Afrika - Deza - admin.ch
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Un seul monde<br />
Un solo mondo<br />
Eine Welt<br />
<strong>Afrika</strong><br />
Seine Vielfalt fordert den ganzen<br />
Kontinent und die<br />
Entwicklungszusammenarbeit<br />
glei<strong>ch</strong>ermassen<br />
Der Ts<strong>ch</strong>ad – Kampf um Erdöl und<br />
gegen Kriege<br />
Quo vadis <strong>Afrika</strong>? <strong>Afrika</strong>-Optimisten und<br />
<strong>Afrika</strong>-Pessimisten im Streitgesprä<strong>ch</strong><br />
NR. 2<br />
JUNI 2000<br />
DAS DEZA-MAGAZIN<br />
FÜR ENTWICKLUNG<br />
UND ZUSAMMENARBEIT
«Ganz allein arbeiten wir ja ni<strong>ch</strong>t...»<br />
Bundesrat, Aussenminister und <strong>Afrika</strong>-Optimist Joseph<br />
Deiss im Interview<br />
12<br />
Inhalt<br />
Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />
DOSSIER<br />
AFRIKA<br />
<strong>Afrika</strong>s Rei<strong>ch</strong>tum liegt in der Vielfalt<br />
<strong>Afrika</strong> hat 1001 Facetten, Gewissheiten sind selten – <strong>Afrika</strong><br />
ist so vielfältig, dass es als Einheit gar ni<strong>ch</strong>t existiert<br />
6<br />
Vom Pflänz<strong>ch</strong>en zum Baum?<br />
Politis<strong>ch</strong>e Instabilität und fehlende Eigeninvestitionen<br />
ma<strong>ch</strong>en <strong>Afrika</strong>s Wirts<strong>ch</strong>aft zu s<strong>ch</strong>affen<br />
10<br />
Heilige Bäume, Curandeiros und Clanstrukturen<br />
<strong>Afrika</strong> im Spannungsfeld zwis<strong>ch</strong>en Tradition<br />
und Moderne<br />
14<br />
LÄNDER UND LEUTE<br />
TSCHAD<br />
Kriege und Erdöl lassen den Ts<strong>ch</strong>ad ni<strong>ch</strong>t ruhen<br />
Seit über 30 Jahren bluten Konflikte und Unsi<strong>ch</strong>erheiten<br />
das afrikanis<strong>ch</strong>e Binnenland aus<br />
16<br />
Polygamie – au<strong>ch</strong> heute no<strong>ch</strong><br />
Mahamat Azarack Mahamat aus Ts<strong>ch</strong>ad über<br />
die Vielweiberei in <strong>Afrika</strong><br />
20<br />
ENTWICKLUNG UND ZUSAMMENARBEIT SCHWEIZ<br />
Neue Wege in Madagaskar<br />
Na<strong>ch</strong> dreissigjähriger Zusammenarbeit mit der Regierung<br />
ri<strong>ch</strong>tet die S<strong>ch</strong>weiz ihre Zusammenarbeit mit Madagaskar<br />
neu aus<br />
22<br />
FORUM<br />
KULTUR<br />
Journalistens<strong>ch</strong>miede in Albanien<br />
Ein DEZA-Projekt fördert die Ausbildung von<br />
Radiojournalisten<br />
23<br />
<strong>Afrika</strong> und sein erstaunli<strong>ch</strong>es S<strong>ch</strong>ilf<br />
Drei <strong>Afrika</strong>-Kenner streiten über die Zukunft des<br />
S<strong>ch</strong>warzen Kontinents: Ndioro Ndiaye,<br />
Edgard Gnansounou und Laurent Monnier<br />
26<br />
Carte Blan<strong>ch</strong>e:<br />
Charles-Henri Favrod – Journalist und<br />
S<strong>ch</strong>riftsteller – über eine staubige afrikanis<strong>ch</strong>e Reise<br />
29<br />
Theater und Realität in Bamako<br />
Tanz, Trommeln, Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten und Begegnungen prägten<br />
ein spezielles Theaterfestival in Mali<br />
30<br />
Editorial 3<br />
Periskop 4<br />
DEZA-Standpunkt 21<br />
Zum Tod von August R.Lindt und Hans Keller 25<br />
Service 33<br />
Agenda 35<br />
Impressum und Bestellcoupon 35<br />
Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), die Agentur<br />
der internationalen Zusammenarbeit im Eidgenössis<strong>ch</strong>en Departement für<br />
auswärtige Angelegenheiten (EDA), ist Herausgeberin von «Eine Welt».<br />
Die Zeits<strong>ch</strong>rift ist aber keine offizielle Publikation im engeren Sinn; in ihr sollen<br />
au<strong>ch</strong> andere Meinungen zu Wort kommen; deshalb geben ni<strong>ch</strong>t alle Beiträge<br />
unbedingt den Standpunkt der DEZA und der Bundesbehörden wieder.
Edi<br />
torial<br />
Ndioro Ndiaye, Serena Sartori und Axelle Kabou: Drei<br />
Frauen, drei spannende Stimmen. Die eine ist Senegalesin<br />
und Stellvertretende Direktorin der Internationalen<br />
Organisation für Migration, die andere ist<br />
Mailänderin und arbeitet in <strong>Afrika</strong> als Theaterregisseurin<br />
mit S<strong>ch</strong>auspiels<strong>ch</strong>ülerinnen aus Bamako, und<br />
die Dritte ist Soziologin aus Kamerun und provoziert<br />
mit einer Streits<strong>ch</strong>rift gegen s<strong>ch</strong>warze Eliten und<br />
weisse Helfer.<br />
Alle drei kommen in diesem Heft mit ihrer differenzierten<br />
und kritis<strong>ch</strong>en Stimme über <strong>Afrika</strong> – unserem<br />
Dossier und DEZA-Jahresthema – zur Spra<strong>ch</strong>e. Kein<br />
Zufall, denn seit nunmehr zwei Jahren wollen wir mit<br />
«Eine Welt» ni<strong>ch</strong>t nur von der S<strong>ch</strong>weiz aus Hintergründiges<br />
über Entwicklung und Zusammenarbeit<br />
beri<strong>ch</strong>ten, sondern die Stimmen aus dem Süden au<strong>ch</strong><br />
mögli<strong>ch</strong>st oft und prominent zu Wort kommen lassen.<br />
Do<strong>ch</strong> erfüllen wir unsere hohen Ansprü<strong>ch</strong>e an eine<br />
attraktiv gestaltete, informative und mögli<strong>ch</strong>st lesernahe<br />
Zeits<strong>ch</strong>rift au<strong>ch</strong>? Sie, liebe Leserinnen und Leser<br />
haben in den letzten Monaten während unserer repräsentativ<br />
angelegten Lesers<strong>ch</strong>afts-Befragung Ihr kritis<strong>ch</strong>es<br />
Urteil abgegeben. Sie haben uns dabei viel Lob<br />
ausgespro<strong>ch</strong>en. Wir konnten in den vergangenen zwei<br />
Jahren für «Eine Welt» viele neue Leserinnen und Leser<br />
gewinnen, wobei die Leserinnen überproportional stark<br />
zunahmen. Die Zufriedenheit bei der Lesers<strong>ch</strong>aft ist<br />
gestiegen, die neue, zeitgemässe Gestaltung hat das<br />
Heft für Sie attraktiver gema<strong>ch</strong>t.<br />
Und was uns als Herausgeberin ganz besonders freut:<br />
Sie stufen die DEZA, und dies in allen drei Spra<strong>ch</strong>regionen,<br />
als «kompetent, weltoffen, glaubwürdig,<br />
effizient, dynamis<strong>ch</strong>, kritis<strong>ch</strong> und wenig bürokratis<strong>ch</strong>»<br />
ein. Mehr Hintergründe – beispielsweise über Lesemotive<br />
oder Themeninteressen unserer Leserinnen und<br />
Leser – erfahren Sie auf Seite 34. Neben viel Lob<br />
fehlten selbstverständli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> die kritis<strong>ch</strong>en Stimmen<br />
ni<strong>ch</strong>t, beispielsweise die Forderung na<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> mehr<br />
Stimmen aus den entspre<strong>ch</strong>enden Ländern in unserem<br />
Heft.<br />
Eine Zeits<strong>ch</strong>rift ist nie perfekt, weshalb uns Lob genauso<br />
freut wie Kritik. Das von Ihnen ausgespro<strong>ch</strong>ene Lob<br />
bestärkt uns, den einges<strong>ch</strong>lagenen Weg konsequent<br />
weiter zu gehen, die Kritik beflügelt uns, «Eine Welt»<br />
no<strong>ch</strong> spannender, no<strong>ch</strong> kritis<strong>ch</strong>er, no<strong>ch</strong> lesenswerter,<br />
no<strong>ch</strong> attraktiver zu ma<strong>ch</strong>en. Beispielsweise indem<br />
wir uns bemühen, den Stimmen von Ndioro Ndiaye,<br />
Serena Sartori und Axelle Kabou no<strong>ch</strong> viele weitere<br />
folgen zu lassen.<br />
Harry Sivec<br />
Chef Medien und Kommunikation DEZA<br />
Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />
3
Periskop<br />
Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />
Still Pictures<br />
Einfa<strong>ch</strong> und stark<br />
(bf) Sie bestehen aus einem<br />
einfa<strong>ch</strong>en Stahl-Chassis, zwei<br />
Pneus und einer Ladeflä<strong>ch</strong>e aus<br />
Holz oder Metall. Sie sind kaum<br />
kaputt zu kriegen, erleiden sie<br />
denno<strong>ch</strong> mal einen Defekt, sind<br />
sie s<strong>ch</strong>nell und günstig repariert.<br />
Sie werden für die Einbringung<br />
der Ernte genauso verwendet,<br />
wie für den Transport von<br />
Marktwaren, Mens<strong>ch</strong>en oder<br />
Baumaterialen. Kurz und gut,<br />
die Eselskarren sind aus dem<br />
westafrikanis<strong>ch</strong>en Alltagsleben<br />
kaum mehr wegzudenken. Sogar<br />
Kinder lenken die Karren, wel<strong>ch</strong>e<br />
über 700 Kilogramm laden<br />
können. Zudem sind Esel –<br />
zuweilen sind es au<strong>ch</strong> Pferde<br />
oder O<strong>ch</strong>sen – lei<strong>ch</strong>t zu<br />
trainieren und merken si<strong>ch</strong> einmal<br />
gegangene Routen s<strong>ch</strong>nell.<br />
Na<strong>ch</strong> einer langjährigen Verkaufsflaute,<br />
meldet die einst<br />
staatli<strong>ch</strong>e und nun privatisierte<br />
senegalesis<strong>ch</strong>e Produktionsfirma<br />
SISMAR wieder Rekordabsätze:<br />
Über 150000 Karren wurden<br />
mittlerweile verkauft.<br />
Die Kokospflückerinnen von<br />
Kerala<br />
(gn) Im südindis<strong>ch</strong>en Staat<br />
Kerala sind die Frauen auf dem<br />
Vormars<strong>ch</strong>: ni<strong>ch</strong>t nur Kokospflückerinnen<br />
erklimmen neuerdings<br />
s<strong>ch</strong>windelerregende<br />
Höhen. Ungewohnt ist au<strong>ch</strong> die<br />
Begegnung mit Bus<strong>ch</strong>auffeurinnen<br />
oder Bootsfahrerinnen,<br />
wel<strong>ch</strong>e Touristen zum Sight-<br />
seeing ausfahren. Sol<strong>ch</strong>e Jobs<br />
waren bis vor kurzem den<br />
Männern vorbehalten. Viele von<br />
ihnen sind in der Zwis<strong>ch</strong>enzeit<br />
ausgewandert und versu<strong>ch</strong>en ihr<br />
Glück im Ölges<strong>ch</strong>äft am Golf,<br />
während die Frauen zurückbleiben.<br />
Mit den traditionell<br />
männli<strong>ch</strong>en Arbeiten, verdienen<br />
die Frauen wesentli<strong>ch</strong> besser. Ein<br />
weiterer Grund für das Vordringen<br />
der Frauen in «männli<strong>ch</strong>e<br />
Berufe» ist deren – für indis<strong>ch</strong>e<br />
Verhältnisse – gutes Bildungsniveau,<br />
gepaart mit der hohen<br />
Arbeitslosigkeit: Die 28jährige<br />
Kamala Krishna zum Beispiel<br />
konnte trotz High-S<strong>ch</strong>ool-<br />
Abs<strong>ch</strong>luss bis heute keine Stelle<br />
finden, weshalb sie si<strong>ch</strong> ihren<br />
Lebensunterhalt nun als Kokospflückerin<br />
verdient.<br />
Erinnern Sie si<strong>ch</strong>...<br />
(bf) ... dass si<strong>ch</strong> im vergangenen<br />
Jahrzehnt die Internationale<br />
Gemeins<strong>ch</strong>aft an globalen<br />
Konferenzen unter anderem<br />
folgende Ziele für die na<strong>ch</strong>haltige<br />
Entwicklung unseres<br />
Planeten gesetzt hat?<br />
Kampf gegen die extreme Armut:<br />
In den Entwicklungsländern<br />
soll bis ins Jahr 2015 die Anzahl<br />
der Mens<strong>ch</strong>en, die in extremer<br />
Armut leben, um mehr als die<br />
Hälfte reduziert werden.<br />
(Kopenhagen)<br />
Globale S<strong>ch</strong>ulbildung: Weltweit<br />
soll bis ins Jahr 2015 die Grunds<strong>ch</strong>ulbildung<br />
si<strong>ch</strong>er gestellt<br />
werden. (Kopenhagen, Beijng)<br />
Still Pictures<br />
Glei<strong>ch</strong>heit der Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ter: Mit<br />
der Beseitigung der Unglei<strong>ch</strong>heiten<br />
zwis<strong>ch</strong>en Jungen und<br />
Mäd<strong>ch</strong>en in der Primar- und<br />
Sekundars<strong>ch</strong>ulbildung soll bis<br />
2005 die Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>terglei<strong>ch</strong>heit<br />
voran getrieben werden. (Kairo,<br />
Kopenhagen, Beijng)<br />
Kindersterbli<strong>ch</strong>keit: Gegenüber<br />
dem Stand von 1990 soll die<br />
Kindersterbli<strong>ch</strong>keit bei den unter<br />
Fünfjährigen in allen Entwicklungsländern<br />
bis 2015 um zwei<br />
Drittel reduziert werden. (Kairo)<br />
Muttertod: Zwis<strong>ch</strong>en 1990 und<br />
2015 soll der Kindsbetttod um<br />
drei Viertel reduziert werden.<br />
(Kairo, Beijng)<br />
Kampf gegen Hunger: Die Zahl<br />
der Unterernährten soll gegenüber<br />
dem aktuellen Stand bis<br />
2015 um die Hälfte reduziert<br />
werden. (Rom)<br />
Umwelt: In allen Ländern soll bis<br />
2005 eine nationale Strategie zur<br />
na<strong>ch</strong>haltigen Entwicklung auf<br />
die Beine gestellt werden, damit<br />
bis 2015 die tendenzielle Zerstörung<br />
der nationalen und<br />
weltweiten ökologis<strong>ch</strong>en Ressourcen<br />
gestoppt werden kann.<br />
(Rio de Janeiro)<br />
Grosserfolg mit Bohnen und<br />
Reis<br />
(gn) Grosse Forts<strong>ch</strong>ritte in der<br />
Landwirts<strong>ch</strong>aft Lateinamerikas:<br />
Die Reisproduktion konnte<br />
zwis<strong>ch</strong>en 1966 und 1995 verdoppelt<br />
werden, der Ertrag bei<br />
den Bohnen nahm zwis<strong>ch</strong>en<br />
1983 und 1995 dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>
Zei<strong>ch</strong>nung von Martial Leiter<br />
Begegnung<br />
um 25 Prozent zu – in man<strong>ch</strong>en<br />
Gegenden sogar um 110 Prozent.<br />
Laut Mitteilungen des<br />
Internationalen Zentrums für<br />
tropis<strong>ch</strong>e Landwirts<strong>ch</strong>aft (CIAT)<br />
in Kolumbien sind die enormen<br />
Erfolge vor allem auf die Verbesserung<br />
des Saatguts zurückzuführen.<br />
Insgesamt seien in diesem<br />
Zeitraum 300 neue Reissorten<br />
auf den Markt gekommen, 40<br />
davon wurden am CIAT entwickelt.<br />
Laut CIAT-Report<br />
wurden zudem im Rahmen<br />
nationaler Landwirts<strong>ch</strong>aftsprogramme<br />
in Lateinamerika<br />
rund 180 neue Bohnensorten<br />
entwickelt, wel<strong>ch</strong>e heute auf fast<br />
der Hälfte der Bohnenpflanzungen<br />
angebaut werden. Diese<br />
Forts<strong>ch</strong>ritte kommen vor allem<br />
Kleinbauern zugute, wel<strong>ch</strong>e<br />
ni<strong>ch</strong>t nur ihre Selbstversorgung<br />
Keystone<br />
verbessern konnten, sondern<br />
heute zum Teil au<strong>ch</strong> Übers<strong>ch</strong>üsse<br />
auf dem Markt verkaufen<br />
können.<br />
Ugandis<strong>ch</strong>er Solarstrom<br />
(bf) Uganda produziert seinen<br />
Strom hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> mit Wasser.<br />
Trotzdem sind nur gerade fünf<br />
Prozent der Bevölkerung, und<br />
dies hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> in städtis<strong>ch</strong>en<br />
Agglomerationen, ans Elektrizitätsnetz<br />
anges<strong>ch</strong>lossen. Nun<br />
soll im Rahmen des lange geplanten,<br />
landesweiten ländli<strong>ch</strong>en<br />
Elektrifizierungsprogramms ein<br />
riesiges Solarenergieprojekt,<br />
finanziert dur<strong>ch</strong> Kredite von<br />
zwei Privatbanken, Verbesserung<br />
bringen. In den nä<strong>ch</strong>sten Jahren<br />
werden rund 2000 Haushalte<br />
und vier Gemeinden in ländli<strong>ch</strong>en<br />
Gebieten mit Solarstrom<br />
versorgt. Darüber hinaus wird<br />
eine Batteriefabrik aufgebaut,<br />
wel<strong>ch</strong>e die Batterien für die<br />
Solarsysteme produziert.<br />
Still Pictures<br />
Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />
4<br />
5
D O S S I E R <strong>Afrika</strong>s<br />
Rei<strong>ch</strong>tum lie<br />
Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />
<strong>Afrika</strong> ist weder allein der Kontinent der drei K’s – Kriege, Krisen,<br />
Katastrophen –, no<strong>ch</strong> ist er der Kontinent des ländli<strong>ch</strong>en<br />
Friedens, in dem die Familien unterm Mangobaum einträ<strong>ch</strong>tig<br />
zusammenleben. <strong>Afrika</strong> ist so vielfältig, dass es als Einheit gar<br />
ni<strong>ch</strong>t existiert. Von Peter Baumgartner*.
gt in der Vielfalt<br />
<strong>Afrika</strong> hat 1001 Facetten, Gewissheiten sind selten,<br />
auf Anhieb Gültiges wird ständig in Frage gestellt.<br />
Was haben Kenia und Togo gemeinsam, und was<br />
Lesotho und Mauretanien, ausser dass sie auf dem<br />
glei<strong>ch</strong>en Kontinent liegen und unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong> ausgestattete<br />
Stuben in dem als Armenhaus deklarierten<br />
<strong>Afrika</strong> sind? Der Name der «Organisation für<br />
afrikanis<strong>ch</strong>e Einheit» entspri<strong>ch</strong>t mehr einem Programm<br />
als der Wirkli<strong>ch</strong>keit. Das Trennende über-<br />
Kadir Van Lohuizen / Vu<br />
wiegt, Gegensätzli<strong>ch</strong>es und Widersprü<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>es haben<br />
Oberhand.<br />
Bei der geographis<strong>ch</strong>en Zuordnung reden wir von<br />
<strong>Afrika</strong> als einem Kontinent und klammern die<br />
Küstenländer im Norden automatis<strong>ch</strong> aus, als wären<br />
sie Fremdkörper. In gewissem Sinne sind sie es au<strong>ch</strong>;<br />
aber das ma<strong>ch</strong>t aus dem Rest, von dem wir als<br />
«<strong>Afrika</strong>» zu reden pflegen, no<strong>ch</strong> lange kein einheitli<strong>ch</strong>es<br />
Gebilde. Allein der Blick auf die we<strong>ch</strong>selnde<br />
Topographie von West na<strong>ch</strong> Ost und von Süd na<strong>ch</strong><br />
Nord zeigt die offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>sten Unters<strong>ch</strong>iede, die<br />
klimatis<strong>ch</strong>en, und lässt zumindest erahnen, was es<br />
heisst, Bauer zu sein in <strong>Afrika</strong>. Die ausgeklügelten<br />
Te<strong>ch</strong>niken der Djola auf ihren Reisfeldern im südli<strong>ch</strong>en<br />
Senegal, die handtu<strong>ch</strong>grossen Zwiebelbeete<br />
der Dogon in Mali, die steinübersäten Äcker<strong>ch</strong>en<br />
mit Tef im äthiopis<strong>ch</strong>en Ho<strong>ch</strong>land: sie alle zeugen<br />
von der Meisters<strong>ch</strong>aft der Bäuerinnen und Bauern<br />
im Umgang mit Umwelt und Klima, allein daraufhin<br />
ausgeri<strong>ch</strong>tet, der folgenrei<strong>ch</strong>sten Abhängigkeit<br />
zu entrinnen, der si<strong>ch</strong> der Agrarkontinent <strong>Afrika</strong><br />
ausgeliefert sieht - jener des Wetters.<br />
Es ist ni<strong>ch</strong>t die einzige. Was <strong>Afrika</strong> an Agrarprodukten<br />
wie an Bodens<strong>ch</strong>ätzen anzubieten hat, ist<br />
zum grössten Teil für den Norden bestimmt, der die<br />
Preise festsetzt und den Nutzen aus der Weiterverarbeitung<br />
zieht. Jeder no<strong>ch</strong> so enge Kanal na<strong>ch</strong><br />
Norden ist für das einzelne afrikanis<strong>ch</strong>e Land wi<strong>ch</strong>tiger<br />
als ein breiter Fluss zum Na<strong>ch</strong>barland; der innerkontinentale<br />
Handel beträgt knapp a<strong>ch</strong>t Prozent<br />
des gesamten afrikanis<strong>ch</strong>en Aussenhandels.<br />
Kontinent der kleinen Räume<br />
<strong>Afrika</strong>s Staaten sind Einzelkämpfer, mehr no<strong>ch</strong>:<br />
Konkurrenten im Rennen um Investitionen, um<br />
Kredite und Darlehen aus dem Norden, der seinerseits<br />
eigene Interessen verfolgt. Als die internationalen<br />
Ölgesells<strong>ch</strong>aften ihr Auge auf die angolanis<strong>ch</strong>en<br />
Ölfelder zu werfen begannen, senkte Nigeria<br />
die Taxen, um die Multis weiterhin zum Investieren<br />
zu ermuntern. Uganda wird mit Krediten grosszügig<br />
beda<strong>ch</strong>t, obwohl es in Sa<strong>ch</strong>en Korruption Kenia<br />
nur wenig na<strong>ch</strong>steht, das deswegen von den internationalen<br />
Finanzinstituten ges<strong>ch</strong>nittenen wird; aber<br />
Uganda ist ein Teil<strong>ch</strong>en im ideologis<strong>ch</strong>strategis<strong>ch</strong>en<br />
<strong>Afrika</strong>-Konzept der USA.<br />
Wenn die politis<strong>ch</strong>e Öffnung zu Beginn der neunziger<br />
Jahre neben demokratis<strong>ch</strong>eren Regierungsformen<br />
ein si<strong>ch</strong>tbares Ergebnis zeitigte, dann ist es<br />
das Zusammenrücken des Kontinents. Zaghaft und<br />
vor allem wortrei<strong>ch</strong> auf politis<strong>ch</strong>er Ebene, konkreter<br />
auf der wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en. Zumindest ist es heute<br />
ni<strong>ch</strong>t mehr komplizierter, eine Kiste von Nairobi in<br />
die 150 Kilometer entfernte tansanis<strong>ch</strong>e Provinzstadt<br />
Arusha zu s<strong>ch</strong>icken als na<strong>ch</strong> Japan. Die wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />
Kooperation im Westen, im Osten und im süd-<br />
Still Pictures<br />
<strong>Afrika</strong><br />
Von der unendli<strong>ch</strong>en<br />
Wüste bis zum undur<strong>ch</strong>dringli<strong>ch</strong>en<br />
Ds<strong>ch</strong>ungel,<br />
von s<strong>ch</strong>neebedeckten<br />
Berggipfeln bis zu traumhaften<br />
Stränden – <strong>Afrika</strong>s<br />
Lands<strong>ch</strong>aften sind so<br />
vielfältig wie seine Traditionen<br />
und Ethnien.<br />
Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />
6<br />
7
<strong>Afrika</strong>s Dimensionen<br />
<strong>Afrika</strong> ist 8000 Kilometer<br />
lang und 7600 Kilometer<br />
breit und mit einer Flä<strong>ch</strong>e<br />
von 30330000 Quadratkilometern,<br />
was etwa 22<br />
Prozent der gesamten<br />
Landflä<strong>ch</strong>e auf der Erde<br />
entspri<strong>ch</strong>t, der zweitgrösste<br />
Kontinent. Die<br />
Bevölkerung zählt rund<br />
675 Millionen Mens<strong>ch</strong>en,<br />
das sind 13 Prozent der<br />
Gesamtbevölkerung<br />
unseres Planeten. <strong>Afrika</strong><br />
gilt au<strong>ch</strong> als die Wiege der<br />
Mens<strong>ch</strong>heit, wo si<strong>ch</strong> vor<br />
mehr als 200000 Jahren<br />
der Homo sapiens entwickelt<br />
hat.<br />
Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />
Keystone<br />
Bernard Descamps / Vu<br />
li<strong>ch</strong>en <strong>Afrika</strong> sind hoffnungsvolle Ansätze, ganz abgesehen<br />
von der erspriessli<strong>ch</strong>en Zusammenarbeit<br />
der Sahelstaaten.<br />
<strong>Afrika</strong>, bevölkert von s<strong>ch</strong>ätzungsweise 1500 Ethnien,<br />
die fast ebenso viele Spra<strong>ch</strong>en spre<strong>ch</strong>en, ist der<br />
Kontinent der kleinen Räume. Die Familie als erstes,<br />
dann die Volksgruppe sind die ents<strong>ch</strong>eidenden<br />
Einheiten, weit abges<strong>ch</strong>lagen folgt der Nationalstaat.<br />
Die Ethnien sind Beziehungsgefle<strong>ch</strong>t, Sozialnetz,<br />
sind «Pressure groups» und im Bedarfsfall Kampfgemeins<strong>ch</strong>aft<br />
im Ausmar<strong>ch</strong>en um politis<strong>ch</strong>e oder wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />
Vorteile. Aus dieser Si<strong>ch</strong>t hat der Drittweltspezialist<br />
Franz Nus<strong>ch</strong>eler das Entstehen der<br />
na<strong>ch</strong>kolonialen Staaten zu Re<strong>ch</strong>t als «enorme Leistung»<br />
beurteilt, trotz man<strong>ch</strong>er Brü<strong>ch</strong>e und Verwerfungen.<br />
Fast jeder Staat <strong>Afrika</strong>s ist so gesehen ein kleiner<br />
Kontinent für si<strong>ch</strong>. In Tansania leben 120 Ethnien<br />
zusammen, in Nigeria 430 und im kleinen Benin 26.<br />
Ein Kikuyu im zentralen Kenia unters<strong>ch</strong>eidet si<strong>ch</strong><br />
von einem Turkana im semiariden Norden des<br />
Landes wie ein Nords<strong>ch</strong>wede von einem Sizilianer.<br />
Wer im Osten lebt und in den westli<strong>ch</strong>en Teil<br />
<strong>Afrika</strong>s reist, wähnt si<strong>ch</strong>, was Selbstbewusstsein und<br />
Auftreten der Mens<strong>ch</strong>en dort angeht, auf einem anderen<br />
Kontinent. Und selten s<strong>ch</strong>reiben kenianis<strong>ch</strong>e<br />
Zeitungen über Nigerianer ohne das Attribut «die<br />
grossspurig auftretenden Nigerianer...».<br />
Die Vielfalt in den Kultur- und Kultformen, an<br />
Traditionen und Tänzen, an Mär<strong>ch</strong>en, Heldenliedern<br />
und Alltagsweisheiten innerhalb dieser 1500<br />
Volksgruppen kann nur erahnt werden. Zwis<strong>ch</strong>en<br />
der Musik Südafrikas und Äthiopiens, zwis<strong>ch</strong>en den<br />
Klängen Westafrikas und den Rhythmen Kongos<br />
liegen Welten. Es ist ein ebenso faszinierender<br />
Rei<strong>ch</strong>tum, wie ihn die urdemokratis<strong>ch</strong>en Lebensformen<br />
der Djola, die S<strong>ch</strong>nitzereien der Yoruba oder<br />
die Überlebensphilosophie der Bus<strong>ch</strong>männer im<br />
südli<strong>ch</strong>en <strong>Afrika</strong> eröffnen.<br />
Widersprü<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Ges<strong>ch</strong>wister<br />
Natürli<strong>ch</strong> gibt es, bei aller Gefahr der Cli<strong>ch</strong>ébildung,<br />
Gemeinsamkeiten quer über den Kontinent (vom<br />
bedrohli<strong>ch</strong>en CNN-Eintopf wollen wir gar ni<strong>ch</strong>t<br />
reden). Sie liegen auf der anderen Seite der drei<br />
berühmten K's, Kriege, Krisen, Katastrophen. Es<br />
sind Toleranz, Langmut und ein uners<strong>ch</strong>ütterli<strong>ch</strong>er<br />
Lebensgeist.<br />
Zweieinhalb Jahre lang war zwis<strong>ch</strong>en dem Uhuru-<br />
Park in Nairobi und der Innenstadt ein Graben<br />
offen, den tägli<strong>ch</strong> Tausende auf dem Weg zur Arbeit<br />
zu überspringen hatten. Was bei trockenem Wetter<br />
einfa<strong>ch</strong> war, erforderte bei Regen einige Ges<strong>ch</strong>ickli<strong>ch</strong>keit.<br />
Jeder, der si<strong>ch</strong> längere Zeit in <strong>Afrika</strong> aufhält,<br />
weiss von sol<strong>ch</strong>en Lö<strong>ch</strong>ern zu erzählen, au<strong>ch</strong> in<br />
übertragenem Sinne. All die Zänkereien der Politiker,<br />
das s<strong>ch</strong>amlose Abzocken der Eliten, das arrogante<br />
Verhalten der Staatsbürokratie, kaputte Tele-
Bernard Descamps / Vu<br />
fone und derlei Widrigkeiten des Alltags werden genauso<br />
mit Langmut ertragen wie das Auftreten der<br />
Helfer aus dem Norden, von denen man<strong>ch</strong>e als einzige<br />
Qualifikation ihre weisse Haut mitbringen. Wo<br />
sonst sind Toleranz und Gastre<strong>ch</strong>t ausgeprägter als<br />
in <strong>Afrika</strong>, wo selbst kleine Länder jahre- und jahrzehntelang<br />
Hunderttausenden von Flü<strong>ch</strong>tlingen<br />
Gastre<strong>ch</strong>t gewähren? Nähe ist in <strong>Afrika</strong> kein Makel,<br />
nirgendwo. Mitleid und Brutalität sind genau so afrikanis<strong>ch</strong>e<br />
Ges<strong>ch</strong>wister wie Solidarität und Raffgier.<br />
Langmut hat viel mit dem Hinnehmen des Unabänderli<strong>ch</strong>en<br />
zu tun – und lähmt wohl au<strong>ch</strong> die<br />
Bereits<strong>ch</strong>aft für Veränderungen. Langmut, Geduld<br />
und Toleranz, wie wir ihnen in <strong>Afrika</strong> begegnen,<br />
sind indessen der Humus, der jenen Lebensgeist<br />
und jenes Dur<strong>ch</strong>haltevermögen nährt, mit dem die<br />
Mens<strong>ch</strong>en in <strong>Afrika</strong> bis auf die Kno<strong>ch</strong>en geei<strong>ch</strong>t<br />
sind, geei<strong>ch</strong>t sein müssen. Hier liegt, wenn man so<br />
will, die Zukunft des Kontinents – der länger als andere<br />
bewohnt ist – aller Dürren, Hungersnöte und<br />
Kriege zum Trotz.<br />
*Peter Baumgartner ist <strong>Afrika</strong>-Korrespondent des Tages-<br />
Anzeigers Züri<strong>ch</strong> mit Sitz in Nairobi<br />
Bernard Descamps / Vu Keystone<br />
Still Pictures<br />
<strong>Afrika</strong><br />
«Dieser Kontinent ist zu<br />
gross, als dass man ihn<br />
bes<strong>ch</strong>reiben könnte.<br />
Er ist ein regelre<strong>ch</strong>ter<br />
Ozean, ein eigener<br />
Planet, ein vielfältiger,<br />
rei<strong>ch</strong>er Kosmos.»<br />
Ryszard Kapuscinski<br />
war jahrzehntelang <strong>Afrika</strong>-<br />
Korrespondent der<br />
staatli<strong>ch</strong>en polnis<strong>ch</strong>en<br />
Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tenagentur und<br />
bes<strong>ch</strong>reibt seine Erfahrungen<br />
in seinem Bestseller<br />
«<strong>Afrika</strong>nis<strong>ch</strong>es<br />
Fieber. Erfahrungen aus<br />
vierzig Jahren», Frankfurt<br />
Ei<strong>ch</strong>born 1999<br />
8<br />
9
Vom Pflänz<strong>ch</strong>en zum Baum?<br />
In Zahlen erfolgrei<strong>ch</strong><br />
<strong>Afrika</strong> erzielt seit Mitte<br />
der neunziger Jahre ein<br />
Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stum<br />
um 4 Prozent. Die dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>eHaushaltvers<strong>ch</strong>uldung<br />
nahm glei<strong>ch</strong>zeitig<br />
von 10 Prozent des<br />
Bruttosozialprodukts auf<br />
knapp 4 Prozent ab. Die<br />
Inflation ging von 40 auf<br />
10 Prozent zurück. Die<br />
Investitionen nahmen zu:<br />
Zwis<strong>ch</strong>en 1996 und<br />
1998 verdoppelten si<strong>ch</strong><br />
die ausländis<strong>ch</strong>en Direktinvestitionen<br />
auf 8 Milliarden<br />
Dollar.<br />
Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />
Wenn es um <strong>Afrika</strong> geht, verhalten si<strong>ch</strong> Wirts<strong>ch</strong>aftsexperten<br />
wie Krankens<strong>ch</strong>western beim Patientenbesu<strong>ch</strong>: «Gehts uns<br />
heute s<strong>ch</strong>on ein biss<strong>ch</strong>en besser?» Obwohl viele Indikatoren<br />
na<strong>ch</strong> oben zeigen, ma<strong>ch</strong>en dem Kontinent politis<strong>ch</strong>e Instabilität<br />
und fehlende Eigeninvestitionen zu s<strong>ch</strong>affen. Von<br />
Markus Haefliger*.<br />
<strong>Afrika</strong>s Wirts<strong>ch</strong>aftszahlen sind ermutigend, aber irreführend<br />
(siehe Randspalte). Sie sagen ni<strong>ch</strong>ts über<br />
die regionale Verteilung aus. In Mosambik – mit<br />
Wa<strong>ch</strong>stumsraten von se<strong>ch</strong>s Prozent ein Musterland<br />
– konzentriert si<strong>ch</strong> die so erfasste Wirts<strong>ch</strong>aftstätigkeit<br />
auf die Hauptstadt Maputo. In der Provinz<br />
stellen die ruinierten Überreste der portugiesis<strong>ch</strong>en<br />
Kolonialzeit wie Bahnhöfe und Gasthäuser die einzigen<br />
Spuren einer wie au<strong>ch</strong> immer motivierten<br />
Entwicklungspolitik dar.<br />
300 Millionen <strong>Afrika</strong>ner, die Hälfte der Bevölkerung,<br />
lebt unter der Armutsgrenze von einem Dollar<br />
Einkommen pro Tag. Der erhoffte Trickle-down-<br />
Effekt, wona<strong>ch</strong> bei anhaltendem Wa<strong>ch</strong>stum au<strong>ch</strong> die<br />
Ärmsten profitieren, stellt si<strong>ch</strong> umso weniger ein, je<br />
ungere<strong>ch</strong>ter eine Gesells<strong>ch</strong>aft ist. Umgekehrt gesagt:<br />
Je breiter die Kluft zwis<strong>ch</strong>en Arm und Rei<strong>ch</strong>, desto<br />
höher muss das Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stum sein, damit die<br />
Zahl der Armen zurückgeht. Die entspre<strong>ch</strong>enden<br />
Anforderungen an afrikanis<strong>ch</strong>e Länder, die punkto<br />
Unglei<strong>ch</strong>heit nur von den lateinamerikanis<strong>ch</strong>en<br />
übertroffen werden, übersteigen die optimistis<strong>ch</strong>sten<br />
Prognosen. Südafrikas Wirts<strong>ch</strong>aft müsste über<br />
mehrere Jahre um a<strong>ch</strong>t Prozent wa<strong>ch</strong>sen, damit die<br />
Zahl der Armen zurückgeht.<br />
Viellei<strong>ch</strong>t führen Zahlenfe<strong>ch</strong>tereien aber ohnehin<br />
am Problem vorbei, das darin besteht, dass Süd-<br />
Sahara-<strong>Afrika</strong> in der Weltwirts<strong>ch</strong>aft an den Rand ge-<br />
Still Pictures<br />
drängt ist. Das Bruttosozialprodukt (BSP) der Region<br />
ist mit 320 Milliarden Dollar kleiner als dasjenige<br />
Hollands (360 Milliarden). Dieser Marginalisierung<br />
entspri<strong>ch</strong>t, dass in <strong>Afrika</strong> selbst riesige<br />
Wirts<strong>ch</strong>aftssektoren, die ländli<strong>ch</strong>e Subsistenzwirts<strong>ch</strong>aft<br />
und der städtis<strong>ch</strong>e informelle Sektor, ni<strong>ch</strong>t an<br />
den modernen dynamis<strong>ch</strong>en Märkten teilhaben.<br />
Unvorhersehbarkeit beherrs<strong>ch</strong>t den Alltag<br />
Warum drängt die lauteste unter ein paar Dutzend<br />
Händlerinnen eines afrikanis<strong>ch</strong>en Marktes ihre<br />
Konkurrentinnen ni<strong>ch</strong>t aus dem Ges<strong>ch</strong>äft? Viellei<strong>ch</strong>t,<br />
weil sie an einen Unternehmer denkt, dessen<br />
Lagerhalle von Soldaten geplündert wurde. In<br />
einer Welt, die von ni<strong>ch</strong>ts so beherrs<strong>ch</strong>t wird wie<br />
von der Unvorhersehbarkeit – sei es von Krankheiten,<br />
Forderungen der Grossfamilie oder politis<strong>ch</strong>en<br />
Einbrü<strong>ch</strong>en –, ist Bes<strong>ch</strong>eidenheit keine<br />
Tugend, sondern kluges Verhalten: Wer ni<strong>ch</strong>ts hat,<br />
dem kann man ni<strong>ch</strong>ts nehmen.<br />
Traditionales Wirts<strong>ch</strong>aftsverhalten, das si<strong>ch</strong> in einem<br />
Netz von sozialen Re<strong>ch</strong>ten und Pfli<strong>ch</strong>ten bewegt,<br />
steht allerdings in Widerspru<strong>ch</strong> zum kapitalistis<strong>ch</strong>en<br />
Entwicklungsweg, dessen grundsätzli<strong>ch</strong>er Wüns<strong>ch</strong>barkeit<br />
au<strong>ch</strong> in <strong>Afrika</strong> kaum mehr jemand widerspri<strong>ch</strong>t.<br />
Man kann das an den ländli<strong>ch</strong>en Besitzverhältnissen<br />
verdeutli<strong>ch</strong>en. Als im Europa des 17.<br />
und 18. Jahrhunderts die Städte und Märkte wu<strong>ch</strong>sen,<br />
kassierten die Grundherren die Re<strong>ch</strong>te der<br />
Pä<strong>ch</strong>ter und vertrieben diese von ihren Äckern. In<br />
<strong>Afrika</strong> bleibt der einzelne Bauer Nutzniesser, ni<strong>ch</strong>t<br />
Privateigentümer seines Ackers, kann diesen weder<br />
verkaufen no<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> eine Hypothek belasten. Die<br />
Konzentration und Kapitalisierung von Grundbesitz<br />
sind jedo<strong>ch</strong> Grundvoraussetzungen für die kapitalistis<strong>ch</strong>e<br />
Entwicklung.<br />
Eine Folge dieser sozialen (ni<strong>ch</strong>t zu verwe<strong>ch</strong>seln mit<br />
der politis<strong>ch</strong>en) Stabilität ist das Fehlen eines Mittelstandes.<br />
Zahlrei<strong>ch</strong> sind die anekdotis<strong>ch</strong>en Beoba<strong>ch</strong>tungen,<br />
dass es in <strong>Afrika</strong> Arme und Rei<strong>ch</strong>e gibt,<br />
aber dazwis<strong>ch</strong>en fast ni<strong>ch</strong>ts. Das Volk geht zu Fuss,<br />
die Chefs fahren Auto – Velos sind nur wenige auszuma<strong>ch</strong>en.<br />
Au<strong>ch</strong> in der Produktion fehlt zwis<strong>ch</strong>en<br />
dem informellen Sektor – was man salopp die Bastelwirts<strong>ch</strong>aft<br />
nennen könnte – und der Industrie das solide<br />
Handwerk. Es gibt S<strong>ch</strong>uhma<strong>ch</strong>er, die aus Pneus<br />
Bernard Descamps / Vu
klobige Sandalen basteln, und Bata-Fabriken. Einen<br />
S<strong>ch</strong>uster, der mit Leder und Leisten arbeitet, su<strong>ch</strong>t<br />
man dagegen vergebens.<br />
Wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Trendumkehr<br />
Damit zusammen hängt die tiefe Rate der Eigeninvestitionen.<br />
Betragen diese beispielsweise in<br />
Malaysia 40 und in Chile und Mexiko 25 Prozent<br />
des BSP, liegt sie in afrikanis<strong>ch</strong>en Ländern eher<br />
bei 15. «Die wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Trendumkehr ist ein<br />
s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>es Pflänz<strong>ch</strong>en, solange wir Auslandinvestitionen<br />
und Entwicklungshilfe ni<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong> eigene<br />
Mittel ersetzen», sagt der frühere IWF-Experte und<br />
Finanzminister Ghanas, Kwesi Bot<strong>ch</strong>wey, heute<br />
Leiter des Harvard Institute for International Development.<br />
Es ist zu früh zu beurteilen, ob die jüngste Welle,<br />
von «afrikanis<strong>ch</strong>er Renaissance» zu spre<strong>ch</strong>en und<br />
davon, der Kontinent müsse seine Angelegenheiten<br />
selber an die Hand nehmen, ein heilsames Umdenken<br />
signalisiert. Die bes<strong>ch</strong>worene «Renaissance»<br />
kann bisher nur zwei handfeste Indizien für ihre<br />
Existenz vorweisen, ein positives und ein negatives.<br />
Das Negative: <strong>Afrika</strong>nis<strong>ch</strong>e Staaten mis<strong>ch</strong>en si<strong>ch</strong><br />
vermehrt in die Belange von Na<strong>ch</strong>barstaaten ein.<br />
No<strong>ch</strong> nie seit der Entkolonialisierung wurden auf<br />
dem Kontinent so viele Kriege geführt, und erstmals<br />
sind dafür auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> afrikanis<strong>ch</strong>e Interessen verantwortli<strong>ch</strong>,<br />
au<strong>ch</strong> räuberis<strong>ch</strong>e wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Interessen.<br />
Denis Darzacq / Vu<br />
Positives Indiz: Seit der demokratis<strong>ch</strong>en Öffnung<br />
investieren südafrikanis<strong>ch</strong>e Firmen bis über den<br />
Äquator na<strong>ch</strong> Kenia und Uganda. Südafrikanis<strong>ch</strong>e<br />
Direktinvestitionen in Sub-Sahara-<strong>Afrika</strong> verzehnfa<strong>ch</strong>ten<br />
si<strong>ch</strong> von 1996 bis 1998 auf 1,7 Milliarden<br />
Dollar.<br />
*Markus Haefliger war von 1988 bis 1994 <strong>Afrika</strong>-<br />
Korrespondent von S<strong>ch</strong>weizer Radio DRS mit Sitz in<br />
Harare. Er lebt heute als freier Journalist in Bern.<br />
<strong>Afrika</strong><br />
Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />
Still Pictures<br />
10<br />
11
«Ganz allein arbeiten wir ja ni<strong>ch</strong>t...»<br />
Das <strong>Afrika</strong>bild der S<strong>ch</strong>weizerinnen und S<strong>ch</strong>weizer ist mitunter düster. Zweifel<br />
an der Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit mit dem Kontinent<br />
sind ni<strong>ch</strong>t selten. Sind Entwicklungsprojekte und humanitäre Hilfe in <strong>Afrika</strong><br />
wirkli<strong>ch</strong> ein Fass ohne Boden? Bundesrat Joseph Deiss, ein <strong>Afrika</strong>-Optimist,<br />
ist vom Gegenteil überzeugt. Interview: Maria Roselli.<br />
Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />
Iris Krebs<br />
Gilles Favier / Vu<br />
Eine Welt: Warum führte Ihre erste grosse<br />
Auslandreise als Aussenminister gerade na<strong>ch</strong><br />
<strong>Afrika</strong>?<br />
Joseph Deiss: Mit meiner Reise na<strong>ch</strong> Tansania,<br />
Mosambik und Südafrika verfolgte i<strong>ch</strong> ein doppeltes<br />
Ziel. Zum einen wollte i<strong>ch</strong> aufzeigen, wie<br />
wi<strong>ch</strong>tig für mi<strong>ch</strong> die Entwicklungszusammenarbeit<br />
ist und das S<strong>ch</strong>weizer Engagement in diesen<br />
drei S<strong>ch</strong>werpunktländern hervorheben. Zum anderen<br />
hatte meine <strong>Afrika</strong>reise au<strong>ch</strong> eine politis<strong>ch</strong>e<br />
Zielsetzung. I<strong>ch</strong> wollte sehen, wie si<strong>ch</strong> im süd-<br />
li<strong>ch</strong>en <strong>Afrika</strong> die Bestrebungen im Berei<strong>ch</strong> der<br />
Konfliktlösungen entwickeln.<br />
Wie zufrieden sind Sie mit der heutigen<br />
«<strong>Afrika</strong>-Politik» der S<strong>ch</strong>weiz?<br />
Die S<strong>ch</strong>weiz ist zurzeit mit sieben S<strong>ch</strong>werpunktländern<br />
und drei Spezialprogrammen sehr aktiv in<br />
<strong>Afrika</strong>. Dieses Jahr sind für die Entwicklungszusammenarbeit<br />
und die humanitäre Hilfe in<br />
diesen sieben Ländern rund 200 Millionen<br />
Franken budgetiert. Das ist notwendig, denn in
<strong>Afrika</strong> sind no<strong>ch</strong> grosse Probleme zu bewältigen.<br />
In den letzten Jahren ist es immer klarer geworden,<br />
dass der politis<strong>ch</strong>en Seite der Entwicklungsarbeit<br />
mehr Gewi<strong>ch</strong>t als früher beigemessen werden<br />
muss. Ein vermehrtes Engagement der<br />
S<strong>ch</strong>weiz im Berei<strong>ch</strong> der Konfliktlösung und der<br />
Friedenspolitik ist deshalb sehr sinnvoll. Unser<br />
Wissen über die s<strong>ch</strong>welenden Konflikte im<br />
südli<strong>ch</strong>en <strong>Afrika</strong> sollte vermehrt in unsere strategis<strong>ch</strong>en<br />
Überlegungen einbezogen werden. Fälle<br />
wie in Ruanda dürfen si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t wiederholen.<br />
Kann die S<strong>ch</strong>weiz im internationalen Kontext<br />
der Entwicklungszusammenarbeit überhaupt<br />
etwas bewirken, und wäre ihr Engagement<br />
ni<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong> einen Beitritt in die EU<br />
und/oder UNO wirksamer?<br />
I<strong>ch</strong> bin fest davon überzeugt, dass au<strong>ch</strong> ein kleines<br />
Land wie die S<strong>ch</strong>weiz dur<strong>ch</strong>aus eine eigenständige<br />
Entwicklungspolitik betreiben kann. Zudem:<br />
Ganz allein arbeiten wir ja ni<strong>ch</strong>t, denn wir sind in<br />
vielen Unterorganisationen der UNO aktiv tätig.<br />
Denno<strong>ch</strong> ist ein Vollbeitritt zu den Vereinigten<br />
Nationen sehr bedeutend. Denn damit wären wir<br />
au<strong>ch</strong> bei der Bestimmung der grossen Linien voll<br />
dabei.<br />
Fort- und Rücks<strong>ch</strong>ritte gehen in <strong>Afrika</strong> oft<br />
Hand in Hand. Vielen ers<strong>ch</strong>eint die internationale<br />
Entwicklungszusammenarbeit in<br />
<strong>Afrika</strong> wie ein Fass ohne Boden...<br />
I<strong>ch</strong> bin überzeugt, dass viele Anstrengungen, und<br />
zwangsläufig au<strong>ch</strong> Misserfolge, unvermeidbar sein<br />
werden. Do<strong>ch</strong> trotz aller S<strong>ch</strong>wierigkeiten ist immer<br />
wieder ein Vorwärtstrend zu verzei<strong>ch</strong>nen.<br />
Eine wirkli<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong>haltige Entwicklung ist aber<br />
erst dann mögli<strong>ch</strong>, wenn au<strong>ch</strong> die politis<strong>ch</strong>en<br />
Probleme gelöst werden. Erst wo wirkli<strong>ch</strong> stabile<br />
Verhältnisse herrs<strong>ch</strong>en und die Zivilgesells<strong>ch</strong>aft<br />
funktioniert, kann si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> die Wirts<strong>ch</strong>aft wirkungsvoll<br />
entfalten. Wenn es gelingt, gerade im<br />
Rahmen der Organisation <strong>Afrika</strong>nis<strong>ch</strong>er Einheit<br />
mehr Stabilität zu produzieren, dann wird si<strong>ch</strong>er<br />
au<strong>ch</strong> die Entwicklungsarbeit viel effizienter.<br />
In anderen Worten, es wird nur jenen Ländern<br />
geholfen, die aufgrund ihrer Demokratisierungsbestrebungen<br />
Na<strong>ch</strong>haltigkeit<br />
und Wirksamkeit der Entwicklungsprojekte<br />
verspre<strong>ch</strong>en?<br />
Bei den Auflagen geht es ni<strong>ch</strong>t darum, die Effizienz<br />
der Entwicklungspolitik zu si<strong>ch</strong>ern. Mit<br />
dieser Politik will man vielmehr auss<strong>ch</strong>liessen, dass<br />
Regimes unterstützt werden, deren Politik beispielsweise<br />
die Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te missa<strong>ch</strong>tet.<br />
Keystone<br />
Au<strong>ch</strong> auf die Gefahr hin, dass gerade Mens<strong>ch</strong>en,<br />
die es am nötigsten hätten, aufgrund<br />
der Politik ihrer Regierung von der Hilfe<br />
ausges<strong>ch</strong>lossen werden?<br />
Natürli<strong>ch</strong> ist das für die betroffene Bevölkerung<br />
dramatis<strong>ch</strong>, und diese mag au<strong>ch</strong> zu den Ärmsten<br />
der Armen gehören. Aber es kann ni<strong>ch</strong>t sein, dass<br />
wir Regimes stärken, die aus unserer Si<strong>ch</strong>t gegen<br />
die eigene Bevölkerung arbeiten. Die Good-<br />
Governance-Politik betrifft aber auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong><br />
die te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Entwicklungszusammenarbeit und<br />
ni<strong>ch</strong>t die humanitäre Hilfe. Im Berei<strong>ch</strong> der humanitären<br />
Hilfe, also im Falle von Katastrophen,<br />
helfen wir, ohne Auflagen zu stellen.<br />
Sehen Sie die Zukunft <strong>Afrika</strong>s eher optimistis<strong>ch</strong><br />
oder pessimistis<strong>ch</strong>?<br />
I<strong>ch</strong> bin zuversi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>, au<strong>ch</strong> wenn es in <strong>Afrika</strong><br />
no<strong>ch</strong> sehr viel zu tun gibt. Diese Zuversi<strong>ch</strong>t<br />
stütze i<strong>ch</strong> auf jene Länder, die si<strong>ch</strong> langsam empor<br />
gearbeitet haben und jetzt eine Leaderposition<br />
einnehmen. I<strong>ch</strong> denke beispielsweise an die<br />
Rolle, die Südafrika spielen könnte. Viele afrikanis<strong>ch</strong>e<br />
Länder erwarten von Südafrika eine Art<br />
Leaderfunktion. Eine Funktion, die Südafrika<br />
dur<strong>ch</strong>aus zu übernehmen in der Lage ist. Es gibt<br />
aber no<strong>ch</strong> andere positive Beispiele. I<strong>ch</strong> denke da<br />
etwa an Mosambik.<br />
Was bedeutet Ihnen persönli<strong>ch</strong> <strong>Afrika</strong>?<br />
Für mi<strong>ch</strong> ist <strong>Afrika</strong> ein faszinierender Kontinent,<br />
ein Kontinent, den i<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on früher gerne bereiste.<br />
Hier bin i<strong>ch</strong> immer wieder auf Mens<strong>ch</strong>en<br />
gestossen, die i<strong>ch</strong> wegen ihrer Lebenseinstellungen<br />
und ihres Humors sehr s<strong>ch</strong>ätzen gelernt<br />
habe.<br />
Network / Lookat<br />
<strong>Afrika</strong><br />
12<br />
13
Heilige Bäume, Curandeiros<br />
und Clanstrukturen<br />
Leben als <strong>Afrika</strong>nerin<br />
Laut Statistik arbeitet eine<br />
afrikanis<strong>ch</strong>e Frau dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong><br />
17 Stunden pro<br />
Tag: «Die <strong>Afrika</strong>nerinnen<br />
s<strong>ch</strong>uften, ob auf den<br />
Märkten Bamakos, im<br />
roten Staub von Burkina<br />
Faso, auf den Strassen<br />
von Lagos oder an den<br />
Stränden Dakars. Sie<br />
verkaufen: drei Kolanüsse,<br />
fünf Zigaretten,<br />
zehn Stück Zucker. Sie<br />
taus<strong>ch</strong>en: fünfzehn<br />
Mangos gegen ein Stück<br />
Stoff, Trockenfis<strong>ch</strong> gegen<br />
zwei Stück Seife. Sie<br />
jäten, harken, säen: ein<br />
Feld von der Grösse<br />
zweier Tas<strong>ch</strong>entü<strong>ch</strong>er,<br />
ein von allen vera<strong>ch</strong>tetes,<br />
ödes Fleck<strong>ch</strong>en Erde.»<br />
Elisabeth Lequeret,<br />
Journalistin bei Radio<br />
France Internationale<br />
Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />
Im Spannungsfeld zwis<strong>ch</strong>en Geisterbes<strong>ch</strong>wörung und Internet,<br />
zwis<strong>ch</strong>en Börsenhandel und traditioneller Clanwirts<strong>ch</strong>aft<br />
su<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> <strong>Afrika</strong> einen eigenen Weg. Dabei sind s<strong>ch</strong>ier unlösbare<br />
Gegensätze zu überwinden. Oder s<strong>ch</strong>eint dies nur so?<br />
Von Gabriela Neuhaus.<br />
Lesotho, anfangs der se<strong>ch</strong>ziger Jahre. Eben kehrt der<br />
junge Agronom Steven Ralitsolele voller Enthusiasmus<br />
von seiner Ausbildung in Europa zurück.<br />
Nun, so glaubt er, hat er das Know-how, um seinem<br />
Land aus der Misere zu helfen. Traktore,<br />
Dünger, Maisanbau im grossen Stil sind die Rezepte<br />
für eine blühende Landwirts<strong>ch</strong>aft, wie er sie im<br />
Norden studiert hat und nun, dank seinem Posten<br />
im Ministerium, au<strong>ch</strong> umsetzen kann.<br />
Knapp 40 Jahre später, sieht Agro-Wissens<strong>ch</strong>aftsminister<br />
Ralitsolele man<strong>ch</strong>es anders: «Was für die<br />
Landwirts<strong>ch</strong>aft in Europa gut sein mag, war hier<br />
fals<strong>ch</strong>.» Seit die Erträge der Monokulturen zurückgegangen<br />
sind, erinnert man si<strong>ch</strong> in Lesotho eines<br />
weisen alten Mannes: James Jacob Ma<strong>ch</strong>obane hatte<br />
si<strong>ch</strong> seit den fünfziger Jahren für die Weiterentwicklung<br />
und Optimierung traditioneller Landwirts<strong>ch</strong>aftsmethoden<br />
eingesetzt. Lange waren seine<br />
Lehren verpönt, galten als rückwärts gewandt, entwicklungshemmend.<br />
Heute holt das Landwirts<strong>ch</strong>aftsministerium<br />
Rat bei ihm. Von Ma<strong>ch</strong>obanes<br />
Weg, sagt Steven Ralitsolele, könne der Staat einiges<br />
lernen.<br />
Zwis<strong>ch</strong>en afrikanis<strong>ch</strong>er Kultur und<br />
Moderne<br />
Samba Seck, eine Generation jünger und ebenfalls<br />
Absolvent einer europäis<strong>ch</strong>en Uni, baute in seiner<br />
Heimat Guinea Bissau von Anfang an auf traditionelle<br />
Kräfte. Als Koordinator einer Entwicklungsorganisation<br />
arbeitet er in Dörfern, wo die Natur für<br />
die Mens<strong>ch</strong>en voller Geister und die Bäume heilig<br />
sind. Si<strong>ch</strong> selber sieht er als S<strong>ch</strong>altstelle zwis<strong>ch</strong>en<br />
modernem Staat und den Anliegen der Dorfbewohner.<br />
Zum Beispiel im Streit um die heiligen<br />
Bäume, wel<strong>ch</strong>e für Holzfäller aus der Region Profit<br />
bedeuten. Samba Seck klärt die Dorfbewohner über<br />
ihre Eigentumsre<strong>ch</strong>te auf und hilft ihnen, diese<br />
wahrzunehmen: «Die traditionellen und religiösen<br />
Anliegen dieser Mens<strong>ch</strong>en, nämli<strong>ch</strong> der S<strong>ch</strong>utz des<br />
Waldes, sind au<strong>ch</strong> unsere Anliegen und tragen zu<br />
einer na<strong>ch</strong>haltigen, ökologis<strong>ch</strong>en Entwicklung bei.»<br />
So verbindet Samba Seck die alten Werte der ani-<br />
Denis Darzacq / Vu<br />
Denis Darzacq / Vu<br />
mistis<strong>ch</strong>en Dorfbevölkerung mit seinen Zukunftsvisionen.<br />
Lokale Traditionen und globalisierende Moderne<br />
sind Gegensätze, die in den unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>sten<br />
Formen und Lebensberei<strong>ch</strong>en immer wieder anzutreffen<br />
sind. Ihre Bedeutung wird heute äusserst gegensätzli<strong>ch</strong><br />
diskutiert. Während es immer no<strong>ch</strong><br />
Leute gibt, wel<strong>ch</strong>e die Armut in <strong>Afrika</strong> dem «traditionell<br />
faulen Wesen des <strong>Afrika</strong>ners» zus<strong>ch</strong>reiben,<br />
sehen andere das mögli<strong>ch</strong>e Heil für den Kontinent<br />
in einer Rückbesinnung auf alte Traditionen und zelebrieren<br />
«den guten Wilden». Tatsa<strong>ch</strong>e ist: <strong>Afrika</strong><br />
ist längst kein unberührter Kontinent mehr, viele<br />
traditionelle Strukturen existieren gar ni<strong>ch</strong>t mehr,<br />
und diese sind si<strong>ch</strong>er nie nur «gut» gewesen. Au<strong>ch</strong>
Still Pictures<br />
ma<strong>ch</strong>t die Globalisierung vor <strong>Afrika</strong> ni<strong>ch</strong>t halt, entspre<strong>ch</strong>ende<br />
Entwicklungen sind längst in vollem<br />
Gange. Die Frage bleibt: Wie viel Tradition brau<strong>ch</strong>t<br />
oder verträgt es, wo nützt das Althergebra<strong>ch</strong>te der<br />
Entwicklung, wo verhindert es sie?<br />
Die Praxis zeigt, dass es keine einfa<strong>ch</strong>en Antworten<br />
gibt. Wie in den meisten afrikanis<strong>ch</strong>en Gesells<strong>ch</strong>aften,<br />
ist au<strong>ch</strong> in Mosambik die traditionelle Medizin<br />
von grosser Bedeutung: Weil die staatli<strong>ch</strong>e Gesundheitsversorgung<br />
ungenügend ist und weil oft das<br />
Vertrauen in die neuen Gesundheitsposten fehlt.<br />
Eine flä<strong>ch</strong>endeckende Gesundheitsversorgung ist<br />
nur dank traditioneller Heiler, der Curandeiros<br />
mögli<strong>ch</strong>. Für viele Krankheiten verfügen sie über<br />
Mittel und Methoden, die jenen der westli<strong>ch</strong>en<br />
Medizin mindestens ebenbürtig sind.<br />
Hand in Hand von Alt und Neu<br />
Die Kehrseite: Curandeiros praktizieren unter anderem<br />
Rituale (zB Tätowierung, bei der Blut übertragen<br />
wird), wel<strong>ch</strong>e zur Weiterverbreitung von<br />
Aids beitragen. Ziel müsste eine Zusammenarbeit<br />
zwis<strong>ch</strong>en traditionellen Heilern und dem Staat sein,<br />
sagt Thomas Greminger, DEZA-Koordinator in<br />
Maputo: «Wir versu<strong>ch</strong>en eine Symbiose. Do<strong>ch</strong> bis<br />
heute ist es dem öffentli<strong>ch</strong>en Gesundheitssystem<br />
ni<strong>ch</strong>t gelungen, einen Modus Vivendi mit den<br />
Curandeiros zu finden.» Dass eine Zusammenarbeit<br />
mögli<strong>ch</strong> ist, zeigen erste Erfolge auf lokaler Ebene,<br />
wo eine von der DEZA unterstützte staatli<strong>ch</strong>e<br />
Apotheke und Curandeiros ihre Dienste gemeinsam<br />
anbieten.<br />
Ähnli<strong>ch</strong>e Erfahrungen wie im Gesundheitswesen<br />
gibt es au<strong>ch</strong> in anderen Berei<strong>ch</strong>en: So bilden zum<br />
Beispiel intakte Clanstrukturen ein wi<strong>ch</strong>tiges soziales<br />
Netz, wel<strong>ch</strong>es aber ni<strong>ch</strong>t ausrei<strong>ch</strong>t, um etwa die<br />
Problematik der Migration in die Städte aufzufangen.<br />
Dezentralisierungs- und Demokratisierungsprojekte<br />
können si<strong>ch</strong> auf althergebra<strong>ch</strong>te Diskussions-<br />
und Partizipationstraditionen stützen. Diese<br />
werden aber oft von dörfli<strong>ch</strong>en Hierar<strong>ch</strong>ien dominiert.<br />
Im Spannungsfeld zwis<strong>ch</strong>en positiven und negativen<br />
Aspekten traditioneller Werte für die<br />
Zielsetzungen der Entwicklungsarbeit müsse man<br />
pragmatis<strong>ch</strong> vorgehen, sagt Thomas Greminger: «Es<br />
gibt keine Globallösungen, denn der Einfluss von<br />
Traditionen ist regional und lokal total unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>,<br />
so dass die Balance zwis<strong>ch</strong>en Alt und Neu<br />
überall wieder neu definiert werden muss.»<br />
Still Pictures<br />
<strong>Afrika</strong><br />
Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />
14<br />
15
L Ä N D E R U N D L E U T E<br />
Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />
Kriege und Erdöl<br />
lassen den Ts<strong>ch</strong>ad<br />
ni<strong>ch</strong>t ruhen<br />
Seit über dreissig Jahren bluten Konflikte und Unsi<strong>ch</strong>erheit<br />
den Ts<strong>ch</strong>ad aus. Die Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> der für eine wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />
Entwicklung nötigen politis<strong>ch</strong>en Stabilität geht weiter. Heute<br />
ist ein neuer Kampf im Gang: ums Öl. Die Erdölvorkommen<br />
weckten die Begehrli<strong>ch</strong>keit grosser anglo-amerikanis<strong>ch</strong>er<br />
Unternehmen und rufen die Ökologen auf den Plan. Von<br />
Marie Joannidis*.<br />
Idriss Deby hat 1990 die Ma<strong>ch</strong>t an si<strong>ch</strong> gerissen, wie<br />
zuvor s<strong>ch</strong>on sein Vorgänger Hissein Habré, dessen<br />
Stabs<strong>ch</strong>ef er war. Seit den Präsidents<strong>ch</strong>aftswahlen<br />
von 1996, aus denen er als Sieger hervorging, versu<strong>ch</strong>t<br />
si<strong>ch</strong> Deby als Demokrat darzustellen, um die<br />
multilateralen Geldgeber, den Internationalen Währungsfonds<br />
oder au<strong>ch</strong> die Weltbank zu beruhigen.<br />
In den Augen vieler diplomatis<strong>ch</strong>er Beoba<strong>ch</strong>ter hat<br />
er jedo<strong>ch</strong> die politis<strong>ch</strong>e Öffnung no<strong>ch</strong> immer ni<strong>ch</strong>t<br />
vollzogen. So fühlt si<strong>ch</strong> der Süden na<strong>ch</strong> wie vor von<br />
der Zentralma<strong>ch</strong>t ausgegrenzt, wel<strong>ch</strong>e in den Händen<br />
des Nordens liegt. Im Süden des Landes befin-<br />
den si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t nur die Erdölvorkommen, sondern<br />
au<strong>ch</strong> der landwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Rei<strong>ch</strong>tum, und da lebt<br />
au<strong>ch</strong> die Mehrheit der Bevölkerung. Diese sind<br />
Christen oder Animisten, während im Norden der<br />
Islam vorherrs<strong>ch</strong>t.<br />
Die beiden ersten Präsidenten des Ts<strong>ch</strong>ad, François<br />
Tombalbaye und Félix Malloum, stammten aus dem<br />
Süden. Seit 1979 aber war immer ein Mann aus dem<br />
Norden Präsident. Das waren namentli<strong>ch</strong> Hissein<br />
Habré und Goukouni Oueddeï, verfeindete Brüder,<br />
wel<strong>ch</strong>e mit der Waffe um die Ma<strong>ch</strong>t kämpften. Sie<br />
wurden na<strong>ch</strong>einander von Libyen unterstützt, das<br />
Heidi Hostettler<br />
Heidi Hostettler
lange den Streifen Aouzou, eine Pufferzone zwis<strong>ch</strong>en<br />
den beiden Ländern, beanspru<strong>ch</strong>te und besetzt<br />
hielt.<br />
S<strong>ch</strong>wer lastende Vergangenheit<br />
N’Djamena zeigt heute alle Anzei<strong>ch</strong>en einer aufstrebenden<br />
afrikanis<strong>ch</strong>en Hauptstadt, wo si<strong>ch</strong> europäis<strong>ch</strong>e<br />
und afrikanis<strong>ch</strong>e Quartiere vermis<strong>ch</strong>en.<br />
Na<strong>ch</strong> und na<strong>ch</strong> versu<strong>ch</strong>t man die Spuren der heftigen<br />
Kämpfe der 80er-Jahre auszulös<strong>ch</strong>en, und<br />
au<strong>ch</strong> die einst mit ihren Toyota-Pickups herumkurvenden,<br />
Kalas<strong>ch</strong>nikov und Ray-Ban-Sonnenbrillen<br />
tragenden Partisanen dieses oder jenes<br />
Kriegsherrn sind vers<strong>ch</strong>wunden.<br />
Trotzdem s<strong>ch</strong>lägt si<strong>ch</strong> der Ts<strong>ch</strong>ad no<strong>ch</strong> heute<br />
mit den Folgen dieser Bürgerkriege herum, in<br />
denen blutige Abre<strong>ch</strong>nungen und Ma<strong>ch</strong>tmissbrau<strong>ch</strong><br />
jeder Art ihre Spuren hinterliessen. Ex-Präsident<br />
Habré, seit seinem Sturz 1990 im Exil in Dakar,<br />
wurde anfangs dieses Jahres von einem senegalesis<strong>ch</strong>en<br />
Ri<strong>ch</strong>ter aufgrund von Ans<strong>ch</strong>uldigungen<br />
dur<strong>ch</strong> Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>tsorganisationen der Mittäter-<br />
s<strong>ch</strong>aft bei Folterungen angeklagt. Laut den Klägern<br />
trägt Hissein Habré «eine persönli<strong>ch</strong>e und direkte<br />
Verantwortung» für die Ereignisse im Ts<strong>ch</strong>ad zwis<strong>ch</strong>en<br />
1982 und 1990. Die Ermittlungen ergaben,<br />
dass über 40000 Personen ohne Geri<strong>ch</strong>tsverfahren<br />
hingeri<strong>ch</strong>tet wurden oder in Haft starben, 200000<br />
weitere wurden gefoltert.<br />
Diese Gewalt, die ni<strong>ch</strong>t nur Habré vorbehalten<br />
war, ges<strong>ch</strong>ah auf dem Hintergrund der Armut. Die<br />
mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e und soziale Entwicklung im Ts<strong>ch</strong>ad<br />
gehört zu den tiefsten im subsaharis<strong>ch</strong>en <strong>Afrika</strong>:<br />
über 45 von 100 Mens<strong>ch</strong>en im Ts<strong>ch</strong>ad lebten no<strong>ch</strong><br />
Ende der 90er-Jahre in absoluter Armut. Das<br />
Bruttoinlandprodukt (BIP) ist zwar 1998 auf 230<br />
Dollar pro Person lei<strong>ch</strong>t gestiegen. Aber es liegt<br />
na<strong>ch</strong> den Bere<strong>ch</strong>nungen der Weltbank no<strong>ch</strong> weit<br />
unter dem Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nitt von 500 Dollar der Sub-<br />
Sahara-Länder.<br />
Die wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Entwicklung hinkt wegen der<br />
abgelegenen Märkte dieses versklavten Landes, den<br />
häufigen Dürren, dem Mangel an Infrastrukturen<br />
und der politis<strong>ch</strong>en Instabilität hinten na<strong>ch</strong>. Fast 85<br />
Heidi Hostettler<br />
Ts<strong>ch</strong>ad<br />
16<br />
17
Edouard Sailly<br />
Das Ding im Alltag<br />
Das Wurfmesser<br />
Sowohl im Süden wie im<br />
Norden des Ts<strong>ch</strong>ad haben<br />
Viehzü<strong>ch</strong>ter und<br />
Nomaden etwas gemeinsam:<br />
das Wurfmesser. Es<br />
hat vers<strong>ch</strong>iedene Namen,<br />
je na<strong>ch</strong> Region und Alltagsspra<strong>ch</strong>e,<br />
und dient<br />
der Jagd ebenso wie dem<br />
S<strong>ch</strong>utz der Herden. Es<br />
wird wie ein Bumerang<br />
geworfen, mit dem Griff<br />
na<strong>ch</strong> vorne, um die verirrten<br />
Tiere zurück zu<br />
bringen. Es ist au<strong>ch</strong> eine<br />
gefährli<strong>ch</strong>e Waffe, um<br />
si<strong>ch</strong> gegen Viehdiebe zu<br />
verteidigen.<br />
Das <strong>ch</strong>arakteristis<strong>ch</strong>e<br />
Werkzeug hat eine 70<br />
bis 80 Zentimeter lange<br />
Metallklinge, meist aus<br />
Eisen. Diese weist eine<br />
Krümmung von 45 Grad<br />
auf und bildet praktis<strong>ch</strong><br />
einen re<strong>ch</strong>ten Winkel zum<br />
Griff, der gerade und<br />
ebenfalls aus Eisen ist.<br />
Das Wurfmesser kam<br />
ursprüngli<strong>ch</strong> aus dem<br />
Süden des Landes. Aber<br />
es verbreitete si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong><br />
und na<strong>ch</strong> auf das ganze<br />
Land. Bei Bevölkerungsgruppen<br />
arabis<strong>ch</strong>en<br />
Ursprungs gibt es au<strong>ch</strong><br />
eine Variante aus Holz.<br />
Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />
Ts<strong>ch</strong>ad<br />
Prozent der Bevölkerung leben von der Landwirts<strong>ch</strong>aft,<br />
namentli<strong>ch</strong> der Viehzu<strong>ch</strong>t. Die ariden<br />
Zonen im Norden stehen im Gegensatz zu den<br />
fru<strong>ch</strong>tbaren Böden im waldrei<strong>ch</strong>en Süden. Die dort<br />
angebaute Baumwolle ist das wi<strong>ch</strong>tigste Exportprodukt.<br />
Aber der Ts<strong>ch</strong>ad ist aufgrund von Kursänderungen<br />
bei den Rohstoffen verletzli<strong>ch</strong>er als die<br />
meisten afrikanis<strong>ch</strong>en Länder. Und er hat von der<br />
Abwertung des CFA-Francs im Jahr 1994 wenig<br />
profitiert.<br />
Erdöl im Süden<br />
Trotz seiner gegenwärtigen Armut fördert der<br />
Ts<strong>ch</strong>ad Bodens<strong>ch</strong>ätze: Uran, Gold, Bauxit und vor<br />
allem Erdöl. Ein Konsortium anglo-amerikanis<strong>ch</strong>er<br />
Firmen hat anfangs der 70er-Jahre im Becken des<br />
Ts<strong>ch</strong>adsees und in der Region Doba im Süden<br />
Erdölvorkommen entdeckt. Die Erfors<strong>ch</strong>ung wurde<br />
wegen des Bürgerkriegs während zehn Jahren eingestellt,<br />
dana<strong>ch</strong> wurde im Doba-Becken ein neues<br />
Erdöllager entdeckt. Die Reserven werden heute<br />
auf nahezu eine Milliarde Fass ges<strong>ch</strong>ätzt. Die Produktion<br />
könnte si<strong>ch</strong> während rund 25 bis 30 Jahren<br />
auf bis zu 225000 Fass pro Tag belaufen.<br />
Ende 1996 unterzei<strong>ch</strong>nete ein Konsortium der<br />
Firmen Elf, Exxon Mobil und Shell einen Vertrag<br />
mit der ts<strong>ch</strong>adis<strong>ch</strong>en Regierung. Darin waren die<br />
Ausbeutung der Felder von Doba und der Bau<br />
einer Ölpipeline von 1050 Kilometern Länge dur<strong>ch</strong><br />
Kamerun vorgesehen. Ges<strong>ch</strong>ätzte Gesamtkosten:<br />
zwis<strong>ch</strong>en 3 und 3,5 Milliarden Dollar.<br />
Die Weltbank bereitete si<strong>ch</strong> auf die Finanzierung<br />
der Beteiligung des Ts<strong>ch</strong>ad und Kameruns an den<br />
Firmen vor, wel<strong>ch</strong>e die Pipeline bauen und betreiben<br />
sollten. Aber 1998 verlangte eine internationale<br />
Koalition von Ni<strong>ch</strong>tregierungsorganisationen<br />
wegen Problemen im Zusammenhang mit der<br />
Umwelt und der Respektierung der Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te<br />
die Aufgabe des Projekts. Die Sa<strong>ch</strong>e ist na<strong>ch</strong><br />
wie vor ni<strong>ch</strong>t geregelt. Inzwis<strong>ch</strong>en gaben Elf und<br />
Shell bekannt, dass sie si<strong>ch</strong> zurückziehen wollten.<br />
Dies verzögerte den endgültigen Ents<strong>ch</strong>eid der<br />
Weltbank und verärgerte N’Djamena. Die beiden<br />
Firmen wollen nun Na<strong>ch</strong>folger su<strong>ch</strong>en.<br />
Na<strong>ch</strong> den Grenzzwis<strong>ch</strong>enfällen der Vergangenheit<br />
einigten si<strong>ch</strong> Kamerun, Nigeria, Niger und der<br />
Ts<strong>ch</strong>ad auf die Grenzziehung in der Region des<br />
Ts<strong>ch</strong>adsees. Der Vertrag ist no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t formell ratifiziert.<br />
Im Norden wurde das Grenzproblem, das<br />
lange Zeit Gegenstand von Konflikten zwis<strong>ch</strong>en<br />
dem Ts<strong>ch</strong>ad und dessen Na<strong>ch</strong>barn Libyen war,<br />
1994 offiziell dur<strong>ch</strong> ein Urteil des Internationalen<br />
Geri<strong>ch</strong>tshofs in Den Haag geregelt, das dem Ts<strong>ch</strong>ad<br />
den Streifen Aouzou zuspra<strong>ch</strong>.<br />
Daraufhin verbesserten si<strong>ch</strong> die Beziehungen zu<br />
Tripoli. So fand dieses Jahr der zweite Gipfel der<br />
Heidi Hostettler<br />
Sahel-Sahara-Staaten in N’Djamena statt, einer von<br />
Muammar Ghadaffi gegründeten Organisation,<br />
wel<strong>ch</strong>e zu 75 Prozent von Libyen finanziert wird.<br />
Zwar pflegt Präsident Deby nun bessere Beziehungen<br />
zu Libyen, aber den vollständigen Frieden<br />
hat er no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t errei<strong>ch</strong>t. 1998 bra<strong>ch</strong> ein neuer<br />
Aufstand aus, diesmal in Tibesti, im Norden des<br />
Landes, das seit den 60er-Jahren immer wieder<br />
Ausgangspunkt von Konflikten war. Für einmal<br />
s<strong>ch</strong>eint Oberst Ghadaffi den Aufstand ni<strong>ch</strong>t zu unterstützen.<br />
Er fand statt dessen eine andere Mögli<strong>ch</strong>keit, die<br />
ausgemusterten Soldaten des Ts<strong>ch</strong>ad zu bes<strong>ch</strong>äftigen:<br />
er finanzierte die Entsendung eines ts<strong>ch</strong>adis<strong>ch</strong>en<br />
Expeditionskorps in die Demokratis<strong>ch</strong>e<br />
Republik Kongo (RDC), um die Streitkräfte von<br />
Laurent-Désiré Kabila bei einer offenbar von<br />
Uganda und Rwanda angeheizten Rebellion zu<br />
unterstützen. Die ts<strong>ch</strong>adis<strong>ch</strong>en Truppen haben si<strong>ch</strong><br />
allerdings na<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>weren Verlusten s<strong>ch</strong>nell wieder<br />
zurückgezogen.<br />
*Marie Joannidis ist Mitarbeiterin von MFI, der<br />
Abteilung Multimedia von Radio France Internationale.<br />
Während 25 Jahren hat sie für die Agence France Presse<br />
(AFP) gearbeitet, namentli<strong>ch</strong> als Sondergesandte in mehreren<br />
Weltregionen, insbesondere in <strong>Afrika</strong>.<br />
(Aus dem Französis<strong>ch</strong>en)
Die S<strong>ch</strong>weiz und der Ts<strong>ch</strong>ad<br />
Ländli<strong>ch</strong>e Bevölkerung hat Priorität<br />
(bf) Die S<strong>ch</strong>weiz engagiert si<strong>ch</strong> seit rund 30<br />
Jahren im Ts<strong>ch</strong>ad, einem der ärmsten Länder der<br />
Erde. Bis 1993 bes<strong>ch</strong>ränkten si<strong>ch</strong> die Projekte<br />
vorab auf die Unterstützung des Bildungswesens<br />
(«Pilots<strong>ch</strong>ulen») und des Öffentli<strong>ch</strong>en Sektors<br />
(Gesundheitswesen und ländli<strong>ch</strong>e Entwicklung)<br />
im Süden des Landes. Ab 1993 hat si<strong>ch</strong> das Programm<br />
geöffnet, sowohl was die Partner, als au<strong>ch</strong><br />
die Projekte und Regionen anbelangt.<br />
Die Partner der DEZA finden si<strong>ch</strong> heute vermehrt<br />
in der Zivilgesells<strong>ch</strong>aft (Ni<strong>ch</strong>tregierungsorganisationen,<br />
Individuen, Basisorganisationen,<br />
Gemeinden).<br />
Geografis<strong>ch</strong> gesehen stehen drei wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong><br />
und sozioökonomis<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> ergänzende und<br />
ents<strong>ch</strong>eidende Regionen im Vordergrund: Die<br />
sudanesis<strong>ch</strong>e Zone im Süden (Landwirts<strong>ch</strong>aft und<br />
Baumzu<strong>ch</strong>t), die Region Batha, Kanem im<br />
mittleren Norden (Viehzu<strong>ch</strong>t) und die Region<br />
Ouaddaï, Biltine im Nordosten (Viehzu<strong>ch</strong>t und<br />
Gartenbau). Die Konzentration auf ländli<strong>ch</strong>e<br />
Zonen ist keineswegs zufällig, leben do<strong>ch</strong> 85<br />
Aus der Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />
Das gegenwärtige Gebiet des Ts<strong>ch</strong>ad wird seit<br />
dem 4. Jahrhundert vor Christus bewohnt.<br />
Namentli<strong>ch</strong> um den Ts<strong>ch</strong>adsee herum lösten si<strong>ch</strong><br />
kleine Königrei<strong>ch</strong>e ab. Das Zentrum und der<br />
Norden wurden zwis<strong>ch</strong>en dem 11. und dem 19.<br />
Jahrhundert s<strong>ch</strong>rittweise islamisiert. 1897 wurde<br />
der erste Protektoratsvertrag zwis<strong>ch</strong>en Frankrei<strong>ch</strong><br />
und dem Sultan von Baguirmi ges<strong>ch</strong>lossen. Drei<br />
Jahre später wurde der Ts<strong>ch</strong>ad «Französis<strong>ch</strong>-<br />
Kongo» angegliedert, das 1910 zu Französis<strong>ch</strong>-<br />
Äquatorialafrika wurde.<br />
1935 Französis<strong>ch</strong>-italienis<strong>ch</strong>er Vertrag, der den<br />
Streifen Azouzou Italien abtritt, das zu der<br />
Zeit Libyen besetzte.<br />
1960 Der Ts<strong>ch</strong>ad wird unabhängig. François<br />
Tombalbaye, ein Sara aus dem Süden,<br />
wird Präsident.<br />
1966 Gründung der Nationalen Befreiungsfront<br />
FROLINAT, die versu<strong>ch</strong>t, den Norden<br />
zu «befreien». Unter vers<strong>ch</strong>iedenen Chefs,<br />
darunter Goukouni Oueddeï und Hissein<br />
Habré, kämpft die Front später um die<br />
Ma<strong>ch</strong>t in N’Djamena.<br />
1973 Libyen besetzt den Streifen Aouzou, unter<br />
dem Vorwand, Tombalbaye habe ihn<br />
Tripoli verkauft.<br />
1975 Tombalbaye wird von puts<strong>ch</strong>enden<br />
Militärs getötet. Na<strong>ch</strong>folger wird General<br />
Félix Malloum, ebenfalls ein Sara. Er muss<br />
Prozent der ts<strong>ch</strong>adis<strong>ch</strong>en Bevölkerung auf dem<br />
Land.<br />
In den drei Regionen konzentrieren si<strong>ch</strong> die Projekte<br />
wiederum auf drei untereinander vernetzte<br />
Betätigungsfelder:<br />
- Die Wirts<strong>ch</strong>aft auf dem Land. Priorität hat<br />
eine verbesserte Beherrs<strong>ch</strong>ung der Hirten-Landwirts<strong>ch</strong>aft.<br />
- Die Grundbildung. Im Vordergrund steht die<br />
Erwa<strong>ch</strong>senenbildung (Frauen und Männer) und<br />
das auf die jeweiligen Bedürfnisse zuges<strong>ch</strong>nittene<br />
S<strong>ch</strong>ulwesen für Kinder auf Gemeindeebene.<br />
- Die Basisgesundheit. Diese soll mit erweiterten<br />
Grundleistungen der öffentli<strong>ch</strong>en Zentren<br />
und der direkten Einbindung der Gemeinden in<br />
die Ents<strong>ch</strong>eidung, Verwaltung und Finanzierung<br />
verbessert werden.<br />
1980 unter dem Druck der Streitkräfte von<br />
Habré und Oueddeï zurücktreten.<br />
1981 Mit Hilfe Libyens mars<strong>ch</strong>iert Goukouni<br />
an der Spitze einer Übergangsregierung<br />
der Nationalen Einheit GUNT in<br />
N’Djamena ein.<br />
1982 Hissein Habré nimmt am 7. Juni die<br />
Hauptstadt ein und wird am 21. Oktober<br />
Präsident. Im Norden wird wieder<br />
gekämpft. Im folgenden Jahr unternimmt<br />
Frankrei<strong>ch</strong> die Militäroperation Manta,<br />
gefolgt von der Operation Épervier.<br />
1989 Idriss Deby, Leutnant und Anhänger<br />
Habrés, wird des Komplotts bes<strong>ch</strong>uldigt<br />
und ergreift die Flu<strong>ch</strong>t. Vom Sudan aus<br />
unternimmt er einen Gegenangriff und<br />
stürzt daraufhin Habré, der im Dezember<br />
1990 na<strong>ch</strong> Dakar flieht.<br />
1996 In Präsidents<strong>ch</strong>aftswahlen wird Idriss Deby<br />
als Staats<strong>ch</strong>ef bestätigt.<br />
Zahlen und Fakten<br />
Hauptstadt<br />
N’Djamena<br />
(Einwohnerzahl 830000)<br />
Flä<strong>ch</strong>e<br />
1284000 km 2<br />
Na<strong>ch</strong>barländer<br />
Libyen (Norden), Sudan<br />
(Osten), Zentralafrikanis<strong>ch</strong>e<br />
Republik (RCA) und<br />
Kamerun (Süden), Nigeria<br />
und Niger (Westen)<br />
Klima<br />
Im Norden Sahelklima,<br />
im Süden tropis<strong>ch</strong><br />
Bevölkerung<br />
7,4 Millionen<br />
Städtis<strong>ch</strong>e<br />
Bevölkerung: 23%<br />
Bevölkerungsdi<strong>ch</strong>te:<br />
6 Einw./km 2<br />
Bevölkerungswa<strong>ch</strong>stum:<br />
3,1%<br />
Kindersterbli<strong>ch</strong>keit: 10%<br />
Lebenserwartung:<br />
49 Jahre<br />
Analphabetenrate unter<br />
Erwa<strong>ch</strong>senen: 52%<br />
Spra<strong>ch</strong>en<br />
Offizielle Spra<strong>ch</strong>en:<br />
Französis<strong>ch</strong>, Arabis<strong>ch</strong><br />
Lokalspra<strong>ch</strong>en: Sara,<br />
Sango und über 100<br />
weitere Spra<strong>ch</strong>en oder<br />
Dialekte<br />
Religionen<br />
Islam: 50% (Norden,<br />
Zentrum)<br />
Christentum: 25%<br />
(Zentrum, Süden)<br />
Animismus: 25%<br />
(Zentrum, Süden)<br />
BSP pro Einwohner<br />
230 Dollar (1998)<br />
Wirts<strong>ch</strong>aftssektoren<br />
Landwirts<strong>ch</strong>aft: 39%<br />
Industrie: 15%<br />
Dienstleistungen: 46%<br />
Niger<br />
Nigeria<br />
Aozou<br />
N’Djamena<br />
Doba<br />
Libyen<br />
Faya-Largeau<br />
Ts<strong>ch</strong>ad<br />
Sudan<br />
Kamerun Zentralafrikanis<strong>ch</strong>e<br />
Republik<br />
Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />
18<br />
19
20<br />
21<br />
zVg<br />
Mahamat Azarack<br />
Mahamat ist 1971 in<br />
N’Djamena geboren,<br />
wo er au<strong>ch</strong> seine Jugend<br />
verbra<strong>ch</strong>te. Er besitzt ein<br />
Lizentiat in Management<br />
und studiert momentan im<br />
4. Semester Wirts<strong>ch</strong>aftswissens<strong>ch</strong>aften<br />
an der<br />
Universität N’Djamena.<br />
Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />
Heidi Hostettler<br />
Stimme aus… Ts<strong>ch</strong>ad<br />
Polygamie – au<strong>ch</strong> heute no<strong>ch</strong><br />
Männer haben Polygamie immer als etwas Natürli<strong>ch</strong>es<br />
dargestellt, etwas, das in ihrer Natur liegt. Aber<br />
wenn wir naturalistis<strong>ch</strong>e Argumente vorbringen<br />
wollen, warum ni<strong>ch</strong>t die Polyandrie (Vielmännerei)<br />
verteidigen, denn während die sexuellen Fähigkeiten<br />
des Mannes begrenzt sind, sind jene der Frau unendli<strong>ch</strong>.<br />
Andere versu<strong>ch</strong>en, die Tradition mit wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />
Argumenten zu erklären: mehr Frauen<br />
und Kinder in ländli<strong>ch</strong>en Gesells<strong>ch</strong>aften bedeuten<br />
mehr Arbeitskräfte.<br />
Polygamie ist überhaupt ni<strong>ch</strong>t natürli<strong>ch</strong> oder rein<br />
wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> erklärbar. Sie ist ein kulturelles Phänomen,<br />
das au<strong>ch</strong> religiöse Aspekte hat. Vor der<br />
Verbreitung der monotheistis<strong>ch</strong>en Religionen war<br />
sie in animistis<strong>ch</strong>en Gesells<strong>ch</strong>aften alltägli<strong>ch</strong>. Die<br />
Männer hatten mehrere Frauen, um mehr Arbeitskräfte<br />
auf dem Feld zu haben, um die Familie oder<br />
den Clan zu vergrössern, Allianzen zu bilden, den<br />
Fortbestand der Dynastie zu si<strong>ch</strong>ern oder aus wel<strong>ch</strong>en<br />
Gründen au<strong>ch</strong> immer. Mehrere Frauen zu<br />
haben, war ein grosses Kapital zur Erlangung von<br />
Rei<strong>ch</strong>tum. Es erhöhte das soziale und politis<strong>ch</strong>e<br />
Gewi<strong>ch</strong>t der Familie oder des Clans, und ihr Chef<br />
erlangte damit mehr Bedeutung. Diese Situation gibt<br />
es in animistis<strong>ch</strong>en Gesells<strong>ch</strong>aften no<strong>ch</strong> heute, im<br />
Ts<strong>ch</strong>ad und anderswo.<br />
Polygamie ist ein vorislamis<strong>ch</strong>es Phänomen, das in<br />
den arabis<strong>ch</strong>en und afrikanis<strong>ch</strong>en Gesells<strong>ch</strong>aften weit<br />
verbreitet ist. Der Islam bemühte si<strong>ch</strong>, sie zu reglementieren<br />
und zu ums<strong>ch</strong>reiben: als Erstes wurde die<br />
Anzahl legitimer Ehefrauen auf vier bes<strong>ch</strong>ränkt.<br />
Zweitens wurden strenge soziale und materielle<br />
Bedingungen eingeführt, die der Polygamist zu erfüllen<br />
hat. So wird verlangt, dass jeder Muslim mit<br />
mehreren Frauen allen die glei<strong>ch</strong>en Lebensbedingungen<br />
bieten kann, die glei<strong>ch</strong>e Aufmerksamkeit<br />
und die glei<strong>ch</strong>e Zuneigung. Der Koran betont diese<br />
Pfli<strong>ch</strong>t zur Glei<strong>ch</strong>behandlung und fügt bei: «Wenn<br />
Sie befür<strong>ch</strong>ten, ni<strong>ch</strong>t alle glei<strong>ch</strong> behandeln zu können,<br />
nehmen Sie si<strong>ch</strong> nur eine Frau.»<br />
Seit jeher haben die Frauen die Polygamie mit allen<br />
ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft,<br />
gelegentli<strong>ch</strong> bis hin zum Mord ihrer Rivalin. Heute<br />
kämpfen sie in Frauenverbänden, und ihre Aktivitäten<br />
haben in einigen Ländern dazu geführt, dass<br />
Massnahmen zum Verbot oder zur Bes<strong>ch</strong>ränkung<br />
des Phänomens ergriffen wurden. Die Polygamie<br />
wird aber in vers<strong>ch</strong>iedenen Formen in den meisten<br />
Ländern des Maghreb, des Nahen Ostens und <strong>Afrika</strong>s<br />
legal praktiziert.<br />
Das gilt namentli<strong>ch</strong> für den Ts<strong>ch</strong>ad. In der Stadt findet<br />
man Polygamie vorwiegend in den besser ges-<br />
tellten Kreisen. Rei<strong>ch</strong>e Männer können si<strong>ch</strong> den<br />
Luxus leisten, mehrere Frauen zu unterhalten, die<br />
ni<strong>ch</strong>t arbeiten. Auf dem Land dagegen sind au<strong>ch</strong> die<br />
Armen oft polygam, weil die Frauen mit ihrer<br />
Arbeitskraft zum Familieneinkommen beitragen.<br />
Ausserdem können si<strong>ch</strong> die Frauen die zahlrei<strong>ch</strong>en<br />
Arbeiten in Landwirts<strong>ch</strong>aft und Haushalt teilen. Die<br />
erste Ehe wird oft im no<strong>ch</strong> jugendli<strong>ch</strong>en Alter des<br />
Knaben von der Familie arrangiert. Wenn er volljährig<br />
wird, will si<strong>ch</strong> der Mann erneut verheiraten,<br />
dieses Mal na<strong>ch</strong> eigener Wahl.<br />
In einigen eher westli<strong>ch</strong> eingestellten Ländern im<br />
Maghreb gilt die Polygamie unter den Jungen als<br />
Ana<strong>ch</strong>ronismus. Die Gesells<strong>ch</strong>aft verändert si<strong>ch</strong>, die<br />
S<strong>ch</strong>eidung wird legalisiert, die Frauen beginnen,<br />
wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Unabhängigkeit zu erlangen, und<br />
die Sitten werden freier.<br />
Ein Arzt in Niger befragte rund hundert junge<br />
Männer und Frauen. Eine Minderheit unter ihnen<br />
spra<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> gegen die Polygamie aus, und zwar aus<br />
folgenden Gründen: Wegen der Rivalität unter den<br />
Frauen sei das Leben zuhause ni<strong>ch</strong>t auszuhalten; die<br />
s<strong>ch</strong>wieriger gewordene materielle Lage erlaube es<br />
ni<strong>ch</strong>t, mehrere Frauen zu unterhalten; in polygamen<br />
Haushalten sei es s<strong>ch</strong>wierig, die Kinder ri<strong>ch</strong>tig zu<br />
erziehen, diese würden lei<strong>ch</strong>ter straffällig.<br />
Einige Frauen sehen in der Polygamie eine Si<strong>ch</strong>erheit<br />
in Bezug auf die Gefahren und Aggressionen des<br />
Alltags. Sie finden, dass nur ein Ehemann, au<strong>ch</strong><br />
wenn er polygam ist, der Frau den nötigen S<strong>ch</strong>utz<br />
geben kann. Eine meinte: «I<strong>ch</strong> habe lieber einen abweisenden<br />
Ehemann als gar keinen.» Andere Befürworterinnen<br />
fanden, dass die Polygamie das Sexualleben<br />
besser kanalisiere, ordentli<strong>ch</strong>er und auf religiöser<br />
Ebene legitimer gestalte. Ein Argument, das<br />
in Zeiten von Aids an Aktualität gewinnt.<br />
In <strong>Afrika</strong> ist Polygamie oft ein Deckmantel für die<br />
Ausbeutung der Frau. Da die Frauen keine Bildung<br />
haben, ni<strong>ch</strong>t an den wi<strong>ch</strong>tigen Ents<strong>ch</strong>eiden des<br />
Landes teilhaben, können sie si<strong>ch</strong> gar kein anderes<br />
Leben vorstellen. Nur wenn eine Politik verfolgt<br />
wird, wel<strong>ch</strong>e die Frauen sozial und wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong><br />
fördert, können diese ihre Rolle in Familie und Öffentli<strong>ch</strong>keit<br />
spielen. Diese Förderung bedingt die<br />
Eins<strong>ch</strong>ulung und Ausbildung der Mäd<strong>ch</strong>en.<br />
(Aus den Französis<strong>ch</strong>en)
Genf wird Ende Juni eine Sondersession der Vollversammlung<br />
der Vereinten Nationen beherbergen.<br />
Dabei geht es – fünf Jahre na<strong>ch</strong> dem Sozialgipfel von<br />
Kopenhagen – um die Überprüfung der sozialen<br />
Situation in der Welt. Dass die Versammlung in<br />
Genf stattfindet, geht auf eine Initiative der S<strong>ch</strong>weiz<br />
zurück. Wir erwarten davon neue Impulse für die<br />
Beseitigung der extremen Armut und den Abbau der<br />
Arbeitslosigkeit.<br />
Die Lage ist bekannt und ni<strong>ch</strong>t akzeptabel: zwar<br />
wurden während dreissig oder vierzig Jahren für die<br />
Mehrheit der Bevölkerung dieser Erde zahlrei<strong>ch</strong>e<br />
Forts<strong>ch</strong>ritte erzielt. Aber der Graben zwis<strong>ch</strong>en<br />
Rei<strong>ch</strong> und Arm weitet si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> wie vor aus. Rund<br />
ein Viertel der Weltbevölkerung kann die Grundbedürfnisse<br />
an Nahrung, Trinkwasser, Gesundheitspflege<br />
und Erziehung no<strong>ch</strong> immer ni<strong>ch</strong>t decken,<br />
muss also sogar auf ein Minimum an mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er<br />
Würde verzi<strong>ch</strong>ten.<br />
Am Sozialgipfel von 1995 wurde der Wille ausgedrückt,<br />
eine Entwicklung zu korrigieren, die bis<br />
anhin vorwiegend wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> und finanziell ausgeri<strong>ch</strong>tet<br />
war. Dank dem Gipfel wu<strong>ch</strong>s das Verständnis<br />
dafür, dass Armut vor allem auf einen<br />
Mangel an Ma<strong>ch</strong>t zurück geht, wodur<strong>ch</strong> der Zugang<br />
zu produktiven Ressourcen wie Wasser, Boden,<br />
Kredite, staatli<strong>ch</strong>e Dienstleistungen und Wissen verhindert<br />
wird. Diese Ressourcen werden von besser<br />
organisierten, besser ges<strong>ch</strong>ützten und stärkeren<br />
Gruppen in Bes<strong>ch</strong>lag genommen. Dies erklärt au<strong>ch</strong>,<br />
warum vor allem Frauen und Mäd<strong>ch</strong>en unter der<br />
s<strong>ch</strong>limmsten Armut leiden.<br />
Die S<strong>ch</strong>weiz hat si<strong>ch</strong> gemäss ihrem Gesetz über die<br />
Entwicklungszusammenarbeit bereits in Kopenhagen<br />
stark engagiert und tut das wieder für die Session im<br />
Juni. Unser Land hat die Initiative für dieses Treffen<br />
in Genf ergriffen, um die Teilnahme aller Akteure<br />
DEZA-Standpunkt<br />
Sozialgipfel in Genf<br />
Weiter gehen als Kopenhagen<br />
zu erlei<strong>ch</strong>tern: Privatwirts<strong>ch</strong>aft, Regierungen, Zivilgesells<strong>ch</strong>aft,<br />
Fors<strong>ch</strong>ung und Gewerks<strong>ch</strong>aften.<br />
Unsere Erwartungen an diesen Anlass sind gross.<br />
Es geht zunä<strong>ch</strong>st um eine verstärkte Mobilisierung<br />
aller Teilnehmenden, um die seit 1995 gema<strong>ch</strong>ten<br />
Forts<strong>ch</strong>ritte auszubauen und zu stärken. Kopenhagen<br />
hat dazu geführt, dass die Entwicklungspolitiken<br />
überprüft werden, damit sie bei der Unterstützung<br />
der Ärmsten präziser und effizienter werden. Aber<br />
das rei<strong>ch</strong>t ni<strong>ch</strong>t aus.<br />
Wir erwarten au<strong>ch</strong> ein vertieftes Na<strong>ch</strong>denken und<br />
einen Austaus<strong>ch</strong> bei der S<strong>ch</strong>affung von Arbeitsstellen.<br />
Die Arbeitslosigkeit von weltweit Hunderttausenden,<br />
vor allem junger Mens<strong>ch</strong>en mit Berufsausbildung,<br />
ist eine enorme wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Vers<strong>ch</strong>wendung.<br />
S<strong>ch</strong>limmer no<strong>ch</strong>: es ist ein Angriff auf<br />
die persönli<strong>ch</strong>e Würde, was sehr negative psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>e<br />
und soziale Auswirkungen haben kann.<br />
Vers<strong>ch</strong>iedenste Anstrengungen wurden bereits unternommen,<br />
um Stellen zu s<strong>ch</strong>affen, zum Beispiel<br />
dur<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>weizer Zusammenarbeit. Na<strong>ch</strong> wie<br />
vor fehlt aber eine eigentli<strong>ch</strong>e internationale<br />
Strategie, wel<strong>ch</strong>e Lehren aus den gema<strong>ch</strong>ten Erfahrungen<br />
zieht. Das Treffen in Genf könnte die Ri<strong>ch</strong>tung<br />
für eine gemeinsame und effizientere Aktion<br />
in diesem Berei<strong>ch</strong> weisen.<br />
Jean-François Giovannini<br />
Stellvertretender Direktor der DEZA<br />
Iris Krebs<br />
(Aus dem Französis<strong>ch</strong>en)<br />
Die soeben ers<strong>ch</strong>ienene<br />
Nummer 3 der Entwicklungspolitis<strong>ch</strong>en<br />
S<strong>ch</strong>riften<br />
beinhaltet die DEZA-<br />
Politik für soziale Entwicklung<br />
sowie vers<strong>ch</strong>iedenste<br />
Artikel von Fa<strong>ch</strong>autorinnen<br />
und -autoren. «Von der<br />
S<strong>ch</strong>wierigkeit, die Armut<br />
in der Welt zu beseitigen»<br />
ist in Deuts<strong>ch</strong>, Französis<strong>ch</strong>,<br />
Englis<strong>ch</strong> sowie<br />
Spanis<strong>ch</strong> erhältli<strong>ch</strong> und<br />
kann mit dem beigelegten<br />
Bestellcoupon für Publikationen<br />
bestellt werden.<br />
Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />
E N T W I C K L U N G U N D Z U S A M M E N A R B E I T S C H W E I Z
Neue Wege in Madagaskar<br />
Alarmierende Armut<br />
Trotz eines lei<strong>ch</strong>ten<br />
Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stums<br />
seit 1994 vers<strong>ch</strong>limmert<br />
si<strong>ch</strong> die soziale Situation<br />
in Madagaskar weiter.<br />
Von 1960 bis 1998 hat<br />
die Armut um 35 Prozent<br />
zugenommen. In zwanzig<br />
Jahren ist der Zugang zu<br />
den Gesundheitsdiensten<br />
von 65 auf 35 Prozent<br />
zurückgegangen, und in<br />
den letzten fünfzehn<br />
Jahren hat das Haushaltseinkommen<br />
um fast<br />
die Hälfte abgenommen.<br />
Dezentrales Programm<br />
Das Programm für ländli<strong>ch</strong>e<br />
Entwicklung PDR ist<br />
dezentralisiert aufgebaut.<br />
Es wird regional koordiniert,<br />
ein Bewilligungskomitee<br />
wird über die<br />
Gesu<strong>ch</strong>e um Hilfe ents<strong>ch</strong>eiden<br />
und ein te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>es<br />
Komitee wird die<br />
Ma<strong>ch</strong>barkeit der Projekte<br />
untersu<strong>ch</strong>en.<br />
In Antananarivo definiert<br />
das Steuerungskomitee<br />
die grossen strategis<strong>ch</strong>en<br />
Ausri<strong>ch</strong>tungen, und das<br />
Gesamtprogramm wird<br />
von einer nationalen<br />
Koordination geleitet.<br />
Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />
Keystone<br />
Die S<strong>ch</strong>weiz ri<strong>ch</strong>tet ihre Hilfe an Madagaskar neu aus. Na<strong>ch</strong><br />
dreissigjähriger Zusammenarbeit mit der Regierung wird sie<br />
von jetzt an exklusiv mit den Akteuren der Zivilgesells<strong>ch</strong>aft<br />
arbeiten, im Rahmen eines Programms der ländli<strong>ch</strong>en Entwicklung,<br />
das am 1. Januar 2001 anläuft.<br />
(jls) Die Umkehr wurde bereits 1995 eingeleitet,<br />
da eine Evaluation eine gemis<strong>ch</strong>te Bilanz der Zusammenarbeit<br />
mit den Staatsstrukturen ergeben<br />
hatte. Seither bevorzugt die DEZA regierungsunabhängige<br />
Partner. Bis 1997 führte sie no<strong>ch</strong> die<br />
Partners<strong>ch</strong>aft mit dem Tiefbauministerium für die<br />
Reparatur von Strassen weiter. Na<strong>ch</strong> der Ermordung<br />
des Programmleiters, des Urner Ingenieurs<br />
Walter Arnold, wurde das Programm jedo<strong>ch</strong> eingestellt.<br />
Trotz mehrfa<strong>ch</strong>er Interventionen der S<strong>ch</strong>weiz<br />
wurde das Verbre<strong>ch</strong>en von der madagassis<strong>ch</strong>en Justiz<br />
nie aufgeklärt. «Der Mangel an Transparenz, von<br />
wel<strong>ch</strong>em die Ermittlungen geprägt waren, hat den<br />
Prozess der Überlegungen über eine Neuausri<strong>ch</strong>tung<br />
der Hilfe bes<strong>ch</strong>leunigt», führt der DEZA-<br />
Programmverantwortli<strong>ch</strong>e Gerhard Siegfried aus.<br />
Ein weiteres Element stützte diesen Ents<strong>ch</strong>eid: «Die<br />
madagassis<strong>ch</strong>e Regierung hat bis heute keinen wirkli<strong>ch</strong>en<br />
Willen gezeigt, das Leben der Bevölkerung<br />
zu verbessern. Sie hat grosse S<strong>ch</strong>wierigkeiten bei der<br />
Umsetzung überzeugender Strategien im Kampf<br />
gegen die Armut, von der drei Viertel der Bevölkerung<br />
betroffen sind.»<br />
Der Ents<strong>ch</strong>eid fiel am 18. September 1998: die<br />
DEZA-Direktion bes<strong>ch</strong>loss, im Jahr 2000 ihr<br />
Koordinationsbüro in Antananarivo zu s<strong>ch</strong>liessen,<br />
Madagaskar von der Liste der S<strong>ch</strong>werpunktländer zu<br />
strei<strong>ch</strong>en und ab 2001 ein Programm einzuleiten, das<br />
si<strong>ch</strong> auf die Bekämpfung der Armut auf dem Land<br />
(Programme de développement rural / PDR) konzentriert.<br />
Das Programm im Umfang von sieben<br />
Millionen Franken wird von der Stiftung Intercooperation<br />
geleitet und konzentriert si<strong>ch</strong> auf die<br />
Regionen Imerina, Betsileo und Menabe.<br />
Hilfe für die lokale Dynamik<br />
In Madagaskar nimmt die Armut na<strong>ch</strong> wie vor zu.<br />
Steuerbetrug und Korruption haben verheerende<br />
Auswirkungen auf die öffentli<strong>ch</strong>en Einnahmen.<br />
Weil die Mittel fehlen, ist der Staat praktis<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />
mehr in der Lage, die Basisdienstleistungen für die<br />
Bevölkerung wie Si<strong>ch</strong>erheit, Erziehung, Gesundheitswesen<br />
und Transport zu gewährleisten. Diese<br />
Trägheit des Staates hat wenigstens eine positive<br />
Auswirkung: «Fast überall auf dem Land entwickelte<br />
si<strong>ch</strong> eine lokale Dynamik. Die Leute haben begonnen,<br />
ihr S<strong>ch</strong>icksal selbst in die Hand zu nehmen,<br />
und zwar mit erstaunli<strong>ch</strong>er Bestimmtheit», stellt<br />
Siegfried fest.<br />
Das PDR will diese Bewegungen in den Berei<strong>ch</strong>en<br />
unterstützen, wel<strong>ch</strong>e in Madagaskar au<strong>ch</strong> bisher<br />
s<strong>ch</strong>on von der DEZA abgedeckt wurden, also<br />
Trinkwasserversorgung, Gesundheit, Bewirts<strong>ch</strong>aftung<br />
der natürli<strong>ch</strong>en Ressourcen, landwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />
Produktion und Kommunikation auf dem Land. Es<br />
wird aber nur auf Anfragen von der Basis reagiert.<br />
Regionale Komitees werden die Gesu<strong>ch</strong>e um Hilfe<br />
der lokalen Akteure studieren, abklären, ob sie den<br />
strategis<strong>ch</strong>en Zielen des Programms entspre<strong>ch</strong>en<br />
und ents<strong>ch</strong>eiden, ob sie si<strong>ch</strong> damit befassen wollen<br />
oder ni<strong>ch</strong>t.<br />
Die Kontrolle wird ziemli<strong>ch</strong> streng sein, denn das<br />
PDR soll über die Finanzierung von kleinen<br />
Projekten hinausgehen: «Wir wollen ni<strong>ch</strong>t hier ein<br />
Ambulatorium reparieren und dort einen kleinen<br />
Brunnen graben... Sonst würde das Programm in<br />
Hunderte von kleinsten Einzelaktivitäten zerstückelt.<br />
Das PDR muss aber Einfluss auf die ländli<strong>ch</strong>e<br />
Entwicklung der ganzen Region haben. Sein Ziel<br />
ist die Stärkung der Zivilgesells<strong>ch</strong>aft, damit die ländli<strong>ch</strong>e<br />
Bevölkerung ihre wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e und soziale<br />
Entwicklung selber gestalten kann.»<br />
Aufforderung zum Wettbewerb<br />
Um Geld zu erhalten, müssen si<strong>ch</strong> die Bauern na<strong>ch</strong><br />
den Prinzipien des Programms ri<strong>ch</strong>ten. Einige Beispiele:<br />
Die zu unterstützende Aktivität muss einen<br />
positiven Einfluss auf die Umwelt haben, die<br />
s<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>sten Gruppen – namentli<strong>ch</strong> die Frauen – mit<br />
eins<strong>ch</strong>liessen, lebensfähig sein und eine Garantie für<br />
die künftigen Generationen bieten. Ferner werden<br />
nur Gesu<strong>ch</strong>e berücksi<strong>ch</strong>tiget, wel<strong>ch</strong>e auf breiter<br />
Grundlage von den Interessierten abgestimmt wurden,<br />
von den Bauern bis zum Bürgermeister. Und<br />
s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> sind die Bauern gehalten, si<strong>ch</strong> an den<br />
Kosten zu beteiligen, um so ihr Engagement zu zeigen.<br />
Dieser Beitrag kann in Form von Geld, Naturalien<br />
oder Arbeit geleistet werden.<br />
Wenn das Gesu<strong>ch</strong> gebilligt ist, wird das PDR die<br />
Bernard Descamps / Vu
Bauern mit den Dienstleistungsanbietern in Kontakt<br />
bringen. Bei einem te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Projekt können das<br />
Handwerker oder lokale Kleinunternehmer sein.<br />
Wenn es um eine soziale Aktivität geht, kommen<br />
Ni<strong>ch</strong>t-Regierungsorganisationen zum Zug. Das<br />
Programm wird die vers<strong>ch</strong>iedenen Anbieter zum<br />
Wettbewerb auffordern und kann ihnen au<strong>ch</strong> helfen,<br />
ihre Offerte zu verbessern.<br />
Das PDR misst ausserdem dem Prinzip des Empowerment<br />
grosse Bedeutung zu. Dadur<strong>ch</strong> werden die<br />
Bauern zu ihren eigenen Herren und können die<br />
gesamte Verantwortung für das Projekt überneh-<br />
men. Sie werden die Anbieter auswählen, die<br />
Dur<strong>ch</strong>führung der Arbeiten überwa<strong>ch</strong>en und die<br />
Re<strong>ch</strong>nungen mit dem direkt vom PDR erhaltenen<br />
Geld bezahlen. Am Anfang dürfte dieses System in<br />
der Praxis etwas s<strong>ch</strong>wierig sein. «Bisher wissen nur<br />
wenige Dorfbewohner genügend über Bu<strong>ch</strong>haltung,<br />
Vertragsabs<strong>ch</strong>lüsse und Dur<strong>ch</strong>führung finanzieller<br />
Transaktionen Bes<strong>ch</strong>eid. Deshalb werden<br />
wir sie begleiten, bis sie die nötigen Kompetenzen<br />
erworben haben», sagt Gerhard Siegfried.<br />
(Aus dem Französis<strong>ch</strong>en)<br />
Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />
22<br />
23
Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />
Paolo Bertossa<br />
Keystone<br />
Journalistens<strong>ch</strong>miede<br />
für Albanien<br />
Die elektronis<strong>ch</strong>en Medien boomen: In Albanien gibt es zurzeit<br />
41 Lokalradiostationen. Sie sind der wi<strong>ch</strong>tigste Informationsträger<br />
für einen Grossteil der Bevölkerung. Ein DEZA-<br />
Projekt fördert die Journalisten-Ausbildung.<br />
(gn) Die meisten sind jung, voller Enthusiasmus<br />
und Tatendrang. Sie leben in Tirana, in Provinzstädten<br />
und in kleinen Dörfern. Und sie ma<strong>ch</strong>en<br />
Radio. Junge Journalistinnen und Journalisten, meist<br />
ohne Erfahrung und entspre<strong>ch</strong>ende Ausbildung,<br />
versu<strong>ch</strong>en, die neue Freiheit mittels der neuen Medien<br />
zu gestalten.<br />
Hier setzt ein Projekt an, wel<strong>ch</strong>es die S<strong>ch</strong>weiz in<br />
Zusammenarbeit mit dem Albanis<strong>ch</strong>en Medieninstitut<br />
1999 gestartet hat: In drei zeitli<strong>ch</strong> gestaffelten<br />
Semesterkursen werden insgesamt 45 Radiojournalisten<br />
aus ganz Albanien ausgebildet. Das<br />
Training ist betont praxisorientiert und vermittelt<br />
sowohl Basiswissen im Journalismus, wie au<strong>ch</strong><br />
Know-how für radiospezifis<strong>ch</strong>es S<strong>ch</strong>affen (Interviewte<strong>ch</strong>nik,<br />
Gestaltung von Reportagen).<br />
Vermitteltes Wissen breitet si<strong>ch</strong> aus<br />
Während der Ausbildung wird im digital ausgerüsteten<br />
Studio in Tirana geübt, die Studenten lernen<br />
aber au<strong>ch</strong> die klassis<strong>ch</strong>e analoge Montage, wel<strong>ch</strong>e<br />
in den Lokalstudios momentan no<strong>ch</strong> vorherrs<strong>ch</strong>t.<br />
«Oft müssen die Journalisten bei ihren Stationen mit<br />
einfa<strong>ch</strong>en, ni<strong>ch</strong>t-professionellen Geräten arbeiten. In<br />
der Ausbildung lernen sie deshalb au<strong>ch</strong>, wie man<br />
unter derartigen Bedingungen ein Maximum errei<strong>ch</strong>en<br />
kann», sagt der Tessiner TV-Journalist und<br />
Projektleiter Paolo Bertossa. Angesi<strong>ch</strong>ts der rasanten<br />
Entwicklung und der relativ günstigen Preise für<br />
digitale Radio-Ausrüstungen re<strong>ch</strong>net er damit, dass<br />
viele Radiostationen innert kürzester Zeit sowohl<br />
digital arbeiten, wie au<strong>ch</strong> über einen Internetans<strong>ch</strong>luss<br />
verfügen werden. Der Umgang mit dem<br />
Internet ist deshalb ebenfalls Thema der Ausbildung.<br />
Anfangs Februar wurde der zweite Kurs abges<strong>ch</strong>lossen,<br />
im April begann das letzte Training im<br />
Rahmen dieses Projekts. Die Absolventen des ersten<br />
Kurses konnten in der Zwis<strong>ch</strong>enzeit das Gelernte<br />
bereits anwenden und haben, wie Umfragen zeigen,<br />
ihr neues Wissen au<strong>ch</strong> an Kollegen weiter gegeben.<br />
Damit die Journalistenausbildung in Albanien eine<br />
Zukunft hat, werden im Rahmen dieses Projekts<br />
zudem, parallel zur Grundausbildung, a<strong>ch</strong>t erfahrene<br />
albanis<strong>ch</strong>e Journalisten zu Tutoren ausgebildet.
Urs Keller<br />
Zum Tod von Dr. Hans Keller und Dr. August Lindt<br />
Zwei Pioniere der s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />
Entwicklungszusammenarbeit<br />
Dr. Hans Keller, a. Bots<strong>ch</strong>after, ist am 14. Dezember<br />
1999 im Alter von 91 Jahren gestorben. Er war<br />
der erste Leiter des vor 39 Jahren ges<strong>ch</strong>affenen<br />
«Te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Dienstes» im Eidgenössis<strong>ch</strong>en Politis<strong>ch</strong>en<br />
Departement; dieser Dienst ist der Ursprung<br />
der heutigen Direktion für Entwicklung und<br />
Zusammenarbeit (DEZA) im EDA. Bis kurz vor seinem<br />
Tod hat Hans Keller rege am Werdegang der<br />
DEZA teilgenommen. Stolz erklärte er jeweils, wie<br />
er seine Arbeit mit einem Mitarbeiter und einer Mitarbeiterin<br />
begonnen hatte. Er hatte seine Aufgabe<br />
si<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> gerne gema<strong>ch</strong>t und blieb zeitlebens von ihr<br />
erfüllt.<br />
Hans Keller dur<strong>ch</strong>lief einen abwe<strong>ch</strong>slungsrei<strong>ch</strong>en<br />
Berufsweg als Journalist und Vertreter der S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />
Zentrale für Handelsförderung in der Slowakei,<br />
wo er den Holzexport in die S<strong>ch</strong>weiz organisierte<br />
und si<strong>ch</strong> im 2. Weltkrieg für jüdis<strong>ch</strong>e Flü<strong>ch</strong>tlinge<br />
einsetzte. Dana<strong>ch</strong> trat er in die damalige<br />
Handelsabteilung (später BAWI) ein und we<strong>ch</strong>selte<br />
später in den diplomatis<strong>ch</strong>en Dienst, u.a. als Leiter<br />
des erwähnten «Te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Dienstes». Als Bots<strong>ch</strong>after<br />
in China, persönli<strong>ch</strong> befreundet mit Ts<strong>ch</strong>ou-en-Lai,<br />
und in Jugoslawien lebte er die s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e<br />
Interessenwahrung intensiv. Au<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> seiner Pensionierung<br />
setzte si<strong>ch</strong> Keller für die Gestaltung der bilateralen<br />
Beziehungen ein, als Praktiker mit dem<br />
Sinn für das Ma<strong>ch</strong>bare, als ideenrei<strong>ch</strong>er Initiant vieler<br />
Vorhaben.<br />
Seine Erzählungen bleiben unvergessli<strong>ch</strong>, ebenso<br />
wie seine Taten. Seine Vorliebe für die Jagd – als<br />
bevorzugter Partner von Präsident Tito – sein Interesse<br />
für Länder und Leute und seine Bes<strong>ch</strong>eidenheit<br />
bleiben in steter Erinnerung. Für seine Besu<strong>ch</strong>e und<br />
Rats<strong>ch</strong>läge werde i<strong>ch</strong> Hans Keller immer dankbar<br />
bleiben.<br />
Keystone<br />
Dr. August Lindt, a. Bots<strong>ch</strong>after, ist am 14. April<br />
2000 im Alter von 95 Jahren von uns gegangen. Sein<br />
Leben und Wirken wurde in vielen Zeitungen<br />
gewürdigt. Ni<strong>ch</strong>t nur als IKRK-Delegierter, UNO-<br />
Ho<strong>ch</strong>kommissar für Flü<strong>ch</strong>tlinge, Bots<strong>ch</strong>after in New<br />
Delhi, Moskau und Washington bleibt er in unser<br />
aller Erinnerung, sondern au<strong>ch</strong> als erster Delegierter<br />
des Bundesrates für te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Zusammenarbeit.<br />
Dr. August Lindt hat das Werk von Dr. Hans Keller<br />
weitergeführt. In seine Zeit fiel der substantielle Ausund<br />
Aufbau Ri<strong>ch</strong>tung der heutigen DEZA. August<br />
Lindt hat in nimmermüder S<strong>ch</strong>affenskraft die<br />
s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Auslandhilfe gestaltet und mit seinem<br />
Wirken s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Humanität und Solidarität<br />
gelebt. Au<strong>ch</strong> er hat bis zu seinem Ableben am<br />
Werdegang der DEZA reges Interesse gezeigt und<br />
uns in unvergessli<strong>ch</strong>en Gesprä<strong>ch</strong>en für die weitere<br />
Arbeit motiviert. Viele unserer pensionierten und<br />
no<strong>ch</strong> aktiven Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden<br />
seinem Einsatz und seiner Persönli<strong>ch</strong>keit dankbar<br />
gedenken.<br />
Die S<strong>ch</strong>weiz hat in kurzem Abstand zwei ihrer bisher<br />
se<strong>ch</strong>s Leiter der Entwicklungszusammenarbeit<br />
verloren. Ni<strong>ch</strong>t verloren ist ihr Wirken. Sie waren<br />
Pioniere im wahrsten Sinne des Wortes und dafür<br />
werden wir ihnen immer dankbar sein. Ihre Arbeit<br />
war das Fundament unserer heutigen internationalen<br />
Zusammenarbeit, die nebst der Entwicklungszusammenarbeit<br />
au<strong>ch</strong> die humanitäre Hilfe und die<br />
Ostzusammenarbeit umfasst.<br />
Walter Fust<br />
Direktor der DEZA<br />
Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />
24<br />
25
<strong>Afrika</strong> und sein<br />
F O R U M<br />
Pierre Virot (3)<br />
Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />
Still pictures<br />
erstaunli<strong>ch</strong>es S<strong>ch</strong>ilf<br />
Während <strong>Afrika</strong>-Pessimisten das Bild eines verlorenen<br />
Kontinents zei<strong>ch</strong>nen, der jegli<strong>ch</strong>en Übeln ausgeliefert ist, sind<br />
<strong>Afrika</strong>-Optimisten überzeugt, dass er si<strong>ch</strong> dank seiner unbestrittenen<br />
Trümpfe wieder auffängt. Drei <strong>Afrika</strong>kenner streiten<br />
um die Zukunft eines Kontinents: Die Senegalesin Ndioro<br />
Ndiaye, Stellvertretende Generaldirektorin der Internationalen<br />
Organisation für Migrationen (IOM), der S<strong>ch</strong>weizer Laurent<br />
Monnier, Kursverantwortli<strong>ch</strong>er am Institut universitaire d’études<br />
du développement (IUED), und Edgard Gnansounou aus<br />
Benin, Präsident von «Imaginer et Construire l’Afrique de<br />
Demain» (ICAD). Gesprä<strong>ch</strong>sführung: Jane-Lise S<strong>ch</strong>neeberger.<br />
Edgard Gnansounou Laurent Monnier Ndioro Ndiaye<br />
Eine Welt: Wie sehen Sie <strong>Afrika</strong>s Zukunft?<br />
Edgard Gnansounou: I<strong>ch</strong> bin überzeugter Optimist.<br />
Einer der grössten Trümpfe <strong>Afrika</strong>s ist seine<br />
Jugend. So wie es heute ist, kann es nur besser werden.<br />
Ausserdem profitiert <strong>Afrika</strong> von einem te<strong>ch</strong>nologis<strong>ch</strong>en<br />
Umfeld, das unwiderstehli<strong>ch</strong> in Ri<strong>ch</strong>tung<br />
Dezentralisierung geht. Internet, Handys,<br />
Radio... Repräsentanten einer kulturellen Revolution,<br />
wel<strong>ch</strong>e die Entfaltung des Kontinents verbessern<br />
wird.<br />
Laurent Monnier: Um Zukunftsprognosen ma<strong>ch</strong>en<br />
zu können, muss <strong>Afrika</strong>s Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te einbezogen<br />
werden: Zuerst musste es die Sklaverei über si<strong>ch</strong><br />
ergehen lassen, dann die Kolonisierung und s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong><br />
den Kalten Krieg. Die eigentli<strong>ch</strong>e Befreiung<br />
fand erst 1994 mit dem Ende der Apartheid statt.<br />
Heute ist eine allgemeine Umgestaltung im Gang.<br />
<strong>Afrika</strong> ist daran, die externe Domination zu verdauen.<br />
Und das führt man<strong>ch</strong>mal zu extremer<br />
Gewalt. Aber das endgültige Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t wird<br />
ni<strong>ch</strong>t von aussen diktiert werden.<br />
Ndioro Ndiaye: Als <strong>Afrika</strong>nerin kann i<strong>ch</strong> gar ni<strong>ch</strong>t<br />
anders als optimistis<strong>ch</strong> sein. <strong>Afrika</strong> könnte langfristig<br />
zu einem Interessenzentrum werden. Trotz der<br />
Verheerungen dur<strong>ch</strong> Aids gibt es viele Junge, die ge-<br />
bildet, kreativ und fähig sind, der Entwicklung<br />
Impulse zu verleihen. Es besitzt äusserst rei<strong>ch</strong>e<br />
Bodens<strong>ch</strong>ätze, die Erde ist fru<strong>ch</strong>tbar. Aber die<br />
Entwicklung wird dur<strong>ch</strong> Bruderkriege, Sektierertum,<br />
Autoritätsansprü<strong>ch</strong>e, «s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>te Regierungstätigkeit»<br />
sowie die persönli<strong>ch</strong>en Interessen der führenden<br />
S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten behindert.<br />
Gnansounou: Autoritäre Mä<strong>ch</strong>te haben zu lange<br />
die freie Entwicklung der Kreativität unterdrückt.<br />
Wegen der von aussen verordneten wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />
Modelle wurde die Phantasie behindert. Politis<strong>ch</strong> ist<br />
<strong>Afrika</strong> no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ganz frei. Wir müssen der Demokratie<br />
einen Inhalt geben, der näher bei den<br />
Mens<strong>ch</strong>en ist. Einfa<strong>ch</strong> einen Präsidenten und Abgeordnete<br />
mit Sitz in der Hauptstadt zu wählen, ist<br />
eine ziemli<strong>ch</strong> begrenzte Demokratie. Eine der afrikanis<strong>ch</strong>en<br />
Kultur angepasste Demokratie sollte dezentralisiert<br />
sein und vor allem auf lokaler Ebene<br />
stattfinden, mit der Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> Konsens, Verständigung<br />
und Toleranz. Die afrikanis<strong>ch</strong>en Staaten<br />
müssen ihr eigenes Gesells<strong>ch</strong>aftsprojekt entwickeln,<br />
das in ihrer Kultur verwurzelt ist.<br />
Eine Welt: Es gibt kulturelle Werte, wel<strong>ch</strong>e in der<br />
heutigen Zeit als unangebra<strong>ch</strong>t gelten. Könnten<br />
diese die Entwicklung behindern ?<br />
Hien Lamm Duc / Vu
Gnansounou: Die Kultur kann eine Behinderung<br />
sein, wenn Entwicklung als etwas angesehen wird,<br />
das von aussen kommt, denn dann geht man davon<br />
aus, dass die Kultur si<strong>ch</strong> dem Modell anpassen muss.<br />
Aber wenn Entwicklung Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> Entfaltung der<br />
Mens<strong>ch</strong>en ist, muss das Modell vielmehr den kulturellen<br />
Werten angepasst werden.<br />
Monnier: Die afrikanis<strong>ch</strong>en Kulturen sind sehr strikt,<br />
aber sie können alles integrieren, was für sie interessant<br />
ist. Der kongolesis<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>riftsteller T<strong>ch</strong>icaya<br />
U Tam’Si hat diese kulturelle Kraft illustriert, indem<br />
er <strong>Afrika</strong> mit S<strong>ch</strong>ilf vergli<strong>ch</strong>. Wenn das S<strong>ch</strong>ilf<br />
Stürmen wie der Sklaverei und der Kolonisierung<br />
ausgesetzt ist, beugt es si<strong>ch</strong>, und wenn alles vorbei<br />
ist, ri<strong>ch</strong>tet es si<strong>ch</strong> wieder auf. Heute sind wir soweit.<br />
1994 war die letzte Phase der Kolonisierung abges<strong>ch</strong>lossen.<br />
Das S<strong>ch</strong>ilf wird si<strong>ch</strong> wieder aufri<strong>ch</strong>ten.<br />
Ndiaye: Der kulturelle Rei<strong>ch</strong>tum <strong>Afrika</strong>s sollte ein<br />
Trumpf sein. Aber die korrupten Führungseliten<br />
sind oft bereit, die ethnis<strong>ch</strong>en, Rassen- oder Religionsunters<strong>ch</strong>iede<br />
auszunutzen, um si<strong>ch</strong> an der<br />
Ma<strong>ch</strong>t zu halten. Trotzdem ist die Kultur ein e<strong>ch</strong>tes<br />
Gut, das allen <strong>Afrika</strong>nerinnen und <strong>Afrika</strong>nern eigen<br />
ist, den Peuls ebenso wie den Bambaras und den<br />
Wolofs. Auf dieser Grundlage bauen «Pluspunkte»<br />
wie die Ausbildung auf, die genau so wi<strong>ch</strong>tig ist.<br />
Wenn die Leute ni<strong>ch</strong>t fähig sind, die Bots<strong>ch</strong>aften<br />
ihrer Führung zu ents<strong>ch</strong>lüsseln, können sie ni<strong>ch</strong>t<br />
ri<strong>ch</strong>tig teilhaben.<br />
Eine Welt: Aber viele gut ausgebildete <strong>Afrika</strong>nerinnen<br />
und <strong>Afrika</strong>ner verlassen ihr Land und wandern<br />
na<strong>ch</strong> Europa oder in die USA aus. Kann dieser<br />
Wissensverlust aufgehalten werden?<br />
Ndiaye: Die Migration trägt zum Austaus<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en<br />
den Völkern und zur gegenseitigen Berei<strong>ch</strong>erung<br />
bei. Wenn der Abwanderung der klugen Köpfe<br />
Einhalt geboten werden kann, ist Migration etwas<br />
Gutes. Aber wie kann si<strong>ch</strong> ein Land entwickeln,<br />
wenn 35 Prozent seiner Intelligenz weg ist? Die<br />
IOM fördert die freiwillige Rückkehr qualifizierter<br />
und au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>tqualifizierter Mens<strong>ch</strong>en na<strong>ch</strong> <strong>Afrika</strong>,<br />
damit deren Heimat vom Wissen und den Kenntnissen,<br />
die sie im Ausland erworben haben, profitieren<br />
kann. Leider geben si<strong>ch</strong> die afrikanis<strong>ch</strong>en<br />
Länder keine Mühe, Arbeitsmögli<strong>ch</strong>keiten zu s<strong>ch</strong>affen.<br />
So reisen diese Leute oft na<strong>ch</strong> einem halben Jahr<br />
wieder aus.<br />
Gnansounou: Die Migration darf ni<strong>ch</strong>t weiter verteufelt<br />
werden. In Zeiten der Globalisierung kann<br />
man einem <strong>Afrika</strong>ner, der zuhause s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t lebt, keinen<br />
Vorwurf ma<strong>ch</strong>en, wenn er weg geht. Es gibt<br />
S<strong>ch</strong>warze Eliten und<br />
weisse Helfer<br />
Die kamerunis<strong>ch</strong>e<br />
Soziologin Axelle Kabou<br />
hat mit ihrem Aufsehen<br />
erregenden Bu<strong>ch</strong> «Weder<br />
arm no<strong>ch</strong> ohnmä<strong>ch</strong>tig:<br />
eine Streits<strong>ch</strong>rift gegen<br />
s<strong>ch</strong>warze Eliten und<br />
weisse Helfer» 1995 ein<br />
Tabu gebro<strong>ch</strong>en. Darin<br />
kritisiert sie die <strong>Afrika</strong>ner,<br />
sie seien an ihrer Rückständigkeit<br />
selber S<strong>ch</strong>uld,<br />
weil sie Te<strong>ch</strong>nik als etwas<br />
Fremdes und Bedrohendes<br />
betra<strong>ch</strong>teten.<br />
<strong>Afrika</strong>nis<strong>ch</strong>e Intellektuelle<br />
übers<strong>ch</strong>ütteten Kabou<br />
daraufhin mit Bes<strong>ch</strong>impfungen,<br />
während ihre<br />
Thesen im anglophonen<br />
<strong>Afrika</strong> gar ni<strong>ch</strong>t erst<br />
rezipiert wurden.<br />
«Weder arm no<strong>ch</strong><br />
ohnmä<strong>ch</strong>tig: eine Streits<strong>ch</strong>rift<br />
gegen s<strong>ch</strong>warze<br />
Eliten und weisse Helfer»,<br />
Lenos Verlag<br />
Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />
26<br />
27
«Die Vorstellungen, die<br />
si<strong>ch</strong> die Europäer vom<br />
S<strong>ch</strong>warzen Kontinent<br />
ma<strong>ch</strong>en, kontrastieren<br />
sehr s<strong>ch</strong>arf. Do<strong>ch</strong> <strong>Afrika</strong><br />
hat, wie jede fremde<br />
Welt, seinen eigenen<br />
Sinn und lässt si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong><br />
europäis<strong>ch</strong>en Massstäben<br />
wohl nie begreifen.<br />
Und viellei<strong>ch</strong>t ist das<br />
sogar gut so.»<br />
Wolfgang Kunath, langjähriger<br />
Korrespondent<br />
in Nairobi<br />
«Das Problem ist, dass<br />
der Weisse mit Erwartungen<br />
und Forderungen<br />
an die <strong>Afrika</strong>ner herantritt<br />
und wir ni<strong>ch</strong>t wissen, wie<br />
viel sie übernehmen<br />
mö<strong>ch</strong>ten (...) Zum Glück<br />
ist <strong>Afrika</strong> resistent gegen<br />
alle die guten Sa<strong>ch</strong>en,<br />
die wir an den Kontinent<br />
herantragen. Viellei<strong>ch</strong>t<br />
besteht ja die Mögli<strong>ch</strong>keit,<br />
dass wir aus der<br />
Erfahrung heraus, die<br />
wir in <strong>Afrika</strong> ma<strong>ch</strong>en,<br />
umdenken. Dass wir sie<br />
als Anstoss nehmen um<br />
zu fragen, wieso unser<br />
System in <strong>Afrika</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />
funktioniert.»<br />
Dominik Langenba<strong>ch</strong>er,<br />
Ex-Uno-Koordinator für<br />
Somalia<br />
Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />
Keystone<br />
Länder wie die USA, die dur<strong>ch</strong> Migration entstanden<br />
sind. Es ist besser, die Diaspora als Träger des kulturellen<br />
und wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Austaus<strong>ch</strong>es zu nutzen,<br />
der gut ist für <strong>Afrika</strong>. Das s<strong>ch</strong>eint mir wi<strong>ch</strong>tiger, als<br />
unbedingt die «klugen Köpfe» zurückholen zu wollen.<br />
Eine Welt: <strong>Afrika</strong> hat viel Hilfe aus dem Norden<br />
erhalten und ist immer no<strong>ch</strong> glei<strong>ch</strong> arm. Muss die<br />
Entwicklungszusammenarbeit als Misserfolg gewertet<br />
werden?<br />
Monnier: Man darf ni<strong>ch</strong>t denken, dass die Entwicklung<br />
von der Zusammenarbeit bestimmt wird. Die<br />
Europäer werden an der Zukunft <strong>Afrika</strong>s ni<strong>ch</strong>ts ändern.<br />
Das Wort Entwicklung beinhaltet eine Art<br />
Missverständnis. Wird es ni<strong>ch</strong>t oft als Anhang des<br />
Wortes «Zivilisation» verstanden? <strong>Afrika</strong> weiss, was<br />
es will. Man soll es in Ruhe lassen! Viel zu lange<br />
s<strong>ch</strong>on wollte man ihm erklären, was es zu tun habe.<br />
Ndiaye: Sogar wenn die Ideologie der Zusammenarbeit<br />
gere<strong>ch</strong>tfertigt wäre, so kann diese Hilfe an<br />
<strong>Afrika</strong> – die ni<strong>ch</strong>t wirkli<strong>ch</strong> geholfen hat – nur vorübergehend<br />
sein. Der Kontinent muss auf si<strong>ch</strong> selber<br />
zählen. Im Übrigen ist diese Hilfe ni<strong>ch</strong>t uns<strong>ch</strong>uldig.<br />
Die Empfänger sind ebenso sehr Geber wie<br />
diese selber, denn das Geld kommt s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> an seinen<br />
Ausgangspunkt zurück. Man soll die <strong>Afrika</strong>ner<br />
endli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr als Kinder mit ewigen Bedürfnissen<br />
ansehen, sondern sie als Partner behandeln.<br />
<strong>Afrika</strong> bra<strong>ch</strong>te seit jeher Unternehmer hervor,<br />
Leute, wel<strong>ch</strong>e die Spra<strong>ch</strong>e der Wirts<strong>ch</strong>aft sehr gut<br />
verstehen.<br />
Gnansounou: <strong>Afrika</strong> hat Hilfe nötig. Es brau<strong>ch</strong>t<br />
Investitionen in Erziehung, Gesundheit, Infrastrukturen.<br />
Und wenn die afrikanis<strong>ch</strong>en Länder auf ihre<br />
eigenen Fähigkeiten allein angewiesen wären, würde<br />
das zu lange dauern. I<strong>ch</strong> befürworte alles, was das<br />
J.-C Gadmer<br />
Potenzial und die Kapazitäten <strong>Afrika</strong>s stärkt. I<strong>ch</strong><br />
sähe zum Beispiel eine Subventionierung der<br />
Fra<strong>ch</strong>tkosten, um die Exporte afrikanis<strong>ch</strong>er Produkte<br />
in die rei<strong>ch</strong>en Länder zu erlei<strong>ch</strong>tern. Wussten Sie,<br />
dass bei der Ananas aus der Elfenbeinküste die<br />
Fra<strong>ch</strong>t mehr als die Hälfte des Preises auf dem<br />
S<strong>ch</strong>weizer Engros-Markt ausma<strong>ch</strong>t?<br />
(Aus dem Französis<strong>ch</strong>en)
Bernard Descamps / Vu<br />
Von Dakar na<strong>ch</strong> Djibouti<br />
Anfangs der 50er-Jahre, zwanzig<br />
Jahre na<strong>ch</strong> dem französis<strong>ch</strong>en<br />
Ethnologen Marcel Griaule, reiste<br />
i<strong>ch</strong> auf den Spuren seiner Expedition<br />
von Dakar na<strong>ch</strong> Djobouti, in der<br />
Hand die Aufzei<strong>ch</strong>nungen von<br />
Mi<strong>ch</strong>el Leiris L’Afrique fantôme.<br />
Der Titel ma<strong>ch</strong>t die verwirrende<br />
Fremdartigkeit dieses Kontinents<br />
deutli<strong>ch</strong>, der si<strong>ch</strong> einem vers<strong>ch</strong>liesst,<br />
obwohl er si<strong>ch</strong> zu öffnen s<strong>ch</strong>eint.<br />
Was anfangs klar ers<strong>ch</strong>eint, wird bald<br />
komplex und dann unverständli<strong>ch</strong>.<br />
Man muss si<strong>ch</strong> mit dem Rätsel abfinden<br />
und es so gut wie mögli<strong>ch</strong><br />
interpretieren, um der Wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>keit<br />
auf die Spur zu kommen.<br />
Und trotz allem zweifelt man s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong>,<br />
ob man ri<strong>ch</strong>tig verstanden hat.<br />
Am einen Ende eingetau<strong>ch</strong>t, musste<br />
i<strong>ch</strong> den Weg erkämpfen, um am<br />
anderen Ende des Kontinents wieder<br />
aufzutau<strong>ch</strong>en. Es gelang mir nie<br />
re<strong>ch</strong>t, diese Strassenkilometer<br />
aneinander zu reihen. Ebenso wenig<br />
die Tage. Hie und da kam i<strong>ch</strong> dank<br />
dem Flugzeug wieder etwas zu<br />
Atem, wie ein Tau<strong>ch</strong>er kurz an die<br />
Oberflä<strong>ch</strong>e kommt, um Bilanz zu<br />
ziehen. Mit dem lokalen, von Post<br />
zu Post hüpfenden Flugzeug. Ni<strong>ch</strong>t<br />
mit der Langstreckenpost, wel<strong>ch</strong>e<br />
abrupt si<strong>ch</strong> von <strong>Afrika</strong> losreisst Ri<strong>ch</strong>tung<br />
dem Europa der Ges<strong>ch</strong>äfte, der<br />
Ferien, der Familien.<br />
Ansonsten war i<strong>ch</strong> fast immer mit<br />
dem Lastwagen unterwegs, im<br />
feu<strong>ch</strong>ten Dunst des frühen Morgens<br />
mit den Turteltauben, in der flirrenden<br />
Hitze des Mittags, abends mit<br />
den Insekten. Die bes<strong>ch</strong>ädigten Sitze<br />
s<strong>ch</strong>üttelten die Nieren dur<strong>ch</strong>, die<br />
holprige Strasse liess uns ans<br />
Wagenda<strong>ch</strong> spicken, und die Hitze<br />
des Motors grillierte Füsse, Knie,<br />
Gesi<strong>ch</strong>t. In der Ware hinten im<br />
Wagen s<strong>ch</strong>ien das Gewi<strong>ch</strong>t des<br />
ganzen Kontinents zu liegen. Die<br />
Ladung bestand aus Mais, Palmkohl,<br />
Baumwolle, Fasern. Lange gelbe<br />
Jutestränge wurden auf den lokalen<br />
Märkten abgeholt, wo sie um die<br />
Waage und den Mann von der<br />
Behörde herum gestapelt waren.<br />
Farbenprä<strong>ch</strong>tige Baumwolle, die<br />
stückweise zu drei Faden wieder<br />
verkauft wurde, oder geräu<strong>ch</strong>ertes<br />
Fleis<strong>ch</strong>, dessen Haut und Kno<strong>ch</strong>en<br />
ges<strong>ch</strong>wärzt waren. Damals gab es<br />
no<strong>ch</strong> Banknoten zu fünf Francs, auf<br />
denen «Afrique française libre» stand.<br />
An den Haltestellen ko<strong>ch</strong>ten die<br />
Fahrer die Atanga, eine Art bittere<br />
Pflaume. Sie tau<strong>ch</strong>ten sie an einem<br />
Stock ins Kühlwasser des Motors,<br />
man<strong>ch</strong>mal fiel sie hinein, dann kam<br />
es zu Fehlzündungen oder Pannen.<br />
Man<strong>ch</strong>mal wurden einem etwas<br />
zweifelhafte Eier angeboten, ohne<br />
Legedatum, die Hühner hatten sie<br />
irgendwann in der Bös<strong>ch</strong>ung gelegt.<br />
Es gab au<strong>ch</strong> Flussfis<strong>ch</strong>e voller Gräten,<br />
grüne Bananen und Maniok,<br />
Blausäure.<br />
Die kurvenrei<strong>ch</strong>e Strasse führte<br />
unter den Baumkronen hindur<strong>ch</strong>.<br />
Im S<strong>ch</strong>atten Pfützen voller seifigen<br />
S<strong>ch</strong>lamms. Aber sobald die Sonne<br />
dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ien, wirbelte der rote Lateritsand<br />
auf und gab einem das Aussehen<br />
eines Mohikaners. Ein Lo<strong>ch</strong><br />
blieb nie lange gefüllt: sonst wäre<br />
dem nahen Dorf die Arbeit ausgegangen.<br />
Dort leistete man immer<br />
gern Pannenhilfe. Diese Dörfer,<br />
in denen man s<strong>ch</strong>lief, weil man<br />
wegen eines Wirbelsturms ni<strong>ch</strong>t<br />
übers Wasser fahren konnte, oder<br />
weil die S<strong>ch</strong>einwerfer wegen der<br />
ers<strong>ch</strong>öpften Batterie nur no<strong>ch</strong><br />
flackerten. Man fiel fast um vor<br />
Müdigkeit. Aber immer gab es das<br />
Empfangsritual, Brüders<strong>ch</strong>aft,<br />
Konversation, Austaus<strong>ch</strong> von<br />
Neuigkeiten. Überall in <strong>Afrika</strong>, am<br />
Wasser wie entlang der Pisten, an<br />
den Stränden wie auf den Hügeln,<br />
mitten im Wald und im Dicki<strong>ch</strong>t,<br />
immer diese Menge von Gesi<strong>ch</strong>tern,<br />
so dass man glaubte, diese<br />
leere Welt sei überbevölkert. Und<br />
die Palaver. I<strong>ch</strong> werde nie den<br />
gehörnten Ehemann vergessen,<br />
der vor dem Chef ers<strong>ch</strong>ien, die in<br />
Tränen aufgelöste Ungetreue im<br />
S<strong>ch</strong>lepptau, in der Hand einen<br />
Zettel mit Zahlen zu den Angriffen<br />
auf seine «ehemännli<strong>ch</strong>e» Ehre.<br />
Darauf las i<strong>ch</strong> unter anderem: «Ein<br />
Hahn, von mir gekauft, von meiner<br />
Frau ihrem Liebhaber verkauft, 400<br />
Francs.»<br />
Ein Kontinent, auf dem die Neugier<br />
nie eins<strong>ch</strong>läft. In diesem Sinn<br />
hat si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts geändert. <strong>Afrika</strong> hat<br />
seine Fähigkeit zu überras<strong>ch</strong>en<br />
ni<strong>ch</strong>t verloren, angefangen bei<br />
seiner glückli<strong>ch</strong>en Ausdrucksweise,<br />
bis hin zu seiner Musik, die trotz<br />
all des Unglücks wel<strong>ch</strong>es es immer<br />
wieder heimsu<strong>ch</strong>t, so hervorragend<br />
ist, dass mittlerweile die ganze Welt<br />
na<strong>ch</strong> ihrem Rhythmus tanzt.<br />
(Aus dem Französis<strong>ch</strong>en)<br />
Monique Jacot<br />
Carte blan<strong>ch</strong>e<br />
Charles-Henri Favrod,<br />
Journalist und S<strong>ch</strong>riftsteller,<br />
war viel in <strong>Afrika</strong><br />
unterwegs, s<strong>ch</strong>on zur<br />
Kolonialzeit. Er s<strong>ch</strong>rieb<br />
mehrere Bü<strong>ch</strong>er, so «Le<br />
poids de l’Afrique» (1958),<br />
«L’Afrique seule» (1961)<br />
und «La révolution<br />
algérienne» (1959), ihm<br />
sind au<strong>ch</strong> die Reihe<br />
«L’Atlas des Voyages»<br />
(Rencontre) und die<br />
«L’Encyclopédie du<br />
monde actuel» (Ha<strong>ch</strong>ette)<br />
zu verdanken. Er setzte<br />
si<strong>ch</strong> oft mit dem neuen,<br />
unabhängigen <strong>Afrika</strong><br />
auseinander, namentli<strong>ch</strong><br />
in seinen Kino- und<br />
Fernsehfilmen. Als<br />
historis<strong>ch</strong>er Fotograf<br />
leitete Charles-Henri<br />
Favrod von 1985 bis 1995<br />
das Musée de l’Elysée in<br />
Lausanne. Er war besorgt<br />
über die Art, wie <strong>Afrika</strong><br />
fotografiert wurde. «Bis es<br />
si<strong>ch</strong> selbst fotografierte,<br />
was es heute ausserordentli<strong>ch</strong><br />
gut kann», so<br />
Favrods Kommentar.<br />
Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />
28<br />
29
K U L T U R<br />
Zum vierten Mal fand Ende 1999 in Bamako, Mali, das «Festival du Théâtre<br />
des Réalités» statt. Die S<strong>ch</strong>weiz unterstützte das Austaus<strong>ch</strong>projekt, das<br />
dem Theater im Sahel neue Impulse geben sollte. Es stand unter dem<br />
doppelsinnigen Motto «De l’oral aux cris» als Freudens<strong>ch</strong>rei aber au<strong>ch</strong><br />
Hilferuf. Jodok W. Kobelt* erlebte eine Wo<strong>ch</strong>e voller Tanz, Trommeln, Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />
und Begegnungen.<br />
«Wir mö<strong>ch</strong>ten mit unserem<br />
Festival Gemeinsamkeiten für<br />
alle sozialen Gruppen s<strong>ch</strong>affen,<br />
ni<strong>ch</strong>t eine Veranstaltung für die<br />
Gebildeten und Vermögenden<br />
von Bamako. Bei uns sitzt der<br />
Gebildete neben dem Ungebildeten<br />
ohne S<strong>ch</strong>ulausbildung und<br />
Französis<strong>ch</strong>kenntnissen. Was<br />
zählt, ist die Gemeinsamkeit des<br />
Erlebens. Die Wirkung sol<strong>ch</strong>er<br />
Gemeinsamkeiten kann viellei<strong>ch</strong>t<br />
über den Theaterabend hinausführen»,<br />
sagt Adama Traore,<br />
Festivaldirektor des «4. Festival<br />
du Théâtre des Réalités».<br />
Theater hat in Mali eine lange<br />
Tradition, wenn man das<br />
Koteba-Volkstheater mitbetra<strong>ch</strong>tet.<br />
Seit Jahrhunderten wird<br />
Tanztheater zur Unterhaltung<br />
wie zur Belehrung eingesetzt,<br />
heute au<strong>ch</strong> im Dienste von<br />
Entwicklungsagenturen und<br />
-ideen. «S<strong>ch</strong>on die alten Könige<br />
wussten: Hören ist gut, aber<br />
wenn die Mens<strong>ch</strong>en eine Bots<strong>ch</strong>aft<br />
hören und sehen, dann erst<br />
bleibt sie haften», erklärt Adama<br />
Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />
Theater und<br />
Realität<br />
in Bamako<br />
Traore. Haben wir es also an<br />
diesem Festival mit der traditionellen<br />
Theaterkultur zu tun?<br />
Jein. Neben Theater- und Tanzgruppen<br />
aus einigen Regionen<br />
Malis nahmen a<strong>ch</strong>t Theatertruppen<br />
aus Senegal, Italien,<br />
Frankrei<strong>ch</strong>, Burkina Faso und<br />
Kanada teil.<br />
Bühnenspra<strong>ch</strong>e ist mehrheitli<strong>ch</strong><br />
Französis<strong>ch</strong>. Sinnvoll in einem<br />
Land, in dem offiziell 80 Prozent<br />
Analphabeten leben? «Die Zahl<br />
stimmt so ni<strong>ch</strong>t», erklärt der<br />
Journalist und Regisseur<br />
Boubacar Belco Diallo, «sie<br />
können viellei<strong>ch</strong>t den lateinis<strong>ch</strong>en<br />
Bu<strong>ch</strong>staben A ni<strong>ch</strong>t lesen,<br />
aber in Korans<strong>ch</strong>ulen wurden<br />
au<strong>ch</strong> viele alphabetisiert – warum<br />
tau<strong>ch</strong>en die in den Statistiken<br />
ni<strong>ch</strong>t auf?» Marie Françoise<br />
Balavoine, Presseverantwortli<strong>ch</strong>e<br />
des Festivals, antwortet mit einer<br />
Gegenfrage: «Warum sollen Leute,<br />
die tägli<strong>ch</strong> im Fernsehen<br />
französis<strong>ch</strong>e Fortsetzungsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />
mitverfolgen und<br />
spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> kaum verstehen,<br />
ni<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> einen Theaterabend<br />
geniessen können?» Balavoine<br />
kennt <strong>Afrika</strong> seit Jahren: «I<strong>ch</strong><br />
habe früher Wasserpumpen für<br />
Mali oder Senegal vertrieben,<br />
aber i<strong>ch</strong> merkte, die Leute brau<strong>ch</strong>en<br />
mehr als nur Existenzsi<strong>ch</strong>erung.<br />
Sie haben au<strong>ch</strong> ein<br />
Bedürfnis na<strong>ch</strong> Unterhaltung.<br />
Darum gehen wir mit den Produktionen<br />
au<strong>ch</strong> in die Quartiere<br />
zu jenen Leuten, die si<strong>ch</strong> die<br />
Fahrt ins Stadtzentrum ni<strong>ch</strong>t<br />
leisten können.»<br />
Alte Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten neu<br />
erzählen<br />
S<strong>ch</strong>ulhöfe und Spielplätze bilden<br />
die Theaterbühnen in den Quartieren.<br />
Zeltbahnen auf dem Boden<br />
markieren die Bühne und<br />
verhindern, dass no<strong>ch</strong> mehr vom<br />
allgegenwärtigen roten Staub<br />
der Erde Malis in der Luft liegt.<br />
Davor Strohmatten, auf denen<br />
ein ki<strong>ch</strong>ernder Kinderhaufen<br />
den Auftritt der S<strong>ch</strong>auspieler<br />
erwarten, dahinter stehen die<br />
Erwa<strong>ch</strong>senen. Vier bis se<strong>ch</strong>s alte<br />
S<strong>ch</strong>einwerfer beleu<strong>ch</strong>ten die<br />
Bühne notdürftig. Hier no<strong>ch</strong><br />
s<strong>ch</strong>nell eine Farbfolie auf den<br />
S<strong>ch</strong>einwerfer geklebt, dort eine<br />
Gruppe si<strong>ch</strong> balgender Jungs<br />
beruhigt.<br />
Die Vorstellung kann beginnen.<br />
Für die S<strong>ch</strong>auspieler ist die Arbeit<br />
hart, speziell, wenn feinere<br />
Töne, mehr Dialog als Aktion,<br />
in den Stücken vorkommen.<br />
«Die Leute erwarten die<br />
s<strong>ch</strong>nellen, witzigen Sket<strong>ch</strong>es,<br />
wel<strong>ch</strong>e sie von den Theatergruppen<br />
kennen, die für eine<br />
Erziehungs- oder Informationskampagne<br />
im Auftrag des Staates<br />
unterwegs sind. Was wir bieten,<br />
ist neu für sie», erklärt Ildevert<br />
Meda aus Burkina Faso, Autor<br />
und Regisseur von «L'amour<br />
d'une mère».<br />
Seine Darsteller müssen viel<br />
lauter spre<strong>ch</strong>en, no<strong>ch</strong> mehr<br />
Präsenz in ihre Darbietung<br />
bringen, um die Aufmerksamkeit<br />
der Leute zu behalten. «Es wird<br />
einfa<strong>ch</strong>er, wenn die Mens<strong>ch</strong>en<br />
in unserem Stück Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />
Jodok W.Kobelt (4)
30<br />
31
Jodok W.Kobelt (3)<br />
entdecken, die sie viellei<strong>ch</strong>t<br />
no<strong>ch</strong> als Erzählung ihrer Grossmutter<br />
kennen gelernt haben»,<br />
sagt Meda, «denn wir arbeiten<br />
mit diesen allegoris<strong>ch</strong>en Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten,<br />
Mythen und Mär<strong>ch</strong>en.<br />
Wenn die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te erkannt<br />
wird, bleiben die Leute dran,<br />
au<strong>ch</strong> wenn ni<strong>ch</strong>t alles Gespro<strong>ch</strong>ene<br />
verstanden wird.»<br />
Ni<strong>ch</strong>t alle Stücke werden in den<br />
Vororten gezeigt. Die Produktion<br />
«Les indépendantristes»<br />
der Truppe «Les 7 Koûss» aus<br />
Senegal wäre zu wortlastig.<br />
Die Rahmenhandlung: Auf der<br />
Flu<strong>ch</strong>t vor dem Bürgerkrieg<br />
treffen si<strong>ch</strong> sieben Figuren auf<br />
einem Bahnhof. Die S<strong>ch</strong>ienen<br />
sind weg. «Keine S<strong>ch</strong>ienen? Kein<br />
Problem! Der Zug ist das Wi<strong>ch</strong>tigste!»<br />
Um die Wartezeit zu<br />
überbrücken vertreiben sie si<strong>ch</strong><br />
die Zeit mit Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten erzählen.<br />
Am S<strong>ch</strong>luss verlieren si<strong>ch</strong><br />
die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten in Absurditäten:<br />
«Die Kerzenfabrik konnte ni<strong>ch</strong>t<br />
mehr produzieren: Kein Strom»,<br />
oder «Den Helden wurde so laut<br />
applaudiert, dass alle Tiere vor<br />
dem Lärm ausser Landes flü<strong>ch</strong>teten».<br />
Der Bürgerkrieg holt die<br />
Wartenden ein, sie sterben im<br />
Kugelhagel. «I<strong>ch</strong> bin <strong>Afrika</strong>ner –<br />
Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />
i<strong>ch</strong> weiss zu sterben», wurde<br />
vom Belgier Jean-Claude Idee<br />
inszeniert und wäre wohl in<br />
seiner becketts<strong>ch</strong>en Absurdität<br />
und seiner Wortlastigkeit in den<br />
Quartieren ni<strong>ch</strong>t verstanden<br />
worden.<br />
Le Bien-Avoir<br />
Eine ganz andere Form hat die<br />
italienis<strong>ch</strong>e Truppe «Koron Tlé»<br />
aus Mailand mit S<strong>ch</strong>auspiels<strong>ch</strong>ülerinnen<br />
und -s<strong>ch</strong>ülern aus<br />
Bamako erarbeitet: Ein Mix aus<br />
Alltags-Spra<strong>ch</strong>fetzen in Italienis<strong>ch</strong>,<br />
Französis<strong>ch</strong> und Bambara.<br />
Wenn da die blonde Italienerin<br />
die Bambara-Übersetzung von<br />
«I<strong>ch</strong> liebe Di<strong>ch</strong>» oder «Geh mir<br />
ni<strong>ch</strong>t auf die Nerven» spri<strong>ch</strong>t,<br />
bleibt der La<strong>ch</strong>er ni<strong>ch</strong>t aus,<br />
und wenn der quirlige Student<br />
aus Bamako «Io ti amo» sagt,<br />
wird au<strong>ch</strong> das verstanden und<br />
beklats<strong>ch</strong>t.<br />
Hinter dem kulturellen<br />
Engagement der Theatergruppe<br />
steht die Regisseurin Serena<br />
Sartori. Sie empfindet die Einstellung<br />
vieler Europäer, afrikanis<strong>ch</strong>e<br />
Kultur zur Folklore zu<br />
degradieren, als überhebli<strong>ch</strong>:<br />
«I<strong>ch</strong> wehre mi<strong>ch</strong> dagegen, in der<br />
Wahrnehmung <strong>Afrika</strong>s immer<br />
Hunger, Krieg und Armut<br />
hervorzuheben. Wer mit den<br />
Künstlern zusammenarbeitet,<br />
findet einen immensen Rei<strong>ch</strong>tum,<br />
einen Stolz, den man mit<br />
dem überhebli<strong>ch</strong>en Gefühl des<br />
Mitleids abtötet. Ein afrikanis<strong>ch</strong>er<br />
Freund sagte mir mal:<br />
«Ihr habt wohl das Bien-Avoir<br />
aber ni<strong>ch</strong>t das Bien-Etre, ihr<br />
Europäer begreift uns <strong>Afrika</strong>ner<br />
viellei<strong>ch</strong>t dann, wenn ihr versteht,<br />
dass unsere Seelen<br />
hungriger sind als unsere Körper.<br />
Die Europäer leben zur<br />
Zeit auf allen Ebenen in einer<br />
existenziellen Leere, darum<br />
haben wir keine Bere<strong>ch</strong>tigung,<br />
andere zu beurteilen, ihre Kultur<br />
mit unseren Werten zu messen.»<br />
Stellt si<strong>ch</strong> die Frage, ob es überhaupt<br />
Sinn ma<strong>ch</strong>t, dass si<strong>ch</strong><br />
Europa sowohl künstleris<strong>ch</strong> wie<br />
finanziell für ein Theaterfestival<br />
in Bamako engagiert. Besteht<br />
ni<strong>ch</strong>t die Gefahr, dass aus der<br />
guten Absi<strong>ch</strong>t des Engagements<br />
eine neue Form von Kultur-<br />
Kolonisierung erwä<strong>ch</strong>st? Serena<br />
Sartori s<strong>ch</strong>üttelt vehement den<br />
Kopf: «Diese Frage haben au<strong>ch</strong><br />
wir mit vielen afrikanis<strong>ch</strong>en<br />
Künstlern und Intellektuellen<br />
bespro<strong>ch</strong>en. Die für mi<strong>ch</strong> gültige<br />
Antwort stammt von Dany<br />
Kouyate, einem Regisseur aus<br />
Burkina Faso, der mir sagte: ‘Ihr<br />
habt uns die Komplexe unserer<br />
eigenen Kultur gegenüber<br />
eingetri<strong>ch</strong>tert. Jetzt helft ihr uns<br />
au<strong>ch</strong>, diese Komplexe wieder<br />
zu zerbre<strong>ch</strong>en.’»<br />
* Jodok W. Kobelt ist freier<br />
Journalist für Radio DRS und<br />
andere Medien.<br />
<strong>Afrika</strong> ist anders..<br />
...als viele Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>ten uns<br />
glauben ma<strong>ch</strong>en. <strong>Afrika</strong>nis<strong>ch</strong>es<br />
Leben ist au<strong>ch</strong> Freude, Stolz,<br />
Farbe. Aktive Märkte, solidaris<strong>ch</strong>e<br />
Familien, innovative<br />
Künste. Die DEZA will diese<br />
Realitäten stärker ins Bewusstsein<br />
bringen. Sie unterstützt<br />
deshalb dieses Jahr vers<strong>ch</strong>iedenste<br />
Kulturanlässe, die<br />
dieses andere <strong>Afrika</strong> ins Zentrum<br />
stellen. Details dazu siehe<br />
auf der Agenda-Seite zuhinterst<br />
in diesem Heft.
Film<br />
Musik<br />
Kopf in den Wolken<br />
In Yaounde, der Hauptstadt<br />
Kameruns, vers<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tern si<strong>ch</strong><br />
die sozialen und wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />
Verhältnisse immer mehr. Viele<br />
Leute, au<strong>ch</strong> gut ausgebildete,<br />
sehen si<strong>ch</strong> gezwungen, mit irgendeiner<br />
Nebenbes<strong>ch</strong>äftigung<br />
ihren Lebensunterhalt zu verdienen.<br />
Der Film «Mit dem Kopf<br />
in den Wolken» führt ein in die<br />
Welt des sogenannten informellen<br />
Sektors. Jean-Marie Téno malt<br />
ein eindrückli<strong>ch</strong>es Bild von der<br />
Lebenssituation, dem Überlebenswillen<br />
und dem Einfallsrei<strong>ch</strong>tum<br />
der Mens<strong>ch</strong>en in Yaounde.<br />
Und er kämpft filmend gegen die<br />
si<strong>ch</strong> verbreitende Apathie, den<br />
Zynismus und die Lebensvera<strong>ch</strong>tung<br />
in seinem Land.<br />
Jean-Marie Téno, Kamerun 1994,<br />
Dok-Film, 35 Minuten.<br />
Fa<strong>ch</strong>stelle «Filme für eine Welt»,<br />
Tel. 031 398 20 88,<br />
www.filmeeinewelt.<strong>ch</strong><br />
<strong>Afrika</strong> der Frauen<br />
(er) Fesselnde Stimmen, aussergewöhnli<strong>ch</strong>eInstrumentalistinnen<br />
und Komponistinnen,<br />
Grenzgängerinnen zwis<strong>ch</strong>en<br />
Tradition und Moderne, die<br />
«ein neues <strong>Afrika</strong>, das <strong>Afrika</strong> der<br />
Frauen» präsentieren, dies alles ist<br />
auf dem Sampler «Donna Africa»<br />
zu finden. Die tunesis<strong>ch</strong>e Musikerin<br />
Mouna Amari kombiniert<br />
die arabis<strong>ch</strong>e Laute Oud mit<br />
dem europäis<strong>ch</strong>en Kontrabass.<br />
Die Nigerianerin Yinka Davies<br />
führt traditionelle arabis<strong>ch</strong>tunesis<strong>ch</strong>e<br />
Gesänge und Yoruba-<br />
Melodien mit indis<strong>ch</strong>en Tabla-<br />
Rhythmen zusammen. Und<br />
wenn die im burundis<strong>ch</strong>en Exil<br />
lebende ruandis<strong>ch</strong>e Prinzessin<br />
Florida Uwera das Klagelied<br />
Bü<strong>ch</strong>er<br />
«Mana Yabjye» (Wo bist du,<br />
mein Gott?) a cappella interpretiert,<br />
ist Gänsehaut angesagt.<br />
«Donna Africa» (Peregrina<br />
Music/Musikvertrieb)<br />
Liebeslied einer Legende<br />
(er) Melodis<strong>ch</strong>e Gitarrenriffs perlen<br />
hell, satte Bassläufe grooven<br />
sanft, eine warm eins<strong>ch</strong>mei<strong>ch</strong>elnde<br />
Stimme setzt zuweilen fast<br />
jubilierend ein: Das ist die Musik<br />
des 75-jährigen Wendo Kolosoy.<br />
Der Pate des kongolesis<strong>ch</strong>en<br />
Rumba landete 1949 mit der in<br />
der Lingala-Spra<strong>ch</strong>e vorgetragenen<br />
Liebeserklärung «Marie-<br />
Louise» einen grossen Hit. In<br />
den 60er-Jahren geriet er in<br />
Vergessenheit. Ein Film und ein<br />
umjubeltes Comeback-Konzert<br />
in Abidjan holten ihn nun aus<br />
der Versenkung – und no<strong>ch</strong>mals<br />
ins Studio. Im Mittelpunkt<br />
seiner neuen CD steht wiederum<br />
«Marie-Louise». Zudem kommt’s<br />
zum musikalis<strong>ch</strong>en Flirt mit der<br />
«Golden Voice of Cameroun»,<br />
der 68-jährigen «Maman» Anne-<br />
Marie Nzie.<br />
Wendo Kolosoy, «Marie-Louise»<br />
(Indigo/RecRec)<br />
Globalisierung und<br />
Widerstand<br />
Einmal mehr bringt die S<strong>ch</strong>riftenreihe<br />
«Widerspru<strong>ch</strong>» ein Heft<br />
heraus, wel<strong>ch</strong>es aktueller kaum<br />
sein könnte. «Globalisierung<br />
und Widerstand» behandelt, mal<br />
kontrovers mal inspirierend,<br />
brisante Themen wie den Freihandel,<br />
Finanzmärkte und Tobin-<br />
Steuer, die Migration und Frauen,<br />
den Standortnationalismus, die<br />
Pharmaindustrie und die Gewerks<strong>ch</strong>aften<br />
oder Agrokonzerne und<br />
Patente auf Leben.<br />
«Globalisierung und Widerstand»<br />
kann bestellt werden bei:<br />
«Widerspru<strong>ch</strong>»,Tel. 01 273 03 01;<br />
www.widerspru<strong>ch</strong>.<strong>ch</strong><br />
Das andere <strong>Afrika</strong><br />
(gnt) Die belgis<strong>ch</strong>e Reisereporterin<br />
Lieve Joris bes<strong>ch</strong>reibt<br />
so minutiös wie subjektiv ihre<br />
Begegnungen im Sahel. Die<br />
Unwirtli<strong>ch</strong>keit dieser Region<br />
<strong>Afrika</strong>s kontrastiert krass mit<br />
der Liebenswürdigkeit ihrer<br />
BewohnerInnen, die Kargheit<br />
der Überlebensmittel mit dem<br />
Glanz der sozialen Fähigkeiten<br />
der Mens<strong>ch</strong>en. Erkenntli<strong>ch</strong><br />
werden aber au<strong>ch</strong> deren Abgründe<br />
und S<strong>ch</strong>attenseiten, oder<br />
die Ursa<strong>ch</strong>en und Folgen der<br />
legendären Langsamkeit <strong>Afrika</strong>s.<br />
Lieve Joris: «Mali Blues, ein<br />
afrikanis<strong>ch</strong>es Tagebu<strong>ch</strong>», Mün<strong>ch</strong>en:<br />
Malik 1998.<br />
Leserbrief<br />
Solaröfen als Alternative<br />
(Indis<strong>ch</strong>e Bäcker und Primus-<br />
Ko<strong>ch</strong>er in Südafrika in der<br />
Nummer 1/2000).<br />
Als Alternativen zu den<br />
traditionellen Backsteinöfen,<br />
die mit Holz beheizt werden,<br />
gibt es ni<strong>ch</strong>t nur Dieselöl oder<br />
elektris<strong>ch</strong> betriebene Öfen,<br />
sondern au<strong>ch</strong> Sonnenöfen.<br />
Diese backen (und ko<strong>ch</strong>en)<br />
ohne Energiekosten und ohne<br />
Luftvers<strong>ch</strong>mutzung. Kleine<br />
Modelle für die Familienkü<strong>ch</strong>e<br />
können sogar im Eigenbau<br />
hergestellt werden. Die<br />
grösste Solarkü<strong>ch</strong>e nahm<br />
Ende 1998 den Betrieb auf.<br />
Sie ko<strong>ch</strong>t und bäckt seither<br />
zwei bis drei warme Mahlzeiten<br />
für über 10000 Mens<strong>ch</strong>en<br />
im Brahmakumaris’<br />
Ashram, Mt. Abu in Rajasthan,<br />
Nordindien auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> mit<br />
Sonnenenergie.<br />
Ulri<strong>ch</strong> Oehler, Entwicklungsingenieur,<br />
Gruppe ULOG, Basel<br />
Service<br />
Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />
32<br />
33
Eine Welt – viel Lob<br />
Un seul monde<br />
Un solo mondo<br />
Eine Welt<br />
Wasser – ohne internationale<br />
Zusammenarbeit und globales<br />
Management läuft ni<strong>ch</strong>ts<br />
Südafrika zwis<strong>ch</strong>en Widerspru<strong>ch</strong><br />
und Anspru<strong>ch</strong><br />
Armutsbekämpfung in der Sackgasse<br />
Eine Welt<br />
Un solo mondo<br />
Un seul monde<br />
Un seul monde<br />
Eine Welt<br />
Un solo mondo<br />
Le Nuove<br />
T ecnologie<br />
d ell in f ormazione<br />
Opportunità, ris<strong>ch</strong>i e limiti nei paesi<br />
in via di sviluppo e<br />
nella cooperazione allo sviluppo<br />
Ritratto del Kirghistan<br />
L’ex repubblica sovietica dal kol<strong>ch</strong>oz<br />
all’economia di mercato<br />
Latticini svizzeri nelle zone sinistrate<br />
Un’esportazione sensata? Un dibattito<br />
Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />
NR. 1<br />
MÄRZ 2000<br />
DAS DEZA-MAGAZIN<br />
FÜR ENTWICKLUNG<br />
UND ZUSAMMENARBEIT<br />
N O 3<br />
SEPTEMBRE 1999<br />
LE MAGAZINE DE LA DDC<br />
SUR LE DÉVELOPPEMENT<br />
ET LA COOPÉRATION<br />
Dix ans après la <strong>ch</strong>ute du Mur<br />
Nouvelle Europe – nouvelle<br />
politique de développement<br />
Une analyse de la situation,<br />
l’engagement suisse,<br />
une interview et une comparaison<br />
Nicaragua<br />
Régulièrement frappé par des catastrophes,<br />
le pays ne se laisse pas abattre. Un portrait<br />
Le troisième âge négligé ?<br />
Débat sur la vieillesse et<br />
la coopération au développement<br />
N.1<br />
FEBBRAIO 1999<br />
LA RIVISTA DELLA DSC<br />
PER LO SVILUPPO E LA<br />
COOPERAZIONE<br />
Seit 1998 ers<strong>ch</strong>eint das Magazin der DEZA mit einem neuen<br />
Konzept. Nun zeigt eine aktuelle Untersu<strong>ch</strong>ung der Medienberatungsfirma<br />
Publicom auf, dass die Neukonzeption von<br />
«Eine Welt – Un seul monde – Un solo mondo» die wi<strong>ch</strong>tigsten<br />
Ziele errei<strong>ch</strong>t hat: Es konnten viele neue Leser und Leserinnen<br />
gefunden werden, die Zufriedenheit ist gestiegen, und die<br />
neue, zeitgemässige Gestaltung hat das Heft attraktiver<br />
gema<strong>ch</strong>t. Von René Grossenba<strong>ch</strong>er*.<br />
Vor zwei Jahren wurde das DEZA-Magazin «E+D»<br />
in «Eine Welt» umgetauft. Dabei wurden ni<strong>ch</strong>t nur<br />
Namen, sondern au<strong>ch</strong> Aussehen und Themenangebot<br />
geändert. Zudem ers<strong>ch</strong>eint das Heft nun viermal<br />
jährli<strong>ch</strong>, anstatt dreimal wie vor dem Relaun<strong>ch</strong>.<br />
Die auf Medienberatung spezialisierte Publicom hat<br />
nun analysiert, wie die Lesers<strong>ch</strong>aft «Eine Welt» heute<br />
eins<strong>ch</strong>ätzt. Als Verglei<strong>ch</strong> wurde eine 1996 dur<strong>ch</strong>geführte<br />
Studie zu «E+D» beigezogen. Befragt wurden<br />
600 repräsentativ ausgewählte Abonnenten und<br />
Abonnentinnen der drei Spra<strong>ch</strong>versionen. Die Ergebnisse<br />
sind überzeugend – die meisten Veränderungen<br />
werden von den Befragten als Verbesserungen<br />
eingestuft.<br />
Interessant und kompetent<br />
«‘Eine Welt’ bietet interessante Themen, ist gut<br />
verständli<strong>ch</strong> und wirkt kompetent.» So lautet das<br />
überaus positive und in den drei Spra<strong>ch</strong>regionen<br />
annähernd einstimmige Urteil der Abonnenten und<br />
Abonentinnen.<br />
Obwohl im Allgemeinen ein re<strong>ch</strong>t homogenes<br />
Interesse an den meisten Themen der Publikation<br />
besteht, gibt es do<strong>ch</strong> einige Berei<strong>ch</strong>e die besonders<br />
beliebt sind. Zu den Spitzenreitern gehören dabei<br />
eher generelle Fragen zu Wirts<strong>ch</strong>aft, Ausbildung,<br />
Umwelt und politis<strong>ch</strong>em System sowie zu s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />
Entwicklungsprojekten.<br />
Neun von zehn Befragten interessieren si<strong>ch</strong> sowohl<br />
für entwicklungspolitis<strong>ch</strong>e Themen als au<strong>ch</strong> für<br />
fremde Kulturen. Diese Tatsa<strong>ch</strong>e dürfte, laut Publicom-Untersu<strong>ch</strong>ung,<br />
der Hauptbeweggrund für ein<br />
Abonnement sein.<br />
Neue, attraktive Gestaltung beliebt<br />
Die Beurteilung der Gestaltung hat si<strong>ch</strong> gegenüber<br />
1996 klar verbessert. Das Magazin wirkt dadur<strong>ch</strong><br />
einladender und die Lesers<strong>ch</strong>aft findet einen s<strong>ch</strong>nelleren<br />
Zugang. Die meisten Befragten begründen<br />
sogar die Vorliebe für «Eine Welt» gegenüber dem<br />
Vorgänger-Magazin «E+D» gerade mit der besseren<br />
gestalteris<strong>ch</strong>en Aufma<strong>ch</strong>ung.<br />
Generell kann «Eine Welt» auf eine no<strong>ch</strong> zufriedenere<br />
Lesers<strong>ch</strong>aft als ihre Vorgängerin «E+D" bauen.<br />
Au<strong>ch</strong> der Mehrheit der langjährigen Leser und<br />
Leserinnen gefällt das jetzige Heft besser als das frühere<br />
«E+D». Das positive Urteil erstreckt si<strong>ch</strong> über<br />
alle drei Spra<strong>ch</strong>regionen.<br />
Trotz allem Lob ma<strong>ch</strong>en die Leser und Leserinnen<br />
au<strong>ch</strong> Verbesserungsvors<strong>ch</strong>läge und liefern nützli<strong>ch</strong>e<br />
Hinweise für die Weiterentwicklung der Zeits<strong>ch</strong>rift.<br />
So wüns<strong>ch</strong>en einige «mehr Meinungsvielfalt», andere<br />
den stärkeren Einbezug von Drittwelt-Journalisten<br />
oder die Berücksi<strong>ch</strong>tigung von NGO-Standpunkten.<br />
Geblieben ist die starke Bindung an das Heft. Sieben<br />
von zehn der Leser und Leserinnen der deuts<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>igen<br />
Ausgabe würden das Heft ziemli<strong>ch</strong> oder<br />
sogar sehr vermissen, müsste man darauf verzi<strong>ch</strong>ten.<br />
Im Tessin ist die Bindung sogar no<strong>ch</strong> stärker, obwohl<br />
es die italienis<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>ige Version erst seit<br />
zwei Jahren gibt.<br />
Positiver Beitrag zum Image der DEZA<br />
«‘Eine Welt’» lässt unabhängige Meinungen zu Wort<br />
kommen und ist ni<strong>ch</strong>t ein PR-Organ der Verwaltung.»<br />
Mit dieser Aussage gibt mehr als zwei Drittel<br />
der Lesers<strong>ch</strong>aft ihr grosses Vertrauen zu dieser<br />
Publikation zum Ausdruck.<br />
Dabei finden es fast alle Befragten in Ordnung, dass<br />
eine Amtsstelle eine sol<strong>ch</strong>e Zeits<strong>ch</strong>rift herausgibt,<br />
zumal sie die DEZA als «kompetent, weltoffen und<br />
glaubwürdig, ziemli<strong>ch</strong> effizient, jung, kostenbewusst,<br />
dynamis<strong>ch</strong>, kritis<strong>ch</strong> und wenig bürokratis<strong>ch</strong>»<br />
bes<strong>ch</strong>reiben. Ein sol<strong>ch</strong>es Image ist für eine Bundesstelle<br />
bea<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>, und es darf vermutet werden,<br />
dass «Eine Welt» einen wesentli<strong>ch</strong>en Beitrag zum<br />
vorteilhaften Image der DEZA bei den Lesern und<br />
Leserinnen leistet.<br />
*Dr. René Grossenba<strong>ch</strong>er ist Ges<strong>ch</strong>äftsführer<br />
der Publicom AG.
Agenda<br />
Das andere <strong>Afrika</strong> Zeena Bacar auf Tournee. Konsultieren<br />
Sie Kulturprogramme in Ihrer<br />
South meets West<br />
Region oder www.coordinarte.<strong>ch</strong><br />
Zeitgenössis<strong>ch</strong>e, überras<strong>ch</strong>ende<br />
Kunst aus <strong>Afrika</strong> in der Kunsthalle<br />
Im Juni auf S<strong>ch</strong>weizer Tournee<br />
und im Historis<strong>ch</strong>en Museum Bern. Paléo-Festival<br />
Nähere Informationen:<br />
Das Grossereignis an der Côte ist<br />
www.kunsthallebern.<strong>ch</strong><br />
zweifellos das bedeutendste und<br />
Bis 25.Juni in Bern<br />
weltoffenste Open-Air der S<strong>ch</strong>weiz.<br />
Zum 25. Geburtstag gratuliert die<br />
Boubou – c’est <strong>ch</strong>ic.<br />
DEZA und präsentiert si<strong>ch</strong> als<br />
Sonderausstellung im Museum der Partnerin des Dôme, dem Zelt der<br />
Kulturen Basel im Rahmen des Einen Welt.<br />
Themas Textilien.<br />
26. Mai bis Ende Jahr in Basel<br />
25. bis 30. Juli in Nyon<br />
WorldMusic FestivAlpe<br />
Afropfingsten: Welcome <strong>Afrika</strong> Fünf Kontinente treffen si<strong>ch</strong> in<br />
Ein afrikanis<strong>ch</strong>er Markt, Workshops, Chateau d’Oex auf dem Festival-<br />
Filme, Podiumsdiskussionen und gelände mit wettersi<strong>ch</strong>eren Konzert-<br />
Lesungen, sowie bekannte und junge Zelten.<br />
Musikgruppen hau<strong>ch</strong>en Winterthur<br />
afrikanis<strong>ch</strong>es Leben ein. Die DEZA<br />
4.-6. August in Chateau d’Oex<br />
hat das Patronat für dieses besondere Jahreskonferenz<br />
Festival auf dem Sulzer-Areal Block Die Jahreskonferenz für<br />
37, und präsentiert die Ausstellung Entwicklungszusammenarbeit ist<br />
«Hoffnung für <strong>Afrika</strong>» und eine dieses Jahr Mosambik gewidmet.<br />
weitere über Kulturgüterraub. Am Abend läuft ein Kultur-<br />
Detailinformationen:<br />
programm mit einer CD-Taufe.<br />
www.afro-pfingsten.<strong>ch</strong>.<br />
Detailprogramm in der nä<strong>ch</strong>sten<br />
6. bis 12. Juni in Winterthur<br />
Ausgabe von Eine Welt oder auf<br />
www.deza.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />
Eyuphuro<br />
Die berühmte Gruppe Eyuphuro aus<br />
Mosambik geht in der S<strong>ch</strong>weiz mit<br />
31. August im Kongresshaus Biel<br />
Beni Güntert<br />
Impressum<br />
«Eine Welt» ers<strong>ch</strong>eint viermal jährli<strong>ch</strong> in deuts<strong>ch</strong>er,<br />
französis<strong>ch</strong>er und italienis<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e.<br />
Herausgeberin<br />
Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA)<br />
des Eidgenössis<strong>ch</strong>en Departementes für auswärtige<br />
Angelegenheiten (EDA).<br />
Redaktionskomitee<br />
Harry Sivec (verantwortli<strong>ch</strong>) Catherine Vuffray (vuc)<br />
Andreas Stuber (sbs) Sarah Grosjean (gjs)<br />
Reinhard Voegele (vor) Joa<strong>ch</strong>im Ahrens (ahj)<br />
Gabriella Spirli (sgb) Beat Felber (bf)<br />
Redaktionelle Mitarbeit<br />
Beat Felber (bf – Produktion)<br />
Gabriela Neuhaus (gn) Maria Roselli (mr)<br />
Jane-Lise S<strong>ch</strong>neeberger (jls)<br />
Gestaltung<br />
Laurent Coc<strong>ch</strong>i, Lausanne<br />
Lithografie City Comp SA, Morges<br />
Druck Vogt-S<strong>ch</strong>ild / Habegger AG, Solothurn<br />
Wiedergabe<br />
Die Wiedergabe von Artikeln, au<strong>ch</strong> auszugsweise, ist<br />
unter Angabe der Quelle erlaubt. Ein Belegsexemplar<br />
an die Herausgeberin ist erwüns<strong>ch</strong>t.<br />
Abonnemente<br />
«Eine Welt» ist gratis erhältli<strong>ch</strong> bei: DEZA,<br />
Sektion Medien und Kommunikation, 3003 Bern,<br />
Tel. 031 322 34 40<br />
Fax 031 324 13 48<br />
E-mail: info@deza.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />
26139<br />
Der Umwelt zuliebe gedruckt auf <strong>ch</strong>lorfrei geblei<strong>ch</strong>tem<br />
Papier<br />
Gesamtauflage 50000<br />
Ums<strong>ch</strong>lag Denis Darjacq / Vu<br />
Internet: www.deza.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />
«Eine Welt»<br />
Bestellcoupon und Adressänderung<br />
• I<strong>ch</strong> mö<strong>ch</strong>te «Eine Welt» abonnieren. Das Magazin der DEZA ist gratis und ers<strong>ch</strong>eint viermal jährli<strong>ch</strong><br />
in Deuts<strong>ch</strong>, Französis<strong>ch</strong> und Italienis<strong>ch</strong>.<br />
I<strong>ch</strong> mö<strong>ch</strong>te folgende Anzahl Exemplare: ....... in Deuts<strong>ch</strong>, ....... in Französis<strong>ch</strong>, ......in Italienis<strong>ch</strong>.<br />
• I<strong>ch</strong> wüns<strong>ch</strong>e weitere Gratisexemplare der Nummer 2/2000 von «Eine Welt» und zwar:<br />
....... Ex. in Deuts<strong>ch</strong>, ...... Ex. in Französis<strong>ch</strong>, ..... Ex. in Italienis<strong>ch</strong>.<br />
• Meine neue Adresse lautet<br />
(Bitte in Blocks<strong>ch</strong>rift)<br />
Name und Vorname:<br />
Ev. Organisation/Institution:<br />
Adresse:<br />
Postleitzahl, Ort:<br />
«S<strong>ch</strong>weiz global», das Magazin des<br />
Eidgenössis<strong>ch</strong>en Departements für<br />
auswärtige Angelegenheiten (EDA), stellt<br />
aktuelle Themen der s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />
Aussenpolitik vor. Es ers<strong>ch</strong>eint vier- bis<br />
fünfmal jährli<strong>ch</strong> in Deuts<strong>ch</strong>, Französis<strong>ch</strong><br />
und Italienis<strong>ch</strong>.<br />
S<strong>ch</strong>werpunktmässig befasst si<strong>ch</strong> die<br />
nä<strong>ch</strong>ste Nummer von Ende Juni mit dem<br />
Thema «Internationale Fors<strong>ch</strong>ung» und<br />
der Rolle der S<strong>ch</strong>weiz in diesem Berei<strong>ch</strong>.<br />
Die letzte, im April publizierte Ausgabe<br />
Bei Adressänderungen legen Sie bitte die alte Adressetikette bei!<br />
widmet si<strong>ch</strong> insbesondere der zivilen<br />
Friedensförderung.<br />
Gratisabonnemente können bestellt<br />
werden bei:<br />
«S<strong>ch</strong>weiz global»<br />
c/o S<strong>ch</strong>aer Thun AG<br />
Industriestr. 12 3661 Uetendorf<br />
oder über e-mail:<br />
druckzentrum@s<strong>ch</strong>aerthun.<strong>ch</strong><br />
Senden Sie den Coupon an: DEZA, Sektion Medien und Kommunikation, 3003 Bern<br />
Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />
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