Sozialstaat ausgebremst - GEW Bezirksverband Frankfurt
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SEITE 1<br />
<strong>Bezirksverband</strong> der <strong>GEW</strong> · 60313 <strong>Frankfurt</strong> · Bleichstraße 38a · Postvertriebsstück · Gebühr bezahlt<br />
D FLZ 6402 Nr. 3/10 F<br />
<strong>Frankfurt</strong>er Lehrerzeitung<br />
Zeitung für Kolleginnen und Kollegen im Sozial-, Erziehungs- und Bildungsbereich<br />
FLZ Nr. 3 – 31. Jg. Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft – <strong>Bezirksverband</strong> <strong>Frankfurt</strong> am Main<br />
Oktober 2010<br />
Corts, Wolff, Koch<br />
inzwischen alle weg<br />
Zur Erinnerung die FLZ 4/07<br />
Corts: Rücktritt eingeleitet<br />
Wolff: Angezählt<br />
Koch: Verfallsdatum<br />
27. 01. 2008<br />
Politik leider noch<br />
nicht verändert<br />
Pension mit 67,5 Jahren –<br />
Nein Danke!<br />
Gegen die Politik<br />
der Zeitdiebe<br />
Die Rente / Pension mit 67 gehört<br />
zum Sparpaket – beides muß weg!<br />
CDU / FDP planen Volksentscheid<br />
über Verschuldungsverbot in die<br />
hessische Verfassung:<br />
<strong>Sozialstaat</strong> <strong>ausgebremst</strong><br />
Im Jahre X nach Einführung der „Schuldenbremse“<br />
Pflichtstunden<br />
verkürzen!<br />
Hessen hat als einziges Bundesland<br />
für Beamte und Lehrkräfte<br />
die 42-Stunden-Woche!<br />
–* Als Alibi – um von einer<br />
41-Stunden-Woche zu reden –<br />
hatte die CDU-FDP-Regierung<br />
das sogen. Lebensarbeitszeitkonto<br />
eingeführt, auf dem die<br />
Lehrkräfte die 42. Stunde, also<br />
eine halbe Pflichtstunde parken<br />
durften.<br />
Diese geparkten Stunden<br />
sollten am Ende der Lebensarbeitszeit,<br />
die bis dahin allerdings<br />
um zweieinhalb Jahre<br />
verlängert werden soll (!),<br />
in Anspruch genommen werden<br />
können.<br />
Nachbesserung der Landesregierung<br />
nach dem Warnstreik<br />
der <strong>GEW</strong> 2009:<br />
n Jetzt wird die halbe Pflichtstunde<br />
(42. Wochenarbeitsstunde)<br />
bereits rückwirkend<br />
zum 01. 01. 2007 auf das<br />
„Lebensarbeitszeitkonto“<br />
gebucht.<br />
n Bis zum Schuljahresbeginn<br />
2010/11 sind also bereits 2<br />
Pflichtstunden auf diesem<br />
Konto.<br />
n Und: Man muss nicht mehr<br />
bis zur Rente bzw. zur Pensionierung<br />
warten, sondern<br />
kann die halbe Pflichtstunde<br />
bereits nach 4 Jahren, also ab<br />
1.2.2011 oder ab dem Schuljahr<br />
2011/12 in Anspruch<br />
nehmen.<br />
n Dies kann dann alle 4 Jahre<br />
wiederholt werden.<br />
n Der Antrag muss jeweils ein<br />
hal-bes Jahr vorher gestellt<br />
werden.<br />
Konkret:<br />
n Wer den Antrag bis zum 31.<br />
07. 2010 gestellt hat, kann<br />
bereits zum 01. 02. 2011 für<br />
ein Jahr seine Pflichtstunden<br />
um 2 Stunden reduzieren,<br />
n Wer den Antrag bis zum<br />
1.2.2011 stellt, kann für<br />
das Schuljahr 2011/12 seine<br />
Pflichtstunden um 2,5 Stunden<br />
reduzieren.<br />
Stellt also Anträge zum 01.<br />
02. 2011, denn das Arbeitszeitkonto<br />
verfällt, wenn man<br />
aus Krankheitsgründen vorzeitig<br />
pensioniert wird oder in ein<br />
anderes Bundesland wechselt.<br />
Sprecht euch bei der Antragstellung<br />
untereinander ab.<br />
Ein Musterschreiben findet<br />
sich auf der Homepage des<br />
<strong>GEW</strong>-<strong>Bezirksverband</strong>s.<br />
* Dass die Arbeitszeit der<br />
Lehrkräfte in der Realität die<br />
Arbeitszeit von 42 Stunden<br />
pro Woche weit übersteigt,<br />
haben zahlreiche Arbeitszeitgutachten<br />
in der Vergangenheit<br />
belegt.
SEITE 2<br />
Pension mit 67,5 Jahren – Nein Danke!<br />
Gegen die Politik<br />
Das Leben ist zum Leben da, deshalb<br />
stehen wir heute – während<br />
im Landtag über die Regierungserklärung<br />
des Ministerpräsidenten<br />
diskutiert wird – wieder einmal auf<br />
der Straße, um gegen die Politik der<br />
Zeitdiebe zu demonstrieren.<br />
Denn es ist nichts anderes als<br />
Diebstahl der Lebenszeit der Menschen<br />
in unserem Land, wenn schon<br />
den jungen Leuten mit G8 die freie<br />
Zeit geraubt wird, wenn den Beamtinnen<br />
und Beamten in Hessen<br />
die bundesweit höchste Wochenarbeitszeit<br />
abverlangt wird und wenn<br />
jetzt auch noch die Lebensarbeitszeit<br />
um 2 Jahre – bei Lehrkräften<br />
auf bis zu 67,5 Jahren – angehoben<br />
werden soll.<br />
Jochen Nagel auf der Kundgebung<br />
am 07. 09. 2010 vor der Staatskanzlei<br />
in Wiesbaden<br />
Und in Anbetracht dessen, dass<br />
ich gehört habe, dass Ministerpräsident<br />
Bouffier in der Regierungserklärung<br />
den Beschäftigten und<br />
gerade auch den Lehrkräften für<br />
ihre wichtige Arbeit gedankt hat,<br />
sage ich: Wir brauchen kein Dankeschön<br />
in Sonntagsreden und Erklärungen,<br />
und wir wollen dies schon<br />
gar nicht in Zukunft auch noch<br />
zwei Jahre länger hören. Wir brauchen<br />
eine andere Politik für bessere<br />
Arbeits- und Lebensbedingungen in<br />
unserem Land!<br />
Wir brauchen eine Politik, die<br />
die sozialen Errungenschaften sichert<br />
und ausbaut, anstatt sie mit<br />
Füßen zu treten und ständig danach<br />
zu suchen, wie man den sozial<br />
Benachteiligten und den abhängig<br />
Beschäftigten immer noch<br />
mehr abverlangen kann, um Geld<br />
für Steuerreformen zu haben, mit<br />
denen man dann die eigene Klientel<br />
bedient. Eine Klientel, die in der Regel<br />
schon weit mehr als genug hat.<br />
Deshalb demonstrieren wir<br />
heute gemeinsam gegen die Pläne<br />
der CDU / FDP Koalitionen in Hessen<br />
und in Berlin, den Ruhestandseintritt<br />
für die Beamtinnen und Beamten<br />
und den Renteneintritt um<br />
zwei Jahre nach hinten zu verschieben.<br />
Nicht einmal die im Rentengesetz<br />
vorgeschriebene Überprüfung<br />
der Beschäftigungssituation<br />
älterer Menschen wird einigermaßen<br />
ernsthaft vorgenommen.<br />
Und genau in der Zeit dieser<br />
Überprüfung spielt die hessische<br />
Koalition mit dem vorgelegten Gesetzentwurf<br />
wieder die Rolle des<br />
„Weiter so beim Sozialabbau“ und<br />
unterstützt damit auch diejenigen<br />
in Berlin, die eine Revision sowieso<br />
nicht ernsthaft in Erwägung ziehen.<br />
Der verlogenste Kampfbegriff„Generationengerechtigkeit“<br />
Dabei ist es mehr als zynisch, wenn<br />
sie auch diesen Sozialabbau mit<br />
Kundgebung gegen die Verlängerung der Lebensarbeitszeit am 07. 09. 2010 in Wiesbaden<br />
dem verlogensten ihrer Kampfbegriffe,<br />
mit dem Begriff „Generationengerechtigkeit“<br />
verschleiern und<br />
durchsetzen wollen.<br />
Denn es geht doch nicht um<br />
die Verteilungsfrage zwischen Oma<br />
und Enkelin oder zwischen Enkel<br />
und Opa. Hier werden die Generationen<br />
gegeneinander aufgehetzt,<br />
um von der entscheidenden Verteilungsfrage<br />
in unserer Gesellschaft<br />
abzulenken: von der Frage der Verteilung<br />
zwischen Arm und Reich<br />
und der Verteilung zwischen Kapital<br />
und Arbeit.<br />
Dass es nicht darum geht, die<br />
heute Jüngeren gegenüber vermeintlich<br />
überzogenen Forderungen<br />
Älterer in Schutz zu nehmen,<br />
wird alleine schon daraus<br />
deutlich, dass die heute Jüngeren in<br />
doppelter Hinsicht Verliererinnen<br />
und Verlierer einer Erhöhung des<br />
Ruhestandseintrittsalters wären.<br />
Sie wären diejenigen, die die Erhöhung<br />
in vollem Umfang – entweder<br />
durch deutlich längeres Arbeiten<br />
oder durch entsprechende<br />
Kürzung der Ruhestandsbezüge –<br />
treffen würde. Und sie wären diejenigen,<br />
die beim Berufseintritt noch<br />
weniger Stellen finden als heute,<br />
wenn denn die Älteren wirklich<br />
länger arbeiten könnten.<br />
Im Schulbereich in<br />
Hessen z.B. vernichten<br />
zwei zusätzliche<br />
Arbeitsjahre die Ein-<br />
stellungsmöglichkeiten<br />
für etwa 2.500 junge<br />
Kolleginnen und<br />
Kollegen.<br />
Würden wirklich alle Beschäftigten<br />
zwei Jahre länger arbeiten<br />
(können), so würden hierdurch in<br />
unserer Volkswirtschaft etwa 5 bis<br />
6% aller Arbeitsplätze besetzt und<br />
stünden nicht für eventuelle Neueinstellungen<br />
zur Verfügung. Im<br />
Schulbereich in Hessen z.B. vernichten<br />
zwei zusätzliche Arbeitsjahre<br />
die Einstellungsmöglichkeiten<br />
für etwa 2.500 junge Kolleginnen<br />
und Kollegen.<br />
der Zeitdiebe<br />
Und das bei einem Stand von<br />
derzeit real weit über 5% Erwerbslosigkeit.<br />
Deshalb fordere ich alle<br />
Abgeordneten, die diese Gesetzgebungen<br />
jetzt vorantreiben nachdrücklich<br />
auf, zunächst auch zu<br />
erklären, wo die insgesamt mehr<br />
als 10% zusätzlichen Arbeitsplätze<br />
denn herkommen sollen, die dann<br />
insbesondere für die jüngere Generation<br />
gebraucht werden.<br />
Diese Abgeordneten sollen dies<br />
hier und heute klar erklären oder<br />
sie sollen sich offenbaren und sagen,<br />
dass ihnen die Jugenderwerbslosigkeit<br />
letztlich egal ist und dass<br />
sie Renten- und Pensionskürzungen<br />
wollen, weil es um ihre Klientelpolitik<br />
geht. Und sie sollen ein für alle<br />
Mal auf die verlogenen Verwendung<br />
des Begriffes Generationengerechtigkeit<br />
verzichten.<br />
Und wenn sie denn als Letztes<br />
die ewige Leier anfangen, es sei kein<br />
Geld da, dann kann man nur immer<br />
wieder wiederholen:<br />
n Deutschland ist eines der<br />
reichsten Länder der Erde<br />
n Hessen und insbesondere das<br />
Rhein-Main-Gebiet gehört zu<br />
den reichsten Regionen weltweit<br />
Und im Verhältnis zu früher ist keinesfalls<br />
Geld verloren gegangen, es<br />
ist lediglich noch ungleicher verteilt<br />
worden. So werden durch die<br />
Steuerreformen der letzten Jahre<br />
z.B. dem hessischen Landeshaushalt<br />
jährlich etwa 2. Mrd. Euro an<br />
<strong>Frankfurt</strong>er Lehrerzeitung<br />
info@gew-frankfurt.de<br />
Herausgeber<br />
<strong>Bezirksverband</strong> <strong>Frankfurt</strong> a. M. der Gewerkschaft<br />
Erziehung und Wissenschaft (<strong>GEW</strong>) im DGB,<br />
Bleichstr. 38a, 60313 <strong>Frankfurt</strong><br />
Tel.: 069 – 29 18 18, Fax: 069 – 29 18 19<br />
E-mail: <strong>GEW</strong>.BV.<strong>Frankfurt</strong>@t-online<br />
Bürozeiten Geschäftsstelle des <strong>Bezirksverband</strong>es:<br />
montags bis freitags 10.00 – 16.00 Uhr<br />
vorsitzender Herbert Storn<br />
Redaktion Ernst Olbrich<br />
Rechtsberatung Hanne Hirn und Thomas Sachs<br />
montags 15.30 – 17.30 Uhr, Tel.: 069 – 13 37 78 71<br />
Einnahmen entzogen und größtenteils<br />
an diejenigen gegeben, die eh<br />
schon mehr als genug haben.<br />
Und um es noch einmal konkret<br />
auf die Rente zu beziehen. Berechnungen<br />
der Arbeiterkammer<br />
Bremen machen deutlich: Gegenüber<br />
den Planungen bei der Rente<br />
mit 67 müssten – bei paritätischer<br />
Finanzierung – die abhängig Beschäftigten<br />
im Jahre 2030 lediglich<br />
3% ihres Gehaltes zusätzlich<br />
aufbringen, um eine in der Regel<br />
die Existenz sichernde Rente zu erhalten.<br />
Würde man in Zukunft die<br />
Beschäftigten angemessen am Produktivitätsfortschritt<br />
beteiligen, so<br />
wären diese 3% ein Klacks!<br />
Doch nicht nur verteilungspolitisch<br />
ist das, was da betrieben<br />
werden soll, massiv zu kritisieren.<br />
Die Art des Umgangs der Landesregierung<br />
mit den Beschäftigten<br />
des Landes Hessen kann man nur<br />
noch als schieren Zynismus beschreiben.<br />
Hessen hat die höchsten<br />
Wochenarbeitszeiten<br />
bundesweit, die höchste<br />
Pflichtstundenregelung<br />
für Lehrkräfte bundesweit<br />
und im Rückblick<br />
bis zum Anfang des letzten<br />
Jahrhunderts.<br />
Für den Schulbereich liegen die Daten<br />
vor, dass vor der Einführung der<br />
IMPRessUM<br />
Jochen Nagel<br />
am 07. 09. 2010 in Wiesbaden<br />
FLZ Nr. 3/10<br />
Altersteilzeit gerade mal rund 10%<br />
der Lehrkräfte und sozialpädagogischen<br />
Fachkräfte noch bis zum<br />
65ten Lebensjahr vor den Klassen<br />
standen.<br />
Mit der Altersteilzeit konnte<br />
man dann endlich in größerem Umfang<br />
die Ruhestandsgrenze erreichen,<br />
allerdings nur deshalb, weil<br />
man wegen eines anteiligen Gehaltsverzichts<br />
in den letzten Jahren<br />
freigestellt wurde. Auch in den<br />
anderen Berufen im Landesdienst –<br />
von der Polizei über die Feuerwehr<br />
bis hin zur Verwaltung – sah und<br />
sieht das im Grund nicht wesentlich<br />
anders aus.<br />
Und jetzt wurde zunächst die<br />
Altersteilzeit wieder gestrichen<br />
und soll nun auch noch die Lebensarbeitszeit<br />
erhöht werden.<br />
Wie stellen die sich das eigentlich<br />
vor? Lehrkräfte bis zum Alter von<br />
67,5 Jahren vor der Klasse, Polizistinnen<br />
und Polizisten, die in<br />
hohem Alter Verbrecher verfolgen<br />
oder Feuerwehrleute in schwierigem<br />
Einsatz?<br />
Es ist durchaus ein schönes<br />
Bild, wenn Opas und Uromas mit<br />
ihren Enkeln spielen, aber als Opa<br />
oder Uroma vor einer Klasse unterrichten,<br />
das ist etwas anderes.<br />
Oder muss man erst Radio Eriwan<br />
bemühen, das auf die Frage, ob Polizistinnen<br />
und Polizisten in so hohem<br />
Alter noch Verbrecher verfolgen<br />
können, antwortet: Im Prinzip<br />
ja, aber die Verbrecher sollten mindestens<br />
genauso alt sein!<br />
Nein! So nicht!<br />
Deshalb fordern wir die Abgeordneten<br />
des hessischen Landtags<br />
auf, die Erhöhung des Eintrittsalters<br />
in den Ruhestand abzulehnen.<br />
Wir fordern gleichzeitig die Rücknahme<br />
der Rentenerhöhung durch<br />
Bundesregierung und Bundestag.<br />
Und ich gehe weit darüber hinaus.<br />
Es wird Zeit, endlich eine<br />
Kehrtwende für mehr soziale Gerechtigkeit<br />
in unserem Lande einzuleiten.<br />
Die abhängig Beschäftigten<br />
müssen endlich angemessen am gesellschaftlichen<br />
Reichtum und am<br />
Produktivitätsfortschritt beteiligt<br />
werden. Das bedeutet: mehr Gehalt,<br />
bessere Arbeitsbedingungen und kürzere<br />
Wochen- und Lebensarbeitszeit.<br />
Das bedeutet dann auch Arbeitsplätze<br />
für heute Erwerbslose besonders<br />
der jüngeren Generation und bessere<br />
soziale Unterstützung für die gesellschaftlich<br />
Benachteiligten.<br />
Dafür werden wir – jung und<br />
alt gemeinsam – weiter streiten und<br />
uns nicht von denen auseinanderdividieren<br />
lassen, die die in der Tat<br />
ernsthafte Frage der Generationengerechtigkeit<br />
immer wieder missbräuchlich<br />
verwenden.<br />
satz & layout Karin Dienst, Christian Häussler<br />
Druck Caro-Druck<br />
Auflage ca. 3.200<br />
erscheinungsweise 4 bis 5 mal jährlich<br />
fotos wenn nicht anders angegeben: FLZ<br />
Der Bezugspreis ist durch den Mitgliedsbeitrag abgegolten.<br />
Redaktioneller Hinweis: Die Redak tion freut sich über Zuschriften<br />
– mög lichst als unformatierte Word-Datei. Namentlich<br />
gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der<br />
Redaktion wieder. Sie behält sich das Recht der Kürzung vor.<br />
Wir danken allen Karikaturisten, Fotografen und Autoren der<br />
Bild- und Textmaterialien für die freundliche Über lassung.
FLZ Nr. 3/10 SEITE 3<br />
<strong>GEW</strong> <strong>Frankfurt</strong> fordert Schluss mit<br />
der Schönfärberei –<br />
auch Kultusministerin Henzler<br />
betreibt nur Mängelverwaltung<br />
Zu Beginn des Schuljahres 2010/11<br />
fordert der <strong>GEW</strong>-<strong>Bezirksverband</strong><br />
<strong>Frankfurt</strong> die Kultusministerin auf,<br />
die reale Lage an den Schulen nicht<br />
zu beschönigen, sondern zum Anlass<br />
zu nehmen, die Haushaltspolitik<br />
des Kürzens zu beenden, statt den<br />
Mangel über das Etikett „Selbstverantwortlichkeit“<br />
den Schulen zuzuschieben.<br />
Lehrerversorgung<br />
Die Stille, die rund um den<br />
Schuljahresbeginn und die Lehrerversorgung<br />
zu vermelden ist,<br />
lässt mitnichten auf Zufriedenheit<br />
der am Bildungswesen Beteiligten<br />
schließen. Eher ist sie Zeichen<br />
einer grassierenden Resignation:<br />
viele haben sich damit abgefunden,<br />
dass die Unterrichtsversorgung<br />
weiterhin mangelhaft bis ungenügend<br />
ist. Wenn die Kultusministerin<br />
in ihrem Elternbrief von<br />
„ausreichender Lehrerversorgung“<br />
spricht und sich rühmt, 650 weitere<br />
Stellen geschaffen zu haben,<br />
soll die Öffentlichkeit glauben, es<br />
stünde nun besser um die Unterrichtsversorgung.<br />
In Wirklichkeit<br />
sind die zusätzlichen Stellen höheren<br />
Schülerzahlen geschuldet,<br />
denn nirgends wurden die Zuweisungsfaktoren,<br />
die schon seit Jahren<br />
gelten und die über die Schüler-<br />
Lehrer-Relation entscheiden, auch<br />
nur ansatzweise erhöht.<br />
Auch erfordert die Abkehr<br />
von der „Sternchenregelung“, die<br />
zu kleineren Klassen im 1. und 5.<br />
Schuljahr führt und von der <strong>GEW</strong><br />
als Schritt in die richtige Richtung<br />
begrüßt wird, mehr Stellen.<br />
Der „running gag“ am 1.<br />
Schultag, dass in ganz Hessen nur<br />
noch 7 Stellen nicht besetzt seien,<br />
konnte die im Schulwesen Tätigen<br />
noch nicht einmal zu einem müden<br />
Lächeln bewegen. Wer solche Zahlen<br />
verkündet, muss sich fragen lassen,<br />
ob er eigentlich ernst genommen<br />
werden will. Allein in <strong>Frankfurt</strong><br />
waren zu diesem Zeitpunkt 5<br />
Stellen noch nicht besetzt.<br />
Wortbruch: 105% in<br />
weite Ferne gerückt<br />
Während zu Beginn von Frau<br />
Henzlers Regierungszeit noch vollmundig<br />
versprochen wurde, im<br />
Rahmen sogen. ‚selbstverantwortlicher<br />
Schulen’ auf eine 105%ige<br />
Lehrerversorgung zuzusteuern, ist<br />
davon inzwischen nicht mehr die<br />
Rede. Eine Mogelpackung war dies<br />
ohnehin: denn bevor überhaupt<br />
der erste Schritt getan war, war<br />
sie schon mindestens dreimal verteilt:<br />
Für die Vertretungsreserve, für<br />
Schulassistenten und weitere Personen,<br />
die den Unterrichtsbetrieb<br />
unterstützen sollten, für Verwaltungskräfte<br />
usw.<br />
Die <strong>GEW</strong> betont erneut, dass<br />
allein für eine seriöse „Unterrichtsgarantie“<br />
(ein Wort, das im Bermuda-Dreieck<br />
der Koch-Regierung inzwischen<br />
ebenfalls untergegangen<br />
ist) eine 110%ige Lehrerzuweisung<br />
mit qualifiziertem Personal erforderlich<br />
wäre.<br />
Inzwischen verschlingt neben<br />
den Schulinspektoren zunehmend<br />
die Führungsakademie Stellen, die<br />
dem pädagogischen Schulbetrieb<br />
fehlen.<br />
Kultusministerin Henzler<br />
Enttäuschung an vielen Schulen:<br />
Vorklassen geschlossen,<br />
Anträge auf Ganztagsbetrieb<br />
verweigert<br />
Die Kultusministerin brüstet<br />
sich in ihrem Elternbrief mit 150<br />
weiteren Ganztagsangeboten. Sie<br />
musste allerdings selbst einräumen,<br />
dass es sich in den meisten Fällen<br />
nur um eine bessere Mittagsbetreuung<br />
handelt.<br />
Abgesehen davon, dass von<br />
„Ganztagsschule“, die einen gebundenen<br />
Ganztagsbetrieb anbieten<br />
würde, überhaupt keine Rede<br />
ist, wird zusätzlich verschwiegen,<br />
wie viele Schulen ihre Anträge abgelehnt<br />
bekamen. Allein die Willemer-<br />
und die Carlo-Mierendorff-<br />
Schule in <strong>Frankfurt</strong> dürften mit<br />
riesiger Enttäuschung ins neue<br />
Schuljahr gestartet sein, denn trotz<br />
ausgereifter Konzepte und Akzeptanz<br />
in der gesamten Schulgemeinde<br />
wurden sie nicht berücksichtigt.<br />
Die <strong>GEW</strong> weist darauf hin,<br />
dass die einstmals 30%-Zuschläge<br />
für gebundene Ganztagsschulen<br />
inzwischen bei 17,5% gelandet sind<br />
und in der Realität oft noch darunter<br />
liegen (Paul-Hindemih-Schule).<br />
Genauso skandalös empfinden<br />
die betroffenen Schulgemeinden die<br />
Schließung von Vorklassen – ebenfalls<br />
eine Sparmaßnahme, die den<br />
<strong>Frankfurt</strong>er Kindern durch Druck<br />
aus dem Kultusministerium zugemutet<br />
wird.<br />
Von einer „guten Ausstattung“<br />
kann also keine Rede sein, und das<br />
zeigt sich auch an weiterhin viel zu<br />
hohen Klassenstärken, zu wenig<br />
Förderangeboten und nicht stattfindenden<br />
AG‘s und Freizeitangeboten.<br />
Der ‚Sparbeitrag’ des Kultusministeriums<br />
wird über die<br />
Kürzung der Vertretungsmittel<br />
und über die Kürzung bei den<br />
Staatlichen Schulämtern die<br />
Schulen treffen.<br />
27 Millionen Euro will die Kultusministerin<br />
bei den Vertretungsmitteln<br />
kürzen, angeblich erst im<br />
Haushaltsjahr 2011. Inzwischen<br />
werden die ersten Kürzungen bereits<br />
in diesem Jahr gemeldet. Und:<br />
Sollen Vertretungskräfte etwa zu<br />
Weihnachten ihre Tätigkeiten beenden?<br />
Aber auch bei den Staatlichen<br />
Schulämtern wird gekürzt. Schon<br />
heute fehlen Schulpsychologen.<br />
Die Schulen haben Anspruch auf<br />
Ansprechpartner in den Staatlichen<br />
Schulämtern und eine adäquate<br />
Verwaltung. Allein bei der<br />
Lehrereinstellung wurde in <strong>Frankfurt</strong><br />
das in Hessen sonst übliche<br />
Ranglistenverfahren in den Hintergrund<br />
gedrängt und durch das<br />
verwaltungsmäßig aufwendigere<br />
Ausschreibungsverfahren abgelöst.<br />
Kürzungen bei den Staatlichen<br />
Schulämtern haben also sehr<br />
wohl negative Auswirkungen auf<br />
die Unterrichtsversorgung.<br />
Aber auch etwas anderes<br />
verschweigt die Kultus-<br />
ministerin<br />
In ihrem Elternbrief bittet die<br />
Kultusministerin die Eltern um Verständnis<br />
für den „Sparbeitrag“, den<br />
auch das Kultusministerium für den<br />
hessischen Landeshaushalt erbringen<br />
müsse. Worin dieser besteht,<br />
sagt sie nicht.<br />
Die Lehrkräfte wissen es: sie<br />
müssen weiterhin auf der Basis einer<br />
42-Stunden-Woche arbeiten,<br />
obwohl tarifvertraglich seit Anfang<br />
des Jahres wieder eine 40-Stunden-<br />
Woche in Hessen gilt.<br />
Und schon plant die Landesregierung<br />
ihren nächsten Coup: zu einer<br />
Zeit, in der wieder heftig umstritten<br />
ist, ob die Einführung der<br />
Rente mit 67 durchgeführt werden<br />
kann, da nur ein Bruchteil der<br />
60-65jährigen überhaupt noch in<br />
den Arbeitsprozess eingebunden<br />
ist, will die hessische Landesregierung<br />
für die Beamtinnen und Beamten<br />
die Pensionsgrenze auf 67 Jahre<br />
(dies bedeutet für Lehrkräfte auf bis<br />
zu 67 1/2 Jahre) anheben. Wie bei<br />
den Renten ein reines Pensionskürzungsprogramm,<br />
denn schon heute<br />
erreicht nur ein Bruchteil der Lehrkräfte<br />
die Pensionsgrenze von 65<br />
Jahren (siehe Hintergrund).<br />
Ob die Eltern und Schülerinnen<br />
und Schüler dafür Verständnis haben<br />
werden, dass der Krankenstand<br />
der Lehrkräfte nach oben schnellen<br />
wird, steht dahin.<br />
Die Lehrkräfte haben es jedenfalls<br />
nicht. Ihnen ist noch sehr gut<br />
in Erinnerung, dass anlässlich der<br />
Arbeitszeiterhöhung zum 01. 01.<br />
2004 gesagt wurde, die hessischen<br />
Beschäftigten müssten einen Sanierungsbeitrag<br />
für den Landeshaushalt<br />
erbringen. In Wahrheit wurden<br />
die hessischen Schulden in der Ära<br />
Koch von 22 auf knapp 40 Milliarden<br />
erhöht, gleichzeitig aber<br />
auf Vermögenssteuer (vollständig)<br />
und Erbschaftssteuer (teilweise)<br />
verzichtet.<br />
Probleme werden nicht gelöst,<br />
sondern auf Kosten der SchülerInnen<br />
und der Lehrkräfte<br />
ausgesessen – Bildungspolitik<br />
im Nebel<br />
Bis zum Jahr 2011 soll die UN-<br />
Konvention für die Rechte von Behinderten<br />
in den Bundesländern<br />
umgesetzt sein – schon dieses Jahr<br />
muss berichtet werden.<br />
Im Kultusministerium fehlen<br />
aber bis heute die Konzepte für die<br />
Inklusion behinderter Kinder. Die<br />
Zeche werden nicht nur die Lehrkräfte<br />
bezahlen, die eines Tages<br />
die behinderten Kinder einfach in<br />
den Klassen sitzen haben werden,<br />
weil Eltern sich einklagten, sondern<br />
auch diese Kinder selbst, denen eine<br />
sinnvolle Förderung vorenthal-<br />
Fortsetzung Seite 4<br />
Keine<br />
Experimente!<br />
„Im England des 18. Jahrhunderts schickt Charles Seymour, 6. Herzog<br />
von Somerset, seiner Kutsche Vorreiter voraus, die beauftragt<br />
sind, die Straße zu räumen, um dem Edelmann den Verdruss des<br />
Anblicks der Plebs zu ersparen. Noch ein Jahrhundert später gilt in<br />
englischen Kirchen eine Art Trennung zwischen den verschiedenen<br />
Klassen. [] Wenn dann Senior Neapel besucht, empört ihn die Vermischung<br />
der Stände: »In kälteren Klimata bleiben die unteren Klassen<br />
zuhause; hier leben sie auf der Straße.«“1<br />
Der Genuss von Wohlstand ist nämlich nur dann ungeteilt, wenn<br />
man damit zugleich die Erinnerung an das Elend der Armut mit ihrem<br />
Zwang, sich durch Drecksarbeit ein kärgliches Auskommen<br />
zu sichern, verdrängen kann. Und so besteht der wahre Lohn für<br />
das Erreichen einer höheren sozialen Stellung darin, sich selbst eine<br />
Welt zu schaffen, aus der das Elend der Normalität und die Normalität<br />
des Elends ausgeblendet bleiben. Um den Kontakt mit der<br />
„Unterschicht“ auch möglichst generationsübergreifend zu minimieren,<br />
gibt es in Deutschland ein Schulsystem, das mit weltweit<br />
rekordverdächtigen Selektionsmechanismen schon im Kindesalter<br />
die Abkömmlinge der verschiedenen Schichten aufs Laufband ihrer<br />
sozialen Bestimmung setzt und dafür sorgt, dass auch weiterhin die<br />
Herkunft zum quasi unabweisbaren Schicksal wird.<br />
Wenn dann wieder einmal der Aufschrei durch die Republik gellt,<br />
die Politik möge doch endlich keine schulischen Experimente auf<br />
dem Rücken „unserer“ Kinder mehr austragen, kann man beinahe<br />
sicher sein, dass es wie jüngst in Hamburg oder wie demnächst in<br />
NRW darum geht, durch von sozialdemokratischem Gedankengut<br />
angehauchte Schulreformen etwas mehr für die Chancengleichheit<br />
zu tun und die Selektivität des jeweiligen Schulwesens wenigstens<br />
abzumildern. Dass solche Proteste gegen Vorstöße zu mehr sozialer<br />
Gerechtigkeit durchaus mehrheitsfähig sein können, haben zuletzt<br />
die Hamburger bewiesen, die eine Reform zur Verlängerung des gemeinsamen<br />
Lernens aller Kinder um zwei Jahre durch einen Volksentscheid<br />
zu Fall brachten. Vier Jahre Grundschule reichen offenbar<br />
fürs hanseatische soziale Gewissen. Und solange das sich daran anschließende<br />
Gymnasium gewährleistet, dass der eigene Nachwuchs<br />
dort, wenigstens vor dem schlimmsten Pöbel in Sicherheit gebracht,<br />
sich auf seine künftigen Aufgaben in den höheren Etagen der Gesellschaft<br />
vorbereiten kann, muss man auch nicht zur teureren Alternative<br />
eines Privatschulbesuchs greifen. Die Drohung damit, wie sie<br />
Edmund Stoiber jüngst in seiner unvergleichlichen Art vorbrachte,<br />
sollte man jedoch stets in der Hinterhand behalten:<br />
„Eine unserer größten Errungenschaften, zum Beispiel im Gegensatz<br />
zum angelsächsischen Bildungssystem, ist die soziale Integration:<br />
Kinder aus allen sozialen Schichten lernen an öffentlichen<br />
Schulen gemeinsam und werden gemeinsam erwachsen. Diese Errungenschaft<br />
ist dort in Gefahr, wo die Balance zwischen dem Leistungsgedanken<br />
und der Rücksicht auf Schwächere nicht mehr gewahrt<br />
wird. Das führt dort dazu, dass begüterte, bildungsorientierte<br />
Eliten ihre Kinder aus den öffentlichen Schulen zurückziehen und<br />
verstärkt auf Privatschulen schicken. Das führt zu mehr sozialer<br />
Desintegration, nicht zu mehr sozialer Integration.“2<br />
Und damit sich das Interesse der „Eliten“, ihren Nachwuchs ab<br />
einem gewissen Alter nicht mehr mit den Abkömmlingen des Pöbels<br />
gemeinsam erwachsen werden zu lassen, auch als das Interesse der<br />
Gesamtgesellschaft, gegen deren größte Teile es gerichtet ist, verkaufen<br />
lässt, werden altbekannte Denkmuster und Phrasen bedient.<br />
„Generell ist wieder mehr Respekt(!) notwendig vor unterschiedlichen<br />
Leistungen und Begabungen. [...] Manche haben ihre Begabung<br />
mehr im kognitiven Bereich, andere sind geschickter mit ihren<br />
Händen.“<br />
Und überhaupt ist zu viel Staat im Bildungsbereich eine unerhörte<br />
Knebelung der Eigeninitiative sprich: des freien Willens der<br />
Bürgerinnen und Bürger.<br />
„Es gibt auch eine Verantwortung von Eltern für die Bildung<br />
und Förderung ihrer Kinder, die ihnen der Staat nicht allzu bereitwillig<br />
abnehmen sollte. Sich seinen Kindern zu widmen, zum Beispiel<br />
mit ihnen einmal in eine Bücherei zu gehen und ihnen vorzulesen,<br />
ist weniger eine Frage des Geldbeutels als des Willens.“<br />
Wem das am Ende eines Arbeitstages bei der Müllabfuhr oder<br />
in der Putzkolonne nicht gelingt, kann dann immer noch selbstkritisch<br />
bedauern, dass er früher in der Schule nicht so aufgepasst hat,<br />
um mit Stoibers Elitekindern gemeinsam erwachsen zu werden. Pech<br />
auch, wenn der Büchereibesuch daran scheitern sollte, dass die letzte<br />
öffentliche Bibliothek vor Ort gerade aufgrund der Finanzkrise<br />
die Pforten geschlossen hat!<br />
Für die Stoibers und Sarrazins in dieser Republik ist die lebenslange<br />
Ausübung von strapaziösen und ruinösen Arbeiten zur Erzielung<br />
eines Einkommens, das für die grundlegenden Belange einer<br />
menschenwürdigen Existenz nicht ausreicht, selbstredend nie eine<br />
Einschränkung der Freiheit des Willens, von der sie schwafeln,<br />
sondern Ausdruck natürlich gegebener „Begabungs“unterschiede.<br />
Damit die Einen, deren politische Galionsfiguren Stoiber wie Sarrazin<br />
sind, weiter Elite spielen können, haben sich die Anderen, die<br />
in der „Begabungs“lotterie nicht so gut weggekommen sind, halt<br />
mit dem „Respekt“ zu begnügen, den jene ihnen per WELT, FAZ,<br />
SPIEGEL und BILD sporadisch zukommen lassen, um sie auch weiterhin<br />
ruhig zu stellen.<br />
1 Domenico Losurdo, Freiheit als Privileg, a. a. O. S. 148<br />
2 Edmund Stoiber, Schluss mit der Bildungsideologie!<br />
in: Die Welt vom 28. 07. 2010
SEITE 4<br />
Die <strong>GEW</strong> wird jeden Versuch, die<br />
Debatte um Sarrazin dafür zu benutzen,<br />
die Situation von Immigranten/innen<br />
weiter zu verschlechtern und<br />
mit zusätzlichen Restriktionen zu<br />
überziehen oder in der Öffentlichkeit<br />
diskriminierende Stimmung<br />
gegen sie zu machen, zurückweisen.<br />
Die <strong>GEW</strong> fordert anstelle einer<br />
Politik des institutionalisierten Verdachts<br />
gegenüber Immigranten/-innen<br />
Maßnahmen einzuleiten, die im<br />
Geiste der Achtung vor deren kultureller<br />
Eigenart echte Hilfestellungen<br />
zur umfassenden gesellschaftlichen<br />
und politischen Teilhabe bieten.<br />
Begründung<br />
Die staatlich veranlasste Arbeitsimmigration<br />
in den zwei Jahrzehnten<br />
von 1953 bis 1973 hat in der Bundesrepublik<br />
zur Bildung von ethnischen<br />
Minderheiten mit besonderen<br />
kulturellen und religiösen<br />
Praktiken geführt. Eine integrative<br />
politische Praxis gegenüber<br />
diesen Minderheiten, die über das<br />
Ziel ihrer ökonomischen Nutzbarmachung<br />
hinausging, unterblieb<br />
weit gehend. Stattdessen waren<br />
die Immigranten/-innen Gegenstand<br />
staatlicher Gängelung und<br />
gesetzlich vollzogener Ausgrenzung<br />
aus der deutschen Gesellschaft. Mit<br />
dem Vollzug der deutschen Wiedervereinigung<br />
und dem Aufkommen<br />
eines neuen deutschen Nationalismus,<br />
gerieten die Immigrantengemeinschaften<br />
stärker in den<br />
Fokus der offiziellen Bundespolitik.<br />
Seit der Verabschiedung des<br />
Zuwanderungs(begrenzungs)-gesetzes<br />
2005 besteht dieser Fokus<br />
u. A. in einer zielgerichtet von Medien<br />
und konservativen Politikerkreisen<br />
in Form wiederkehrender<br />
Wellen veranstalteten „Integrationsdebatte“,<br />
in deren Verlauf es<br />
zu verschiedenen gesetzlichen Verschärfungen<br />
der Lage von Immigranten<br />
und Neubürgern ausländischer<br />
Herkunft gekommen ist.<br />
Dazu gehören<br />
n die Novellierung des Zuwanderungsgesetzes<br />
2007, die Verschärfungen<br />
beim Aufenthaltsrecht<br />
und die Einführung eines<br />
Bußgeldes für den Nichtbesuch<br />
von Integrationskursen brachte,<br />
ten wird, ganz zu schweigen von<br />
den nicht behinderten Kindern, denen<br />
Teile der Aufmerksamkeit ihrer<br />
Lehrkräfte abgezogen werden.<br />
Die so genannte „neue Mittelstufenschule“,<br />
die den Begriff<br />
„Hauptschule“ verschwinden lassen<br />
soll, führt – einmal wieder – zu<br />
größeren Klassen. Denn die Zusammenlegung<br />
von Real- und Hauptschulklassen<br />
„verbessert“ den Klassenfaktor<br />
und spart Lehrkräfte.<br />
Worin da der Vorteil für diese benachteiligten<br />
Jugendlichen liegen<br />
soll, bleibt im Dunkeln.<br />
Ebenso im Nebel bleibt der Begriff<br />
der „Selbstverantwortlichen<br />
Schule“, der im Elternbrief auf einmal<br />
als Antwort darauf benutzt<br />
wird, dass die Schulen mit „Gestaltungsfreiräumen“<br />
besser auf<br />
die Biografien und Belange ihrer<br />
Schülerinnen und Schüler eingehen<br />
könnten. Es bleibt dabei: „Selbständigkeit“<br />
oder „Selbstverantwort-<br />
Gegen die Politik der Angstmacher:<br />
Demokratie und Gleichberechtigung!<br />
Kontinuität des Fremdenhasses: Darstellung vertriebener Juden in<br />
Nordspanien 1492 ...<br />
n die Novellierung des Mikrozensusgesetzes<br />
2005, die erstmals<br />
Datenerhebungen über eingebürgerte<br />
Deutsche ermöglicht und<br />
damit die Sonderbehandlung<br />
von „Ausländern“ als nunmehr<br />
„Deutschen mit Migrationshintergrund“<br />
über den Erwerb der<br />
deutschen Staatsangehörigkeit<br />
hinaus verewigt,<br />
n die Einführung des Einbürgerungstestes<br />
2008.<br />
Auch die Formulierung eines Nationalen<br />
Integrationsplans, zu dem<br />
sich die Bundesregierung auf der<br />
Antirassismus-Konferenz in Durban<br />
1999 verpflichtet hatte, gehört<br />
mit ihren teilweise fremdenfeindlichen<br />
Programmaussagen in diese<br />
Reihe So heißt es dort beispielsweise:<br />
„Die Länder verstehen unter Integration<br />
weit mehr als ein freundliches<br />
Nebeneinander von Menschen.<br />
Integration setzt eine Kultur<br />
des gegenseitigen Respekts voraus.<br />
Dabei gilt der Grundsatz des Förderns<br />
und Forderns. Dies bedeutet,<br />
dass sich Zugewanderte und ihre<br />
Familien mit ihren Fähigkeiten<br />
und Potenzialen für ihre Teilhabe<br />
einsetzen und dazu Integrationsangebote<br />
annehmen. [...] Die Länder<br />
sehen die größten Hemmnisse<br />
für gelingende Integration in den<br />
fehlenden Kenntnissen der deutschen<br />
Sprache, einer sozialräumlichen<br />
Segregation und im Rückzug<br />
in eigenethnische Strukturen.<br />
Die Folgen sind Schwierigkeiten<br />
in der Schule, bei der Ausbildung,<br />
hohe Arbeitslosigkeit sowie ein<br />
Schluss mit der Schönfärberei / Fortsetzung von Seite 3<br />
lichkeit“ wird als Allheilmittel für<br />
alle kleinen und großen Mängel, die<br />
im Schulwesen entdeckt werden, in<br />
den Ring geworfen: der Beweis für<br />
die Wirksamkeit muss ja nicht erbracht<br />
werden.<br />
Die <strong>GEW</strong> warnt angesichts<br />
der anlaufenden Beratungen<br />
des Landeshaushalts 2011<br />
schon jetzt vor der geplanten<br />
Streichung des kommunalen<br />
Finanzausgleichs von 350<br />
Millionen Euro im nächsten<br />
Jahr.<br />
Was das für die Renovierung,<br />
Ausstattung, Unterhaltung von<br />
Schulen, für neue Ganztagsschulen<br />
usw. bedeutet, möchte man<br />
sich lieber nicht ausmalen. Deshalb<br />
geht an der Erschließung neuer<br />
(oder alter!) Einnahmen kein<br />
Weg vorbei.<br />
Pressekonferenz des<br />
BV am 02. 09. 2010<br />
Erstarken integrationsfeindlicher,<br />
zum Teil religiös motivierter Strömungen.“<br />
Einseitige Schuldzuweisungen<br />
an die Immigranten wie diese sind<br />
die Begleitmusik zu einer Regierungspolitik,<br />
die systematisch<br />
Richtlinien der EU zu Immigrationsfragen<br />
und völkerrechtliche<br />
Standards wie den „Internationalen<br />
Pakt über bürgerliche und politische<br />
Rechte“ unterläuft. Dort,<br />
wo diese Politik als nationale Umsetzung<br />
von EU-Vorgaben auftritt,<br />
reizt sie andererseits die vorgegebenen<br />
Regelungsbandbreiten bis<br />
hin zu deren restriktivster Auslegung<br />
aus.<br />
Die politischen Maßnahmen<br />
werden dabei gegenüber der Öffentlichkeit<br />
von einer staatlichen<br />
Verlautbarungspraxis begleitet,<br />
in deren Mittelpunkt die Behauptung<br />
angeblich bestehender Integrationsprobleme<br />
bei einem bedeutenden<br />
Teil der Immigranten<br />
steht. Diese werden je nach politischem<br />
Standort der Klage Führenden<br />
unterschiedlich bestimmt.<br />
Ob es sich um die zum Problem<br />
erklärte Abwehr einer „deutschen<br />
Leitkultur“ handelt oder um statistisch<br />
manifeste Sachverhalte wie<br />
schlechtere Bildungs- und Berufsabschlüsse,<br />
höhere Arbeitslosenquoten<br />
und erhöhter Bezug von<br />
staatlichen Sozialleistungen, ob<br />
die Abschottung in kompletten<br />
„Parallelgesellschaften“ beklagt<br />
wird und die unzureichende Bereitschaft,<br />
einen angemessenen Beitrag<br />
zum wirtschaftlichen Erfolg<br />
Deutschlands zu leisten oder ob –<br />
wie jüngst von der Kanzlerin aufgebracht<br />
– die angeblich erhöhte Gewaltbereitschaft<br />
männlicher, muslimischer<br />
Jugendlicher den Stein des<br />
Anstoßes und damit Anlass für politischen<br />
Handlungsbedarf bildet:<br />
Eins ist allen diesen Statements gemeinsam,<br />
nämlich, dass die Immigranten<br />
oder wenigstens doch gewichtige<br />
Anteile von ihnen nicht so<br />
seien und sich nicht so verhielten,<br />
dass sie in die bestehende politische<br />
und soziale „Landschaft“ der Bundesrepublik<br />
passen.<br />
Es ist dieses geistige Fundament,<br />
das als politische Richtschnur<br />
vorgegeben und über die<br />
Medien verbreitet, zum Volksvorurteil<br />
geronnen ist, auf dem die<br />
Thesen eines Thilo Sarrazin beruhen<br />
und ihre politische Brisanz gewinnen.<br />
Der Skandal Sarrazin besteht<br />
daher auch nicht darin, dass<br />
er „Integrationsprobleme“ diagnostiziert,<br />
ist doch deren angebliche<br />
Existenz ohnehin schon für<br />
eine breite Öffentlichkeit nicht<br />
weiter hinterfragbarer Fakt. Sarrazins<br />
Standpunkt ist lediglich die<br />
pessimistische Auslegung des herrschenden<br />
Integrationsbegriffs, die<br />
brachiale Schlussfolgerungen nahe<br />
legt für den Fall, dass sich die regierungsoffiziellen<br />
Integrationsziele<br />
nicht erreichen lassen. Wenn Sar-<br />
FLZ Nr. 3/10<br />
razin die mangelnde Integrationsfähigkeit<br />
von Immigranten beklagt<br />
und die Ursache dafür in ihrer biologischen<br />
Konstitution annimmt,<br />
verlässt er das dem Grundgesetz<br />
und der UN-Menschenrechtscharta<br />
zu Grunde liegende Menschenbild<br />
der Aufklärung und stellt sich<br />
außerhalb der Bandbreite des demokratischen<br />
Diskurses. Nicht von<br />
ungefähr kam der früheste und lauteste<br />
Beifall von ganz rechts und ist<br />
sein Buch in einem abseitigen Kleinverlag<br />
des rechtsnationalistischen<br />
Spektrums erschienen.<br />
Aber auch wer ständig die<br />
Ängste in der Bevölkerung beschwört,<br />
um härtere Restriktionen<br />
und Sanktionen gegen „Integrationsunwillige<br />
zu fordern, betreibt<br />
eine Politik populistischer<br />
Angsterzeugung, die in eine Spaltung<br />
der Gesellschaft mündet. So<br />
soll versucht werden, die durch eine<br />
Politik verschärften Sozialabbaus<br />
schwindenden Mehrheiten<br />
zu sichern, indem man den zunehmenden<br />
Aggressionen von sozial<br />
Benachteiligten ein Ventil verschafft.<br />
Beschluss des Landesvorstands<br />
der <strong>GEW</strong> Hessen vom<br />
11.09.2010 zur sogenannten Integrationsdebatte<br />
Mein Testament und letzter Wille:<br />
Arbeit macht frei<br />
Die Verkündigung eines anbrechenden<br />
Reichs der Freiheit und<br />
der individuellen Möglichkeiten<br />
stand einstmals an der Wiege<br />
des bürgerlichen Zeitalters. Diese<br />
soll es in Zukunft nicht einmal<br />
mehr post mortem uneingeschränkt<br />
geben. Stattdessen steht<br />
die umfassende Nutzbarmachung<br />
des menschlichen Individuums<br />
an. In Deutschland werden seit<br />
Jüngstem Forderungen nach einer<br />
Änderung des deutschen Organspendegesetzes<br />
laut. Dadurch<br />
soll die bisher geltende Zustimmungsregelung,<br />
nach der eine Organentnahme<br />
bei Verstorbenen<br />
deren zu Lebzeiten erteilte Zustimmung<br />
voraussetzt (bzw. die<br />
von Angehörigen), ersetzt wer-<br />
den durch eine so genannte Widerspruchsregelung.<br />
Durch deren<br />
Einführung würde jeder Verstorbene<br />
automatisch zu einem potenziellen<br />
Organspender, es sei<br />
denn, er oder seine Angehörigen<br />
hätten dem ausdrücklich widersprochen.<br />
Während man sich also<br />
bisher durch die Mitführung eines<br />
Organspenderausweises eine besondere<br />
soziale Einstellung zugute<br />
halten konnte, würde in Zukunft<br />
der verlangte Widerspruch<br />
gegen die Verwandlung der eigenen<br />
sterblichen Überreste in ein<br />
Ersatzteillager mit dem Ruch der<br />
asozialen Verweigerungshaltung<br />
befrachtet und ein weiteres Stückchen<br />
Enteignung des Menschen<br />
am eigenen Selbst erreicht sein.<br />
... Mahnmal für<br />
die Deportierten<br />
unter dem NSfreundlichen<br />
Vichy-Regime in<br />
Südfrankreich<br />
Visionen wie diese sind Glieder<br />
einer langen Kette von Maßnahmen<br />
und Absichtserklärungen, die sogar<br />
dem spätbürgerlichen (Konsum)<br />
beglückungsprogramm durch den<br />
Wohlstandsstaat des „Rheinischen<br />
Kapitalismus“ nach 1950 eine Absage<br />
erteilen. Die Verlängerung der<br />
Lebensarbeitszeit auf 67 Jahre (und<br />
laut gewordene Stimmen, die sogar<br />
für 70 plädieren), stellen klar, dass<br />
der „Besitz“ eines Arbeitsvermögens<br />
als einzigem „Kapital“ eines<br />
Menschen auch den möglichst lebenslangen<br />
Einsatz desselben im<br />
System der Reichtumsproduktion<br />
zur Folge haben soll. Die Vorstellung<br />
vom Arbeitnehmer, der im Alter<br />
von seinem durch Leistung erworbenen<br />
Kapital in Form einer
FLZ Nr. 3/10 SEITE 5<br />
Rente zehren kann, wird damit immer<br />
mehr zur Fiktion: Arbeiten, bis<br />
dass der Tod bzw. finales Siechtum<br />
das Arbeitsverhältnis scheiden!<br />
Die jüngsten Restriktionen<br />
des „Sparpakets“ gegenüber den<br />
Hartz-IV-Beziehern wenden dasselbe<br />
Prinzip auf die aus dem aktiven<br />
Ausbeutungsverhältnis Ausgesonderten<br />
an. So wird das Elterngeld<br />
für alle diejenigen gestrichen,<br />
die keiner Arbeit nachgehen und<br />
nur noch die auf Hartz-IV-Zuzahlungen<br />
zu ihren Sklavenlöhnen Angewiesenen<br />
bekommen es ausgezahlt.<br />
Die Bundespolitik knüpft<br />
dabei an Maßnahmen zur demographischen<br />
Steuerung an, wie sie<br />
schon von den Nationalsozialisten<br />
zur Schaffung „erbgesunden Nachwuchses“<br />
betrieben wurden:<br />
„Unterschiedslos ausgegebene<br />
Hilfen für Kinderreiche, die minderwertige<br />
Familien nur zu unerwünschter<br />
Fortpflanzung ermunterten,<br />
galten im rassehygienischen<br />
Denken als naturwidrige „Kontraselektion“.<br />
Folglich wurde im Nationalsozialismus<br />
bei sämtlichen familienfördernden<br />
Leistungen geprüft,<br />
ob die betreffende Familie<br />
auch ‚erbgesund’ und ‚würdig’ sei.<br />
Dies betraf Ehestandsdarlehen,<br />
Kinderbeihilfen, Kindererholung<br />
(»Kinderlandverschickung«), aber<br />
auch Ausbildungsbeihilfen und die<br />
Wohnungsvergabe.“ (1)<br />
In „moderner“ Fassung liest<br />
sich der gedankliche Hintergrund<br />
von solch einer Politik beispielsweise<br />
wie folgt:<br />
„Die Schichtabhängigkeit des generativen<br />
Verhaltens in Deutschland<br />
ist als stabiler Trend empirisch belegt,<br />
belegt ist auch, dass zwischen<br />
Schichtzugehörigkeit und Intelligenzleistung<br />
ein recht enger Zusammenhang<br />
besteht. Unter seriösen<br />
(!) Wissenschaftlern besteht<br />
heute zudem kein Zweifel mehr,<br />
dass die menschliche Intelligenz<br />
zu 50 bis 80 Prozent erblich ist.<br />
Der Umstand, dass bei unterschiedlicher<br />
Fruchtbarkeit von Bevölkerungsgruppen<br />
mit unterschiedlicher<br />
Intelligenz eugenische oder dysgenische<br />
Effekte auftreten können,<br />
wird daher grundsätzlich nicht<br />
mehr bestritten.“ (2) (Hvhbgn. von<br />
mir, E. O.) So geht ideologisches<br />
Recycling von einst in die Euthanasie<br />
und ins Konzentrationslager<br />
führendem Nazidreck 2010!<br />
Mit der durch Streichung des<br />
Elterngeldes vollzogenen Umsetzung<br />
von einem seiner wichtigsten<br />
Programmpunkte hat sich dann<br />
auch die an „Frührentner“ Sarrazin<br />
von der Bundesbank gewährte<br />
lebenslängliche Prämie für seine<br />
„Tabubrüche“ mehrtausendfach<br />
gelohnt. Außerdem ist dem aus<br />
Sarrazins Äußerungen triefenden<br />
Sozial- und Sexualneid, der von<br />
der Triebhaftigkeit einer staatlich<br />
ausgehaltenen undisziplinierten<br />
Unterschicht halluziniert, die Zustimmung<br />
von all denjenigen Working<br />
Poor und ausgeplünderten<br />
Rentner/-innen sicher, deren Verständnis<br />
von Gleichheit durch die<br />
gleiche Schädigung von anderen Benachteiligten<br />
zufriedengestellt werden<br />
kann. Die gleichzeitige Streichung<br />
des Heizkostenzuschusses<br />
stellt klar, dass der Hartz-IV-Bezieher<br />
auf andere, möglichst arbeitsintensive,<br />
Möglichkeiten zurückgreifen<br />
soll, um es sich warm<br />
werden zu lassen. Die parallel dazu<br />
über Steuererhöhungen für die<br />
Energieerzeuger auf den Weg gebrachte<br />
Steigerung der Energieko-<br />
sten wird dazu führen, dass mit der<br />
jährlichen Heizkostenabrechnung<br />
die große finanzielle Klemme für<br />
alle Leistungsempfänger garantiert<br />
ist, die dann aus dem Eckregelsatz<br />
bestritten werden muss. Denn wer<br />
nicht arbeitet, soll auch nicht (so<br />
viel) essen!<br />
Glücklicherweise hat uns Sarrazin<br />
darauf hingewiesen, dass<br />
von materieller Armut zwar in<br />
den Slums der so genannten Dritten<br />
Welt, nicht aber in Deutschland<br />
gesprochen werden muss.<br />
„Nicht die materielle, sondern<br />
die geistige und moralische Armut<br />
ist das Problem.“ Denn Sozialhilfeempfänger<br />
sind – so Sarrazin<br />
– immobile Fettsäcke, die<br />
Alkohol- und Tabakmissbrauch<br />
treiben, sich nicht sportlich betätigen<br />
und dummen Nachwuchs im<br />
Übermaß produzieren. Diese widerwärtigen<br />
Gewohnheiten werden<br />
durch die Verteilung von abgelaufenen<br />
Lebensmitteln über die<br />
modernen Suppenküchen in Form<br />
der öffentlichen Tafeln auch noch<br />
weiter unterstützt: „Ungefestigte<br />
Menschen, die nicht planen, nicht<br />
mit Geld umgehen, nicht kochen<br />
können und denen es an Willensstärke<br />
fehlt, die brauchen Suppenküchen<br />
[...]. Aber auch den ungefestigten<br />
Menschen würde ein Verhaltenstraining<br />
mehr helfen als die<br />
Unterstützung ihrer Schwächen.“<br />
So kündigt sich der Arbeitsdienst<br />
der Zukunft mit dem dazugehörigen<br />
Lager unter dem modischschicken<br />
Label „Verhaltenstraining“<br />
an!<br />
Es wäre zu einfach, das (Wieder)aufkommen<br />
dieses Denkens<br />
und seines durch die Mammutauflage<br />
von Sarrazins Buch verbürgten<br />
Erfolgs einfach auf das Konto eines<br />
siegreichen „Neoliberalismus“ zu<br />
verbuchen. Dieser ist – bei all seiner<br />
globalen Durchsetzungskraft<br />
– als Programm vielmehr selbst<br />
das ideologische Krisenphänomen<br />
eines Systems, in dem die objektiven<br />
Spielräume für die Profitwirtschaft<br />
ständig enger geworden<br />
sind. Ein Spätkapitalismus,<br />
der die materiellen Lebensbedingungen<br />
der Menschen zunehmend<br />
ausplündert und der dabei ist, auch<br />
die bisherigen staatlichen Rahmenbedingungen<br />
seines Gedeihens einzureißen,<br />
kann die Glücksversprechen,<br />
mit denen er nach 1945 angetreten<br />
ist, schon lange nicht mehr<br />
erfüllen. In Staaten wie der Bundesrepublik,<br />
die mit einem <strong>Sozialstaat</strong>sprogramm<br />
groß geworden<br />
sind, schwimmen die in der Dauerkrise<br />
überflüssig Gewordenen als<br />
ständig größer werdender Bodensatz<br />
mit, dem man die fehlenden Beschäftigungsmöglichkeiten<br />
als „Integrationsunwilligkeit“<br />
vorwirft.<br />
Dass ihre staatlich erhaltene Existenz<br />
für die Menge derjenigen, die<br />
unter Bedingungen einer wachsenden<br />
Perspektivlosigkeit zu schwindenden<br />
Löhnen malochen müssen,<br />
wie der reine Luxus aussieht, der<br />
zudem auf dem Weg der Umverteilung<br />
den Arbeitenden das ihnen<br />
Fehlende wegzunehmen scheint,<br />
um es den „Nutzlosen“ zu geben,<br />
ist objektiver Schein der falschen<br />
Verhältnisse. Nicht von Ungefähr<br />
unterstützen Ideologen wie Sarrazin<br />
diesen Schein dadurch, dass sie<br />
auf dem Ausdruck „Transferzahlungen“<br />
für die Sozialleistungen herumreiten.<br />
Der wachsenden Faschisierung<br />
des öffentlichen Bewusstseins<br />
sich entgegenzustemmen ist<br />
darum Gebot der Stunde.<br />
Ernst Olbrich<br />
1 Wolfgang Ayaß, „Asoziale“ im<br />
Nationalsozialismus, Stuttgart 1995, a. a. O. S. 107<br />
2 Thilo Sarrazin, Deutschland schafft sich ab, 2010, a. a. O. S. 71)<br />
3 Ebda., S. 91<br />
Hellerhofschule - Traum<br />
und Wirklichkeit<br />
An der Hellerhofschule stinkt es.<br />
Seit die Schule wegen des geplanten<br />
Um- und Ausbaus des Stammgebäudes<br />
im Mai in ein Containerdorf<br />
in der Stephensonstraße ziehen<br />
musste, geht es den Lehrkräften<br />
und auch den Kindern schlecht:<br />
sie haben Kopfschmerzen, Hautausschläge<br />
und Augenbrennen und<br />
verspüren Übelkeit.<br />
Selbstverständlich hat sich die<br />
Schulleiterin vom ersten Tag an<br />
dieses Problems mit großer Fürsorge<br />
angenommen. Sie alarmierte sowohl<br />
die Stadt als auch das Staatliche<br />
Schulamt. Schließlich ist ihr<br />
bekannt, dass sie, was den Arbeitsschutz<br />
betrifft, als Schulleiterin in<br />
der Arbeitgeberfunktion ist. In<br />
dieser Rolle muss sie laut Arbeitsschutzgesetz<br />
gesundheitliche Ge-<br />
Krankmachende Container?<br />
fahren für die Beschäftigten abwenden<br />
bzw. auf ihre Beseitigung hinwirken.<br />
Auch sprach sie offen mit<br />
den Eltern, die in großer Sorge um<br />
ihre Kinder waren. Nachdem aus<br />
dem Stadtschulamt die Information<br />
kam, das sei eben der Geruch in<br />
neuen Containern, und dem könne<br />
man nur durch intensives Lüften<br />
entgegenwirken, hat sie angeordnet,<br />
dass die Räume Tag und Nacht<br />
gelüftet werden. Als die Stadt Bedenken<br />
wegen Einbruchsgefahr hatte,<br />
rastete und ruhte sie nicht, bis<br />
die Stadt einen Wachdienst für die<br />
Nacht bestellte. Doch der Geruch<br />
hielt sich hartnäckig, woraufhin sie<br />
das Gesundheitsamt alarmierte. Bevor<br />
das Gesundheitsamt zu Schadstoffmessungen<br />
erschien, sorgte sie<br />
dafür, dass einer der Klassenräume<br />
mehrere Tage fest geschlossen<br />
blieb, damit unter realistischen Bedingungen,<br />
wie sie z.B. im Winter<br />
auftreten werden, gemessen werden<br />
konnte. Neben dem Gesundheitsamt<br />
alarmierte sie auch den<br />
betriebsärztlichen Dienst und die<br />
Fachkräfte für Arbeitssicherheit des<br />
Medical Airport Service, der für die<br />
hessischen Schulen zuständig ist.<br />
Über all diese Schritte stand sie in<br />
engem Kontakt mit dem Schulpersonalrat,<br />
der zu jedem Zeitpunkt<br />
über den aktuellen Stand informiert<br />
war. Ebenso wurde den besorgten<br />
Eltern regelmäßig mitgeteilt, welche<br />
Maßnahmen eingeleitet wurden.<br />
Der Schulpersonalrat wurde<br />
auch bei den Schadstoffmessungen<br />
hinzugezogen und konnte den messenden<br />
Fachleuten wertvolle Informationen<br />
geben. Er erfuhr, dass<br />
bei solchen Messungen nicht alle<br />
Schadstoffe gemessen werden<br />
und auch die Grenzwerte auf bestimmten<br />
Erfahrungen beruhen.<br />
Bei den Schadstoffmessungen war<br />
auch eine Dezernentin des Staatlichen<br />
Schulamtes zugegen, die zu<br />
erkennen gab, dass ihr sehr daran<br />
gelegen ist, dass die Ursache für den<br />
Gestank gefunden wird, da auch<br />
sie sich für die Gesundheit und<br />
das Wohlbefinden der Grundschullehrkräfte<br />
verantwortlich fühle.<br />
Der Schadstoffmessbericht wurde<br />
dem gesamten Kollegium vorgestellt.<br />
Die Messungen hatten keine<br />
signifikanten Überschreitungen<br />
von Grenzwerten ergeben. Er enthielt<br />
aber auch die Einschätzung,<br />
dass der Geruch nicht tolerierbar<br />
sei. Die Lehrkräfte sind leider nur<br />
teilweise beruhigt, denn ihr Wohlbefinden<br />
ist auch weiterhin beeinträchtigt.<br />
Insgesamt aber fühlen sie<br />
sich in ihren Bedenken und Ängsten<br />
wahrgenommen und als Menschen<br />
wertgeschätzt. Die Schulleiterin<br />
gibt sich mit dem Ergebnis nicht<br />
zufrieden. Sie hat sich vorgenommen,<br />
den Schulträger nun täglich<br />
anzurufen und auf ein Ausweichquartier<br />
zu drängen. Sie nimmt es<br />
ernst, dass der Geruch laut Gutachten<br />
„nicht tolerierbar“ ist.<br />
Potzblitz! War es wirklich so??<br />
Leider nur ein Traum. Schulwirklichkeit<br />
in <strong>Frankfurt</strong> sieht anders<br />
aus! Die Lehrkräfte werden im Unklaren<br />
gelassen. Obwohl sie die Anweisung<br />
erhalten, es solle viel gelüftet<br />
werden, wird ihnen wegen der<br />
Einbruchsgefahr das Lüften nach<br />
Unterrichtsschluss untersagt. Ebenso<br />
wird ihnen untersagt, das Gesundheitsamt<br />
anzurufen – das dürfen<br />
einfache Lehrkräfte nicht. Ob<br />
es die Schulleiterin getan hat, bleibt<br />
zunächst unklar. Auch mit den Eltern<br />
zu reden oder gar Briefe des Elternbeitrats<br />
in den Klassen auszuteilen<br />
wird den Lehrkräften verboten.<br />
Als die Messungen des Gesundheitsamtes<br />
bevorstehen, sind die Räume<br />
auf einmal Tag und Nacht durchlüftet.<br />
Es stinkt nun zwar nicht<br />
mehr so sehr, aber die stark sensibilisierten<br />
Lehrkräfte fühlen sich<br />
dennoch unwohl, bei vielen bleiben<br />
die Symptome bestehen. Nicht nur<br />
dem Kollegium, auch dem Personalrat<br />
werden die Informationen<br />
vorenthalten, bis dieser die Paragraphen<br />
aus dem Hessischen Per-<br />
sonalvertretungsgesetz, die ihm<br />
selbstverständlich Rechte in Angelegenheiten<br />
des Arbeitsschutzes geben,<br />
zitiert. In seiner Not, nicht in<br />
seinen Ängsten ernstgenommen zu<br />
werden, beschließt das Kollegium<br />
auf einer Personalversammlung „einen<br />
Tag an der frischen Luft“. Die<br />
Eltern werden informiert, dass der<br />
Unterricht an einem Tag nur draußen<br />
stattfinden soll. Als die Schulleiterin<br />
davon Wind bekommt, fragt<br />
sie selbstverständlich sofort bei der<br />
Juristin im Staatlichen Schulamt an,<br />
die den Frischlufttag ebenso selbstverständlich<br />
sofort verbietet. Die<br />
Amtsleiterin teilt dem Gesamtpersonalrat<br />
auf Nachfrage mit, dass es<br />
in anderen Schulen mit Containern<br />
anfangs auch gestunken habe, nur<br />
sei man dort wohl nicht so emp-<br />
findlich. Im Schulamt ist man sich<br />
keines Versäumnisses bewusst: Gespräche<br />
mit der Schulleiterin, dem<br />
Schulträger und dem Gesundheitsamt<br />
haben stattgefunden. Ohne es<br />
wirklich zu wissen, beteuert die<br />
Amtsleiterin sogar, die Schulleiterin<br />
kenne ihre Pflichten aus Arbeitsschutz-<br />
und Personalvertretungsgesetz<br />
und bedürfe insoweit keiner Belehrung.<br />
Komisch nur, dass die Schulleiterin<br />
diesen Pflichten nicht von sich<br />
aus nachkam, wegen des geplanten<br />
Frischlufttags aber der Belehrung<br />
der Amtsjuristin bedurfte. Was wäre<br />
geschehen, wenn sie ihr Kollegium<br />
bei diesem demonstrativen Akt<br />
unterstützt hätte? Wäre die Welt<br />
zusammengebrochen? Wären die<br />
betroffenen Kinder auf ewig Analphabeten<br />
geblieben? Oder hätten<br />
sich die KollegInnen in ihren<br />
Bedenken und Ängsten wahrgenommen<br />
und als Menschen wertgeschätzt<br />
gefühlt? So wie in dem<br />
oben beschriebenen Traum, der natürlich<br />
niemals Schulwirklichkeit<br />
werden kann. Warum nicht? Darüber<br />
nachzudenken sei jedem selber<br />
aufgegeben.<br />
Wie auch immer: das Problem<br />
des Gestanks an der Hellerhofschule<br />
bleibt vorerst ungelöst. Was ist,<br />
wenn es nach den Herbstferien immer<br />
noch stinkt und Unterricht bei<br />
geöffneten Fenstern nicht möglich<br />
ist? Die Verantwortlichen sollten<br />
sich schnellstens um einen „Plan B“<br />
kümmern! Vertuschen und Aussitzen<br />
ist nicht angesagt!<br />
Marianne Friemelt
SEITE 6<br />
Kritische stimmen<br />
zu den Reformen<br />
nach PIsA auf einer<br />
internationalen<br />
Tagung an der<br />
Universität zu Köln<br />
im Juni 2010<br />
Wie uns spätestens der 11. September<br />
2001 hinlänglich gelehrt<br />
hat, liefern schockartig wirkende<br />
Ereignisse oftmals die Legitimation<br />
für strategische Maßnahmen,<br />
die zuvor in der breiten Öffentlichkeit<br />
niemals Akzeptanz gefunden<br />
hätten. Folgt man den Ausführungen<br />
auf der Tagung „Bildungsstandards<br />
auf dem Prüfstand<br />
– Der Bluff der Kompetenzorientierung“<br />
so hat auch der berühmte<br />
„Pisa-Schock“ in Deutschland<br />
einem äußerst fragwürdigen Paradigmenwechsel<br />
in der Orientierung<br />
der Bildung den Weg geebnet,<br />
der – so das evidente Ergebnis<br />
der Tagung – zu einem Fiasko in<br />
der Entwicklung des Bildungswesens<br />
führt und weiter führen wird.<br />
Am Samstag, den 26. 06. 2010<br />
war die Aula an der Universität<br />
zu Köln mit über 400 anwesenden<br />
Zuhörern gefüllt. Lehrer und<br />
Hochschuldozenten aus Deutschland<br />
und der Schweiz waren angereist,<br />
um den zehn erziehungs- und<br />
bildungswissenschaftlich tätigen,<br />
kritischen Hochschullehren von<br />
deutschen und Schweizer Universitäten<br />
zuzuhören und miteinander<br />
Erfahrungen und Meinungen<br />
auszutauschen. Einige der veranstaltenden<br />
bzw. vortragenden Professoren<br />
hatten bereits 2005 im<br />
Anschluss an eine ähnliche Tagung<br />
an der <strong>Frankfurt</strong>er Universität<br />
mit ihren fünf „<strong>Frankfurt</strong>er<br />
Einsprüchen gegen die technokratische<br />
Umsteuerung des Bildungswesens“<br />
öffentlich auf die verhängnisvolle<br />
Entwicklung im Bildungswesen<br />
aufmerksam gemacht.<br />
Bezeichnenderweise hieß damals<br />
der Titel ihres Manifests „Das Bildungswesen<br />
ist kein Wirtschaftsbetrieb“.<br />
Nach der aktuellen Ta-<br />
gung kam es zur Gründung einer<br />
neuen „Gesellschaft für Bildung<br />
und Wissen“, die versuchen will,<br />
zu den gravierenden Fehlentwicklungen<br />
im Bildungswesen (nach<br />
PISA) eine permanente kritische<br />
Öffentlichkeit zu schaffen.<br />
Kern der „Reform“:<br />
reduktionistisches<br />
Kontrollsystem ersetzt<br />
differenzierten<br />
Bildungsauftrag<br />
In seiner Einführung nahm Prof.<br />
Andreas Gruschka, Erziehungswissenschaftler<br />
der Goethe Universität<br />
<strong>Frankfurt</strong>, von wo aus die <strong>Frankfurt</strong>er<br />
Initiative 5 Jahre früher ausgegangen<br />
war und jetziger Mitinitiator<br />
und Moderator der aktuellen<br />
Veranstaltung eine Bilanz<br />
der Bildungsentwicklung und deren<br />
öffentliche Wahrnehmung seit<br />
2005 vor. Hatte man als Kritiker<br />
damals noch Attacken und Verunglimpfungen<br />
auf breiter Ebene<br />
einstecken müssen, sei die Situation<br />
heute gänzlich anders: die Reformen<br />
seien mittlerweile mit zuweilen<br />
grotesken Auswirkungen<br />
„vielfach hart auf dem Boden der<br />
Tatsachen gelandet.“ Bisher habe<br />
dies allerdings nicht zu grundlegenden<br />
Kurskorrekturen, sondern<br />
höchstens zu Schadensbegrenzungen<br />
und zur ständigen „Reform<br />
der Reform“ geführt. Jetzt gelte es,<br />
mit dieser Tagung und der neuen<br />
„Gesellschaft für Bildung und Wissen“<br />
eine breite, nachhaltig wirkende,<br />
anhaltende Diskussion anzustoßen,<br />
um eine echte Kurskorrektur<br />
vorzunehmen zu können.<br />
Als pädagogischer Kern der<br />
höchst problematischen Reformen<br />
erscheine den Veranstaltern, denen<br />
grundlegende Bemühungen um eine<br />
ständige Verbesserung der Qualität<br />
der Bildungsanstrengungen in<br />
Schulen eine Selbstverständlichkeit<br />
sei, die „Ausrichtung des schulischen<br />
Lehrens und Lernens auf<br />
Bildungsstandards und die Umstellung<br />
von Wissen auf Kompetenzen,<br />
von denen bis heute niemand<br />
sagen könnte, was sich denn<br />
konkret dahinter verbirgt, deshalb<br />
auch der Titel der Tagung. In allen<br />
deutschen Bundesländern seien<br />
nach PISA weitgehend „blindlings<br />
und konzeptlos“, aber mit großer<br />
Betriebsamkeit die alten inhaltsbezogenen<br />
Lehrpläne durch „kompetenzorientierte<br />
Kerncurricula“<br />
ersetzt worden und nun sei man<br />
schon länger daran, in den verschiedenen<br />
Bundesländern flächendeckende,<br />
uniforme Leistungstests<br />
in Form von Lernstandserhebungen<br />
und das Zentralabitur einzuführen.<br />
Wozu und auf welcher Grundlage?<br />
Prof. Gruschka und auch Prof. Lutz<br />
Koch, Erziehungswissenschaftler<br />
der Universität Bayreuth, befassten<br />
sich in ihren Referaten dann auch<br />
eingehend mit dieser Umstellung<br />
der curricularen Planung von inhaltlichen<br />
Vorgaben entlang der<br />
Fachstrukturen (Input) auf den Erwerb<br />
von Kompetenzen (Output)“<br />
und ihren Folgen. Dabei erweist es<br />
sich als fatal, Wissen und Kompetenz<br />
als Gegensatz zu konstruieren,<br />
wo doch für jeden Unterrichtenden<br />
evident ist, dass Kompetenzen nur<br />
auf der Basis eines fundierten inhaltlichen<br />
Wissens entwickelt werden<br />
können, wenn sie nicht zu automatisierten,<br />
standardisierten Verhaltensweisen<br />
verkommen sollen.<br />
Auch bei genauerer Betrachtung erweist<br />
sich der Kompetenzbegriff als<br />
äußerst abstrakt, nebulös und leerformelhaft.<br />
Ausformulierungen von Kompetenzen<br />
sind laut Prof. Gruschka<br />
begleitet von „Kaskaden von widersprüchlichen<br />
Anweisungen“.<br />
Der Referenzautor für die eigentliche<br />
Theorie der Kompetenzen, der<br />
verstorbene Professor für Pädagogische<br />
Psychologie Franz Weinert,<br />
liefert selbst keine konkret fassbaren<br />
Vorstellungen des Begriffs,<br />
sondern umschreibt in der den Bildungsstandards<br />
zugrunde liegendem<br />
Kompetenzbegriff lediglich<br />
allgemein formulierte kognitive<br />
Fähigkeiten und Fertigkeiten als<br />
Voraussetzung für Kompetenzen.<br />
Deshalb konstatierte Prof. Gruschka:<br />
“Kompetenzen bleiben so eine<br />
Blackbox, bloß stochernd umschrieben<br />
mit Fähigkeiten, Wissen,<br />
Verstehen, Können, Handeln, Erfahrung,<br />
Motivation“.<br />
Prof. Koch wiederum charakterisierte<br />
den Kompetenzbegriff als<br />
„hoch defizitär“, zumal er die Schülerpersönlichkeit<br />
auf funktionale<br />
Eindimensionalität reduziere. Wesentliche<br />
Voraussetzungen und Eigenschaften<br />
des Lernenden – der<br />
Aufbau seiner Interessen und seiner<br />
Motivation beim Lernen, seine sozialen,<br />
emotionalen und moralischen<br />
Fähigkeiten, seine politische Reifung<br />
und somit jegliche bildungstheoretischen<br />
Überlegungen – seien<br />
aus der Weinertschen Perspektive<br />
der Kompetenzen praktisch ausgeblendet.<br />
Diese „Totalreform“ des<br />
Bildungswesens führe somit zu einer<br />
radikalen Entleerung des pädagogischen<br />
Auftrags der Schulen.<br />
Koch bezeichnete es als Skandal,<br />
dass mit einem solch untauglichen<br />
Begriff, der damit zusammenhängenden<br />
Theorie und den reduktionistischen<br />
Bildungsstandards<br />
grundlegende Veränderungen im<br />
Bildungswesen erzwungen werden<br />
sollen. Den Schulen würde man damit<br />
nach angelsächsischem Vorbild<br />
die „Rankingknechtschaft“ aufoktroyieren,<br />
die Hochschullehrer<br />
degradiere man zu „Modulknechten“.<br />
Für die Unterrichtstätigkeit<br />
der Lehrpersonen und für<br />
die Lehrerbildung überhaupt habe<br />
dies weit reichende Konsequenzen:<br />
anstatt sich um Verbesserungen in<br />
der Ausbildung der Lehrer, ihrer<br />
fachlichen, pädagogischen und didaktischen<br />
Fähigkeiten in der Unterrichtsgestaltung<br />
bzw. Wissensvermittlung<br />
sowie um bessere Lehrmittel<br />
usw. zu bemühen, richten<br />
sich heute alle Anstrengungen auf<br />
die erfolgreiche Vorbereitung von<br />
Tests („teaching to the test“).<br />
Bedenken und Einwände der<br />
Lehrerschaft oder von Erziehungswissenschaftlern<br />
aus den Hochschulen<br />
gegen diese Totalreform –<br />
insbesondere von denjenigen Hochschulen,<br />
die qualitative Forschung,<br />
wie z.B. vertiefte Fallstudien zu Fragen<br />
der Lehrer-Schüler-Beziehung,<br />
der Motivation und der Interessensgenese,<br />
zur Unterrichtsatmosphäre,<br />
zur fachlichen Qualität und zum<br />
Am 26. Juni 2010 in Köln<br />
FLZ Nr. 3/10<br />
Bildungsstandards<br />
auf dem Prüfstand –<br />
auf dem Weg zum<br />
homo oeconomicus?<br />
sozialen oder zielorientierten Lernen<br />
zum Thema haben, würden<br />
ignoriert. Zugleich fließen Millionenbeträge<br />
solchen Bildungsforschungsinstituten<br />
zu, die als Paradigmenwechsel<br />
Bildungsstandards<br />
und wissensbereinigte Kompetenzorientierung<br />
derzeit in die Schulen<br />
bringen und dieses als „state<br />
of the art Forschung“ alternativlos<br />
propagieren.<br />
Ohne „Input“ kein<br />
„Output“ – der Betrug<br />
der besseren „Qualität“<br />
Besonders pointiert nahm der<br />
Bielefelder Professor für Psychologie<br />
Rainer Dollase, das mit den<br />
Bildungsstandards verbundene<br />
„Qualitätsmanagement“ (QM)<br />
unter die Lupe. Ihm zufolge lässt<br />
sich jede Form von QM auf ein<br />
simples dreischrittiges Denkmodell<br />
zurückführen: Zielvereinbarung,<br />
Handeln und Kontrolle/Evaluation,<br />
etwas, was jeder Mensch<br />
sowieso automatisch macht, wenn<br />
er eine gezielte Handlung ausführt.<br />
Als standardisiertes Entwicklungsverfahren<br />
finde dieses Modell in<br />
der Technik (z. B. Optimierung<br />
von Abläufen) eine sinnvolle Anwendung.<br />
Zur Optimierung von<br />
Schulen, Unterricht, Lehrerpersönlichkeiten<br />
sei es aber völlig unsinnig,<br />
denn das QM verschaffe keinerlei<br />
Einsicht in die Ursachen für<br />
guten oder schlechten Schulerfolg,<br />
etabliere dafür umso mehr Kontrollmacht<br />
und eine aufgeblähte<br />
Bürokratie. QM rufe bezeichnenderweise<br />
besonders bei Kollegen<br />
aus der ehemaligen DDR ein unangenehmes<br />
Déjà-vu hervor und sei<br />
dort vor allem auch im Rahmen<br />
unsinniger Zielvereinbarungen<br />
kläglich gescheitert.<br />
Anstelle von „Papiersteuerung“<br />
(Tests) bräuchten Lehrpersonen<br />
zur Optimierung ihres Unterrichts<br />
die Vermittlung und den Aufbau<br />
fachlicher und pädagogischer<br />
Qualitäten. Zu erwerben seien diese<br />
in einer angemessenen Aus- und<br />
Weiterbildung, und zwar durch Dozenten,<br />
die guten Unterricht selbst<br />
real vormachen könnten, statt aus-
FLZ Nr. 3/10 SEITE 7<br />
schließlich psychologische oder pädagogische<br />
Theorien zu referieren.<br />
Zu den heute bereits feststellbaren<br />
Folgen des drastischen Abbaus<br />
von Fachwissen selbst in Abiturprüfungen<br />
stellte der <strong>Frankfurt</strong>er<br />
Fachdidaktikprofessor Hans<br />
Peter Klein in seinem Vortrag eine<br />
empirische Untersuchung einer<br />
aktuellen Zentralabiturarbeit im<br />
Leistungskurs Biologie in NRW<br />
vor, die er in seinem Forschungsansatz<br />
mit beteiligten Lehrern einer<br />
9. Klasse ohne jede Vorbereitung<br />
des entsprechenden Stoffgebietes<br />
unter Abiturprüfungsbedingungen<br />
als Probeklausur vorgelegt hatte.<br />
Als Kontrolle wurde eine Abiturklausur<br />
vor Einführung der kompetenzorientiertenAufgabenstellungen<br />
im Zentralabitur verwendet.<br />
Das Ergebnis war mehr als<br />
überraschend: die Schüler der 9.<br />
Klasse schafften nicht nur ausreichende<br />
Leistungen in der Leistungskursklausur<br />
des Zentralabiturs,<br />
auch die Notenstufen befriedigend,<br />
gut und sehr gut wurden<br />
von einigen Schülern erreicht, und<br />
dies ohne fachliche Vorkenntnisse<br />
des Themas. Im Vergleich dazu<br />
war kein Schüler in der Lage, eine<br />
Biologie Leistungskursklausur aus<br />
dem alten, dezentralen Abitur vor<br />
2007 auch nur ansatzweise zu bearbeiten.<br />
Wie ist dies zu erklären?<br />
Prof. Klein veranschaulichte der<br />
zumindest teilweise überraschten<br />
Zuhörerschaft dies anhand einiger<br />
Aufgabenbeispiele. Jeder konnte<br />
sich davon überzeugen, dass in<br />
den neuen Aufgabenstellungen des<br />
Zentralabiturs NRW sämtliche Lösungen<br />
zu den Aufgaben aus dem<br />
umfangreichen Arbeitsmaterial zu<br />
entnehmen sind, da hier alle Wissensgrundlagen<br />
für die Bearbeitung<br />
der Aufgabenstellung vorgegeben<br />
werden. Der Schüler braucht also<br />
nur Lesekompetenz, um die Aufgaben<br />
lösen zu können. Er kann<br />
dabei größtenteils die im Arbeitsmaterial<br />
enthaltenen Sachinformationen<br />
wortwörtlich abschreiben,<br />
um dem genau formulierten Erwartungshorizont<br />
für die Punktevergabe<br />
voll zu entsprechen. Lesekompetenz<br />
und Zuordnungskompetenz<br />
reichen hier aus, die Aufgabenstellungen<br />
zu lösen, die Einbringung<br />
von Fachwissen durch den Schüler<br />
ist nicht vonnöten. So stellen auch<br />
viele Schüler nach dem Abitur ihren<br />
Lehrern (oder auf Facebook)<br />
die unangenehme Frage, warum sie<br />
denn überhaupt soviel gelernt hätten,<br />
das hätten sie auch ohne Vorbereitung<br />
gekonnt. Der von vielen<br />
Seiten als Exzellenz und Zuwachs<br />
an Qualität gefeierte Erfolg – nachweisbar<br />
durch die Verdopplung der<br />
Abiturientenzahlen in vielen Bundesländern<br />
in den letzten Jahren –<br />
ist also erkauft worden durch eine<br />
drastische Absenkung des Anforderungsniveaus.<br />
Und noch einen<br />
anderen Effekt konnte Prof. Klein<br />
deutlich belegen: während in den<br />
kompetenzorientierten Aufgabenstellungen<br />
des Zentralabiturs es<br />
durchaus schwierig ist, für sehr gute<br />
Schüler die Bestnote zu erreichen<br />
(sie können es teilweise nicht glauben,<br />
dass das einfache Abschreiben<br />
von teilweise redundanten Sachverhalten<br />
aus dem Arbeitsmaterial genügt,<br />
so fehlen ihnen hier Punkte),<br />
ist es nahezu unmöglich, die Notenstufe<br />
mangelhaft oder ungenügend<br />
zu erreichen. So liegt selbst die Notenstufe<br />
mangelhaft landesweit in<br />
NRW an Gymnasien deutlich unter<br />
1%, teilweise wird auch die Notenstufe<br />
vier an Gymnasien nur selten<br />
erreicht. Es findet also nicht nur eine<br />
drastische Nivellierung des Anforderungsniveaus<br />
statt, sondern<br />
im Sinne einer unsinnigen Gleich-<br />
macherei auch noch eine Nivellierung<br />
von oben nach unten und von<br />
unten nach oben.<br />
Betrachtet man sich die in den<br />
Bundesländern mittlerweile nahezu<br />
flächendeckend eingeführten<br />
kompetenzorientierten Kerncurricula,<br />
die meist keinerlei fachliche<br />
Vorgaben mehr enthalten, so wird<br />
deutlich, wohin der Weg gehen soll:<br />
Weg von den Inhalten hin zu undefinierbaren<br />
Kompetenzen. Ob<br />
sich eine Wissensgesellschaft dies<br />
leisten kann?<br />
„Bildung ist kein<br />
Arsenal an Kompetenzen,<br />
sondern eröffnet<br />
Horizonte“<br />
Roland Reichenbach, Professor<br />
für Pädagogik an der Universität<br />
Basel, wies vor allem auch auf den<br />
fehlenden Realitätssinn in der Bildungspolitik<br />
im Beurteilen und Erkennen<br />
unnötiger oder gar schädlicher<br />
Reformen hin. Wenn längst<br />
klar ist, dass eine Reform scheitert<br />
– z.B. die „Output-Steuerung“ des<br />
Bildungswesens nicht weiterführe –<br />
müsse man halt zur alten „Input“-<br />
Steuerung“ zurückkehren, argumentierte<br />
er. Dass eine solche Rück-<br />
Kritik an den „Standards“ in Köln<br />
kehr nicht geschieht, verglich er mit<br />
einem analogen Vorgang, den er<br />
als „Concorde-Falle“ bezeichnete.<br />
Obwohl das finanzielle Desaster<br />
dieses ehrgeizigen Überschallflugzeugprojekts<br />
lange im Voraus allen<br />
Beteiligten klar war, wurde es<br />
bis zum bitteren Ende weiter geführt.<br />
Ein solches ‚erfolgreiches<br />
Scheitern‘ charakterisiert laut Reichenbach<br />
auch das Schicksal der<br />
meisten Reformen in den Schulen.<br />
Ebenso offensichtlich, sagte Reichenbach,<br />
führt die vornehmliche<br />
Ausrichtung der Schulen auf Tests<br />
zu einer Bürokratisierung des Bildungswesens,<br />
zu einer Vereinseitigung<br />
der Bildung sowie zu einer<br />
Deprofessionalisierung der Lehrerbildung;<br />
und zugleich reduziert sich<br />
die Anforderung des Unterrichts<br />
darauf, Schüler auf standardisierte,<br />
funktionale Testaufgaben zu<br />
trimmen. Reichenbach forderte die<br />
deutschen Pädagogen auf, sich der<br />
eigenen hoch stehenden Bildungstradition<br />
des 19. und beginnenden<br />
20. Jahrhunderts zu besinnen und<br />
dort anzuknüpfen, statt die angelsächsischen<br />
Fehler zu wiederholen.<br />
Pikanterweise weisen gerade amerikanische<br />
Spitzenuniversitäten den<br />
Weg: Bei der Zulassung von Studenten<br />
zur Sicherung ihrer Studienqualität<br />
setzen sie auf „Input“, auf<br />
Vorbildung, Motivation und Engagement<br />
der Studenten, deren Identifikation<br />
mit dem Studium und lassen<br />
ihnen dann in der Gestaltung<br />
des Studiums große Freiheiten und<br />
viel Selbstverantwortung – ganz im<br />
Sinne der Humboldtschen Bildungsidee.<br />
Bedenkenswert war auch<br />
Reichenbachs Hinweis auf die<br />
Komplexität und vielfache Unvorhersehbarkeit<br />
von schöpferischen<br />
Entscheidungsprozessen in Schule<br />
und Universität, weshalb sich diese<br />
Institutionen nur begrenzt ‚steuern‘<br />
lassen. Die vielfältigen Ziele aller<br />
Beteiligten – meinte Reichenbach –<br />
führen vielfach zu einer unkontrollierbaren<br />
‚organisierten Anarchie‘,<br />
etwas das man als Pädagoge aushalten<br />
müsse. Wer damit Schwierigkeiten<br />
habe, sollte keine „Definitionsmacht“<br />
über Schulen und<br />
Lehrer erhalten, z.B. als Experte für<br />
„Qualitätsmanagement“.<br />
Wahre Bildung als<br />
Widerstand gegen die<br />
Unvernunft<br />
Dass genügend negative Erfahrungen<br />
mit der technokratischen<br />
„Steuerung“ des Bildungswesens<br />
längst existieren, erwähnten nicht<br />
nur Reichenbach und Dollase,<br />
sondern auch Prof. Johannes Bellmann,<br />
Erziehungswissenschaftler<br />
der Universität Münster. Sein historischer<br />
Exkurs führte zurück an<br />
den Beginn des 20. Jahrhunderts<br />
als in den USA der Behaviorismus<br />
seine Blüten trieb und Begriffe wie<br />
„social efficency“ oder „scientific<br />
management“ das Ansinnen widerspiegelten,<br />
erfolgreiches Lernen zu<br />
einem vollständig kontrollierbaren,<br />
weil operationalisierbaren Prozess<br />
machen zu können. Dies habe zu<br />
denselben Maßnahmen geführt,<br />
wie sie heute mit den Bildungsstandards<br />
bzw. dem Qualitätsmanagement<br />
umgesetzt werden: Ein-<br />
und Durchführung vielerlei Mess-<br />
bzw. Testmethoden im großen Stil<br />
mit vollkommen irrationalen Erwartungen<br />
an die Machbarkeit der<br />
Bildungskontrolle.<br />
Einen sehr erfrischenden philosophisch-aufklärerischenKontrapunkt<br />
zu diesem technokratischfunktionalistischenBildungsverständnis<br />
setzte die Professorin für<br />
Allgemeine Pädagogik an der Universität<br />
zu Köln, Ursula Frost, mit<br />
ihrem Referat unter dem Titel „Bildung<br />
bedeutet nicht Anpassung,<br />
sondern Widerstand“. Zur Veranschaulichung<br />
ihrer These griff sie<br />
auf wesentliche Persönlichkeiten<br />
und Erkenntnisse der europäischen<br />
Geistesgeschichte zurück: Mit dem<br />
„Widerstand gegen die Unbildung“<br />
in Anlehnung an Platons Höhlengleichnis<br />
belegte Prof. Frost die befreiende<br />
Aufgabe der Bildung, die<br />
den Weg zum eigenständigen, vom<br />
Sinnlich-Vordergründigen unabhängigen<br />
Denken beinhaltet. Dieser<br />
Weg, der es dem zunehmend<br />
tiefer denkenden Menschen erlaubt,<br />
gedankenlose Konformität<br />
verlassen zu können, ist allerdings<br />
nicht ohne persönliche Anstrengung<br />
zu erlangen. Kants Botschaft<br />
in „Was ist Aufklärung“ fasste Frau<br />
Frost in die Formel „Bildung als<br />
Widerstand des Selbstdenkens“ –<br />
gegen Fremdsteuerung – zusammen.<br />
Denn die Überwindung der<br />
„selbstverschuldeten Unmündigkeit“<br />
durch den Gebrauch der eigenen<br />
Vernunft ermöglicht es dem<br />
Individuum, seine naturgemäße Bestimmung<br />
als Mensch, seine Würde<br />
zu wahren. In Anlehnung an Humboldt<br />
formulierte die Professorin<br />
den notwendigen „Widerstand<br />
der Humanität gegen die Verzweckung“<br />
zum Schutz der menschlichen<br />
Persönlichkeit. Mit diesem<br />
Bildungsanliegen traf sie den zentralen<br />
Nerv der Funktionalisierung<br />
der Schulen und Hochschulen und<br />
deren „Outcome“ als Dienstleister<br />
für bestimmte, vornehmlich<br />
ökonomische Interessen. Bildung<br />
im Sinne des Humanismus widersteht<br />
jedoch grundsätzlich jeglicher<br />
Indienstnahme und ist ausschließlich<br />
der allseitigen Entfaltung der<br />
menschlichen Kräfte im Kind wie<br />
im Jugendlichen verpflichtet. Als<br />
weiteres Merkmal echter Bildung<br />
nannte Professorin Frost mit Referenz<br />
auf Nietzsche den notwendigen<br />
Widerstand der Individualität<br />
gegen die Vereinnahmung durch<br />
die Massenproduktion, die mit der<br />
Kommerzialisierung der Bildung<br />
als Geschäft einhergeht. Das Zeitalter<br />
der Bildungsstandards – fasste<br />
sie zusammen – bedeute das Ende<br />
der Bildung, die sich am Anspruch<br />
der Sache, an mündiger Kritikfähigkeit,<br />
Humanität und Individualität<br />
orientiere. Dagegen sei Widerstand<br />
auf der ganzen Linie angesagt.<br />
Bildung als „Spielball<br />
von Interessen“ ohne<br />
ethischen Kern<br />
Es war wohl kein Zufall, dass an<br />
dieser Tagung die beiden letzten<br />
Redner, der Erziehungswissenschaftler<br />
Prof. Frank-Olaf Radtke<br />
(Goethe Universität <strong>Frankfurt</strong>)<br />
und der Kunstpädagoge Prof. Jochen<br />
Krautz (Alanus Hochschule<br />
für Kunst und Gesellschaft, Alfter<br />
bei Bonn) die längerfristige politische<br />
Dimension der Bildungsstandards<br />
bzw. der damit verbundenen<br />
Bildungspolitik thematisierten.<br />
Prof. Radtke zeichnete zunächst<br />
die Veränderungen der universitären<br />
Bildung in den letzten 20<br />
Jahren nach: den Wandel des humanistisch<br />
orientierten Bildungsverständnisses<br />
mit dem Anspruch,<br />
junge Menschen zu befähigen, verantwortungsbewusste<br />
Bürger eines<br />
demokratischen Gemeinwesens zu<br />
werden, zu einer Auffassung, dass<br />
Bildung ausschließlich als Mittel<br />
für junge Menschen verstanden<br />
werden muss, um sich auf dem freien<br />
Markt der globale Kräfte zu positionieren<br />
bzw. sich durchsetzen zu<br />
können – ‚Bildung‘ also als Ausbildung<br />
gänzlich ohne normativen<br />
humanen Kern. Angesichts dieses<br />
problematischen Wandels unterstrich<br />
Prof. Radtke sehr deutlich,<br />
dass es in einer funktionierenden<br />
Demokratie gerade nicht egal sei,<br />
wie Studenten auf ihre zukünftigen<br />
Aufgaben vorbereitet würden. Ohne<br />
ethischen Kern seien junge Menschen<br />
grundsätzlich „Spielball von<br />
Interessen“; aus ihnen könnten keine<br />
Forscher mit Verantwortung<br />
hervorgehen.<br />
Die zunehmende Ausrichtung<br />
des Bildungswesens an einem utilitaristischen<br />
Menschenbild des<br />
„homo oeconomicus“ – auch als<br />
„Ökonomisierung“ der Bildung bezeichnet<br />
– wurde von Prof. Krautz<br />
weiter vertieft. Er veranschaulichte<br />
das Credo neoliberaler Wirtschaftstheorie,<br />
das den Menschen als „Unternehmer<br />
seiner Selbst“ und Bildung<br />
vor allem als Investition in<br />
„Humankapital“ sieht, mit zahlreichen<br />
Beispielen. Die Entstaatlichung<br />
bzw. Entrechtlichung der<br />
Gesellschaft – also der Trend zur<br />
Deregulierung und Liberalisierung<br />
sämtlicher Bereiche des gesellschaftlichen<br />
Lebens bis hin<br />
zur Privatisierung der öffentlichen<br />
Dienste (Gesundheits-, Transport-,<br />
Verkehrswesen, Energieversorgung,<br />
etc.) habe auch das Bildungswesen<br />
erreicht. Dies zeigte<br />
Prof. Krautz an den Bestrebungen<br />
internationaler Organisationen wie<br />
der WTO oder der OECD sowie<br />
an der Hintergrundarbeit zahlloser<br />
Stiftungen, Konzerne und Lobbygruppen.<br />
Schulen und Hochschulen<br />
werden heute darin schon nicht<br />
mehr primär als Institution des Gemeinwohls,<br />
sondern als Unternehmen<br />
mit dem Zwang zur Vermarktung<br />
verstanden, während Schüler<br />
und Eltern nicht mehr als Individuen<br />
mit Würde gelten, sondern<br />
als „Humankapital“, das sich eine<br />
qualitativ bedeutsame Bildung<br />
nur mit den notwendigen finanziellen<br />
Möglichkeiten erkaufen kann.<br />
Es ist absehbar, dass Bildung mit<br />
dieser gesellschaftlichen Ausrichtung<br />
in Zukunft vor allem eine<br />
Frage des Geldes und der sozialen<br />
Schicht sein wird.<br />
Gründung der<br />
„Gesellschaft für<br />
Bildung und Wissen“<br />
Wir befinden uns offenbar also<br />
nach wie vor – um nochmals auf<br />
Prof. Reichenbach zurückzukommen<br />
– auf bestem Weg, von den negativen<br />
Erfahrungen aus den USA<br />
nicht lernen zu wollen und im großen<br />
Stil dieselben verhängnisvollen<br />
Fehler zu machen, bis hin zur Schaffung<br />
eines Zweiklassen-Bildungssystems.<br />
Wohlgemerkt: In den USA<br />
ist die zweite Klasse für 80 bis<br />
90% der Bevölkerung reserviert.<br />
Um dieser Entwicklung nachhaltig<br />
etwas entgegenzusetzen, wurde<br />
im Anschluss an die Tagung eine<br />
neue „Gesellschaft für Bildung<br />
und Wissen“ gegründet mit einem<br />
Vorstand, der sich aus Vertretern<br />
aus Deutschland, Österreich und<br />
der Schweiz zusammensetzt. Die<br />
Gesellschaft will damit einen Beitrag<br />
leisten zur öffentlichen Debatte<br />
über Ziele, Inhalte und Methoden<br />
der nun schon über ein Jahrzehnt<br />
verfolgten umfassenden Bildungsreform.<br />
Die Gesellschaft hat ausdrücklich<br />
keine parteiliche oder<br />
sonstige Interessenanbindung, sondern<br />
sieht sich als Plattform für all<br />
jene, die den vielen Reformen im<br />
Bildungswesen skeptisch gegenüberstehen.<br />
Im Flyer zur Gesellschaft<br />
heißt es dann auch: „Ihr<br />
Anspruch zielt in offener Weise<br />
darauf, Aufklärung über die reale<br />
Situation im Bildungswesen und die<br />
Wirkungen und Nebenwirkungen<br />
der eingeleiteten Reformen zu verbreiten<br />
sowie Diskussionen über<br />
die sich anbietenden Reformen zu<br />
fördern. Dies geschieht durch Tagungen,<br />
die Veröffentlichung von<br />
Analysen und Forschungsergebnissen<br />
sowie durch die Formulierung<br />
von Stellungnahmen.“<br />
Adresse für Anschrift oder Bewerbung<br />
um Mitgliedschaft:<br />
Gesellschaft für Bildung und<br />
Wissen e.V.<br />
Goethe-Universität <strong>Frankfurt</strong> am<br />
Main, Sophienstrasse 1-3<br />
60487 <strong>Frankfurt</strong> am Main<br />
Tel: 069/798-28150<br />
Fax.:069/798-22778<br />
E-Mail: Info@bildung-wissen.<br />
Internet: www.bildung-wissen.eu
SEITE 8<br />
Erste Reihe von links nach rechts: Elke Lamprecht, Marianne Friemelt, Christiane Treffert, Meike Bär<br />
zweite Reihe v.l.n.r. Silvia Boczek-Wronker, Ute Seeger, Margret Kröger, Rainer Koch, Hanne Hirn, Angelika<br />
Wahl, Christa Sperr-Straub, Jürgen Lamprecht<br />
dritte Reihe: Hans Wedel, Karlfried Klingel, Sebastian Guttmann, Klaus Schermelleh<br />
Einstellungen zum Schuljahresbeginn<br />
2010<br />
Zum Schuljahresbeginn wurden<br />
im Bereich des <strong>Frankfurt</strong>er Staatlichen<br />
Schulamtes 162 Stellen neu<br />
besetzt, davon 43 im Bereich der<br />
Grundschulen, 25 im Bereich der<br />
HR- und Gesamtschulen, 60 bei<br />
den Gymnasien und 34 in den beruflichen<br />
Schulen.<br />
Die Neubesetzungen sind zu<br />
großen Teilen der Tatsache geschuldet,<br />
dass ältere Kolleginnen und<br />
Kollegen in den wohlverdienten<br />
Ruhestand oder in die Passivphase<br />
der Altersteilzeit eintreten. So<br />
verließen uns im Sommer 202 Personen<br />
wegen Altersteilzeit und 77<br />
Personen gingen in den (teilweise<br />
auch vorgezogenen) Ruhestand, 3<br />
Menschen verstarben vor Erreichen<br />
des Ruhestands.<br />
Wir freuen uns über die jungen<br />
Kolleginnen und Kollegen, die mit<br />
Zuversicht und viel Elan ins Berufsleben<br />
starten.<br />
Zurzeit ist das Schulamt noch<br />
mit der Nachbilanzierung beschäftigt.<br />
D.h., es wird geprüft, ob die<br />
Schülerzahlen den vor den Sommerferien<br />
gestellten Prognosen entsprechen<br />
oder ob zu viel / zu wenig<br />
angekommen sind. In beiden<br />
Fällen beabsichtigt das Schulamt,<br />
nachzubessern. Das bedeutet, dass<br />
Schulen, die mehr Schüler prognostiziert<br />
hatten, als tatsächlich<br />
angekommen sind, damit rechnen<br />
müssen, dass sie die „zu viel zugewiesene<br />
Unterrichtsversorgung“<br />
bei erstbester Gelegenheit wieder<br />
abgeben müssen. Diejenigen, die<br />
Klassenmehrbildungen vorzuweisen<br />
haben, sollen so bald wie möglich<br />
versorgt werden.<br />
Das Ganze erfolgt unter dem<br />
Gebot, dass der Mangel möglichst<br />
gleichmäßig verteilt wird. Denn bekannt<br />
ist, dass den Schulen gerade<br />
eben das Nötigste zugewiesen wird,<br />
um die Stundentafel abzudecken.<br />
Ein Mehr an Stellen, die der Unterrichtsversorgung<br />
zugute kommen<br />
könnten, ist nirgends zu sehen, abgesehen<br />
davon, dass die Abschaffung<br />
der „Sternchen-Regelung“ für<br />
die ersten und fünften Klassen nunmehr<br />
in die zweite Runde geht. In<br />
manchen Bereichen wurden in der<br />
Zuweisung durch das Kultusministerium<br />
leichte Kürzungen vorgenommen,<br />
so z.B. bei den Stellen<br />
für Schulen mit hohem Zuwanderungsanteil<br />
(minus 3 Stellen) oder<br />
den Stellen für die Drogenberatung<br />
(minus 3,7 Stellen), die regionale<br />
Lehrerfortbildung (minus 1,85<br />
Stellen), die „Qualitätssicherung<br />
Grundschule“ (minus 0,5 Stellen)<br />
sowie die Fachberatung (minus 4,9<br />
Stellen). So etwas fließt heutzutage<br />
in HKM-Projekte wie z.B. die Führungsakademie<br />
oder wird für so<br />
genannte „Schulentwicklungsberater“<br />
zurückgehalten, von denen<br />
jetzt auch 4 Personen mit halber<br />
Stelle ihre „segensreiche“ Wirkung<br />
im Schulamtsbereich <strong>Frankfurt</strong> entfalten<br />
sollen.<br />
Kommentar: Bekanntlich helfen<br />
ja auch Unternehmensberater<br />
den Unternehmen wirklich weiter,<br />
so z.B., indem in Folge ihrer<br />
Beratung „betriebsbedingte Entlassungen“<br />
durchgeführt werden.<br />
Bleibt abzuwarten, was die Schulentwicklungsberater<br />
nun den Schulen<br />
bescheren – sicher nichts, was<br />
wir dringend brauchen!<br />
Lehrermangel?<br />
Wurde im letzten Schuljahr noch<br />
das Lied vom Lehrermangel gesungen,<br />
so zeigt sich die Situation<br />
in diesem Jahr bei weitem nicht<br />
mehr so angespannt. Die Kolle-<br />
Nachrichten ...<br />
FLZ Nr. 3/10<br />
ginnen und Kollegen, die Interesse<br />
an einer Einstellung im HR-,<br />
Gymnasial- und beruflichen Bereich<br />
hatten, konnten nahezu alle<br />
eingestellt werden. Mangel zeichnet<br />
sich im HR-Bereich und bei<br />
den Gymnasien in den Fächern<br />
Physik, Chemie, Mathematik ab,<br />
in den beruflichen Schulen in den<br />
Fachrichtungen Elektrotechnik,<br />
Metall, Gesundheit sowie den Fächern<br />
Chemie, Physik, Deutsch,<br />
Englisch, Biologie, Ethik. Dennoch<br />
geht das Schulamt davon<br />
aus, dass am Ende alle offenen<br />
Stellen im Schulamtsbereich besetzt<br />
werden können. Der 10%-Erlass<br />
muss nicht angewendet werden,<br />
und auch der Einstieg in die<br />
Schule über die Quereinsteiger-<br />
Verordnung beschränkt sich auf<br />
derzeit 5 Fälle in Randbereichen.<br />
Das Schulamt teilt allerdings mit,<br />
dass es nach wie vor schwer ist,<br />
qualifizierte Bewerber für befristet<br />
zu vergebende Vertretungsverträge<br />
zu finden. Wen wundert‘s?<br />
Arbeitsschutz<br />
Während der Schulamtsbereich<br />
<strong>Frankfurt</strong> vor einigen Jahren hessenweit<br />
vorn lag, trägt er derzeit<br />
die rote Laterne. Durch häufigen<br />
Wechsel der Zuständigkeiten bei<br />
den Dezernenten und den Ruhestandsbeginn<br />
desjenigen Kollegen,<br />
der im Schulamt mit diesem Thema<br />
betraut war, liefen zuletzt alle<br />
Fragen und Anliegen des Gesamtpersonalrats<br />
ins Leere. Die Dezernentenzuständigkeit<br />
wurde nun<br />
neu mit Franz-Josef Klar besetzt,<br />
der als Stellvertretender Schulleiter<br />
der Friedrich-Ebert-Schule an<br />
das Schulamt abgeordnet wurde,<br />
um dort den Sek-I-Bereich zu<br />
verstärken. Erneut haben wir die<br />
Hoffnung, nun wieder ein offenes<br />
Ohr für unsere Anliegen zu finden.<br />
Insbesondere der Kontakt mit dem<br />
Schulträger muss auch durch das<br />
Staatliche Schulamt verstärkt werden.<br />
Aber auch Begehungen, zu denen<br />
die Fachkräfte für Arbeitssicherheit<br />
des „Medical Airport<br />
Service“ verpflichtet sind, werden<br />
zurzeit offenbar vernachlässigt.<br />
Fragebogen zur Gefährdungsanalyse<br />
Vor einigen Jahren hat die <strong>GEW</strong>-<br />
Fraktion im Gesamtpersonalrat einen<br />
Fragebogen entwickelt, der den Schulen<br />
zur Erhebung der psychischen Belastungen<br />
empfohlen wurde. Diese<br />
Erhebung ist Teil der durch die Arbeitsschutz-Gesetzgebungverpflichtend<br />
vorgeschriebenen Gefährdungsanalyse<br />
und dient der Aufdeckung<br />
von schulischen Problemen, die den<br />
Kolleginnen und Kollegen auf der<br />
Seele liegen. Viele Schulen haben sich<br />
dieses Instruments bedient, andere<br />
haben es abgelehnt, weil sie die Arbeit<br />
der Auswertung fürchteten. Das<br />
Kultusministerium stellt auf der Seite<br />
„Schule und Gesundheit“ nunmehr<br />
den Fragebogen mit einer online-Auswertungsmöglichkeit<br />
zur Verfügung.<br />
Man findet diesen Fragebogen unter<br />
http://www.schuleundgesundheit.<br />
hessen.de/themen/arbeitsschutz-arbeitssicherheit-gesundheitsschutz.html,<br />
dort muss man „Kollegiumsbefragungsmodul“<br />
anklicken.<br />
A 14-Stellen<br />
Im Mai kam aus dem HKM die freudige<br />
Botschaft, es gebe eine zusätzliche<br />
Tranche A14-Stellen. D.h., zu<br />
den üblichen Ersatz-Besetzungen<br />
auf frei gewordenen Stellen wurden<br />
weitere 35 Stellen ausgeschrieben<br />
und auch besetzt. Gegen Ende<br />
des Schuljahrs legte Wiesbaden<br />
dann den Rückwärtsgang ein und
FLZ Nr. 3/10 SEITE 9<br />
ließ wissen, dass für die zusätzlichen<br />
Stellen nun doch „kein Geld da“ sei.<br />
Da <strong>Frankfurt</strong> ein bisschen zu schnell<br />
war, wird nun der nächste Beförderungstermin<br />
ignoriert, da die bis dahin<br />
freiwerdenden Stellen durch die<br />
Vorwegnahme schon aufgebraucht<br />
sind. Die nächste A14-Stellenausschreibung<br />
läuft im November für<br />
den Termin 01. 10. 2011.<br />
Kinder mit ungeklärtem<br />
Aufenthaltsstatus<br />
Im Dezember 2009 erschien im<br />
Amtsblatt eine Verordnung, nach<br />
der Kinder mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus<br />
in den Schulen nicht<br />
mehr die Pflicht haben sollen, Pass<br />
oder Meldebescheinigung vorzulegen.<br />
Seitdem sperrt sich das Schulamt,<br />
diese Verordnung umzusetzen.<br />
Immer neue Tricks werden erfunden,<br />
um die Kinder und deren<br />
Eltern doch unter Druck setzen zu<br />
können. Zuletzt wurden ein „Identitätsnachweis“<br />
und ein „Adressnachweis“<br />
gefordert. Der Gesamtpersonalrat<br />
hat empfohlen, sich an<br />
den Regelungen der Kitas zu orientieren,<br />
die solche Papiere nicht<br />
fordern.<br />
Kinder mit nichtdeutscher<br />
Herkunft<br />
Wie schon unter der Überschrift<br />
„Einstellungen“ berichtet, wurden<br />
die Stellen zur Unterstützung<br />
dieser Kinder von 192 auf 189 gekürzt.<br />
Erstmals wurden diese Stellen<br />
in diesem Jahr allein durch das<br />
Schulamt verteilt (bisher wurde etwa<br />
die Hälfte von Wiesbaden aus<br />
Nach einer Studie der Studie<br />
der Evangelischen FachhochschuleLudwigshafen<br />
(2005) leben allein in<br />
<strong>Frankfurt</strong> 25.000 bis 40.000<br />
Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus,<br />
fünf bis zehn<br />
Prozent davon seien Kinder<br />
und Jugendliche. Zu ihnen<br />
gehören auch SchülerInnen,<br />
die nach der Schulaufnahme<br />
ihren Aufenthaltsstatus<br />
bzw. ihre Duldung verloren<br />
und von Abschiebung bedroht<br />
sind.<br />
Im Herbst 2008 beschloss<br />
der hessische Landtag, ausländischen<br />
Kindern und Jugendlichen<br />
ohne Aufenthaltsstaus<br />
gemäß der UN-Kinderrechtskonvention<br />
das Recht<br />
auf Bildung zuzugestehen<br />
und ihnen die Schulaufnahme<br />
zu ermöglichen. Ein Jahr<br />
später veränderte das Hessische<br />
Kultusministerium im<br />
Dezember 2009 die „Verordnung<br />
zum Schulbesuch von<br />
Schülerinnen und Schülern<br />
nichtdeutscher Herkunftssprache<br />
vom 05. 08. 2008“:<br />
die Schulämter, bzw. die<br />
Schulleitungen verzichten bei<br />
der Schulaufnahme auf die<br />
Vorlage einer Meldebescheinigung<br />
und öffnen die Türen<br />
für junge, statuslose Men-<br />
direkt zugewiesen). Die Verteilkriterien<br />
sind unklar, die Verantwortlichkeiten<br />
werden verwischt. Die<br />
<strong>GEW</strong>-Fraktion im Gesamtpersonalrat<br />
bemüht sich derzeit, Licht<br />
in dieses Dunkel zu bringen.<br />
Lehrkräfte für Kinder mit<br />
Seiteneinsteigerstatus<br />
Bei einer Versammlung dieser<br />
Lehrkräfte vor ca. eineinhalb<br />
Jahren wurden wir auf das Problem<br />
aufmerksam, dass im Bereich<br />
„Deutsch als Zweitsprache“<br />
sechs Kolleginnen beschäftigt sind,<br />
die, obwohl der Zuweisungserlass<br />
für diese Arbeit eigens Stellen zur<br />
Verfügung stellt, lediglich befristete<br />
Verträge haben, in denen ein<br />
Vertretungsgrund genannt ist. Diese<br />
Ungerechtigkeit traf vor allem<br />
Menschen, die selbst einen Migrationshintergrund<br />
haben, die Schwierigkeiten<br />
beim Deutsch-Lernen am<br />
eigenen Leibe erfahren haben und<br />
sich deshalb den Kindern besonders<br />
verständnisvoll zuwenden können.<br />
Wir haben den Sachverhalt dem<br />
Schulamt vorgetragen und angeregt,<br />
dass diese Menschen auf unbefristete<br />
Stellen eingestellt werden.<br />
Dabei trafen wir auf diverse Probleme,<br />
die z.T. rechtlicher Natur<br />
waren, z.T. aber auch darauf beruhten,<br />
dass zunächst einmal alle<br />
Beteiligten dieses Anliegen gemeinsam<br />
vertreten mussten.<br />
Zum Schuljahresbeginn 2010<br />
können wir berichten, dass drei der<br />
sechs nunmehr unbefristete Verträge<br />
haben. Dies ist nicht zuletzt der<br />
Hartnäckigkeit der <strong>GEW</strong>-Frakti-<br />
schen, die unter prekären sozialen<br />
Bedingungen ein Schattenleben<br />
in ständiger Angst vor Entdeckung<br />
führen.<br />
Nach dem Film „Illegalität<br />
und Abschiebung“ werden Hildegund<br />
Niebch (Referat Flucht und<br />
Migration beim Diakonischen<br />
Werk in Hessen und Nassau) und<br />
der in Flüchtlingsinitiativen tätige<br />
Rechtsanwalt Dominik Bender<br />
über die soziale und juristische<br />
Situation von Menschen „ohne<br />
Papiere“ referieren. Dabei werden<br />
wir auch den Umgang und<br />
Umfang der Übermittlungspflichten<br />
von Schulleitungen beraten,<br />
die Ausländerbehörde über den<br />
illegalen Aufenthalt von Statuslosen<br />
zu informieren.<br />
Am Nachmittag wollen wir<br />
nach dem Erfahrungsbericht einer<br />
ehemals illegalisierten Jugendlichen<br />
die Fragen beraten:<br />
n Welche Hilfestellungen zur<br />
Bewältigung der schwierigen<br />
Schul-und Alltagssituation<br />
sollten Schulämter, Schulleitungen,<br />
die unterrichtenden<br />
LehrerInnen, Jugendämter<br />
anbieten, wenn sie diesen<br />
jungen Menschen gerecht<br />
werden wollen?<br />
... aus dem Gesamtpersonalrat<br />
on zu verdanken, wohl aber auch<br />
einzelnen Personen in den Schulen<br />
und im Schulamt, die den Weg mit<br />
ebnen geholfen haben.<br />
Befristete Verträge für<br />
Tarifbeschäftigte (I)<br />
Von den 566 Personen, die am Ende<br />
des vergangenen Schuljahres in<br />
einem befristeten Vertrag tätig waren,<br />
bekamen 379 die Sommerferien<br />
bezahlt. Dies entspricht 67%<br />
(im letzten Jahr waren es 80%).<br />
Evtl. muss da noch nachgebessert<br />
werden. Die <strong>GEW</strong>-Fraktion im Gesamtpersonalrat<br />
bietet Betroffenen<br />
Beratung an, auch der Erlass über<br />
die Sommerferienbezahlung kann<br />
zur Verfügung gestellt werden.<br />
Befristete Verträge für<br />
Tarifbeschäftigte (II)<br />
Nach wie vor ist der Umgang des<br />
Schulamtes mit dem neuen Tarifvertrag<br />
Hessen unbefriedigend.<br />
Das Verfahren, nach dem die<br />
Schulpersonalräte ihr Mitbestimmungsrecht<br />
ausüben, wurde zwar<br />
durch eine Verfügung geklärt, findet<br />
in der Praxis aber häufig nicht<br />
statt. Das Schulamt räumt den<br />
Schulpersonalräten auf einem<br />
Formblatt die Mitbestimmung bei<br />
der Festlegung der Entgeltstufe ein.<br />
Dieses Formblatt liegt weiterhin<br />
vielen Personalräten nicht vor. Sie<br />
werden nicht zur Mitbestimmung<br />
aufgefordert, oder sie erhalten das<br />
Blatt erst, nachdem bereits der Arbeitsvertrag<br />
unterschrieben ist. Die<br />
Unterlagen, die sie zur Beurteilung<br />
benötigen, werden ihnen nicht zur<br />
n Wie können Schulgemeinden<br />
auf drohende Abschiebungen<br />
reagieren?<br />
n Welche Unterstützung bieten<br />
Kirchen, Sozialdienste und<br />
Flüchtlingsinitiativen?<br />
Das Seminar richtet sich an<br />
LehrerInnen, SozialarbeiterInnen,<br />
hauptamtliche und ehrenamtliche<br />
MitarbeiterInnen<br />
von Flüchtlingsinitiativen sowie<br />
an Eltern und SchülerInnen, die<br />
sich für jugendliche Flüchtlinge<br />
engagieren.<br />
Seminarleitung:<br />
Angelika Wahl<br />
Entgelt:<br />
27,- Euro,<br />
Mitglieder der <strong>GEW</strong>:<br />
10,- Euro<br />
Die <strong>GEW</strong> fördert die Teilnahme<br />
ihrer Mitglieder an diesem lea-<br />
Bildungsangebot, wenn sie keine<br />
Kostenübernahme von ihrem Arbeitgeber<br />
erhalten.<br />
Anmeldung:<br />
Telefon: 069-971293-27<br />
Fax: 069-971293-97<br />
e-mail:<br />
anmeldung@lea-bildung.de<br />
Verfügung gestellt. Der Vorgang<br />
der Einstellung wird zeitlich vom<br />
Zeitpunkt der Eingruppierung und<br />
Einstufung abgetrennt.<br />
Die <strong>GEW</strong>-Fraktion im Gesamtpersonalrat<br />
sieht auch ein Mitbestimmungsrecht<br />
des Schulpersonalrates<br />
bei der Festlegung der Entgeltgruppe<br />
(nicht nur der Entgeltstufe,<br />
wie vom Schulamt behauptet).<br />
Dieses wird derzeit vom Schulamt<br />
noch bestritten.<br />
Sowohl Eingruppierung als auch<br />
Einstufung erfolgen nach Rückmeldungen<br />
von Einzelpersonen teilweise<br />
fehlerhaft. Das Schulamt berichtigt<br />
die Fehler teilweise, bleibt aber in<br />
anderen Fällen auch bei seiner Meinung.<br />
Schulpersonalräten kann nur<br />
geraten werden, mit Hinweis auf<br />
die tariflichen und erlasslichen Regelungen<br />
eine fehlerhafte Einstufung<br />
schriftlich begründet abzulehnen.<br />
Wir raten dazu, sich nicht von Drohungen<br />
einschüchtern zu lassen, dass<br />
die Beschäftigung der betreffenden<br />
Person gefährdet sei, wenn der Schulpersonalrat<br />
die Einstufung ablehne!!<br />
Das Schulamt behauptet in seiner<br />
Verfügung, Unterrichtserfahrungen<br />
bei einem anderen Arbeitgeber<br />
könnten bei der Einstufung<br />
berücksichtigt werden. Tatsache ist<br />
aber, dass sie berücksichtigt werden<br />
müssen.<br />
Außerdem will das Schulamt<br />
Vorerfahrungen nur anerkennen,<br />
wenn die Tätigkeit mit mehr als einer<br />
2/5-Stelle ausgeübt wurde. Für<br />
diese Position gibt es jedoch keine<br />
Rechtsgrundlage. Vorerfahrungen<br />
müssen auch bei geringerem Be-<br />
Nichtinanspruchnahme von<br />
Stellenhebungen<br />
Nicht in Anspruch genommene VSS-Mittel<br />
Internatsschule Schloss Hansenberg<br />
Schulsport<br />
Internationale Angelegenheiten /<br />
Austauschmaßnahmen<br />
Qualitätssicherung in der Schule<br />
Medien im Unterricht<br />
Elternfortbildung zu<br />
Erziehungsvereinbarungen<br />
Landesstelle Groß-Gerau<br />
Jedem Kind ein Instrument<br />
Sonderdruck Hessische Verfassung<br />
(künftig Finanzierung aus Lernmittel)<br />
Personalausgabenbudget<br />
Entnahme noch vorhandener Rücklagen<br />
Summe Kapitel 04 59:<br />
schäftigungsumfang berücksichtigt<br />
werden. Schulpersonalräte sollten<br />
deshalb begründet ablehnen, wenn<br />
eine Person mit z.B. 8 Stunden seit<br />
Jahren an der Schule beschäftigt ist<br />
und trotzdem im neuen Vertrag nur<br />
die Entwicklungsstufe 1 bekommt.<br />
Weiter hat die <strong>GEW</strong>-Fraktion<br />
im Gesamtpersonalrat das Schulamt<br />
aufgefordert, Transparenz<br />
darüber zu schaffen, wenn Gestaltungsspielräume<br />
bei der Einstufung<br />
genutzt werden. Die <strong>GEW</strong>-Fraktion<br />
fordert die Möglichkeit ein,<br />
die Nutzung solcher Spielräume im<br />
Sinne von Gleichbehandlung offen<br />
zu legen. Dies wird vom Schulamt<br />
derzeit verweigert.<br />
Gleichwohl erhielten wir die<br />
Zusage, im Herbst in einer „Evaluationsgruppe“<br />
all diese Probleme<br />
ansprechen zu wollen.<br />
Sollten die Probleme in dieser<br />
Gruppe nicht einvernehmlich gelöst<br />
werden, muss über die Möglichkeit<br />
des Beschlussverfahrens und/<br />
oder eines Initiativantrags nachgedacht<br />
werden.<br />
Die <strong>GEW</strong>-Fraktion hat am<br />
16. September in einer Veranstaltung<br />
für Tarifbeschäftigte die Betroffenen<br />
über all diese Probleme<br />
informiert. Gleichwohl bitten wir<br />
weiterhin alle Betroffenen bzw. deren<br />
Personalräte, uns über Differenzen<br />
bei der Eingruppierung und<br />
Einstufung zu informieren, damit<br />
wir einen Überblick über die auftretenden<br />
Probleme bekommen<br />
und diese einer Lösung zuführen<br />
können.<br />
Geplante Kürzungen<br />
im Schulbereich des<br />
Landeshaushalts 2011<br />
2.835.000,00 Euro<br />
9.315.000,00 Euro<br />
50.000,00 Euro<br />
200.000,00 Euro<br />
100.000,00 Euro<br />
150.000,00 Euro<br />
500.000,00 Euro<br />
75.000,00 Euro<br />
160.000,00 Euro<br />
800.000,00 Euro<br />
49.700,00 Euro<br />
17.846.600,00 Euro<br />
8.749.000,00 Euro<br />
40.830.300,00 Euro
SEITE 10<br />
Lehrerstellenzuweisung<br />
für das Schuljahr 2010/2011<br />
Der HPRLL gab eine ausführliche<br />
Stellungnahme zur Zuweisung ab,<br />
die bei Interesse angefordert werden<br />
kann.<br />
Haushalt 2011: Erste Informationen<br />
zum Haushaltsentwurf<br />
Erste Informationen des HKM: 500<br />
neue Stellen seien bewilligt. Dazu<br />
kämen Stellengewinne aus Schülerrückgang<br />
und Wegfall von Doppelsetzungen<br />
wegen G8 und G9. Die<br />
Stellen gehen u.a. in die Klassenteiler-Veränderungen,<br />
in die Abdeckung<br />
der Stundentafel der Grundschule<br />
(Fördermaßnahmen) und in<br />
weitere Ganztagsangebote.<br />
Das HKM erklärte, dass die<br />
Lernmittel mit 35 Mio Euro konstant<br />
geblieben seien, aber in der<br />
neuen Haushaltsstruktur auf die<br />
„Produkte“ verteilt seien und dort<br />
in den Sachmitteln auftauchten.<br />
Gleiches gelte für Fortbildungsmittel<br />
mit 1,44 Mio Euro und Reisekosten<br />
mit 1,4 Mio Euro, die auch<br />
gleich geblieben seien.<br />
Der HPRLL stellte fest, dass somit<br />
keine Stellen über die Unterrichtsabdeckung<br />
hinaus zur Verfügung<br />
stünden.<br />
Die Vertretungsmittel seien in<br />
den Personalkosten enthalten. Bei<br />
den Mitteln für VSS seien Kürzungen<br />
von 9,3 Mio Euro und bei<br />
den Vertretungsmitteln Kürzungen<br />
von 17,8 Mio Euro vorgesehen.<br />
Bisher seien 48,2 Mio Euro an Vertretungsmitteln<br />
vorgesehen gewesen.<br />
Von den VSS-Mitteln seien im<br />
letzten Jahr 10,8 Mio Euro nicht<br />
in Anspruch genommen worden.<br />
Durch die Kürzungen bei den Vertretungsmitteln<br />
sei die Grundunterrichtsversorgung<br />
nicht angetastet<br />
und voraussichtlich könnten 1,2<br />
Mio Euro aus den VSS-Mitteln in<br />
2011 für Vertretungen genutzt werden.<br />
Weiterhin wolle man weitere<br />
Einsparungen (3 Mio Euro) durch<br />
verstärkte Nutzung von Leerstellen<br />
für reguläre Einstellungen realisieren.<br />
Bisher seien Leerstellen<br />
nicht besetzt worden und anstelle<br />
dessen Vertretungsverträge abgeschlossen<br />
worden.<br />
Durch eine Frist von drei statt<br />
zwei Monaten bei der Wiederbesetzung<br />
von Funktionsstellen rechne<br />
die Dienststelle mit weiteren Einsparungen<br />
von 1,65 Mio Euro.<br />
Das HKM gehe davon aus,<br />
dass durch „Binnenoptimierung“ in<br />
der einzelnen Schule im Vertretungsfall<br />
weniger Mittel notwendig seien.<br />
Bei Schulen mit Überbesetzung müsse<br />
diese den Vertretungsbedarf aus<br />
dem eigenen Bestand decken. Nach<br />
dem Abitur würden keine Vertretungsverträge<br />
mehr geschlossen.<br />
Jahrgangsteams sollen durch Auslastung<br />
der Drei-Stunden-Regel Vertretungsbedarf<br />
reduzieren.<br />
Die geplanten Kürzungen sind<br />
auf S. 9 dargestellt. Wie man sieht,<br />
wird alles „zusammengekratzt“,<br />
um schön zu rechnen, allerdings<br />
auf Kosten der SchülerInnen und<br />
der KollegInnen.<br />
Das HKM erklärte, dass es beabsichtige,<br />
zum 01. 01. 2011 das<br />
„kleine Schulbudget“ allen Schulen<br />
anzubieten, in der Summe 60<br />
Mio Euro. Es beinhalte die Mittel<br />
für Lehrmittel, VSS, IT-Support<br />
und Fortbildung. Die Teilnahme sei<br />
freiwillig. Das Konto werde beim<br />
StSchA geführt. Die Schulen seien<br />
flexibler in der Verausgabung der<br />
Mittel, dadurch dass die Mittel<br />
gegenseitig deckungsfähig seien<br />
und 100% bis zu drei Jahre in eine<br />
Rücklage fließen könnten. Der<br />
Verwaltungsaufwand solle redu-<br />
Nachrichten aus dem Hauptpersonalrat<br />
ziert werden und die Verantwortung<br />
für die Lehrmittelfreiheit gehe<br />
an die Schule.<br />
Der HPRLL stellte fest, dass<br />
für ihn die Verantwortung für die<br />
Lehrmittelfreiheit immer beim<br />
HKM bleibe.<br />
Auf Nachfrage, wie die Budgetzuweisung<br />
auf die Schulen „heruntergebrochen“<br />
werden solle, erklärte<br />
das HKM, dass es hierzu eine<br />
Arbeitsgruppe im Ministerium<br />
gebe, welche die Berechnungsmodalitäten<br />
erarbeite.<br />
Das Schulgirokonto stehe nur<br />
zur Verbuchung von Drittmitteln<br />
zur Verfügung, nicht für das „kleine<br />
Schulbudget“. Dieses werde vom<br />
zuständigen staatlichen Schulamt<br />
verwaltet, über die Verausgabung<br />
der Mittel entscheide aber die Schule.<br />
Die Überweisung von Landesmitteln<br />
auf das Schulgirokonto sei nicht<br />
beabsichtigt, da das Finanzministerium<br />
aufgrund rechtlicher Vorgaben<br />
eine tägliche Liquiditätsprüfung aller<br />
Konten mit Landesmitteln fordere,<br />
die bei Überweisung auf ein<br />
Schulgirokonto nicht machbar sei.<br />
Der HPRLL kritisierte den Produkthaushalt:<br />
Dieser liefere weniger<br />
Informationen als vorher. Die<br />
Mittelaufschlüsselung für Fortbildung,<br />
Lehrmittel usw. könne nicht<br />
mehr nachvollzogen werden.<br />
Haushaltssperre – Konsequenzen<br />
für den Schulbereich<br />
Das HKM hat auf Nachfrage berichtet,<br />
dass die Vertretungsmittel<br />
für 2010 nicht gekürzt worden<br />
seien. (Allerdings geht das Halbjahr<br />
bis Ende Januar!) Lediglich die<br />
angestrebte Erhöhung von zusätzlichen<br />
250 Beförderungsmöglichkeiten<br />
nach A 14 seien nicht umgesetzt<br />
worden, die ursprünglich<br />
vorgesehenen Beförderungsmöglichkeiten<br />
blieben ungekürzt.<br />
Richtlinien für die Tätigkeit<br />
sozialpädagogischer MitarbeiterInnen<br />
an SfPB und SfKB<br />
Hier musste sich der HPRLL mit<br />
einem ausgesprochen unerfreulichen<br />
Ablauf auseinandersetzen:<br />
Nachdem von juristischer Seite<br />
plötzlich und unerwartet Schwierigkeiten<br />
gemacht wurden, kam das<br />
HKM zur letzten Erörterung mit<br />
einer Vorlage, in der auch bereits<br />
abgesprochene Formulierungen der<br />
Überarbeitung zurück genommen<br />
und sogar die bestehende Richtlinie<br />
verschlechtert werden sollte.<br />
Der HPRLL hat dann seinen<br />
Überarbeitungsvorschlag zurückgezogen<br />
und in einem sehr deutlichen<br />
Schreiben seinen Ärger und<br />
seine Betroffenheit über Inhalt und<br />
Umgang geäußert.<br />
Sonderpädagogische<br />
Zusatzausbildung für<br />
ErzieherInnen und SozialpädagogInnen<br />
Der HPRLL hatte den TOP auf die<br />
TO genommen, da Gerüchte von<br />
einer Beendigung der Zusatzausbildung<br />
(ZA) bis hin zum Abbruch der<br />
laufenden Maßnahme sprachen.<br />
Nach Angaben des HKM ist die<br />
laufende Maßnahme gesichert. Insgesamt<br />
scheint es aber durch personelle<br />
Veränderungen beim HKM/<br />
AfL neue Diskussionen zu geben.<br />
Der HPRLL hat daher dem HKM<br />
die Notwendigkeit der Fortsetzung<br />
der ZA und auch einer darauf folgenden<br />
Aufstiegsmöglichkeit deutlich<br />
gemacht.<br />
Vertretungsreserve<br />
an den Studienseminaren<br />
Der HPRLL hat dazu einen Initiativantrag<br />
gestellt. Das HKM be-<br />
streitet nicht die Notwendigkeit einer<br />
Vertretungsreserve, sieht zurzeit<br />
dieses Problem aber als an den<br />
Seminaren als gelöst an, indem<br />
die Überstunden der Ausbilder als<br />
Mehrarbeit festgehalten würden.<br />
Im Rahmen der Novellierung des<br />
Hessischen Lehrerbildungsgesetzes<br />
sollen Vertretungsstunden über einen<br />
Faktor ausgewiesen werden,<br />
der sich an einer durchschnittlichen<br />
Planzahl für Krankheitszeiten orientieren<br />
soll. Das HKM bestreitet<br />
allerdings, dass die Vorlage des<br />
HPRLL als Initiativantrag dem<br />
§74 (1) Nr.2 HPVG genüge. Der<br />
HPRLL verzichtet vorerst auf eine<br />
gerichtliche Klärung.<br />
Quereinsteiger-Verordnung<br />
Der HPRLL musste feststellen, dass<br />
das besondere berufsbegleitende Verfahren<br />
zum Erwerb einer einem Lehramt<br />
gleichgestellten Qualifikation immer<br />
mehr Probleme offenbart. Das<br />
HKM bestätigte, dass den Studienseminaren<br />
2,4 Stunden pro Quereinsteiger<br />
für die Gesamtdauer der Qualifizierung<br />
zustünden. Die Schulen erhielten<br />
6 Stunden je Quereinsteiger.<br />
Die Verteilung dieser Stunden nehme<br />
die jeweilige Schule vor.<br />
Der HPRLL bittet um Informationen<br />
über Auffälligkeiten, Besonderheiten<br />
oder Kritik bei der Umsetzung<br />
der VO an den Schulen.<br />
„Abgeschlossene Lehrerausbildung<br />
nicht zwingend erforderlich“<br />
Diese Formulierung für Vertretungsverträge<br />
auf der Homepage des<br />
HKM hat der HPRLL kritisiert. Das<br />
HKM hat eine Änderung zugesagt.<br />
Transferkonzept „SBS“<br />
Der HPRLL hat das Transferkonzept<br />
einstimmig abgelehnt (s. S. 11)<br />
Landesrechnungshof mischt<br />
sich ein<br />
Entgegen der Darstellung des Rechnungshofes,<br />
seine Einsparvorschläge<br />
zu Lasten der Lehrerarbeitszeit<br />
würden vom HKM verfolgt, erklärte<br />
das HKM, dass es derzeit keine<br />
grundlegende Debatte über die<br />
Neuordnung der Lehrerarbeitszeit,<br />
wie 2003 geschehen, anstrebe.<br />
Erlass über die Zusammenarbeit<br />
von Schule und Betrieb<br />
Darüber wurde ausführlich berichtet.<br />
Das HKM legte einen weiteren<br />
Entwurf vor. Leider sind die Einwendungen<br />
des HPRLL nur marginal<br />
übernommen worden. Das<br />
HKM hat die vielfältigen Ergänzungsvorschläge<br />
trotz langer Bearbeitungszeit<br />
nicht aufgenommen.<br />
Beispielhaft genannt seien hier die<br />
Forderungen hinsichtlich der Freistellung<br />
der betreuenden Lehrkräfte,<br />
der Einbeziehung der Gesamtkonferenz<br />
bei der Planung, der Regelung<br />
der Besuche am Arbeitsplatz<br />
und der Durchführung eines Auswertungstages<br />
zur Halbzeit des<br />
Praktikums. In der Summe monierte<br />
der HPRLL die Senkung von<br />
Qualität und eine Steigerung der<br />
Areitsbelastung mit diesem Erlass.<br />
Fachschule für Sozialwesen<br />
Ein Verordnungsentwurf über die<br />
Ausbildung und die Prüfungen an<br />
der „Fachschule für Sozialwesen“<br />
wurde ausführlich erörtert. Das<br />
HKM sagte zu, die Kritikpunkte<br />
des HPRLL zu prüfen (z.B. Regelungen<br />
zur mündlichen Prüfung,<br />
Anzahl der notwendigen Prüfungsvorschläge,<br />
Beteiligungsrechte der<br />
Konferenzen bei der Wahl der Organisationsformen).<br />
Der HPRLL<br />
kritisierte, dass in der Stundenta-<br />
fel die sozialpädagogische Praxis<br />
unberücksichtigt bleibe.<br />
Der HKM verwies auf die Entlastung<br />
durch Unterrichtsausfall<br />
während des Praktikums.<br />
Grundsätzlich widerspricht<br />
die VO nach Ansicht des HPRLL<br />
dem HSchG, das in § 42, „Fachschulen“,<br />
aber keine „Fachschule<br />
für Sozialwesen“ kennt. Das HKM<br />
wurde aufgefordert, die VO zurückzuziehen,<br />
solange die rechtlichen<br />
Grundlagen fehlen.<br />
Rechtsstreitigkeiten von<br />
Personalräten<br />
Die Landesregierung hatte beabsichtigt,<br />
Rechtsstreitigkeiten von<br />
Personalräten beim Verwaltungsgericht<br />
Kassel zu konzentrieren.<br />
Da der HPRLL in den letzten<br />
Jahren doch einige Verfahren vor<br />
dem Verwaltungsgericht Wiesbaden<br />
gegen das HKM anstrengen<br />
musste und auch gewonnen hat,<br />
wäre die Verlagerung nach Kassel<br />
problematisch geworden.<br />
Das Justizministerium hat auf<br />
die Stellungnahme des HPRLL<br />
geantwortet, dass eine Konzentration<br />
der PR-Verfahren beim VG<br />
Kassel nicht weiter verfolgt werde.<br />
UN-Übereinkommen über die<br />
Rechte von Menschen mit<br />
Behinderungen<br />
Zur Umsetzung des Übereinkommens<br />
hat das HKM eine landesweite<br />
Arbeitsgruppe eingesetzt.<br />
Der HPRLL hat Angela Scheffels<br />
für die Arbeitsgruppe benannt. Eine<br />
erste inhaltliche Positionierung<br />
des HPRLL umfasst die Forderung,<br />
dass jedes Kind Anspruch auf Beschulung<br />
in der Regelschule hat,<br />
dass dort, wo dies geschieht, Regel-<br />
und Förderschullehrer doppelt<br />
besetzt sind und dass es keine Ausgrenzung<br />
aufgrund der Schwere der<br />
Behinderung geben darf.<br />
Gemeinsamer Unterricht<br />
Der GPRLL Hochtaunus-Wetterau<br />
hat beim Verwaltungsgericht Gießen<br />
ein Verfahren wegen Nicht-<br />
Beteiligung bei Abordnungen im<br />
GU gewonnen. Die Begründungen<br />
des StSchA in diesem Verfahren,<br />
dass Förderschullehrkräfte im GU<br />
keinen eigenständigen Unterricht<br />
machen, waren für den HPRLL<br />
Grund, dies auf die Tagesordnung<br />
zu nehmen. Da das HKM in der<br />
Sitzung am 24. 09. 2010 nicht erörtern<br />
wollte, hat der HPRLL zumindest<br />
seine Erwartung deutlich<br />
gemacht, dass das StSchA keine Beschwerde<br />
gegen das Urteil einlegt.<br />
Der HPRLL stellte klar, dass die<br />
Argumentation des StSchA, wonach<br />
gemeinsamer Unterricht kein<br />
eigenverantwortlicher Unterricht<br />
der Förderschullehrkräfte sei, sondern<br />
nur Beratungstätigkeiten beinhalte,<br />
nicht haltbar sei und verwies<br />
auf die Verordnung und die Lehrerzuweisung.<br />
Die Begründung des<br />
StSchA sei weder konform mit der<br />
Herbert Storn,<br />
Hans-Böckler-Schule (212-34409),<br />
Tel. 06101-50 02 68,<br />
Herbert.Storn@t-online.de<br />
FLZ Nr. 3/10<br />
Verordnung über die sonderpädagogische<br />
Förderung noch mit dem<br />
Hessischen Schulgesetz.<br />
Das HKM saget eine Prüfung<br />
zu. Die inhaltliche Auseinandersetzung<br />
steht also noch aus.<br />
Verknüpfung von LUSD und SAP?<br />
Der HPRLL lehnt die geplante Einrichtung<br />
einer Schnittstelle zwischen<br />
beiden Systemen ab. Er sieht<br />
keine Verbesserung, sondern eher<br />
eine Verschlechterung der Datenlage<br />
für die Schulen, da die Daten der<br />
LUSD bisher die aktuellen und die<br />
richtigen waren, und selbst die Meldung<br />
an die Schulämter zur Korrektur<br />
der SAP-Daten oft unvollständig,<br />
verspätet und manchmal<br />
nie umgesetzt wurden.<br />
Die Aussage des HKM, dass<br />
die Schulämter unter Druck gesetzt<br />
werden sollen, korrekte und<br />
schnelle Daten für SAP zu garantieren,<br />
solle nicht auf dem Rücken<br />
der Schulen erreicht werden (sondern<br />
über eine bessere Personalausstattung<br />
an den Ämtern).<br />
Anfragen des HPRLL<br />
n Der HPRLL hat auf die Ablehnung<br />
der Lehrpläne für die Gymnasiale<br />
Oberstufe durch den Landeselternbeirat<br />
verwiesen, der im<br />
Gegensatz zum HPRLL ein qualifiziertes<br />
Beteiligungsrecht habe.<br />
Jetzt könne nur das Kabinett<br />
die kritisierten Pläne trotzdem in<br />
Kraft zu setzen. Angesichts des<br />
Zeitlaufs sei dies eine schwierige<br />
Situation für die Schulen,<br />
die noch nicht wissen, auf welcher<br />
Grundlage nach den Sommerferien<br />
weitergearbeitet werden<br />
solle. Der HPRLL hat nach<br />
dem Bezugserlass gefragt.<br />
n Der HPRLL hat schriftlich nach<br />
Stand, Ergebnissen, Personalausstattung,<br />
Konsequenzen etc. der<br />
Schulinspektionen gefragt.<br />
n Der HPRLL hat kritisiert, dass<br />
wieder vermehrt Kolleginnen<br />
und Kollegen mit befristeten<br />
Lehraufträgen keine Sommerferienbezahlung<br />
erhalten.<br />
n Der HPRLL hat das HKM aufgefordert,<br />
die Gerüchte um die<br />
Umstrukturierung der staatlichen<br />
Schulämter aufzuklären.<br />
Das HKM verwies auf die Zuständigkeit<br />
des Hauptpersonalrats<br />
Verwaltung und verwies auf<br />
eine Kommission, die den Auftrag<br />
hat, die Schulaufsicht und<br />
-verwaltung neu zu strukturieren.<br />
Das HKM wollte sich nicht<br />
dazu äußern, ob es bei einer früher<br />
gemachten Aussage bleibe,<br />
bis zum Ende der Legislatur keine<br />
Staatlichen Schulämtern aufzulösen.<br />
n Der HPRLL hat der Dienststelle<br />
eine Anfrage zu den Realschulabschlussprüfungen<br />
gesandt. Die<br />
Antwort steht noch aus.<br />
n Der HPRLL hat nach dem Erlass<br />
zur Benennung von Kulturbeauftragten<br />
an Schulen gefragt.<br />
Susanne Hoeth,<br />
Frauenhofschule (212-33059),<br />
Tel. 069-61 47 06,<br />
Susanne.Hoeth@gmx.de
FLZ Nr. 3/10 SEITE 11<br />
Stellungnahme des HPRLL<br />
zum Transferkonzept<br />
„Selbstverantwortliche<br />
Berufliche Schulen<br />
(SBS) in Hessen“<br />
Der HPRLL hat sich im Verlauf des<br />
Modellprojektes „Selbstverantwortung<br />
plus“ seit 2005 mehrfach kritisch<br />
dazu geäußert, zuletzt in seiner<br />
Stellungnahme vom 17. 12.<br />
2009.<br />
Wenn jetzt „auf der Grundlage<br />
spezieller Erfahrungen der 17 Modellprojekt-Schulen“<br />
allen beruflichen<br />
Schulen in Hessen angeboten<br />
werden soll, sich „zur Teilnahme<br />
am Transferprozess“ der den SV-<br />
Plus-Schulen vorgegebenen „Handlungsfelder“<br />
anzumelden (Amtsblatt<br />
8/2010), so gilt die bisher geäußerte<br />
Kritik am Modellprojekt<br />
auch dem Transferprozess.<br />
Der HPRLL wiederholt seine<br />
Kritik an der nicht belegten<br />
Behauptung sowohl des Modell-<br />
Projekts als auch des Transferkonzepts,<br />
wonach die Umsetzung der<br />
beschriebenen Handlungsfelder<br />
„wichtige Qualitätsprozesse zur<br />
Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrages<br />
optimiert“.<br />
Bisher existieren keine dem<br />
HPRLL bekannten wissenschaftlich<br />
fundierten Belege darüber, dass<br />
die Umsetzung der o.a. Handlungsfelder<br />
zu einer Verbesserung der Bedingungen<br />
von Schülerinnen und<br />
Schülern oder von Lehrkräften oder<br />
gar zu besseren Lernergebnissen geführt<br />
hätte. Die Verbesserungen,<br />
die es in sv+-Schulen geben mag,<br />
sind im Wesentlichen auf die zusätzlichen<br />
Stellen für die Durchführung<br />
des Modellversuchs zurückzuführen<br />
und Rückmeldungen von<br />
den Schulpersonalräten der sv+-<br />
Schulen weisen darauf hin, dass die<br />
Vorgaben der Handlungsfelder von<br />
sv+ zu Mehrbelastungen und zur<br />
Einschränkung bei der Entwicklung<br />
der Schulen geführt haben.<br />
Bereits in dem kurzfristig von<br />
der Kultusministerin ‚zur Überarbeitung’<br />
zurückgezogenen Arbeitsbericht<br />
der Projektgruppe ‚Eigenverantwortliche<br />
Schule’ vom 30.<br />
01. 2009 wird zusammenfassend<br />
festgestellt: „Einen direkten Zusammenhang<br />
zwischen erhöhter<br />
Eigenverantwortlichkeit der Schulen<br />
und dem erfolgreicheren Erreichen<br />
pädagogischer Ziele konnte<br />
die Projektgruppe bei ihrer Bestandsaufnahme<br />
allerdings nicht<br />
ermitteln“.<br />
Ähnlich äußerte sich auch die<br />
für die wissenschaftliche Begleitung<br />
beauftragte Professorin Ute<br />
Clement auf der Regionalkonferenz<br />
zum Transferprozess am 21.<br />
06. 2010 in Dreieich: Es gibt keinen<br />
wissenschaftlich belegten Zusammenhang<br />
zwischen mehr Selbständigkeit<br />
von Schulen und erfolgreicherem<br />
pädagogischen Handeln.<br />
Darüber hinaus lehnt der<br />
HPRLL das Transferkonzept aus<br />
den folgenden Gründen ab:<br />
1. Ein Qualitätsmanagementsystem<br />
führt nicht automatisch zu besserer<br />
Qualität, sondern produziert<br />
Qualitätshandbücher. Ein zertifizierbaresQualitätsmanagementsystem<br />
erfordert zudem Ressourcen<br />
und führt ohne zusätzliche<br />
Ressourcen zu Mehrbelastungen<br />
von Schulleitungen und Lehrkräften.<br />
2. Die pädagogischen Vorgaben engen<br />
die pädagogische Freiheit der<br />
Lehrkräfte ein, erfordern zusätzliche<br />
Ressourcen und führen ansonsten<br />
zu Mehrbelastungen von<br />
Schulleitungen und Lehrkräften.<br />
3. Zielvereinbarungen als Steuerungsinstrumente<br />
werden aus<br />
der Privatwirtschaft übernommen,<br />
obwohl das staatlich geregelte<br />
Schulsystem insbesondere<br />
in der Konferenzordnung bessere<br />
– auf Partizipation ausgelegte<br />
– Steuerungsinstrumente<br />
vorsieht. Außerdem besteht die<br />
Gefahr, dass Zielvereinbarungen<br />
als Steuerungsinstrumente zu einer<br />
Hierarchisierung der schulinternen<br />
Organisation führen.<br />
4. Die erweiterten Entscheidungskompetenzen<br />
des Schulleiters/der<br />
Schulleiterin mögen diese vielleicht<br />
vordergründig erleichtern<br />
diesen vielleicht die Arbeit, führen<br />
aber zu einem einseitigen<br />
Machtzuwachs des Schulleiters/<br />
der Schulleiterin und beeinträchtigen<br />
nach Aussagen der Schulpersonalräte<br />
der sv+-Schulen<br />
die Mitbestimmungsrechte der<br />
Schulpersonalräte und der Beschäftigten.<br />
5. Globalbudgets führen zur Deregulierung<br />
der Beschäftigtenstruktur,<br />
der Gefahr unterwertiger<br />
Beschäftigungsverhältnisse<br />
und zu einer deutlichen Mehrbelastung<br />
von Personalräten und<br />
der „Stamm“-Belegschaft.<br />
6. Unter der Voraussetzung zusätzlicher<br />
Stellen an allen Schulen<br />
würde der HPRLL die Möglichkeit<br />
der Einstellung von Assistenzkräften<br />
begrüßen. Wenn<br />
dafür – wie im Transferkonzept<br />
vorgesehen – keine Stellen zugewiesen<br />
werden und der Unterricht<br />
zu 100% abgedeckt werden<br />
muss, führt die Einstellung<br />
von Assistenzkräften zwar zu einer<br />
Entlastung in diesem Bereich,<br />
aber zu Mehrbelastungen in anderen<br />
Bereichen.<br />
7. Die Verwaltung und Rechenschaftslegung<br />
durch „geeignete<br />
Steuerungs- und Controlling-<br />
Instrumente“ führen zu einer<br />
Aufblähung der Verwaltungstätigkeiten<br />
und zu einer Mehrbelastung<br />
insbesondere der Schulleitungen<br />
und der Schulsekretariate.<br />
8. Angebote in der Aus- und Weiterbildung<br />
erfordern zum einen<br />
Ressourcen für die Durchführung<br />
dieser Angebote und zum anderen<br />
für die Organisation (Konzeption,<br />
Werbung, Verwaltung<br />
usw.) dieser Angebote. Diese zusätzlichen<br />
Ressourcen sind in dem<br />
Konzept nicht vorgesehen.<br />
Die im Transferkonzept angekündigte<br />
Veränderung der rechtlichen<br />
Grundlagen für die „selbstverantwortlichen<br />
Beruflichen Schulen“<br />
durch eine Novellierung des Schulgesetzes<br />
stößt auf den entschiedenen<br />
Widerstand des HPRLL,<br />
wenn dadurch die beruflichen Schulen<br />
aus dem staatlichen Schulsystem<br />
herausgelöst werden sollen,<br />
etwa in Form einer eigenen Rechtspersönlichkeit.<br />
Die Lehrerkooperative startete<br />
1985 als selbstverwalteter Betrieb<br />
mit egalitären Gehalts- und<br />
Entscheidungsstrukturen. 25 Jahre<br />
später ist die Entwicklung hin zu<br />
einem autoritär geführten Unternehmen<br />
abgeschlossen. Pädagogisches<br />
Handeln und demokratische<br />
Ethik werden dem Selbstverwirklichungsstreben<br />
des geschäftsführenden<br />
Vereinsvorstands geopfert.<br />
Von<br />
Kommunikation ...<br />
ist im Vereinsnamen die Rede. Die<br />
Realität sieht jedoch gründlich anders<br />
aus: Wiederholt wurden MitarbeiterInnen,<br />
die sich in Widerspruch<br />
zum Geschäftsführer, Herrn<br />
Schmidt, stellten, von diesem angeschrieen<br />
und gedemütigt. Die<br />
Leitungsrunde des Kitabereichs,<br />
ein Gremium in dem regelmäßig<br />
sämtliche LeiterInnen von Kitas<br />
und Horten zum Austausch zusammenkommen,<br />
war schon mehrmals<br />
Schauplatz heftiger Wutausbrüche<br />
des Geschäftsführers. Dort ist inzwischen<br />
beim pädagogischen Leitungspersonal<br />
die Einschüchterung<br />
so groß, dass es für Einzelne immer<br />
schwerer wird, abweichende<br />
Positionen zu vertreten. Die demokratischen<br />
Erziehungsziele, die<br />
Zeile um Zeile des Leitbildes der<br />
Lehrerkooperative füllen und die<br />
sich wunderbar in den Selbstdarstellungen<br />
der Einrichtungen lesen,<br />
werden im innerbetrieblichen Alltag<br />
mit Füßen getreten.<br />
Trotz der oftmals repressiven<br />
Atmosphäre in den Gremientreffen<br />
hat sich auf den Betriebsversammlungen<br />
der Lehrerkooperative<br />
eine offene Diskussionskultur<br />
gehalten. Nicht zuletzt aufgrund<br />
des hohen Leidensdruckes werden<br />
hier von MitarbeiterInnen die<br />
Missstände in aller Offenheit angesprochen.<br />
Die schlechte Bezahlung,<br />
Unterbesetzung in den Teams, Arbeitsverdichtung<br />
und das Gefühl,<br />
Betriebsklimakatastrophe<br />
an der Lehrerkooperative<br />
Zähe Tarifverhandlungen<br />
Die Tarifverhandlungen an der Lehrerkooperative<br />
ziehen sich in die Länge.<br />
Daran hat hauptsächlich die Geschäftsführung<br />
des Vereins ein Interesse.<br />
Es bedurfte dreier Streiktage, damit die<br />
Führungsetage der Lehrerkooperative<br />
von ihrer Verweigerungshaltung zu Verhandlungen<br />
über einen Firmentarifvertrag<br />
abrückte. Sie unterschrieb nach den<br />
Streiks eine Erklärung, dass sie einen<br />
Haustarifvertrag abschließen wolle, der<br />
sich am TVöD orientiert. Seitdem zieht<br />
es sich. Die einzelnen Paragraphen des<br />
TVöD werden auf ihre Anwendbarkeit<br />
hin und her geprüft, Zusagen der Geschäftsleitung<br />
werden nicht eingehalten,<br />
parallel zu den Tarifverhandlungen<br />
gibt es den ständigen Versuch der Geschäftsleitung,<br />
mit dem Betriebsrat eine<br />
Vereinbarung über Lohnerhöhungen<br />
abzuschließen.<br />
Es ist absehbar, dass diese Form der<br />
Verzögerung und des Hinhaltens demnächst<br />
an ein Ende geraten wird. Die<br />
Beschäftigten des Vereins wissen nur<br />
zu gut, dass lediglich ihre Streiks die<br />
Geschäftsleitung bewegt haben, zumindest<br />
verbal auf ihre Forderungen einzugehen.<br />
Hajo Dröll<br />
nicht ernst genommen zu werden,<br />
sind häufig wiederkehrende Themen.<br />
Hier formuliert sich oftmals<br />
der aufgestaute Frust der unter Anderem<br />
dazu führte, dass seit letztem<br />
Jahr eine gewerkschaftliche Tarifinitiative<br />
existiert. Unter massivem<br />
Druck der gewerkschaftlichen Betriebsgruppen<br />
wurde die Geschäftsleitung<br />
zu Tarifverhandlungen gezwungen.<br />
Seit Beginn der Verhandlungen<br />
jedoch ist die Arbeitgeberseite mit<br />
wenig Enthusiasmus bei der Sache,<br />
inzwischen wird von der Geschäftsleitung<br />
gar die exemplarische Abstrafung<br />
von AktivistInnen der Tarifinitiative<br />
betrieben.<br />
....zu Redeverboten<br />
und Angstkultur<br />
So erfuhren die aus dem Sommerurlaub<br />
zurückkehrenden Teammitglieder<br />
eines Hortes im Nordend,<br />
der eine der letzten teamgeleiteten<br />
Einrichtungen der Lehrerkooperative<br />
ist, dass ihnen ab sofort die Leitungsfunktion<br />
entzogen und stattdessen<br />
eine Einzelleitung vorangestellt<br />
werde. Diese Maßnahme<br />
wurde gegen den Widerspruch des<br />
Betriebsrates, der inzwischen auf<br />
Unterlassung klagt, und zum Entsetzen<br />
der Elternschaft des betreffenden<br />
Hortes vollzogen.<br />
Deren Fragen nach den Gründen<br />
für diese völlig überraschende<br />
Maßnahme (dieser Hort ist im Unterschied<br />
zu vielen anderen Einrichtungen<br />
der Lehrerkoop ausreichend<br />
gut mit Fachkräften besetzt und ist<br />
eine im Stadtteil angesehene stabile<br />
Institution) wurden ausweichend<br />
beschieden. Die Angst, dass demnächst<br />
das dann deutlich überbesetzte<br />
Team durch Versetzungen<br />
gesprengt werde, wurde nicht genommen.<br />
Tatsächlich bleibt diese Maßnahme,<br />
die im gesamten Betrieb<br />
für Kopfschütteln sorgt, recht unerklärlich,<br />
wenn man nicht berück-<br />
sichtigt, dass dieses Hortteam eine<br />
der aktivsten Kräfte im Tarifstreit<br />
ist, eine Person des Teams eine Beschwerde<br />
beim Betriebsrat wegen<br />
mehrerer verbaler Übergriffe des<br />
Geschäftsführers eingereicht hat,<br />
und zwei Teammitglieder im Betriebsrat<br />
mitarbeiten.<br />
Bleibt noch anzufügen, dass<br />
den betroffenen Teammitgliedern<br />
ausdrücklich mit arbeitsrechtlichen<br />
Konsequenzen gedroht wurde,<br />
sollten sie sich Dritten gegenüber zu<br />
den Hintergründen der Maßnahme<br />
äußern. Der oben erwähnten<br />
Leitungsrunde ließ Geschäftsführer<br />
Schmidt zudem durch die Bereichsleitung<br />
ausrichten, sie dürfe sich zu<br />
diesem Thema nicht austauschen.<br />
Angesichts dessen wurde auf einer<br />
Betriebsversammlung, die auch<br />
eine Solidaritätsresolution mit dem<br />
betroffenen Hortteam und die gegen<br />
ihren Wunsch dorthin versetzte<br />
Leitungskraft verabschiedete, der<br />
Wunsch nach einer Namensänderung<br />
des Unternehmens laut. Der<br />
Begriff Kooperative passe immer<br />
weniger zur Betriebswirklichkeit<br />
und sei deswegen irreführend; die<br />
Lehrerkooperative solle zukünftig<br />
in Oberlehrerdirektive umbenannt<br />
werden.<br />
Mit einer Besinnung des geschäftsführenden<br />
Vorstands ist allerdings<br />
nicht zu rechnen, die ihn<br />
wählenden Vereinsmitglieder sind<br />
nicht selten durch Posten- und Auftragsvergabe<br />
eingebunden worden<br />
– auch von dieser Seite ist also keine<br />
Kurskorrektur zu erwarten. Wird<br />
allerdings auch in Zukunft das Betriebsklima<br />
durch einen Mangel an<br />
Wertschätzung bis hin zur offenen<br />
Repression bestimmt, so wird es<br />
bei der hohen Fluktuation im Betrieb<br />
bleiben.<br />
Allein in diesem Jahr verließen<br />
bislang 35 der rund 200 Kita-<br />
MitarbeiterInnen die Lehrerkooperative<br />
und wechselten zu anderen<br />
Trägern.<br />
S. Reicht<br />
Mehr als hundert Warn-Streikende vor dem Ökohaus<br />
am 27.5.2010
SEITE 12<br />
Vorbemerkung: Zeitgleich mit der hessischen<br />
Kommunalwahl im März 2011 plant die Landesregierung<br />
einen Volksentscheid, mit dem die<br />
Aufnahme eines Verschuldungsverbots in die hessische<br />
Verfassung durchgesetzt werden soll. Im<br />
Folgenden werden Auszüge aus einer Studie des<br />
IMK - Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung<br />
6 / 2009, von Achim Truger, Kai Eicker-<br />
Wolf, Henner Will, Jens Köhrsen vorgestellt.<br />
Steuersenkungen als Haupthindernis<br />
für Haushaltskonsolidierung<br />
und Zukunftsinvestitionen in den<br />
letzten zehn Jahren<br />
In der deutschen Debatte um die<br />
Haushaltskonsolidierung halten<br />
sich seit Jahren hartnäckig einige<br />
Vorurteile, die auch die Diskussion<br />
um die finanzpolitischen Implikationen<br />
der Schuldenbremse zu belasten<br />
drohen. So wird immer wieder<br />
suggeriert, dass der deutsche<br />
Staat sich durch laxe Ausgabenpolitik<br />
auf ein international nicht<br />
mehr übliches und nicht tragfähiges<br />
Maß ausgedehnt habe, was<br />
auch der Hauptgrund für die langjährigen<br />
Probleme mit der Haushaltskonsolidierung<br />
sei. Diese Entwicklung<br />
müsse, so die daraus zu<br />
ziehende Schlussfolgerung, umgekehrt<br />
werden.<br />
Wer solchen Vorstellungen anhängt,<br />
den können die im Rahmen<br />
der vorliegenden Studie ermittelten<br />
drastischen Kürzungsbedarfe durch<br />
die Schuldenbremse nicht schrecken.<br />
Vielmehr nehmen sie sich<br />
wie eine längst überfällige Korrektur<br />
aus.<br />
Tatsächlich war die Ausgabenpolitik<br />
in den letzten 10 Jahren in<br />
Deutschland auch im internationalen<br />
Vergleich ungewöhnlich restriktiv<br />
und es lässt sich zeigen, dass<br />
dieser Politik zentrale Zukunftsinvestitionen<br />
in erheblichem Umfang<br />
zum Opfer gefallen sind.<br />
Dass die Haushaltskonsolidierung<br />
dennoch lange Zeit nicht gelang,<br />
hing zentral damit zusammen,<br />
dass die Haushalte durch drastische<br />
Steuersenkungen belastet wurden.<br />
All dies wird im Folgenden etwas<br />
ausführlicher zunächst für die<br />
gesamtstaatliche Ebene und dann<br />
für den hessischen Landeshaushalt<br />
aufgearbeitet.<br />
Es zeigt sich, dass die Ausgabenpolitik<br />
sowohl gesamtstaatlich<br />
als auch in Hessen in den letzten<br />
zehn Jahren nicht für die Probleme<br />
mit der Haushaltskonsolidierung<br />
verantwortlich gemacht werden<br />
kann. Gleichzeitig lassen sich bereits<br />
deutliche Defizite bei den<br />
Zukunftsinvestitionen nachweisen.<br />
Haushaltskonsolidierung und<br />
Zukunftsinvestitionen waren gemeinsame<br />
Opfer einer drastischen<br />
Steuersenkungspolitik. Siehe<br />
Abbildung 1<br />
Die gesamten Steuerausfälle<br />
der öffentlichen Hand durch das<br />
steuerpolitische Handeln lassen<br />
sich mit Hilfe der Finanztableaus<br />
der einzelnen Steuerrechtsänderungen,<br />
die in den Finanzberichten<br />
des BMF enthalten sind, seit<br />
1998 quantifizieren. Danach liegen<br />
die reformbedingten Einnahmeausfälle<br />
während der Kanzlerschaft<br />
Gerhard Schröders in den<br />
Jahren 2001 bis 2005 zwischen 24<br />
und 43 Milliarden Euro, was gut<br />
1 bis 2% des deutschen Bruttoinlandsproduktes<br />
entspricht.<br />
Unter der Großen Koalition hat<br />
die Steuerpolitik bis zum Ausbruch<br />
der Wirtschaftskrise im Herbst<br />
2008 in der Summe einen anderen<br />
Kurs eingeschlagen: Zwar hat es<br />
auch unter der Regierung Merkel<br />
zahlreiche steuerliche Entlastungen<br />
vor allem für den Unternehmenssektor<br />
gegeben – zu denken ist hier<br />
insbesondere an die im Jahr 2007<br />
verabschiedete und im Folgejahr in<br />
Kraft getretene Unternehmensteuerreform<br />
2008, die die Unternehmen<br />
um jährlich fünf Milliarden Euro<br />
entlastet hat. Per saldo haben die<br />
in den Jahren 2006 und 2007 beschlossenen<br />
steuerpolitischen Maßnahmen<br />
die Haushaltslage jedoch<br />
verbessert, da Steuererhöhungen<br />
wie der Anstieg der Umsatzsteuer<br />
zum 1. Januar 2007 und der Abbau<br />
von Steuervergünstigungen quantitativ<br />
dominiert haben.<br />
Abbildung 1 Abbildung 2<br />
Wir brauchen keine<br />
‚Schuldenbremse’ –<br />
Für einen solidarischen<br />
<strong>Sozialstaat</strong><br />
Wird die Wirkung der Steuerpolitik<br />
von Rot-Grün seit 1998<br />
und von Schwarz-Rot in den Jahren<br />
2006 und 2007 insgesamt betrachtet,<br />
dann sind trotz der einnahmeseitigen<br />
Konsolidierung durch die<br />
Große Koalition hohe steuerreformbedingte<br />
Ausfälle in der Größenordnung<br />
von jährlich 20 Mrd.<br />
Euro auszumachen – auf Hessen<br />
entfallen hiervon rund 1 Mrd. Euro<br />
an dauerhaften Mindereinnahmen<br />
(vgl. Truger/Eicker-Wolf/Blumtritt<br />
2007: 15 ff.).<br />
Von 1998 bis 2007 verzeichnete<br />
kein anderes Land ein niedrigeres<br />
Staatsausgabenwachstum als<br />
Deutschland.<br />
Nicht zuletzt angesichts der beschriebenen<br />
Steuerpolitik ist die<br />
Entwicklung der öffentlichen Ausgaben<br />
in Deutschland von 1998<br />
bis 2007 atemberaubend restriktiv<br />
ausgefallen, dies zeigt ein internationaler<br />
Vergleich (vgl. Truger<br />
2009b, S. 246). Die durchschnittliche<br />
jährliche Wachstumsrate<br />
der gesamtstaatlichen Ausgaben<br />
lag in Deutschland von 1998 bis<br />
2007 nominal bei nur 1,4%. Der<br />
Durchschnitt der alten EU (EU-<br />
15) lag mit 4,1 % knapp dreimal<br />
so hoch. In diesem Zeitraum verzeichnete<br />
kein anderes Land, für<br />
das die EU-Kommission Daten vorhält<br />
(EU-27 ohne Bulgarien plus<br />
Island, Norwegen, Schweiz und<br />
USA), ein niedrigeres Staatsausgabenwachstum<br />
als Deutschland.<br />
Das gilt auch für die realen Staatsausgaben,<br />
bei denen Deutschland<br />
das einzige Land ist, das mit durchschnittlich<br />
-0,2% pro Jahr einen<br />
Rückgang zu verzeichnen hatte.<br />
Der geschilderte Sachverhalt spiegelt<br />
sich auch in der Entwicklung<br />
der deutschen Staatsquote wider:<br />
Diese ist von rund 48% Ende der<br />
1990er Jahre auf einen Wert von<br />
knapp 44% im Jahr 2008 gesunken.<br />
Die deutsche Staatsquote fällt<br />
im internationalen Vergleich vergleichsweise<br />
klein aus. (…)<br />
Auch bei den öffentlichen Bildungsausgaben<br />
liegt Deutschland<br />
um mehr als 1 % unterhalb der<br />
gesamten OECD.<br />
Auch bei den öffentlichen Bildungsausgaben,<br />
die in Deutschland vor<br />
Abbildung 3<br />
allem durch die wesentliche Zuständigkeit<br />
in den Bereichen Schule<br />
und Hochschule zum ganz überwiegenden<br />
Teil durch die Bundesländer<br />
getätigt werden, steht Deutschland<br />
im OECD-Vergleich nicht gut<br />
da. Zwar kompensieren die relativ<br />
hohen Privatausgaben im Rahmen<br />
des dualen Systems zum Teil die<br />
geringen öffentlichen Ausgaben,<br />
aber auch öffentliche und private<br />
Ausgaben zusammen liegen noch<br />
deutlich unter dem OECD-Durchschnitt<br />
und weit entfernt von jenen<br />
Ländern, die 6% und mehr ihres<br />
BIP für Bildung verausgaben: Der<br />
deutsche Wert liegt bei 4,8% und<br />
damit um mehr als 1% unter jenem<br />
der gesamten OECD. Während<br />
drei Länder zwischen 6 und<br />
7% und vier Länder sogar über<br />
7% des nationalen BIP für Bildung<br />
aufwenden, stehen nur vier von 28<br />
OECD-Ländern noch schlechter<br />
als Deutschland dar.<br />
Hinzu kommt, dass der deutsche<br />
Wert eine fallende Tendenz ausweist:<br />
im Jahr 2000 lag der Anteil<br />
der Bildungsausgaben am BIP<br />
noch bei 4,9% und 1995 bei 5,1%<br />
Siehe Abbildung 2<br />
Der Abbau der staatlichen<br />
Beschäftigung in Deutschland<br />
stellt im internationalen<br />
Vergleich eine singuläre Entwicklung<br />
dar..<br />
Die restriktive staatliche Haushaltspolitik<br />
in Deutschland schlägt<br />
sich auch in der Entwicklung der<br />
öffentlichen Beschäftigung nieder.<br />
FLZ Nr. 3/10<br />
In den meisten anderen entwickelten<br />
Industrieländern und<br />
insbesondere in Skandinavien<br />
ist der Staat ein wesentlich bedeutenderer<br />
Arbeitgeber als in<br />
Deutschland: Während nach Zahlen<br />
der International Labour Organization<br />
(ILO), die auch Sozialversicherungen<br />
und nicht auf Gewinnerzielung<br />
ausgerichteten und<br />
von der öffentlichen Hand finanzierten<br />
Institutionen zum Staat<br />
zählt, in den nordischen Ländern<br />
jeder dritte bis vierte Erwerbstätige<br />
in öffentlicher Beschäftigung<br />
arbeitet, sind dies in Deutschland<br />
nicht einmal mehr 15%. Obwohl<br />
der Öffentliche Dienst in Deutschland<br />
nach dem zweiten Weltkrieg<br />
eine Expansion erlebt hat, hat der<br />
Staat als direkter Arbeitgeber nie<br />
eine vergleichbare Bedeutung wie<br />
in vielen anderen Ländern erreicht.<br />
Nach dem Beitritt der fünf neuen<br />
Bundesländer ist ein drastischer Beschäftigungsabbau<br />
im öffentlichen<br />
Dienst erfolgt, nach Berechnungen<br />
von Kuhlman ist allein zwischen<br />
1991 und 2000 ein Rückgang von<br />
rund 20% zu verzeichnen. Dabei<br />
schlagen natürlich die Privatisierungsmaßnahmen<br />
– als Beispiel sei<br />
die Post genannt – und die Verkleinerung<br />
der Bundeswehr zu Buche.<br />
Aber auch die Kommunalverwaltungen<br />
haben ihr Personal deutlich<br />
reduziert: die ostdeutschen Kommunen<br />
zwischen 1991 und 2001<br />
um mehr als 25%, die westdeutschen<br />
Städte und Gemeinden im<br />
gleichen Zeitraum um ebenfalls<br />
immerhin 13%.<br />
Der Abbau der staatlichen Beschäftigung<br />
in Deutschland stellt im<br />
internationalen Vergleich eine singuläre<br />
Entwicklung dar. Kein anderes<br />
Industrieland weist eine auch<br />
nur ähnliche Entwicklung auf, im<br />
Gegenteil: Absolut gesehen haben<br />
andere Industrieländer ihren Beschäftigungsstand<br />
gehalten oder<br />
ausgebaut.<br />
Der geschilderte Beschäftigungsabbau<br />
in Deutschland korrespondiert<br />
mit einem Rückgang der<br />
staatlichen Arbeitnehmerentgelte.<br />
Siehe Abbildung 3<br />
Insgesamt bleibt damit in<br />
Hinblick auf die Haushaltspolitik<br />
in Deutschland für den Zeitraum<br />
1998-2008 folgendes festzuhalten:<br />
Die Einnahmeentwicklung
FLZ Nr. 3/10 SEITE 13<br />
Abbildung 4<br />
Abbildung 5<br />
in Deutschland ist durch steuerpolitische<br />
Maßnahmen deutlich geschwächt<br />
worden, wobei sich diese<br />
Ausfälle auf jährlich 20 Mrd.<br />
Euro belaufen. Auf der Ausgabenseite<br />
ist ein extremer Sparkurs<br />
verfolgt worden, der u.a.<br />
gekennzeichnet ist durch geringe<br />
Bildungsausgaben, geringe staatliche<br />
Investitionen und einen Abbau<br />
von Arbeitsplätzen im Bereich<br />
der öffentlichen Beschäftigung.<br />
Dies gilt auch, wenn ein größerer<br />
Zeitraum zu Grunde gelegt wird.<br />
Wenn die öffentliche Beschäftigung<br />
enger gefasst wird und Unternehmen<br />
im öffentlichen Besitz<br />
ausgeschlossen werden, ändert<br />
sich der Befund gemäß den von<br />
der ILO zur Verfügung gestellten<br />
Zahlen ebenfalls nicht.<br />
Auswirkungen auf die hessische<br />
Finanzpolitik<br />
Vor dem Hintergrund der vorangehenden<br />
Schilderungen muss die<br />
Entwicklung der Haushaltspolitik<br />
in Hessen gesehen werden –<br />
dies gilt insbesondere für die Einnahmenseite<br />
bzw. die Steuerpolitik.<br />
In Hessen waren die haushaltspolitischen<br />
Debatten und auch die<br />
Haushaltspolitik ab dem Jahr 2000<br />
stark vom Anstieg des Haushaltsdefizits<br />
geprägt. Die Ursache für den<br />
Anstieg und die Persistenz des hessischen<br />
Nettofinanzierungsdefizits<br />
von 2001 bis 2004 war nicht die<br />
Ausgaben-, sondern die Einnahmenentwicklung.<br />
(…)<br />
Die sehr zurückhaltende Ausgabenentwicklung<br />
ist auch an der<br />
Entwicklung der Staatsquote – also<br />
der Ausgaben bezogen auf das<br />
hessische BIP – ablesbar: Die hessische<br />
Staatsquote weist vom Trend<br />
her seit Mitte der 1990er Jahre nach<br />
unten. Siehe Abbildung 4<br />
Bereits seit Ende der 1990er<br />
Jahre weisen die Personalausgaben<br />
einen stetigen Rückgang auf –<br />
dies gilt sowohl mit als auch ohne<br />
die Berücksichtigung der Versorgungsausgaben!<br />
Auch die Investitionsausgaben<br />
sind im Trend seit<br />
Anfang der 1990er Jahre deutlich<br />
gesunken. Siehe Abbildung 5<br />
Ob der hessische Staat unter<br />
diesen Bedingungen angesichts<br />
des Bedarfs an zentralen<br />
Zukunftsinvestitionen bis zum<br />
Jahr 2020 tatsächlich handlungsfähig<br />
bliebe, darf bezweifelt<br />
werden.<br />
Im Hinblick auf reales Wirtschaftswachstum<br />
(1,5% pro Jahr) und<br />
nominale Einnahmenentwicklung<br />
(+3,3% pro Jahr) für das Land<br />
Hessen bis zum Jahr 2020 wurde<br />
ein als verhalten optimistisch anzusehendes<br />
Referenzszenario ausgewählt.<br />
Selbst unter diesen Bedingungen<br />
müsste die Ausgabenpolitik<br />
des Landes Hessen deutlich restriktiver<br />
ausfallen als in der Zeit<br />
seit Anfang der 1990er Jahre. Die<br />
Wachstumsrate der nominalen bereinigten<br />
Staatsausgaben dürfte nur<br />
noch bei 1,7% pro Jahr liegen –<br />
0,7 Prozentpunkte weniger als im<br />
langjährigen Durchschnitt seit Anfang<br />
der 1990er Jahre. Allein dies<br />
würde für die kommenden zehn<br />
Jahre zu einer drastischen Sparpolitik<br />
führen.<br />
Noch deutlich restriktiver<br />
müsste die hessische Finanzpolitik<br />
ausfallen, wenn das Wachstum<br />
– auch als Folge der bundesweit<br />
in den nächsten Jahren zu erwartenden<br />
Sparpolitik in den öffentlichen<br />
Haushalten – hinter den Erwartungen<br />
zurückbliebe.<br />
Besonders schwere Belastungen<br />
drohen zudem durch die von der<br />
neuen Bundesregierung für die<br />
nächsten Jahre angekündigten<br />
Steuersenkungen.<br />
Diese würden, wenn sie tatsächlich<br />
ohne Kompensation umgesetzt<br />
würden, den strukturellen<br />
Konsolidierungsbedarf im hessischen<br />
Landeshaushalt um voraussichtlich<br />
knapp 800 Mio. Euro erhöhen.<br />
Ob der hessische Staat unter<br />
diesen Bedingungen angesichts<br />
des Bedarfs an zentralen Zukunftsinvestitionen<br />
bis zum Jahr 2020<br />
tatsächlich handlungsfähig bliebe,<br />
darf bezweifelt werden.<br />
Das gesamte Gutachten ist<br />
auf der Homepage des <strong>GEW</strong> <strong>Bezirksverband</strong>s<br />
abrufbar.<br />
Aufbruchstimmung beim Stadt-<br />
SchülerInnenRat <strong>Frankfurt</strong><br />
Am 23. September fand die erste<br />
Vollversammlung des StadtSchülerInnenRates<br />
im Schuljahr 2010/<br />
2011 statt. 140 SchülervertreterInnen<br />
setzten sich auf die Plätze<br />
der Stadtverordneten im Plenarsaal<br />
des <strong>Frankfurt</strong>er Römer und<br />
berichteten über die aktuelle Situation<br />
in ihren Schulen.<br />
Die Versammlung wurde von<br />
Frau Ebeling begrüßt. Auf ihre<br />
Frage nach Unterrichtsausfall<br />
meldete sich eine überwältigende<br />
Mehrheit der Anwesenden.<br />
Permanenter Unterrichtsausfall<br />
ist u.a. an der Oberstufe der<br />
Schule am Ried zu beklagen: dort<br />
entfallen die Leistungskurse Informatik<br />
seit den Sommerferien,<br />
die Vorbereitungen auf das Abitur<br />
sind in Frage gestellt. In einigen<br />
Schulen wurde ein bisher unbekanntes<br />
Fach im Stundenplan<br />
aufgenommen: „EVL = eigenverantwortliches<br />
Lernen“, was nach<br />
den Erfahrungsberichten der SV-<br />
Delegierten konkret bedeutet: hier<br />
findet Lernen ohne Lehrer statt.<br />
Kürzungen in der Zuweisung von<br />
Lehrerstunden und finanziellen<br />
Mitteln bei der Sprachförderung<br />
von zugewanderten Kindern und<br />
Jugendlichen konterkarieren den<br />
Anspruch der hessischen Landesregierung,<br />
Integration als Schwerpunkt<br />
der Bildungspolitik zu fördern.<br />
Frau Ebelings Anregung, den<br />
Unterrichtsaufall über einen Zeitraum<br />
von vier Wochen konkret zu<br />
dokumentieren, wird der SSR ebenso<br />
beraten wie ihren Vorschlag, sich<br />
mit der Initiative „Schule ohne Rassismus“<br />
zu beschäftigen.<br />
Massive Kritik wurde am baulichen<br />
Zustand von Schulen, insbesondere<br />
im sanitären Bereich geübt.<br />
Es wurde verlangt, dass Sanierungsmaßnahmen<br />
nicht auf die<br />
lange Bank geschoben werden, dass<br />
bei einem Schulbetrieb bis 17 Uhr<br />
die Toiletten zweimal täglich gereinigt<br />
werden sollten.<br />
Trotz der schriftlichen Erklärung<br />
von Juristen, dass „Kopiergeld“<br />
höchstens als Spende verlangt<br />
werden kann, versuchen viele<br />
Schulleitungen die Eltern zur<br />
Kasse zu bitten und so den Bedarf<br />
an aktuellen Unterrichtsmaterialien<br />
zu decken.<br />
Bei den Neuwahlen zum SSR-<br />
Vorstand, für den so viele engagierte<br />
SchülerInnen wie selten<br />
zuvor kandidierten, wurde Ben<br />
Haladik als Stadtschulsprecher<br />
gewählt, Melissa Schier und Shirin<br />
Hagner sind seine StellvertreterInnen.<br />
Hansjörg Lacour, Petra Ronimi<br />
und Angelika Wahl sind als<br />
StadtverbindungslehrerInnen für<br />
SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen<br />
ansprechbar.<br />
Weitere Informationen: http://<br />
www.ssr-frankfurt.de/<br />
Kontakt: SSR, Hanauer Landstraße<br />
26, 60314 <strong>Frankfurt</strong> am Main,<br />
Telefon: (069) 212 35 281,<br />
e-mail: gf[at]ssr-frankfurt.de<br />
McKinsey kommt: „Ashoka-Jugendinitiative“<br />
An der Vollversammlung des Stadt-<br />
SchülerInnenRates am 23. 09. 2010<br />
nahm ein recht seltsamer Gast teil:<br />
Der jugendlich auftretende Matthias<br />
Scheffelmeier von der Initiative<br />
„Ashoka“ lud im Plenarsaal des<br />
Römer die 140 SchülerInnen zum<br />
„Youth Changemaker City Event“<br />
am 30. Oktober – bei kostenlosen<br />
Getränken und Gratis-Pizza – in<br />
<strong>Frankfurt</strong> ein (der Ort ist bisher<br />
nicht bekannt gegeben.) 800 Euro<br />
sollen diejenigen bekommen, die<br />
für ihre innovativen Ideen von den<br />
Sponsoren auserwählt werden.<br />
http://www.changemakercity.de/<br />
frankfurt/?page_id=4<br />
Wer verbirgt sich hinter<br />
dem „Askoka“-Projekt?<br />
Es gibt „fachliche“ und „investierende“<br />
Sponsoren sowie den Medienpartner<br />
freshmilk<br />
http://www.freshmilk.tv/_video_/<br />
changemakercity/,<br />
McKinsey sponsert das Pro Bono-<br />
Projekt, das – sicherlich nicht zufällig<br />
– die gleiche Adresse wie das<br />
Beratungsunternehmen hat: Taunustor<br />
2, Ffm. Weitere Hintermänner<br />
sind bei PricewaterhouseCoopers,<br />
J. P. Morgan, Siemens-Stiftung<br />
zu finden.<br />
http://germany.ashoka.org/partner<br />
McKInseys Berater sollen – zur<br />
Förderung der eigenen Karriere<br />
– das „Know how“ und die Ideologie<br />
der Firma in den Bereichen<br />
Kultur, Bildung, Gesundheit, Sozialdienste<br />
einbringen und „zeigen,<br />
was es heißt, Visionen auch gegen<br />
Widerstände umzusetzen“<br />
http://www.mckinsey.de/html/karriere/ihre_fragen/die_antworten/<br />
allg_09_soziales_engagement.asp<br />
„Ashoka“ rekrutiert „Social Entrepeneurs“<br />
mit dem Ziel „innovative<br />
unternehmerische Lösungen<br />
für drängende soziale Probleme zu<br />
finden und umzusetzen.“ (...) “Ihre<br />
Ansätze sind geeignet, einen lang-<br />
fristigen gesellschaftlichen Wandel<br />
zu bewirken.“<br />
http://germany.ashoka.org/social_<br />
entrepreneur<br />
Was bedeutet „Problemlöser-Kultur“<br />
bei McKinsey<br />
konkret?<br />
Im Bildungsbereich hat der ehemalige<br />
McKinsey-Guru Jürgen Kluge<br />
bereits 2002 die Einführung von<br />
Studiengebühren und die Umgestaltung<br />
des Schulwesens vorgeschlagen:<br />
„.. jährlich einheitliche Tests in<br />
den Kernfelder Deutsch, Mathematik,<br />
Naturwissenschaften und eine<br />
Fremdsprache“ sollen „für alle<br />
Schulen flächendeckend“ ab Klasse<br />
2 eingeführt werden.<br />
Darüber hinaus sollen die Schulen<br />
„im Minimum alle sechs Jahre<br />
inspiziert“ werden, „’die Ergebnisse<br />
der Inspektion stehen im Detail<br />
im Internet.“ (...) “Sollen Messungen<br />
und Transparenz Wirkung entfalten,<br />
so müssen Konsequenzen folgen:<br />
So entwickelt jede Schule einen<br />
Maßnahmenplan für die Behebung<br />
der Schwächen. Besonders schwache<br />
Schulen werden unter ‚Special<br />
Measures’ gestellt – verbunden mit<br />
häufigen Kontrollen, intensiven Fördermaßnahmen<br />
etc.<br />
Bleibt dies ohne Erfolg, wird<br />
die Schule geschlossen und mit ausgetauschten<br />
Lehrern neu eröffnet:<br />
„Fresh Start“.<br />
„Die Schulleitung muss Personalentscheidungen<br />
– von der Einstellung<br />
über die Personalentwicklung<br />
bis hin zur Entlohnung – eigenständig<br />
treffen können.“<br />
Ashoka und seine<br />
Hintermänner<br />
http://www.mckinsey-bildet.de/<br />
downloads/07_kontakt/PM_Kongress_Vier_Punkte.pdf<br />
In den aktuellen Planungen für die<br />
„eigenverantwortliche Schule“ sind<br />
die Vorschläge von Jürgen Kluge<br />
wiederzufinden.<br />
Zu ihrer Umsetzung werden<br />
auch SchülerInnen gebraucht, die<br />
an der „Casting Show“ vom „changemaker<br />
city event“ am 30. Oktober<br />
teilnehmen und entsprechende<br />
Inspirationen mitnehmen.<br />
KollegInnen, die sich im Unterricht<br />
mit den Machenschaften von<br />
Beratungsunternehmen und deren<br />
Einfluss auf den Staat beschäftigen<br />
wollen, finden weitere Informationen<br />
bei:<br />
Werner Rügemer: Die Berater<br />
– ihr Wirken in Staat und Gesellschaft<br />
Thorsten Bultmann (BdWi):<br />
Netzwerk der Macht: Bertelsmann<br />
Angelika Wahl
SEITE 14<br />
Seit 1999 führt die Bundesrepublik<br />
Deutschland wieder Krieg.<br />
Die sogenannten Auslandseinsätze<br />
der Bundeswehr sind hoch umstritten.<br />
Ihre Akzeptanz in der<br />
Bevölkerung gering. Den Widerstand<br />
der Bevölkerung zu brechen<br />
und breiten Einfluss auf die Bildung<br />
von Schülerinnen und Schülern<br />
zu gewinnen, hat sich die<br />
Bundeswehr im Verbund mit den<br />
Regierenden (fast) aller Parteien<br />
angeschickt.<br />
In der Bundesrepublik liegen<br />
inzwischen 6 Kooperationsvereinbarungen<br />
zwischen den Kultusbehörden<br />
der Länder und der Bundeswehr<br />
vor. Die Vereinbarungen<br />
gewähren der Bundeswehr und<br />
ihren dafür verantwortlichen Jugendoffizieren<br />
Zugang zur Unterrichtung<br />
von Kindern und Jugendlichen,<br />
Lehrkräfteausbildung und<br />
-fortbildung.<br />
Die Kooperationsvereinbarungen<br />
sollen:<br />
n „sicherheitspolitische Aufklärung<br />
ermöglichen, den Blick<br />
auf die Chancen und Risiken<br />
unserer Sicherheit und die<br />
Grundfesten unserer Freiheit<br />
schärfen;<br />
n Die hierzu erforderlichen<br />
Instrumente der Politik, vor<br />
dem Hintergrund eines umfassenden<br />
Sicherheitsbegriffs sollen<br />
dargestellt und gemeinsam im<br />
Dialog erörtert werden;<br />
n Globale Konfliktverhütung<br />
und Krisenbewältigung sollen<br />
ebenso wie nationale Interessen<br />
einbezogen werden und Schülerinnen<br />
und Schüler, Referendarinnen<br />
und Referendare<br />
sowie Lehrerinnen und Lehrern<br />
die Position der Bundesrepublik<br />
Deutschland und ihrer Sicherheitspolitik<br />
vermittelt werden.“<br />
Die Punkte sind der Kooperationsvereinbarung<br />
in NRW entnommen.<br />
Sie gleichen sich in allen Bundesländern.<br />
In Hessen existiert eine solche<br />
schriftliche Vereinbarung noch<br />
nicht – jedoch hatte Kultusministerin<br />
Wolff (CDU) bereits Ende 2003<br />
im Rahmen einer Dienstversammlung<br />
der Leiter der Staatlichen<br />
Schulämter mit Jugendoffizieren<br />
verabredet, die Militärs künftig verstärkt<br />
als Referenten im Unterricht<br />
an Schulen einzusetzen. 2004 wurde<br />
der Zugang zur Lehrerbildung<br />
durch Fortbildungsangebote an<br />
Lehrkräfte sowie Verbreitung von<br />
Material u.a. auf dem Bildungsserver<br />
Hessen ermöglicht. Karin Wolf<br />
war der Ansicht, diese Kooperation<br />
solle auch für andere Bundesländer<br />
beispielhaft sein. Für ihren Einsatz<br />
erhielt Wolff 2007 die „Ehrenmedaille<br />
der Jugendoffiziere“.<br />
Was jedoch ist der Hintergrund<br />
für die massiven Werbefeldzüge<br />
der Bundeswehr? Zum einen<br />
herrscht auch bei der Bundeswehr<br />
massiver Nachwuchsmangel,<br />
zum anderen jedoch haben die Militärstrategen<br />
ein Vermittlungsproblem:<br />
Nach wie vor sind 2/3 der<br />
deutschen Bevölkerung mit Auslandseinsätzen<br />
der Bundeswehr,<br />
besonders Afghanistan, ganz und<br />
gar nicht einverstanden. Mit einer<br />
Bevölkerung jedoch, die den Sinn<br />
von Auslandseinsätzen so gar nicht<br />
einsehen mag, lassen sich kriegerische<br />
Auseinandersetzungen<br />
um die „nationalen Interessen“<br />
der Bundesrepublik Deutschland<br />
schlecht führen.<br />
FLZ Nr. 3/10<br />
Den Einfluss der Bundeswehr an Schulen zurückdrängen –<br />
Politische Bildung ist die Aufgabe von Lehrkräften<br />
Am 21. Mai 2003 erließ Minister<br />
Struck mit dem markigen Satz:<br />
„Die Sicherheit der Bundesrepublik<br />
wird auch am Hindukusch<br />
verteidigt“, die „Neue Verteidigungspolitische<br />
Richtlinie“ und<br />
folgte damit einer zuvor von der<br />
EU ausgegebenen neuen Sicherheitsstrategie<br />
der europäischen<br />
Streitkräfte sowie der Neufassung<br />
der NATO Sicherheitsdoktrin. Die<br />
„Sicherheitspolitische Richtlinie“<br />
beinhaltet die Transformation der<br />
Bundeswehr von einer Verteidigungsarmee<br />
zu einer offensiven,<br />
internationalen Einsatzarmee. Dazu<br />
gehört die „Sicherung von Rohstoffen<br />
für die deutsche Wirtschaft<br />
mit militärischen Zwecken.“ *1<br />
Wie sehr die Öffentlichkeit<br />
über die nachlesbaren „nationalen<br />
Interessen“ im Unklaren gelassen<br />
werden soll, zeigt der Fall des ehemaligen<br />
Bundespräsidenten Köhler.<br />
Dies ist der erste mir bekannte Fall,<br />
bei dem ein Politiker zurücktrat,<br />
weil er die Wahrheit gesagt hatte.<br />
Der Fall Köhler zeigt aber auch,<br />
welche Propagandaschlachten geschlagen<br />
werden und welche in<br />
Zukunft mit Hilfe von Jugendoffizieren,<br />
vereinfachten Unterrichtsmaterialien<br />
und Werbeoffizieren<br />
vermehrt auch an unseren Schulen<br />
geführt werden sollen.<br />
Die Mittel reichen von Tagesausflügen<br />
in Kasernen über Klassenfahrten,<br />
kostenlose Unter-<br />
richtsmaterialien (Reihe ‚Frieden<br />
& Sicherheit’) bis hin zum Simulationsspiel<br />
„POL&IS“, bei dem<br />
die Teilnehmerinnen in die Rolle<br />
von Staatschefs schlüpfen und die<br />
zur Erreichung ihrer Ziele notwendigen<br />
– auch kriegerischen – Maßnahmen<br />
einsetzen.<br />
Über „POl&IS“ wurde in einigen<br />
wenigen Medien kritisch berichtet.<br />
Diese Zitate fand ich besonders<br />
eindrucksvoll:<br />
„’Es gibt immer welche, die<br />
vorletzte Woche noch bei der<br />
Hand-in-Hand-Lichterkette mitgemacht<br />
haben und jetzt Krieg führen<br />
wollen (…) viele denken plötzlich,<br />
Stärke und Gewalt sind die<br />
besten Mittel…` so der Spielleiter,<br />
Jugendoffizier Christian Rump’“<br />
und „dass gerade friedensbewegte<br />
Schüler aufgerüstet hätten, sei ein<br />
‚Element der Orientierung` an der<br />
Realität. `Die bekommen mit, wie<br />
Politik in Wirklichkeit funktioniert,<br />
ahmen das nach und führen<br />
ihre humanistische Einstellung ad<br />
absurdum`“, so Theaterpädagoge<br />
Wolfgang Sting.*2<br />
Insbesondere gehören Schulbesuche<br />
von Jugendoffizieren – die es<br />
als Institution seit 1958 in der Bundeswehr<br />
gibt – schon seit langem<br />
dazu. Gegen deren Besuche gibt es<br />
aber auch genauso lange erhebliche<br />
Widerstände durch die Lehrkräfte.<br />
Diesen Widerstand will die Bundeswehr<br />
mit Hilfe von Kooperati-<br />
onsvereinbarungen mit<br />
Kultusministerien jetzt<br />
gezielt schwächen.<br />
Dagegen wehren<br />
wir uns, als <strong>GEW</strong>. Politische<br />
Bildung – gerade<br />
auch in der sensiblen<br />
Frage der Sicherheitspolitik<br />
– gehört in die<br />
Hand der dafür ausgebildeten<br />
pädagogischen<br />
Fachleute und nicht in<br />
die der gezielt geschulten<br />
Jugendoffiziere.<br />
Diese sind eben nicht<br />
„neutrale Experten“ –<br />
wie oftmals behauptet.<br />
Schon im Zusammenhang<br />
mit dem Inhalt<br />
der Kooperationsvereinbarungen<br />
stellt<br />
sich die Frage, ob die<br />
Tätigkeit der Jugendoffiziere<br />
dem Prinzip des<br />
Kontroversitätsgebots<br />
(Beutelsbacher Konsens)<br />
entspricht. Denn<br />
schließlich sollen z.B.<br />
„Informationen zu nationalen<br />
Interessen“ in ihre Arbeit<br />
einbezogen werden. Dass es aber<br />
solche „nationalen Interessen“<br />
überhaupt gibt und wie diese zu<br />
definieren sind, dürfte in der Öffentlichkeit<br />
kontrovers diskutiert<br />
werden.<br />
Dies alles spricht dagegen, der<br />
Bundeswehr einen unmittelbaren<br />
Einfluss auf die Bildung und Ausbildung<br />
von Schülerinnen und Schülern<br />
zu gewähren. Es spricht aber<br />
auch gegen die pädagogische Professionalität<br />
von Lehrkräften, wenn<br />
sie kostenlose Angebote wie Rollenspiele<br />
und Unterrichtsmaterialien<br />
der Bundeswehr ungeprüft<br />
im Unterricht einsetzen.<br />
Oftmals kommen die Werbeoffiziere<br />
zeitgleich mit Jugendoffizieren<br />
an die Schulen. Der „Bundeswehr-Truck“<br />
auf oder vor dem<br />
Schulhof gehört zu denjenigen Instrumenten,<br />
mit denen die Bundeswehr<br />
den oben schon angesprochenen<br />
Nachwuchsmangel beseitigen<br />
möchte.<br />
Die Zielgröße sind pro Jahr<br />
20.000 Rekrutierungen. Wenn<br />
man sich fragt, wer warum Soldat<br />
wird, sind folgende Zahlen interessant:<br />
Von 6.391 Soldaten im<br />
Auslandseinsatz waren 3.149 aus<br />
Ostdeutschland – das sind 49,2%,<br />
obwohl ihr Bevölkerungsanteil nur<br />
20% beträgt. Bei den 4 Generälen<br />
im Auslandseinsatz war kein Ostdeutscher,<br />
bei den Stabsoffizieren<br />
*1 Der Prozess der Globalisierung erfasst weltweit alle Staaten und Gesellschaften. Die Entfaltung und<br />
zunehmende Vernetzung internationaler Handels-, Investitions-, Reise-, Kommunikations- und Wissensströme<br />
eröffnet in erster Linie neue Chancen. Deutschland, dessen wirtschaftlicher Wohlstand<br />
vom Zugang zu Rohstoffen, Waren und Ideen abhängt, hat ein elementares Interesse an einem friedlichen<br />
Wettbewerb der Gedanken, an einem offenen Welthandelssystem und freien Transportwegen.<br />
[...] Deutschland hat aufgrund seiner immer engeren Verflechtung in der Weltwirtschaft besonderes<br />
Interesse an internationaler Stabilität und ungehindertem Warenaustausch. [...] Verwerfungen im internationalen<br />
Beziehungsgefüge, Störungen der Rohstoff- und Warenströme, beispielsweise durch zunehmende<br />
Piraterie, und Störungen der weltweiten Kommunikation bleiben in einer interdependenten<br />
Welt nicht ohne Auswirkungen auf die nationale Volkswirtschaft, Wohlstand und sozialen Frieden.<br />
[...] Energiefragen werden künftig für die globale Sicherheit eine immer wichtigere Rolle spielen. [...]<br />
Deutsche Sicherheitspolitik muss auch Entwicklungen in geografisch weit entfernten Regionen berücksichtigen,<br />
soweit sie unsere Interessen berühren. [...] Deutsche Sicherheitspolitik beruht auf einem<br />
umfassenden Sicherheitsbegriff. Risiken und Bedrohungen muss mit einem abgestimmten Instrumentarium<br />
begegnet werden. Dazu gehören diplomatische, wirtschaftliche, entwicklungspolitische, polizeiliche<br />
und militärische Mittel, wenn geboten, auch bewaffnete Einsätze.“ (Weißbuch 2006, Hervorhebungen<br />
d.V.)<br />
*2 IMI-Fact-Sheet, zitiert „Die Zeit“ vom 30. 04. 2003<br />
*3 entnommen aus der Ostermarschrede von Tobias Pflüger, 2010 in Stuttgart<br />
*4 Quelle: Dr. Peter Becker, Stiftung Friedensbewegung<br />
16,6% und bei den Mannschaften<br />
62,5%.*3<br />
Geworben wird mit Ausbildungsstellen<br />
und Studienplätzen<br />
– oftmals scheinbar rein „zivile“<br />
Berufe. Dass jede/r, die/der bei der<br />
Bundeswehr eine Verpflichtung eingeht,<br />
ein Soldat ist, der damit rechnen<br />
muss im Zweifel Menschen zu<br />
töten oder selbst getötet zu werden,<br />
wird verschwiegen.<br />
Manchmal klingt es nach „Freiheit<br />
und Abenteuer“, manchmal<br />
aber auch nach einem einfachen<br />
„Karriereweg“. Ein Beispiel, wie<br />
die Bundeswehr für sich wirbt:<br />
„Hauptschule fertig? Bewirb dich<br />
in die Mannschaftslaufbahn! Werde<br />
vier Jahre lang Soldat in einer<br />
Kampftruppe bei den Gebirgsjägern,<br />
Fallschirmjägern oder den<br />
Panzergrenadieren.<br />
Realschule gemacht? Die Unteroffizierslaufbahn<br />
ist das genau Richtige<br />
für dich! Wir bieten 65 Ausbildungsgänge<br />
aus allen Berufzweigen<br />
an!<br />
Abitur in der Tasche? –Studiere bei<br />
der Bundeswehr. Mehr als 20 Studiengänge<br />
– von BWL über Medizin<br />
bis zu Luft- und Raumfahrttechnik<br />
– stehen dir offen. Du willst<br />
deinen Traum vom Fliegen wahr<br />
machen? Die Grenzen deiner Leistungsfähigkeit<br />
neu definieren?<br />
Werde Hubschrauber- oder Jetpilot!<br />
Auf den Geschmack gekommen?<br />
Ruf an!“ *3<br />
Ich habe erhebliche Zweifel,<br />
dass die aus Afghanistan zurückgekehrten,<br />
inzwischen mehr als<br />
5000 traumatisierten Soldaten, diese<br />
Werbesprüche noch gutheißen.<br />
Von den Toten und ihren Angehörigen<br />
ganz zu schweigen. Die propagandistische<br />
Verharmlosung oder<br />
Beschönigung von Kriegseinsätzen,<br />
die propagandistische Verharmlosung<br />
des „Berufs“ Soldat steht am<br />
Beginn eines jeden Krieges.<br />
Was können Schulen, Lehrkräfte<br />
und Schüler/ -innen tun, um den<br />
Einfluss der Bundeswehr zurückzudrängen?<br />
n Kollegien können Gesamtkonferenzbeschlüsse<br />
erwirken – Schulleitungen<br />
sind an Gesamtkonferenzbeschlüsse<br />
gebunden.<br />
n Schülerinnen und Schüler können<br />
in der SV-Beschlüsse herbeiführen.<br />
Die unbedingte Achtung der Gewissensfreiheit<br />
ist einzufordern!<br />
n Das Gewissen kann dem Einzelnen<br />
verbieten, als Soldat Menschen<br />
zu töten. Das ergibt sich<br />
aus dem Grundgesetz:<br />
n Die durch Artikel 4, Abs. 3 des<br />
Grundgesetzes geschützte Gewissensfreiheit<br />
umfasst die Freiheit<br />
der Gewissensbildung.<br />
n Diese Freiheit darf nicht durch<br />
direkte oder indirekte Indoktrinierung<br />
gefährdet werden.<br />
Das aber bedeutet:<br />
n Keine Lehrkraft darf gezwungen<br />
werden an Veranstaltungen mit<br />
der Bundeswehr teilzunehmen.<br />
n Kein Schüler und keine Schülerin<br />
darf gezwungen werden, an<br />
einer Veranstaltung der Bundeswehr<br />
teilzunehmen.<br />
n Darüber hinaus hat jede Lehrkraft<br />
das Recht (Hessisches<br />
Schulgesetz § 86, 2 Einschränkungsverbot<br />
der „Pädagogische<br />
Freiheit“) individuell zu entscheiden,<br />
ob sie Jugendoffiziere
FLZ Nr. 3/10 SEITE 15<br />
zu ihrem Unterricht hinzuziehen<br />
will oder nicht.<br />
Das elterliche Erziehungsrecht<br />
nach Artikel 6, Abs. 2 Grundgesetz<br />
ist zu beachten:<br />
n Eltern können sich dagegen wenden,<br />
dass Jugendoffiziere indoktrinierend<br />
oder werbend auf<br />
Schüler/-innen einwirken. *4<br />
Bei der Argumentation gegen den<br />
Einsatz der Bundeswehr an Schulen<br />
kann auch ein Blick in die Hessische<br />
Verfassung helfen:<br />
„§56 (4) Ziel der Erziehung ist,<br />
den jungen Menschen zur sittlichen<br />
Persönlichkeit zu bilden, seine berufliche<br />
Tüchtigkeit und die politische<br />
Verantwortung vorzubereiten<br />
zum selbständigen und verantwortlichen<br />
Dienst am Volk und der<br />
Menschheit durch Ehrfurcht und<br />
Nächstenliebe, Achtung und Duldsamkeit,<br />
Rechtlichkeit und Wahrhaftigkeit.“<br />
„§56 (5) Der Geschichtsunterricht<br />
muß auf getreue, unverfälschte<br />
Darstellung der Vergangenheit<br />
gerichtet sein. Dabei sind<br />
in den Vordergrund zu stellen die<br />
großen Wohltäter der Menschheit,<br />
die Entwicklung von Staat, Wirtschaft,<br />
Zivilisation und Kultur,<br />
nicht aber Feldherrn, Kriege und<br />
Schlachten. Nicht zu dulden sind<br />
Auffassungen, welche die Grundlagen<br />
des demokratischen Staates<br />
gefährden.“<br />
Hilfreich ist es auch, sich auf<br />
den Beutelsbacher Konsens zur Politischen<br />
Bildung von 1976 zu beziehen:<br />
n Überwältigungsverbot: „Es ist<br />
nicht erlaubt, den Schüler, mit<br />
welchen Mitteln auch immer –<br />
im Sinn erwünschter Meinungen<br />
zu überrrumpeln und damit an<br />
der Gewinnung eines selbständigen<br />
Urteils zu hindern.“<br />
n Kontroversitätsgebot: „Was in<br />
Wissenschaft und Politik kontrovers<br />
ist, muss auch im Unterricht<br />
kontrovers sein, Diese Forderung<br />
ist mit der vorgenannten<br />
aufs engste verknüpft, denn wenn<br />
unterschiedliche Standpunkte unter<br />
den Tisch fallen, Optionen unterschlagen<br />
werden, Alternativen<br />
unerörtert bleiben, ist der Weg zur<br />
Indoktrination beschritten.“<br />
Zum Schluss möchte ich noch darauf<br />
hinweisen, dass der Kampf<br />
gegen den Militarismus und seine<br />
Vertreter ein alter Kampf ist und<br />
immer einer der Gewerkschaftsbewegung<br />
war und dass es immer<br />
um die Frage ging, für wessen<br />
Interesse Leben und Geld eingesetzt<br />
werden. 1887 formulierte<br />
Wilhelm Liebknecht auf einem<br />
Flugblatt vor der Reichstagswahl:<br />
„Dem Militarismus keinen<br />
Mann und keinen Groschen:<br />
„Wenn wir von dem Militarismus<br />
und dessen Vertretern absehen,<br />
ist eine ernstliche Kriegsgefahr<br />
überhaupt nicht vorhanden; die<br />
Völker wollen und brauchen den<br />
Frieden. (…) Aber das schlimmste<br />
Hindernis (...) eines solchen<br />
(Friedens-) Bundes sind die kolossalen<br />
Kriegsrüstungen der Gegenwart,<br />
die in Gestalt des „bewaffneten<br />
Friedens“ einen unerträglichen<br />
Zustand geschaffen<br />
haben, verglichen mit dem der<br />
Krieg selbst kaum als das größere<br />
Übel erscheint. Daß ein Zustand<br />
nicht fortdauere, bei dem<br />
jeder Funke einen Weltbrand verursachen<br />
kann, das liegt, wenn<br />
wir eine winzige Minderheit ausnehmen,<br />
im Interesse des gesamten<br />
Volkes.“<br />
Karola Stötzel,<br />
Stv. Vorsitzende <strong>GEW</strong> Hessen<br />
Stellungnahme und Richtigstellung zum Artikel – „Gegen die<br />
Geschichtsfälschung der Nakba-Ausstellung“ / FLZ 2 / 2010<br />
Als Verantwortliche für Inhalt und<br />
Konzeption der Wanderausstellung<br />
„Die Nakba – Flucht und Vertreibung<br />
der Palästinenser 1948“ kann<br />
ich den Artikel „Gegen die Geschichtsfälschung<br />
der Nakba-Ausstellung!“<br />
nicht unwidersprochen<br />
stehen lassen. Die von mir als Vorsitzender<br />
für den Verein „Flüchtlingskinder<br />
im Libanon e.V. erstellte<br />
und vom Land Baden-Württemberg<br />
(Stiftung Entwicklungs-Zusammenarbeit)<br />
und dem Evangelischen Entwicklungsdienst<br />
geförderte Ausstellung<br />
ist seit April 2008 ohne wesentliche<br />
Einwände in 51 Orten<br />
(Volkshochschulen, Universitäten,<br />
Kirchengemeinden, Gewerkschaftshäusern<br />
u.a. renommierten Ausstellungsräumen)<br />
in Deutschland zu sehen<br />
gewesen. Erst seit Ende April<br />
dieses Jahres erfährt die Ausstellung<br />
massiven Widerspruch, der nicht etwa<br />
auf eine nachhaltige, gewünschte<br />
Diskussion über das Thema gerichtet<br />
ist, sondern deren Verhinderung<br />
zum Ziel hat. Dies bestätigt die Notwendigkeit<br />
der Nakba-Ausstellung,<br />
wie sie in unserer Motivation für die<br />
Erstellung der Ausstellung zum Ausdruck<br />
kommt. Sowohl in der Ausstellungs-Begleitbroschüre<br />
als auch<br />
auf unserer Website (http://lib-hilfe.<br />
de/lib-ausstellung.html) ist diese für<br />
jede/n, der/die sich ein eigenes Urteil<br />
bilden möchte, zusammen mit<br />
dem kompletten Inhalt der Ausstellung<br />
nachlesbar.<br />
Hier der wesentliche Teil unserer<br />
Motivation:<br />
In Israel werden die Ereignisse um<br />
1948, die mit der Ausrufung des<br />
israelischen Staates verbunden waren,<br />
als Wiedergeburt nach zweitausendjährigem<br />
Exil und nach<br />
Jahrhunderter langer Verfolgung<br />
gefeiert. Den überwiegenden Teil<br />
der Palästinenser haben diese Ereignisse<br />
dagegen zu einem Volk von<br />
Flüchtlingen gemacht, die sich ihrer<br />
Heimat und ihres Besitzes beraubt<br />
sehen, ohne Aussicht auf nationale<br />
Selbstbestimmung, geschweige<br />
denn auf Entschädigung oder<br />
gar Rückkehr. Die aus der Ermordung<br />
von Millionen Juden im Nationalsozialismus<br />
erwachsene deutsche<br />
Schuld hat dazu geführt, dass<br />
Gesellschaft, Politik und Medien<br />
ganz überwiegend das israelische<br />
Verständnis dieses Zeitabschnitts<br />
verinnerlicht haben. Dadurch wurde<br />
der Blick auf das Leid des palästinensischen<br />
Volkes verstellt. Die<br />
Thematisierung der Flucht und<br />
Vertreibung dieser Menschen,<br />
erst recht ihrer Forderungen nach<br />
Rückkehr und Entschädigung, gilt<br />
bis heute vielfach als Tabubruch.<br />
Wir sind aber überzeugt, dass ohne<br />
die Kenntnis und ohne eine gebührende<br />
Anerkennung dieser Seite<br />
des Konflikts Aussöhnung, Gerechtigkeit<br />
und Frieden im Nahen<br />
Osten keine Chance haben werden.<br />
Mit unserer Ausstellung wollen wir<br />
hierzu einen Beitrag leisten.<br />
Diesem Anspruch wird die<br />
Ausstellung durch sachliche Darstellung<br />
der für das Verständnis<br />
notwendigen Fakten gerecht, ohne<br />
Bewertungen oder Schuldzuweisungen<br />
vorzunehmen. Dabei stützt<br />
sie sich auf Veröffentlichungen sowohl<br />
israelischer, als auch deutscher<br />
und palästinensischer Autoren<br />
und nennt die entsprechenden<br />
nachprüfbaren Quellen. Dass<br />
durch die Ausstellung die in der<br />
deutschen Öffentlichkeit verbreiteten<br />
und verinnerlichten Mythen<br />
um die Staatsgründung Israels wie<br />
n „Ein Land ohne Volk für ein Volk<br />
ohne Land“,<br />
n „der Unabhängigkeitskrieg Israels<br />
sei ein Kampf Davids gegen<br />
Goliath gewesen“ oder<br />
n „die Palästinenser sind an ihrer<br />
Vertreibung selbst schuld, sie wären<br />
schließlich den Aufrufen der<br />
Führer ihrer arabischen Nachbarstaaten<br />
gefolgt, ihre Heimat<br />
zu verlassen und später mit den<br />
siegreichen arabischen Armeen<br />
zurückzukehren“<br />
in einem neuen Licht erscheinen,<br />
ist unvermeidlich. Daraus lässt sich<br />
aber nicht der Vorwurf der Einseitigkeit<br />
ableiten, weil dies durch objektive<br />
Fakten belegt wird.<br />
Im Kern nimmt der vorgelegte<br />
Artikel den Nahostkonflikt ausschließlich<br />
als Kampf zwischen der<br />
zutiefst und grundsätzlich antisemitischen<br />
und auf die Vernichtung der<br />
Juden hinarbeitenden arabisch-palästinensischen<br />
Seite und der durch<br />
die jüdischen Holocaustopfer des<br />
deutschen Faschismus legitimierten<br />
Politik der zionistisch-israelischen<br />
Seite war. Diese Wahrnehmung ist<br />
unhistorisch. Sie ignoriert die Tatsache,<br />
dass dieser Konflikt wie auch<br />
andere zu der Zeit vor allem unter<br />
dem Vorzeichen des endenden europäischen<br />
Kolonialismus und des<br />
Entstehens junger Nationalstaaten<br />
stand. Die Sympathie mancher palästinensischer<br />
Organisationen für<br />
den deutschen Nationalsozialismus<br />
betrachten auch Autoren wie<br />
Friedrich Schreiber und Michael<br />
Wolffsohn, die sicher nicht der Israel-Feindlichkeit<br />
bezichtigt werden<br />
können, nicht als ideologisch<br />
bedingt, sondern als aus der Feindschaft<br />
gegen Juden und Briten herrührendes<br />
Interesse („Der Nahostkonflikt<br />
– Geschichte und Struktur<br />
des Konflikts“, S. 91). Denn die Palästinenser<br />
sahen beide, Juden wie<br />
Briten, als diejenigen an, die ihnen<br />
ihr nationales Selbstbestimmungsrecht<br />
streitig machen wollten.<br />
Zu Haj Amin Al-Husseini, dem<br />
Mufti von Jerusalem, ganz kurz:<br />
Die britische Mandatsmacht selbst,<br />
die laut Mandatstext „die Errichtung<br />
einer jüdischen Heimstätte<br />
in Palästina sichern“ und „die jüdische<br />
Einwanderung erleichtern“<br />
sollte, ernannte Amin Al-Husseini<br />
1921 zum Mufti von Jerusalem,<br />
dem obersten geistlichen Führer,<br />
1922 zum Vorsitzenden des Obersten<br />
Islamischen Rats, den er bis<br />
1937 innehatte. Seine Zusammenarbeit<br />
mit dem Hitler-Faschismus<br />
vor allem nach seiner Ankunft in<br />
Nazi-Deutschland 1941 hat ihn ohne<br />
Frage diskreditiert. Wieweit er<br />
in die Vernichtungspolitik der Nazis<br />
im Detail eingeweiht oder daran<br />
beteiligt war, ist unter Historikern<br />
allerdings umstritten. Für die angeführten<br />
Beispiele der Zusammenarbeit<br />
werden keine Belege geliefert.<br />
So scheint das Beispiel der 4000 jüdischen<br />
Kinder und 500 Erwachsenen<br />
(Ernst Olbrich spricht pauschal<br />
von 5000 jüdischen Kindern), die<br />
auf das Betreiben des Mufti angeblich<br />
in die Gaskammern geschickt<br />
wurden, auf einem falsch widergegebenen<br />
Zitat zu basieren (http://<br />
mondoweiss.net/2009/07/dershowitz-allegation-that-mufti-had-4000-children-gassed-is-questioned.html).<br />
Genauso fragwürdig<br />
ist die Behauptung, die palästinensischen<br />
Aufständischen wären in<br />
den 30-er Jahren massiv mit deutschen<br />
Waffen unterstützt worden.<br />
Dazu kann man bei Benny Morris,<br />
israelischer Historiker, der die Vertreibung<br />
der Palästinenser in seinem<br />
Buch „The Birth of the Palestinian<br />
Refugee Problem Revisited<br />
(2004)“ detailliert beschrieben<br />
hat und gleichzeitig ein überzeugter<br />
Verfechter der Vertreibung ist, Folgendes<br />
nachlesen: „Während des<br />
arabischen Aufstands unterstützte<br />
Nazi-Deutschland (wie auch das<br />
faschistische Italien) die Aufständischen<br />
politisch, propagandistisch,<br />
offenbar auch mit Geld (und<br />
vielleicht einigen Waffen)“ (Weltonline<br />
30. 01. 2010).<br />
Der vollkommen übersteigerte<br />
und undifferenzierte Antisemitismus-Vorwurf<br />
an die palästinensische<br />
Seite ist dazu geeignet,<br />
die alleinige Verantwortung Nazi-Deutschlands<br />
und seiner staatlichen<br />
Verbündeten für die Vernichtung<br />
jüdischen Lebens zu relativieren<br />
und sie in Teilen einem anderen<br />
Volk anzulasten.<br />
Tatsache ist jedenfalls, dass<br />
der Mufti für die Entstehung und<br />
das Ziel des Zionismus, eine nationale<br />
Heimstatt für die – zunächst<br />
vor allem in Osteuropa verfolgten<br />
– Juden zu schaffen, keine Relevanz<br />
hat. Es ist auch zweifelhaft,<br />
ob die gewaltsame Umsetzung der<br />
zionistischen Ziele durch den Mufti<br />
befördert worden ist. Denn einerseits<br />
rechnete die zionistische<br />
Führung mit dem Widerstand der<br />
einheimischen Bevölkerung, dem<br />
Widerstand sozusagen der Kolonisierten<br />
gegen ihre Kolonisierer. Andererseits<br />
stellte Ben Gurion schon<br />
Mitte März 1948 fest, „dass die<br />
überwältigende Mehrheit von ihnen<br />
(den Palästinensern), nicht gegen<br />
uns kämpfen“ will (Ilan Pappe<br />
„Die ethnische Säuberung Palästinas“,<br />
S. 94, lt. Political and Diplomatic<br />
Documents, Document 274,<br />
S. 460). Der geringe Rückhalt, den<br />
der Mufti 1948 unter der palästinensischen<br />
Bevölkerung hatte, zeigt<br />
sich auch darin, dass sich nur wenige<br />
Tausend Männer bei insgesamt<br />
1,3 Millionen Palästinensern als<br />
Kämpfer seinem Kommando unterstellten.<br />
Wegen dieser untergeordneten<br />
Bedeutung von Al-Husseini<br />
für die „Nakba“ fand er keine<br />
Erwähnung in der Ausstellung.<br />
Die Ausführungen gipfeln<br />
schließlich darin, die Erfindung<br />
einer palästinensischen Nation<br />
durch die Vertreter der Zweistaatentheorie<br />
als einen „argumentativen<br />
Trick der Delegitimierung und<br />
Abschaffung Israels“ darzustellen.<br />
Damit wird der breite internationale<br />
Konsens für eine Friedensregelung<br />
auf der Basis zweier gleichberechtigter<br />
Staaten, wie er seid Oslo<br />
Allgemeingut ist, aufgekündigt. Die<br />
laut Harald Fiedler vom DGB formulierte<br />
Politik des DGB, die „auf<br />
Aussöhnung zwischen Juden und<br />
Palästinensern“ gerichtet sei, wird<br />
niemand grundsätzlich in Zweifel<br />
ziehen wollen, dies war aber keine<br />
gerechtfertigte Begründung für die<br />
Kündigung der Ausstellungsräume.<br />
Wir, der Verein „Flüchtlingskinder<br />
im Libanon e.V.“, wollten mit der<br />
Nakba-Ausstellung dazu beitragen,<br />
eine historische Lücke in der vornehmlich<br />
deutschen Rezeption des<br />
Palästina-Konfliktes zu schließen.<br />
Dieses Anliegen haben der Evangelische<br />
Entwicklungsdienst und<br />
die Stiftung Entwicklungs-Zusammenarbeit<br />
Baden-Württemberg mit<br />
ihrer Förderung unterstützt. Wir<br />
empfehlen den Leserinnen und Lesern<br />
der <strong>Frankfurt</strong>er Lehrerzeitung<br />
die Nakba-Ausstellung und die Begleitbroschüre<br />
als für den Schulunterricht<br />
und Diskussionen mit<br />
Schülerinnen und Schülern gut geeignetes<br />
Material zur Nahostproblematik.<br />
Ingrid Rumpf,<br />
irumpf@lib-hilfe.de<br />
Unschöne Begleiterscheinungen<br />
Die Auseinandersetzung um die<br />
o.a. Ausstellung hat den <strong>Bezirksverband</strong><br />
<strong>Frankfurt</strong> über Gebühr beschäftigt<br />
und unschöne Begleiterscheinungen<br />
gehabt.<br />
Anlass war einerseits, dass<br />
der DGB Regionsvorsitzende<br />
<strong>Frankfurt</strong>-Rhein-Main eine vor<br />
längerer Zeit gegebene Zusage für<br />
die Ausstellung im DGB-Haus in<br />
<strong>Frankfurt</strong> zurückgezogen hatte<br />
mit Verweis auf die Politik des<br />
DGB, „die auf Aussöhnung zwischen<br />
Juden und Palästinensern<br />
gerichtet“ sei.<br />
Anlass war andererseits die<br />
Kritik des Redakteurs der FLZ an<br />
der Ausstellung, der den Ausstellungsmachern<br />
Geschichtsfälschung<br />
vorwarf, u.a. weil die Ausstellung<br />
die Geschichte des Israel-Palästina-<br />
Konflikts einseitig zugunsten der<br />
Palästinenser darstelle, eine Kritik,<br />
bei der er nicht allein stand.<br />
Gegen den DGB Regionsvorsitzenden<br />
wurde von KritikerInnen eine<br />
Protestkundgebung organisiert,<br />
dem FLZ-Redakteur (und nicht nur<br />
ihm) wurden vielfältige Beschimpfungen<br />
von außerhalb des Vorstands<br />
mündlich bzw. per E-Mail zuteil, die<br />
bis in den Bereich der strafrechtlichen<br />
Beleidigung reichten.<br />
Bereits an der letzten Nummer<br />
der FLZ wurde kritisiert, dass derart<br />
umstrittene Themen in der 4-mal<br />
im Jahr erscheinenden FLZ ausgetragen<br />
werden. Viele KollegInnen<br />
hielten die Klärung eines Standpunktes<br />
zu der „Ausstellung“, zu<br />
der historischen Aufarbeitung des<br />
Palästina-Konflikts und zu der Absage<br />
der Ausstellung durch den<br />
DGB-Regionsvorsitzenden im Rahmen<br />
einer Bezirksvorstandssitzung<br />
(mit ihren vielfältigen tarif- und bildungspolitischen<br />
Themen) weder<br />
für möglich noch für angebracht.<br />
Auch wurde die Frage gestellt,<br />
weshalb zum Protest gegen die Absage<br />
einer Ausstellung durch den<br />
DGB ausgerechnet der <strong>GEW</strong> <strong>Bezirksverband</strong><br />
<strong>Frankfurt</strong> aufgefordert<br />
wurde, der die Ausstellung gar<br />
nicht befürwortet hatte und nicht<br />
die Spitze des <strong>GEW</strong> Landesverbands,<br />
welche die Ausstellung befürwortet<br />
hatte.<br />
Der Bezirksvorstand hat, um<br />
die Auseinandersetzung zu beenden,<br />
als Kompromiss beschlossen,<br />
der Ausstellungsmacherin Gelegenheit<br />
zur Erwiderung zu geben,<br />
wobei persönliche Angriffe auf<br />
den FLZ-Redakteur herauszunehmen<br />
sind und dem Bezirksvorsitz<br />
die Möglichkeit zu geben, über die<br />
Auseinandersetzung zu berichten<br />
und zu appellieren, andere nicht<br />
weiter zu verletzen.<br />
Herbert Storn,<br />
Elke Große Vorholt
SEITE 16<br />
Jubilarehrung des <strong>GEW</strong> <strong>Bezirksverband</strong>s<br />
<strong>Frankfurt</strong> / 24. 09. 2010<br />
Jubilarehrung: Lorenz Knorr, Herbert Storn, Elke Große Vorholt<br />
An diesem Abend dürfte das Durchschnittsalter<br />
aus gegebenem Anlass<br />
etwas höher gewesen sein. Eine Jubilarehrung<br />
nimmt der <strong>Bezirksverband</strong><br />
nur in größeren Abständen vor, auch,<br />
weil wir von den laufenden Auseinandersetzungen<br />
über Tariffragen,<br />
der Abwehr von Arbeitszeitverlängerungen,<br />
dem Kampf gegen die Deregulierung<br />
des Bildungswesen, gegen<br />
ein Wiederaufleben sozialdarwinistischer<br />
und fremdenfeindlicher Bestrebungen<br />
a la Sarrazin so absorbiert<br />
sind. Dennoch: Die Anwesenden ließen<br />
sich gerne ehren. Herbert Storn<br />
gab einen kurzen Überblick über die<br />
Aktivitäten des <strong>Bezirksverband</strong>s und<br />
freute sich, mit Lorenz Knorr nicht<br />
nur die längste Gewerkschaftsmitgliedschaft<br />
(58 Jahre), sondern mit<br />
89 Jahren auch den ältesten Kollegen<br />
würdigen zu dürfen.<br />
Kollege Knorr war bereits 1934<br />
in der Drucker-Gewerkschaft aktiv.<br />
1960 protestierte er öffentlich<br />
gegen das Einschwenken der SPD<br />
auf den NATO-Kurs von Konrad<br />
Adenauer und trat aus der Partei<br />
aus. 1961 griff er die personelle<br />
Kontinuität von der Wehrmacht<br />
zur Bundeswehr an und bezeichnete<br />
diese als „Massenmörder“.<br />
Wegen „Beleidigung“ von ehemaligen<br />
Generälen der nationalsozialistischen<br />
Wehrmacht, die nun in<br />
führender Position in der Bundeswehr<br />
tätig waren, sowie „Staatsgefährdung“<br />
musste er sich mehreren<br />
Gerichtsverfahren stellen. Er<br />
kam schließlich mit 300 DM davon.<br />
1974 wurde der Prozess „wegen<br />
geringer Schuld“ eingestellt.<br />
Lorenz Knorr ist immer noch<br />
in Schulen unterwegs, um seine Erfahrungen<br />
in der Friedensarbeit mit<br />
Schülern zu teilen.<br />
Geehrt wurden aber auch viele<br />
Kolleginnen und Kollegen mit 40-jähriger<br />
Mitgliedschaft: Elke und Jürgen<br />
Lamprecht, Heidi Doerflinger, Helga<br />
Eysel, Inge Holler-Röder, Rainer<br />
Georg-Lilling, Klaus Kraft und Volker<br />
Mürle.<br />
Nicht zu vergessen die noch<br />
viel zahlreicheren Kolleginnen und<br />
Kollegen mit 25jähriger Mitgliedschaft,<br />
die wir nicht alle namentlich<br />
aufzählen.<br />
Neben einem Büffet und Getränken<br />
konnten alle TeilnehmerInnen<br />
sich über das Frauen-Kabarett<br />
„Hickhack“ amüsieren, das<br />
Ausschnitte aus seinem Programm<br />
„Spiel mir das Lied vom … Abendrot“<br />
zum Besten gab.<br />
Wir haben sicherlich nicht alle<br />
Jubilare mit dieser Feier richtig erfasst<br />
und werden dies gegebenenfalls<br />
in geeigneter Form nachholen.<br />
Herbert Storn<br />
Studierendenhaus für Alle<br />
In der aktuellen Planung für den<br />
Campus Bockenheim ist das Studierendenhaus,<br />
u.a. Sitz vom AStA der<br />
J.W. Goethe-Universität, bedroht.<br />
Das Haus wurde am 21. Februar<br />
1953 – am zehnten Jahrestag der<br />
Hinrichtung von Mitgliedern der Widerstandsgruppe<br />
„Weiße Rose“ – den<br />
<strong>Frankfurt</strong>er Studierenden übergeben,<br />
um demokratische Bildung und Kultur<br />
zu fördern. Die Aufarbeitung der<br />
Nazi-Zeit, die Auseinandersetzung<br />
mit der Wiederaufrüstung, mit Vietnamkrieg<br />
und Notstandsgesetzen,<br />
der Kampf um Demokratisierung im<br />
Bildungswesen waren und sind untrennbar<br />
mit diesem Haus verbunden.<br />
Nicht nur für den SDS war das<br />
Studierendenhaus ein wichtiger Kristallisationspunkt:<br />
das Studierendenhaus<br />
war stets ein öffentlicher Raum<br />
für politische Diskussionen und Aktivitäten,<br />
für emanzipatorische Bewegungen.<br />
Nach dem Umzug des AStA<br />
der J.W. Goethe-Universität auf<br />
den IG-Farben-Campus sollen das<br />
Studentenwohnheim und die Uni-<br />
Kita – Hort der anti-autoritären<br />
Erziehung – abgerissen werden,<br />
die verbleibenden Gebäude-Teile<br />
(KoZ, AStA-Räume, Festsaal, ...)<br />
sollen der Hochschule für Musik<br />
und darstellende Kunst (HfMdK)<br />
übergeben, die öffentliche Nutzung<br />
des Studierendenhaus soll aufgegeben<br />
werden.<br />
Die Bockenheimer Bürgerinitiative<br />
„Ratschlag Campus Bockenheim<br />
kritisiert diese Planung und fordert:<br />
• Erhalt des Studentenwohnheims<br />
und der Kindertagesstätte<br />
• Erhalt von KoZ und Festsaal<br />
für politische / kulturelle Veranstaltungen<br />
und Aktivitäten,<br />
unabhängig von staatlichen Institutionen<br />
• Nutzung der Büro-, Arbeitsund<br />
Party-Räume auch durch<br />
demokratische Initiativen und<br />
Vereine, die nicht zur J.W. Goethe-Universität,<br />
bzw. zur Hf-<br />
MdK gehören.<br />
Angesichts der aktuellen Debatten<br />
um Integration und Diversität<br />
könnte das Studierendenhaus zu<br />
einem „nachbarschaftlichen Begegnungsraum“<br />
entwickelt werden,<br />
der „kulturelle Projekte...“und das<br />
Miteinander verschiedener Gruppen<br />
und ihre Beschäftigung mit<br />
dem eigenen Umfeld“ fördert (s.<br />
Erklärung der Denkwerkstatt Integration).<br />
Die BI „Ratschlag Campus<br />
Bockenheim“ trifft sich an jedem<br />
2. Mittwoch im Monat um 19 Uhr<br />
im Studierendenhaus / Campus<br />
Bockenheim. Interessierte sind<br />
herzlich zu der öffentlichen Sitzung<br />
eingeladen.<br />
Nachfragen: Angelika Wahl,<br />
rech-wahl@onlinehome.de,<br />
Tel. 069 774583.<br />
Termine<br />
FLZ Nr. 3/10<br />
Informationsveranstaltung des <strong>GEW</strong>-<strong>Bezirksverband</strong>s am<br />
30. 08. 2010 mit Frau Kraus von der Beihilfestelle Kassel<br />
Nach einem kurzen Grußwort des<br />
Kollegen Storn machte Kollege<br />
Graf den Aktionstag des DGB gegen<br />
„Das Sparpaket der Bundesregierung,<br />
die Kopfpauschale und<br />
Rente mit 67...“ am 22. 09. auf der<br />
Hauptwache bekannt.<br />
Frau Kraus hatte für die 65<br />
Anwesenden Merkblätter über die<br />
„Gewährung von Beihilfen zu Pflegekosten<br />
nach § 9 der Hess. Beihilfeverordnung<br />
...“ mitgebracht. Sie<br />
kündigte eine neue Beihilfeverordnung<br />
an, konnte aber zu den möglicherweise<br />
geplanten Änderungen<br />
noch nichts sagen.<br />
In allen Fragen könne frau/<br />
mann sich telefonisch an die „Pflegegruppe“<br />
bei der Beihilfestelle<br />
wenden: 0561-106-1550. Die Beihilfestelle<br />
hat die E-Mail-Adresse:<br />
beihilfe@rpks.hessen.de; die homepage<br />
lautet: http: beihilfe.rp-kassel.<br />
de; dort kann frau/mann auch alle<br />
benötigten Infos und Formulare einsehen<br />
und herunterladen.<br />
Nachfolgend sollen nur die<br />
Fragen erörtert werden, die aus<br />
der Veranstaltung an Frau Kraus<br />
gestellt und von ihr beantwortet<br />
wurden: Frau Kraus empfiehlt<br />
dringend, gegenüber dem Medizinischen<br />
Dienst der Pflegeversicherung<br />
die Beschwerden nicht<br />
„kleinzureden“, um eine falsche –<br />
zu niedrige – Einstufung im Pflegefall<br />
zu verhindern. Es gibt bekanntlich<br />
drei Pflegestufen und für Alzheimerpatienten<br />
eine zusätzliche<br />
Betreuungsleistung.<br />
Helga Shahidi<br />
verabschiedet<br />
Helga Shahidi, die langjährige Betriebsratsvorsitzende<br />
der Lehrerkooperative,<br />
ist in der Freistellungsphase<br />
ihrer Altersteilzeit. Mit einem rauschenden<br />
Fest verabschiedeten ihre<br />
Kolleginnen und Kollegen sie am 24.<br />
September. Helga ist Mitarbeiterin<br />
der ersten Stunde in der nunmehr 25<br />
Jahre alten Lehrerkooperative. Davon<br />
gibt es kaum noch welche, weil<br />
die jetzige Geschäftsleitung eher auf<br />
Fluktuation denn auf Ausbau einer<br />
Stammbelegschaft setzt. So waren bei<br />
der Abschiedsfeier auch viele alte Gesichter<br />
zu sehen, die schon lange andernorts<br />
arbeiten.<br />
Helga hat die Entwicklung vom<br />
selbst verwalteten Betrieb der Anfangsjahre<br />
bis zum Problem beladenen<br />
Allerweltsträger der Gegenwart<br />
hautnah miterlebt. In ihr verkörpert<br />
sich sowohl Neue als auch<br />
Alte Soziale Bewegung. Es gibt niemand<br />
zweites, der die Lehrerkooperative<br />
so gut kennt wie sie. Und es gibt<br />
wohl auch niemand zweites, der sich<br />
um die Durchsetzung von Arbeitnehmer/innenrechten<br />
bei der Lehrerkooperative<br />
so verdient gemacht hat wie<br />
sie. Die Schuhe, die sie hinterlassen<br />
hat und in die die nächste Generation<br />
hineinwachsen muss, sind groß.<br />
Hajo Dröll<br />
Wir brauchen keine ‚Schuldenbremse’<br />
– Für einen solidarischen <strong>Sozialstaat</strong>!<br />
Das DGB-Bildungswerk hat als Argumentationsmaterial<br />
einen Reader samt<br />
CD für ReferentInnen herausgegeben, der<br />
bei der <strong>GEW</strong> angefordert werden kann.<br />
Broschüre „Rente mit 60 - nicht erst ab<br />
67/70 Jahren!“ <strong>Frankfurt</strong> August 2010,<br />
35 Seiten, 1 Euro plus Versandkosten.<br />
V.i.S.d.P. u. kostenlose Bestellung: Rainer<br />
Roth, info(at)klartext-info.de<br />
Die Beihilfe braucht immer<br />
Angaben der Pflegeversicherung,<br />
natürlich auch den Einstufungsbescheid.<br />
Dies gilt auch bei vollstationärer<br />
Betreuung. Bei vollstationärer<br />
Betreuung wird nur jeweils<br />
1/3 der Kosten von der Beihilfe und<br />
der Pflegeversicherung übernommen.<br />
Bei Kurzzeitpflege ( höchstens<br />
4 Wochen ) – oft vor einem Pflegeheimaufenthalt<br />
– wird auch nach<br />
vorheriger Mitteilung der Pflegeversicherung<br />
Beihilfe gewährt.<br />
Auch eine Beihilfe zur Verhinderungspflege<br />
wird auch nur bei Erstattungsmitteilung<br />
der Versicherung<br />
gewährt. Angehörige erhalten<br />
auch Beihilfe , wenn sie nicht selbst<br />
versichert sind, es sei denn er/sie verdient<br />
unter 7ooo Euro im Jahr. Erstattung<br />
von Pflegehilfsmitteln – ärztlich<br />
verordnet – ist auf Antrag möglich.<br />
Begleitungskosten von Personen<br />
mit ärztlich dokumentierter Hilflosigkeit<br />
können erstattet werden und sind<br />
auch steuerlich absetzbar.<br />
Frau Kraus empfiehlt, der Beihilfestelle<br />
eine Vollmacht für Familienangehörige<br />
oder andere Betreuende<br />
Personen zuzustellen, falls<br />
die/der Beihilfeberechtigte zur Erledigung<br />
der Formalitäten später<br />
nicht mehr in der Lage ist (auch ein<br />
Formblatt dafür ist auf der homepage<br />
der Beihilfestelle vorhanden) .<br />
Hilfsweise reicht auch eine Patientenverfügung<br />
bei Schwärzung aller<br />
nicht für die Beihilfe relevanten Details.<br />
Die Beihilfe erlischt bei Todesfall<br />
– alle Rechnungen vor dem To-<br />
desfall müssen aber innerhalb der<br />
„normalen“ Einjahresfrist eingereicht<br />
werden.<br />
n Kostenerstattung für Treppenlift:<br />
siehe Seite 4 des Merkblatts<br />
(„Beihilfen zu Aufwendungen für<br />
die Verbesserung des individuellen<br />
Wohnumfeldes...“); Voraussetzung:<br />
ärztliche Verordnung und<br />
Einordnung in Pflegestufe; Höchstbetrag<br />
der Erstattung: Euro 2750.<br />
n Frau Kraus empfiehlt, der Beihilfestelle<br />
den Zeitpunkt der eigenen<br />
Pensionierung mitzuteilen,<br />
weil sich der Bemessungssatz<br />
erhöht; entsprechen sollte<br />
die Krankenversicherung informiert<br />
werden, um einen neuen<br />
Vertrag mit ermäßigten Beiträgen<br />
abzuschließen.<br />
n Auch in der passiven Phase der<br />
Altersteilzeit besteht Anspruch<br />
auf Kostenübernahme von Kuren;<br />
nach der Pensionierung muss<br />
vor einem notwendigen Sanatoriumsaufenthalt<br />
sowohl bei der<br />
Krankenkasse als auch der Beihilfestelle<br />
Kostenübernahme beantragt<br />
werden.<br />
Abschließend wurden auch<br />
Fragen nach den Möglichkeiten<br />
vorzeitiger Pensionierung gestellt.<br />
Wir empfehlen in solchen Fällen<br />
von „vorgezogener“ Pensionierung<br />
auf eigenen Wunsch eine vorherige<br />
Beratung durch die Rechtsstelle der<br />
<strong>GEW</strong>-Hessen oder des <strong>Bezirksverband</strong>es<br />
<strong>Frankfurt</strong>.<br />
H. Becker, R. Georg-Lilling,<br />
M. Schienbein<br />
Die Dezernentin für Integration der Stadt <strong>Frankfurt</strong> am Main, Stadträtin<br />
Dr. Nargess Eskandari-Grünberg hat im September 2009 den<br />
Entwurf eines „Integrations- und Diversitätskonzepts“ für die Stadt<br />
<strong>Frankfurt</strong> am Main vorgelegt. Seitdem wird dieser Entwurf mehr<br />
oder weniger heftig diskutiert, zuletzt im Bildungs- und Integrationsausschuss<br />
des Stadtparlaments am 20.9.2010. Dieser musste wegen<br />
Überfüllung des dafür vorgesehenen „Haus Silberberg“ in den Plenarsaal<br />
des Römer umziehen, der dann voll besetzt war (siehe Foto). Anhänger<br />
der „Bürger für <strong>Frankfurt</strong>“ nutzten die Gelegenheit, auf Sarrazin-Niveau<br />
zu polemisieren. Die FLZ will zu dem Konzept in der Dezember-Ausgabe<br />
einen Schwerpunkt bringen.<br />
Der Bezirksvorstand lädt ein zu einer Führung in die SAHURE-Ausstellung im<br />
Liebighaus <strong>Frankfurt</strong>. Termin: 9. November 2010. Die Führung beginnt um<br />
16.15 Uhr. Bitte vorher eine Eintrittskarte lösen ( freie Eintritte für Museumskarte,<br />
Studenten- oder Presseausweis; Reduktion mit Ehrenamtscard und PensionärInnen<br />
ab 65 Jahre. Angesprochen sind die Kolleginnen und Kollegen „Ü<br />
55“; selbstverständlich sind auch jüngere willkommen. (Bei Überschreitung der<br />
Gruppenstärke von 25 ist eine zweite Führung nötig) – Anmeldung über die<br />
<strong>GEW</strong>-Geschäftsstelle bis 2. November. Heiner Becker/Rainer Georg<br />
n Treffen der Fachgruppe Haupt- und Realschulen 23. 11. 2010 –<br />
15.00 Uhr bis 16.30 Uhr, Geschäftsstelle Bleichstraße<br />
Thema: Perspektiven von Haupt- und Realschulen<br />
n Weitere Termine auf der Homepage<br />
Redaktionsschluss und Escheinungsdatum der nächsten FLZ werden auf der Homepage bekannt gegeben