des DCV, 23./24. März 2010 in Fulda - Manuela Pintus<br />

<strong>Umsetzung</strong> <strong>der</strong> <strong>Projektziele</strong><br />

1. Vereinsmitglie<strong>der</strong> sind qualifiziert<br />

- 12 ganztägige Schulungen finden statt<br />

- Themen und Inhalte werden von den Migrantinnen mitbestimmt<br />

- Mindestens 12 Teilnehmerinnen nehmen an den Schulungen teil<br />

Migrantenorganisationen-Expertenworkshop des DCV, 23./24. März 2010 in Fulda - Manuela Pintus<br />

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Pintus: PAKT – anpacken – zupacken<br />

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<strong>Umsetzung</strong> <strong>der</strong> <strong>Projektziele</strong><br />

2. Vereinsstrukturen sind organisiert<br />

- Vorstand ist gewählt<br />

- Zuständigkeiten sind geklärt<br />

- Leitbild, Ziele und Handlungsfel<strong>der</strong> sind definiert<br />

- Vorstandssitzungen finden statt<br />

- Mitglie<strong>der</strong>versammlungen finden statt<br />

- Vereinstreffen finden statt<br />

Migrantenorganisationen-Expertenworkshop des DCV, 23./24. März 2010 in Fulda - Manuela Pintus<br />

<strong>Umsetzung</strong> <strong>der</strong> <strong>Projektziele</strong><br />

3. Verein ist in wichtigen kommunalen Gremien vertreten<br />

- Vereinsmitglie<strong>der</strong> nehmen an Stadtteilkonferenzen teil<br />

- Verein ist den entsprechen Ortbeiräten bekannt<br />

- Verein stellt sich als Liste beim Auslän<strong>der</strong>beirat auf<br />

- Verein ist bei den relevanten parlamentarischen Ausschüssen<br />

bekannt<br />

Migrantenorganisationen-Expertenworkshop des DCV, 23./24. März 2010 in Fulda - Manuela Pintus<br />

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Pintus: PAKT – anpacken – zupacken<br />

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<strong>Umsetzung</strong> <strong>der</strong> <strong>Projektziele</strong><br />

4. Verein ist kommunal bekannt<br />

- In <strong>der</strong> örtlichen Presse wurde über den Verein berichtet<br />

- Flyer wurde erstellt und verteilt<br />

- Internetseite wurde erstellt<br />

- Gespräche mit diversen Vereinen, sozialen Einrichtungen haben<br />

stattgefunden<br />

- Der Verein hat sich bei öffentlichen Veranstaltungen stadtweit <strong>der</strong><br />

Bevölkerung vorgestellt (z.B. Stand beim Internationalen<br />

Sommerfest des Auslän<strong>der</strong>beirats)<br />

Migrantenorganisationen-Expertenworkshop des DCV, 23./24. März 2010 in Fulda - Manuela Pintus<br />

<strong>Umsetzung</strong> <strong>der</strong> <strong>Projektziele</strong><br />

5. Tandemprojekt zw. <strong>Caritas</strong> und Verein wird durchgeführt<br />

- Erarbeitung des Themas und des Handlungsfeldes<br />

- Erstellung <strong>der</strong> Projektkonzeption<br />

- Projektbeantragung<br />

- Projektdurchführung<br />

- Projektabrechnung<br />

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Pintus: PAKT – anpacken – zupacken<br />

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<strong>Umsetzung</strong> <strong>der</strong> <strong>Projektziele</strong><br />

6. Verein ist anerkannter Projektträger<br />

Verein ist mit MO‘s, sozialen Einrichtungen, Institutionen<br />

und fachspezifischen Gremien vernetzt.<br />

Der Verein führt eigene Projekte und Kooperationsprojekte<br />

durch.<br />

Migrantenorganisationen-Expertenworkshop des DCV, 23./24. März 2010 in Fulda - Manuela Pintus<br />

Schulungen Block A<br />

Praktisches Handwerkszeug, um einen Verein<br />

professionell führen und Projektanträge stellen zu<br />

können.<br />

Einige Beispiele:<br />

- Vereinsführung und -verwaltung<br />

- Projektmanagement<br />

- Zeitmanagement<br />

- Kommunikationstraining und Rhetorik<br />

- Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

Migrantenorganisationen-Expertenworkshop des DCV, 23./24. März 2010 in Fulda - Manuela Pintus<br />

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Pintus: PAKT – anpacken – zupacken<br />

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Schulungen Block B<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung mit migrationsspezifischen Themen, die<br />

interkulturelle Prozesse einleiten und bewusst machen.<br />

Einige Beispiele:<br />

- Psychogenese <strong>der</strong> Migration<br />

- Biographiearbeit, Trauma und Trauer in <strong>der</strong> Migration<br />

- Soziales Lernen, Gruppendynamik, Konformitätsdruck<br />

- Vorurteile, Stigma, Diskriminierung<br />

- Bi-kulturelle Identität, Werte und Normen, Konfliktbewältigung<br />

Migrantenorganisationen-Expertenworkshop des DCV, 23./24. März 2010 in Fulda - Manuela Pintus<br />

Hospitationen bei <strong>der</strong> <strong>Caritas</strong><br />

Zum Beispiel in folgenden Bereichen:<br />

- Personalverwaltung<br />

- Buchhaltung<br />

- Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

- Administration<br />

- Familien-, Drogen-, Schuldnerberatung<br />

Migrantenorganisationen-Expertenworkshop des DCV, 23./24. März 2010 in Fulda - Manuela Pintus<br />

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Pintus: PAKT – anpacken – zupacken<br />

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Nachhaltigkeit<br />

Am Ende des Projektes wird <strong>der</strong> Verein professioneller<br />

Ansprechpartner sowohl für kommunale Institutionen und<br />

Einrichtungen als auch für Menschen mit und ohne<br />

Migrationshintergrund sein.<br />

Migrantenorganisationen-Expertenworkshop des DCV, 23./24. März 2010 in Fulda - Manuela Pintus<br />

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!<br />

Migrantenorganisationen-Expertenworkshop des DCV, 23./24. März 2010 in Fulda - Manuela Pintus<br />

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20<br />

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Pintus: PAKT – anpacken – zupacken<br />

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Fabel vom Fuchs und dem Storch<br />

Vor langer Zeit hat einmal ein Fuchs einen Storch zum Abendessen<br />

eingeladen. Er bot dem Storch ein köstliches Mahl auf einem flachen<br />

Teller an. Lei<strong>der</strong> konnte <strong>der</strong> Gast des Fuchses nichts essen, denn <strong>der</strong><br />

Storch hatte Schwierigkeiten mit seinem langen Schnabel die Stücke von<br />

dem flachen Teller aufzupicken.<br />

Nachdem <strong>der</strong> Fuchs den Storch besucht hatte, ging auch er hungrig nach<br />

Hause. Der Fuchs hatte große Schwierigkeiten mit seiner Schnauze in die<br />

Kanne zu gelangen, in <strong>der</strong> <strong>der</strong> Storch sein Abendessen anbot.<br />

Nach Jean de la Fontaine<br />

Migrantenorganisationen-Expertenworkshop des DCV, 23./24. März 2010 in Fulda - Manuela Pintus<br />

21<br />

68


Hüllen: Interkulturelle Öffnung<br />

_________________________________________________________________________________<br />

3.1.2 Interkulturelle Öffnung – professionelles und ehrenamtliches Engagement vor<br />

Ort verbinden<br />

Dorothee Hüllen, <strong>Caritas</strong>-Sozialdienste e.V. Mülheim an <strong>der</strong> Ruhr<br />

Interkulturelle Öffnung des<br />

<strong>Caritas</strong>- Sozialdienste e. V.<br />

Mülheim an <strong>der</strong> Ruhr<br />

Interkulturelle Öffnung<br />

Ausgangssituation:<br />

• Flüchtlingsberatung, Integrationsagentur<br />

• 20 Jahre Integrationsrat<br />

• Kontaktpflege zu Migrantenorganisationen<br />

• psychologischen Sprechstunde für<br />

türkische und binationale Paare<br />

• interkulturelles Kompetenz-Coaching <strong>der</strong><br />

MitarbeiterInnen verschiedener Fachdienste<br />

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Hüllen: Interkulturelle Öffnung<br />

_________________________________________________________________________________<br />

Interkulturelle Öffnung<br />

=> Sensibilisierung und Qualifizierung <strong>der</strong> gesamten<br />

Organisation <strong>der</strong> Regeldienste<br />

Ziele:<br />

• KollegInnen mit Zuwan<strong>der</strong>ungsgeschichte bereichern die<br />

Teams<br />

• Mehr Menschen mit Zuwan<strong>der</strong>ungsgeschichte nehmen<br />

die Angebote wahr<br />

• Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen hat sich<br />

entwickelt<br />

• Interkulturelles Profil wirkt nach innen und außen<br />

Interkulturelle Öffnung<br />

Personal- und<br />

Organisationsentwicklungsprozess:<br />

• Bestandsaufnahme durch Interviews in<br />

Fachdiensten<br />

• MitarbeiterInnen gestalten gemeinsam den Weg<br />

–Weltcafé<br />

– Dialog-Frühstück<br />

– Coaching und Beratung<br />

• MitarbeiterInnen bilden sich interkulturell fort<br />

70


Hüllen: Interkulturelle Öffnung<br />

_________________________________________________________________________________<br />

Interkulturelle Öffnung<br />

Erste konkrete Ergebnisse<br />

• Interkulturelle Leitlinien<br />

• Landkarte <strong>der</strong> Sprachen und Kulturen<br />

• Konzeptentwicklung im offenen Ganztag<br />

• Elterncafé <strong>der</strong> Schwangerschaftsberatung<br />

• Neue Angebote in <strong>der</strong> Integrationsagentur:<br />

Frauenkochen, Frauenfrühstück, Expertenbesuche<br />

• Mitarbeit in regionalen Integrationsnetzwerken<br />

• Tandem-Projekt „Verstärkte Partizipation von<br />

Migrantenorganisationen“<br />

Interkulturelle Öffnung<br />

– professionelles und<br />

ehrenamtliches Engagement vor<br />

Ort verbinden<br />

71


Hüllen: Interkulturelle Öffnung<br />

_________________________________________________________________________________<br />

Ziele des Tandem-Projektes<br />

• Stärkung des Engagements für und von Familien mit<br />

Zuwan<strong>der</strong>ungsgeschichte<br />

• Qualifizierung von Migrantinnen zu ‚interkulturellen<br />

Gesundheitsmediatorinnen’<br />

• Einbindung von Migrantinnen in städtische und karitative<br />

Dienste<br />

• För<strong>der</strong>ung von Kooperationen zwischen ehrenamtlich<br />

und professionell Tätigen<br />

• interkulturelle Qualifizierung, Begleitung für<br />

Ehrenamtliche<br />

Struktur des Projektes<br />

Jan<br />

Febr<br />

ab<br />

März<br />

<strong>Caritas</strong>-<br />

Sozialdienste e.V.<br />

Ehrenamtliche<br />

Interkulturelle Öffnungprofessionelles<br />

und ehrenamtliches<br />

Engagement vor Ort verbinden<br />

Kennen lernen<br />

T a n d e m<br />

Vorbereitung<br />

Tandemcafé<br />

2010<br />

2011<br />

Multikultureller<br />

Familienverein<br />

„fitte Mütter“<br />

Austauschen Zusammenarbeiten<br />

72


Hüllen: Interkulturelle Öffnung<br />

_________________________________________________________________________________<br />

ab<br />

April<br />

Ende<br />

Aug.<br />

Sept.’10<br />

-<br />

Sept.‘11<br />

Begleitung<br />

Ehrenamtliche<br />

Umgang mit<br />

Unpünktlichkeit<br />

Unterschiedliche<br />

Leistungsniveaus<br />

Einsatz von Medien<br />

Spracherwerb<br />

Sprachentwicklung<br />

T<br />

a<br />

n<br />

d<br />

e<br />

m<br />

Qualifizierung<br />

20 Frauen<br />

Interkulturelle Gesundheitsmediatorinnen<br />

Aufbauqualifizierung<br />

„fitte Mütter“<br />

Gruppenleitung<br />

Persönlichkeitsstärkung<br />

Entwicklung des Kindes<br />

Neue Technologien<br />

Praktikum<br />

Gesundheitsamt<br />

10x3<br />

10x3<br />

Zertifikat: „Interkulturelle<br />

Gesundheitsmediatorinnen“<br />

Erste Erfahrungen<br />

- 7 Fundamente für eine gute Zusammenarbeit<br />

• Von Anfang an gemeinsam<br />

• konkrete, smarte Ziele<br />

• gemeinsames Leitbild (Werte/Haltung)<br />

• Potenziale, Ressourcen <strong>der</strong> Partner<br />

• Gleichwertigkeit nach außen tragen<br />

• regelmäßige Planungstreffen auf Augenhöhe<br />

• Kontinuierliches Reflektieren <strong>der</strong> gemeinsamen Arbeit<br />

73


Hüllen: Interkulturelle Öffnung<br />

_________________________________________________________________________________<br />

Zukunftsvisionen<br />

• Verbindungen und Kontakte<br />

– Erfolgreiche Kooperationen bestehen langfristig<br />

– Immer wie<strong>der</strong> neue Kooperationen entstehen<br />

• Netzwerk mit vielen Migrantenorganisationen<br />

• Multikultureller Beirat <strong>der</strong> <strong>Caritas</strong> Sozialdienste<br />

• Einbezug von Migrantenorganisationen in den<br />

Offenen-Ganztag<br />

74


Zusammenfassung <strong>der</strong> Diskussionspunkte<br />

_________________________________________________________________________________<br />

3.2 Zusammenfassung <strong>der</strong> Diskussionspunkte<br />

Im Rahmen eines World-Cafés, in Arbeitsgruppen sowie in Gesprächsrunden diskutierten die<br />

Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Expertenworkshops die Grundlagen <strong>der</strong> Zusammenarbeit<br />

zwischen <strong>Caritas</strong> und Migrantenorganisationen, die konkrete <strong>Umsetzung</strong> <strong>der</strong> Zusammenarbeit<br />

in <strong>der</strong> Praxis und formulierten Handlungsempfehlungen für die <strong>Caritas</strong>. Im Folgenden<br />

werden die unterschiedlichen Aspekte dieser Diskussionen zusammenfassend dargestellt.<br />

Die grundsätzliche Motivation <strong>der</strong> <strong>Caritas</strong>, sich für Menschen mit Migrationshintergrund und<br />

ihren Selbstorganisationen einzusetzen, bezieht sich auf das Leitbild des Verbandes. Demnach<br />

setzt sich die <strong>Caritas</strong> für verbesserte Teilhabechancen von benachteiligten Gruppen in<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft ein. Die Gestaltung des Zusammenlebens zwischen Menschen mit und ohne<br />

Migrationshintergrund kann allerdings – darauf wurde in den Diskussionen hingewiesen –<br />

nur gelingen, wenn sich auch Menschen mit Zuwan<strong>der</strong>ungsgeschichte in die Integrationsarbeit<br />

einbringen. Dabei können die Angebote <strong>der</strong> Wohlfahrtsverbände durch solche von<br />

Migrantenorganisationen ergänzt o<strong>der</strong> aber gemeinsam neue Formen von Angeboten entwickelt<br />

werden. Gerade die anwaltschaftliche Funktion <strong>der</strong> <strong>Caritas</strong> verpflichtet dazu, Migrantenorganisationen<br />

als gleichwertige Partner wahrzunehmen, auf sie zuzugehen und von ihnen<br />

zu lernen.<br />

Die Zielsetzung einer Zusammenarbeit zwischen den Diensten und Einrichtungen <strong>der</strong> <strong>Caritas</strong><br />

und Migrantenorganisationen liegt darin, noch besser die Bedarfe <strong>der</strong> Menschen mit<br />

Migrationshintergrund kennenzulernen sowie Themen <strong>der</strong> Integrationsarbeit in ethnische<br />

Gruppen vermitteln zu können. Weitere Ziele einer Kooperation sind die Erschließung <strong>der</strong><br />

Potentiale und Ressourcen <strong>der</strong> Migrantenorganisationen, die För<strong>der</strong>ung des Bürgerschaftliche<br />

Engagements bei Migranten sowie die Einbindung von Migrantenorganisationen in<br />

kommunale Gremien und Netzwerke.<br />

Darüber hinaus diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch die Frage, worin die<br />

Chancen in <strong>der</strong> Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen liegen. Dabei wurde auf <strong>der</strong><br />

einen Seite betont, dass durch die spezifischen Kompetenzen und Erfahrungen auf beiden<br />

Seiten Synergieeffekte in <strong>der</strong> Integrationsarbeit hergestellt werden können. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Seite wurde darauf verwiesen, dass durch die Zusammenarbeit die interkulturelle Öffnung<br />

des Wohlfahrtsverbandes vorangebracht und <strong>der</strong> Zugang zu Migrantengruppen verbessert<br />

werden kann.<br />

Bei <strong>der</strong> Frage nach den Risiken in <strong>der</strong> Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen wurde<br />

darauf hingewiesen, dass diese vermehrt Träger von Integrationsmaßnahmen und somit<br />

Konkurrenten für die Wohlfahrtsverbände werden. Des Weiteren wurde kritisch angemerkt,<br />

dass durch die Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen evtl. nicht unterstützenswerte<br />

Selbstorganisationen geför<strong>der</strong>t werden. Ein zusätzliches Risiko in <strong>der</strong> Zusammenarbeit mit<br />

Selbstorganisationen von Migranten liegt darin, dass Migrantenorganisationen als Lieferanten<br />

von Teilnehmern für Angebote <strong>der</strong> <strong>Caritas</strong> „ausgenutzt“ werden könnten. Gleichzeit besteht<br />

aber auch die Gefahr, dass Dienste und Einrichtungen <strong>der</strong> <strong>Caritas</strong> in <strong>der</strong> Kooperation<br />

auf die Durchführung von Verwaltungsaufgaben reduziert werden.<br />

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sprachen auch über die Frage, unter welchen Umständen<br />

eine Zusammenarbeit zwischen <strong>der</strong> <strong>Caritas</strong> und Migrantenorganisationen erfolgreich<br />

initiiert und durchgeführt werden kann. Bei <strong>der</strong> Initiierung kann <strong>der</strong> Zugang zu Migrantenorganisationen<br />

über Key-Persons sehr hilfreich sein. Für die Durchführung <strong>der</strong> Zusammenarbeit<br />

ist zentral, dass sich beide Seiten nicht als Konkurrenten, son<strong>der</strong>n als Partner ansehen.<br />

Auch gut qualifizierte und professionell arbeitende Migrantenorganisationen können wichtige<br />

Partner in <strong>der</strong> Integrationsarbeit sein und bleiben. Wichtig ist zudem, Ängste und Vorbehalte<br />

auf beiden Seiten (z. B. hinsichtlich islamisch-fundamentalistische Tendenzen bei Migrante-<br />

75


Zusammenfassung <strong>der</strong> Diskussionspunkte<br />

_________________________________________________________________________________<br />

norganisation o<strong>der</strong> aber katholischer Missionierungsabsichten bei <strong>der</strong> <strong>Caritas</strong>) abzubauen<br />

bzw. zu klären. Ein weiteres entscheidendes Kriterium für eine erfolgreiche Zusammenarbeit<br />

ist, dass sich beide Seiten „auf Augenhöhe“ begegnen. Dazu gehören folgende Aspekte:<br />

- Klärung und Absprache <strong>der</strong> jeweiligen Kompetenzen, Ressourcen und Aufgaben,<br />

- Offenheit und Transparenz <strong>der</strong> jeweiligen Ziele und Aktivitäten,<br />

- respektvoller Umgang,<br />

- Wünsche, Vorstellungen und Bedarfe <strong>der</strong> Migrantenorganisationen berücksichtigen,<br />

- Gefühlslagen und Emotionen auf beiden Seiten ernst nehmen,<br />

- Anerkennen, dass Zusammenarbeit auf Augenhöhe anstrengend sein sowie einen<br />

hohen persönlichen und zeitlichen Einsatz erfor<strong>der</strong>n kann,<br />

- Aspekte <strong>der</strong> Zusammenarbeit „auf Augenhöhe“ tatsächlich verinnerlichen; dadurch<br />

entsteht „Herzenshöhe“.<br />

Als eine Handlungsempfehlung formulierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, dass die<br />

verbandliche <strong>Caritas</strong> ihr Selbstverständnis und ihre Rolle in <strong>der</strong> Integrationsarbeit zukünftig<br />

stärker hinterfragen soll. Es gilt anzuerkennen, dass Migrantenorganisationen eine noch größere<br />

Rolle im Gemeinwesen spielen werden. Dieser Prozess sollte durch eine konsequente<br />

<strong>Umsetzung</strong> des Empowerments von Migrantenorganisationen unterstützt werden. Dazu ist<br />

es notwendig, mit ihnen neue Partnerschaften aufzubauen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang<br />

auch, die interkulturelle Öffnung des Verbandes weiter voranzubringen und die<br />

Zusammenarbeit mit Migrantenorganisation im gesamten Verband stärker zu thematisieren.<br />

Dies könnte durch einen gesamtverbandlichen Kongress o<strong>der</strong> durch die Etablierung von<br />

Plattformen für den innerverbandlichen Dialog zum Themenbereich umgesetzt werden.<br />

Gleichzeitig könnten auch Kompetenzzentren als Ansprechpartner für Migrantenorganisationen<br />

in einzelnen Regionen o<strong>der</strong> Diözesen aufgebaut werden. Zuletzt wurde aber auch darauf<br />

hingewiesen, dass die Grenzen und Möglichkeiten eines katholischen Wohlfahrtsverbandes<br />

in <strong>der</strong> Zusammenarbeit mit Migrantenorganisation weiter diskutiert werden sollte. Auch<br />

wurde betont, dass gerade durch eine enge Zusammenarbeit mit den muttersprachlichen<br />

Gemeinden <strong>der</strong> Katholischen Kirche Menschen mit Migrationshintergrund sehr gut angesprochen<br />

und erreicht werden können.<br />

76


4. Anhang<br />

1. Flyer Expertenworkshop<br />

2. Teilnehmerliste<br />

77


Expertenworkshop des<br />

Deutschen <strong>Caritas</strong>verbandes<br />

Migrantenorganisationen – ein Schlüssel zur<br />

selbstbestimmten Teilhabe von Menschen<br />

mit Migrationshintergrund<br />

23./24. März 2010, Fulda (Hotel Bachmühle)<br />

In <strong>der</strong> aktuellen Integrationsdebatte wird den<br />

Migrantenorganisationen eine große Aufmerksamkeit<br />

geschenkt. Sie werden als wichtige<br />

Experten für die Bedarfe von Menschen mit<br />

Migrationshintergrund, als Brückenbauer und<br />

Vermittler sowie als unverzichtbare Akteure <strong>der</strong><br />

Integrationsarbeit beschrieben. In zahlreichen<br />

För<strong>der</strong>programmen wird <strong>der</strong> Fokus auf eine<br />

verstärkte Zusammenarbeit zwischen etablierten<br />

Trägern und Migrantenorganisationen o<strong>der</strong><br />

auf die Professionalisierung <strong>der</strong> Selbstorganisationen<br />

von Menschen mit Migrationshintergrund<br />

gelegt.<br />

Für den Deutschen <strong>Caritas</strong>verband ist es seit<br />

langem ein wichtiges Anliegen, Migrantenorganisationen<br />

und ausländische Vereinigungen zu<br />

för<strong>der</strong>n und zu unterstützen. Ziel war und ist die<br />

Stärkung <strong>der</strong> selbstbestimmten Teilhabe von<br />

Menschen mit Migrationshintergrund. Aktuell<br />

stellt sich jedoch die Frage, wie die verbandliche<br />

<strong>Caritas</strong> mit <strong>der</strong> wachsenden Bedeutung <strong>der</strong><br />

Migrantenorganisationen umgehen soll. Denn<br />

die Zusammenarbeit mit den Selbstorganisationen<br />

von Menschen mit Migrationshintergrund<br />

rührt an das Selbstverständnis als Wohlfahrtsverband<br />

in seiner Rolle als Solidaritätsstifter,<br />

Anwalt und Dienstleister.<br />

An diesem Punkt setzt <strong>der</strong> Expertenworkshop<br />

„Migrantenorganisationen – ein Schlüssel zur<br />

selbstbestimmten Teilhabe von Menschen mit<br />

Migrationshintergrund“ an. In einem ersten Teil<br />

haben die Teilnehmenden die Möglichkeit, mit<br />

Vertreterinnen und Vertretern <strong>der</strong> Wissenschaft,<br />

Politik und Migrantenorganisationen ins Gespräch<br />

zu kommen. In einem zweiten Teil sind<br />

die Mitarbeitenden <strong>der</strong> <strong>Caritas</strong> bzw. katholischer<br />

Einrichtungen dazu eingeladen, die grundlegenden<br />

Fragestellungen zur Zusammenarbeit<br />

mit Migrantenorganisationen zu diskutieren,<br />

Erfahrungen auszutauschen und neue Perspektiven<br />

zu entwickeln. Da gerade vor Ort die Zusammenarbeit<br />

mit Migrantenorganisationen<br />

konkret gestaltet und durchgeführt wird, richtet<br />

sich <strong>der</strong> Expertenworkshop vor allem an Mitarbeitende<br />

aus den Ortscaritasverbänden.<br />

Der Expertenworkshop ist Teil des Projektes<br />

„Migrantenorganisationen ein Schlüssel zur<br />

selbstbestimmten Teilhabe von Menschen mit<br />

Migrationshintergrund – Beitrag <strong>der</strong> <strong>Caritas</strong>“.<br />

Seine Ergebnisse fließen in die Arbeit des Projektes,<br />

das im Oktober 2009 startete und eine<br />

Laufzeit von eineinhalb Jahren hat, ein.<br />

Ansprechpartner DCV<br />

Thomas Leipp, Tel.: 0761/200-361,<br />

E-Mail: Thomas.Leipp@caritas.de<br />

Tagungsort<br />

Hotel-Restaurant-Bachmühle<br />

Künzeller Str. 133<br />

36043 Fulda<br />

http://www.bachmuehle.de<br />

Anfahrt<br />

Informationen zur Anreise finden Sie unter:<br />

http://www.bachmuehle.de/pages/anfahrt.htm<br />

23. März 2010<br />

Programm<br />

Tagesmo<strong>der</strong>ation: Thomas Leipp<br />

Teil I<br />

11:00 Eröffnung des Expertenworkshops<br />

Roberto Alborino, Leiter des Referats<br />

Migration und Integration im Deutschen<br />

<strong>Caritas</strong>verband<br />

11:15 Vortrag: Migrantenorganisationen als<br />

Akteure im Sozialraum – Wege des<br />

Empowerments und <strong>der</strong> Kooperation<br />

Prof. Dr. Sabine Jungk, Arbeitsbereich<br />

Interkulturelle Bildung und Erziehung an<br />

<strong>der</strong> Katholischen Hochschule für Sozialwesen<br />

Berlin<br />

12:30 Mittagessen<br />

13.30 Vortrag: Migrantenorganisationen –<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen für Politik und Zivilgesellschaft<br />

Dr. Claudia Martini, Arbeitsstab <strong>der</strong> Beauftragten<br />

<strong>der</strong> Bundesregierung für Migration,<br />

Flüchtlinge und Integration<br />

14:15 Vortrag: Migrantenorganisationen in<br />

<strong>der</strong> Integrationsför<strong>der</strong>ung – Erfahrungen<br />

und Empfehlungen<br />

Romy Bartels, Leiterin des Referats<br />

Grundsatzangelegenheiten in <strong>der</strong> Integrationsför<strong>der</strong>ung<br />

im BAMF<br />

15:00 Kaffee und Kuchen


15:30 Statements aus Migrantenorganisationen<br />

Potentiale und Grenzen <strong>der</strong> Migrantenorganisationen<br />

in <strong>der</strong> Integrationsarbeit<br />

Kenan Kücük, Multikulturelles Forum<br />

e.V. und Sprecher des Forums <strong>der</strong> Migrantinnen<br />

und Migranten im Paritätischen<br />

Empowerment von Migrantenorganisationen<br />

– Zusammenarbeit zwischen<br />

Wohlfahrtsverbänden und<br />

Migrantenorganisationen gestalten<br />

Vicente Riesgo, Fachberater des Bundes<br />

<strong>der</strong> Spanischen Elternvereine und<br />

Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Spanischen Weiterbildungsakademie<br />

16:30 Vortrag: Migrantenorganisationen –<br />

Bekanntheit, Nutzung, Erwartungen.<br />

Ergebnisse aus <strong>der</strong> Sinus Migranten-<br />

Milieu®-Studie<br />

Thomas Leipp, Referent im Referat Migration<br />

und Integration, Deutscher <strong>Caritas</strong>verband<br />

17:00 Pause<br />

Teil II<br />

17:15 World Café: Grundlagen <strong>der</strong> Zusammenarbeit<br />

zwischen <strong>Caritas</strong> und Migrantenorganisationen<br />

Thementisch 1: Ziele und Themengebiete<br />

<strong>der</strong> Zusammenarbeit<br />

Thementisch 2: Motivation zur Zusammenarbeit<br />

aus Sicht <strong>der</strong> Migrantenorganisationen<br />

Thementisch 3: Chancen und Risiken<br />

<strong>der</strong> Zusammenarbeit<br />

Thementisch 4: Zusammenarbeit „auf<br />

Augenhöhe“ gestalten<br />

18:45 Ende des Programms<br />

19:00 Abendessen<br />

24. März 2010<br />

Tagesmo<strong>der</strong>ation: Thomas Leipp<br />

09:00 Arbeitsgruppen: <strong>Umsetzung</strong> <strong>der</strong> Zusammenarbeit<br />

in die Praxis<br />

AG 1: Kriterien einer erfolgreichen Zusammenarbeit<br />

– Sicherung <strong>der</strong> Nachhaltigkeit<br />

in <strong>der</strong> Zusammenarbeit<br />

Input: Modellprojekt „PAKT – anpacken<br />

– zupacken. Mentoring für einen interkulturellen<br />

Migrantinnenverein“; Manuela<br />

Pintus, <strong>Caritas</strong>verband Wiesbaden-<br />

Rheingau-Taunus e.V.<br />

AG 2: Wünschenswerte und erfolgreiche<br />

Formen <strong>der</strong> Zusammenarbeit<br />

Input: Modellprojekt „Interkulturelle Öffnung<br />

– professionelles und ehrenamtliches<br />

Engagement vor Ort verbinden“;<br />

Dorothee Hüllen, <strong>Caritas</strong>-Sozialdienste<br />

e.V. Mülheim an <strong>der</strong> Ruhr<br />

11:00 Kaffeepause<br />

11:30 Kurzstatements: Ergebnisse aus den<br />

Arbeitsgruppen<br />

Diskussion im Plenum<br />

12:30 Mittagessen<br />

13:00 Ende <strong>der</strong> Veranstaltung<br />

Herausgegeben von<br />

Deutscher <strong>Caritas</strong>verband e.V.<br />

Referat Migration und Integration<br />

Postfach 4 20, 79004 Freiburg<br />

Telefon: +49 (0)761 200-361<br />

Telefax: +49 (0)761 200-211<br />

E-Mail: Thomas.Leipp@caritas.de<br />

Internet: www.caritas.de


Herausgegeben von<br />

Deutscher <strong>Caritas</strong>verband e.V.<br />

Referat Migration und Integration<br />

Postfach 4 20, 79004 Freiburg<br />

Karlstraße 40, 79104 Freiburg<br />

Telefon: 0761 200-361<br />

Telefax: 0761 200-211<br />

(08/2010)<br />

E-Mail: Thomas.Leipp@caritas.de<br />

Internet: www.caritas.de

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