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Afrika - Deza - admin.ch

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Un seul monde<br />

Un solo mondo<br />

Eine Welt<br />

<strong>Afrika</strong><br />

Seine Vielfalt fordert den ganzen<br />

Kontinent und die<br />

Entwicklungszusammenarbeit<br />

glei<strong>ch</strong>ermassen<br />

Der Ts<strong>ch</strong>ad – Kampf um Erdöl und<br />

gegen Kriege<br />

Quo vadis <strong>Afrika</strong>? <strong>Afrika</strong>-Optimisten und<br />

<strong>Afrika</strong>-Pessimisten im Streitgesprä<strong>ch</strong><br />

NR. 2<br />

JUNI 2000<br />

DAS DEZA-MAGAZIN<br />

FÜR ENTWICKLUNG<br />

UND ZUSAMMENARBEIT


«Ganz allein arbeiten wir ja ni<strong>ch</strong>t...»<br />

Bundesrat, Aussenminister und <strong>Afrika</strong>-Optimist Joseph<br />

Deiss im Interview<br />

12<br />

Inhalt<br />

Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />

DOSSIER<br />

AFRIKA<br />

<strong>Afrika</strong>s Rei<strong>ch</strong>tum liegt in der Vielfalt<br />

<strong>Afrika</strong> hat 1001 Facetten, Gewissheiten sind selten – <strong>Afrika</strong><br />

ist so vielfältig, dass es als Einheit gar ni<strong>ch</strong>t existiert<br />

6<br />

Vom Pflänz<strong>ch</strong>en zum Baum?<br />

Politis<strong>ch</strong>e Instabilität und fehlende Eigeninvestitionen<br />

ma<strong>ch</strong>en <strong>Afrika</strong>s Wirts<strong>ch</strong>aft zu s<strong>ch</strong>affen<br />

10<br />

Heilige Bäume, Curandeiros und Clanstrukturen<br />

<strong>Afrika</strong> im Spannungsfeld zwis<strong>ch</strong>en Tradition<br />

und Moderne<br />

14<br />

LÄNDER UND LEUTE<br />

TSCHAD<br />

Kriege und Erdöl lassen den Ts<strong>ch</strong>ad ni<strong>ch</strong>t ruhen<br />

Seit über 30 Jahren bluten Konflikte und Unsi<strong>ch</strong>erheiten<br />

das afrikanis<strong>ch</strong>e Binnenland aus<br />

16<br />

Polygamie – au<strong>ch</strong> heute no<strong>ch</strong><br />

Mahamat Azarack Mahamat aus Ts<strong>ch</strong>ad über<br />

die Vielweiberei in <strong>Afrika</strong><br />

20<br />

ENTWICKLUNG UND ZUSAMMENARBEIT SCHWEIZ<br />

Neue Wege in Madagaskar<br />

Na<strong>ch</strong> dreissigjähriger Zusammenarbeit mit der Regierung<br />

ri<strong>ch</strong>tet die S<strong>ch</strong>weiz ihre Zusammenarbeit mit Madagaskar<br />

neu aus<br />

22<br />

FORUM<br />

KULTUR<br />

Journalistens<strong>ch</strong>miede in Albanien<br />

Ein DEZA-Projekt fördert die Ausbildung von<br />

Radiojournalisten<br />

23<br />

<strong>Afrika</strong> und sein erstaunli<strong>ch</strong>es S<strong>ch</strong>ilf<br />

Drei <strong>Afrika</strong>-Kenner streiten über die Zukunft des<br />

S<strong>ch</strong>warzen Kontinents: Ndioro Ndiaye,<br />

Edgard Gnansounou und Laurent Monnier<br />

26<br />

Carte Blan<strong>ch</strong>e:<br />

Charles-Henri Favrod – Journalist und<br />

S<strong>ch</strong>riftsteller – über eine staubige afrikanis<strong>ch</strong>e Reise<br />

29<br />

Theater und Realität in Bamako<br />

Tanz, Trommeln, Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten und Begegnungen prägten<br />

ein spezielles Theaterfestival in Mali<br />

30<br />

Editorial 3<br />

Periskop 4<br />

DEZA-Standpunkt 21<br />

Zum Tod von August R.Lindt und Hans Keller 25<br />

Service 33<br />

Agenda 35<br />

Impressum und Bestellcoupon 35<br />

Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), die Agentur<br />

der internationalen Zusammenarbeit im Eidgenössis<strong>ch</strong>en Departement für<br />

auswärtige Angelegenheiten (EDA), ist Herausgeberin von «Eine Welt».<br />

Die Zeits<strong>ch</strong>rift ist aber keine offizielle Publikation im engeren Sinn; in ihr sollen<br />

au<strong>ch</strong> andere Meinungen zu Wort kommen; deshalb geben ni<strong>ch</strong>t alle Beiträge<br />

unbedingt den Standpunkt der DEZA und der Bundesbehörden wieder.


Edi<br />

torial<br />

Ndioro Ndiaye, Serena Sartori und Axelle Kabou: Drei<br />

Frauen, drei spannende Stimmen. Die eine ist Senegalesin<br />

und Stellvertretende Direktorin der Internationalen<br />

Organisation für Migration, die andere ist<br />

Mailänderin und arbeitet in <strong>Afrika</strong> als Theaterregisseurin<br />

mit S<strong>ch</strong>auspiels<strong>ch</strong>ülerinnen aus Bamako, und<br />

die Dritte ist Soziologin aus Kamerun und provoziert<br />

mit einer Streits<strong>ch</strong>rift gegen s<strong>ch</strong>warze Eliten und<br />

weisse Helfer.<br />

Alle drei kommen in diesem Heft mit ihrer differenzierten<br />

und kritis<strong>ch</strong>en Stimme über <strong>Afrika</strong> – unserem<br />

Dossier und DEZA-Jahresthema – zur Spra<strong>ch</strong>e. Kein<br />

Zufall, denn seit nunmehr zwei Jahren wollen wir mit<br />

«Eine Welt» ni<strong>ch</strong>t nur von der S<strong>ch</strong>weiz aus Hintergründiges<br />

über Entwicklung und Zusammenarbeit<br />

beri<strong>ch</strong>ten, sondern die Stimmen aus dem Süden au<strong>ch</strong><br />

mögli<strong>ch</strong>st oft und prominent zu Wort kommen lassen.<br />

Do<strong>ch</strong> erfüllen wir unsere hohen Ansprü<strong>ch</strong>e an eine<br />

attraktiv gestaltete, informative und mögli<strong>ch</strong>st lesernahe<br />

Zeits<strong>ch</strong>rift au<strong>ch</strong>? Sie, liebe Leserinnen und Leser<br />

haben in den letzten Monaten während unserer repräsentativ<br />

angelegten Lesers<strong>ch</strong>afts-Befragung Ihr kritis<strong>ch</strong>es<br />

Urteil abgegeben. Sie haben uns dabei viel Lob<br />

ausgespro<strong>ch</strong>en. Wir konnten in den vergangenen zwei<br />

Jahren für «Eine Welt» viele neue Leserinnen und Leser<br />

gewinnen, wobei die Leserinnen überproportional stark<br />

zunahmen. Die Zufriedenheit bei der Lesers<strong>ch</strong>aft ist<br />

gestiegen, die neue, zeitgemässe Gestaltung hat das<br />

Heft für Sie attraktiver gema<strong>ch</strong>t.<br />

Und was uns als Herausgeberin ganz besonders freut:<br />

Sie stufen die DEZA, und dies in allen drei Spra<strong>ch</strong>regionen,<br />

als «kompetent, weltoffen, glaubwürdig,<br />

effizient, dynamis<strong>ch</strong>, kritis<strong>ch</strong> und wenig bürokratis<strong>ch</strong>»<br />

ein. Mehr Hintergründe – beispielsweise über Lesemotive<br />

oder Themeninteressen unserer Leserinnen und<br />

Leser – erfahren Sie auf Seite 34. Neben viel Lob<br />

fehlten selbstverständli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> die kritis<strong>ch</strong>en Stimmen<br />

ni<strong>ch</strong>t, beispielsweise die Forderung na<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> mehr<br />

Stimmen aus den entspre<strong>ch</strong>enden Ländern in unserem<br />

Heft.<br />

Eine Zeits<strong>ch</strong>rift ist nie perfekt, weshalb uns Lob genauso<br />

freut wie Kritik. Das von Ihnen ausgespro<strong>ch</strong>ene Lob<br />

bestärkt uns, den einges<strong>ch</strong>lagenen Weg konsequent<br />

weiter zu gehen, die Kritik beflügelt uns, «Eine Welt»<br />

no<strong>ch</strong> spannender, no<strong>ch</strong> kritis<strong>ch</strong>er, no<strong>ch</strong> lesenswerter,<br />

no<strong>ch</strong> attraktiver zu ma<strong>ch</strong>en. Beispielsweise indem<br />

wir uns bemühen, den Stimmen von Ndioro Ndiaye,<br />

Serena Sartori und Axelle Kabou no<strong>ch</strong> viele weitere<br />

folgen zu lassen.<br />

Harry Sivec<br />

Chef Medien und Kommunikation DEZA<br />

Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />

3


Periskop<br />

Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />

Still Pictures<br />

Einfa<strong>ch</strong> und stark<br />

(bf) Sie bestehen aus einem<br />

einfa<strong>ch</strong>en Stahl-Chassis, zwei<br />

Pneus und einer Ladeflä<strong>ch</strong>e aus<br />

Holz oder Metall. Sie sind kaum<br />

kaputt zu kriegen, erleiden sie<br />

denno<strong>ch</strong> mal einen Defekt, sind<br />

sie s<strong>ch</strong>nell und günstig repariert.<br />

Sie werden für die Einbringung<br />

der Ernte genauso verwendet,<br />

wie für den Transport von<br />

Marktwaren, Mens<strong>ch</strong>en oder<br />

Baumaterialen. Kurz und gut,<br />

die Eselskarren sind aus dem<br />

westafrikanis<strong>ch</strong>en Alltagsleben<br />

kaum mehr wegzudenken. Sogar<br />

Kinder lenken die Karren, wel<strong>ch</strong>e<br />

über 700 Kilogramm laden<br />

können. Zudem sind Esel –<br />

zuweilen sind es au<strong>ch</strong> Pferde<br />

oder O<strong>ch</strong>sen – lei<strong>ch</strong>t zu<br />

trainieren und merken si<strong>ch</strong> einmal<br />

gegangene Routen s<strong>ch</strong>nell.<br />

Na<strong>ch</strong> einer langjährigen Verkaufsflaute,<br />

meldet die einst<br />

staatli<strong>ch</strong>e und nun privatisierte<br />

senegalesis<strong>ch</strong>e Produktionsfirma<br />

SISMAR wieder Rekordabsätze:<br />

Über 150000 Karren wurden<br />

mittlerweile verkauft.<br />

Die Kokospflückerinnen von<br />

Kerala<br />

(gn) Im südindis<strong>ch</strong>en Staat<br />

Kerala sind die Frauen auf dem<br />

Vormars<strong>ch</strong>: ni<strong>ch</strong>t nur Kokospflückerinnen<br />

erklimmen neuerdings<br />

s<strong>ch</strong>windelerregende<br />

Höhen. Ungewohnt ist au<strong>ch</strong> die<br />

Begegnung mit Bus<strong>ch</strong>auffeurinnen<br />

oder Bootsfahrerinnen,<br />

wel<strong>ch</strong>e Touristen zum Sight-<br />

seeing ausfahren. Sol<strong>ch</strong>e Jobs<br />

waren bis vor kurzem den<br />

Männern vorbehalten. Viele von<br />

ihnen sind in der Zwis<strong>ch</strong>enzeit<br />

ausgewandert und versu<strong>ch</strong>en ihr<br />

Glück im Ölges<strong>ch</strong>äft am Golf,<br />

während die Frauen zurückbleiben.<br />

Mit den traditionell<br />

männli<strong>ch</strong>en Arbeiten, verdienen<br />

die Frauen wesentli<strong>ch</strong> besser. Ein<br />

weiterer Grund für das Vordringen<br />

der Frauen in «männli<strong>ch</strong>e<br />

Berufe» ist deren – für indis<strong>ch</strong>e<br />

Verhältnisse – gutes Bildungsniveau,<br />

gepaart mit der hohen<br />

Arbeitslosigkeit: Die 28jährige<br />

Kamala Krishna zum Beispiel<br />

konnte trotz High-S<strong>ch</strong>ool-<br />

Abs<strong>ch</strong>luss bis heute keine Stelle<br />

finden, weshalb sie si<strong>ch</strong> ihren<br />

Lebensunterhalt nun als Kokospflückerin<br />

verdient.<br />

Erinnern Sie si<strong>ch</strong>...<br />

(bf) ... dass si<strong>ch</strong> im vergangenen<br />

Jahrzehnt die Internationale<br />

Gemeins<strong>ch</strong>aft an globalen<br />

Konferenzen unter anderem<br />

folgende Ziele für die na<strong>ch</strong>haltige<br />

Entwicklung unseres<br />

Planeten gesetzt hat?<br />

Kampf gegen die extreme Armut:<br />

In den Entwicklungsländern<br />

soll bis ins Jahr 2015 die Anzahl<br />

der Mens<strong>ch</strong>en, die in extremer<br />

Armut leben, um mehr als die<br />

Hälfte reduziert werden.<br />

(Kopenhagen)<br />

Globale S<strong>ch</strong>ulbildung: Weltweit<br />

soll bis ins Jahr 2015 die Grunds<strong>ch</strong>ulbildung<br />

si<strong>ch</strong>er gestellt<br />

werden. (Kopenhagen, Beijng)<br />

Still Pictures<br />

Glei<strong>ch</strong>heit der Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ter: Mit<br />

der Beseitigung der Unglei<strong>ch</strong>heiten<br />

zwis<strong>ch</strong>en Jungen und<br />

Mäd<strong>ch</strong>en in der Primar- und<br />

Sekundars<strong>ch</strong>ulbildung soll bis<br />

2005 die Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>terglei<strong>ch</strong>heit<br />

voran getrieben werden. (Kairo,<br />

Kopenhagen, Beijng)<br />

Kindersterbli<strong>ch</strong>keit: Gegenüber<br />

dem Stand von 1990 soll die<br />

Kindersterbli<strong>ch</strong>keit bei den unter<br />

Fünfjährigen in allen Entwicklungsländern<br />

bis 2015 um zwei<br />

Drittel reduziert werden. (Kairo)<br />

Muttertod: Zwis<strong>ch</strong>en 1990 und<br />

2015 soll der Kindsbetttod um<br />

drei Viertel reduziert werden.<br />

(Kairo, Beijng)<br />

Kampf gegen Hunger: Die Zahl<br />

der Unterernährten soll gegenüber<br />

dem aktuellen Stand bis<br />

2015 um die Hälfte reduziert<br />

werden. (Rom)<br />

Umwelt: In allen Ländern soll bis<br />

2005 eine nationale Strategie zur<br />

na<strong>ch</strong>haltigen Entwicklung auf<br />

die Beine gestellt werden, damit<br />

bis 2015 die tendenzielle Zerstörung<br />

der nationalen und<br />

weltweiten ökologis<strong>ch</strong>en Ressourcen<br />

gestoppt werden kann.<br />

(Rio de Janeiro)<br />

Grosserfolg mit Bohnen und<br />

Reis<br />

(gn) Grosse Forts<strong>ch</strong>ritte in der<br />

Landwirts<strong>ch</strong>aft Lateinamerikas:<br />

Die Reisproduktion konnte<br />

zwis<strong>ch</strong>en 1966 und 1995 verdoppelt<br />

werden, der Ertrag bei<br />

den Bohnen nahm zwis<strong>ch</strong>en<br />

1983 und 1995 dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>


Zei<strong>ch</strong>nung von Martial Leiter<br />

Begegnung<br />

um 25 Prozent zu – in man<strong>ch</strong>en<br />

Gegenden sogar um 110 Prozent.<br />

Laut Mitteilungen des<br />

Internationalen Zentrums für<br />

tropis<strong>ch</strong>e Landwirts<strong>ch</strong>aft (CIAT)<br />

in Kolumbien sind die enormen<br />

Erfolge vor allem auf die Verbesserung<br />

des Saatguts zurückzuführen.<br />

Insgesamt seien in diesem<br />

Zeitraum 300 neue Reissorten<br />

auf den Markt gekommen, 40<br />

davon wurden am CIAT entwickelt.<br />

Laut CIAT-Report<br />

wurden zudem im Rahmen<br />

nationaler Landwirts<strong>ch</strong>aftsprogramme<br />

in Lateinamerika<br />

rund 180 neue Bohnensorten<br />

entwickelt, wel<strong>ch</strong>e heute auf fast<br />

der Hälfte der Bohnenpflanzungen<br />

angebaut werden. Diese<br />

Forts<strong>ch</strong>ritte kommen vor allem<br />

Kleinbauern zugute, wel<strong>ch</strong>e<br />

ni<strong>ch</strong>t nur ihre Selbstversorgung<br />

Keystone<br />

verbessern konnten, sondern<br />

heute zum Teil au<strong>ch</strong> Übers<strong>ch</strong>üsse<br />

auf dem Markt verkaufen<br />

können.<br />

Ugandis<strong>ch</strong>er Solarstrom<br />

(bf) Uganda produziert seinen<br />

Strom hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> mit Wasser.<br />

Trotzdem sind nur gerade fünf<br />

Prozent der Bevölkerung, und<br />

dies hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> in städtis<strong>ch</strong>en<br />

Agglomerationen, ans Elektrizitätsnetz<br />

anges<strong>ch</strong>lossen. Nun<br />

soll im Rahmen des lange geplanten,<br />

landesweiten ländli<strong>ch</strong>en<br />

Elektrifizierungsprogramms ein<br />

riesiges Solarenergieprojekt,<br />

finanziert dur<strong>ch</strong> Kredite von<br />

zwei Privatbanken, Verbesserung<br />

bringen. In den nä<strong>ch</strong>sten Jahren<br />

werden rund 2000 Haushalte<br />

und vier Gemeinden in ländli<strong>ch</strong>en<br />

Gebieten mit Solarstrom<br />

versorgt. Darüber hinaus wird<br />

eine Batteriefabrik aufgebaut,<br />

wel<strong>ch</strong>e die Batterien für die<br />

Solarsysteme produziert.<br />

Still Pictures<br />

Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />

4<br />

5


D O S S I E R <strong>Afrika</strong>s<br />

Rei<strong>ch</strong>tum lie<br />

Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />

<strong>Afrika</strong> ist weder allein der Kontinent der drei K’s – Kriege, Krisen,<br />

Katastrophen –, no<strong>ch</strong> ist er der Kontinent des ländli<strong>ch</strong>en<br />

Friedens, in dem die Familien unterm Mangobaum einträ<strong>ch</strong>tig<br />

zusammenleben. <strong>Afrika</strong> ist so vielfältig, dass es als Einheit gar<br />

ni<strong>ch</strong>t existiert. Von Peter Baumgartner*.


gt in der Vielfalt<br />

<strong>Afrika</strong> hat 1001 Facetten, Gewissheiten sind selten,<br />

auf Anhieb Gültiges wird ständig in Frage gestellt.<br />

Was haben Kenia und Togo gemeinsam, und was<br />

Lesotho und Mauretanien, ausser dass sie auf dem<br />

glei<strong>ch</strong>en Kontinent liegen und unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong> ausgestattete<br />

Stuben in dem als Armenhaus deklarierten<br />

<strong>Afrika</strong> sind? Der Name der «Organisation für<br />

afrikanis<strong>ch</strong>e Einheit» entspri<strong>ch</strong>t mehr einem Programm<br />

als der Wirkli<strong>ch</strong>keit. Das Trennende über-<br />

Kadir Van Lohuizen / Vu<br />

wiegt, Gegensätzli<strong>ch</strong>es und Widersprü<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>es haben<br />

Oberhand.<br />

Bei der geographis<strong>ch</strong>en Zuordnung reden wir von<br />

<strong>Afrika</strong> als einem Kontinent und klammern die<br />

Küstenländer im Norden automatis<strong>ch</strong> aus, als wären<br />

sie Fremdkörper. In gewissem Sinne sind sie es au<strong>ch</strong>;<br />

aber das ma<strong>ch</strong>t aus dem Rest, von dem wir als<br />

«<strong>Afrika</strong>» zu reden pflegen, no<strong>ch</strong> lange kein einheitli<strong>ch</strong>es<br />

Gebilde. Allein der Blick auf die we<strong>ch</strong>selnde<br />

Topographie von West na<strong>ch</strong> Ost und von Süd na<strong>ch</strong><br />

Nord zeigt die offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>sten Unters<strong>ch</strong>iede, die<br />

klimatis<strong>ch</strong>en, und lässt zumindest erahnen, was es<br />

heisst, Bauer zu sein in <strong>Afrika</strong>. Die ausgeklügelten<br />

Te<strong>ch</strong>niken der Djola auf ihren Reisfeldern im südli<strong>ch</strong>en<br />

Senegal, die handtu<strong>ch</strong>grossen Zwiebelbeete<br />

der Dogon in Mali, die steinübersäten Äcker<strong>ch</strong>en<br />

mit Tef im äthiopis<strong>ch</strong>en Ho<strong>ch</strong>land: sie alle zeugen<br />

von der Meisters<strong>ch</strong>aft der Bäuerinnen und Bauern<br />

im Umgang mit Umwelt und Klima, allein daraufhin<br />

ausgeri<strong>ch</strong>tet, der folgenrei<strong>ch</strong>sten Abhängigkeit<br />

zu entrinnen, der si<strong>ch</strong> der Agrarkontinent <strong>Afrika</strong><br />

ausgeliefert sieht - jener des Wetters.<br />

Es ist ni<strong>ch</strong>t die einzige. Was <strong>Afrika</strong> an Agrarprodukten<br />

wie an Bodens<strong>ch</strong>ätzen anzubieten hat, ist<br />

zum grössten Teil für den Norden bestimmt, der die<br />

Preise festsetzt und den Nutzen aus der Weiterverarbeitung<br />

zieht. Jeder no<strong>ch</strong> so enge Kanal na<strong>ch</strong><br />

Norden ist für das einzelne afrikanis<strong>ch</strong>e Land wi<strong>ch</strong>tiger<br />

als ein breiter Fluss zum Na<strong>ch</strong>barland; der innerkontinentale<br />

Handel beträgt knapp a<strong>ch</strong>t Prozent<br />

des gesamten afrikanis<strong>ch</strong>en Aussenhandels.<br />

Kontinent der kleinen Räume<br />

<strong>Afrika</strong>s Staaten sind Einzelkämpfer, mehr no<strong>ch</strong>:<br />

Konkurrenten im Rennen um Investitionen, um<br />

Kredite und Darlehen aus dem Norden, der seinerseits<br />

eigene Interessen verfolgt. Als die internationalen<br />

Ölgesells<strong>ch</strong>aften ihr Auge auf die angolanis<strong>ch</strong>en<br />

Ölfelder zu werfen begannen, senkte Nigeria<br />

die Taxen, um die Multis weiterhin zum Investieren<br />

zu ermuntern. Uganda wird mit Krediten grosszügig<br />

beda<strong>ch</strong>t, obwohl es in Sa<strong>ch</strong>en Korruption Kenia<br />

nur wenig na<strong>ch</strong>steht, das deswegen von den internationalen<br />

Finanzinstituten ges<strong>ch</strong>nittenen wird; aber<br />

Uganda ist ein Teil<strong>ch</strong>en im ideologis<strong>ch</strong>strategis<strong>ch</strong>en<br />

<strong>Afrika</strong>-Konzept der USA.<br />

Wenn die politis<strong>ch</strong>e Öffnung zu Beginn der neunziger<br />

Jahre neben demokratis<strong>ch</strong>eren Regierungsformen<br />

ein si<strong>ch</strong>tbares Ergebnis zeitigte, dann ist es<br />

das Zusammenrücken des Kontinents. Zaghaft und<br />

vor allem wortrei<strong>ch</strong> auf politis<strong>ch</strong>er Ebene, konkreter<br />

auf der wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en. Zumindest ist es heute<br />

ni<strong>ch</strong>t mehr komplizierter, eine Kiste von Nairobi in<br />

die 150 Kilometer entfernte tansanis<strong>ch</strong>e Provinzstadt<br />

Arusha zu s<strong>ch</strong>icken als na<strong>ch</strong> Japan. Die wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />

Kooperation im Westen, im Osten und im süd-<br />

Still Pictures<br />

<strong>Afrika</strong><br />

Von der unendli<strong>ch</strong>en<br />

Wüste bis zum undur<strong>ch</strong>dringli<strong>ch</strong>en<br />

Ds<strong>ch</strong>ungel,<br />

von s<strong>ch</strong>neebedeckten<br />

Berggipfeln bis zu traumhaften<br />

Stränden – <strong>Afrika</strong>s<br />

Lands<strong>ch</strong>aften sind so<br />

vielfältig wie seine Traditionen<br />

und Ethnien.<br />

Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />

6<br />

7


<strong>Afrika</strong>s Dimensionen<br />

<strong>Afrika</strong> ist 8000 Kilometer<br />

lang und 7600 Kilometer<br />

breit und mit einer Flä<strong>ch</strong>e<br />

von 30330000 Quadratkilometern,<br />

was etwa 22<br />

Prozent der gesamten<br />

Landflä<strong>ch</strong>e auf der Erde<br />

entspri<strong>ch</strong>t, der zweitgrösste<br />

Kontinent. Die<br />

Bevölkerung zählt rund<br />

675 Millionen Mens<strong>ch</strong>en,<br />

das sind 13 Prozent der<br />

Gesamtbevölkerung<br />

unseres Planeten. <strong>Afrika</strong><br />

gilt au<strong>ch</strong> als die Wiege der<br />

Mens<strong>ch</strong>heit, wo si<strong>ch</strong> vor<br />

mehr als 200000 Jahren<br />

der Homo sapiens entwickelt<br />

hat.<br />

Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />

Keystone<br />

Bernard Descamps / Vu<br />

li<strong>ch</strong>en <strong>Afrika</strong> sind hoffnungsvolle Ansätze, ganz abgesehen<br />

von der erspriessli<strong>ch</strong>en Zusammenarbeit<br />

der Sahelstaaten.<br />

<strong>Afrika</strong>, bevölkert von s<strong>ch</strong>ätzungsweise 1500 Ethnien,<br />

die fast ebenso viele Spra<strong>ch</strong>en spre<strong>ch</strong>en, ist der<br />

Kontinent der kleinen Räume. Die Familie als erstes,<br />

dann die Volksgruppe sind die ents<strong>ch</strong>eidenden<br />

Einheiten, weit abges<strong>ch</strong>lagen folgt der Nationalstaat.<br />

Die Ethnien sind Beziehungsgefle<strong>ch</strong>t, Sozialnetz,<br />

sind «Pressure groups» und im Bedarfsfall Kampfgemeins<strong>ch</strong>aft<br />

im Ausmar<strong>ch</strong>en um politis<strong>ch</strong>e oder wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />

Vorteile. Aus dieser Si<strong>ch</strong>t hat der Drittweltspezialist<br />

Franz Nus<strong>ch</strong>eler das Entstehen der<br />

na<strong>ch</strong>kolonialen Staaten zu Re<strong>ch</strong>t als «enorme Leistung»<br />

beurteilt, trotz man<strong>ch</strong>er Brü<strong>ch</strong>e und Verwerfungen.<br />

Fast jeder Staat <strong>Afrika</strong>s ist so gesehen ein kleiner<br />

Kontinent für si<strong>ch</strong>. In Tansania leben 120 Ethnien<br />

zusammen, in Nigeria 430 und im kleinen Benin 26.<br />

Ein Kikuyu im zentralen Kenia unters<strong>ch</strong>eidet si<strong>ch</strong><br />

von einem Turkana im semiariden Norden des<br />

Landes wie ein Nords<strong>ch</strong>wede von einem Sizilianer.<br />

Wer im Osten lebt und in den westli<strong>ch</strong>en Teil<br />

<strong>Afrika</strong>s reist, wähnt si<strong>ch</strong>, was Selbstbewusstsein und<br />

Auftreten der Mens<strong>ch</strong>en dort angeht, auf einem anderen<br />

Kontinent. Und selten s<strong>ch</strong>reiben kenianis<strong>ch</strong>e<br />

Zeitungen über Nigerianer ohne das Attribut «die<br />

grossspurig auftretenden Nigerianer...».<br />

Die Vielfalt in den Kultur- und Kultformen, an<br />

Traditionen und Tänzen, an Mär<strong>ch</strong>en, Heldenliedern<br />

und Alltagsweisheiten innerhalb dieser 1500<br />

Volksgruppen kann nur erahnt werden. Zwis<strong>ch</strong>en<br />

der Musik Südafrikas und Äthiopiens, zwis<strong>ch</strong>en den<br />

Klängen Westafrikas und den Rhythmen Kongos<br />

liegen Welten. Es ist ein ebenso faszinierender<br />

Rei<strong>ch</strong>tum, wie ihn die urdemokratis<strong>ch</strong>en Lebensformen<br />

der Djola, die S<strong>ch</strong>nitzereien der Yoruba oder<br />

die Überlebensphilosophie der Bus<strong>ch</strong>männer im<br />

südli<strong>ch</strong>en <strong>Afrika</strong> eröffnen.<br />

Widersprü<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Ges<strong>ch</strong>wister<br />

Natürli<strong>ch</strong> gibt es, bei aller Gefahr der Cli<strong>ch</strong>ébildung,<br />

Gemeinsamkeiten quer über den Kontinent (vom<br />

bedrohli<strong>ch</strong>en CNN-Eintopf wollen wir gar ni<strong>ch</strong>t<br />

reden). Sie liegen auf der anderen Seite der drei<br />

berühmten K's, Kriege, Krisen, Katastrophen. Es<br />

sind Toleranz, Langmut und ein uners<strong>ch</strong>ütterli<strong>ch</strong>er<br />

Lebensgeist.<br />

Zweieinhalb Jahre lang war zwis<strong>ch</strong>en dem Uhuru-<br />

Park in Nairobi und der Innenstadt ein Graben<br />

offen, den tägli<strong>ch</strong> Tausende auf dem Weg zur Arbeit<br />

zu überspringen hatten. Was bei trockenem Wetter<br />

einfa<strong>ch</strong> war, erforderte bei Regen einige Ges<strong>ch</strong>ickli<strong>ch</strong>keit.<br />

Jeder, der si<strong>ch</strong> längere Zeit in <strong>Afrika</strong> aufhält,<br />

weiss von sol<strong>ch</strong>en Lö<strong>ch</strong>ern zu erzählen, au<strong>ch</strong> in<br />

übertragenem Sinne. All die Zänkereien der Politiker,<br />

das s<strong>ch</strong>amlose Abzocken der Eliten, das arrogante<br />

Verhalten der Staatsbürokratie, kaputte Tele-


Bernard Descamps / Vu<br />

fone und derlei Widrigkeiten des Alltags werden genauso<br />

mit Langmut ertragen wie das Auftreten der<br />

Helfer aus dem Norden, von denen man<strong>ch</strong>e als einzige<br />

Qualifikation ihre weisse Haut mitbringen. Wo<br />

sonst sind Toleranz und Gastre<strong>ch</strong>t ausgeprägter als<br />

in <strong>Afrika</strong>, wo selbst kleine Länder jahre- und jahrzehntelang<br />

Hunderttausenden von Flü<strong>ch</strong>tlingen<br />

Gastre<strong>ch</strong>t gewähren? Nähe ist in <strong>Afrika</strong> kein Makel,<br />

nirgendwo. Mitleid und Brutalität sind genau so afrikanis<strong>ch</strong>e<br />

Ges<strong>ch</strong>wister wie Solidarität und Raffgier.<br />

Langmut hat viel mit dem Hinnehmen des Unabänderli<strong>ch</strong>en<br />

zu tun – und lähmt wohl au<strong>ch</strong> die<br />

Bereits<strong>ch</strong>aft für Veränderungen. Langmut, Geduld<br />

und Toleranz, wie wir ihnen in <strong>Afrika</strong> begegnen,<br />

sind indessen der Humus, der jenen Lebensgeist<br />

und jenes Dur<strong>ch</strong>haltevermögen nährt, mit dem die<br />

Mens<strong>ch</strong>en in <strong>Afrika</strong> bis auf die Kno<strong>ch</strong>en geei<strong>ch</strong>t<br />

sind, geei<strong>ch</strong>t sein müssen. Hier liegt, wenn man so<br />

will, die Zukunft des Kontinents – der länger als andere<br />

bewohnt ist – aller Dürren, Hungersnöte und<br />

Kriege zum Trotz.<br />

*Peter Baumgartner ist <strong>Afrika</strong>-Korrespondent des Tages-<br />

Anzeigers Züri<strong>ch</strong> mit Sitz in Nairobi<br />

Bernard Descamps / Vu Keystone<br />

Still Pictures<br />

<strong>Afrika</strong><br />

«Dieser Kontinent ist zu<br />

gross, als dass man ihn<br />

bes<strong>ch</strong>reiben könnte.<br />

Er ist ein regelre<strong>ch</strong>ter<br />

Ozean, ein eigener<br />

Planet, ein vielfältiger,<br />

rei<strong>ch</strong>er Kosmos.»<br />

Ryszard Kapuscinski<br />

war jahrzehntelang <strong>Afrika</strong>-<br />

Korrespondent der<br />

staatli<strong>ch</strong>en polnis<strong>ch</strong>en<br />

Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tenagentur und<br />

bes<strong>ch</strong>reibt seine Erfahrungen<br />

in seinem Bestseller<br />

«<strong>Afrika</strong>nis<strong>ch</strong>es<br />

Fieber. Erfahrungen aus<br />

vierzig Jahren», Frankfurt<br />

Ei<strong>ch</strong>born 1999<br />

8<br />

9


Vom Pflänz<strong>ch</strong>en zum Baum?<br />

In Zahlen erfolgrei<strong>ch</strong><br />

<strong>Afrika</strong> erzielt seit Mitte<br />

der neunziger Jahre ein<br />

Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stum<br />

um 4 Prozent. Die dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>eHaushaltvers<strong>ch</strong>uldung<br />

nahm glei<strong>ch</strong>zeitig<br />

von 10 Prozent des<br />

Bruttosozialprodukts auf<br />

knapp 4 Prozent ab. Die<br />

Inflation ging von 40 auf<br />

10 Prozent zurück. Die<br />

Investitionen nahmen zu:<br />

Zwis<strong>ch</strong>en 1996 und<br />

1998 verdoppelten si<strong>ch</strong><br />

die ausländis<strong>ch</strong>en Direktinvestitionen<br />

auf 8 Milliarden<br />

Dollar.<br />

Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />

Wenn es um <strong>Afrika</strong> geht, verhalten si<strong>ch</strong> Wirts<strong>ch</strong>aftsexperten<br />

wie Krankens<strong>ch</strong>western beim Patientenbesu<strong>ch</strong>: «Gehts uns<br />

heute s<strong>ch</strong>on ein biss<strong>ch</strong>en besser?» Obwohl viele Indikatoren<br />

na<strong>ch</strong> oben zeigen, ma<strong>ch</strong>en dem Kontinent politis<strong>ch</strong>e Instabilität<br />

und fehlende Eigeninvestitionen zu s<strong>ch</strong>affen. Von<br />

Markus Haefliger*.<br />

<strong>Afrika</strong>s Wirts<strong>ch</strong>aftszahlen sind ermutigend, aber irreführend<br />

(siehe Randspalte). Sie sagen ni<strong>ch</strong>ts über<br />

die regionale Verteilung aus. In Mosambik – mit<br />

Wa<strong>ch</strong>stumsraten von se<strong>ch</strong>s Prozent ein Musterland<br />

– konzentriert si<strong>ch</strong> die so erfasste Wirts<strong>ch</strong>aftstätigkeit<br />

auf die Hauptstadt Maputo. In der Provinz<br />

stellen die ruinierten Überreste der portugiesis<strong>ch</strong>en<br />

Kolonialzeit wie Bahnhöfe und Gasthäuser die einzigen<br />

Spuren einer wie au<strong>ch</strong> immer motivierten<br />

Entwicklungspolitik dar.<br />

300 Millionen <strong>Afrika</strong>ner, die Hälfte der Bevölkerung,<br />

lebt unter der Armutsgrenze von einem Dollar<br />

Einkommen pro Tag. Der erhoffte Trickle-down-<br />

Effekt, wona<strong>ch</strong> bei anhaltendem Wa<strong>ch</strong>stum au<strong>ch</strong> die<br />

Ärmsten profitieren, stellt si<strong>ch</strong> umso weniger ein, je<br />

ungere<strong>ch</strong>ter eine Gesells<strong>ch</strong>aft ist. Umgekehrt gesagt:<br />

Je breiter die Kluft zwis<strong>ch</strong>en Arm und Rei<strong>ch</strong>, desto<br />

höher muss das Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stum sein, damit die<br />

Zahl der Armen zurückgeht. Die entspre<strong>ch</strong>enden<br />

Anforderungen an afrikanis<strong>ch</strong>e Länder, die punkto<br />

Unglei<strong>ch</strong>heit nur von den lateinamerikanis<strong>ch</strong>en<br />

übertroffen werden, übersteigen die optimistis<strong>ch</strong>sten<br />

Prognosen. Südafrikas Wirts<strong>ch</strong>aft müsste über<br />

mehrere Jahre um a<strong>ch</strong>t Prozent wa<strong>ch</strong>sen, damit die<br />

Zahl der Armen zurückgeht.<br />

Viellei<strong>ch</strong>t führen Zahlenfe<strong>ch</strong>tereien aber ohnehin<br />

am Problem vorbei, das darin besteht, dass Süd-<br />

Sahara-<strong>Afrika</strong> in der Weltwirts<strong>ch</strong>aft an den Rand ge-<br />

Still Pictures<br />

drängt ist. Das Bruttosozialprodukt (BSP) der Region<br />

ist mit 320 Milliarden Dollar kleiner als dasjenige<br />

Hollands (360 Milliarden). Dieser Marginalisierung<br />

entspri<strong>ch</strong>t, dass in <strong>Afrika</strong> selbst riesige<br />

Wirts<strong>ch</strong>aftssektoren, die ländli<strong>ch</strong>e Subsistenzwirts<strong>ch</strong>aft<br />

und der städtis<strong>ch</strong>e informelle Sektor, ni<strong>ch</strong>t an<br />

den modernen dynamis<strong>ch</strong>en Märkten teilhaben.<br />

Unvorhersehbarkeit beherrs<strong>ch</strong>t den Alltag<br />

Warum drängt die lauteste unter ein paar Dutzend<br />

Händlerinnen eines afrikanis<strong>ch</strong>en Marktes ihre<br />

Konkurrentinnen ni<strong>ch</strong>t aus dem Ges<strong>ch</strong>äft? Viellei<strong>ch</strong>t,<br />

weil sie an einen Unternehmer denkt, dessen<br />

Lagerhalle von Soldaten geplündert wurde. In<br />

einer Welt, die von ni<strong>ch</strong>ts so beherrs<strong>ch</strong>t wird wie<br />

von der Unvorhersehbarkeit – sei es von Krankheiten,<br />

Forderungen der Grossfamilie oder politis<strong>ch</strong>en<br />

Einbrü<strong>ch</strong>en –, ist Bes<strong>ch</strong>eidenheit keine<br />

Tugend, sondern kluges Verhalten: Wer ni<strong>ch</strong>ts hat,<br />

dem kann man ni<strong>ch</strong>ts nehmen.<br />

Traditionales Wirts<strong>ch</strong>aftsverhalten, das si<strong>ch</strong> in einem<br />

Netz von sozialen Re<strong>ch</strong>ten und Pfli<strong>ch</strong>ten bewegt,<br />

steht allerdings in Widerspru<strong>ch</strong> zum kapitalistis<strong>ch</strong>en<br />

Entwicklungsweg, dessen grundsätzli<strong>ch</strong>er Wüns<strong>ch</strong>barkeit<br />

au<strong>ch</strong> in <strong>Afrika</strong> kaum mehr jemand widerspri<strong>ch</strong>t.<br />

Man kann das an den ländli<strong>ch</strong>en Besitzverhältnissen<br />

verdeutli<strong>ch</strong>en. Als im Europa des 17.<br />

und 18. Jahrhunderts die Städte und Märkte wu<strong>ch</strong>sen,<br />

kassierten die Grundherren die Re<strong>ch</strong>te der<br />

Pä<strong>ch</strong>ter und vertrieben diese von ihren Äckern. In<br />

<strong>Afrika</strong> bleibt der einzelne Bauer Nutzniesser, ni<strong>ch</strong>t<br />

Privateigentümer seines Ackers, kann diesen weder<br />

verkaufen no<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> eine Hypothek belasten. Die<br />

Konzentration und Kapitalisierung von Grundbesitz<br />

sind jedo<strong>ch</strong> Grundvoraussetzungen für die kapitalistis<strong>ch</strong>e<br />

Entwicklung.<br />

Eine Folge dieser sozialen (ni<strong>ch</strong>t zu verwe<strong>ch</strong>seln mit<br />

der politis<strong>ch</strong>en) Stabilität ist das Fehlen eines Mittelstandes.<br />

Zahlrei<strong>ch</strong> sind die anekdotis<strong>ch</strong>en Beoba<strong>ch</strong>tungen,<br />

dass es in <strong>Afrika</strong> Arme und Rei<strong>ch</strong>e gibt,<br />

aber dazwis<strong>ch</strong>en fast ni<strong>ch</strong>ts. Das Volk geht zu Fuss,<br />

die Chefs fahren Auto – Velos sind nur wenige auszuma<strong>ch</strong>en.<br />

Au<strong>ch</strong> in der Produktion fehlt zwis<strong>ch</strong>en<br />

dem informellen Sektor – was man salopp die Bastelwirts<strong>ch</strong>aft<br />

nennen könnte – und der Industrie das solide<br />

Handwerk. Es gibt S<strong>ch</strong>uhma<strong>ch</strong>er, die aus Pneus<br />

Bernard Descamps / Vu


klobige Sandalen basteln, und Bata-Fabriken. Einen<br />

S<strong>ch</strong>uster, der mit Leder und Leisten arbeitet, su<strong>ch</strong>t<br />

man dagegen vergebens.<br />

Wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Trendumkehr<br />

Damit zusammen hängt die tiefe Rate der Eigeninvestitionen.<br />

Betragen diese beispielsweise in<br />

Malaysia 40 und in Chile und Mexiko 25 Prozent<br />

des BSP, liegt sie in afrikanis<strong>ch</strong>en Ländern eher<br />

bei 15. «Die wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Trendumkehr ist ein<br />

s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>es Pflänz<strong>ch</strong>en, solange wir Auslandinvestitionen<br />

und Entwicklungshilfe ni<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong> eigene<br />

Mittel ersetzen», sagt der frühere IWF-Experte und<br />

Finanzminister Ghanas, Kwesi Bot<strong>ch</strong>wey, heute<br />

Leiter des Harvard Institute for International Development.<br />

Es ist zu früh zu beurteilen, ob die jüngste Welle,<br />

von «afrikanis<strong>ch</strong>er Renaissance» zu spre<strong>ch</strong>en und<br />

davon, der Kontinent müsse seine Angelegenheiten<br />

selber an die Hand nehmen, ein heilsames Umdenken<br />

signalisiert. Die bes<strong>ch</strong>worene «Renaissance»<br />

kann bisher nur zwei handfeste Indizien für ihre<br />

Existenz vorweisen, ein positives und ein negatives.<br />

Das Negative: <strong>Afrika</strong>nis<strong>ch</strong>e Staaten mis<strong>ch</strong>en si<strong>ch</strong><br />

vermehrt in die Belange von Na<strong>ch</strong>barstaaten ein.<br />

No<strong>ch</strong> nie seit der Entkolonialisierung wurden auf<br />

dem Kontinent so viele Kriege geführt, und erstmals<br />

sind dafür auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> afrikanis<strong>ch</strong>e Interessen verantwortli<strong>ch</strong>,<br />

au<strong>ch</strong> räuberis<strong>ch</strong>e wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Interessen.<br />

Denis Darzacq / Vu<br />

Positives Indiz: Seit der demokratis<strong>ch</strong>en Öffnung<br />

investieren südafrikanis<strong>ch</strong>e Firmen bis über den<br />

Äquator na<strong>ch</strong> Kenia und Uganda. Südafrikanis<strong>ch</strong>e<br />

Direktinvestitionen in Sub-Sahara-<strong>Afrika</strong> verzehnfa<strong>ch</strong>ten<br />

si<strong>ch</strong> von 1996 bis 1998 auf 1,7 Milliarden<br />

Dollar.<br />

*Markus Haefliger war von 1988 bis 1994 <strong>Afrika</strong>-<br />

Korrespondent von S<strong>ch</strong>weizer Radio DRS mit Sitz in<br />

Harare. Er lebt heute als freier Journalist in Bern.<br />

<strong>Afrika</strong><br />

Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />

Still Pictures<br />

10<br />

11


«Ganz allein arbeiten wir ja ni<strong>ch</strong>t...»<br />

Das <strong>Afrika</strong>bild der S<strong>ch</strong>weizerinnen und S<strong>ch</strong>weizer ist mitunter düster. Zweifel<br />

an der Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit mit dem Kontinent<br />

sind ni<strong>ch</strong>t selten. Sind Entwicklungsprojekte und humanitäre Hilfe in <strong>Afrika</strong><br />

wirkli<strong>ch</strong> ein Fass ohne Boden? Bundesrat Joseph Deiss, ein <strong>Afrika</strong>-Optimist,<br />

ist vom Gegenteil überzeugt. Interview: Maria Roselli.<br />

Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />

Iris Krebs<br />

Gilles Favier / Vu<br />

Eine Welt: Warum führte Ihre erste grosse<br />

Auslandreise als Aussenminister gerade na<strong>ch</strong><br />

<strong>Afrika</strong>?<br />

Joseph Deiss: Mit meiner Reise na<strong>ch</strong> Tansania,<br />

Mosambik und Südafrika verfolgte i<strong>ch</strong> ein doppeltes<br />

Ziel. Zum einen wollte i<strong>ch</strong> aufzeigen, wie<br />

wi<strong>ch</strong>tig für mi<strong>ch</strong> die Entwicklungszusammenarbeit<br />

ist und das S<strong>ch</strong>weizer Engagement in diesen<br />

drei S<strong>ch</strong>werpunktländern hervorheben. Zum anderen<br />

hatte meine <strong>Afrika</strong>reise au<strong>ch</strong> eine politis<strong>ch</strong>e<br />

Zielsetzung. I<strong>ch</strong> wollte sehen, wie si<strong>ch</strong> im süd-<br />

li<strong>ch</strong>en <strong>Afrika</strong> die Bestrebungen im Berei<strong>ch</strong> der<br />

Konfliktlösungen entwickeln.<br />

Wie zufrieden sind Sie mit der heutigen<br />

«<strong>Afrika</strong>-Politik» der S<strong>ch</strong>weiz?<br />

Die S<strong>ch</strong>weiz ist zurzeit mit sieben S<strong>ch</strong>werpunktländern<br />

und drei Spezialprogrammen sehr aktiv in<br />

<strong>Afrika</strong>. Dieses Jahr sind für die Entwicklungszusammenarbeit<br />

und die humanitäre Hilfe in<br />

diesen sieben Ländern rund 200 Millionen<br />

Franken budgetiert. Das ist notwendig, denn in


<strong>Afrika</strong> sind no<strong>ch</strong> grosse Probleme zu bewältigen.<br />

In den letzten Jahren ist es immer klarer geworden,<br />

dass der politis<strong>ch</strong>en Seite der Entwicklungsarbeit<br />

mehr Gewi<strong>ch</strong>t als früher beigemessen werden<br />

muss. Ein vermehrtes Engagement der<br />

S<strong>ch</strong>weiz im Berei<strong>ch</strong> der Konfliktlösung und der<br />

Friedenspolitik ist deshalb sehr sinnvoll. Unser<br />

Wissen über die s<strong>ch</strong>welenden Konflikte im<br />

südli<strong>ch</strong>en <strong>Afrika</strong> sollte vermehrt in unsere strategis<strong>ch</strong>en<br />

Überlegungen einbezogen werden. Fälle<br />

wie in Ruanda dürfen si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t wiederholen.<br />

Kann die S<strong>ch</strong>weiz im internationalen Kontext<br />

der Entwicklungszusammenarbeit überhaupt<br />

etwas bewirken, und wäre ihr Engagement<br />

ni<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong> einen Beitritt in die EU<br />

und/oder UNO wirksamer?<br />

I<strong>ch</strong> bin fest davon überzeugt, dass au<strong>ch</strong> ein kleines<br />

Land wie die S<strong>ch</strong>weiz dur<strong>ch</strong>aus eine eigenständige<br />

Entwicklungspolitik betreiben kann. Zudem:<br />

Ganz allein arbeiten wir ja ni<strong>ch</strong>t, denn wir sind in<br />

vielen Unterorganisationen der UNO aktiv tätig.<br />

Denno<strong>ch</strong> ist ein Vollbeitritt zu den Vereinigten<br />

Nationen sehr bedeutend. Denn damit wären wir<br />

au<strong>ch</strong> bei der Bestimmung der grossen Linien voll<br />

dabei.<br />

Fort- und Rücks<strong>ch</strong>ritte gehen in <strong>Afrika</strong> oft<br />

Hand in Hand. Vielen ers<strong>ch</strong>eint die internationale<br />

Entwicklungszusammenarbeit in<br />

<strong>Afrika</strong> wie ein Fass ohne Boden...<br />

I<strong>ch</strong> bin überzeugt, dass viele Anstrengungen, und<br />

zwangsläufig au<strong>ch</strong> Misserfolge, unvermeidbar sein<br />

werden. Do<strong>ch</strong> trotz aller S<strong>ch</strong>wierigkeiten ist immer<br />

wieder ein Vorwärtstrend zu verzei<strong>ch</strong>nen.<br />

Eine wirkli<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong>haltige Entwicklung ist aber<br />

erst dann mögli<strong>ch</strong>, wenn au<strong>ch</strong> die politis<strong>ch</strong>en<br />

Probleme gelöst werden. Erst wo wirkli<strong>ch</strong> stabile<br />

Verhältnisse herrs<strong>ch</strong>en und die Zivilgesells<strong>ch</strong>aft<br />

funktioniert, kann si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> die Wirts<strong>ch</strong>aft wirkungsvoll<br />

entfalten. Wenn es gelingt, gerade im<br />

Rahmen der Organisation <strong>Afrika</strong>nis<strong>ch</strong>er Einheit<br />

mehr Stabilität zu produzieren, dann wird si<strong>ch</strong>er<br />

au<strong>ch</strong> die Entwicklungsarbeit viel effizienter.<br />

In anderen Worten, es wird nur jenen Ländern<br />

geholfen, die aufgrund ihrer Demokratisierungsbestrebungen<br />

Na<strong>ch</strong>haltigkeit<br />

und Wirksamkeit der Entwicklungsprojekte<br />

verspre<strong>ch</strong>en?<br />

Bei den Auflagen geht es ni<strong>ch</strong>t darum, die Effizienz<br />

der Entwicklungspolitik zu si<strong>ch</strong>ern. Mit<br />

dieser Politik will man vielmehr auss<strong>ch</strong>liessen, dass<br />

Regimes unterstützt werden, deren Politik beispielsweise<br />

die Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te missa<strong>ch</strong>tet.<br />

Keystone<br />

Au<strong>ch</strong> auf die Gefahr hin, dass gerade Mens<strong>ch</strong>en,<br />

die es am nötigsten hätten, aufgrund<br />

der Politik ihrer Regierung von der Hilfe<br />

ausges<strong>ch</strong>lossen werden?<br />

Natürli<strong>ch</strong> ist das für die betroffene Bevölkerung<br />

dramatis<strong>ch</strong>, und diese mag au<strong>ch</strong> zu den Ärmsten<br />

der Armen gehören. Aber es kann ni<strong>ch</strong>t sein, dass<br />

wir Regimes stärken, die aus unserer Si<strong>ch</strong>t gegen<br />

die eigene Bevölkerung arbeiten. Die Good-<br />

Governance-Politik betrifft aber auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong><br />

die te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Entwicklungszusammenarbeit und<br />

ni<strong>ch</strong>t die humanitäre Hilfe. Im Berei<strong>ch</strong> der humanitären<br />

Hilfe, also im Falle von Katastrophen,<br />

helfen wir, ohne Auflagen zu stellen.<br />

Sehen Sie die Zukunft <strong>Afrika</strong>s eher optimistis<strong>ch</strong><br />

oder pessimistis<strong>ch</strong>?<br />

I<strong>ch</strong> bin zuversi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>, au<strong>ch</strong> wenn es in <strong>Afrika</strong><br />

no<strong>ch</strong> sehr viel zu tun gibt. Diese Zuversi<strong>ch</strong>t<br />

stütze i<strong>ch</strong> auf jene Länder, die si<strong>ch</strong> langsam empor<br />

gearbeitet haben und jetzt eine Leaderposition<br />

einnehmen. I<strong>ch</strong> denke beispielsweise an die<br />

Rolle, die Südafrika spielen könnte. Viele afrikanis<strong>ch</strong>e<br />

Länder erwarten von Südafrika eine Art<br />

Leaderfunktion. Eine Funktion, die Südafrika<br />

dur<strong>ch</strong>aus zu übernehmen in der Lage ist. Es gibt<br />

aber no<strong>ch</strong> andere positive Beispiele. I<strong>ch</strong> denke da<br />

etwa an Mosambik.<br />

Was bedeutet Ihnen persönli<strong>ch</strong> <strong>Afrika</strong>?<br />

Für mi<strong>ch</strong> ist <strong>Afrika</strong> ein faszinierender Kontinent,<br />

ein Kontinent, den i<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on früher gerne bereiste.<br />

Hier bin i<strong>ch</strong> immer wieder auf Mens<strong>ch</strong>en<br />

gestossen, die i<strong>ch</strong> wegen ihrer Lebenseinstellungen<br />

und ihres Humors sehr s<strong>ch</strong>ätzen gelernt<br />

habe.<br />

Network / Lookat<br />

<strong>Afrika</strong><br />

12<br />

13


Heilige Bäume, Curandeiros<br />

und Clanstrukturen<br />

Leben als <strong>Afrika</strong>nerin<br />

Laut Statistik arbeitet eine<br />

afrikanis<strong>ch</strong>e Frau dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong><br />

17 Stunden pro<br />

Tag: «Die <strong>Afrika</strong>nerinnen<br />

s<strong>ch</strong>uften, ob auf den<br />

Märkten Bamakos, im<br />

roten Staub von Burkina<br />

Faso, auf den Strassen<br />

von Lagos oder an den<br />

Stränden Dakars. Sie<br />

verkaufen: drei Kolanüsse,<br />

fünf Zigaretten,<br />

zehn Stück Zucker. Sie<br />

taus<strong>ch</strong>en: fünfzehn<br />

Mangos gegen ein Stück<br />

Stoff, Trockenfis<strong>ch</strong> gegen<br />

zwei Stück Seife. Sie<br />

jäten, harken, säen: ein<br />

Feld von der Grösse<br />

zweier Tas<strong>ch</strong>entü<strong>ch</strong>er,<br />

ein von allen vera<strong>ch</strong>tetes,<br />

ödes Fleck<strong>ch</strong>en Erde.»<br />

Elisabeth Lequeret,<br />

Journalistin bei Radio<br />

France Internationale<br />

Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />

Im Spannungsfeld zwis<strong>ch</strong>en Geisterbes<strong>ch</strong>wörung und Internet,<br />

zwis<strong>ch</strong>en Börsenhandel und traditioneller Clanwirts<strong>ch</strong>aft<br />

su<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> <strong>Afrika</strong> einen eigenen Weg. Dabei sind s<strong>ch</strong>ier unlösbare<br />

Gegensätze zu überwinden. Oder s<strong>ch</strong>eint dies nur so?<br />

Von Gabriela Neuhaus.<br />

Lesotho, anfangs der se<strong>ch</strong>ziger Jahre. Eben kehrt der<br />

junge Agronom Steven Ralitsolele voller Enthusiasmus<br />

von seiner Ausbildung in Europa zurück.<br />

Nun, so glaubt er, hat er das Know-how, um seinem<br />

Land aus der Misere zu helfen. Traktore,<br />

Dünger, Maisanbau im grossen Stil sind die Rezepte<br />

für eine blühende Landwirts<strong>ch</strong>aft, wie er sie im<br />

Norden studiert hat und nun, dank seinem Posten<br />

im Ministerium, au<strong>ch</strong> umsetzen kann.<br />

Knapp 40 Jahre später, sieht Agro-Wissens<strong>ch</strong>aftsminister<br />

Ralitsolele man<strong>ch</strong>es anders: «Was für die<br />

Landwirts<strong>ch</strong>aft in Europa gut sein mag, war hier<br />

fals<strong>ch</strong>.» Seit die Erträge der Monokulturen zurückgegangen<br />

sind, erinnert man si<strong>ch</strong> in Lesotho eines<br />

weisen alten Mannes: James Jacob Ma<strong>ch</strong>obane hatte<br />

si<strong>ch</strong> seit den fünfziger Jahren für die Weiterentwicklung<br />

und Optimierung traditioneller Landwirts<strong>ch</strong>aftsmethoden<br />

eingesetzt. Lange waren seine<br />

Lehren verpönt, galten als rückwärts gewandt, entwicklungshemmend.<br />

Heute holt das Landwirts<strong>ch</strong>aftsministerium<br />

Rat bei ihm. Von Ma<strong>ch</strong>obanes<br />

Weg, sagt Steven Ralitsolele, könne der Staat einiges<br />

lernen.<br />

Zwis<strong>ch</strong>en afrikanis<strong>ch</strong>er Kultur und<br />

Moderne<br />

Samba Seck, eine Generation jünger und ebenfalls<br />

Absolvent einer europäis<strong>ch</strong>en Uni, baute in seiner<br />

Heimat Guinea Bissau von Anfang an auf traditionelle<br />

Kräfte. Als Koordinator einer Entwicklungsorganisation<br />

arbeitet er in Dörfern, wo die Natur für<br />

die Mens<strong>ch</strong>en voller Geister und die Bäume heilig<br />

sind. Si<strong>ch</strong> selber sieht er als S<strong>ch</strong>altstelle zwis<strong>ch</strong>en<br />

modernem Staat und den Anliegen der Dorfbewohner.<br />

Zum Beispiel im Streit um die heiligen<br />

Bäume, wel<strong>ch</strong>e für Holzfäller aus der Region Profit<br />

bedeuten. Samba Seck klärt die Dorfbewohner über<br />

ihre Eigentumsre<strong>ch</strong>te auf und hilft ihnen, diese<br />

wahrzunehmen: «Die traditionellen und religiösen<br />

Anliegen dieser Mens<strong>ch</strong>en, nämli<strong>ch</strong> der S<strong>ch</strong>utz des<br />

Waldes, sind au<strong>ch</strong> unsere Anliegen und tragen zu<br />

einer na<strong>ch</strong>haltigen, ökologis<strong>ch</strong>en Entwicklung bei.»<br />

So verbindet Samba Seck die alten Werte der ani-<br />

Denis Darzacq / Vu<br />

Denis Darzacq / Vu<br />

mistis<strong>ch</strong>en Dorfbevölkerung mit seinen Zukunftsvisionen.<br />

Lokale Traditionen und globalisierende Moderne<br />

sind Gegensätze, die in den unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>sten<br />

Formen und Lebensberei<strong>ch</strong>en immer wieder anzutreffen<br />

sind. Ihre Bedeutung wird heute äusserst gegensätzli<strong>ch</strong><br />

diskutiert. Während es immer no<strong>ch</strong><br />

Leute gibt, wel<strong>ch</strong>e die Armut in <strong>Afrika</strong> dem «traditionell<br />

faulen Wesen des <strong>Afrika</strong>ners» zus<strong>ch</strong>reiben,<br />

sehen andere das mögli<strong>ch</strong>e Heil für den Kontinent<br />

in einer Rückbesinnung auf alte Traditionen und zelebrieren<br />

«den guten Wilden». Tatsa<strong>ch</strong>e ist: <strong>Afrika</strong><br />

ist längst kein unberührter Kontinent mehr, viele<br />

traditionelle Strukturen existieren gar ni<strong>ch</strong>t mehr,<br />

und diese sind si<strong>ch</strong>er nie nur «gut» gewesen. Au<strong>ch</strong>


Still Pictures<br />

ma<strong>ch</strong>t die Globalisierung vor <strong>Afrika</strong> ni<strong>ch</strong>t halt, entspre<strong>ch</strong>ende<br />

Entwicklungen sind längst in vollem<br />

Gange. Die Frage bleibt: Wie viel Tradition brau<strong>ch</strong>t<br />

oder verträgt es, wo nützt das Althergebra<strong>ch</strong>te der<br />

Entwicklung, wo verhindert es sie?<br />

Die Praxis zeigt, dass es keine einfa<strong>ch</strong>en Antworten<br />

gibt. Wie in den meisten afrikanis<strong>ch</strong>en Gesells<strong>ch</strong>aften,<br />

ist au<strong>ch</strong> in Mosambik die traditionelle Medizin<br />

von grosser Bedeutung: Weil die staatli<strong>ch</strong>e Gesundheitsversorgung<br />

ungenügend ist und weil oft das<br />

Vertrauen in die neuen Gesundheitsposten fehlt.<br />

Eine flä<strong>ch</strong>endeckende Gesundheitsversorgung ist<br />

nur dank traditioneller Heiler, der Curandeiros<br />

mögli<strong>ch</strong>. Für viele Krankheiten verfügen sie über<br />

Mittel und Methoden, die jenen der westli<strong>ch</strong>en<br />

Medizin mindestens ebenbürtig sind.<br />

Hand in Hand von Alt und Neu<br />

Die Kehrseite: Curandeiros praktizieren unter anderem<br />

Rituale (zB Tätowierung, bei der Blut übertragen<br />

wird), wel<strong>ch</strong>e zur Weiterverbreitung von<br />

Aids beitragen. Ziel müsste eine Zusammenarbeit<br />

zwis<strong>ch</strong>en traditionellen Heilern und dem Staat sein,<br />

sagt Thomas Greminger, DEZA-Koordinator in<br />

Maputo: «Wir versu<strong>ch</strong>en eine Symbiose. Do<strong>ch</strong> bis<br />

heute ist es dem öffentli<strong>ch</strong>en Gesundheitssystem<br />

ni<strong>ch</strong>t gelungen, einen Modus Vivendi mit den<br />

Curandeiros zu finden.» Dass eine Zusammenarbeit<br />

mögli<strong>ch</strong> ist, zeigen erste Erfolge auf lokaler Ebene,<br />

wo eine von der DEZA unterstützte staatli<strong>ch</strong>e<br />

Apotheke und Curandeiros ihre Dienste gemeinsam<br />

anbieten.<br />

Ähnli<strong>ch</strong>e Erfahrungen wie im Gesundheitswesen<br />

gibt es au<strong>ch</strong> in anderen Berei<strong>ch</strong>en: So bilden zum<br />

Beispiel intakte Clanstrukturen ein wi<strong>ch</strong>tiges soziales<br />

Netz, wel<strong>ch</strong>es aber ni<strong>ch</strong>t ausrei<strong>ch</strong>t, um etwa die<br />

Problematik der Migration in die Städte aufzufangen.<br />

Dezentralisierungs- und Demokratisierungsprojekte<br />

können si<strong>ch</strong> auf althergebra<strong>ch</strong>te Diskussions-<br />

und Partizipationstraditionen stützen. Diese<br />

werden aber oft von dörfli<strong>ch</strong>en Hierar<strong>ch</strong>ien dominiert.<br />

Im Spannungsfeld zwis<strong>ch</strong>en positiven und negativen<br />

Aspekten traditioneller Werte für die<br />

Zielsetzungen der Entwicklungsarbeit müsse man<br />

pragmatis<strong>ch</strong> vorgehen, sagt Thomas Greminger: «Es<br />

gibt keine Globallösungen, denn der Einfluss von<br />

Traditionen ist regional und lokal total unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>,<br />

so dass die Balance zwis<strong>ch</strong>en Alt und Neu<br />

überall wieder neu definiert werden muss.»<br />

Still Pictures<br />

<strong>Afrika</strong><br />

Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />

14<br />

15


L Ä N D E R U N D L E U T E<br />

Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />

Kriege und Erdöl<br />

lassen den Ts<strong>ch</strong>ad<br />

ni<strong>ch</strong>t ruhen<br />

Seit über dreissig Jahren bluten Konflikte und Unsi<strong>ch</strong>erheit<br />

den Ts<strong>ch</strong>ad aus. Die Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> der für eine wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />

Entwicklung nötigen politis<strong>ch</strong>en Stabilität geht weiter. Heute<br />

ist ein neuer Kampf im Gang: ums Öl. Die Erdölvorkommen<br />

weckten die Begehrli<strong>ch</strong>keit grosser anglo-amerikanis<strong>ch</strong>er<br />

Unternehmen und rufen die Ökologen auf den Plan. Von<br />

Marie Joannidis*.<br />

Idriss Deby hat 1990 die Ma<strong>ch</strong>t an si<strong>ch</strong> gerissen, wie<br />

zuvor s<strong>ch</strong>on sein Vorgänger Hissein Habré, dessen<br />

Stabs<strong>ch</strong>ef er war. Seit den Präsidents<strong>ch</strong>aftswahlen<br />

von 1996, aus denen er als Sieger hervorging, versu<strong>ch</strong>t<br />

si<strong>ch</strong> Deby als Demokrat darzustellen, um die<br />

multilateralen Geldgeber, den Internationalen Währungsfonds<br />

oder au<strong>ch</strong> die Weltbank zu beruhigen.<br />

In den Augen vieler diplomatis<strong>ch</strong>er Beoba<strong>ch</strong>ter hat<br />

er jedo<strong>ch</strong> die politis<strong>ch</strong>e Öffnung no<strong>ch</strong> immer ni<strong>ch</strong>t<br />

vollzogen. So fühlt si<strong>ch</strong> der Süden na<strong>ch</strong> wie vor von<br />

der Zentralma<strong>ch</strong>t ausgegrenzt, wel<strong>ch</strong>e in den Händen<br />

des Nordens liegt. Im Süden des Landes befin-<br />

den si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t nur die Erdölvorkommen, sondern<br />

au<strong>ch</strong> der landwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Rei<strong>ch</strong>tum, und da lebt<br />

au<strong>ch</strong> die Mehrheit der Bevölkerung. Diese sind<br />

Christen oder Animisten, während im Norden der<br />

Islam vorherrs<strong>ch</strong>t.<br />

Die beiden ersten Präsidenten des Ts<strong>ch</strong>ad, François<br />

Tombalbaye und Félix Malloum, stammten aus dem<br />

Süden. Seit 1979 aber war immer ein Mann aus dem<br />

Norden Präsident. Das waren namentli<strong>ch</strong> Hissein<br />

Habré und Goukouni Oueddeï, verfeindete Brüder,<br />

wel<strong>ch</strong>e mit der Waffe um die Ma<strong>ch</strong>t kämpften. Sie<br />

wurden na<strong>ch</strong>einander von Libyen unterstützt, das<br />

Heidi Hostettler<br />

Heidi Hostettler


lange den Streifen Aouzou, eine Pufferzone zwis<strong>ch</strong>en<br />

den beiden Ländern, beanspru<strong>ch</strong>te und besetzt<br />

hielt.<br />

S<strong>ch</strong>wer lastende Vergangenheit<br />

N’Djamena zeigt heute alle Anzei<strong>ch</strong>en einer aufstrebenden<br />

afrikanis<strong>ch</strong>en Hauptstadt, wo si<strong>ch</strong> europäis<strong>ch</strong>e<br />

und afrikanis<strong>ch</strong>e Quartiere vermis<strong>ch</strong>en.<br />

Na<strong>ch</strong> und na<strong>ch</strong> versu<strong>ch</strong>t man die Spuren der heftigen<br />

Kämpfe der 80er-Jahre auszulös<strong>ch</strong>en, und<br />

au<strong>ch</strong> die einst mit ihren Toyota-Pickups herumkurvenden,<br />

Kalas<strong>ch</strong>nikov und Ray-Ban-Sonnenbrillen<br />

tragenden Partisanen dieses oder jenes<br />

Kriegsherrn sind vers<strong>ch</strong>wunden.<br />

Trotzdem s<strong>ch</strong>lägt si<strong>ch</strong> der Ts<strong>ch</strong>ad no<strong>ch</strong> heute<br />

mit den Folgen dieser Bürgerkriege herum, in<br />

denen blutige Abre<strong>ch</strong>nungen und Ma<strong>ch</strong>tmissbrau<strong>ch</strong><br />

jeder Art ihre Spuren hinterliessen. Ex-Präsident<br />

Habré, seit seinem Sturz 1990 im Exil in Dakar,<br />

wurde anfangs dieses Jahres von einem senegalesis<strong>ch</strong>en<br />

Ri<strong>ch</strong>ter aufgrund von Ans<strong>ch</strong>uldigungen<br />

dur<strong>ch</strong> Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>tsorganisationen der Mittäter-<br />

s<strong>ch</strong>aft bei Folterungen angeklagt. Laut den Klägern<br />

trägt Hissein Habré «eine persönli<strong>ch</strong>e und direkte<br />

Verantwortung» für die Ereignisse im Ts<strong>ch</strong>ad zwis<strong>ch</strong>en<br />

1982 und 1990. Die Ermittlungen ergaben,<br />

dass über 40000 Personen ohne Geri<strong>ch</strong>tsverfahren<br />

hingeri<strong>ch</strong>tet wurden oder in Haft starben, 200000<br />

weitere wurden gefoltert.<br />

Diese Gewalt, die ni<strong>ch</strong>t nur Habré vorbehalten<br />

war, ges<strong>ch</strong>ah auf dem Hintergrund der Armut. Die<br />

mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e und soziale Entwicklung im Ts<strong>ch</strong>ad<br />

gehört zu den tiefsten im subsaharis<strong>ch</strong>en <strong>Afrika</strong>:<br />

über 45 von 100 Mens<strong>ch</strong>en im Ts<strong>ch</strong>ad lebten no<strong>ch</strong><br />

Ende der 90er-Jahre in absoluter Armut. Das<br />

Bruttoinlandprodukt (BIP) ist zwar 1998 auf 230<br />

Dollar pro Person lei<strong>ch</strong>t gestiegen. Aber es liegt<br />

na<strong>ch</strong> den Bere<strong>ch</strong>nungen der Weltbank no<strong>ch</strong> weit<br />

unter dem Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nitt von 500 Dollar der Sub-<br />

Sahara-Länder.<br />

Die wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Entwicklung hinkt wegen der<br />

abgelegenen Märkte dieses versklavten Landes, den<br />

häufigen Dürren, dem Mangel an Infrastrukturen<br />

und der politis<strong>ch</strong>en Instabilität hinten na<strong>ch</strong>. Fast 85<br />

Heidi Hostettler<br />

Ts<strong>ch</strong>ad<br />

16<br />

17


Edouard Sailly<br />

Das Ding im Alltag<br />

Das Wurfmesser<br />

Sowohl im Süden wie im<br />

Norden des Ts<strong>ch</strong>ad haben<br />

Viehzü<strong>ch</strong>ter und<br />

Nomaden etwas gemeinsam:<br />

das Wurfmesser. Es<br />

hat vers<strong>ch</strong>iedene Namen,<br />

je na<strong>ch</strong> Region und Alltagsspra<strong>ch</strong>e,<br />

und dient<br />

der Jagd ebenso wie dem<br />

S<strong>ch</strong>utz der Herden. Es<br />

wird wie ein Bumerang<br />

geworfen, mit dem Griff<br />

na<strong>ch</strong> vorne, um die verirrten<br />

Tiere zurück zu<br />

bringen. Es ist au<strong>ch</strong> eine<br />

gefährli<strong>ch</strong>e Waffe, um<br />

si<strong>ch</strong> gegen Viehdiebe zu<br />

verteidigen.<br />

Das <strong>ch</strong>arakteristis<strong>ch</strong>e<br />

Werkzeug hat eine 70<br />

bis 80 Zentimeter lange<br />

Metallklinge, meist aus<br />

Eisen. Diese weist eine<br />

Krümmung von 45 Grad<br />

auf und bildet praktis<strong>ch</strong><br />

einen re<strong>ch</strong>ten Winkel zum<br />

Griff, der gerade und<br />

ebenfalls aus Eisen ist.<br />

Das Wurfmesser kam<br />

ursprüngli<strong>ch</strong> aus dem<br />

Süden des Landes. Aber<br />

es verbreitete si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong><br />

und na<strong>ch</strong> auf das ganze<br />

Land. Bei Bevölkerungsgruppen<br />

arabis<strong>ch</strong>en<br />

Ursprungs gibt es au<strong>ch</strong><br />

eine Variante aus Holz.<br />

Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />

Ts<strong>ch</strong>ad<br />

Prozent der Bevölkerung leben von der Landwirts<strong>ch</strong>aft,<br />

namentli<strong>ch</strong> der Viehzu<strong>ch</strong>t. Die ariden<br />

Zonen im Norden stehen im Gegensatz zu den<br />

fru<strong>ch</strong>tbaren Böden im waldrei<strong>ch</strong>en Süden. Die dort<br />

angebaute Baumwolle ist das wi<strong>ch</strong>tigste Exportprodukt.<br />

Aber der Ts<strong>ch</strong>ad ist aufgrund von Kursänderungen<br />

bei den Rohstoffen verletzli<strong>ch</strong>er als die<br />

meisten afrikanis<strong>ch</strong>en Länder. Und er hat von der<br />

Abwertung des CFA-Francs im Jahr 1994 wenig<br />

profitiert.<br />

Erdöl im Süden<br />

Trotz seiner gegenwärtigen Armut fördert der<br />

Ts<strong>ch</strong>ad Bodens<strong>ch</strong>ätze: Uran, Gold, Bauxit und vor<br />

allem Erdöl. Ein Konsortium anglo-amerikanis<strong>ch</strong>er<br />

Firmen hat anfangs der 70er-Jahre im Becken des<br />

Ts<strong>ch</strong>adsees und in der Region Doba im Süden<br />

Erdölvorkommen entdeckt. Die Erfors<strong>ch</strong>ung wurde<br />

wegen des Bürgerkriegs während zehn Jahren eingestellt,<br />

dana<strong>ch</strong> wurde im Doba-Becken ein neues<br />

Erdöllager entdeckt. Die Reserven werden heute<br />

auf nahezu eine Milliarde Fass ges<strong>ch</strong>ätzt. Die Produktion<br />

könnte si<strong>ch</strong> während rund 25 bis 30 Jahren<br />

auf bis zu 225000 Fass pro Tag belaufen.<br />

Ende 1996 unterzei<strong>ch</strong>nete ein Konsortium der<br />

Firmen Elf, Exxon Mobil und Shell einen Vertrag<br />

mit der ts<strong>ch</strong>adis<strong>ch</strong>en Regierung. Darin waren die<br />

Ausbeutung der Felder von Doba und der Bau<br />

einer Ölpipeline von 1050 Kilometern Länge dur<strong>ch</strong><br />

Kamerun vorgesehen. Ges<strong>ch</strong>ätzte Gesamtkosten:<br />

zwis<strong>ch</strong>en 3 und 3,5 Milliarden Dollar.<br />

Die Weltbank bereitete si<strong>ch</strong> auf die Finanzierung<br />

der Beteiligung des Ts<strong>ch</strong>ad und Kameruns an den<br />

Firmen vor, wel<strong>ch</strong>e die Pipeline bauen und betreiben<br />

sollten. Aber 1998 verlangte eine internationale<br />

Koalition von Ni<strong>ch</strong>tregierungsorganisationen<br />

wegen Problemen im Zusammenhang mit der<br />

Umwelt und der Respektierung der Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te<br />

die Aufgabe des Projekts. Die Sa<strong>ch</strong>e ist na<strong>ch</strong><br />

wie vor ni<strong>ch</strong>t geregelt. Inzwis<strong>ch</strong>en gaben Elf und<br />

Shell bekannt, dass sie si<strong>ch</strong> zurückziehen wollten.<br />

Dies verzögerte den endgültigen Ents<strong>ch</strong>eid der<br />

Weltbank und verärgerte N’Djamena. Die beiden<br />

Firmen wollen nun Na<strong>ch</strong>folger su<strong>ch</strong>en.<br />

Na<strong>ch</strong> den Grenzzwis<strong>ch</strong>enfällen der Vergangenheit<br />

einigten si<strong>ch</strong> Kamerun, Nigeria, Niger und der<br />

Ts<strong>ch</strong>ad auf die Grenzziehung in der Region des<br />

Ts<strong>ch</strong>adsees. Der Vertrag ist no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t formell ratifiziert.<br />

Im Norden wurde das Grenzproblem, das<br />

lange Zeit Gegenstand von Konflikten zwis<strong>ch</strong>en<br />

dem Ts<strong>ch</strong>ad und dessen Na<strong>ch</strong>barn Libyen war,<br />

1994 offiziell dur<strong>ch</strong> ein Urteil des Internationalen<br />

Geri<strong>ch</strong>tshofs in Den Haag geregelt, das dem Ts<strong>ch</strong>ad<br />

den Streifen Aouzou zuspra<strong>ch</strong>.<br />

Daraufhin verbesserten si<strong>ch</strong> die Beziehungen zu<br />

Tripoli. So fand dieses Jahr der zweite Gipfel der<br />

Heidi Hostettler<br />

Sahel-Sahara-Staaten in N’Djamena statt, einer von<br />

Muammar Ghadaffi gegründeten Organisation,<br />

wel<strong>ch</strong>e zu 75 Prozent von Libyen finanziert wird.<br />

Zwar pflegt Präsident Deby nun bessere Beziehungen<br />

zu Libyen, aber den vollständigen Frieden<br />

hat er no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t errei<strong>ch</strong>t. 1998 bra<strong>ch</strong> ein neuer<br />

Aufstand aus, diesmal in Tibesti, im Norden des<br />

Landes, das seit den 60er-Jahren immer wieder<br />

Ausgangspunkt von Konflikten war. Für einmal<br />

s<strong>ch</strong>eint Oberst Ghadaffi den Aufstand ni<strong>ch</strong>t zu unterstützen.<br />

Er fand statt dessen eine andere Mögli<strong>ch</strong>keit, die<br />

ausgemusterten Soldaten des Ts<strong>ch</strong>ad zu bes<strong>ch</strong>äftigen:<br />

er finanzierte die Entsendung eines ts<strong>ch</strong>adis<strong>ch</strong>en<br />

Expeditionskorps in die Demokratis<strong>ch</strong>e<br />

Republik Kongo (RDC), um die Streitkräfte von<br />

Laurent-Désiré Kabila bei einer offenbar von<br />

Uganda und Rwanda angeheizten Rebellion zu<br />

unterstützen. Die ts<strong>ch</strong>adis<strong>ch</strong>en Truppen haben si<strong>ch</strong><br />

allerdings na<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>weren Verlusten s<strong>ch</strong>nell wieder<br />

zurückgezogen.<br />

*Marie Joannidis ist Mitarbeiterin von MFI, der<br />

Abteilung Multimedia von Radio France Internationale.<br />

Während 25 Jahren hat sie für die Agence France Presse<br />

(AFP) gearbeitet, namentli<strong>ch</strong> als Sondergesandte in mehreren<br />

Weltregionen, insbesondere in <strong>Afrika</strong>.<br />

(Aus dem Französis<strong>ch</strong>en)


Die S<strong>ch</strong>weiz und der Ts<strong>ch</strong>ad<br />

Ländli<strong>ch</strong>e Bevölkerung hat Priorität<br />

(bf) Die S<strong>ch</strong>weiz engagiert si<strong>ch</strong> seit rund 30<br />

Jahren im Ts<strong>ch</strong>ad, einem der ärmsten Länder der<br />

Erde. Bis 1993 bes<strong>ch</strong>ränkten si<strong>ch</strong> die Projekte<br />

vorab auf die Unterstützung des Bildungswesens<br />

(«Pilots<strong>ch</strong>ulen») und des Öffentli<strong>ch</strong>en Sektors<br />

(Gesundheitswesen und ländli<strong>ch</strong>e Entwicklung)<br />

im Süden des Landes. Ab 1993 hat si<strong>ch</strong> das Programm<br />

geöffnet, sowohl was die Partner, als au<strong>ch</strong><br />

die Projekte und Regionen anbelangt.<br />

Die Partner der DEZA finden si<strong>ch</strong> heute vermehrt<br />

in der Zivilgesells<strong>ch</strong>aft (Ni<strong>ch</strong>tregierungsorganisationen,<br />

Individuen, Basisorganisationen,<br />

Gemeinden).<br />

Geografis<strong>ch</strong> gesehen stehen drei wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong><br />

und sozioökonomis<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> ergänzende und<br />

ents<strong>ch</strong>eidende Regionen im Vordergrund: Die<br />

sudanesis<strong>ch</strong>e Zone im Süden (Landwirts<strong>ch</strong>aft und<br />

Baumzu<strong>ch</strong>t), die Region Batha, Kanem im<br />

mittleren Norden (Viehzu<strong>ch</strong>t) und die Region<br />

Ouaddaï, Biltine im Nordosten (Viehzu<strong>ch</strong>t und<br />

Gartenbau). Die Konzentration auf ländli<strong>ch</strong>e<br />

Zonen ist keineswegs zufällig, leben do<strong>ch</strong> 85<br />

Aus der Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />

Das gegenwärtige Gebiet des Ts<strong>ch</strong>ad wird seit<br />

dem 4. Jahrhundert vor Christus bewohnt.<br />

Namentli<strong>ch</strong> um den Ts<strong>ch</strong>adsee herum lösten si<strong>ch</strong><br />

kleine Königrei<strong>ch</strong>e ab. Das Zentrum und der<br />

Norden wurden zwis<strong>ch</strong>en dem 11. und dem 19.<br />

Jahrhundert s<strong>ch</strong>rittweise islamisiert. 1897 wurde<br />

der erste Protektoratsvertrag zwis<strong>ch</strong>en Frankrei<strong>ch</strong><br />

und dem Sultan von Baguirmi ges<strong>ch</strong>lossen. Drei<br />

Jahre später wurde der Ts<strong>ch</strong>ad «Französis<strong>ch</strong>-<br />

Kongo» angegliedert, das 1910 zu Französis<strong>ch</strong>-<br />

Äquatorialafrika wurde.<br />

1935 Französis<strong>ch</strong>-italienis<strong>ch</strong>er Vertrag, der den<br />

Streifen Azouzou Italien abtritt, das zu der<br />

Zeit Libyen besetzte.<br />

1960 Der Ts<strong>ch</strong>ad wird unabhängig. François<br />

Tombalbaye, ein Sara aus dem Süden,<br />

wird Präsident.<br />

1966 Gründung der Nationalen Befreiungsfront<br />

FROLINAT, die versu<strong>ch</strong>t, den Norden<br />

zu «befreien». Unter vers<strong>ch</strong>iedenen Chefs,<br />

darunter Goukouni Oueddeï und Hissein<br />

Habré, kämpft die Front später um die<br />

Ma<strong>ch</strong>t in N’Djamena.<br />

1973 Libyen besetzt den Streifen Aouzou, unter<br />

dem Vorwand, Tombalbaye habe ihn<br />

Tripoli verkauft.<br />

1975 Tombalbaye wird von puts<strong>ch</strong>enden<br />

Militärs getötet. Na<strong>ch</strong>folger wird General<br />

Félix Malloum, ebenfalls ein Sara. Er muss<br />

Prozent der ts<strong>ch</strong>adis<strong>ch</strong>en Bevölkerung auf dem<br />

Land.<br />

In den drei Regionen konzentrieren si<strong>ch</strong> die Projekte<br />

wiederum auf drei untereinander vernetzte<br />

Betätigungsfelder:<br />

- Die Wirts<strong>ch</strong>aft auf dem Land. Priorität hat<br />

eine verbesserte Beherrs<strong>ch</strong>ung der Hirten-Landwirts<strong>ch</strong>aft.<br />

- Die Grundbildung. Im Vordergrund steht die<br />

Erwa<strong>ch</strong>senenbildung (Frauen und Männer) und<br />

das auf die jeweiligen Bedürfnisse zuges<strong>ch</strong>nittene<br />

S<strong>ch</strong>ulwesen für Kinder auf Gemeindeebene.<br />

- Die Basisgesundheit. Diese soll mit erweiterten<br />

Grundleistungen der öffentli<strong>ch</strong>en Zentren<br />

und der direkten Einbindung der Gemeinden in<br />

die Ents<strong>ch</strong>eidung, Verwaltung und Finanzierung<br />

verbessert werden.<br />

1980 unter dem Druck der Streitkräfte von<br />

Habré und Oueddeï zurücktreten.<br />

1981 Mit Hilfe Libyens mars<strong>ch</strong>iert Goukouni<br />

an der Spitze einer Übergangsregierung<br />

der Nationalen Einheit GUNT in<br />

N’Djamena ein.<br />

1982 Hissein Habré nimmt am 7. Juni die<br />

Hauptstadt ein und wird am 21. Oktober<br />

Präsident. Im Norden wird wieder<br />

gekämpft. Im folgenden Jahr unternimmt<br />

Frankrei<strong>ch</strong> die Militäroperation Manta,<br />

gefolgt von der Operation Épervier.<br />

1989 Idriss Deby, Leutnant und Anhänger<br />

Habrés, wird des Komplotts bes<strong>ch</strong>uldigt<br />

und ergreift die Flu<strong>ch</strong>t. Vom Sudan aus<br />

unternimmt er einen Gegenangriff und<br />

stürzt daraufhin Habré, der im Dezember<br />

1990 na<strong>ch</strong> Dakar flieht.<br />

1996 In Präsidents<strong>ch</strong>aftswahlen wird Idriss Deby<br />

als Staats<strong>ch</strong>ef bestätigt.<br />

Zahlen und Fakten<br />

Hauptstadt<br />

N’Djamena<br />

(Einwohnerzahl 830000)<br />

Flä<strong>ch</strong>e<br />

1284000 km 2<br />

Na<strong>ch</strong>barländer<br />

Libyen (Norden), Sudan<br />

(Osten), Zentralafrikanis<strong>ch</strong>e<br />

Republik (RCA) und<br />

Kamerun (Süden), Nigeria<br />

und Niger (Westen)<br />

Klima<br />

Im Norden Sahelklima,<br />

im Süden tropis<strong>ch</strong><br />

Bevölkerung<br />

7,4 Millionen<br />

Städtis<strong>ch</strong>e<br />

Bevölkerung: 23%<br />

Bevölkerungsdi<strong>ch</strong>te:<br />

6 Einw./km 2<br />

Bevölkerungswa<strong>ch</strong>stum:<br />

3,1%<br />

Kindersterbli<strong>ch</strong>keit: 10%<br />

Lebenserwartung:<br />

49 Jahre<br />

Analphabetenrate unter<br />

Erwa<strong>ch</strong>senen: 52%<br />

Spra<strong>ch</strong>en<br />

Offizielle Spra<strong>ch</strong>en:<br />

Französis<strong>ch</strong>, Arabis<strong>ch</strong><br />

Lokalspra<strong>ch</strong>en: Sara,<br />

Sango und über 100<br />

weitere Spra<strong>ch</strong>en oder<br />

Dialekte<br />

Religionen<br />

Islam: 50% (Norden,<br />

Zentrum)<br />

Christentum: 25%<br />

(Zentrum, Süden)<br />

Animismus: 25%<br />

(Zentrum, Süden)<br />

BSP pro Einwohner<br />

230 Dollar (1998)<br />

Wirts<strong>ch</strong>aftssektoren<br />

Landwirts<strong>ch</strong>aft: 39%<br />

Industrie: 15%<br />

Dienstleistungen: 46%<br />

Niger<br />

Nigeria<br />

Aozou<br />

N’Djamena<br />

Doba<br />

Libyen<br />

Faya-Largeau<br />

Ts<strong>ch</strong>ad<br />

Sudan<br />

Kamerun Zentralafrikanis<strong>ch</strong>e<br />

Republik<br />

Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />

18<br />

19


20<br />

21<br />

zVg<br />

Mahamat Azarack<br />

Mahamat ist 1971 in<br />

N’Djamena geboren,<br />

wo er au<strong>ch</strong> seine Jugend<br />

verbra<strong>ch</strong>te. Er besitzt ein<br />

Lizentiat in Management<br />

und studiert momentan im<br />

4. Semester Wirts<strong>ch</strong>aftswissens<strong>ch</strong>aften<br />

an der<br />

Universität N’Djamena.<br />

Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />

Heidi Hostettler<br />

Stimme aus… Ts<strong>ch</strong>ad<br />

Polygamie – au<strong>ch</strong> heute no<strong>ch</strong><br />

Männer haben Polygamie immer als etwas Natürli<strong>ch</strong>es<br />

dargestellt, etwas, das in ihrer Natur liegt. Aber<br />

wenn wir naturalistis<strong>ch</strong>e Argumente vorbringen<br />

wollen, warum ni<strong>ch</strong>t die Polyandrie (Vielmännerei)<br />

verteidigen, denn während die sexuellen Fähigkeiten<br />

des Mannes begrenzt sind, sind jene der Frau unendli<strong>ch</strong>.<br />

Andere versu<strong>ch</strong>en, die Tradition mit wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />

Argumenten zu erklären: mehr Frauen<br />

und Kinder in ländli<strong>ch</strong>en Gesells<strong>ch</strong>aften bedeuten<br />

mehr Arbeitskräfte.<br />

Polygamie ist überhaupt ni<strong>ch</strong>t natürli<strong>ch</strong> oder rein<br />

wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> erklärbar. Sie ist ein kulturelles Phänomen,<br />

das au<strong>ch</strong> religiöse Aspekte hat. Vor der<br />

Verbreitung der monotheistis<strong>ch</strong>en Religionen war<br />

sie in animistis<strong>ch</strong>en Gesells<strong>ch</strong>aften alltägli<strong>ch</strong>. Die<br />

Männer hatten mehrere Frauen, um mehr Arbeitskräfte<br />

auf dem Feld zu haben, um die Familie oder<br />

den Clan zu vergrössern, Allianzen zu bilden, den<br />

Fortbestand der Dynastie zu si<strong>ch</strong>ern oder aus wel<strong>ch</strong>en<br />

Gründen au<strong>ch</strong> immer. Mehrere Frauen zu<br />

haben, war ein grosses Kapital zur Erlangung von<br />

Rei<strong>ch</strong>tum. Es erhöhte das soziale und politis<strong>ch</strong>e<br />

Gewi<strong>ch</strong>t der Familie oder des Clans, und ihr Chef<br />

erlangte damit mehr Bedeutung. Diese Situation gibt<br />

es in animistis<strong>ch</strong>en Gesells<strong>ch</strong>aften no<strong>ch</strong> heute, im<br />

Ts<strong>ch</strong>ad und anderswo.<br />

Polygamie ist ein vorislamis<strong>ch</strong>es Phänomen, das in<br />

den arabis<strong>ch</strong>en und afrikanis<strong>ch</strong>en Gesells<strong>ch</strong>aften weit<br />

verbreitet ist. Der Islam bemühte si<strong>ch</strong>, sie zu reglementieren<br />

und zu ums<strong>ch</strong>reiben: als Erstes wurde die<br />

Anzahl legitimer Ehefrauen auf vier bes<strong>ch</strong>ränkt.<br />

Zweitens wurden strenge soziale und materielle<br />

Bedingungen eingeführt, die der Polygamist zu erfüllen<br />

hat. So wird verlangt, dass jeder Muslim mit<br />

mehreren Frauen allen die glei<strong>ch</strong>en Lebensbedingungen<br />

bieten kann, die glei<strong>ch</strong>e Aufmerksamkeit<br />

und die glei<strong>ch</strong>e Zuneigung. Der Koran betont diese<br />

Pfli<strong>ch</strong>t zur Glei<strong>ch</strong>behandlung und fügt bei: «Wenn<br />

Sie befür<strong>ch</strong>ten, ni<strong>ch</strong>t alle glei<strong>ch</strong> behandeln zu können,<br />

nehmen Sie si<strong>ch</strong> nur eine Frau.»<br />

Seit jeher haben die Frauen die Polygamie mit allen<br />

ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft,<br />

gelegentli<strong>ch</strong> bis hin zum Mord ihrer Rivalin. Heute<br />

kämpfen sie in Frauenverbänden, und ihre Aktivitäten<br />

haben in einigen Ländern dazu geführt, dass<br />

Massnahmen zum Verbot oder zur Bes<strong>ch</strong>ränkung<br />

des Phänomens ergriffen wurden. Die Polygamie<br />

wird aber in vers<strong>ch</strong>iedenen Formen in den meisten<br />

Ländern des Maghreb, des Nahen Ostens und <strong>Afrika</strong>s<br />

legal praktiziert.<br />

Das gilt namentli<strong>ch</strong> für den Ts<strong>ch</strong>ad. In der Stadt findet<br />

man Polygamie vorwiegend in den besser ges-<br />

tellten Kreisen. Rei<strong>ch</strong>e Männer können si<strong>ch</strong> den<br />

Luxus leisten, mehrere Frauen zu unterhalten, die<br />

ni<strong>ch</strong>t arbeiten. Auf dem Land dagegen sind au<strong>ch</strong> die<br />

Armen oft polygam, weil die Frauen mit ihrer<br />

Arbeitskraft zum Familieneinkommen beitragen.<br />

Ausserdem können si<strong>ch</strong> die Frauen die zahlrei<strong>ch</strong>en<br />

Arbeiten in Landwirts<strong>ch</strong>aft und Haushalt teilen. Die<br />

erste Ehe wird oft im no<strong>ch</strong> jugendli<strong>ch</strong>en Alter des<br />

Knaben von der Familie arrangiert. Wenn er volljährig<br />

wird, will si<strong>ch</strong> der Mann erneut verheiraten,<br />

dieses Mal na<strong>ch</strong> eigener Wahl.<br />

In einigen eher westli<strong>ch</strong> eingestellten Ländern im<br />

Maghreb gilt die Polygamie unter den Jungen als<br />

Ana<strong>ch</strong>ronismus. Die Gesells<strong>ch</strong>aft verändert si<strong>ch</strong>, die<br />

S<strong>ch</strong>eidung wird legalisiert, die Frauen beginnen,<br />

wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Unabhängigkeit zu erlangen, und<br />

die Sitten werden freier.<br />

Ein Arzt in Niger befragte rund hundert junge<br />

Männer und Frauen. Eine Minderheit unter ihnen<br />

spra<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> gegen die Polygamie aus, und zwar aus<br />

folgenden Gründen: Wegen der Rivalität unter den<br />

Frauen sei das Leben zuhause ni<strong>ch</strong>t auszuhalten; die<br />

s<strong>ch</strong>wieriger gewordene materielle Lage erlaube es<br />

ni<strong>ch</strong>t, mehrere Frauen zu unterhalten; in polygamen<br />

Haushalten sei es s<strong>ch</strong>wierig, die Kinder ri<strong>ch</strong>tig zu<br />

erziehen, diese würden lei<strong>ch</strong>ter straffällig.<br />

Einige Frauen sehen in der Polygamie eine Si<strong>ch</strong>erheit<br />

in Bezug auf die Gefahren und Aggressionen des<br />

Alltags. Sie finden, dass nur ein Ehemann, au<strong>ch</strong><br />

wenn er polygam ist, der Frau den nötigen S<strong>ch</strong>utz<br />

geben kann. Eine meinte: «I<strong>ch</strong> habe lieber einen abweisenden<br />

Ehemann als gar keinen.» Andere Befürworterinnen<br />

fanden, dass die Polygamie das Sexualleben<br />

besser kanalisiere, ordentli<strong>ch</strong>er und auf religiöser<br />

Ebene legitimer gestalte. Ein Argument, das<br />

in Zeiten von Aids an Aktualität gewinnt.<br />

In <strong>Afrika</strong> ist Polygamie oft ein Deckmantel für die<br />

Ausbeutung der Frau. Da die Frauen keine Bildung<br />

haben, ni<strong>ch</strong>t an den wi<strong>ch</strong>tigen Ents<strong>ch</strong>eiden des<br />

Landes teilhaben, können sie si<strong>ch</strong> gar kein anderes<br />

Leben vorstellen. Nur wenn eine Politik verfolgt<br />

wird, wel<strong>ch</strong>e die Frauen sozial und wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong><br />

fördert, können diese ihre Rolle in Familie und Öffentli<strong>ch</strong>keit<br />

spielen. Diese Förderung bedingt die<br />

Eins<strong>ch</strong>ulung und Ausbildung der Mäd<strong>ch</strong>en.<br />

(Aus den Französis<strong>ch</strong>en)


Genf wird Ende Juni eine Sondersession der Vollversammlung<br />

der Vereinten Nationen beherbergen.<br />

Dabei geht es – fünf Jahre na<strong>ch</strong> dem Sozialgipfel von<br />

Kopenhagen – um die Überprüfung der sozialen<br />

Situation in der Welt. Dass die Versammlung in<br />

Genf stattfindet, geht auf eine Initiative der S<strong>ch</strong>weiz<br />

zurück. Wir erwarten davon neue Impulse für die<br />

Beseitigung der extremen Armut und den Abbau der<br />

Arbeitslosigkeit.<br />

Die Lage ist bekannt und ni<strong>ch</strong>t akzeptabel: zwar<br />

wurden während dreissig oder vierzig Jahren für die<br />

Mehrheit der Bevölkerung dieser Erde zahlrei<strong>ch</strong>e<br />

Forts<strong>ch</strong>ritte erzielt. Aber der Graben zwis<strong>ch</strong>en<br />

Rei<strong>ch</strong> und Arm weitet si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> wie vor aus. Rund<br />

ein Viertel der Weltbevölkerung kann die Grundbedürfnisse<br />

an Nahrung, Trinkwasser, Gesundheitspflege<br />

und Erziehung no<strong>ch</strong> immer ni<strong>ch</strong>t decken,<br />

muss also sogar auf ein Minimum an mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er<br />

Würde verzi<strong>ch</strong>ten.<br />

Am Sozialgipfel von 1995 wurde der Wille ausgedrückt,<br />

eine Entwicklung zu korrigieren, die bis<br />

anhin vorwiegend wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> und finanziell ausgeri<strong>ch</strong>tet<br />

war. Dank dem Gipfel wu<strong>ch</strong>s das Verständnis<br />

dafür, dass Armut vor allem auf einen<br />

Mangel an Ma<strong>ch</strong>t zurück geht, wodur<strong>ch</strong> der Zugang<br />

zu produktiven Ressourcen wie Wasser, Boden,<br />

Kredite, staatli<strong>ch</strong>e Dienstleistungen und Wissen verhindert<br />

wird. Diese Ressourcen werden von besser<br />

organisierten, besser ges<strong>ch</strong>ützten und stärkeren<br />

Gruppen in Bes<strong>ch</strong>lag genommen. Dies erklärt au<strong>ch</strong>,<br />

warum vor allem Frauen und Mäd<strong>ch</strong>en unter der<br />

s<strong>ch</strong>limmsten Armut leiden.<br />

Die S<strong>ch</strong>weiz hat si<strong>ch</strong> gemäss ihrem Gesetz über die<br />

Entwicklungszusammenarbeit bereits in Kopenhagen<br />

stark engagiert und tut das wieder für die Session im<br />

Juni. Unser Land hat die Initiative für dieses Treffen<br />

in Genf ergriffen, um die Teilnahme aller Akteure<br />

DEZA-Standpunkt<br />

Sozialgipfel in Genf<br />

Weiter gehen als Kopenhagen<br />

zu erlei<strong>ch</strong>tern: Privatwirts<strong>ch</strong>aft, Regierungen, Zivilgesells<strong>ch</strong>aft,<br />

Fors<strong>ch</strong>ung und Gewerks<strong>ch</strong>aften.<br />

Unsere Erwartungen an diesen Anlass sind gross.<br />

Es geht zunä<strong>ch</strong>st um eine verstärkte Mobilisierung<br />

aller Teilnehmenden, um die seit 1995 gema<strong>ch</strong>ten<br />

Forts<strong>ch</strong>ritte auszubauen und zu stärken. Kopenhagen<br />

hat dazu geführt, dass die Entwicklungspolitiken<br />

überprüft werden, damit sie bei der Unterstützung<br />

der Ärmsten präziser und effizienter werden. Aber<br />

das rei<strong>ch</strong>t ni<strong>ch</strong>t aus.<br />

Wir erwarten au<strong>ch</strong> ein vertieftes Na<strong>ch</strong>denken und<br />

einen Austaus<strong>ch</strong> bei der S<strong>ch</strong>affung von Arbeitsstellen.<br />

Die Arbeitslosigkeit von weltweit Hunderttausenden,<br />

vor allem junger Mens<strong>ch</strong>en mit Berufsausbildung,<br />

ist eine enorme wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Vers<strong>ch</strong>wendung.<br />

S<strong>ch</strong>limmer no<strong>ch</strong>: es ist ein Angriff auf<br />

die persönli<strong>ch</strong>e Würde, was sehr negative psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>e<br />

und soziale Auswirkungen haben kann.<br />

Vers<strong>ch</strong>iedenste Anstrengungen wurden bereits unternommen,<br />

um Stellen zu s<strong>ch</strong>affen, zum Beispiel<br />

dur<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>weizer Zusammenarbeit. Na<strong>ch</strong> wie<br />

vor fehlt aber eine eigentli<strong>ch</strong>e internationale<br />

Strategie, wel<strong>ch</strong>e Lehren aus den gema<strong>ch</strong>ten Erfahrungen<br />

zieht. Das Treffen in Genf könnte die Ri<strong>ch</strong>tung<br />

für eine gemeinsame und effizientere Aktion<br />

in diesem Berei<strong>ch</strong> weisen.<br />

Jean-François Giovannini<br />

Stellvertretender Direktor der DEZA<br />

Iris Krebs<br />

(Aus dem Französis<strong>ch</strong>en)<br />

Die soeben ers<strong>ch</strong>ienene<br />

Nummer 3 der Entwicklungspolitis<strong>ch</strong>en<br />

S<strong>ch</strong>riften<br />

beinhaltet die DEZA-<br />

Politik für soziale Entwicklung<br />

sowie vers<strong>ch</strong>iedenste<br />

Artikel von Fa<strong>ch</strong>autorinnen<br />

und -autoren. «Von der<br />

S<strong>ch</strong>wierigkeit, die Armut<br />

in der Welt zu beseitigen»<br />

ist in Deuts<strong>ch</strong>, Französis<strong>ch</strong>,<br />

Englis<strong>ch</strong> sowie<br />

Spanis<strong>ch</strong> erhältli<strong>ch</strong> und<br />

kann mit dem beigelegten<br />

Bestellcoupon für Publikationen<br />

bestellt werden.<br />

Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />

E N T W I C K L U N G U N D Z U S A M M E N A R B E I T S C H W E I Z


Neue Wege in Madagaskar<br />

Alarmierende Armut<br />

Trotz eines lei<strong>ch</strong>ten<br />

Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stums<br />

seit 1994 vers<strong>ch</strong>limmert<br />

si<strong>ch</strong> die soziale Situation<br />

in Madagaskar weiter.<br />

Von 1960 bis 1998 hat<br />

die Armut um 35 Prozent<br />

zugenommen. In zwanzig<br />

Jahren ist der Zugang zu<br />

den Gesundheitsdiensten<br />

von 65 auf 35 Prozent<br />

zurückgegangen, und in<br />

den letzten fünfzehn<br />

Jahren hat das Haushaltseinkommen<br />

um fast<br />

die Hälfte abgenommen.<br />

Dezentrales Programm<br />

Das Programm für ländli<strong>ch</strong>e<br />

Entwicklung PDR ist<br />

dezentralisiert aufgebaut.<br />

Es wird regional koordiniert,<br />

ein Bewilligungskomitee<br />

wird über die<br />

Gesu<strong>ch</strong>e um Hilfe ents<strong>ch</strong>eiden<br />

und ein te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>es<br />

Komitee wird die<br />

Ma<strong>ch</strong>barkeit der Projekte<br />

untersu<strong>ch</strong>en.<br />

In Antananarivo definiert<br />

das Steuerungskomitee<br />

die grossen strategis<strong>ch</strong>en<br />

Ausri<strong>ch</strong>tungen, und das<br />

Gesamtprogramm wird<br />

von einer nationalen<br />

Koordination geleitet.<br />

Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />

Keystone<br />

Die S<strong>ch</strong>weiz ri<strong>ch</strong>tet ihre Hilfe an Madagaskar neu aus. Na<strong>ch</strong><br />

dreissigjähriger Zusammenarbeit mit der Regierung wird sie<br />

von jetzt an exklusiv mit den Akteuren der Zivilgesells<strong>ch</strong>aft<br />

arbeiten, im Rahmen eines Programms der ländli<strong>ch</strong>en Entwicklung,<br />

das am 1. Januar 2001 anläuft.<br />

(jls) Die Umkehr wurde bereits 1995 eingeleitet,<br />

da eine Evaluation eine gemis<strong>ch</strong>te Bilanz der Zusammenarbeit<br />

mit den Staatsstrukturen ergeben<br />

hatte. Seither bevorzugt die DEZA regierungsunabhängige<br />

Partner. Bis 1997 führte sie no<strong>ch</strong> die<br />

Partners<strong>ch</strong>aft mit dem Tiefbauministerium für die<br />

Reparatur von Strassen weiter. Na<strong>ch</strong> der Ermordung<br />

des Programmleiters, des Urner Ingenieurs<br />

Walter Arnold, wurde das Programm jedo<strong>ch</strong> eingestellt.<br />

Trotz mehrfa<strong>ch</strong>er Interventionen der S<strong>ch</strong>weiz<br />

wurde das Verbre<strong>ch</strong>en von der madagassis<strong>ch</strong>en Justiz<br />

nie aufgeklärt. «Der Mangel an Transparenz, von<br />

wel<strong>ch</strong>em die Ermittlungen geprägt waren, hat den<br />

Prozess der Überlegungen über eine Neuausri<strong>ch</strong>tung<br />

der Hilfe bes<strong>ch</strong>leunigt», führt der DEZA-<br />

Programmverantwortli<strong>ch</strong>e Gerhard Siegfried aus.<br />

Ein weiteres Element stützte diesen Ents<strong>ch</strong>eid: «Die<br />

madagassis<strong>ch</strong>e Regierung hat bis heute keinen wirkli<strong>ch</strong>en<br />

Willen gezeigt, das Leben der Bevölkerung<br />

zu verbessern. Sie hat grosse S<strong>ch</strong>wierigkeiten bei der<br />

Umsetzung überzeugender Strategien im Kampf<br />

gegen die Armut, von der drei Viertel der Bevölkerung<br />

betroffen sind.»<br />

Der Ents<strong>ch</strong>eid fiel am 18. September 1998: die<br />

DEZA-Direktion bes<strong>ch</strong>loss, im Jahr 2000 ihr<br />

Koordinationsbüro in Antananarivo zu s<strong>ch</strong>liessen,<br />

Madagaskar von der Liste der S<strong>ch</strong>werpunktländer zu<br />

strei<strong>ch</strong>en und ab 2001 ein Programm einzuleiten, das<br />

si<strong>ch</strong> auf die Bekämpfung der Armut auf dem Land<br />

(Programme de développement rural / PDR) konzentriert.<br />

Das Programm im Umfang von sieben<br />

Millionen Franken wird von der Stiftung Intercooperation<br />

geleitet und konzentriert si<strong>ch</strong> auf die<br />

Regionen Imerina, Betsileo und Menabe.<br />

Hilfe für die lokale Dynamik<br />

In Madagaskar nimmt die Armut na<strong>ch</strong> wie vor zu.<br />

Steuerbetrug und Korruption haben verheerende<br />

Auswirkungen auf die öffentli<strong>ch</strong>en Einnahmen.<br />

Weil die Mittel fehlen, ist der Staat praktis<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

mehr in der Lage, die Basisdienstleistungen für die<br />

Bevölkerung wie Si<strong>ch</strong>erheit, Erziehung, Gesundheitswesen<br />

und Transport zu gewährleisten. Diese<br />

Trägheit des Staates hat wenigstens eine positive<br />

Auswirkung: «Fast überall auf dem Land entwickelte<br />

si<strong>ch</strong> eine lokale Dynamik. Die Leute haben begonnen,<br />

ihr S<strong>ch</strong>icksal selbst in die Hand zu nehmen,<br />

und zwar mit erstaunli<strong>ch</strong>er Bestimmtheit», stellt<br />

Siegfried fest.<br />

Das PDR will diese Bewegungen in den Berei<strong>ch</strong>en<br />

unterstützen, wel<strong>ch</strong>e in Madagaskar au<strong>ch</strong> bisher<br />

s<strong>ch</strong>on von der DEZA abgedeckt wurden, also<br />

Trinkwasserversorgung, Gesundheit, Bewirts<strong>ch</strong>aftung<br />

der natürli<strong>ch</strong>en Ressourcen, landwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />

Produktion und Kommunikation auf dem Land. Es<br />

wird aber nur auf Anfragen von der Basis reagiert.<br />

Regionale Komitees werden die Gesu<strong>ch</strong>e um Hilfe<br />

der lokalen Akteure studieren, abklären, ob sie den<br />

strategis<strong>ch</strong>en Zielen des Programms entspre<strong>ch</strong>en<br />

und ents<strong>ch</strong>eiden, ob sie si<strong>ch</strong> damit befassen wollen<br />

oder ni<strong>ch</strong>t.<br />

Die Kontrolle wird ziemli<strong>ch</strong> streng sein, denn das<br />

PDR soll über die Finanzierung von kleinen<br />

Projekten hinausgehen: «Wir wollen ni<strong>ch</strong>t hier ein<br />

Ambulatorium reparieren und dort einen kleinen<br />

Brunnen graben... Sonst würde das Programm in<br />

Hunderte von kleinsten Einzelaktivitäten zerstückelt.<br />

Das PDR muss aber Einfluss auf die ländli<strong>ch</strong>e<br />

Entwicklung der ganzen Region haben. Sein Ziel<br />

ist die Stärkung der Zivilgesells<strong>ch</strong>aft, damit die ländli<strong>ch</strong>e<br />

Bevölkerung ihre wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e und soziale<br />

Entwicklung selber gestalten kann.»<br />

Aufforderung zum Wettbewerb<br />

Um Geld zu erhalten, müssen si<strong>ch</strong> die Bauern na<strong>ch</strong><br />

den Prinzipien des Programms ri<strong>ch</strong>ten. Einige Beispiele:<br />

Die zu unterstützende Aktivität muss einen<br />

positiven Einfluss auf die Umwelt haben, die<br />

s<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>sten Gruppen – namentli<strong>ch</strong> die Frauen – mit<br />

eins<strong>ch</strong>liessen, lebensfähig sein und eine Garantie für<br />

die künftigen Generationen bieten. Ferner werden<br />

nur Gesu<strong>ch</strong>e berücksi<strong>ch</strong>tiget, wel<strong>ch</strong>e auf breiter<br />

Grundlage von den Interessierten abgestimmt wurden,<br />

von den Bauern bis zum Bürgermeister. Und<br />

s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> sind die Bauern gehalten, si<strong>ch</strong> an den<br />

Kosten zu beteiligen, um so ihr Engagement zu zeigen.<br />

Dieser Beitrag kann in Form von Geld, Naturalien<br />

oder Arbeit geleistet werden.<br />

Wenn das Gesu<strong>ch</strong> gebilligt ist, wird das PDR die<br />

Bernard Descamps / Vu


Bauern mit den Dienstleistungsanbietern in Kontakt<br />

bringen. Bei einem te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Projekt können das<br />

Handwerker oder lokale Kleinunternehmer sein.<br />

Wenn es um eine soziale Aktivität geht, kommen<br />

Ni<strong>ch</strong>t-Regierungsorganisationen zum Zug. Das<br />

Programm wird die vers<strong>ch</strong>iedenen Anbieter zum<br />

Wettbewerb auffordern und kann ihnen au<strong>ch</strong> helfen,<br />

ihre Offerte zu verbessern.<br />

Das PDR misst ausserdem dem Prinzip des Empowerment<br />

grosse Bedeutung zu. Dadur<strong>ch</strong> werden die<br />

Bauern zu ihren eigenen Herren und können die<br />

gesamte Verantwortung für das Projekt überneh-<br />

men. Sie werden die Anbieter auswählen, die<br />

Dur<strong>ch</strong>führung der Arbeiten überwa<strong>ch</strong>en und die<br />

Re<strong>ch</strong>nungen mit dem direkt vom PDR erhaltenen<br />

Geld bezahlen. Am Anfang dürfte dieses System in<br />

der Praxis etwas s<strong>ch</strong>wierig sein. «Bisher wissen nur<br />

wenige Dorfbewohner genügend über Bu<strong>ch</strong>haltung,<br />

Vertragsabs<strong>ch</strong>lüsse und Dur<strong>ch</strong>führung finanzieller<br />

Transaktionen Bes<strong>ch</strong>eid. Deshalb werden<br />

wir sie begleiten, bis sie die nötigen Kompetenzen<br />

erworben haben», sagt Gerhard Siegfried.<br />

(Aus dem Französis<strong>ch</strong>en)<br />

Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />

22<br />

23


Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />

Paolo Bertossa<br />

Keystone<br />

Journalistens<strong>ch</strong>miede<br />

für Albanien<br />

Die elektronis<strong>ch</strong>en Medien boomen: In Albanien gibt es zurzeit<br />

41 Lokalradiostationen. Sie sind der wi<strong>ch</strong>tigste Informationsträger<br />

für einen Grossteil der Bevölkerung. Ein DEZA-<br />

Projekt fördert die Journalisten-Ausbildung.<br />

(gn) Die meisten sind jung, voller Enthusiasmus<br />

und Tatendrang. Sie leben in Tirana, in Provinzstädten<br />

und in kleinen Dörfern. Und sie ma<strong>ch</strong>en<br />

Radio. Junge Journalistinnen und Journalisten, meist<br />

ohne Erfahrung und entspre<strong>ch</strong>ende Ausbildung,<br />

versu<strong>ch</strong>en, die neue Freiheit mittels der neuen Medien<br />

zu gestalten.<br />

Hier setzt ein Projekt an, wel<strong>ch</strong>es die S<strong>ch</strong>weiz in<br />

Zusammenarbeit mit dem Albanis<strong>ch</strong>en Medieninstitut<br />

1999 gestartet hat: In drei zeitli<strong>ch</strong> gestaffelten<br />

Semesterkursen werden insgesamt 45 Radiojournalisten<br />

aus ganz Albanien ausgebildet. Das<br />

Training ist betont praxisorientiert und vermittelt<br />

sowohl Basiswissen im Journalismus, wie au<strong>ch</strong><br />

Know-how für radiospezifis<strong>ch</strong>es S<strong>ch</strong>affen (Interviewte<strong>ch</strong>nik,<br />

Gestaltung von Reportagen).<br />

Vermitteltes Wissen breitet si<strong>ch</strong> aus<br />

Während der Ausbildung wird im digital ausgerüsteten<br />

Studio in Tirana geübt, die Studenten lernen<br />

aber au<strong>ch</strong> die klassis<strong>ch</strong>e analoge Montage, wel<strong>ch</strong>e<br />

in den Lokalstudios momentan no<strong>ch</strong> vorherrs<strong>ch</strong>t.<br />

«Oft müssen die Journalisten bei ihren Stationen mit<br />

einfa<strong>ch</strong>en, ni<strong>ch</strong>t-professionellen Geräten arbeiten. In<br />

der Ausbildung lernen sie deshalb au<strong>ch</strong>, wie man<br />

unter derartigen Bedingungen ein Maximum errei<strong>ch</strong>en<br />

kann», sagt der Tessiner TV-Journalist und<br />

Projektleiter Paolo Bertossa. Angesi<strong>ch</strong>ts der rasanten<br />

Entwicklung und der relativ günstigen Preise für<br />

digitale Radio-Ausrüstungen re<strong>ch</strong>net er damit, dass<br />

viele Radiostationen innert kürzester Zeit sowohl<br />

digital arbeiten, wie au<strong>ch</strong> über einen Internetans<strong>ch</strong>luss<br />

verfügen werden. Der Umgang mit dem<br />

Internet ist deshalb ebenfalls Thema der Ausbildung.<br />

Anfangs Februar wurde der zweite Kurs abges<strong>ch</strong>lossen,<br />

im April begann das letzte Training im<br />

Rahmen dieses Projekts. Die Absolventen des ersten<br />

Kurses konnten in der Zwis<strong>ch</strong>enzeit das Gelernte<br />

bereits anwenden und haben, wie Umfragen zeigen,<br />

ihr neues Wissen au<strong>ch</strong> an Kollegen weiter gegeben.<br />

Damit die Journalistenausbildung in Albanien eine<br />

Zukunft hat, werden im Rahmen dieses Projekts<br />

zudem, parallel zur Grundausbildung, a<strong>ch</strong>t erfahrene<br />

albanis<strong>ch</strong>e Journalisten zu Tutoren ausgebildet.


Urs Keller<br />

Zum Tod von Dr. Hans Keller und Dr. August Lindt<br />

Zwei Pioniere der s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />

Entwicklungszusammenarbeit<br />

Dr. Hans Keller, a. Bots<strong>ch</strong>after, ist am 14. Dezember<br />

1999 im Alter von 91 Jahren gestorben. Er war<br />

der erste Leiter des vor 39 Jahren ges<strong>ch</strong>affenen<br />

«Te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Dienstes» im Eidgenössis<strong>ch</strong>en Politis<strong>ch</strong>en<br />

Departement; dieser Dienst ist der Ursprung<br />

der heutigen Direktion für Entwicklung und<br />

Zusammenarbeit (DEZA) im EDA. Bis kurz vor seinem<br />

Tod hat Hans Keller rege am Werdegang der<br />

DEZA teilgenommen. Stolz erklärte er jeweils, wie<br />

er seine Arbeit mit einem Mitarbeiter und einer Mitarbeiterin<br />

begonnen hatte. Er hatte seine Aufgabe<br />

si<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> gerne gema<strong>ch</strong>t und blieb zeitlebens von ihr<br />

erfüllt.<br />

Hans Keller dur<strong>ch</strong>lief einen abwe<strong>ch</strong>slungsrei<strong>ch</strong>en<br />

Berufsweg als Journalist und Vertreter der S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />

Zentrale für Handelsförderung in der Slowakei,<br />

wo er den Holzexport in die S<strong>ch</strong>weiz organisierte<br />

und si<strong>ch</strong> im 2. Weltkrieg für jüdis<strong>ch</strong>e Flü<strong>ch</strong>tlinge<br />

einsetzte. Dana<strong>ch</strong> trat er in die damalige<br />

Handelsabteilung (später BAWI) ein und we<strong>ch</strong>selte<br />

später in den diplomatis<strong>ch</strong>en Dienst, u.a. als Leiter<br />

des erwähnten «Te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Dienstes». Als Bots<strong>ch</strong>after<br />

in China, persönli<strong>ch</strong> befreundet mit Ts<strong>ch</strong>ou-en-Lai,<br />

und in Jugoslawien lebte er die s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e<br />

Interessenwahrung intensiv. Au<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> seiner Pensionierung<br />

setzte si<strong>ch</strong> Keller für die Gestaltung der bilateralen<br />

Beziehungen ein, als Praktiker mit dem<br />

Sinn für das Ma<strong>ch</strong>bare, als ideenrei<strong>ch</strong>er Initiant vieler<br />

Vorhaben.<br />

Seine Erzählungen bleiben unvergessli<strong>ch</strong>, ebenso<br />

wie seine Taten. Seine Vorliebe für die Jagd – als<br />

bevorzugter Partner von Präsident Tito – sein Interesse<br />

für Länder und Leute und seine Bes<strong>ch</strong>eidenheit<br />

bleiben in steter Erinnerung. Für seine Besu<strong>ch</strong>e und<br />

Rats<strong>ch</strong>läge werde i<strong>ch</strong> Hans Keller immer dankbar<br />

bleiben.<br />

Keystone<br />

Dr. August Lindt, a. Bots<strong>ch</strong>after, ist am 14. April<br />

2000 im Alter von 95 Jahren von uns gegangen. Sein<br />

Leben und Wirken wurde in vielen Zeitungen<br />

gewürdigt. Ni<strong>ch</strong>t nur als IKRK-Delegierter, UNO-<br />

Ho<strong>ch</strong>kommissar für Flü<strong>ch</strong>tlinge, Bots<strong>ch</strong>after in New<br />

Delhi, Moskau und Washington bleibt er in unser<br />

aller Erinnerung, sondern au<strong>ch</strong> als erster Delegierter<br />

des Bundesrates für te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Zusammenarbeit.<br />

Dr. August Lindt hat das Werk von Dr. Hans Keller<br />

weitergeführt. In seine Zeit fiel der substantielle Ausund<br />

Aufbau Ri<strong>ch</strong>tung der heutigen DEZA. August<br />

Lindt hat in nimmermüder S<strong>ch</strong>affenskraft die<br />

s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Auslandhilfe gestaltet und mit seinem<br />

Wirken s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Humanität und Solidarität<br />

gelebt. Au<strong>ch</strong> er hat bis zu seinem Ableben am<br />

Werdegang der DEZA reges Interesse gezeigt und<br />

uns in unvergessli<strong>ch</strong>en Gesprä<strong>ch</strong>en für die weitere<br />

Arbeit motiviert. Viele unserer pensionierten und<br />

no<strong>ch</strong> aktiven Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden<br />

seinem Einsatz und seiner Persönli<strong>ch</strong>keit dankbar<br />

gedenken.<br />

Die S<strong>ch</strong>weiz hat in kurzem Abstand zwei ihrer bisher<br />

se<strong>ch</strong>s Leiter der Entwicklungszusammenarbeit<br />

verloren. Ni<strong>ch</strong>t verloren ist ihr Wirken. Sie waren<br />

Pioniere im wahrsten Sinne des Wortes und dafür<br />

werden wir ihnen immer dankbar sein. Ihre Arbeit<br />

war das Fundament unserer heutigen internationalen<br />

Zusammenarbeit, die nebst der Entwicklungszusammenarbeit<br />

au<strong>ch</strong> die humanitäre Hilfe und die<br />

Ostzusammenarbeit umfasst.<br />

Walter Fust<br />

Direktor der DEZA<br />

Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />

24<br />

25


<strong>Afrika</strong> und sein<br />

F O R U M<br />

Pierre Virot (3)<br />

Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />

Still pictures<br />

erstaunli<strong>ch</strong>es S<strong>ch</strong>ilf<br />

Während <strong>Afrika</strong>-Pessimisten das Bild eines verlorenen<br />

Kontinents zei<strong>ch</strong>nen, der jegli<strong>ch</strong>en Übeln ausgeliefert ist, sind<br />

<strong>Afrika</strong>-Optimisten überzeugt, dass er si<strong>ch</strong> dank seiner unbestrittenen<br />

Trümpfe wieder auffängt. Drei <strong>Afrika</strong>kenner streiten<br />

um die Zukunft eines Kontinents: Die Senegalesin Ndioro<br />

Ndiaye, Stellvertretende Generaldirektorin der Internationalen<br />

Organisation für Migrationen (IOM), der S<strong>ch</strong>weizer Laurent<br />

Monnier, Kursverantwortli<strong>ch</strong>er am Institut universitaire d’études<br />

du développement (IUED), und Edgard Gnansounou aus<br />

Benin, Präsident von «Imaginer et Construire l’Afrique de<br />

Demain» (ICAD). Gesprä<strong>ch</strong>sführung: Jane-Lise S<strong>ch</strong>neeberger.<br />

Edgard Gnansounou Laurent Monnier Ndioro Ndiaye<br />

Eine Welt: Wie sehen Sie <strong>Afrika</strong>s Zukunft?<br />

Edgard Gnansounou: I<strong>ch</strong> bin überzeugter Optimist.<br />

Einer der grössten Trümpfe <strong>Afrika</strong>s ist seine<br />

Jugend. So wie es heute ist, kann es nur besser werden.<br />

Ausserdem profitiert <strong>Afrika</strong> von einem te<strong>ch</strong>nologis<strong>ch</strong>en<br />

Umfeld, das unwiderstehli<strong>ch</strong> in Ri<strong>ch</strong>tung<br />

Dezentralisierung geht. Internet, Handys,<br />

Radio... Repräsentanten einer kulturellen Revolution,<br />

wel<strong>ch</strong>e die Entfaltung des Kontinents verbessern<br />

wird.<br />

Laurent Monnier: Um Zukunftsprognosen ma<strong>ch</strong>en<br />

zu können, muss <strong>Afrika</strong>s Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te einbezogen<br />

werden: Zuerst musste es die Sklaverei über si<strong>ch</strong><br />

ergehen lassen, dann die Kolonisierung und s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong><br />

den Kalten Krieg. Die eigentli<strong>ch</strong>e Befreiung<br />

fand erst 1994 mit dem Ende der Apartheid statt.<br />

Heute ist eine allgemeine Umgestaltung im Gang.<br />

<strong>Afrika</strong> ist daran, die externe Domination zu verdauen.<br />

Und das führt man<strong>ch</strong>mal zu extremer<br />

Gewalt. Aber das endgültige Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t wird<br />

ni<strong>ch</strong>t von aussen diktiert werden.<br />

Ndioro Ndiaye: Als <strong>Afrika</strong>nerin kann i<strong>ch</strong> gar ni<strong>ch</strong>t<br />

anders als optimistis<strong>ch</strong> sein. <strong>Afrika</strong> könnte langfristig<br />

zu einem Interessenzentrum werden. Trotz der<br />

Verheerungen dur<strong>ch</strong> Aids gibt es viele Junge, die ge-<br />

bildet, kreativ und fähig sind, der Entwicklung<br />

Impulse zu verleihen. Es besitzt äusserst rei<strong>ch</strong>e<br />

Bodens<strong>ch</strong>ätze, die Erde ist fru<strong>ch</strong>tbar. Aber die<br />

Entwicklung wird dur<strong>ch</strong> Bruderkriege, Sektierertum,<br />

Autoritätsansprü<strong>ch</strong>e, «s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>te Regierungstätigkeit»<br />

sowie die persönli<strong>ch</strong>en Interessen der führenden<br />

S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten behindert.<br />

Gnansounou: Autoritäre Mä<strong>ch</strong>te haben zu lange<br />

die freie Entwicklung der Kreativität unterdrückt.<br />

Wegen der von aussen verordneten wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />

Modelle wurde die Phantasie behindert. Politis<strong>ch</strong> ist<br />

<strong>Afrika</strong> no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ganz frei. Wir müssen der Demokratie<br />

einen Inhalt geben, der näher bei den<br />

Mens<strong>ch</strong>en ist. Einfa<strong>ch</strong> einen Präsidenten und Abgeordnete<br />

mit Sitz in der Hauptstadt zu wählen, ist<br />

eine ziemli<strong>ch</strong> begrenzte Demokratie. Eine der afrikanis<strong>ch</strong>en<br />

Kultur angepasste Demokratie sollte dezentralisiert<br />

sein und vor allem auf lokaler Ebene<br />

stattfinden, mit der Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> Konsens, Verständigung<br />

und Toleranz. Die afrikanis<strong>ch</strong>en Staaten<br />

müssen ihr eigenes Gesells<strong>ch</strong>aftsprojekt entwickeln,<br />

das in ihrer Kultur verwurzelt ist.<br />

Eine Welt: Es gibt kulturelle Werte, wel<strong>ch</strong>e in der<br />

heutigen Zeit als unangebra<strong>ch</strong>t gelten. Könnten<br />

diese die Entwicklung behindern ?<br />

Hien Lamm Duc / Vu


Gnansounou: Die Kultur kann eine Behinderung<br />

sein, wenn Entwicklung als etwas angesehen wird,<br />

das von aussen kommt, denn dann geht man davon<br />

aus, dass die Kultur si<strong>ch</strong> dem Modell anpassen muss.<br />

Aber wenn Entwicklung Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> Entfaltung der<br />

Mens<strong>ch</strong>en ist, muss das Modell vielmehr den kulturellen<br />

Werten angepasst werden.<br />

Monnier: Die afrikanis<strong>ch</strong>en Kulturen sind sehr strikt,<br />

aber sie können alles integrieren, was für sie interessant<br />

ist. Der kongolesis<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>riftsteller T<strong>ch</strong>icaya<br />

U Tam’Si hat diese kulturelle Kraft illustriert, indem<br />

er <strong>Afrika</strong> mit S<strong>ch</strong>ilf vergli<strong>ch</strong>. Wenn das S<strong>ch</strong>ilf<br />

Stürmen wie der Sklaverei und der Kolonisierung<br />

ausgesetzt ist, beugt es si<strong>ch</strong>, und wenn alles vorbei<br />

ist, ri<strong>ch</strong>tet es si<strong>ch</strong> wieder auf. Heute sind wir soweit.<br />

1994 war die letzte Phase der Kolonisierung abges<strong>ch</strong>lossen.<br />

Das S<strong>ch</strong>ilf wird si<strong>ch</strong> wieder aufri<strong>ch</strong>ten.<br />

Ndiaye: Der kulturelle Rei<strong>ch</strong>tum <strong>Afrika</strong>s sollte ein<br />

Trumpf sein. Aber die korrupten Führungseliten<br />

sind oft bereit, die ethnis<strong>ch</strong>en, Rassen- oder Religionsunters<strong>ch</strong>iede<br />

auszunutzen, um si<strong>ch</strong> an der<br />

Ma<strong>ch</strong>t zu halten. Trotzdem ist die Kultur ein e<strong>ch</strong>tes<br />

Gut, das allen <strong>Afrika</strong>nerinnen und <strong>Afrika</strong>nern eigen<br />

ist, den Peuls ebenso wie den Bambaras und den<br />

Wolofs. Auf dieser Grundlage bauen «Pluspunkte»<br />

wie die Ausbildung auf, die genau so wi<strong>ch</strong>tig ist.<br />

Wenn die Leute ni<strong>ch</strong>t fähig sind, die Bots<strong>ch</strong>aften<br />

ihrer Führung zu ents<strong>ch</strong>lüsseln, können sie ni<strong>ch</strong>t<br />

ri<strong>ch</strong>tig teilhaben.<br />

Eine Welt: Aber viele gut ausgebildete <strong>Afrika</strong>nerinnen<br />

und <strong>Afrika</strong>ner verlassen ihr Land und wandern<br />

na<strong>ch</strong> Europa oder in die USA aus. Kann dieser<br />

Wissensverlust aufgehalten werden?<br />

Ndiaye: Die Migration trägt zum Austaus<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en<br />

den Völkern und zur gegenseitigen Berei<strong>ch</strong>erung<br />

bei. Wenn der Abwanderung der klugen Köpfe<br />

Einhalt geboten werden kann, ist Migration etwas<br />

Gutes. Aber wie kann si<strong>ch</strong> ein Land entwickeln,<br />

wenn 35 Prozent seiner Intelligenz weg ist? Die<br />

IOM fördert die freiwillige Rückkehr qualifizierter<br />

und au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>tqualifizierter Mens<strong>ch</strong>en na<strong>ch</strong> <strong>Afrika</strong>,<br />

damit deren Heimat vom Wissen und den Kenntnissen,<br />

die sie im Ausland erworben haben, profitieren<br />

kann. Leider geben si<strong>ch</strong> die afrikanis<strong>ch</strong>en<br />

Länder keine Mühe, Arbeitsmögli<strong>ch</strong>keiten zu s<strong>ch</strong>affen.<br />

So reisen diese Leute oft na<strong>ch</strong> einem halben Jahr<br />

wieder aus.<br />

Gnansounou: Die Migration darf ni<strong>ch</strong>t weiter verteufelt<br />

werden. In Zeiten der Globalisierung kann<br />

man einem <strong>Afrika</strong>ner, der zuhause s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t lebt, keinen<br />

Vorwurf ma<strong>ch</strong>en, wenn er weg geht. Es gibt<br />

S<strong>ch</strong>warze Eliten und<br />

weisse Helfer<br />

Die kamerunis<strong>ch</strong>e<br />

Soziologin Axelle Kabou<br />

hat mit ihrem Aufsehen<br />

erregenden Bu<strong>ch</strong> «Weder<br />

arm no<strong>ch</strong> ohnmä<strong>ch</strong>tig:<br />

eine Streits<strong>ch</strong>rift gegen<br />

s<strong>ch</strong>warze Eliten und<br />

weisse Helfer» 1995 ein<br />

Tabu gebro<strong>ch</strong>en. Darin<br />

kritisiert sie die <strong>Afrika</strong>ner,<br />

sie seien an ihrer Rückständigkeit<br />

selber S<strong>ch</strong>uld,<br />

weil sie Te<strong>ch</strong>nik als etwas<br />

Fremdes und Bedrohendes<br />

betra<strong>ch</strong>teten.<br />

<strong>Afrika</strong>nis<strong>ch</strong>e Intellektuelle<br />

übers<strong>ch</strong>ütteten Kabou<br />

daraufhin mit Bes<strong>ch</strong>impfungen,<br />

während ihre<br />

Thesen im anglophonen<br />

<strong>Afrika</strong> gar ni<strong>ch</strong>t erst<br />

rezipiert wurden.<br />

«Weder arm no<strong>ch</strong><br />

ohnmä<strong>ch</strong>tig: eine Streits<strong>ch</strong>rift<br />

gegen s<strong>ch</strong>warze<br />

Eliten und weisse Helfer»,<br />

Lenos Verlag<br />

Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />

26<br />

27


«Die Vorstellungen, die<br />

si<strong>ch</strong> die Europäer vom<br />

S<strong>ch</strong>warzen Kontinent<br />

ma<strong>ch</strong>en, kontrastieren<br />

sehr s<strong>ch</strong>arf. Do<strong>ch</strong> <strong>Afrika</strong><br />

hat, wie jede fremde<br />

Welt, seinen eigenen<br />

Sinn und lässt si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong><br />

europäis<strong>ch</strong>en Massstäben<br />

wohl nie begreifen.<br />

Und viellei<strong>ch</strong>t ist das<br />

sogar gut so.»<br />

Wolfgang Kunath, langjähriger<br />

Korrespondent<br />

in Nairobi<br />

«Das Problem ist, dass<br />

der Weisse mit Erwartungen<br />

und Forderungen<br />

an die <strong>Afrika</strong>ner herantritt<br />

und wir ni<strong>ch</strong>t wissen, wie<br />

viel sie übernehmen<br />

mö<strong>ch</strong>ten (...) Zum Glück<br />

ist <strong>Afrika</strong> resistent gegen<br />

alle die guten Sa<strong>ch</strong>en,<br />

die wir an den Kontinent<br />

herantragen. Viellei<strong>ch</strong>t<br />

besteht ja die Mögli<strong>ch</strong>keit,<br />

dass wir aus der<br />

Erfahrung heraus, die<br />

wir in <strong>Afrika</strong> ma<strong>ch</strong>en,<br />

umdenken. Dass wir sie<br />

als Anstoss nehmen um<br />

zu fragen, wieso unser<br />

System in <strong>Afrika</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

funktioniert.»<br />

Dominik Langenba<strong>ch</strong>er,<br />

Ex-Uno-Koordinator für<br />

Somalia<br />

Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />

Keystone<br />

Länder wie die USA, die dur<strong>ch</strong> Migration entstanden<br />

sind. Es ist besser, die Diaspora als Träger des kulturellen<br />

und wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Austaus<strong>ch</strong>es zu nutzen,<br />

der gut ist für <strong>Afrika</strong>. Das s<strong>ch</strong>eint mir wi<strong>ch</strong>tiger, als<br />

unbedingt die «klugen Köpfe» zurückholen zu wollen.<br />

Eine Welt: <strong>Afrika</strong> hat viel Hilfe aus dem Norden<br />

erhalten und ist immer no<strong>ch</strong> glei<strong>ch</strong> arm. Muss die<br />

Entwicklungszusammenarbeit als Misserfolg gewertet<br />

werden?<br />

Monnier: Man darf ni<strong>ch</strong>t denken, dass die Entwicklung<br />

von der Zusammenarbeit bestimmt wird. Die<br />

Europäer werden an der Zukunft <strong>Afrika</strong>s ni<strong>ch</strong>ts ändern.<br />

Das Wort Entwicklung beinhaltet eine Art<br />

Missverständnis. Wird es ni<strong>ch</strong>t oft als Anhang des<br />

Wortes «Zivilisation» verstanden? <strong>Afrika</strong> weiss, was<br />

es will. Man soll es in Ruhe lassen! Viel zu lange<br />

s<strong>ch</strong>on wollte man ihm erklären, was es zu tun habe.<br />

Ndiaye: Sogar wenn die Ideologie der Zusammenarbeit<br />

gere<strong>ch</strong>tfertigt wäre, so kann diese Hilfe an<br />

<strong>Afrika</strong> – die ni<strong>ch</strong>t wirkli<strong>ch</strong> geholfen hat – nur vorübergehend<br />

sein. Der Kontinent muss auf si<strong>ch</strong> selber<br />

zählen. Im Übrigen ist diese Hilfe ni<strong>ch</strong>t uns<strong>ch</strong>uldig.<br />

Die Empfänger sind ebenso sehr Geber wie<br />

diese selber, denn das Geld kommt s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> an seinen<br />

Ausgangspunkt zurück. Man soll die <strong>Afrika</strong>ner<br />

endli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr als Kinder mit ewigen Bedürfnissen<br />

ansehen, sondern sie als Partner behandeln.<br />

<strong>Afrika</strong> bra<strong>ch</strong>te seit jeher Unternehmer hervor,<br />

Leute, wel<strong>ch</strong>e die Spra<strong>ch</strong>e der Wirts<strong>ch</strong>aft sehr gut<br />

verstehen.<br />

Gnansounou: <strong>Afrika</strong> hat Hilfe nötig. Es brau<strong>ch</strong>t<br />

Investitionen in Erziehung, Gesundheit, Infrastrukturen.<br />

Und wenn die afrikanis<strong>ch</strong>en Länder auf ihre<br />

eigenen Fähigkeiten allein angewiesen wären, würde<br />

das zu lange dauern. I<strong>ch</strong> befürworte alles, was das<br />

J.-C Gadmer<br />

Potenzial und die Kapazitäten <strong>Afrika</strong>s stärkt. I<strong>ch</strong><br />

sähe zum Beispiel eine Subventionierung der<br />

Fra<strong>ch</strong>tkosten, um die Exporte afrikanis<strong>ch</strong>er Produkte<br />

in die rei<strong>ch</strong>en Länder zu erlei<strong>ch</strong>tern. Wussten Sie,<br />

dass bei der Ananas aus der Elfenbeinküste die<br />

Fra<strong>ch</strong>t mehr als die Hälfte des Preises auf dem<br />

S<strong>ch</strong>weizer Engros-Markt ausma<strong>ch</strong>t?<br />

(Aus dem Französis<strong>ch</strong>en)


Bernard Descamps / Vu<br />

Von Dakar na<strong>ch</strong> Djibouti<br />

Anfangs der 50er-Jahre, zwanzig<br />

Jahre na<strong>ch</strong> dem französis<strong>ch</strong>en<br />

Ethnologen Marcel Griaule, reiste<br />

i<strong>ch</strong> auf den Spuren seiner Expedition<br />

von Dakar na<strong>ch</strong> Djobouti, in der<br />

Hand die Aufzei<strong>ch</strong>nungen von<br />

Mi<strong>ch</strong>el Leiris L’Afrique fantôme.<br />

Der Titel ma<strong>ch</strong>t die verwirrende<br />

Fremdartigkeit dieses Kontinents<br />

deutli<strong>ch</strong>, der si<strong>ch</strong> einem vers<strong>ch</strong>liesst,<br />

obwohl er si<strong>ch</strong> zu öffnen s<strong>ch</strong>eint.<br />

Was anfangs klar ers<strong>ch</strong>eint, wird bald<br />

komplex und dann unverständli<strong>ch</strong>.<br />

Man muss si<strong>ch</strong> mit dem Rätsel abfinden<br />

und es so gut wie mögli<strong>ch</strong><br />

interpretieren, um der Wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>keit<br />

auf die Spur zu kommen.<br />

Und trotz allem zweifelt man s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong>,<br />

ob man ri<strong>ch</strong>tig verstanden hat.<br />

Am einen Ende eingetau<strong>ch</strong>t, musste<br />

i<strong>ch</strong> den Weg erkämpfen, um am<br />

anderen Ende des Kontinents wieder<br />

aufzutau<strong>ch</strong>en. Es gelang mir nie<br />

re<strong>ch</strong>t, diese Strassenkilometer<br />

aneinander zu reihen. Ebenso wenig<br />

die Tage. Hie und da kam i<strong>ch</strong> dank<br />

dem Flugzeug wieder etwas zu<br />

Atem, wie ein Tau<strong>ch</strong>er kurz an die<br />

Oberflä<strong>ch</strong>e kommt, um Bilanz zu<br />

ziehen. Mit dem lokalen, von Post<br />

zu Post hüpfenden Flugzeug. Ni<strong>ch</strong>t<br />

mit der Langstreckenpost, wel<strong>ch</strong>e<br />

abrupt si<strong>ch</strong> von <strong>Afrika</strong> losreisst Ri<strong>ch</strong>tung<br />

dem Europa der Ges<strong>ch</strong>äfte, der<br />

Ferien, der Familien.<br />

Ansonsten war i<strong>ch</strong> fast immer mit<br />

dem Lastwagen unterwegs, im<br />

feu<strong>ch</strong>ten Dunst des frühen Morgens<br />

mit den Turteltauben, in der flirrenden<br />

Hitze des Mittags, abends mit<br />

den Insekten. Die bes<strong>ch</strong>ädigten Sitze<br />

s<strong>ch</strong>üttelten die Nieren dur<strong>ch</strong>, die<br />

holprige Strasse liess uns ans<br />

Wagenda<strong>ch</strong> spicken, und die Hitze<br />

des Motors grillierte Füsse, Knie,<br />

Gesi<strong>ch</strong>t. In der Ware hinten im<br />

Wagen s<strong>ch</strong>ien das Gewi<strong>ch</strong>t des<br />

ganzen Kontinents zu liegen. Die<br />

Ladung bestand aus Mais, Palmkohl,<br />

Baumwolle, Fasern. Lange gelbe<br />

Jutestränge wurden auf den lokalen<br />

Märkten abgeholt, wo sie um die<br />

Waage und den Mann von der<br />

Behörde herum gestapelt waren.<br />

Farbenprä<strong>ch</strong>tige Baumwolle, die<br />

stückweise zu drei Faden wieder<br />

verkauft wurde, oder geräu<strong>ch</strong>ertes<br />

Fleis<strong>ch</strong>, dessen Haut und Kno<strong>ch</strong>en<br />

ges<strong>ch</strong>wärzt waren. Damals gab es<br />

no<strong>ch</strong> Banknoten zu fünf Francs, auf<br />

denen «Afrique française libre» stand.<br />

An den Haltestellen ko<strong>ch</strong>ten die<br />

Fahrer die Atanga, eine Art bittere<br />

Pflaume. Sie tau<strong>ch</strong>ten sie an einem<br />

Stock ins Kühlwasser des Motors,<br />

man<strong>ch</strong>mal fiel sie hinein, dann kam<br />

es zu Fehlzündungen oder Pannen.<br />

Man<strong>ch</strong>mal wurden einem etwas<br />

zweifelhafte Eier angeboten, ohne<br />

Legedatum, die Hühner hatten sie<br />

irgendwann in der Bös<strong>ch</strong>ung gelegt.<br />

Es gab au<strong>ch</strong> Flussfis<strong>ch</strong>e voller Gräten,<br />

grüne Bananen und Maniok,<br />

Blausäure.<br />

Die kurvenrei<strong>ch</strong>e Strasse führte<br />

unter den Baumkronen hindur<strong>ch</strong>.<br />

Im S<strong>ch</strong>atten Pfützen voller seifigen<br />

S<strong>ch</strong>lamms. Aber sobald die Sonne<br />

dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ien, wirbelte der rote Lateritsand<br />

auf und gab einem das Aussehen<br />

eines Mohikaners. Ein Lo<strong>ch</strong><br />

blieb nie lange gefüllt: sonst wäre<br />

dem nahen Dorf die Arbeit ausgegangen.<br />

Dort leistete man immer<br />

gern Pannenhilfe. Diese Dörfer,<br />

in denen man s<strong>ch</strong>lief, weil man<br />

wegen eines Wirbelsturms ni<strong>ch</strong>t<br />

übers Wasser fahren konnte, oder<br />

weil die S<strong>ch</strong>einwerfer wegen der<br />

ers<strong>ch</strong>öpften Batterie nur no<strong>ch</strong><br />

flackerten. Man fiel fast um vor<br />

Müdigkeit. Aber immer gab es das<br />

Empfangsritual, Brüders<strong>ch</strong>aft,<br />

Konversation, Austaus<strong>ch</strong> von<br />

Neuigkeiten. Überall in <strong>Afrika</strong>, am<br />

Wasser wie entlang der Pisten, an<br />

den Stränden wie auf den Hügeln,<br />

mitten im Wald und im Dicki<strong>ch</strong>t,<br />

immer diese Menge von Gesi<strong>ch</strong>tern,<br />

so dass man glaubte, diese<br />

leere Welt sei überbevölkert. Und<br />

die Palaver. I<strong>ch</strong> werde nie den<br />

gehörnten Ehemann vergessen,<br />

der vor dem Chef ers<strong>ch</strong>ien, die in<br />

Tränen aufgelöste Ungetreue im<br />

S<strong>ch</strong>lepptau, in der Hand einen<br />

Zettel mit Zahlen zu den Angriffen<br />

auf seine «ehemännli<strong>ch</strong>e» Ehre.<br />

Darauf las i<strong>ch</strong> unter anderem: «Ein<br />

Hahn, von mir gekauft, von meiner<br />

Frau ihrem Liebhaber verkauft, 400<br />

Francs.»<br />

Ein Kontinent, auf dem die Neugier<br />

nie eins<strong>ch</strong>läft. In diesem Sinn<br />

hat si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts geändert. <strong>Afrika</strong> hat<br />

seine Fähigkeit zu überras<strong>ch</strong>en<br />

ni<strong>ch</strong>t verloren, angefangen bei<br />

seiner glückli<strong>ch</strong>en Ausdrucksweise,<br />

bis hin zu seiner Musik, die trotz<br />

all des Unglücks wel<strong>ch</strong>es es immer<br />

wieder heimsu<strong>ch</strong>t, so hervorragend<br />

ist, dass mittlerweile die ganze Welt<br />

na<strong>ch</strong> ihrem Rhythmus tanzt.<br />

(Aus dem Französis<strong>ch</strong>en)<br />

Monique Jacot<br />

Carte blan<strong>ch</strong>e<br />

Charles-Henri Favrod,<br />

Journalist und S<strong>ch</strong>riftsteller,<br />

war viel in <strong>Afrika</strong><br />

unterwegs, s<strong>ch</strong>on zur<br />

Kolonialzeit. Er s<strong>ch</strong>rieb<br />

mehrere Bü<strong>ch</strong>er, so «Le<br />

poids de l’Afrique» (1958),<br />

«L’Afrique seule» (1961)<br />

und «La révolution<br />

algérienne» (1959), ihm<br />

sind au<strong>ch</strong> die Reihe<br />

«L’Atlas des Voyages»<br />

(Rencontre) und die<br />

«L’Encyclopédie du<br />

monde actuel» (Ha<strong>ch</strong>ette)<br />

zu verdanken. Er setzte<br />

si<strong>ch</strong> oft mit dem neuen,<br />

unabhängigen <strong>Afrika</strong><br />

auseinander, namentli<strong>ch</strong><br />

in seinen Kino- und<br />

Fernsehfilmen. Als<br />

historis<strong>ch</strong>er Fotograf<br />

leitete Charles-Henri<br />

Favrod von 1985 bis 1995<br />

das Musée de l’Elysée in<br />

Lausanne. Er war besorgt<br />

über die Art, wie <strong>Afrika</strong><br />

fotografiert wurde. «Bis es<br />

si<strong>ch</strong> selbst fotografierte,<br />

was es heute ausserordentli<strong>ch</strong><br />

gut kann», so<br />

Favrods Kommentar.<br />

Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />

28<br />

29


K U L T U R<br />

Zum vierten Mal fand Ende 1999 in Bamako, Mali, das «Festival du Théâtre<br />

des Réalités» statt. Die S<strong>ch</strong>weiz unterstützte das Austaus<strong>ch</strong>projekt, das<br />

dem Theater im Sahel neue Impulse geben sollte. Es stand unter dem<br />

doppelsinnigen Motto «De l’oral aux cris» als Freudens<strong>ch</strong>rei aber au<strong>ch</strong><br />

Hilferuf. Jodok W. Kobelt* erlebte eine Wo<strong>ch</strong>e voller Tanz, Trommeln, Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />

und Begegnungen.<br />

«Wir mö<strong>ch</strong>ten mit unserem<br />

Festival Gemeinsamkeiten für<br />

alle sozialen Gruppen s<strong>ch</strong>affen,<br />

ni<strong>ch</strong>t eine Veranstaltung für die<br />

Gebildeten und Vermögenden<br />

von Bamako. Bei uns sitzt der<br />

Gebildete neben dem Ungebildeten<br />

ohne S<strong>ch</strong>ulausbildung und<br />

Französis<strong>ch</strong>kenntnissen. Was<br />

zählt, ist die Gemeinsamkeit des<br />

Erlebens. Die Wirkung sol<strong>ch</strong>er<br />

Gemeinsamkeiten kann viellei<strong>ch</strong>t<br />

über den Theaterabend hinausführen»,<br />

sagt Adama Traore,<br />

Festivaldirektor des «4. Festival<br />

du Théâtre des Réalités».<br />

Theater hat in Mali eine lange<br />

Tradition, wenn man das<br />

Koteba-Volkstheater mitbetra<strong>ch</strong>tet.<br />

Seit Jahrhunderten wird<br />

Tanztheater zur Unterhaltung<br />

wie zur Belehrung eingesetzt,<br />

heute au<strong>ch</strong> im Dienste von<br />

Entwicklungsagenturen und<br />

-ideen. «S<strong>ch</strong>on die alten Könige<br />

wussten: Hören ist gut, aber<br />

wenn die Mens<strong>ch</strong>en eine Bots<strong>ch</strong>aft<br />

hören und sehen, dann erst<br />

bleibt sie haften», erklärt Adama<br />

Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />

Theater und<br />

Realität<br />

in Bamako<br />

Traore. Haben wir es also an<br />

diesem Festival mit der traditionellen<br />

Theaterkultur zu tun?<br />

Jein. Neben Theater- und Tanzgruppen<br />

aus einigen Regionen<br />

Malis nahmen a<strong>ch</strong>t Theatertruppen<br />

aus Senegal, Italien,<br />

Frankrei<strong>ch</strong>, Burkina Faso und<br />

Kanada teil.<br />

Bühnenspra<strong>ch</strong>e ist mehrheitli<strong>ch</strong><br />

Französis<strong>ch</strong>. Sinnvoll in einem<br />

Land, in dem offiziell 80 Prozent<br />

Analphabeten leben? «Die Zahl<br />

stimmt so ni<strong>ch</strong>t», erklärt der<br />

Journalist und Regisseur<br />

Boubacar Belco Diallo, «sie<br />

können viellei<strong>ch</strong>t den lateinis<strong>ch</strong>en<br />

Bu<strong>ch</strong>staben A ni<strong>ch</strong>t lesen,<br />

aber in Korans<strong>ch</strong>ulen wurden<br />

au<strong>ch</strong> viele alphabetisiert – warum<br />

tau<strong>ch</strong>en die in den Statistiken<br />

ni<strong>ch</strong>t auf?» Marie Françoise<br />

Balavoine, Presseverantwortli<strong>ch</strong>e<br />

des Festivals, antwortet mit einer<br />

Gegenfrage: «Warum sollen Leute,<br />

die tägli<strong>ch</strong> im Fernsehen<br />

französis<strong>ch</strong>e Fortsetzungsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />

mitverfolgen und<br />

spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> kaum verstehen,<br />

ni<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> einen Theaterabend<br />

geniessen können?» Balavoine<br />

kennt <strong>Afrika</strong> seit Jahren: «I<strong>ch</strong><br />

habe früher Wasserpumpen für<br />

Mali oder Senegal vertrieben,<br />

aber i<strong>ch</strong> merkte, die Leute brau<strong>ch</strong>en<br />

mehr als nur Existenzsi<strong>ch</strong>erung.<br />

Sie haben au<strong>ch</strong> ein<br />

Bedürfnis na<strong>ch</strong> Unterhaltung.<br />

Darum gehen wir mit den Produktionen<br />

au<strong>ch</strong> in die Quartiere<br />

zu jenen Leuten, die si<strong>ch</strong> die<br />

Fahrt ins Stadtzentrum ni<strong>ch</strong>t<br />

leisten können.»<br />

Alte Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten neu<br />

erzählen<br />

S<strong>ch</strong>ulhöfe und Spielplätze bilden<br />

die Theaterbühnen in den Quartieren.<br />

Zeltbahnen auf dem Boden<br />

markieren die Bühne und<br />

verhindern, dass no<strong>ch</strong> mehr vom<br />

allgegenwärtigen roten Staub<br />

der Erde Malis in der Luft liegt.<br />

Davor Strohmatten, auf denen<br />

ein ki<strong>ch</strong>ernder Kinderhaufen<br />

den Auftritt der S<strong>ch</strong>auspieler<br />

erwarten, dahinter stehen die<br />

Erwa<strong>ch</strong>senen. Vier bis se<strong>ch</strong>s alte<br />

S<strong>ch</strong>einwerfer beleu<strong>ch</strong>ten die<br />

Bühne notdürftig. Hier no<strong>ch</strong><br />

s<strong>ch</strong>nell eine Farbfolie auf den<br />

S<strong>ch</strong>einwerfer geklebt, dort eine<br />

Gruppe si<strong>ch</strong> balgender Jungs<br />

beruhigt.<br />

Die Vorstellung kann beginnen.<br />

Für die S<strong>ch</strong>auspieler ist die Arbeit<br />

hart, speziell, wenn feinere<br />

Töne, mehr Dialog als Aktion,<br />

in den Stücken vorkommen.<br />

«Die Leute erwarten die<br />

s<strong>ch</strong>nellen, witzigen Sket<strong>ch</strong>es,<br />

wel<strong>ch</strong>e sie von den Theatergruppen<br />

kennen, die für eine<br />

Erziehungs- oder Informationskampagne<br />

im Auftrag des Staates<br />

unterwegs sind. Was wir bieten,<br />

ist neu für sie», erklärt Ildevert<br />

Meda aus Burkina Faso, Autor<br />

und Regisseur von «L'amour<br />

d'une mère».<br />

Seine Darsteller müssen viel<br />

lauter spre<strong>ch</strong>en, no<strong>ch</strong> mehr<br />

Präsenz in ihre Darbietung<br />

bringen, um die Aufmerksamkeit<br />

der Leute zu behalten. «Es wird<br />

einfa<strong>ch</strong>er, wenn die Mens<strong>ch</strong>en<br />

in unserem Stück Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />

Jodok W.Kobelt (4)


30<br />

31


Jodok W.Kobelt (3)<br />

entdecken, die sie viellei<strong>ch</strong>t<br />

no<strong>ch</strong> als Erzählung ihrer Grossmutter<br />

kennen gelernt haben»,<br />

sagt Meda, «denn wir arbeiten<br />

mit diesen allegoris<strong>ch</strong>en Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten,<br />

Mythen und Mär<strong>ch</strong>en.<br />

Wenn die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te erkannt<br />

wird, bleiben die Leute dran,<br />

au<strong>ch</strong> wenn ni<strong>ch</strong>t alles Gespro<strong>ch</strong>ene<br />

verstanden wird.»<br />

Ni<strong>ch</strong>t alle Stücke werden in den<br />

Vororten gezeigt. Die Produktion<br />

«Les indépendantristes»<br />

der Truppe «Les 7 Koûss» aus<br />

Senegal wäre zu wortlastig.<br />

Die Rahmenhandlung: Auf der<br />

Flu<strong>ch</strong>t vor dem Bürgerkrieg<br />

treffen si<strong>ch</strong> sieben Figuren auf<br />

einem Bahnhof. Die S<strong>ch</strong>ienen<br />

sind weg. «Keine S<strong>ch</strong>ienen? Kein<br />

Problem! Der Zug ist das Wi<strong>ch</strong>tigste!»<br />

Um die Wartezeit zu<br />

überbrücken vertreiben sie si<strong>ch</strong><br />

die Zeit mit Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten erzählen.<br />

Am S<strong>ch</strong>luss verlieren si<strong>ch</strong><br />

die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten in Absurditäten:<br />

«Die Kerzenfabrik konnte ni<strong>ch</strong>t<br />

mehr produzieren: Kein Strom»,<br />

oder «Den Helden wurde so laut<br />

applaudiert, dass alle Tiere vor<br />

dem Lärm ausser Landes flü<strong>ch</strong>teten».<br />

Der Bürgerkrieg holt die<br />

Wartenden ein, sie sterben im<br />

Kugelhagel. «I<strong>ch</strong> bin <strong>Afrika</strong>ner –<br />

Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />

i<strong>ch</strong> weiss zu sterben», wurde<br />

vom Belgier Jean-Claude Idee<br />

inszeniert und wäre wohl in<br />

seiner becketts<strong>ch</strong>en Absurdität<br />

und seiner Wortlastigkeit in den<br />

Quartieren ni<strong>ch</strong>t verstanden<br />

worden.<br />

Le Bien-Avoir<br />

Eine ganz andere Form hat die<br />

italienis<strong>ch</strong>e Truppe «Koron Tlé»<br />

aus Mailand mit S<strong>ch</strong>auspiels<strong>ch</strong>ülerinnen<br />

und -s<strong>ch</strong>ülern aus<br />

Bamako erarbeitet: Ein Mix aus<br />

Alltags-Spra<strong>ch</strong>fetzen in Italienis<strong>ch</strong>,<br />

Französis<strong>ch</strong> und Bambara.<br />

Wenn da die blonde Italienerin<br />

die Bambara-Übersetzung von<br />

«I<strong>ch</strong> liebe Di<strong>ch</strong>» oder «Geh mir<br />

ni<strong>ch</strong>t auf die Nerven» spri<strong>ch</strong>t,<br />

bleibt der La<strong>ch</strong>er ni<strong>ch</strong>t aus,<br />

und wenn der quirlige Student<br />

aus Bamako «Io ti amo» sagt,<br />

wird au<strong>ch</strong> das verstanden und<br />

beklats<strong>ch</strong>t.<br />

Hinter dem kulturellen<br />

Engagement der Theatergruppe<br />

steht die Regisseurin Serena<br />

Sartori. Sie empfindet die Einstellung<br />

vieler Europäer, afrikanis<strong>ch</strong>e<br />

Kultur zur Folklore zu<br />

degradieren, als überhebli<strong>ch</strong>:<br />

«I<strong>ch</strong> wehre mi<strong>ch</strong> dagegen, in der<br />

Wahrnehmung <strong>Afrika</strong>s immer<br />

Hunger, Krieg und Armut<br />

hervorzuheben. Wer mit den<br />

Künstlern zusammenarbeitet,<br />

findet einen immensen Rei<strong>ch</strong>tum,<br />

einen Stolz, den man mit<br />

dem überhebli<strong>ch</strong>en Gefühl des<br />

Mitleids abtötet. Ein afrikanis<strong>ch</strong>er<br />

Freund sagte mir mal:<br />

«Ihr habt wohl das Bien-Avoir<br />

aber ni<strong>ch</strong>t das Bien-Etre, ihr<br />

Europäer begreift uns <strong>Afrika</strong>ner<br />

viellei<strong>ch</strong>t dann, wenn ihr versteht,<br />

dass unsere Seelen<br />

hungriger sind als unsere Körper.<br />

Die Europäer leben zur<br />

Zeit auf allen Ebenen in einer<br />

existenziellen Leere, darum<br />

haben wir keine Bere<strong>ch</strong>tigung,<br />

andere zu beurteilen, ihre Kultur<br />

mit unseren Werten zu messen.»<br />

Stellt si<strong>ch</strong> die Frage, ob es überhaupt<br />

Sinn ma<strong>ch</strong>t, dass si<strong>ch</strong><br />

Europa sowohl künstleris<strong>ch</strong> wie<br />

finanziell für ein Theaterfestival<br />

in Bamako engagiert. Besteht<br />

ni<strong>ch</strong>t die Gefahr, dass aus der<br />

guten Absi<strong>ch</strong>t des Engagements<br />

eine neue Form von Kultur-<br />

Kolonisierung erwä<strong>ch</strong>st? Serena<br />

Sartori s<strong>ch</strong>üttelt vehement den<br />

Kopf: «Diese Frage haben au<strong>ch</strong><br />

wir mit vielen afrikanis<strong>ch</strong>en<br />

Künstlern und Intellektuellen<br />

bespro<strong>ch</strong>en. Die für mi<strong>ch</strong> gültige<br />

Antwort stammt von Dany<br />

Kouyate, einem Regisseur aus<br />

Burkina Faso, der mir sagte: ‘Ihr<br />

habt uns die Komplexe unserer<br />

eigenen Kultur gegenüber<br />

eingetri<strong>ch</strong>tert. Jetzt helft ihr uns<br />

au<strong>ch</strong>, diese Komplexe wieder<br />

zu zerbre<strong>ch</strong>en.’»<br />

* Jodok W. Kobelt ist freier<br />

Journalist für Radio DRS und<br />

andere Medien.<br />

<strong>Afrika</strong> ist anders..<br />

...als viele Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>ten uns<br />

glauben ma<strong>ch</strong>en. <strong>Afrika</strong>nis<strong>ch</strong>es<br />

Leben ist au<strong>ch</strong> Freude, Stolz,<br />

Farbe. Aktive Märkte, solidaris<strong>ch</strong>e<br />

Familien, innovative<br />

Künste. Die DEZA will diese<br />

Realitäten stärker ins Bewusstsein<br />

bringen. Sie unterstützt<br />

deshalb dieses Jahr vers<strong>ch</strong>iedenste<br />

Kulturanlässe, die<br />

dieses andere <strong>Afrika</strong> ins Zentrum<br />

stellen. Details dazu siehe<br />

auf der Agenda-Seite zuhinterst<br />

in diesem Heft.


Film<br />

Musik<br />

Kopf in den Wolken<br />

In Yaounde, der Hauptstadt<br />

Kameruns, vers<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tern si<strong>ch</strong><br />

die sozialen und wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />

Verhältnisse immer mehr. Viele<br />

Leute, au<strong>ch</strong> gut ausgebildete,<br />

sehen si<strong>ch</strong> gezwungen, mit irgendeiner<br />

Nebenbes<strong>ch</strong>äftigung<br />

ihren Lebensunterhalt zu verdienen.<br />

Der Film «Mit dem Kopf<br />

in den Wolken» führt ein in die<br />

Welt des sogenannten informellen<br />

Sektors. Jean-Marie Téno malt<br />

ein eindrückli<strong>ch</strong>es Bild von der<br />

Lebenssituation, dem Überlebenswillen<br />

und dem Einfallsrei<strong>ch</strong>tum<br />

der Mens<strong>ch</strong>en in Yaounde.<br />

Und er kämpft filmend gegen die<br />

si<strong>ch</strong> verbreitende Apathie, den<br />

Zynismus und die Lebensvera<strong>ch</strong>tung<br />

in seinem Land.<br />

Jean-Marie Téno, Kamerun 1994,<br />

Dok-Film, 35 Minuten.<br />

Fa<strong>ch</strong>stelle «Filme für eine Welt»,<br />

Tel. 031 398 20 88,<br />

www.filmeeinewelt.<strong>ch</strong><br />

<strong>Afrika</strong> der Frauen<br />

(er) Fesselnde Stimmen, aussergewöhnli<strong>ch</strong>eInstrumentalistinnen<br />

und Komponistinnen,<br />

Grenzgängerinnen zwis<strong>ch</strong>en<br />

Tradition und Moderne, die<br />

«ein neues <strong>Afrika</strong>, das <strong>Afrika</strong> der<br />

Frauen» präsentieren, dies alles ist<br />

auf dem Sampler «Donna Africa»<br />

zu finden. Die tunesis<strong>ch</strong>e Musikerin<br />

Mouna Amari kombiniert<br />

die arabis<strong>ch</strong>e Laute Oud mit<br />

dem europäis<strong>ch</strong>en Kontrabass.<br />

Die Nigerianerin Yinka Davies<br />

führt traditionelle arabis<strong>ch</strong>tunesis<strong>ch</strong>e<br />

Gesänge und Yoruba-<br />

Melodien mit indis<strong>ch</strong>en Tabla-<br />

Rhythmen zusammen. Und<br />

wenn die im burundis<strong>ch</strong>en Exil<br />

lebende ruandis<strong>ch</strong>e Prinzessin<br />

Florida Uwera das Klagelied<br />

Bü<strong>ch</strong>er<br />

«Mana Yabjye» (Wo bist du,<br />

mein Gott?) a cappella interpretiert,<br />

ist Gänsehaut angesagt.<br />

«Donna Africa» (Peregrina<br />

Music/Musikvertrieb)<br />

Liebeslied einer Legende<br />

(er) Melodis<strong>ch</strong>e Gitarrenriffs perlen<br />

hell, satte Bassläufe grooven<br />

sanft, eine warm eins<strong>ch</strong>mei<strong>ch</strong>elnde<br />

Stimme setzt zuweilen fast<br />

jubilierend ein: Das ist die Musik<br />

des 75-jährigen Wendo Kolosoy.<br />

Der Pate des kongolesis<strong>ch</strong>en<br />

Rumba landete 1949 mit der in<br />

der Lingala-Spra<strong>ch</strong>e vorgetragenen<br />

Liebeserklärung «Marie-<br />

Louise» einen grossen Hit. In<br />

den 60er-Jahren geriet er in<br />

Vergessenheit. Ein Film und ein<br />

umjubeltes Comeback-Konzert<br />

in Abidjan holten ihn nun aus<br />

der Versenkung – und no<strong>ch</strong>mals<br />

ins Studio. Im Mittelpunkt<br />

seiner neuen CD steht wiederum<br />

«Marie-Louise». Zudem kommt’s<br />

zum musikalis<strong>ch</strong>en Flirt mit der<br />

«Golden Voice of Cameroun»,<br />

der 68-jährigen «Maman» Anne-<br />

Marie Nzie.<br />

Wendo Kolosoy, «Marie-Louise»<br />

(Indigo/RecRec)<br />

Globalisierung und<br />

Widerstand<br />

Einmal mehr bringt die S<strong>ch</strong>riftenreihe<br />

«Widerspru<strong>ch</strong>» ein Heft<br />

heraus, wel<strong>ch</strong>es aktueller kaum<br />

sein könnte. «Globalisierung<br />

und Widerstand» behandelt, mal<br />

kontrovers mal inspirierend,<br />

brisante Themen wie den Freihandel,<br />

Finanzmärkte und Tobin-<br />

Steuer, die Migration und Frauen,<br />

den Standortnationalismus, die<br />

Pharmaindustrie und die Gewerks<strong>ch</strong>aften<br />

oder Agrokonzerne und<br />

Patente auf Leben.<br />

«Globalisierung und Widerstand»<br />

kann bestellt werden bei:<br />

«Widerspru<strong>ch</strong>»,Tel. 01 273 03 01;<br />

www.widerspru<strong>ch</strong>.<strong>ch</strong><br />

Das andere <strong>Afrika</strong><br />

(gnt) Die belgis<strong>ch</strong>e Reisereporterin<br />

Lieve Joris bes<strong>ch</strong>reibt<br />

so minutiös wie subjektiv ihre<br />

Begegnungen im Sahel. Die<br />

Unwirtli<strong>ch</strong>keit dieser Region<br />

<strong>Afrika</strong>s kontrastiert krass mit<br />

der Liebenswürdigkeit ihrer<br />

BewohnerInnen, die Kargheit<br />

der Überlebensmittel mit dem<br />

Glanz der sozialen Fähigkeiten<br />

der Mens<strong>ch</strong>en. Erkenntli<strong>ch</strong><br />

werden aber au<strong>ch</strong> deren Abgründe<br />

und S<strong>ch</strong>attenseiten, oder<br />

die Ursa<strong>ch</strong>en und Folgen der<br />

legendären Langsamkeit <strong>Afrika</strong>s.<br />

Lieve Joris: «Mali Blues, ein<br />

afrikanis<strong>ch</strong>es Tagebu<strong>ch</strong>», Mün<strong>ch</strong>en:<br />

Malik 1998.<br />

Leserbrief<br />

Solaröfen als Alternative<br />

(Indis<strong>ch</strong>e Bäcker und Primus-<br />

Ko<strong>ch</strong>er in Südafrika in der<br />

Nummer 1/2000).<br />

Als Alternativen zu den<br />

traditionellen Backsteinöfen,<br />

die mit Holz beheizt werden,<br />

gibt es ni<strong>ch</strong>t nur Dieselöl oder<br />

elektris<strong>ch</strong> betriebene Öfen,<br />

sondern au<strong>ch</strong> Sonnenöfen.<br />

Diese backen (und ko<strong>ch</strong>en)<br />

ohne Energiekosten und ohne<br />

Luftvers<strong>ch</strong>mutzung. Kleine<br />

Modelle für die Familienkü<strong>ch</strong>e<br />

können sogar im Eigenbau<br />

hergestellt werden. Die<br />

grösste Solarkü<strong>ch</strong>e nahm<br />

Ende 1998 den Betrieb auf.<br />

Sie ko<strong>ch</strong>t und bäckt seither<br />

zwei bis drei warme Mahlzeiten<br />

für über 10000 Mens<strong>ch</strong>en<br />

im Brahmakumaris’<br />

Ashram, Mt. Abu in Rajasthan,<br />

Nordindien auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> mit<br />

Sonnenenergie.<br />

Ulri<strong>ch</strong> Oehler, Entwicklungsingenieur,<br />

Gruppe ULOG, Basel<br />

Service<br />

Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />

32<br />

33


Eine Welt – viel Lob<br />

Un seul monde<br />

Un solo mondo<br />

Eine Welt<br />

Wasser – ohne internationale<br />

Zusammenarbeit und globales<br />

Management läuft ni<strong>ch</strong>ts<br />

Südafrika zwis<strong>ch</strong>en Widerspru<strong>ch</strong><br />

und Anspru<strong>ch</strong><br />

Armutsbekämpfung in der Sackgasse<br />

Eine Welt<br />

Un solo mondo<br />

Un seul monde<br />

Un seul monde<br />

Eine Welt<br />

Un solo mondo<br />

Le Nuove<br />

T ecnologie<br />

d ell in f ormazione<br />

Opportunità, ris<strong>ch</strong>i e limiti nei paesi<br />

in via di sviluppo e<br />

nella cooperazione allo sviluppo<br />

Ritratto del Kirghistan<br />

L’ex repubblica sovietica dal kol<strong>ch</strong>oz<br />

all’economia di mercato<br />

Latticini svizzeri nelle zone sinistrate<br />

Un’esportazione sensata? Un dibattito<br />

Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />

NR. 1<br />

MÄRZ 2000<br />

DAS DEZA-MAGAZIN<br />

FÜR ENTWICKLUNG<br />

UND ZUSAMMENARBEIT<br />

N O 3<br />

SEPTEMBRE 1999<br />

LE MAGAZINE DE LA DDC<br />

SUR LE DÉVELOPPEMENT<br />

ET LA COOPÉRATION<br />

Dix ans après la <strong>ch</strong>ute du Mur<br />

Nouvelle Europe – nouvelle<br />

politique de développement<br />

Une analyse de la situation,<br />

l’engagement suisse,<br />

une interview et une comparaison<br />

Nicaragua<br />

Régulièrement frappé par des catastrophes,<br />

le pays ne se laisse pas abattre. Un portrait<br />

Le troisième âge négligé ?<br />

Débat sur la vieillesse et<br />

la coopération au développement<br />

N.1<br />

FEBBRAIO 1999<br />

LA RIVISTA DELLA DSC<br />

PER LO SVILUPPO E LA<br />

COOPERAZIONE<br />

Seit 1998 ers<strong>ch</strong>eint das Magazin der DEZA mit einem neuen<br />

Konzept. Nun zeigt eine aktuelle Untersu<strong>ch</strong>ung der Medienberatungsfirma<br />

Publicom auf, dass die Neukonzeption von<br />

«Eine Welt – Un seul monde – Un solo mondo» die wi<strong>ch</strong>tigsten<br />

Ziele errei<strong>ch</strong>t hat: Es konnten viele neue Leser und Leserinnen<br />

gefunden werden, die Zufriedenheit ist gestiegen, und die<br />

neue, zeitgemässige Gestaltung hat das Heft attraktiver<br />

gema<strong>ch</strong>t. Von René Grossenba<strong>ch</strong>er*.<br />

Vor zwei Jahren wurde das DEZA-Magazin «E+D»<br />

in «Eine Welt» umgetauft. Dabei wurden ni<strong>ch</strong>t nur<br />

Namen, sondern au<strong>ch</strong> Aussehen und Themenangebot<br />

geändert. Zudem ers<strong>ch</strong>eint das Heft nun viermal<br />

jährli<strong>ch</strong>, anstatt dreimal wie vor dem Relaun<strong>ch</strong>.<br />

Die auf Medienberatung spezialisierte Publicom hat<br />

nun analysiert, wie die Lesers<strong>ch</strong>aft «Eine Welt» heute<br />

eins<strong>ch</strong>ätzt. Als Verglei<strong>ch</strong> wurde eine 1996 dur<strong>ch</strong>geführte<br />

Studie zu «E+D» beigezogen. Befragt wurden<br />

600 repräsentativ ausgewählte Abonnenten und<br />

Abonnentinnen der drei Spra<strong>ch</strong>versionen. Die Ergebnisse<br />

sind überzeugend – die meisten Veränderungen<br />

werden von den Befragten als Verbesserungen<br />

eingestuft.<br />

Interessant und kompetent<br />

«‘Eine Welt’ bietet interessante Themen, ist gut<br />

verständli<strong>ch</strong> und wirkt kompetent.» So lautet das<br />

überaus positive und in den drei Spra<strong>ch</strong>regionen<br />

annähernd einstimmige Urteil der Abonnenten und<br />

Abonentinnen.<br />

Obwohl im Allgemeinen ein re<strong>ch</strong>t homogenes<br />

Interesse an den meisten Themen der Publikation<br />

besteht, gibt es do<strong>ch</strong> einige Berei<strong>ch</strong>e die besonders<br />

beliebt sind. Zu den Spitzenreitern gehören dabei<br />

eher generelle Fragen zu Wirts<strong>ch</strong>aft, Ausbildung,<br />

Umwelt und politis<strong>ch</strong>em System sowie zu s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />

Entwicklungsprojekten.<br />

Neun von zehn Befragten interessieren si<strong>ch</strong> sowohl<br />

für entwicklungspolitis<strong>ch</strong>e Themen als au<strong>ch</strong> für<br />

fremde Kulturen. Diese Tatsa<strong>ch</strong>e dürfte, laut Publicom-Untersu<strong>ch</strong>ung,<br />

der Hauptbeweggrund für ein<br />

Abonnement sein.<br />

Neue, attraktive Gestaltung beliebt<br />

Die Beurteilung der Gestaltung hat si<strong>ch</strong> gegenüber<br />

1996 klar verbessert. Das Magazin wirkt dadur<strong>ch</strong><br />

einladender und die Lesers<strong>ch</strong>aft findet einen s<strong>ch</strong>nelleren<br />

Zugang. Die meisten Befragten begründen<br />

sogar die Vorliebe für «Eine Welt» gegenüber dem<br />

Vorgänger-Magazin «E+D» gerade mit der besseren<br />

gestalteris<strong>ch</strong>en Aufma<strong>ch</strong>ung.<br />

Generell kann «Eine Welt» auf eine no<strong>ch</strong> zufriedenere<br />

Lesers<strong>ch</strong>aft als ihre Vorgängerin «E+D" bauen.<br />

Au<strong>ch</strong> der Mehrheit der langjährigen Leser und<br />

Leserinnen gefällt das jetzige Heft besser als das frühere<br />

«E+D». Das positive Urteil erstreckt si<strong>ch</strong> über<br />

alle drei Spra<strong>ch</strong>regionen.<br />

Trotz allem Lob ma<strong>ch</strong>en die Leser und Leserinnen<br />

au<strong>ch</strong> Verbesserungsvors<strong>ch</strong>läge und liefern nützli<strong>ch</strong>e<br />

Hinweise für die Weiterentwicklung der Zeits<strong>ch</strong>rift.<br />

So wüns<strong>ch</strong>en einige «mehr Meinungsvielfalt», andere<br />

den stärkeren Einbezug von Drittwelt-Journalisten<br />

oder die Berücksi<strong>ch</strong>tigung von NGO-Standpunkten.<br />

Geblieben ist die starke Bindung an das Heft. Sieben<br />

von zehn der Leser und Leserinnen der deuts<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>igen<br />

Ausgabe würden das Heft ziemli<strong>ch</strong> oder<br />

sogar sehr vermissen, müsste man darauf verzi<strong>ch</strong>ten.<br />

Im Tessin ist die Bindung sogar no<strong>ch</strong> stärker, obwohl<br />

es die italienis<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>ige Version erst seit<br />

zwei Jahren gibt.<br />

Positiver Beitrag zum Image der DEZA<br />

«‘Eine Welt’» lässt unabhängige Meinungen zu Wort<br />

kommen und ist ni<strong>ch</strong>t ein PR-Organ der Verwaltung.»<br />

Mit dieser Aussage gibt mehr als zwei Drittel<br />

der Lesers<strong>ch</strong>aft ihr grosses Vertrauen zu dieser<br />

Publikation zum Ausdruck.<br />

Dabei finden es fast alle Befragten in Ordnung, dass<br />

eine Amtsstelle eine sol<strong>ch</strong>e Zeits<strong>ch</strong>rift herausgibt,<br />

zumal sie die DEZA als «kompetent, weltoffen und<br />

glaubwürdig, ziemli<strong>ch</strong> effizient, jung, kostenbewusst,<br />

dynamis<strong>ch</strong>, kritis<strong>ch</strong> und wenig bürokratis<strong>ch</strong>»<br />

bes<strong>ch</strong>reiben. Ein sol<strong>ch</strong>es Image ist für eine Bundesstelle<br />

bea<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>, und es darf vermutet werden,<br />

dass «Eine Welt» einen wesentli<strong>ch</strong>en Beitrag zum<br />

vorteilhaften Image der DEZA bei den Lesern und<br />

Leserinnen leistet.<br />

*Dr. René Grossenba<strong>ch</strong>er ist Ges<strong>ch</strong>äftsführer<br />

der Publicom AG.


Agenda<br />

Das andere <strong>Afrika</strong> Zeena Bacar auf Tournee. Konsultieren<br />

Sie Kulturprogramme in Ihrer<br />

South meets West<br />

Region oder www.coordinarte.<strong>ch</strong><br />

Zeitgenössis<strong>ch</strong>e, überras<strong>ch</strong>ende<br />

Kunst aus <strong>Afrika</strong> in der Kunsthalle<br />

Im Juni auf S<strong>ch</strong>weizer Tournee<br />

und im Historis<strong>ch</strong>en Museum Bern. Paléo-Festival<br />

Nähere Informationen:<br />

Das Grossereignis an der Côte ist<br />

www.kunsthallebern.<strong>ch</strong><br />

zweifellos das bedeutendste und<br />

Bis 25.Juni in Bern<br />

weltoffenste Open-Air der S<strong>ch</strong>weiz.<br />

Zum 25. Geburtstag gratuliert die<br />

Boubou – c’est <strong>ch</strong>ic.<br />

DEZA und präsentiert si<strong>ch</strong> als<br />

Sonderausstellung im Museum der Partnerin des Dôme, dem Zelt der<br />

Kulturen Basel im Rahmen des Einen Welt.<br />

Themas Textilien.<br />

26. Mai bis Ende Jahr in Basel<br />

25. bis 30. Juli in Nyon<br />

WorldMusic FestivAlpe<br />

Afropfingsten: Welcome <strong>Afrika</strong> Fünf Kontinente treffen si<strong>ch</strong> in<br />

Ein afrikanis<strong>ch</strong>er Markt, Workshops, Chateau d’Oex auf dem Festival-<br />

Filme, Podiumsdiskussionen und gelände mit wettersi<strong>ch</strong>eren Konzert-<br />

Lesungen, sowie bekannte und junge Zelten.<br />

Musikgruppen hau<strong>ch</strong>en Winterthur<br />

afrikanis<strong>ch</strong>es Leben ein. Die DEZA<br />

4.-6. August in Chateau d’Oex<br />

hat das Patronat für dieses besondere Jahreskonferenz<br />

Festival auf dem Sulzer-Areal Block Die Jahreskonferenz für<br />

37, und präsentiert die Ausstellung Entwicklungszusammenarbeit ist<br />

«Hoffnung für <strong>Afrika</strong>» und eine dieses Jahr Mosambik gewidmet.<br />

weitere über Kulturgüterraub. Am Abend läuft ein Kultur-<br />

Detailinformationen:<br />

programm mit einer CD-Taufe.<br />

www.afro-pfingsten.<strong>ch</strong>.<br />

Detailprogramm in der nä<strong>ch</strong>sten<br />

6. bis 12. Juni in Winterthur<br />

Ausgabe von Eine Welt oder auf<br />

www.deza.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />

Eyuphuro<br />

Die berühmte Gruppe Eyuphuro aus<br />

Mosambik geht in der S<strong>ch</strong>weiz mit<br />

31. August im Kongresshaus Biel<br />

Beni Güntert<br />

Impressum<br />

«Eine Welt» ers<strong>ch</strong>eint viermal jährli<strong>ch</strong> in deuts<strong>ch</strong>er,<br />

französis<strong>ch</strong>er und italienis<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e.<br />

Herausgeberin<br />

Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA)<br />

des Eidgenössis<strong>ch</strong>en Departementes für auswärtige<br />

Angelegenheiten (EDA).<br />

Redaktionskomitee<br />

Harry Sivec (verantwortli<strong>ch</strong>) Catherine Vuffray (vuc)<br />

Andreas Stuber (sbs) Sarah Grosjean (gjs)<br />

Reinhard Voegele (vor) Joa<strong>ch</strong>im Ahrens (ahj)<br />

Gabriella Spirli (sgb) Beat Felber (bf)<br />

Redaktionelle Mitarbeit<br />

Beat Felber (bf – Produktion)<br />

Gabriela Neuhaus (gn) Maria Roselli (mr)<br />

Jane-Lise S<strong>ch</strong>neeberger (jls)<br />

Gestaltung<br />

Laurent Coc<strong>ch</strong>i, Lausanne<br />

Lithografie City Comp SA, Morges<br />

Druck Vogt-S<strong>ch</strong>ild / Habegger AG, Solothurn<br />

Wiedergabe<br />

Die Wiedergabe von Artikeln, au<strong>ch</strong> auszugsweise, ist<br />

unter Angabe der Quelle erlaubt. Ein Belegsexemplar<br />

an die Herausgeberin ist erwüns<strong>ch</strong>t.<br />

Abonnemente<br />

«Eine Welt» ist gratis erhältli<strong>ch</strong> bei: DEZA,<br />

Sektion Medien und Kommunikation, 3003 Bern,<br />

Tel. 031 322 34 40<br />

Fax 031 324 13 48<br />

E-mail: info@deza.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />

26139<br />

Der Umwelt zuliebe gedruckt auf <strong>ch</strong>lorfrei geblei<strong>ch</strong>tem<br />

Papier<br />

Gesamtauflage 50000<br />

Ums<strong>ch</strong>lag Denis Darjacq / Vu<br />

Internet: www.deza.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />

«Eine Welt»<br />

Bestellcoupon und Adressänderung<br />

• I<strong>ch</strong> mö<strong>ch</strong>te «Eine Welt» abonnieren. Das Magazin der DEZA ist gratis und ers<strong>ch</strong>eint viermal jährli<strong>ch</strong><br />

in Deuts<strong>ch</strong>, Französis<strong>ch</strong> und Italienis<strong>ch</strong>.<br />

I<strong>ch</strong> mö<strong>ch</strong>te folgende Anzahl Exemplare: ....... in Deuts<strong>ch</strong>, ....... in Französis<strong>ch</strong>, ......in Italienis<strong>ch</strong>.<br />

• I<strong>ch</strong> wüns<strong>ch</strong>e weitere Gratisexemplare der Nummer 2/2000 von «Eine Welt» und zwar:<br />

....... Ex. in Deuts<strong>ch</strong>, ...... Ex. in Französis<strong>ch</strong>, ..... Ex. in Italienis<strong>ch</strong>.<br />

• Meine neue Adresse lautet<br />

(Bitte in Blocks<strong>ch</strong>rift)<br />

Name und Vorname:<br />

Ev. Organisation/Institution:<br />

Adresse:<br />

Postleitzahl, Ort:<br />

«S<strong>ch</strong>weiz global», das Magazin des<br />

Eidgenössis<strong>ch</strong>en Departements für<br />

auswärtige Angelegenheiten (EDA), stellt<br />

aktuelle Themen der s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />

Aussenpolitik vor. Es ers<strong>ch</strong>eint vier- bis<br />

fünfmal jährli<strong>ch</strong> in Deuts<strong>ch</strong>, Französis<strong>ch</strong><br />

und Italienis<strong>ch</strong>.<br />

S<strong>ch</strong>werpunktmässig befasst si<strong>ch</strong> die<br />

nä<strong>ch</strong>ste Nummer von Ende Juni mit dem<br />

Thema «Internationale Fors<strong>ch</strong>ung» und<br />

der Rolle der S<strong>ch</strong>weiz in diesem Berei<strong>ch</strong>.<br />

Die letzte, im April publizierte Ausgabe<br />

Bei Adressänderungen legen Sie bitte die alte Adressetikette bei!<br />

widmet si<strong>ch</strong> insbesondere der zivilen<br />

Friedensförderung.<br />

Gratisabonnemente können bestellt<br />

werden bei:<br />

«S<strong>ch</strong>weiz global»<br />

c/o S<strong>ch</strong>aer Thun AG<br />

Industriestr. 12 3661 Uetendorf<br />

oder über e-mail:<br />

druckzentrum@s<strong>ch</strong>aerthun.<strong>ch</strong><br />

Senden Sie den Coupon an: DEZA, Sektion Medien und Kommunikation, 3003 Bern<br />

Eine Welt Nr.2/Juni 2000<br />

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