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Sozialstaat ausgebremst - GEW Bezirksverband Frankfurt

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SEITE 1<br />

<strong>Bezirksverband</strong> der <strong>GEW</strong> · 60313 <strong>Frankfurt</strong> · Bleichstraße 38a · Postvertriebsstück · Gebühr bezahlt<br />

D FLZ 6402 Nr. 3/10 F<br />

<strong>Frankfurt</strong>er Lehrerzeitung<br />

Zeitung für Kolleginnen und Kollegen im Sozial-, Erziehungs- und Bildungsbereich<br />

FLZ Nr. 3 – 31. Jg. Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft – <strong>Bezirksverband</strong> <strong>Frankfurt</strong> am Main<br />

Oktober 2010<br />

Corts, Wolff, Koch<br />

inzwischen alle weg<br />

Zur Erinnerung die FLZ 4/07<br />

Corts: Rücktritt eingeleitet<br />

Wolff: Angezählt<br />

Koch: Verfallsdatum<br />

27. 01. 2008<br />

Politik leider noch<br />

nicht verändert<br />

Pension mit 67,5 Jahren –<br />

Nein Danke!<br />

Gegen die Politik<br />

der Zeitdiebe<br />

Die Rente / Pension mit 67 gehört<br />

zum Sparpaket – beides muß weg!<br />

CDU / FDP planen Volksentscheid<br />

über Verschuldungsverbot in die<br />

hessische Verfassung:<br />

<strong>Sozialstaat</strong> <strong>ausgebremst</strong><br />

Im Jahre X nach Einführung der „Schuldenbremse“<br />

Pflichtstunden<br />

verkürzen!<br />

Hessen hat als einziges Bundesland<br />

für Beamte und Lehrkräfte<br />

die 42-Stunden-Woche!<br />

–* Als Alibi – um von einer<br />

41-Stunden-Woche zu reden –<br />

hatte die CDU-FDP-Regierung<br />

das sogen. Lebensarbeitszeitkonto<br />

eingeführt, auf dem die<br />

Lehrkräfte die 42. Stunde, also<br />

eine halbe Pflichtstunde parken<br />

durften.<br />

Diese geparkten Stunden<br />

sollten am Ende der Lebensarbeitszeit,<br />

die bis dahin allerdings<br />

um zweieinhalb Jahre<br />

verlängert werden soll (!),<br />

in Anspruch genommen werden<br />

können.<br />

Nachbesserung der Landesregierung<br />

nach dem Warnstreik<br />

der <strong>GEW</strong> 2009:<br />

n Jetzt wird die halbe Pflichtstunde<br />

(42. Wochenarbeitsstunde)<br />

bereits rückwirkend<br />

zum 01. 01. 2007 auf das<br />

„Lebensarbeitszeitkonto“<br />

gebucht.<br />

n Bis zum Schuljahresbeginn<br />

2010/11 sind also bereits 2<br />

Pflichtstunden auf diesem<br />

Konto.<br />

n Und: Man muss nicht mehr<br />

bis zur Rente bzw. zur Pensionierung<br />

warten, sondern<br />

kann die halbe Pflichtstunde<br />

bereits nach 4 Jahren, also ab<br />

1.2.2011 oder ab dem Schuljahr<br />

2011/12 in Anspruch<br />

nehmen.<br />

n Dies kann dann alle 4 Jahre<br />

wiederholt werden.<br />

n Der Antrag muss jeweils ein<br />

hal-bes Jahr vorher gestellt<br />

werden.<br />

Konkret:<br />

n Wer den Antrag bis zum 31.<br />

07. 2010 gestellt hat, kann<br />

bereits zum 01. 02. 2011 für<br />

ein Jahr seine Pflichtstunden<br />

um 2 Stunden reduzieren,<br />

n Wer den Antrag bis zum<br />

1.2.2011 stellt, kann für<br />

das Schuljahr 2011/12 seine<br />

Pflichtstunden um 2,5 Stunden<br />

reduzieren.<br />

Stellt also Anträge zum 01.<br />

02. 2011, denn das Arbeitszeitkonto<br />

verfällt, wenn man<br />

aus Krankheitsgründen vorzeitig<br />

pensioniert wird oder in ein<br />

anderes Bundesland wechselt.<br />

Sprecht euch bei der Antragstellung<br />

untereinander ab.<br />

Ein Musterschreiben findet<br />

sich auf der Homepage des<br />

<strong>GEW</strong>-<strong>Bezirksverband</strong>s.<br />

* Dass die Arbeitszeit der<br />

Lehrkräfte in der Realität die<br />

Arbeitszeit von 42 Stunden<br />

pro Woche weit übersteigt,<br />

haben zahlreiche Arbeitszeitgutachten<br />

in der Vergangenheit<br />

belegt.


SEITE 2<br />

Pension mit 67,5 Jahren – Nein Danke!<br />

Gegen die Politik<br />

Das Leben ist zum Leben da, deshalb<br />

stehen wir heute – während<br />

im Landtag über die Regierungserklärung<br />

des Ministerpräsidenten<br />

diskutiert wird – wieder einmal auf<br />

der Straße, um gegen die Politik der<br />

Zeitdiebe zu demonstrieren.<br />

Denn es ist nichts anderes als<br />

Diebstahl der Lebenszeit der Menschen<br />

in unserem Land, wenn schon<br />

den jungen Leuten mit G8 die freie<br />

Zeit geraubt wird, wenn den Beamtinnen<br />

und Beamten in Hessen<br />

die bundesweit höchste Wochenarbeitszeit<br />

abverlangt wird und wenn<br />

jetzt auch noch die Lebensarbeitszeit<br />

um 2 Jahre – bei Lehrkräften<br />

auf bis zu 67,5 Jahren – angehoben<br />

werden soll.<br />

Jochen Nagel auf der Kundgebung<br />

am 07. 09. 2010 vor der Staatskanzlei<br />

in Wiesbaden<br />

Und in Anbetracht dessen, dass<br />

ich gehört habe, dass Ministerpräsident<br />

Bouffier in der Regierungserklärung<br />

den Beschäftigten und<br />

gerade auch den Lehrkräften für<br />

ihre wichtige Arbeit gedankt hat,<br />

sage ich: Wir brauchen kein Dankeschön<br />

in Sonntagsreden und Erklärungen,<br />

und wir wollen dies schon<br />

gar nicht in Zukunft auch noch<br />

zwei Jahre länger hören. Wir brauchen<br />

eine andere Politik für bessere<br />

Arbeits- und Lebensbedingungen in<br />

unserem Land!<br />

Wir brauchen eine Politik, die<br />

die sozialen Errungenschaften sichert<br />

und ausbaut, anstatt sie mit<br />

Füßen zu treten und ständig danach<br />

zu suchen, wie man den sozial<br />

Benachteiligten und den abhängig<br />

Beschäftigten immer noch<br />

mehr abverlangen kann, um Geld<br />

für Steuerreformen zu haben, mit<br />

denen man dann die eigene Klientel<br />

bedient. Eine Klientel, die in der Regel<br />

schon weit mehr als genug hat.<br />

Deshalb demonstrieren wir<br />

heute gemeinsam gegen die Pläne<br />

der CDU / FDP Koalitionen in Hessen<br />

und in Berlin, den Ruhestandseintritt<br />

für die Beamtinnen und Beamten<br />

und den Renteneintritt um<br />

zwei Jahre nach hinten zu verschieben.<br />

Nicht einmal die im Rentengesetz<br />

vorgeschriebene Überprüfung<br />

der Beschäftigungssituation<br />

älterer Menschen wird einigermaßen<br />

ernsthaft vorgenommen.<br />

Und genau in der Zeit dieser<br />

Überprüfung spielt die hessische<br />

Koalition mit dem vorgelegten Gesetzentwurf<br />

wieder die Rolle des<br />

„Weiter so beim Sozialabbau“ und<br />

unterstützt damit auch diejenigen<br />

in Berlin, die eine Revision sowieso<br />

nicht ernsthaft in Erwägung ziehen.<br />

Der verlogenste Kampfbegriff„Generationengerechtigkeit“<br />

Dabei ist es mehr als zynisch, wenn<br />

sie auch diesen Sozialabbau mit<br />

Kundgebung gegen die Verlängerung der Lebensarbeitszeit am 07. 09. 2010 in Wiesbaden<br />

dem verlogensten ihrer Kampfbegriffe,<br />

mit dem Begriff „Generationengerechtigkeit“<br />

verschleiern und<br />

durchsetzen wollen.<br />

Denn es geht doch nicht um<br />

die Verteilungsfrage zwischen Oma<br />

und Enkelin oder zwischen Enkel<br />

und Opa. Hier werden die Generationen<br />

gegeneinander aufgehetzt,<br />

um von der entscheidenden Verteilungsfrage<br />

in unserer Gesellschaft<br />

abzulenken: von der Frage der Verteilung<br />

zwischen Arm und Reich<br />

und der Verteilung zwischen Kapital<br />

und Arbeit.<br />

Dass es nicht darum geht, die<br />

heute Jüngeren gegenüber vermeintlich<br />

überzogenen Forderungen<br />

Älterer in Schutz zu nehmen,<br />

wird alleine schon daraus<br />

deutlich, dass die heute Jüngeren in<br />

doppelter Hinsicht Verliererinnen<br />

und Verlierer einer Erhöhung des<br />

Ruhestandseintrittsalters wären.<br />

Sie wären diejenigen, die die Erhöhung<br />

in vollem Umfang – entweder<br />

durch deutlich längeres Arbeiten<br />

oder durch entsprechende<br />

Kürzung der Ruhestandsbezüge –<br />

treffen würde. Und sie wären diejenigen,<br />

die beim Berufseintritt noch<br />

weniger Stellen finden als heute,<br />

wenn denn die Älteren wirklich<br />

länger arbeiten könnten.<br />

Im Schulbereich in<br />

Hessen z.B. vernichten<br />

zwei zusätzliche<br />

Arbeitsjahre die Ein-<br />

stellungsmöglichkeiten<br />

für etwa 2.500 junge<br />

Kolleginnen und<br />

Kollegen.<br />

Würden wirklich alle Beschäftigten<br />

zwei Jahre länger arbeiten<br />

(können), so würden hierdurch in<br />

unserer Volkswirtschaft etwa 5 bis<br />

6% aller Arbeitsplätze besetzt und<br />

stünden nicht für eventuelle Neueinstellungen<br />

zur Verfügung. Im<br />

Schulbereich in Hessen z.B. vernichten<br />

zwei zusätzliche Arbeitsjahre<br />

die Einstellungsmöglichkeiten<br />

für etwa 2.500 junge Kolleginnen<br />

und Kollegen.<br />

der Zeitdiebe<br />

Und das bei einem Stand von<br />

derzeit real weit über 5% Erwerbslosigkeit.<br />

Deshalb fordere ich alle<br />

Abgeordneten, die diese Gesetzgebungen<br />

jetzt vorantreiben nachdrücklich<br />

auf, zunächst auch zu<br />

erklären, wo die insgesamt mehr<br />

als 10% zusätzlichen Arbeitsplätze<br />

denn herkommen sollen, die dann<br />

insbesondere für die jüngere Generation<br />

gebraucht werden.<br />

Diese Abgeordneten sollen dies<br />

hier und heute klar erklären oder<br />

sie sollen sich offenbaren und sagen,<br />

dass ihnen die Jugenderwerbslosigkeit<br />

letztlich egal ist und dass<br />

sie Renten- und Pensionskürzungen<br />

wollen, weil es um ihre Klientelpolitik<br />

geht. Und sie sollen ein für alle<br />

Mal auf die verlogenen Verwendung<br />

des Begriffes Generationengerechtigkeit<br />

verzichten.<br />

Und wenn sie denn als Letztes<br />

die ewige Leier anfangen, es sei kein<br />

Geld da, dann kann man nur immer<br />

wieder wiederholen:<br />

n Deutschland ist eines der<br />

reichsten Länder der Erde<br />

n Hessen und insbesondere das<br />

Rhein-Main-Gebiet gehört zu<br />

den reichsten Regionen weltweit<br />

Und im Verhältnis zu früher ist keinesfalls<br />

Geld verloren gegangen, es<br />

ist lediglich noch ungleicher verteilt<br />

worden. So werden durch die<br />

Steuerreformen der letzten Jahre<br />

z.B. dem hessischen Landeshaushalt<br />

jährlich etwa 2. Mrd. Euro an<br />

<strong>Frankfurt</strong>er Lehrerzeitung<br />

info@gew-frankfurt.de<br />

Herausgeber<br />

<strong>Bezirksverband</strong> <strong>Frankfurt</strong> a. M. der Gewerkschaft<br />

Erziehung und Wissenschaft (<strong>GEW</strong>) im DGB,<br />

Bleichstr. 38a, 60313 <strong>Frankfurt</strong><br />

Tel.: 069 – 29 18 18, Fax: 069 – 29 18 19<br />

E-mail: <strong>GEW</strong>.BV.<strong>Frankfurt</strong>@t-online<br />

Bürozeiten Geschäftsstelle des <strong>Bezirksverband</strong>es:<br />

montags bis freitags 10.00 – 16.00 Uhr<br />

vorsitzender Herbert Storn<br />

Redaktion Ernst Olbrich<br />

Rechtsberatung Hanne Hirn und Thomas Sachs<br />

montags 15.30 – 17.30 Uhr, Tel.: 069 – 13 37 78 71<br />

Einnahmen entzogen und größtenteils<br />

an diejenigen gegeben, die eh<br />

schon mehr als genug haben.<br />

Und um es noch einmal konkret<br />

auf die Rente zu beziehen. Berechnungen<br />

der Arbeiterkammer<br />

Bremen machen deutlich: Gegenüber<br />

den Planungen bei der Rente<br />

mit 67 müssten – bei paritätischer<br />

Finanzierung – die abhängig Beschäftigten<br />

im Jahre 2030 lediglich<br />

3% ihres Gehaltes zusätzlich<br />

aufbringen, um eine in der Regel<br />

die Existenz sichernde Rente zu erhalten.<br />

Würde man in Zukunft die<br />

Beschäftigten angemessen am Produktivitätsfortschritt<br />

beteiligen, so<br />

wären diese 3% ein Klacks!<br />

Doch nicht nur verteilungspolitisch<br />

ist das, was da betrieben<br />

werden soll, massiv zu kritisieren.<br />

Die Art des Umgangs der Landesregierung<br />

mit den Beschäftigten<br />

des Landes Hessen kann man nur<br />

noch als schieren Zynismus beschreiben.<br />

Hessen hat die höchsten<br />

Wochenarbeitszeiten<br />

bundesweit, die höchste<br />

Pflichtstundenregelung<br />

für Lehrkräfte bundesweit<br />

und im Rückblick<br />

bis zum Anfang des letzten<br />

Jahrhunderts.<br />

Für den Schulbereich liegen die Daten<br />

vor, dass vor der Einführung der<br />

IMPRessUM<br />

Jochen Nagel<br />

am 07. 09. 2010 in Wiesbaden<br />

FLZ Nr. 3/10<br />

Altersteilzeit gerade mal rund 10%<br />

der Lehrkräfte und sozialpädagogischen<br />

Fachkräfte noch bis zum<br />

65ten Lebensjahr vor den Klassen<br />

standen.<br />

Mit der Altersteilzeit konnte<br />

man dann endlich in größerem Umfang<br />

die Ruhestandsgrenze erreichen,<br />

allerdings nur deshalb, weil<br />

man wegen eines anteiligen Gehaltsverzichts<br />

in den letzten Jahren<br />

freigestellt wurde. Auch in den<br />

anderen Berufen im Landesdienst –<br />

von der Polizei über die Feuerwehr<br />

bis hin zur Verwaltung – sah und<br />

sieht das im Grund nicht wesentlich<br />

anders aus.<br />

Und jetzt wurde zunächst die<br />

Altersteilzeit wieder gestrichen<br />

und soll nun auch noch die Lebensarbeitszeit<br />

erhöht werden.<br />

Wie stellen die sich das eigentlich<br />

vor? Lehrkräfte bis zum Alter von<br />

67,5 Jahren vor der Klasse, Polizistinnen<br />

und Polizisten, die in<br />

hohem Alter Verbrecher verfolgen<br />

oder Feuerwehrleute in schwierigem<br />

Einsatz?<br />

Es ist durchaus ein schönes<br />

Bild, wenn Opas und Uromas mit<br />

ihren Enkeln spielen, aber als Opa<br />

oder Uroma vor einer Klasse unterrichten,<br />

das ist etwas anderes.<br />

Oder muss man erst Radio Eriwan<br />

bemühen, das auf die Frage, ob Polizistinnen<br />

und Polizisten in so hohem<br />

Alter noch Verbrecher verfolgen<br />

können, antwortet: Im Prinzip<br />

ja, aber die Verbrecher sollten mindestens<br />

genauso alt sein!<br />

Nein! So nicht!<br />

Deshalb fordern wir die Abgeordneten<br />

des hessischen Landtags<br />

auf, die Erhöhung des Eintrittsalters<br />

in den Ruhestand abzulehnen.<br />

Wir fordern gleichzeitig die Rücknahme<br />

der Rentenerhöhung durch<br />

Bundesregierung und Bundestag.<br />

Und ich gehe weit darüber hinaus.<br />

Es wird Zeit, endlich eine<br />

Kehrtwende für mehr soziale Gerechtigkeit<br />

in unserem Lande einzuleiten.<br />

Die abhängig Beschäftigten<br />

müssen endlich angemessen am gesellschaftlichen<br />

Reichtum und am<br />

Produktivitätsfortschritt beteiligt<br />

werden. Das bedeutet: mehr Gehalt,<br />

bessere Arbeitsbedingungen und kürzere<br />

Wochen- und Lebensarbeitszeit.<br />

Das bedeutet dann auch Arbeitsplätze<br />

für heute Erwerbslose besonders<br />

der jüngeren Generation und bessere<br />

soziale Unterstützung für die gesellschaftlich<br />

Benachteiligten.<br />

Dafür werden wir – jung und<br />

alt gemeinsam – weiter streiten und<br />

uns nicht von denen auseinanderdividieren<br />

lassen, die die in der Tat<br />

ernsthafte Frage der Generationengerechtigkeit<br />

immer wieder missbräuchlich<br />

verwenden.<br />

satz & layout Karin Dienst, Christian Häussler<br />

Druck Caro-Druck<br />

Auflage ca. 3.200<br />

erscheinungsweise 4 bis 5 mal jährlich<br />

fotos wenn nicht anders angegeben: FLZ<br />

Der Bezugspreis ist durch den Mitgliedsbeitrag abgegolten.<br />

Redaktioneller Hinweis: Die Redak tion freut sich über Zuschriften<br />

– mög lichst als unformatierte Word-Datei. Namentlich<br />

gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der<br />

Redaktion wieder. Sie behält sich das Recht der Kürzung vor.<br />

Wir danken allen Karikaturisten, Fotografen und Autoren der<br />

Bild- und Textmaterialien für die freundliche Über lassung.


FLZ Nr. 3/10 SEITE 3<br />

<strong>GEW</strong> <strong>Frankfurt</strong> fordert Schluss mit<br />

der Schönfärberei –<br />

auch Kultusministerin Henzler<br />

betreibt nur Mängelverwaltung<br />

Zu Beginn des Schuljahres 2010/11<br />

fordert der <strong>GEW</strong>-<strong>Bezirksverband</strong><br />

<strong>Frankfurt</strong> die Kultusministerin auf,<br />

die reale Lage an den Schulen nicht<br />

zu beschönigen, sondern zum Anlass<br />

zu nehmen, die Haushaltspolitik<br />

des Kürzens zu beenden, statt den<br />

Mangel über das Etikett „Selbstverantwortlichkeit“<br />

den Schulen zuzuschieben.<br />

Lehrerversorgung<br />

Die Stille, die rund um den<br />

Schuljahresbeginn und die Lehrerversorgung<br />

zu vermelden ist,<br />

lässt mitnichten auf Zufriedenheit<br />

der am Bildungswesen Beteiligten<br />

schließen. Eher ist sie Zeichen<br />

einer grassierenden Resignation:<br />

viele haben sich damit abgefunden,<br />

dass die Unterrichtsversorgung<br />

weiterhin mangelhaft bis ungenügend<br />

ist. Wenn die Kultusministerin<br />

in ihrem Elternbrief von<br />

„ausreichender Lehrerversorgung“<br />

spricht und sich rühmt, 650 weitere<br />

Stellen geschaffen zu haben,<br />

soll die Öffentlichkeit glauben, es<br />

stünde nun besser um die Unterrichtsversorgung.<br />

In Wirklichkeit<br />

sind die zusätzlichen Stellen höheren<br />

Schülerzahlen geschuldet,<br />

denn nirgends wurden die Zuweisungsfaktoren,<br />

die schon seit Jahren<br />

gelten und die über die Schüler-<br />

Lehrer-Relation entscheiden, auch<br />

nur ansatzweise erhöht.<br />

Auch erfordert die Abkehr<br />

von der „Sternchenregelung“, die<br />

zu kleineren Klassen im 1. und 5.<br />

Schuljahr führt und von der <strong>GEW</strong><br />

als Schritt in die richtige Richtung<br />

begrüßt wird, mehr Stellen.<br />

Der „running gag“ am 1.<br />

Schultag, dass in ganz Hessen nur<br />

noch 7 Stellen nicht besetzt seien,<br />

konnte die im Schulwesen Tätigen<br />

noch nicht einmal zu einem müden<br />

Lächeln bewegen. Wer solche Zahlen<br />

verkündet, muss sich fragen lassen,<br />

ob er eigentlich ernst genommen<br />

werden will. Allein in <strong>Frankfurt</strong><br />

waren zu diesem Zeitpunkt 5<br />

Stellen noch nicht besetzt.<br />

Wortbruch: 105% in<br />

weite Ferne gerückt<br />

Während zu Beginn von Frau<br />

Henzlers Regierungszeit noch vollmundig<br />

versprochen wurde, im<br />

Rahmen sogen. ‚selbstverantwortlicher<br />

Schulen’ auf eine 105%ige<br />

Lehrerversorgung zuzusteuern, ist<br />

davon inzwischen nicht mehr die<br />

Rede. Eine Mogelpackung war dies<br />

ohnehin: denn bevor überhaupt<br />

der erste Schritt getan war, war<br />

sie schon mindestens dreimal verteilt:<br />

Für die Vertretungsreserve, für<br />

Schulassistenten und weitere Personen,<br />

die den Unterrichtsbetrieb<br />

unterstützen sollten, für Verwaltungskräfte<br />

usw.<br />

Die <strong>GEW</strong> betont erneut, dass<br />

allein für eine seriöse „Unterrichtsgarantie“<br />

(ein Wort, das im Bermuda-Dreieck<br />

der Koch-Regierung inzwischen<br />

ebenfalls untergegangen<br />

ist) eine 110%ige Lehrerzuweisung<br />

mit qualifiziertem Personal erforderlich<br />

wäre.<br />

Inzwischen verschlingt neben<br />

den Schulinspektoren zunehmend<br />

die Führungsakademie Stellen, die<br />

dem pädagogischen Schulbetrieb<br />

fehlen.<br />

Kultusministerin Henzler<br />

Enttäuschung an vielen Schulen:<br />

Vorklassen geschlossen,<br />

Anträge auf Ganztagsbetrieb<br />

verweigert<br />

Die Kultusministerin brüstet<br />

sich in ihrem Elternbrief mit 150<br />

weiteren Ganztagsangeboten. Sie<br />

musste allerdings selbst einräumen,<br />

dass es sich in den meisten Fällen<br />

nur um eine bessere Mittagsbetreuung<br />

handelt.<br />

Abgesehen davon, dass von<br />

„Ganztagsschule“, die einen gebundenen<br />

Ganztagsbetrieb anbieten<br />

würde, überhaupt keine Rede<br />

ist, wird zusätzlich verschwiegen,<br />

wie viele Schulen ihre Anträge abgelehnt<br />

bekamen. Allein die Willemer-<br />

und die Carlo-Mierendorff-<br />

Schule in <strong>Frankfurt</strong> dürften mit<br />

riesiger Enttäuschung ins neue<br />

Schuljahr gestartet sein, denn trotz<br />

ausgereifter Konzepte und Akzeptanz<br />

in der gesamten Schulgemeinde<br />

wurden sie nicht berücksichtigt.<br />

Die <strong>GEW</strong> weist darauf hin,<br />

dass die einstmals 30%-Zuschläge<br />

für gebundene Ganztagsschulen<br />

inzwischen bei 17,5% gelandet sind<br />

und in der Realität oft noch darunter<br />

liegen (Paul-Hindemih-Schule).<br />

Genauso skandalös empfinden<br />

die betroffenen Schulgemeinden die<br />

Schließung von Vorklassen – ebenfalls<br />

eine Sparmaßnahme, die den<br />

<strong>Frankfurt</strong>er Kindern durch Druck<br />

aus dem Kultusministerium zugemutet<br />

wird.<br />

Von einer „guten Ausstattung“<br />

kann also keine Rede sein, und das<br />

zeigt sich auch an weiterhin viel zu<br />

hohen Klassenstärken, zu wenig<br />

Förderangeboten und nicht stattfindenden<br />

AG‘s und Freizeitangeboten.<br />

Der ‚Sparbeitrag’ des Kultusministeriums<br />

wird über die<br />

Kürzung der Vertretungsmittel<br />

und über die Kürzung bei den<br />

Staatlichen Schulämtern die<br />

Schulen treffen.<br />

27 Millionen Euro will die Kultusministerin<br />

bei den Vertretungsmitteln<br />

kürzen, angeblich erst im<br />

Haushaltsjahr 2011. Inzwischen<br />

werden die ersten Kürzungen bereits<br />

in diesem Jahr gemeldet. Und:<br />

Sollen Vertretungskräfte etwa zu<br />

Weihnachten ihre Tätigkeiten beenden?<br />

Aber auch bei den Staatlichen<br />

Schulämtern wird gekürzt. Schon<br />

heute fehlen Schulpsychologen.<br />

Die Schulen haben Anspruch auf<br />

Ansprechpartner in den Staatlichen<br />

Schulämtern und eine adäquate<br />

Verwaltung. Allein bei der<br />

Lehrereinstellung wurde in <strong>Frankfurt</strong><br />

das in Hessen sonst übliche<br />

Ranglistenverfahren in den Hintergrund<br />

gedrängt und durch das<br />

verwaltungsmäßig aufwendigere<br />

Ausschreibungsverfahren abgelöst.<br />

Kürzungen bei den Staatlichen<br />

Schulämtern haben also sehr<br />

wohl negative Auswirkungen auf<br />

die Unterrichtsversorgung.<br />

Aber auch etwas anderes<br />

verschweigt die Kultus-<br />

ministerin<br />

In ihrem Elternbrief bittet die<br />

Kultusministerin die Eltern um Verständnis<br />

für den „Sparbeitrag“, den<br />

auch das Kultusministerium für den<br />

hessischen Landeshaushalt erbringen<br />

müsse. Worin dieser besteht,<br />

sagt sie nicht.<br />

Die Lehrkräfte wissen es: sie<br />

müssen weiterhin auf der Basis einer<br />

42-Stunden-Woche arbeiten,<br />

obwohl tarifvertraglich seit Anfang<br />

des Jahres wieder eine 40-Stunden-<br />

Woche in Hessen gilt.<br />

Und schon plant die Landesregierung<br />

ihren nächsten Coup: zu einer<br />

Zeit, in der wieder heftig umstritten<br />

ist, ob die Einführung der<br />

Rente mit 67 durchgeführt werden<br />

kann, da nur ein Bruchteil der<br />

60-65jährigen überhaupt noch in<br />

den Arbeitsprozess eingebunden<br />

ist, will die hessische Landesregierung<br />

für die Beamtinnen und Beamten<br />

die Pensionsgrenze auf 67 Jahre<br />

(dies bedeutet für Lehrkräfte auf bis<br />

zu 67 1/2 Jahre) anheben. Wie bei<br />

den Renten ein reines Pensionskürzungsprogramm,<br />

denn schon heute<br />

erreicht nur ein Bruchteil der Lehrkräfte<br />

die Pensionsgrenze von 65<br />

Jahren (siehe Hintergrund).<br />

Ob die Eltern und Schülerinnen<br />

und Schüler dafür Verständnis haben<br />

werden, dass der Krankenstand<br />

der Lehrkräfte nach oben schnellen<br />

wird, steht dahin.<br />

Die Lehrkräfte haben es jedenfalls<br />

nicht. Ihnen ist noch sehr gut<br />

in Erinnerung, dass anlässlich der<br />

Arbeitszeiterhöhung zum 01. 01.<br />

2004 gesagt wurde, die hessischen<br />

Beschäftigten müssten einen Sanierungsbeitrag<br />

für den Landeshaushalt<br />

erbringen. In Wahrheit wurden<br />

die hessischen Schulden in der Ära<br />

Koch von 22 auf knapp 40 Milliarden<br />

erhöht, gleichzeitig aber<br />

auf Vermögenssteuer (vollständig)<br />

und Erbschaftssteuer (teilweise)<br />

verzichtet.<br />

Probleme werden nicht gelöst,<br />

sondern auf Kosten der SchülerInnen<br />

und der Lehrkräfte<br />

ausgesessen – Bildungspolitik<br />

im Nebel<br />

Bis zum Jahr 2011 soll die UN-<br />

Konvention für die Rechte von Behinderten<br />

in den Bundesländern<br />

umgesetzt sein – schon dieses Jahr<br />

muss berichtet werden.<br />

Im Kultusministerium fehlen<br />

aber bis heute die Konzepte für die<br />

Inklusion behinderter Kinder. Die<br />

Zeche werden nicht nur die Lehrkräfte<br />

bezahlen, die eines Tages<br />

die behinderten Kinder einfach in<br />

den Klassen sitzen haben werden,<br />

weil Eltern sich einklagten, sondern<br />

auch diese Kinder selbst, denen eine<br />

sinnvolle Förderung vorenthal-<br />

Fortsetzung Seite 4<br />

Keine<br />

Experimente!<br />

„Im England des 18. Jahrhunderts schickt Charles Seymour, 6. Herzog<br />

von Somerset, seiner Kutsche Vorreiter voraus, die beauftragt<br />

sind, die Straße zu räumen, um dem Edelmann den Verdruss des<br />

Anblicks der Plebs zu ersparen. Noch ein Jahrhundert später gilt in<br />

englischen Kirchen eine Art Trennung zwischen den verschiedenen<br />

Klassen. [] Wenn dann Senior Neapel besucht, empört ihn die Vermischung<br />

der Stände: »In kälteren Klimata bleiben die unteren Klassen<br />

zuhause; hier leben sie auf der Straße.«“1<br />

Der Genuss von Wohlstand ist nämlich nur dann ungeteilt, wenn<br />

man damit zugleich die Erinnerung an das Elend der Armut mit ihrem<br />

Zwang, sich durch Drecksarbeit ein kärgliches Auskommen<br />

zu sichern, verdrängen kann. Und so besteht der wahre Lohn für<br />

das Erreichen einer höheren sozialen Stellung darin, sich selbst eine<br />

Welt zu schaffen, aus der das Elend der Normalität und die Normalität<br />

des Elends ausgeblendet bleiben. Um den Kontakt mit der<br />

„Unterschicht“ auch möglichst generationsübergreifend zu minimieren,<br />

gibt es in Deutschland ein Schulsystem, das mit weltweit<br />

rekordverdächtigen Selektionsmechanismen schon im Kindesalter<br />

die Abkömmlinge der verschiedenen Schichten aufs Laufband ihrer<br />

sozialen Bestimmung setzt und dafür sorgt, dass auch weiterhin die<br />

Herkunft zum quasi unabweisbaren Schicksal wird.<br />

Wenn dann wieder einmal der Aufschrei durch die Republik gellt,<br />

die Politik möge doch endlich keine schulischen Experimente auf<br />

dem Rücken „unserer“ Kinder mehr austragen, kann man beinahe<br />

sicher sein, dass es wie jüngst in Hamburg oder wie demnächst in<br />

NRW darum geht, durch von sozialdemokratischem Gedankengut<br />

angehauchte Schulreformen etwas mehr für die Chancengleichheit<br />

zu tun und die Selektivität des jeweiligen Schulwesens wenigstens<br />

abzumildern. Dass solche Proteste gegen Vorstöße zu mehr sozialer<br />

Gerechtigkeit durchaus mehrheitsfähig sein können, haben zuletzt<br />

die Hamburger bewiesen, die eine Reform zur Verlängerung des gemeinsamen<br />

Lernens aller Kinder um zwei Jahre durch einen Volksentscheid<br />

zu Fall brachten. Vier Jahre Grundschule reichen offenbar<br />

fürs hanseatische soziale Gewissen. Und solange das sich daran anschließende<br />

Gymnasium gewährleistet, dass der eigene Nachwuchs<br />

dort, wenigstens vor dem schlimmsten Pöbel in Sicherheit gebracht,<br />

sich auf seine künftigen Aufgaben in den höheren Etagen der Gesellschaft<br />

vorbereiten kann, muss man auch nicht zur teureren Alternative<br />

eines Privatschulbesuchs greifen. Die Drohung damit, wie sie<br />

Edmund Stoiber jüngst in seiner unvergleichlichen Art vorbrachte,<br />

sollte man jedoch stets in der Hinterhand behalten:<br />

„Eine unserer größten Errungenschaften, zum Beispiel im Gegensatz<br />

zum angelsächsischen Bildungssystem, ist die soziale Integration:<br />

Kinder aus allen sozialen Schichten lernen an öffentlichen<br />

Schulen gemeinsam und werden gemeinsam erwachsen. Diese Errungenschaft<br />

ist dort in Gefahr, wo die Balance zwischen dem Leistungsgedanken<br />

und der Rücksicht auf Schwächere nicht mehr gewahrt<br />

wird. Das führt dort dazu, dass begüterte, bildungsorientierte<br />

Eliten ihre Kinder aus den öffentlichen Schulen zurückziehen und<br />

verstärkt auf Privatschulen schicken. Das führt zu mehr sozialer<br />

Desintegration, nicht zu mehr sozialer Integration.“2<br />

Und damit sich das Interesse der „Eliten“, ihren Nachwuchs ab<br />

einem gewissen Alter nicht mehr mit den Abkömmlingen des Pöbels<br />

gemeinsam erwachsen werden zu lassen, auch als das Interesse der<br />

Gesamtgesellschaft, gegen deren größte Teile es gerichtet ist, verkaufen<br />

lässt, werden altbekannte Denkmuster und Phrasen bedient.<br />

„Generell ist wieder mehr Respekt(!) notwendig vor unterschiedlichen<br />

Leistungen und Begabungen. [...] Manche haben ihre Begabung<br />

mehr im kognitiven Bereich, andere sind geschickter mit ihren<br />

Händen.“<br />

Und überhaupt ist zu viel Staat im Bildungsbereich eine unerhörte<br />

Knebelung der Eigeninitiative sprich: des freien Willens der<br />

Bürgerinnen und Bürger.<br />

„Es gibt auch eine Verantwortung von Eltern für die Bildung<br />

und Förderung ihrer Kinder, die ihnen der Staat nicht allzu bereitwillig<br />

abnehmen sollte. Sich seinen Kindern zu widmen, zum Beispiel<br />

mit ihnen einmal in eine Bücherei zu gehen und ihnen vorzulesen,<br />

ist weniger eine Frage des Geldbeutels als des Willens.“<br />

Wem das am Ende eines Arbeitstages bei der Müllabfuhr oder<br />

in der Putzkolonne nicht gelingt, kann dann immer noch selbstkritisch<br />

bedauern, dass er früher in der Schule nicht so aufgepasst hat,<br />

um mit Stoibers Elitekindern gemeinsam erwachsen zu werden. Pech<br />

auch, wenn der Büchereibesuch daran scheitern sollte, dass die letzte<br />

öffentliche Bibliothek vor Ort gerade aufgrund der Finanzkrise<br />

die Pforten geschlossen hat!<br />

Für die Stoibers und Sarrazins in dieser Republik ist die lebenslange<br />

Ausübung von strapaziösen und ruinösen Arbeiten zur Erzielung<br />

eines Einkommens, das für die grundlegenden Belange einer<br />

menschenwürdigen Existenz nicht ausreicht, selbstredend nie eine<br />

Einschränkung der Freiheit des Willens, von der sie schwafeln,<br />

sondern Ausdruck natürlich gegebener „Begabungs“unterschiede.<br />

Damit die Einen, deren politische Galionsfiguren Stoiber wie Sarrazin<br />

sind, weiter Elite spielen können, haben sich die Anderen, die<br />

in der „Begabungs“lotterie nicht so gut weggekommen sind, halt<br />

mit dem „Respekt“ zu begnügen, den jene ihnen per WELT, FAZ,<br />

SPIEGEL und BILD sporadisch zukommen lassen, um sie auch weiterhin<br />

ruhig zu stellen.<br />

1 Domenico Losurdo, Freiheit als Privileg, a. a. O. S. 148<br />

2 Edmund Stoiber, Schluss mit der Bildungsideologie!<br />

in: Die Welt vom 28. 07. 2010


SEITE 4<br />

Die <strong>GEW</strong> wird jeden Versuch, die<br />

Debatte um Sarrazin dafür zu benutzen,<br />

die Situation von Immigranten/innen<br />

weiter zu verschlechtern und<br />

mit zusätzlichen Restriktionen zu<br />

überziehen oder in der Öffentlichkeit<br />

diskriminierende Stimmung<br />

gegen sie zu machen, zurückweisen.<br />

Die <strong>GEW</strong> fordert anstelle einer<br />

Politik des institutionalisierten Verdachts<br />

gegenüber Immigranten/-innen<br />

Maßnahmen einzuleiten, die im<br />

Geiste der Achtung vor deren kultureller<br />

Eigenart echte Hilfestellungen<br />

zur umfassenden gesellschaftlichen<br />

und politischen Teilhabe bieten.<br />

Begründung<br />

Die staatlich veranlasste Arbeitsimmigration<br />

in den zwei Jahrzehnten<br />

von 1953 bis 1973 hat in der Bundesrepublik<br />

zur Bildung von ethnischen<br />

Minderheiten mit besonderen<br />

kulturellen und religiösen<br />

Praktiken geführt. Eine integrative<br />

politische Praxis gegenüber<br />

diesen Minderheiten, die über das<br />

Ziel ihrer ökonomischen Nutzbarmachung<br />

hinausging, unterblieb<br />

weit gehend. Stattdessen waren<br />

die Immigranten/-innen Gegenstand<br />

staatlicher Gängelung und<br />

gesetzlich vollzogener Ausgrenzung<br />

aus der deutschen Gesellschaft. Mit<br />

dem Vollzug der deutschen Wiedervereinigung<br />

und dem Aufkommen<br />

eines neuen deutschen Nationalismus,<br />

gerieten die Immigrantengemeinschaften<br />

stärker in den<br />

Fokus der offiziellen Bundespolitik.<br />

Seit der Verabschiedung des<br />

Zuwanderungs(begrenzungs)-gesetzes<br />

2005 besteht dieser Fokus<br />

u. A. in einer zielgerichtet von Medien<br />

und konservativen Politikerkreisen<br />

in Form wiederkehrender<br />

Wellen veranstalteten „Integrationsdebatte“,<br />

in deren Verlauf es<br />

zu verschiedenen gesetzlichen Verschärfungen<br />

der Lage von Immigranten<br />

und Neubürgern ausländischer<br />

Herkunft gekommen ist.<br />

Dazu gehören<br />

n die Novellierung des Zuwanderungsgesetzes<br />

2007, die Verschärfungen<br />

beim Aufenthaltsrecht<br />

und die Einführung eines<br />

Bußgeldes für den Nichtbesuch<br />

von Integrationskursen brachte,<br />

ten wird, ganz zu schweigen von<br />

den nicht behinderten Kindern, denen<br />

Teile der Aufmerksamkeit ihrer<br />

Lehrkräfte abgezogen werden.<br />

Die so genannte „neue Mittelstufenschule“,<br />

die den Begriff<br />

„Hauptschule“ verschwinden lassen<br />

soll, führt – einmal wieder – zu<br />

größeren Klassen. Denn die Zusammenlegung<br />

von Real- und Hauptschulklassen<br />

„verbessert“ den Klassenfaktor<br />

und spart Lehrkräfte.<br />

Worin da der Vorteil für diese benachteiligten<br />

Jugendlichen liegen<br />

soll, bleibt im Dunkeln.<br />

Ebenso im Nebel bleibt der Begriff<br />

der „Selbstverantwortlichen<br />

Schule“, der im Elternbrief auf einmal<br />

als Antwort darauf benutzt<br />

wird, dass die Schulen mit „Gestaltungsfreiräumen“<br />

besser auf<br />

die Biografien und Belange ihrer<br />

Schülerinnen und Schüler eingehen<br />

könnten. Es bleibt dabei: „Selbständigkeit“<br />

oder „Selbstverantwort-<br />

Gegen die Politik der Angstmacher:<br />

Demokratie und Gleichberechtigung!<br />

Kontinuität des Fremdenhasses: Darstellung vertriebener Juden in<br />

Nordspanien 1492 ...<br />

n die Novellierung des Mikrozensusgesetzes<br />

2005, die erstmals<br />

Datenerhebungen über eingebürgerte<br />

Deutsche ermöglicht und<br />

damit die Sonderbehandlung<br />

von „Ausländern“ als nunmehr<br />

„Deutschen mit Migrationshintergrund“<br />

über den Erwerb der<br />

deutschen Staatsangehörigkeit<br />

hinaus verewigt,<br />

n die Einführung des Einbürgerungstestes<br />

2008.<br />

Auch die Formulierung eines Nationalen<br />

Integrationsplans, zu dem<br />

sich die Bundesregierung auf der<br />

Antirassismus-Konferenz in Durban<br />

1999 verpflichtet hatte, gehört<br />

mit ihren teilweise fremdenfeindlichen<br />

Programmaussagen in diese<br />

Reihe So heißt es dort beispielsweise:<br />

„Die Länder verstehen unter Integration<br />

weit mehr als ein freundliches<br />

Nebeneinander von Menschen.<br />

Integration setzt eine Kultur<br />

des gegenseitigen Respekts voraus.<br />

Dabei gilt der Grundsatz des Förderns<br />

und Forderns. Dies bedeutet,<br />

dass sich Zugewanderte und ihre<br />

Familien mit ihren Fähigkeiten<br />

und Potenzialen für ihre Teilhabe<br />

einsetzen und dazu Integrationsangebote<br />

annehmen. [...] Die Länder<br />

sehen die größten Hemmnisse<br />

für gelingende Integration in den<br />

fehlenden Kenntnissen der deutschen<br />

Sprache, einer sozialräumlichen<br />

Segregation und im Rückzug<br />

in eigenethnische Strukturen.<br />

Die Folgen sind Schwierigkeiten<br />

in der Schule, bei der Ausbildung,<br />

hohe Arbeitslosigkeit sowie ein<br />

Schluss mit der Schönfärberei / Fortsetzung von Seite 3<br />

lichkeit“ wird als Allheilmittel für<br />

alle kleinen und großen Mängel, die<br />

im Schulwesen entdeckt werden, in<br />

den Ring geworfen: der Beweis für<br />

die Wirksamkeit muss ja nicht erbracht<br />

werden.<br />

Die <strong>GEW</strong> warnt angesichts<br />

der anlaufenden Beratungen<br />

des Landeshaushalts 2011<br />

schon jetzt vor der geplanten<br />

Streichung des kommunalen<br />

Finanzausgleichs von 350<br />

Millionen Euro im nächsten<br />

Jahr.<br />

Was das für die Renovierung,<br />

Ausstattung, Unterhaltung von<br />

Schulen, für neue Ganztagsschulen<br />

usw. bedeutet, möchte man<br />

sich lieber nicht ausmalen. Deshalb<br />

geht an der Erschließung neuer<br />

(oder alter!) Einnahmen kein<br />

Weg vorbei.<br />

Pressekonferenz des<br />

BV am 02. 09. 2010<br />

Erstarken integrationsfeindlicher,<br />

zum Teil religiös motivierter Strömungen.“<br />

Einseitige Schuldzuweisungen<br />

an die Immigranten wie diese sind<br />

die Begleitmusik zu einer Regierungspolitik,<br />

die systematisch<br />

Richtlinien der EU zu Immigrationsfragen<br />

und völkerrechtliche<br />

Standards wie den „Internationalen<br />

Pakt über bürgerliche und politische<br />

Rechte“ unterläuft. Dort,<br />

wo diese Politik als nationale Umsetzung<br />

von EU-Vorgaben auftritt,<br />

reizt sie andererseits die vorgegebenen<br />

Regelungsbandbreiten bis<br />

hin zu deren restriktivster Auslegung<br />

aus.<br />

Die politischen Maßnahmen<br />

werden dabei gegenüber der Öffentlichkeit<br />

von einer staatlichen<br />

Verlautbarungspraxis begleitet,<br />

in deren Mittelpunkt die Behauptung<br />

angeblich bestehender Integrationsprobleme<br />

bei einem bedeutenden<br />

Teil der Immigranten<br />

steht. Diese werden je nach politischem<br />

Standort der Klage Führenden<br />

unterschiedlich bestimmt.<br />

Ob es sich um die zum Problem<br />

erklärte Abwehr einer „deutschen<br />

Leitkultur“ handelt oder um statistisch<br />

manifeste Sachverhalte wie<br />

schlechtere Bildungs- und Berufsabschlüsse,<br />

höhere Arbeitslosenquoten<br />

und erhöhter Bezug von<br />

staatlichen Sozialleistungen, ob<br />

die Abschottung in kompletten<br />

„Parallelgesellschaften“ beklagt<br />

wird und die unzureichende Bereitschaft,<br />

einen angemessenen Beitrag<br />

zum wirtschaftlichen Erfolg<br />

Deutschlands zu leisten oder ob –<br />

wie jüngst von der Kanzlerin aufgebracht<br />

– die angeblich erhöhte Gewaltbereitschaft<br />

männlicher, muslimischer<br />

Jugendlicher den Stein des<br />

Anstoßes und damit Anlass für politischen<br />

Handlungsbedarf bildet:<br />

Eins ist allen diesen Statements gemeinsam,<br />

nämlich, dass die Immigranten<br />

oder wenigstens doch gewichtige<br />

Anteile von ihnen nicht so<br />

seien und sich nicht so verhielten,<br />

dass sie in die bestehende politische<br />

und soziale „Landschaft“ der Bundesrepublik<br />

passen.<br />

Es ist dieses geistige Fundament,<br />

das als politische Richtschnur<br />

vorgegeben und über die<br />

Medien verbreitet, zum Volksvorurteil<br />

geronnen ist, auf dem die<br />

Thesen eines Thilo Sarrazin beruhen<br />

und ihre politische Brisanz gewinnen.<br />

Der Skandal Sarrazin besteht<br />

daher auch nicht darin, dass<br />

er „Integrationsprobleme“ diagnostiziert,<br />

ist doch deren angebliche<br />

Existenz ohnehin schon für<br />

eine breite Öffentlichkeit nicht<br />

weiter hinterfragbarer Fakt. Sarrazins<br />

Standpunkt ist lediglich die<br />

pessimistische Auslegung des herrschenden<br />

Integrationsbegriffs, die<br />

brachiale Schlussfolgerungen nahe<br />

legt für den Fall, dass sich die regierungsoffiziellen<br />

Integrationsziele<br />

nicht erreichen lassen. Wenn Sar-<br />

FLZ Nr. 3/10<br />

razin die mangelnde Integrationsfähigkeit<br />

von Immigranten beklagt<br />

und die Ursache dafür in ihrer biologischen<br />

Konstitution annimmt,<br />

verlässt er das dem Grundgesetz<br />

und der UN-Menschenrechtscharta<br />

zu Grunde liegende Menschenbild<br />

der Aufklärung und stellt sich<br />

außerhalb der Bandbreite des demokratischen<br />

Diskurses. Nicht von<br />

ungefähr kam der früheste und lauteste<br />

Beifall von ganz rechts und ist<br />

sein Buch in einem abseitigen Kleinverlag<br />

des rechtsnationalistischen<br />

Spektrums erschienen.<br />

Aber auch wer ständig die<br />

Ängste in der Bevölkerung beschwört,<br />

um härtere Restriktionen<br />

und Sanktionen gegen „Integrationsunwillige<br />

zu fordern, betreibt<br />

eine Politik populistischer<br />

Angsterzeugung, die in eine Spaltung<br />

der Gesellschaft mündet. So<br />

soll versucht werden, die durch eine<br />

Politik verschärften Sozialabbaus<br />

schwindenden Mehrheiten<br />

zu sichern, indem man den zunehmenden<br />

Aggressionen von sozial<br />

Benachteiligten ein Ventil verschafft.<br />

Beschluss des Landesvorstands<br />

der <strong>GEW</strong> Hessen vom<br />

11.09.2010 zur sogenannten Integrationsdebatte<br />

Mein Testament und letzter Wille:<br />

Arbeit macht frei<br />

Die Verkündigung eines anbrechenden<br />

Reichs der Freiheit und<br />

der individuellen Möglichkeiten<br />

stand einstmals an der Wiege<br />

des bürgerlichen Zeitalters. Diese<br />

soll es in Zukunft nicht einmal<br />

mehr post mortem uneingeschränkt<br />

geben. Stattdessen steht<br />

die umfassende Nutzbarmachung<br />

des menschlichen Individuums<br />

an. In Deutschland werden seit<br />

Jüngstem Forderungen nach einer<br />

Änderung des deutschen Organspendegesetzes<br />

laut. Dadurch<br />

soll die bisher geltende Zustimmungsregelung,<br />

nach der eine Organentnahme<br />

bei Verstorbenen<br />

deren zu Lebzeiten erteilte Zustimmung<br />

voraussetzt (bzw. die<br />

von Angehörigen), ersetzt wer-<br />

den durch eine so genannte Widerspruchsregelung.<br />

Durch deren<br />

Einführung würde jeder Verstorbene<br />

automatisch zu einem potenziellen<br />

Organspender, es sei<br />

denn, er oder seine Angehörigen<br />

hätten dem ausdrücklich widersprochen.<br />

Während man sich also<br />

bisher durch die Mitführung eines<br />

Organspenderausweises eine besondere<br />

soziale Einstellung zugute<br />

halten konnte, würde in Zukunft<br />

der verlangte Widerspruch<br />

gegen die Verwandlung der eigenen<br />

sterblichen Überreste in ein<br />

Ersatzteillager mit dem Ruch der<br />

asozialen Verweigerungshaltung<br />

befrachtet und ein weiteres Stückchen<br />

Enteignung des Menschen<br />

am eigenen Selbst erreicht sein.<br />

... Mahnmal für<br />

die Deportierten<br />

unter dem NSfreundlichen<br />

Vichy-Regime in<br />

Südfrankreich<br />

Visionen wie diese sind Glieder<br />

einer langen Kette von Maßnahmen<br />

und Absichtserklärungen, die sogar<br />

dem spätbürgerlichen (Konsum)<br />

beglückungsprogramm durch den<br />

Wohlstandsstaat des „Rheinischen<br />

Kapitalismus“ nach 1950 eine Absage<br />

erteilen. Die Verlängerung der<br />

Lebensarbeitszeit auf 67 Jahre (und<br />

laut gewordene Stimmen, die sogar<br />

für 70 plädieren), stellen klar, dass<br />

der „Besitz“ eines Arbeitsvermögens<br />

als einzigem „Kapital“ eines<br />

Menschen auch den möglichst lebenslangen<br />

Einsatz desselben im<br />

System der Reichtumsproduktion<br />

zur Folge haben soll. Die Vorstellung<br />

vom Arbeitnehmer, der im Alter<br />

von seinem durch Leistung erworbenen<br />

Kapital in Form einer


FLZ Nr. 3/10 SEITE 5<br />

Rente zehren kann, wird damit immer<br />

mehr zur Fiktion: Arbeiten, bis<br />

dass der Tod bzw. finales Siechtum<br />

das Arbeitsverhältnis scheiden!<br />

Die jüngsten Restriktionen<br />

des „Sparpakets“ gegenüber den<br />

Hartz-IV-Beziehern wenden dasselbe<br />

Prinzip auf die aus dem aktiven<br />

Ausbeutungsverhältnis Ausgesonderten<br />

an. So wird das Elterngeld<br />

für alle diejenigen gestrichen,<br />

die keiner Arbeit nachgehen und<br />

nur noch die auf Hartz-IV-Zuzahlungen<br />

zu ihren Sklavenlöhnen Angewiesenen<br />

bekommen es ausgezahlt.<br />

Die Bundespolitik knüpft<br />

dabei an Maßnahmen zur demographischen<br />

Steuerung an, wie sie<br />

schon von den Nationalsozialisten<br />

zur Schaffung „erbgesunden Nachwuchses“<br />

betrieben wurden:<br />

„Unterschiedslos ausgegebene<br />

Hilfen für Kinderreiche, die minderwertige<br />

Familien nur zu unerwünschter<br />

Fortpflanzung ermunterten,<br />

galten im rassehygienischen<br />

Denken als naturwidrige „Kontraselektion“.<br />

Folglich wurde im Nationalsozialismus<br />

bei sämtlichen familienfördernden<br />

Leistungen geprüft,<br />

ob die betreffende Familie<br />

auch ‚erbgesund’ und ‚würdig’ sei.<br />

Dies betraf Ehestandsdarlehen,<br />

Kinderbeihilfen, Kindererholung<br />

(»Kinderlandverschickung«), aber<br />

auch Ausbildungsbeihilfen und die<br />

Wohnungsvergabe.“ (1)<br />

In „moderner“ Fassung liest<br />

sich der gedankliche Hintergrund<br />

von solch einer Politik beispielsweise<br />

wie folgt:<br />

„Die Schichtabhängigkeit des generativen<br />

Verhaltens in Deutschland<br />

ist als stabiler Trend empirisch belegt,<br />

belegt ist auch, dass zwischen<br />

Schichtzugehörigkeit und Intelligenzleistung<br />

ein recht enger Zusammenhang<br />

besteht. Unter seriösen<br />

(!) Wissenschaftlern besteht<br />

heute zudem kein Zweifel mehr,<br />

dass die menschliche Intelligenz<br />

zu 50 bis 80 Prozent erblich ist.<br />

Der Umstand, dass bei unterschiedlicher<br />

Fruchtbarkeit von Bevölkerungsgruppen<br />

mit unterschiedlicher<br />

Intelligenz eugenische oder dysgenische<br />

Effekte auftreten können,<br />

wird daher grundsätzlich nicht<br />

mehr bestritten.“ (2) (Hvhbgn. von<br />

mir, E. O.) So geht ideologisches<br />

Recycling von einst in die Euthanasie<br />

und ins Konzentrationslager<br />

führendem Nazidreck 2010!<br />

Mit der durch Streichung des<br />

Elterngeldes vollzogenen Umsetzung<br />

von einem seiner wichtigsten<br />

Programmpunkte hat sich dann<br />

auch die an „Frührentner“ Sarrazin<br />

von der Bundesbank gewährte<br />

lebenslängliche Prämie für seine<br />

„Tabubrüche“ mehrtausendfach<br />

gelohnt. Außerdem ist dem aus<br />

Sarrazins Äußerungen triefenden<br />

Sozial- und Sexualneid, der von<br />

der Triebhaftigkeit einer staatlich<br />

ausgehaltenen undisziplinierten<br />

Unterschicht halluziniert, die Zustimmung<br />

von all denjenigen Working<br />

Poor und ausgeplünderten<br />

Rentner/-innen sicher, deren Verständnis<br />

von Gleichheit durch die<br />

gleiche Schädigung von anderen Benachteiligten<br />

zufriedengestellt werden<br />

kann. Die gleichzeitige Streichung<br />

des Heizkostenzuschusses<br />

stellt klar, dass der Hartz-IV-Bezieher<br />

auf andere, möglichst arbeitsintensive,<br />

Möglichkeiten zurückgreifen<br />

soll, um es sich warm<br />

werden zu lassen. Die parallel dazu<br />

über Steuererhöhungen für die<br />

Energieerzeuger auf den Weg gebrachte<br />

Steigerung der Energieko-<br />

sten wird dazu führen, dass mit der<br />

jährlichen Heizkostenabrechnung<br />

die große finanzielle Klemme für<br />

alle Leistungsempfänger garantiert<br />

ist, die dann aus dem Eckregelsatz<br />

bestritten werden muss. Denn wer<br />

nicht arbeitet, soll auch nicht (so<br />

viel) essen!<br />

Glücklicherweise hat uns Sarrazin<br />

darauf hingewiesen, dass<br />

von materieller Armut zwar in<br />

den Slums der so genannten Dritten<br />

Welt, nicht aber in Deutschland<br />

gesprochen werden muss.<br />

„Nicht die materielle, sondern<br />

die geistige und moralische Armut<br />

ist das Problem.“ Denn Sozialhilfeempfänger<br />

sind – so Sarrazin<br />

– immobile Fettsäcke, die<br />

Alkohol- und Tabakmissbrauch<br />

treiben, sich nicht sportlich betätigen<br />

und dummen Nachwuchs im<br />

Übermaß produzieren. Diese widerwärtigen<br />

Gewohnheiten werden<br />

durch die Verteilung von abgelaufenen<br />

Lebensmitteln über die<br />

modernen Suppenküchen in Form<br />

der öffentlichen Tafeln auch noch<br />

weiter unterstützt: „Ungefestigte<br />

Menschen, die nicht planen, nicht<br />

mit Geld umgehen, nicht kochen<br />

können und denen es an Willensstärke<br />

fehlt, die brauchen Suppenküchen<br />

[...]. Aber auch den ungefestigten<br />

Menschen würde ein Verhaltenstraining<br />

mehr helfen als die<br />

Unterstützung ihrer Schwächen.“<br />

So kündigt sich der Arbeitsdienst<br />

der Zukunft mit dem dazugehörigen<br />

Lager unter dem modischschicken<br />

Label „Verhaltenstraining“<br />

an!<br />

Es wäre zu einfach, das (Wieder)aufkommen<br />

dieses Denkens<br />

und seines durch die Mammutauflage<br />

von Sarrazins Buch verbürgten<br />

Erfolgs einfach auf das Konto eines<br />

siegreichen „Neoliberalismus“ zu<br />

verbuchen. Dieser ist – bei all seiner<br />

globalen Durchsetzungskraft<br />

– als Programm vielmehr selbst<br />

das ideologische Krisenphänomen<br />

eines Systems, in dem die objektiven<br />

Spielräume für die Profitwirtschaft<br />

ständig enger geworden<br />

sind. Ein Spätkapitalismus,<br />

der die materiellen Lebensbedingungen<br />

der Menschen zunehmend<br />

ausplündert und der dabei ist, auch<br />

die bisherigen staatlichen Rahmenbedingungen<br />

seines Gedeihens einzureißen,<br />

kann die Glücksversprechen,<br />

mit denen er nach 1945 angetreten<br />

ist, schon lange nicht mehr<br />

erfüllen. In Staaten wie der Bundesrepublik,<br />

die mit einem <strong>Sozialstaat</strong>sprogramm<br />

groß geworden<br />

sind, schwimmen die in der Dauerkrise<br />

überflüssig Gewordenen als<br />

ständig größer werdender Bodensatz<br />

mit, dem man die fehlenden Beschäftigungsmöglichkeiten<br />

als „Integrationsunwilligkeit“<br />

vorwirft.<br />

Dass ihre staatlich erhaltene Existenz<br />

für die Menge derjenigen, die<br />

unter Bedingungen einer wachsenden<br />

Perspektivlosigkeit zu schwindenden<br />

Löhnen malochen müssen,<br />

wie der reine Luxus aussieht, der<br />

zudem auf dem Weg der Umverteilung<br />

den Arbeitenden das ihnen<br />

Fehlende wegzunehmen scheint,<br />

um es den „Nutzlosen“ zu geben,<br />

ist objektiver Schein der falschen<br />

Verhältnisse. Nicht von Ungefähr<br />

unterstützen Ideologen wie Sarrazin<br />

diesen Schein dadurch, dass sie<br />

auf dem Ausdruck „Transferzahlungen“<br />

für die Sozialleistungen herumreiten.<br />

Der wachsenden Faschisierung<br />

des öffentlichen Bewusstseins<br />

sich entgegenzustemmen ist<br />

darum Gebot der Stunde.<br />

Ernst Olbrich<br />

1 Wolfgang Ayaß, „Asoziale“ im<br />

Nationalsozialismus, Stuttgart 1995, a. a. O. S. 107<br />

2 Thilo Sarrazin, Deutschland schafft sich ab, 2010, a. a. O. S. 71)<br />

3 Ebda., S. 91<br />

Hellerhofschule - Traum<br />

und Wirklichkeit<br />

An der Hellerhofschule stinkt es.<br />

Seit die Schule wegen des geplanten<br />

Um- und Ausbaus des Stammgebäudes<br />

im Mai in ein Containerdorf<br />

in der Stephensonstraße ziehen<br />

musste, geht es den Lehrkräften<br />

und auch den Kindern schlecht:<br />

sie haben Kopfschmerzen, Hautausschläge<br />

und Augenbrennen und<br />

verspüren Übelkeit.<br />

Selbstverständlich hat sich die<br />

Schulleiterin vom ersten Tag an<br />

dieses Problems mit großer Fürsorge<br />

angenommen. Sie alarmierte sowohl<br />

die Stadt als auch das Staatliche<br />

Schulamt. Schließlich ist ihr<br />

bekannt, dass sie, was den Arbeitsschutz<br />

betrifft, als Schulleiterin in<br />

der Arbeitgeberfunktion ist. In<br />

dieser Rolle muss sie laut Arbeitsschutzgesetz<br />

gesundheitliche Ge-<br />

Krankmachende Container?<br />

fahren für die Beschäftigten abwenden<br />

bzw. auf ihre Beseitigung hinwirken.<br />

Auch sprach sie offen mit<br />

den Eltern, die in großer Sorge um<br />

ihre Kinder waren. Nachdem aus<br />

dem Stadtschulamt die Information<br />

kam, das sei eben der Geruch in<br />

neuen Containern, und dem könne<br />

man nur durch intensives Lüften<br />

entgegenwirken, hat sie angeordnet,<br />

dass die Räume Tag und Nacht<br />

gelüftet werden. Als die Stadt Bedenken<br />

wegen Einbruchsgefahr hatte,<br />

rastete und ruhte sie nicht, bis<br />

die Stadt einen Wachdienst für die<br />

Nacht bestellte. Doch der Geruch<br />

hielt sich hartnäckig, woraufhin sie<br />

das Gesundheitsamt alarmierte. Bevor<br />

das Gesundheitsamt zu Schadstoffmessungen<br />

erschien, sorgte sie<br />

dafür, dass einer der Klassenräume<br />

mehrere Tage fest geschlossen<br />

blieb, damit unter realistischen Bedingungen,<br />

wie sie z.B. im Winter<br />

auftreten werden, gemessen werden<br />

konnte. Neben dem Gesundheitsamt<br />

alarmierte sie auch den<br />

betriebsärztlichen Dienst und die<br />

Fachkräfte für Arbeitssicherheit des<br />

Medical Airport Service, der für die<br />

hessischen Schulen zuständig ist.<br />

Über all diese Schritte stand sie in<br />

engem Kontakt mit dem Schulpersonalrat,<br />

der zu jedem Zeitpunkt<br />

über den aktuellen Stand informiert<br />

war. Ebenso wurde den besorgten<br />

Eltern regelmäßig mitgeteilt, welche<br />

Maßnahmen eingeleitet wurden.<br />

Der Schulpersonalrat wurde<br />

auch bei den Schadstoffmessungen<br />

hinzugezogen und konnte den messenden<br />

Fachleuten wertvolle Informationen<br />

geben. Er erfuhr, dass<br />

bei solchen Messungen nicht alle<br />

Schadstoffe gemessen werden<br />

und auch die Grenzwerte auf bestimmten<br />

Erfahrungen beruhen.<br />

Bei den Schadstoffmessungen war<br />

auch eine Dezernentin des Staatlichen<br />

Schulamtes zugegen, die zu<br />

erkennen gab, dass ihr sehr daran<br />

gelegen ist, dass die Ursache für den<br />

Gestank gefunden wird, da auch<br />

sie sich für die Gesundheit und<br />

das Wohlbefinden der Grundschullehrkräfte<br />

verantwortlich fühle.<br />

Der Schadstoffmessbericht wurde<br />

dem gesamten Kollegium vorgestellt.<br />

Die Messungen hatten keine<br />

signifikanten Überschreitungen<br />

von Grenzwerten ergeben. Er enthielt<br />

aber auch die Einschätzung,<br />

dass der Geruch nicht tolerierbar<br />

sei. Die Lehrkräfte sind leider nur<br />

teilweise beruhigt, denn ihr Wohlbefinden<br />

ist auch weiterhin beeinträchtigt.<br />

Insgesamt aber fühlen sie<br />

sich in ihren Bedenken und Ängsten<br />

wahrgenommen und als Menschen<br />

wertgeschätzt. Die Schulleiterin<br />

gibt sich mit dem Ergebnis nicht<br />

zufrieden. Sie hat sich vorgenommen,<br />

den Schulträger nun täglich<br />

anzurufen und auf ein Ausweichquartier<br />

zu drängen. Sie nimmt es<br />

ernst, dass der Geruch laut Gutachten<br />

„nicht tolerierbar“ ist.<br />

Potzblitz! War es wirklich so??<br />

Leider nur ein Traum. Schulwirklichkeit<br />

in <strong>Frankfurt</strong> sieht anders<br />

aus! Die Lehrkräfte werden im Unklaren<br />

gelassen. Obwohl sie die Anweisung<br />

erhalten, es solle viel gelüftet<br />

werden, wird ihnen wegen der<br />

Einbruchsgefahr das Lüften nach<br />

Unterrichtsschluss untersagt. Ebenso<br />

wird ihnen untersagt, das Gesundheitsamt<br />

anzurufen – das dürfen<br />

einfache Lehrkräfte nicht. Ob<br />

es die Schulleiterin getan hat, bleibt<br />

zunächst unklar. Auch mit den Eltern<br />

zu reden oder gar Briefe des Elternbeitrats<br />

in den Klassen auszuteilen<br />

wird den Lehrkräften verboten.<br />

Als die Messungen des Gesundheitsamtes<br />

bevorstehen, sind die Räume<br />

auf einmal Tag und Nacht durchlüftet.<br />

Es stinkt nun zwar nicht<br />

mehr so sehr, aber die stark sensibilisierten<br />

Lehrkräfte fühlen sich<br />

dennoch unwohl, bei vielen bleiben<br />

die Symptome bestehen. Nicht nur<br />

dem Kollegium, auch dem Personalrat<br />

werden die Informationen<br />

vorenthalten, bis dieser die Paragraphen<br />

aus dem Hessischen Per-<br />

sonalvertretungsgesetz, die ihm<br />

selbstverständlich Rechte in Angelegenheiten<br />

des Arbeitsschutzes geben,<br />

zitiert. In seiner Not, nicht in<br />

seinen Ängsten ernstgenommen zu<br />

werden, beschließt das Kollegium<br />

auf einer Personalversammlung „einen<br />

Tag an der frischen Luft“. Die<br />

Eltern werden informiert, dass der<br />

Unterricht an einem Tag nur draußen<br />

stattfinden soll. Als die Schulleiterin<br />

davon Wind bekommt, fragt<br />

sie selbstverständlich sofort bei der<br />

Juristin im Staatlichen Schulamt an,<br />

die den Frischlufttag ebenso selbstverständlich<br />

sofort verbietet. Die<br />

Amtsleiterin teilt dem Gesamtpersonalrat<br />

auf Nachfrage mit, dass es<br />

in anderen Schulen mit Containern<br />

anfangs auch gestunken habe, nur<br />

sei man dort wohl nicht so emp-<br />

findlich. Im Schulamt ist man sich<br />

keines Versäumnisses bewusst: Gespräche<br />

mit der Schulleiterin, dem<br />

Schulträger und dem Gesundheitsamt<br />

haben stattgefunden. Ohne es<br />

wirklich zu wissen, beteuert die<br />

Amtsleiterin sogar, die Schulleiterin<br />

kenne ihre Pflichten aus Arbeitsschutz-<br />

und Personalvertretungsgesetz<br />

und bedürfe insoweit keiner Belehrung.<br />

Komisch nur, dass die Schulleiterin<br />

diesen Pflichten nicht von sich<br />

aus nachkam, wegen des geplanten<br />

Frischlufttags aber der Belehrung<br />

der Amtsjuristin bedurfte. Was wäre<br />

geschehen, wenn sie ihr Kollegium<br />

bei diesem demonstrativen Akt<br />

unterstützt hätte? Wäre die Welt<br />

zusammengebrochen? Wären die<br />

betroffenen Kinder auf ewig Analphabeten<br />

geblieben? Oder hätten<br />

sich die KollegInnen in ihren<br />

Bedenken und Ängsten wahrgenommen<br />

und als Menschen wertgeschätzt<br />

gefühlt? So wie in dem<br />

oben beschriebenen Traum, der natürlich<br />

niemals Schulwirklichkeit<br />

werden kann. Warum nicht? Darüber<br />

nachzudenken sei jedem selber<br />

aufgegeben.<br />

Wie auch immer: das Problem<br />

des Gestanks an der Hellerhofschule<br />

bleibt vorerst ungelöst. Was ist,<br />

wenn es nach den Herbstferien immer<br />

noch stinkt und Unterricht bei<br />

geöffneten Fenstern nicht möglich<br />

ist? Die Verantwortlichen sollten<br />

sich schnellstens um einen „Plan B“<br />

kümmern! Vertuschen und Aussitzen<br />

ist nicht angesagt!<br />

Marianne Friemelt


SEITE 6<br />

Kritische stimmen<br />

zu den Reformen<br />

nach PIsA auf einer<br />

internationalen<br />

Tagung an der<br />

Universität zu Köln<br />

im Juni 2010<br />

Wie uns spätestens der 11. September<br />

2001 hinlänglich gelehrt<br />

hat, liefern schockartig wirkende<br />

Ereignisse oftmals die Legitimation<br />

für strategische Maßnahmen,<br />

die zuvor in der breiten Öffentlichkeit<br />

niemals Akzeptanz gefunden<br />

hätten. Folgt man den Ausführungen<br />

auf der Tagung „Bildungsstandards<br />

auf dem Prüfstand<br />

– Der Bluff der Kompetenzorientierung“<br />

so hat auch der berühmte<br />

„Pisa-Schock“ in Deutschland<br />

einem äußerst fragwürdigen Paradigmenwechsel<br />

in der Orientierung<br />

der Bildung den Weg geebnet,<br />

der – so das evidente Ergebnis<br />

der Tagung – zu einem Fiasko in<br />

der Entwicklung des Bildungswesens<br />

führt und weiter führen wird.<br />

Am Samstag, den 26. 06. 2010<br />

war die Aula an der Universität<br />

zu Köln mit über 400 anwesenden<br />

Zuhörern gefüllt. Lehrer und<br />

Hochschuldozenten aus Deutschland<br />

und der Schweiz waren angereist,<br />

um den zehn erziehungs- und<br />

bildungswissenschaftlich tätigen,<br />

kritischen Hochschullehren von<br />

deutschen und Schweizer Universitäten<br />

zuzuhören und miteinander<br />

Erfahrungen und Meinungen<br />

auszutauschen. Einige der veranstaltenden<br />

bzw. vortragenden Professoren<br />

hatten bereits 2005 im<br />

Anschluss an eine ähnliche Tagung<br />

an der <strong>Frankfurt</strong>er Universität<br />

mit ihren fünf „<strong>Frankfurt</strong>er<br />

Einsprüchen gegen die technokratische<br />

Umsteuerung des Bildungswesens“<br />

öffentlich auf die verhängnisvolle<br />

Entwicklung im Bildungswesen<br />

aufmerksam gemacht.<br />

Bezeichnenderweise hieß damals<br />

der Titel ihres Manifests „Das Bildungswesen<br />

ist kein Wirtschaftsbetrieb“.<br />

Nach der aktuellen Ta-<br />

gung kam es zur Gründung einer<br />

neuen „Gesellschaft für Bildung<br />

und Wissen“, die versuchen will,<br />

zu den gravierenden Fehlentwicklungen<br />

im Bildungswesen (nach<br />

PISA) eine permanente kritische<br />

Öffentlichkeit zu schaffen.<br />

Kern der „Reform“:<br />

reduktionistisches<br />

Kontrollsystem ersetzt<br />

differenzierten<br />

Bildungsauftrag<br />

In seiner Einführung nahm Prof.<br />

Andreas Gruschka, Erziehungswissenschaftler<br />

der Goethe Universität<br />

<strong>Frankfurt</strong>, von wo aus die <strong>Frankfurt</strong>er<br />

Initiative 5 Jahre früher ausgegangen<br />

war und jetziger Mitinitiator<br />

und Moderator der aktuellen<br />

Veranstaltung eine Bilanz<br />

der Bildungsentwicklung und deren<br />

öffentliche Wahrnehmung seit<br />

2005 vor. Hatte man als Kritiker<br />

damals noch Attacken und Verunglimpfungen<br />

auf breiter Ebene<br />

einstecken müssen, sei die Situation<br />

heute gänzlich anders: die Reformen<br />

seien mittlerweile mit zuweilen<br />

grotesken Auswirkungen<br />

„vielfach hart auf dem Boden der<br />

Tatsachen gelandet.“ Bisher habe<br />

dies allerdings nicht zu grundlegenden<br />

Kurskorrekturen, sondern<br />

höchstens zu Schadensbegrenzungen<br />

und zur ständigen „Reform<br />

der Reform“ geführt. Jetzt gelte es,<br />

mit dieser Tagung und der neuen<br />

„Gesellschaft für Bildung und Wissen“<br />

eine breite, nachhaltig wirkende,<br />

anhaltende Diskussion anzustoßen,<br />

um eine echte Kurskorrektur<br />

vorzunehmen zu können.<br />

Als pädagogischer Kern der<br />

höchst problematischen Reformen<br />

erscheine den Veranstaltern, denen<br />

grundlegende Bemühungen um eine<br />

ständige Verbesserung der Qualität<br />

der Bildungsanstrengungen in<br />

Schulen eine Selbstverständlichkeit<br />

sei, die „Ausrichtung des schulischen<br />

Lehrens und Lernens auf<br />

Bildungsstandards und die Umstellung<br />

von Wissen auf Kompetenzen,<br />

von denen bis heute niemand<br />

sagen könnte, was sich denn<br />

konkret dahinter verbirgt, deshalb<br />

auch der Titel der Tagung. In allen<br />

deutschen Bundesländern seien<br />

nach PISA weitgehend „blindlings<br />

und konzeptlos“, aber mit großer<br />

Betriebsamkeit die alten inhaltsbezogenen<br />

Lehrpläne durch „kompetenzorientierte<br />

Kerncurricula“<br />

ersetzt worden und nun sei man<br />

schon länger daran, in den verschiedenen<br />

Bundesländern flächendeckende,<br />

uniforme Leistungstests<br />

in Form von Lernstandserhebungen<br />

und das Zentralabitur einzuführen.<br />

Wozu und auf welcher Grundlage?<br />

Prof. Gruschka und auch Prof. Lutz<br />

Koch, Erziehungswissenschaftler<br />

der Universität Bayreuth, befassten<br />

sich in ihren Referaten dann auch<br />

eingehend mit dieser Umstellung<br />

der curricularen Planung von inhaltlichen<br />

Vorgaben entlang der<br />

Fachstrukturen (Input) auf den Erwerb<br />

von Kompetenzen (Output)“<br />

und ihren Folgen. Dabei erweist es<br />

sich als fatal, Wissen und Kompetenz<br />

als Gegensatz zu konstruieren,<br />

wo doch für jeden Unterrichtenden<br />

evident ist, dass Kompetenzen nur<br />

auf der Basis eines fundierten inhaltlichen<br />

Wissens entwickelt werden<br />

können, wenn sie nicht zu automatisierten,<br />

standardisierten Verhaltensweisen<br />

verkommen sollen.<br />

Auch bei genauerer Betrachtung erweist<br />

sich der Kompetenzbegriff als<br />

äußerst abstrakt, nebulös und leerformelhaft.<br />

Ausformulierungen von Kompetenzen<br />

sind laut Prof. Gruschka<br />

begleitet von „Kaskaden von widersprüchlichen<br />

Anweisungen“.<br />

Der Referenzautor für die eigentliche<br />

Theorie der Kompetenzen, der<br />

verstorbene Professor für Pädagogische<br />

Psychologie Franz Weinert,<br />

liefert selbst keine konkret fassbaren<br />

Vorstellungen des Begriffs,<br />

sondern umschreibt in der den Bildungsstandards<br />

zugrunde liegendem<br />

Kompetenzbegriff lediglich<br />

allgemein formulierte kognitive<br />

Fähigkeiten und Fertigkeiten als<br />

Voraussetzung für Kompetenzen.<br />

Deshalb konstatierte Prof. Gruschka:<br />

“Kompetenzen bleiben so eine<br />

Blackbox, bloß stochernd umschrieben<br />

mit Fähigkeiten, Wissen,<br />

Verstehen, Können, Handeln, Erfahrung,<br />

Motivation“.<br />

Prof. Koch wiederum charakterisierte<br />

den Kompetenzbegriff als<br />

„hoch defizitär“, zumal er die Schülerpersönlichkeit<br />

auf funktionale<br />

Eindimensionalität reduziere. Wesentliche<br />

Voraussetzungen und Eigenschaften<br />

des Lernenden – der<br />

Aufbau seiner Interessen und seiner<br />

Motivation beim Lernen, seine sozialen,<br />

emotionalen und moralischen<br />

Fähigkeiten, seine politische Reifung<br />

und somit jegliche bildungstheoretischen<br />

Überlegungen – seien<br />

aus der Weinertschen Perspektive<br />

der Kompetenzen praktisch ausgeblendet.<br />

Diese „Totalreform“ des<br />

Bildungswesens führe somit zu einer<br />

radikalen Entleerung des pädagogischen<br />

Auftrags der Schulen.<br />

Koch bezeichnete es als Skandal,<br />

dass mit einem solch untauglichen<br />

Begriff, der damit zusammenhängenden<br />

Theorie und den reduktionistischen<br />

Bildungsstandards<br />

grundlegende Veränderungen im<br />

Bildungswesen erzwungen werden<br />

sollen. Den Schulen würde man damit<br />

nach angelsächsischem Vorbild<br />

die „Rankingknechtschaft“ aufoktroyieren,<br />

die Hochschullehrer<br />

degradiere man zu „Modulknechten“.<br />

Für die Unterrichtstätigkeit<br />

der Lehrpersonen und für<br />

die Lehrerbildung überhaupt habe<br />

dies weit reichende Konsequenzen:<br />

anstatt sich um Verbesserungen in<br />

der Ausbildung der Lehrer, ihrer<br />

fachlichen, pädagogischen und didaktischen<br />

Fähigkeiten in der Unterrichtsgestaltung<br />

bzw. Wissensvermittlung<br />

sowie um bessere Lehrmittel<br />

usw. zu bemühen, richten<br />

sich heute alle Anstrengungen auf<br />

die erfolgreiche Vorbereitung von<br />

Tests („teaching to the test“).<br />

Bedenken und Einwände der<br />

Lehrerschaft oder von Erziehungswissenschaftlern<br />

aus den Hochschulen<br />

gegen diese Totalreform –<br />

insbesondere von denjenigen Hochschulen,<br />

die qualitative Forschung,<br />

wie z.B. vertiefte Fallstudien zu Fragen<br />

der Lehrer-Schüler-Beziehung,<br />

der Motivation und der Interessensgenese,<br />

zur Unterrichtsatmosphäre,<br />

zur fachlichen Qualität und zum<br />

Am 26. Juni 2010 in Köln<br />

FLZ Nr. 3/10<br />

Bildungsstandards<br />

auf dem Prüfstand –<br />

auf dem Weg zum<br />

homo oeconomicus?<br />

sozialen oder zielorientierten Lernen<br />

zum Thema haben, würden<br />

ignoriert. Zugleich fließen Millionenbeträge<br />

solchen Bildungsforschungsinstituten<br />

zu, die als Paradigmenwechsel<br />

Bildungsstandards<br />

und wissensbereinigte Kompetenzorientierung<br />

derzeit in die Schulen<br />

bringen und dieses als „state<br />

of the art Forschung“ alternativlos<br />

propagieren.<br />

Ohne „Input“ kein<br />

„Output“ – der Betrug<br />

der besseren „Qualität“<br />

Besonders pointiert nahm der<br />

Bielefelder Professor für Psychologie<br />

Rainer Dollase, das mit den<br />

Bildungsstandards verbundene<br />

„Qualitätsmanagement“ (QM)<br />

unter die Lupe. Ihm zufolge lässt<br />

sich jede Form von QM auf ein<br />

simples dreischrittiges Denkmodell<br />

zurückführen: Zielvereinbarung,<br />

Handeln und Kontrolle/Evaluation,<br />

etwas, was jeder Mensch<br />

sowieso automatisch macht, wenn<br />

er eine gezielte Handlung ausführt.<br />

Als standardisiertes Entwicklungsverfahren<br />

finde dieses Modell in<br />

der Technik (z. B. Optimierung<br />

von Abläufen) eine sinnvolle Anwendung.<br />

Zur Optimierung von<br />

Schulen, Unterricht, Lehrerpersönlichkeiten<br />

sei es aber völlig unsinnig,<br />

denn das QM verschaffe keinerlei<br />

Einsicht in die Ursachen für<br />

guten oder schlechten Schulerfolg,<br />

etabliere dafür umso mehr Kontrollmacht<br />

und eine aufgeblähte<br />

Bürokratie. QM rufe bezeichnenderweise<br />

besonders bei Kollegen<br />

aus der ehemaligen DDR ein unangenehmes<br />

Déjà-vu hervor und sei<br />

dort vor allem auch im Rahmen<br />

unsinniger Zielvereinbarungen<br />

kläglich gescheitert.<br />

Anstelle von „Papiersteuerung“<br />

(Tests) bräuchten Lehrpersonen<br />

zur Optimierung ihres Unterrichts<br />

die Vermittlung und den Aufbau<br />

fachlicher und pädagogischer<br />

Qualitäten. Zu erwerben seien diese<br />

in einer angemessenen Aus- und<br />

Weiterbildung, und zwar durch Dozenten,<br />

die guten Unterricht selbst<br />

real vormachen könnten, statt aus-


FLZ Nr. 3/10 SEITE 7<br />

schließlich psychologische oder pädagogische<br />

Theorien zu referieren.<br />

Zu den heute bereits feststellbaren<br />

Folgen des drastischen Abbaus<br />

von Fachwissen selbst in Abiturprüfungen<br />

stellte der <strong>Frankfurt</strong>er<br />

Fachdidaktikprofessor Hans<br />

Peter Klein in seinem Vortrag eine<br />

empirische Untersuchung einer<br />

aktuellen Zentralabiturarbeit im<br />

Leistungskurs Biologie in NRW<br />

vor, die er in seinem Forschungsansatz<br />

mit beteiligten Lehrern einer<br />

9. Klasse ohne jede Vorbereitung<br />

des entsprechenden Stoffgebietes<br />

unter Abiturprüfungsbedingungen<br />

als Probeklausur vorgelegt hatte.<br />

Als Kontrolle wurde eine Abiturklausur<br />

vor Einführung der kompetenzorientiertenAufgabenstellungen<br />

im Zentralabitur verwendet.<br />

Das Ergebnis war mehr als<br />

überraschend: die Schüler der 9.<br />

Klasse schafften nicht nur ausreichende<br />

Leistungen in der Leistungskursklausur<br />

des Zentralabiturs,<br />

auch die Notenstufen befriedigend,<br />

gut und sehr gut wurden<br />

von einigen Schülern erreicht, und<br />

dies ohne fachliche Vorkenntnisse<br />

des Themas. Im Vergleich dazu<br />

war kein Schüler in der Lage, eine<br />

Biologie Leistungskursklausur aus<br />

dem alten, dezentralen Abitur vor<br />

2007 auch nur ansatzweise zu bearbeiten.<br />

Wie ist dies zu erklären?<br />

Prof. Klein veranschaulichte der<br />

zumindest teilweise überraschten<br />

Zuhörerschaft dies anhand einiger<br />

Aufgabenbeispiele. Jeder konnte<br />

sich davon überzeugen, dass in<br />

den neuen Aufgabenstellungen des<br />

Zentralabiturs NRW sämtliche Lösungen<br />

zu den Aufgaben aus dem<br />

umfangreichen Arbeitsmaterial zu<br />

entnehmen sind, da hier alle Wissensgrundlagen<br />

für die Bearbeitung<br />

der Aufgabenstellung vorgegeben<br />

werden. Der Schüler braucht also<br />

nur Lesekompetenz, um die Aufgaben<br />

lösen zu können. Er kann<br />

dabei größtenteils die im Arbeitsmaterial<br />

enthaltenen Sachinformationen<br />

wortwörtlich abschreiben,<br />

um dem genau formulierten Erwartungshorizont<br />

für die Punktevergabe<br />

voll zu entsprechen. Lesekompetenz<br />

und Zuordnungskompetenz<br />

reichen hier aus, die Aufgabenstellungen<br />

zu lösen, die Einbringung<br />

von Fachwissen durch den Schüler<br />

ist nicht vonnöten. So stellen auch<br />

viele Schüler nach dem Abitur ihren<br />

Lehrern (oder auf Facebook)<br />

die unangenehme Frage, warum sie<br />

denn überhaupt soviel gelernt hätten,<br />

das hätten sie auch ohne Vorbereitung<br />

gekonnt. Der von vielen<br />

Seiten als Exzellenz und Zuwachs<br />

an Qualität gefeierte Erfolg – nachweisbar<br />

durch die Verdopplung der<br />

Abiturientenzahlen in vielen Bundesländern<br />

in den letzten Jahren –<br />

ist also erkauft worden durch eine<br />

drastische Absenkung des Anforderungsniveaus.<br />

Und noch einen<br />

anderen Effekt konnte Prof. Klein<br />

deutlich belegen: während in den<br />

kompetenzorientierten Aufgabenstellungen<br />

des Zentralabiturs es<br />

durchaus schwierig ist, für sehr gute<br />

Schüler die Bestnote zu erreichen<br />

(sie können es teilweise nicht glauben,<br />

dass das einfache Abschreiben<br />

von teilweise redundanten Sachverhalten<br />

aus dem Arbeitsmaterial genügt,<br />

so fehlen ihnen hier Punkte),<br />

ist es nahezu unmöglich, die Notenstufe<br />

mangelhaft oder ungenügend<br />

zu erreichen. So liegt selbst die Notenstufe<br />

mangelhaft landesweit in<br />

NRW an Gymnasien deutlich unter<br />

1%, teilweise wird auch die Notenstufe<br />

vier an Gymnasien nur selten<br />

erreicht. Es findet also nicht nur eine<br />

drastische Nivellierung des Anforderungsniveaus<br />

statt, sondern<br />

im Sinne einer unsinnigen Gleich-<br />

macherei auch noch eine Nivellierung<br />

von oben nach unten und von<br />

unten nach oben.<br />

Betrachtet man sich die in den<br />

Bundesländern mittlerweile nahezu<br />

flächendeckend eingeführten<br />

kompetenzorientierten Kerncurricula,<br />

die meist keinerlei fachliche<br />

Vorgaben mehr enthalten, so wird<br />

deutlich, wohin der Weg gehen soll:<br />

Weg von den Inhalten hin zu undefinierbaren<br />

Kompetenzen. Ob<br />

sich eine Wissensgesellschaft dies<br />

leisten kann?<br />

„Bildung ist kein<br />

Arsenal an Kompetenzen,<br />

sondern eröffnet<br />

Horizonte“<br />

Roland Reichenbach, Professor<br />

für Pädagogik an der Universität<br />

Basel, wies vor allem auch auf den<br />

fehlenden Realitätssinn in der Bildungspolitik<br />

im Beurteilen und Erkennen<br />

unnötiger oder gar schädlicher<br />

Reformen hin. Wenn längst<br />

klar ist, dass eine Reform scheitert<br />

– z.B. die „Output-Steuerung“ des<br />

Bildungswesens nicht weiterführe –<br />

müsse man halt zur alten „Input“-<br />

Steuerung“ zurückkehren, argumentierte<br />

er. Dass eine solche Rück-<br />

Kritik an den „Standards“ in Köln<br />

kehr nicht geschieht, verglich er mit<br />

einem analogen Vorgang, den er<br />

als „Concorde-Falle“ bezeichnete.<br />

Obwohl das finanzielle Desaster<br />

dieses ehrgeizigen Überschallflugzeugprojekts<br />

lange im Voraus allen<br />

Beteiligten klar war, wurde es<br />

bis zum bitteren Ende weiter geführt.<br />

Ein solches ‚erfolgreiches<br />

Scheitern‘ charakterisiert laut Reichenbach<br />

auch das Schicksal der<br />

meisten Reformen in den Schulen.<br />

Ebenso offensichtlich, sagte Reichenbach,<br />

führt die vornehmliche<br />

Ausrichtung der Schulen auf Tests<br />

zu einer Bürokratisierung des Bildungswesens,<br />

zu einer Vereinseitigung<br />

der Bildung sowie zu einer<br />

Deprofessionalisierung der Lehrerbildung;<br />

und zugleich reduziert sich<br />

die Anforderung des Unterrichts<br />

darauf, Schüler auf standardisierte,<br />

funktionale Testaufgaben zu<br />

trimmen. Reichenbach forderte die<br />

deutschen Pädagogen auf, sich der<br />

eigenen hoch stehenden Bildungstradition<br />

des 19. und beginnenden<br />

20. Jahrhunderts zu besinnen und<br />

dort anzuknüpfen, statt die angelsächsischen<br />

Fehler zu wiederholen.<br />

Pikanterweise weisen gerade amerikanische<br />

Spitzenuniversitäten den<br />

Weg: Bei der Zulassung von Studenten<br />

zur Sicherung ihrer Studienqualität<br />

setzen sie auf „Input“, auf<br />

Vorbildung, Motivation und Engagement<br />

der Studenten, deren Identifikation<br />

mit dem Studium und lassen<br />

ihnen dann in der Gestaltung<br />

des Studiums große Freiheiten und<br />

viel Selbstverantwortung – ganz im<br />

Sinne der Humboldtschen Bildungsidee.<br />

Bedenkenswert war auch<br />

Reichenbachs Hinweis auf die<br />

Komplexität und vielfache Unvorhersehbarkeit<br />

von schöpferischen<br />

Entscheidungsprozessen in Schule<br />

und Universität, weshalb sich diese<br />

Institutionen nur begrenzt ‚steuern‘<br />

lassen. Die vielfältigen Ziele aller<br />

Beteiligten – meinte Reichenbach –<br />

führen vielfach zu einer unkontrollierbaren<br />

‚organisierten Anarchie‘,<br />

etwas das man als Pädagoge aushalten<br />

müsse. Wer damit Schwierigkeiten<br />

habe, sollte keine „Definitionsmacht“<br />

über Schulen und<br />

Lehrer erhalten, z.B. als Experte für<br />

„Qualitätsmanagement“.<br />

Wahre Bildung als<br />

Widerstand gegen die<br />

Unvernunft<br />

Dass genügend negative Erfahrungen<br />

mit der technokratischen<br />

„Steuerung“ des Bildungswesens<br />

längst existieren, erwähnten nicht<br />

nur Reichenbach und Dollase,<br />

sondern auch Prof. Johannes Bellmann,<br />

Erziehungswissenschaftler<br />

der Universität Münster. Sein historischer<br />

Exkurs führte zurück an<br />

den Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

als in den USA der Behaviorismus<br />

seine Blüten trieb und Begriffe wie<br />

„social efficency“ oder „scientific<br />

management“ das Ansinnen widerspiegelten,<br />

erfolgreiches Lernen zu<br />

einem vollständig kontrollierbaren,<br />

weil operationalisierbaren Prozess<br />

machen zu können. Dies habe zu<br />

denselben Maßnahmen geführt,<br />

wie sie heute mit den Bildungsstandards<br />

bzw. dem Qualitätsmanagement<br />

umgesetzt werden: Ein-<br />

und Durchführung vielerlei Mess-<br />

bzw. Testmethoden im großen Stil<br />

mit vollkommen irrationalen Erwartungen<br />

an die Machbarkeit der<br />

Bildungskontrolle.<br />

Einen sehr erfrischenden philosophisch-aufklärerischenKontrapunkt<br />

zu diesem technokratischfunktionalistischenBildungsverständnis<br />

setzte die Professorin für<br />

Allgemeine Pädagogik an der Universität<br />

zu Köln, Ursula Frost, mit<br />

ihrem Referat unter dem Titel „Bildung<br />

bedeutet nicht Anpassung,<br />

sondern Widerstand“. Zur Veranschaulichung<br />

ihrer These griff sie<br />

auf wesentliche Persönlichkeiten<br />

und Erkenntnisse der europäischen<br />

Geistesgeschichte zurück: Mit dem<br />

„Widerstand gegen die Unbildung“<br />

in Anlehnung an Platons Höhlengleichnis<br />

belegte Prof. Frost die befreiende<br />

Aufgabe der Bildung, die<br />

den Weg zum eigenständigen, vom<br />

Sinnlich-Vordergründigen unabhängigen<br />

Denken beinhaltet. Dieser<br />

Weg, der es dem zunehmend<br />

tiefer denkenden Menschen erlaubt,<br />

gedankenlose Konformität<br />

verlassen zu können, ist allerdings<br />

nicht ohne persönliche Anstrengung<br />

zu erlangen. Kants Botschaft<br />

in „Was ist Aufklärung“ fasste Frau<br />

Frost in die Formel „Bildung als<br />

Widerstand des Selbstdenkens“ –<br />

gegen Fremdsteuerung – zusammen.<br />

Denn die Überwindung der<br />

„selbstverschuldeten Unmündigkeit“<br />

durch den Gebrauch der eigenen<br />

Vernunft ermöglicht es dem<br />

Individuum, seine naturgemäße Bestimmung<br />

als Mensch, seine Würde<br />

zu wahren. In Anlehnung an Humboldt<br />

formulierte die Professorin<br />

den notwendigen „Widerstand<br />

der Humanität gegen die Verzweckung“<br />

zum Schutz der menschlichen<br />

Persönlichkeit. Mit diesem<br />

Bildungsanliegen traf sie den zentralen<br />

Nerv der Funktionalisierung<br />

der Schulen und Hochschulen und<br />

deren „Outcome“ als Dienstleister<br />

für bestimmte, vornehmlich<br />

ökonomische Interessen. Bildung<br />

im Sinne des Humanismus widersteht<br />

jedoch grundsätzlich jeglicher<br />

Indienstnahme und ist ausschließlich<br />

der allseitigen Entfaltung der<br />

menschlichen Kräfte im Kind wie<br />

im Jugendlichen verpflichtet. Als<br />

weiteres Merkmal echter Bildung<br />

nannte Professorin Frost mit Referenz<br />

auf Nietzsche den notwendigen<br />

Widerstand der Individualität<br />

gegen die Vereinnahmung durch<br />

die Massenproduktion, die mit der<br />

Kommerzialisierung der Bildung<br />

als Geschäft einhergeht. Das Zeitalter<br />

der Bildungsstandards – fasste<br />

sie zusammen – bedeute das Ende<br />

der Bildung, die sich am Anspruch<br />

der Sache, an mündiger Kritikfähigkeit,<br />

Humanität und Individualität<br />

orientiere. Dagegen sei Widerstand<br />

auf der ganzen Linie angesagt.<br />

Bildung als „Spielball<br />

von Interessen“ ohne<br />

ethischen Kern<br />

Es war wohl kein Zufall, dass an<br />

dieser Tagung die beiden letzten<br />

Redner, der Erziehungswissenschaftler<br />

Prof. Frank-Olaf Radtke<br />

(Goethe Universität <strong>Frankfurt</strong>)<br />

und der Kunstpädagoge Prof. Jochen<br />

Krautz (Alanus Hochschule<br />

für Kunst und Gesellschaft, Alfter<br />

bei Bonn) die längerfristige politische<br />

Dimension der Bildungsstandards<br />

bzw. der damit verbundenen<br />

Bildungspolitik thematisierten.<br />

Prof. Radtke zeichnete zunächst<br />

die Veränderungen der universitären<br />

Bildung in den letzten 20<br />

Jahren nach: den Wandel des humanistisch<br />

orientierten Bildungsverständnisses<br />

mit dem Anspruch,<br />

junge Menschen zu befähigen, verantwortungsbewusste<br />

Bürger eines<br />

demokratischen Gemeinwesens zu<br />

werden, zu einer Auffassung, dass<br />

Bildung ausschließlich als Mittel<br />

für junge Menschen verstanden<br />

werden muss, um sich auf dem freien<br />

Markt der globale Kräfte zu positionieren<br />

bzw. sich durchsetzen zu<br />

können – ‚Bildung‘ also als Ausbildung<br />

gänzlich ohne normativen<br />

humanen Kern. Angesichts dieses<br />

problematischen Wandels unterstrich<br />

Prof. Radtke sehr deutlich,<br />

dass es in einer funktionierenden<br />

Demokratie gerade nicht egal sei,<br />

wie Studenten auf ihre zukünftigen<br />

Aufgaben vorbereitet würden. Ohne<br />

ethischen Kern seien junge Menschen<br />

grundsätzlich „Spielball von<br />

Interessen“; aus ihnen könnten keine<br />

Forscher mit Verantwortung<br />

hervorgehen.<br />

Die zunehmende Ausrichtung<br />

des Bildungswesens an einem utilitaristischen<br />

Menschenbild des<br />

„homo oeconomicus“ – auch als<br />

„Ökonomisierung“ der Bildung bezeichnet<br />

– wurde von Prof. Krautz<br />

weiter vertieft. Er veranschaulichte<br />

das Credo neoliberaler Wirtschaftstheorie,<br />

das den Menschen als „Unternehmer<br />

seiner Selbst“ und Bildung<br />

vor allem als Investition in<br />

„Humankapital“ sieht, mit zahlreichen<br />

Beispielen. Die Entstaatlichung<br />

bzw. Entrechtlichung der<br />

Gesellschaft – also der Trend zur<br />

Deregulierung und Liberalisierung<br />

sämtlicher Bereiche des gesellschaftlichen<br />

Lebens bis hin<br />

zur Privatisierung der öffentlichen<br />

Dienste (Gesundheits-, Transport-,<br />

Verkehrswesen, Energieversorgung,<br />

etc.) habe auch das Bildungswesen<br />

erreicht. Dies zeigte<br />

Prof. Krautz an den Bestrebungen<br />

internationaler Organisationen wie<br />

der WTO oder der OECD sowie<br />

an der Hintergrundarbeit zahlloser<br />

Stiftungen, Konzerne und Lobbygruppen.<br />

Schulen und Hochschulen<br />

werden heute darin schon nicht<br />

mehr primär als Institution des Gemeinwohls,<br />

sondern als Unternehmen<br />

mit dem Zwang zur Vermarktung<br />

verstanden, während Schüler<br />

und Eltern nicht mehr als Individuen<br />

mit Würde gelten, sondern<br />

als „Humankapital“, das sich eine<br />

qualitativ bedeutsame Bildung<br />

nur mit den notwendigen finanziellen<br />

Möglichkeiten erkaufen kann.<br />

Es ist absehbar, dass Bildung mit<br />

dieser gesellschaftlichen Ausrichtung<br />

in Zukunft vor allem eine<br />

Frage des Geldes und der sozialen<br />

Schicht sein wird.<br />

Gründung der<br />

„Gesellschaft für<br />

Bildung und Wissen“<br />

Wir befinden uns offenbar also<br />

nach wie vor – um nochmals auf<br />

Prof. Reichenbach zurückzukommen<br />

– auf bestem Weg, von den negativen<br />

Erfahrungen aus den USA<br />

nicht lernen zu wollen und im großen<br />

Stil dieselben verhängnisvollen<br />

Fehler zu machen, bis hin zur Schaffung<br />

eines Zweiklassen-Bildungssystems.<br />

Wohlgemerkt: In den USA<br />

ist die zweite Klasse für 80 bis<br />

90% der Bevölkerung reserviert.<br />

Um dieser Entwicklung nachhaltig<br />

etwas entgegenzusetzen, wurde<br />

im Anschluss an die Tagung eine<br />

neue „Gesellschaft für Bildung<br />

und Wissen“ gegründet mit einem<br />

Vorstand, der sich aus Vertretern<br />

aus Deutschland, Österreich und<br />

der Schweiz zusammensetzt. Die<br />

Gesellschaft will damit einen Beitrag<br />

leisten zur öffentlichen Debatte<br />

über Ziele, Inhalte und Methoden<br />

der nun schon über ein Jahrzehnt<br />

verfolgten umfassenden Bildungsreform.<br />

Die Gesellschaft hat ausdrücklich<br />

keine parteiliche oder<br />

sonstige Interessenanbindung, sondern<br />

sieht sich als Plattform für all<br />

jene, die den vielen Reformen im<br />

Bildungswesen skeptisch gegenüberstehen.<br />

Im Flyer zur Gesellschaft<br />

heißt es dann auch: „Ihr<br />

Anspruch zielt in offener Weise<br />

darauf, Aufklärung über die reale<br />

Situation im Bildungswesen und die<br />

Wirkungen und Nebenwirkungen<br />

der eingeleiteten Reformen zu verbreiten<br />

sowie Diskussionen über<br />

die sich anbietenden Reformen zu<br />

fördern. Dies geschieht durch Tagungen,<br />

die Veröffentlichung von<br />

Analysen und Forschungsergebnissen<br />

sowie durch die Formulierung<br />

von Stellungnahmen.“<br />

Adresse für Anschrift oder Bewerbung<br />

um Mitgliedschaft:<br />

Gesellschaft für Bildung und<br />

Wissen e.V.<br />

Goethe-Universität <strong>Frankfurt</strong> am<br />

Main, Sophienstrasse 1-3<br />

60487 <strong>Frankfurt</strong> am Main<br />

Tel: 069/798-28150<br />

Fax.:069/798-22778<br />

E-Mail: Info@bildung-wissen.<br />

Internet: www.bildung-wissen.eu


SEITE 8<br />

Erste Reihe von links nach rechts: Elke Lamprecht, Marianne Friemelt, Christiane Treffert, Meike Bär<br />

zweite Reihe v.l.n.r. Silvia Boczek-Wronker, Ute Seeger, Margret Kröger, Rainer Koch, Hanne Hirn, Angelika<br />

Wahl, Christa Sperr-Straub, Jürgen Lamprecht<br />

dritte Reihe: Hans Wedel, Karlfried Klingel, Sebastian Guttmann, Klaus Schermelleh<br />

Einstellungen zum Schuljahresbeginn<br />

2010<br />

Zum Schuljahresbeginn wurden<br />

im Bereich des <strong>Frankfurt</strong>er Staatlichen<br />

Schulamtes 162 Stellen neu<br />

besetzt, davon 43 im Bereich der<br />

Grundschulen, 25 im Bereich der<br />

HR- und Gesamtschulen, 60 bei<br />

den Gymnasien und 34 in den beruflichen<br />

Schulen.<br />

Die Neubesetzungen sind zu<br />

großen Teilen der Tatsache geschuldet,<br />

dass ältere Kolleginnen und<br />

Kollegen in den wohlverdienten<br />

Ruhestand oder in die Passivphase<br />

der Altersteilzeit eintreten. So<br />

verließen uns im Sommer 202 Personen<br />

wegen Altersteilzeit und 77<br />

Personen gingen in den (teilweise<br />

auch vorgezogenen) Ruhestand, 3<br />

Menschen verstarben vor Erreichen<br />

des Ruhestands.<br />

Wir freuen uns über die jungen<br />

Kolleginnen und Kollegen, die mit<br />

Zuversicht und viel Elan ins Berufsleben<br />

starten.<br />

Zurzeit ist das Schulamt noch<br />

mit der Nachbilanzierung beschäftigt.<br />

D.h., es wird geprüft, ob die<br />

Schülerzahlen den vor den Sommerferien<br />

gestellten Prognosen entsprechen<br />

oder ob zu viel / zu wenig<br />

angekommen sind. In beiden<br />

Fällen beabsichtigt das Schulamt,<br />

nachzubessern. Das bedeutet, dass<br />

Schulen, die mehr Schüler prognostiziert<br />

hatten, als tatsächlich<br />

angekommen sind, damit rechnen<br />

müssen, dass sie die „zu viel zugewiesene<br />

Unterrichtsversorgung“<br />

bei erstbester Gelegenheit wieder<br />

abgeben müssen. Diejenigen, die<br />

Klassenmehrbildungen vorzuweisen<br />

haben, sollen so bald wie möglich<br />

versorgt werden.<br />

Das Ganze erfolgt unter dem<br />

Gebot, dass der Mangel möglichst<br />

gleichmäßig verteilt wird. Denn bekannt<br />

ist, dass den Schulen gerade<br />

eben das Nötigste zugewiesen wird,<br />

um die Stundentafel abzudecken.<br />

Ein Mehr an Stellen, die der Unterrichtsversorgung<br />

zugute kommen<br />

könnten, ist nirgends zu sehen, abgesehen<br />

davon, dass die Abschaffung<br />

der „Sternchen-Regelung“ für<br />

die ersten und fünften Klassen nunmehr<br />

in die zweite Runde geht. In<br />

manchen Bereichen wurden in der<br />

Zuweisung durch das Kultusministerium<br />

leichte Kürzungen vorgenommen,<br />

so z.B. bei den Stellen<br />

für Schulen mit hohem Zuwanderungsanteil<br />

(minus 3 Stellen) oder<br />

den Stellen für die Drogenberatung<br />

(minus 3,7 Stellen), die regionale<br />

Lehrerfortbildung (minus 1,85<br />

Stellen), die „Qualitätssicherung<br />

Grundschule“ (minus 0,5 Stellen)<br />

sowie die Fachberatung (minus 4,9<br />

Stellen). So etwas fließt heutzutage<br />

in HKM-Projekte wie z.B. die Führungsakademie<br />

oder wird für so<br />

genannte „Schulentwicklungsberater“<br />

zurückgehalten, von denen<br />

jetzt auch 4 Personen mit halber<br />

Stelle ihre „segensreiche“ Wirkung<br />

im Schulamtsbereich <strong>Frankfurt</strong> entfalten<br />

sollen.<br />

Kommentar: Bekanntlich helfen<br />

ja auch Unternehmensberater<br />

den Unternehmen wirklich weiter,<br />

so z.B., indem in Folge ihrer<br />

Beratung „betriebsbedingte Entlassungen“<br />

durchgeführt werden.<br />

Bleibt abzuwarten, was die Schulentwicklungsberater<br />

nun den Schulen<br />

bescheren – sicher nichts, was<br />

wir dringend brauchen!<br />

Lehrermangel?<br />

Wurde im letzten Schuljahr noch<br />

das Lied vom Lehrermangel gesungen,<br />

so zeigt sich die Situation<br />

in diesem Jahr bei weitem nicht<br />

mehr so angespannt. Die Kolle-<br />

Nachrichten ...<br />

FLZ Nr. 3/10<br />

ginnen und Kollegen, die Interesse<br />

an einer Einstellung im HR-,<br />

Gymnasial- und beruflichen Bereich<br />

hatten, konnten nahezu alle<br />

eingestellt werden. Mangel zeichnet<br />

sich im HR-Bereich und bei<br />

den Gymnasien in den Fächern<br />

Physik, Chemie, Mathematik ab,<br />

in den beruflichen Schulen in den<br />

Fachrichtungen Elektrotechnik,<br />

Metall, Gesundheit sowie den Fächern<br />

Chemie, Physik, Deutsch,<br />

Englisch, Biologie, Ethik. Dennoch<br />

geht das Schulamt davon<br />

aus, dass am Ende alle offenen<br />

Stellen im Schulamtsbereich besetzt<br />

werden können. Der 10%-Erlass<br />

muss nicht angewendet werden,<br />

und auch der Einstieg in die<br />

Schule über die Quereinsteiger-<br />

Verordnung beschränkt sich auf<br />

derzeit 5 Fälle in Randbereichen.<br />

Das Schulamt teilt allerdings mit,<br />

dass es nach wie vor schwer ist,<br />

qualifizierte Bewerber für befristet<br />

zu vergebende Vertretungsverträge<br />

zu finden. Wen wundert‘s?<br />

Arbeitsschutz<br />

Während der Schulamtsbereich<br />

<strong>Frankfurt</strong> vor einigen Jahren hessenweit<br />

vorn lag, trägt er derzeit<br />

die rote Laterne. Durch häufigen<br />

Wechsel der Zuständigkeiten bei<br />

den Dezernenten und den Ruhestandsbeginn<br />

desjenigen Kollegen,<br />

der im Schulamt mit diesem Thema<br />

betraut war, liefen zuletzt alle<br />

Fragen und Anliegen des Gesamtpersonalrats<br />

ins Leere. Die Dezernentenzuständigkeit<br />

wurde nun<br />

neu mit Franz-Josef Klar besetzt,<br />

der als Stellvertretender Schulleiter<br />

der Friedrich-Ebert-Schule an<br />

das Schulamt abgeordnet wurde,<br />

um dort den Sek-I-Bereich zu<br />

verstärken. Erneut haben wir die<br />

Hoffnung, nun wieder ein offenes<br />

Ohr für unsere Anliegen zu finden.<br />

Insbesondere der Kontakt mit dem<br />

Schulträger muss auch durch das<br />

Staatliche Schulamt verstärkt werden.<br />

Aber auch Begehungen, zu denen<br />

die Fachkräfte für Arbeitssicherheit<br />

des „Medical Airport<br />

Service“ verpflichtet sind, werden<br />

zurzeit offenbar vernachlässigt.<br />

Fragebogen zur Gefährdungsanalyse<br />

Vor einigen Jahren hat die <strong>GEW</strong>-<br />

Fraktion im Gesamtpersonalrat einen<br />

Fragebogen entwickelt, der den Schulen<br />

zur Erhebung der psychischen Belastungen<br />

empfohlen wurde. Diese<br />

Erhebung ist Teil der durch die Arbeitsschutz-Gesetzgebungverpflichtend<br />

vorgeschriebenen Gefährdungsanalyse<br />

und dient der Aufdeckung<br />

von schulischen Problemen, die den<br />

Kolleginnen und Kollegen auf der<br />

Seele liegen. Viele Schulen haben sich<br />

dieses Instruments bedient, andere<br />

haben es abgelehnt, weil sie die Arbeit<br />

der Auswertung fürchteten. Das<br />

Kultusministerium stellt auf der Seite<br />

„Schule und Gesundheit“ nunmehr<br />

den Fragebogen mit einer online-Auswertungsmöglichkeit<br />

zur Verfügung.<br />

Man findet diesen Fragebogen unter<br />

http://www.schuleundgesundheit.<br />

hessen.de/themen/arbeitsschutz-arbeitssicherheit-gesundheitsschutz.html,<br />

dort muss man „Kollegiumsbefragungsmodul“<br />

anklicken.<br />

A 14-Stellen<br />

Im Mai kam aus dem HKM die freudige<br />

Botschaft, es gebe eine zusätzliche<br />

Tranche A14-Stellen. D.h., zu<br />

den üblichen Ersatz-Besetzungen<br />

auf frei gewordenen Stellen wurden<br />

weitere 35 Stellen ausgeschrieben<br />

und auch besetzt. Gegen Ende<br />

des Schuljahrs legte Wiesbaden<br />

dann den Rückwärtsgang ein und


FLZ Nr. 3/10 SEITE 9<br />

ließ wissen, dass für die zusätzlichen<br />

Stellen nun doch „kein Geld da“ sei.<br />

Da <strong>Frankfurt</strong> ein bisschen zu schnell<br />

war, wird nun der nächste Beförderungstermin<br />

ignoriert, da die bis dahin<br />

freiwerdenden Stellen durch die<br />

Vorwegnahme schon aufgebraucht<br />

sind. Die nächste A14-Stellenausschreibung<br />

läuft im November für<br />

den Termin 01. 10. 2011.<br />

Kinder mit ungeklärtem<br />

Aufenthaltsstatus<br />

Im Dezember 2009 erschien im<br />

Amtsblatt eine Verordnung, nach<br />

der Kinder mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus<br />

in den Schulen nicht<br />

mehr die Pflicht haben sollen, Pass<br />

oder Meldebescheinigung vorzulegen.<br />

Seitdem sperrt sich das Schulamt,<br />

diese Verordnung umzusetzen.<br />

Immer neue Tricks werden erfunden,<br />

um die Kinder und deren<br />

Eltern doch unter Druck setzen zu<br />

können. Zuletzt wurden ein „Identitätsnachweis“<br />

und ein „Adressnachweis“<br />

gefordert. Der Gesamtpersonalrat<br />

hat empfohlen, sich an<br />

den Regelungen der Kitas zu orientieren,<br />

die solche Papiere nicht<br />

fordern.<br />

Kinder mit nichtdeutscher<br />

Herkunft<br />

Wie schon unter der Überschrift<br />

„Einstellungen“ berichtet, wurden<br />

die Stellen zur Unterstützung<br />

dieser Kinder von 192 auf 189 gekürzt.<br />

Erstmals wurden diese Stellen<br />

in diesem Jahr allein durch das<br />

Schulamt verteilt (bisher wurde etwa<br />

die Hälfte von Wiesbaden aus<br />

Nach einer Studie der Studie<br />

der Evangelischen FachhochschuleLudwigshafen<br />

(2005) leben allein in<br />

<strong>Frankfurt</strong> 25.000 bis 40.000<br />

Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus,<br />

fünf bis zehn<br />

Prozent davon seien Kinder<br />

und Jugendliche. Zu ihnen<br />

gehören auch SchülerInnen,<br />

die nach der Schulaufnahme<br />

ihren Aufenthaltsstatus<br />

bzw. ihre Duldung verloren<br />

und von Abschiebung bedroht<br />

sind.<br />

Im Herbst 2008 beschloss<br />

der hessische Landtag, ausländischen<br />

Kindern und Jugendlichen<br />

ohne Aufenthaltsstaus<br />

gemäß der UN-Kinderrechtskonvention<br />

das Recht<br />

auf Bildung zuzugestehen<br />

und ihnen die Schulaufnahme<br />

zu ermöglichen. Ein Jahr<br />

später veränderte das Hessische<br />

Kultusministerium im<br />

Dezember 2009 die „Verordnung<br />

zum Schulbesuch von<br />

Schülerinnen und Schülern<br />

nichtdeutscher Herkunftssprache<br />

vom 05. 08. 2008“:<br />

die Schulämter, bzw. die<br />

Schulleitungen verzichten bei<br />

der Schulaufnahme auf die<br />

Vorlage einer Meldebescheinigung<br />

und öffnen die Türen<br />

für junge, statuslose Men-<br />

direkt zugewiesen). Die Verteilkriterien<br />

sind unklar, die Verantwortlichkeiten<br />

werden verwischt. Die<br />

<strong>GEW</strong>-Fraktion im Gesamtpersonalrat<br />

bemüht sich derzeit, Licht<br />

in dieses Dunkel zu bringen.<br />

Lehrkräfte für Kinder mit<br />

Seiteneinsteigerstatus<br />

Bei einer Versammlung dieser<br />

Lehrkräfte vor ca. eineinhalb<br />

Jahren wurden wir auf das Problem<br />

aufmerksam, dass im Bereich<br />

„Deutsch als Zweitsprache“<br />

sechs Kolleginnen beschäftigt sind,<br />

die, obwohl der Zuweisungserlass<br />

für diese Arbeit eigens Stellen zur<br />

Verfügung stellt, lediglich befristete<br />

Verträge haben, in denen ein<br />

Vertretungsgrund genannt ist. Diese<br />

Ungerechtigkeit traf vor allem<br />

Menschen, die selbst einen Migrationshintergrund<br />

haben, die Schwierigkeiten<br />

beim Deutsch-Lernen am<br />

eigenen Leibe erfahren haben und<br />

sich deshalb den Kindern besonders<br />

verständnisvoll zuwenden können.<br />

Wir haben den Sachverhalt dem<br />

Schulamt vorgetragen und angeregt,<br />

dass diese Menschen auf unbefristete<br />

Stellen eingestellt werden.<br />

Dabei trafen wir auf diverse Probleme,<br />

die z.T. rechtlicher Natur<br />

waren, z.T. aber auch darauf beruhten,<br />

dass zunächst einmal alle<br />

Beteiligten dieses Anliegen gemeinsam<br />

vertreten mussten.<br />

Zum Schuljahresbeginn 2010<br />

können wir berichten, dass drei der<br />

sechs nunmehr unbefristete Verträge<br />

haben. Dies ist nicht zuletzt der<br />

Hartnäckigkeit der <strong>GEW</strong>-Frakti-<br />

schen, die unter prekären sozialen<br />

Bedingungen ein Schattenleben<br />

in ständiger Angst vor Entdeckung<br />

führen.<br />

Nach dem Film „Illegalität<br />

und Abschiebung“ werden Hildegund<br />

Niebch (Referat Flucht und<br />

Migration beim Diakonischen<br />

Werk in Hessen und Nassau) und<br />

der in Flüchtlingsinitiativen tätige<br />

Rechtsanwalt Dominik Bender<br />

über die soziale und juristische<br />

Situation von Menschen „ohne<br />

Papiere“ referieren. Dabei werden<br />

wir auch den Umgang und<br />

Umfang der Übermittlungspflichten<br />

von Schulleitungen beraten,<br />

die Ausländerbehörde über den<br />

illegalen Aufenthalt von Statuslosen<br />

zu informieren.<br />

Am Nachmittag wollen wir<br />

nach dem Erfahrungsbericht einer<br />

ehemals illegalisierten Jugendlichen<br />

die Fragen beraten:<br />

n Welche Hilfestellungen zur<br />

Bewältigung der schwierigen<br />

Schul-und Alltagssituation<br />

sollten Schulämter, Schulleitungen,<br />

die unterrichtenden<br />

LehrerInnen, Jugendämter<br />

anbieten, wenn sie diesen<br />

jungen Menschen gerecht<br />

werden wollen?<br />

... aus dem Gesamtpersonalrat<br />

on zu verdanken, wohl aber auch<br />

einzelnen Personen in den Schulen<br />

und im Schulamt, die den Weg mit<br />

ebnen geholfen haben.<br />

Befristete Verträge für<br />

Tarifbeschäftigte (I)<br />

Von den 566 Personen, die am Ende<br />

des vergangenen Schuljahres in<br />

einem befristeten Vertrag tätig waren,<br />

bekamen 379 die Sommerferien<br />

bezahlt. Dies entspricht 67%<br />

(im letzten Jahr waren es 80%).<br />

Evtl. muss da noch nachgebessert<br />

werden. Die <strong>GEW</strong>-Fraktion im Gesamtpersonalrat<br />

bietet Betroffenen<br />

Beratung an, auch der Erlass über<br />

die Sommerferienbezahlung kann<br />

zur Verfügung gestellt werden.<br />

Befristete Verträge für<br />

Tarifbeschäftigte (II)<br />

Nach wie vor ist der Umgang des<br />

Schulamtes mit dem neuen Tarifvertrag<br />

Hessen unbefriedigend.<br />

Das Verfahren, nach dem die<br />

Schulpersonalräte ihr Mitbestimmungsrecht<br />

ausüben, wurde zwar<br />

durch eine Verfügung geklärt, findet<br />

in der Praxis aber häufig nicht<br />

statt. Das Schulamt räumt den<br />

Schulpersonalräten auf einem<br />

Formblatt die Mitbestimmung bei<br />

der Festlegung der Entgeltstufe ein.<br />

Dieses Formblatt liegt weiterhin<br />

vielen Personalräten nicht vor. Sie<br />

werden nicht zur Mitbestimmung<br />

aufgefordert, oder sie erhalten das<br />

Blatt erst, nachdem bereits der Arbeitsvertrag<br />

unterschrieben ist. Die<br />

Unterlagen, die sie zur Beurteilung<br />

benötigen, werden ihnen nicht zur<br />

n Wie können Schulgemeinden<br />

auf drohende Abschiebungen<br />

reagieren?<br />

n Welche Unterstützung bieten<br />

Kirchen, Sozialdienste und<br />

Flüchtlingsinitiativen?<br />

Das Seminar richtet sich an<br />

LehrerInnen, SozialarbeiterInnen,<br />

hauptamtliche und ehrenamtliche<br />

MitarbeiterInnen<br />

von Flüchtlingsinitiativen sowie<br />

an Eltern und SchülerInnen, die<br />

sich für jugendliche Flüchtlinge<br />

engagieren.<br />

Seminarleitung:<br />

Angelika Wahl<br />

Entgelt:<br />

27,- Euro,<br />

Mitglieder der <strong>GEW</strong>:<br />

10,- Euro<br />

Die <strong>GEW</strong> fördert die Teilnahme<br />

ihrer Mitglieder an diesem lea-<br />

Bildungsangebot, wenn sie keine<br />

Kostenübernahme von ihrem Arbeitgeber<br />

erhalten.<br />

Anmeldung:<br />

Telefon: 069-971293-27<br />

Fax: 069-971293-97<br />

e-mail:<br />

anmeldung@lea-bildung.de<br />

Verfügung gestellt. Der Vorgang<br />

der Einstellung wird zeitlich vom<br />

Zeitpunkt der Eingruppierung und<br />

Einstufung abgetrennt.<br />

Die <strong>GEW</strong>-Fraktion im Gesamtpersonalrat<br />

sieht auch ein Mitbestimmungsrecht<br />

des Schulpersonalrates<br />

bei der Festlegung der Entgeltgruppe<br />

(nicht nur der Entgeltstufe,<br />

wie vom Schulamt behauptet).<br />

Dieses wird derzeit vom Schulamt<br />

noch bestritten.<br />

Sowohl Eingruppierung als auch<br />

Einstufung erfolgen nach Rückmeldungen<br />

von Einzelpersonen teilweise<br />

fehlerhaft. Das Schulamt berichtigt<br />

die Fehler teilweise, bleibt aber in<br />

anderen Fällen auch bei seiner Meinung.<br />

Schulpersonalräten kann nur<br />

geraten werden, mit Hinweis auf<br />

die tariflichen und erlasslichen Regelungen<br />

eine fehlerhafte Einstufung<br />

schriftlich begründet abzulehnen.<br />

Wir raten dazu, sich nicht von Drohungen<br />

einschüchtern zu lassen, dass<br />

die Beschäftigung der betreffenden<br />

Person gefährdet sei, wenn der Schulpersonalrat<br />

die Einstufung ablehne!!<br />

Das Schulamt behauptet in seiner<br />

Verfügung, Unterrichtserfahrungen<br />

bei einem anderen Arbeitgeber<br />

könnten bei der Einstufung<br />

berücksichtigt werden. Tatsache ist<br />

aber, dass sie berücksichtigt werden<br />

müssen.<br />

Außerdem will das Schulamt<br />

Vorerfahrungen nur anerkennen,<br />

wenn die Tätigkeit mit mehr als einer<br />

2/5-Stelle ausgeübt wurde. Für<br />

diese Position gibt es jedoch keine<br />

Rechtsgrundlage. Vorerfahrungen<br />

müssen auch bei geringerem Be-<br />

Nichtinanspruchnahme von<br />

Stellenhebungen<br />

Nicht in Anspruch genommene VSS-Mittel<br />

Internatsschule Schloss Hansenberg<br />

Schulsport<br />

Internationale Angelegenheiten /<br />

Austauschmaßnahmen<br />

Qualitätssicherung in der Schule<br />

Medien im Unterricht<br />

Elternfortbildung zu<br />

Erziehungsvereinbarungen<br />

Landesstelle Groß-Gerau<br />

Jedem Kind ein Instrument<br />

Sonderdruck Hessische Verfassung<br />

(künftig Finanzierung aus Lernmittel)<br />

Personalausgabenbudget<br />

Entnahme noch vorhandener Rücklagen<br />

Summe Kapitel 04 59:<br />

schäftigungsumfang berücksichtigt<br />

werden. Schulpersonalräte sollten<br />

deshalb begründet ablehnen, wenn<br />

eine Person mit z.B. 8 Stunden seit<br />

Jahren an der Schule beschäftigt ist<br />

und trotzdem im neuen Vertrag nur<br />

die Entwicklungsstufe 1 bekommt.<br />

Weiter hat die <strong>GEW</strong>-Fraktion<br />

im Gesamtpersonalrat das Schulamt<br />

aufgefordert, Transparenz<br />

darüber zu schaffen, wenn Gestaltungsspielräume<br />

bei der Einstufung<br />

genutzt werden. Die <strong>GEW</strong>-Fraktion<br />

fordert die Möglichkeit ein,<br />

die Nutzung solcher Spielräume im<br />

Sinne von Gleichbehandlung offen<br />

zu legen. Dies wird vom Schulamt<br />

derzeit verweigert.<br />

Gleichwohl erhielten wir die<br />

Zusage, im Herbst in einer „Evaluationsgruppe“<br />

all diese Probleme<br />

ansprechen zu wollen.<br />

Sollten die Probleme in dieser<br />

Gruppe nicht einvernehmlich gelöst<br />

werden, muss über die Möglichkeit<br />

des Beschlussverfahrens und/<br />

oder eines Initiativantrags nachgedacht<br />

werden.<br />

Die <strong>GEW</strong>-Fraktion hat am<br />

16. September in einer Veranstaltung<br />

für Tarifbeschäftigte die Betroffenen<br />

über all diese Probleme<br />

informiert. Gleichwohl bitten wir<br />

weiterhin alle Betroffenen bzw. deren<br />

Personalräte, uns über Differenzen<br />

bei der Eingruppierung und<br />

Einstufung zu informieren, damit<br />

wir einen Überblick über die auftretenden<br />

Probleme bekommen<br />

und diese einer Lösung zuführen<br />

können.<br />

Geplante Kürzungen<br />

im Schulbereich des<br />

Landeshaushalts 2011<br />

2.835.000,00 Euro<br />

9.315.000,00 Euro<br />

50.000,00 Euro<br />

200.000,00 Euro<br />

100.000,00 Euro<br />

150.000,00 Euro<br />

500.000,00 Euro<br />

75.000,00 Euro<br />

160.000,00 Euro<br />

800.000,00 Euro<br />

49.700,00 Euro<br />

17.846.600,00 Euro<br />

8.749.000,00 Euro<br />

40.830.300,00 Euro


SEITE 10<br />

Lehrerstellenzuweisung<br />

für das Schuljahr 2010/2011<br />

Der HPRLL gab eine ausführliche<br />

Stellungnahme zur Zuweisung ab,<br />

die bei Interesse angefordert werden<br />

kann.<br />

Haushalt 2011: Erste Informationen<br />

zum Haushaltsentwurf<br />

Erste Informationen des HKM: 500<br />

neue Stellen seien bewilligt. Dazu<br />

kämen Stellengewinne aus Schülerrückgang<br />

und Wegfall von Doppelsetzungen<br />

wegen G8 und G9. Die<br />

Stellen gehen u.a. in die Klassenteiler-Veränderungen,<br />

in die Abdeckung<br />

der Stundentafel der Grundschule<br />

(Fördermaßnahmen) und in<br />

weitere Ganztagsangebote.<br />

Das HKM erklärte, dass die<br />

Lernmittel mit 35 Mio Euro konstant<br />

geblieben seien, aber in der<br />

neuen Haushaltsstruktur auf die<br />

„Produkte“ verteilt seien und dort<br />

in den Sachmitteln auftauchten.<br />

Gleiches gelte für Fortbildungsmittel<br />

mit 1,44 Mio Euro und Reisekosten<br />

mit 1,4 Mio Euro, die auch<br />

gleich geblieben seien.<br />

Der HPRLL stellte fest, dass somit<br />

keine Stellen über die Unterrichtsabdeckung<br />

hinaus zur Verfügung<br />

stünden.<br />

Die Vertretungsmittel seien in<br />

den Personalkosten enthalten. Bei<br />

den Mitteln für VSS seien Kürzungen<br />

von 9,3 Mio Euro und bei<br />

den Vertretungsmitteln Kürzungen<br />

von 17,8 Mio Euro vorgesehen.<br />

Bisher seien 48,2 Mio Euro an Vertretungsmitteln<br />

vorgesehen gewesen.<br />

Von den VSS-Mitteln seien im<br />

letzten Jahr 10,8 Mio Euro nicht<br />

in Anspruch genommen worden.<br />

Durch die Kürzungen bei den Vertretungsmitteln<br />

sei die Grundunterrichtsversorgung<br />

nicht angetastet<br />

und voraussichtlich könnten 1,2<br />

Mio Euro aus den VSS-Mitteln in<br />

2011 für Vertretungen genutzt werden.<br />

Weiterhin wolle man weitere<br />

Einsparungen (3 Mio Euro) durch<br />

verstärkte Nutzung von Leerstellen<br />

für reguläre Einstellungen realisieren.<br />

Bisher seien Leerstellen<br />

nicht besetzt worden und anstelle<br />

dessen Vertretungsverträge abgeschlossen<br />

worden.<br />

Durch eine Frist von drei statt<br />

zwei Monaten bei der Wiederbesetzung<br />

von Funktionsstellen rechne<br />

die Dienststelle mit weiteren Einsparungen<br />

von 1,65 Mio Euro.<br />

Das HKM gehe davon aus,<br />

dass durch „Binnenoptimierung“ in<br />

der einzelnen Schule im Vertretungsfall<br />

weniger Mittel notwendig seien.<br />

Bei Schulen mit Überbesetzung müsse<br />

diese den Vertretungsbedarf aus<br />

dem eigenen Bestand decken. Nach<br />

dem Abitur würden keine Vertretungsverträge<br />

mehr geschlossen.<br />

Jahrgangsteams sollen durch Auslastung<br />

der Drei-Stunden-Regel Vertretungsbedarf<br />

reduzieren.<br />

Die geplanten Kürzungen sind<br />

auf S. 9 dargestellt. Wie man sieht,<br />

wird alles „zusammengekratzt“,<br />

um schön zu rechnen, allerdings<br />

auf Kosten der SchülerInnen und<br />

der KollegInnen.<br />

Das HKM erklärte, dass es beabsichtige,<br />

zum 01. 01. 2011 das<br />

„kleine Schulbudget“ allen Schulen<br />

anzubieten, in der Summe 60<br />

Mio Euro. Es beinhalte die Mittel<br />

für Lehrmittel, VSS, IT-Support<br />

und Fortbildung. Die Teilnahme sei<br />

freiwillig. Das Konto werde beim<br />

StSchA geführt. Die Schulen seien<br />

flexibler in der Verausgabung der<br />

Mittel, dadurch dass die Mittel<br />

gegenseitig deckungsfähig seien<br />

und 100% bis zu drei Jahre in eine<br />

Rücklage fließen könnten. Der<br />

Verwaltungsaufwand solle redu-<br />

Nachrichten aus dem Hauptpersonalrat<br />

ziert werden und die Verantwortung<br />

für die Lehrmittelfreiheit gehe<br />

an die Schule.<br />

Der HPRLL stellte fest, dass<br />

für ihn die Verantwortung für die<br />

Lehrmittelfreiheit immer beim<br />

HKM bleibe.<br />

Auf Nachfrage, wie die Budgetzuweisung<br />

auf die Schulen „heruntergebrochen“<br />

werden solle, erklärte<br />

das HKM, dass es hierzu eine<br />

Arbeitsgruppe im Ministerium<br />

gebe, welche die Berechnungsmodalitäten<br />

erarbeite.<br />

Das Schulgirokonto stehe nur<br />

zur Verbuchung von Drittmitteln<br />

zur Verfügung, nicht für das „kleine<br />

Schulbudget“. Dieses werde vom<br />

zuständigen staatlichen Schulamt<br />

verwaltet, über die Verausgabung<br />

der Mittel entscheide aber die Schule.<br />

Die Überweisung von Landesmitteln<br />

auf das Schulgirokonto sei nicht<br />

beabsichtigt, da das Finanzministerium<br />

aufgrund rechtlicher Vorgaben<br />

eine tägliche Liquiditätsprüfung aller<br />

Konten mit Landesmitteln fordere,<br />

die bei Überweisung auf ein<br />

Schulgirokonto nicht machbar sei.<br />

Der HPRLL kritisierte den Produkthaushalt:<br />

Dieser liefere weniger<br />

Informationen als vorher. Die<br />

Mittelaufschlüsselung für Fortbildung,<br />

Lehrmittel usw. könne nicht<br />

mehr nachvollzogen werden.<br />

Haushaltssperre – Konsequenzen<br />

für den Schulbereich<br />

Das HKM hat auf Nachfrage berichtet,<br />

dass die Vertretungsmittel<br />

für 2010 nicht gekürzt worden<br />

seien. (Allerdings geht das Halbjahr<br />

bis Ende Januar!) Lediglich die<br />

angestrebte Erhöhung von zusätzlichen<br />

250 Beförderungsmöglichkeiten<br />

nach A 14 seien nicht umgesetzt<br />

worden, die ursprünglich<br />

vorgesehenen Beförderungsmöglichkeiten<br />

blieben ungekürzt.<br />

Richtlinien für die Tätigkeit<br />

sozialpädagogischer MitarbeiterInnen<br />

an SfPB und SfKB<br />

Hier musste sich der HPRLL mit<br />

einem ausgesprochen unerfreulichen<br />

Ablauf auseinandersetzen:<br />

Nachdem von juristischer Seite<br />

plötzlich und unerwartet Schwierigkeiten<br />

gemacht wurden, kam das<br />

HKM zur letzten Erörterung mit<br />

einer Vorlage, in der auch bereits<br />

abgesprochene Formulierungen der<br />

Überarbeitung zurück genommen<br />

und sogar die bestehende Richtlinie<br />

verschlechtert werden sollte.<br />

Der HPRLL hat dann seinen<br />

Überarbeitungsvorschlag zurückgezogen<br />

und in einem sehr deutlichen<br />

Schreiben seinen Ärger und<br />

seine Betroffenheit über Inhalt und<br />

Umgang geäußert.<br />

Sonderpädagogische<br />

Zusatzausbildung für<br />

ErzieherInnen und SozialpädagogInnen<br />

Der HPRLL hatte den TOP auf die<br />

TO genommen, da Gerüchte von<br />

einer Beendigung der Zusatzausbildung<br />

(ZA) bis hin zum Abbruch der<br />

laufenden Maßnahme sprachen.<br />

Nach Angaben des HKM ist die<br />

laufende Maßnahme gesichert. Insgesamt<br />

scheint es aber durch personelle<br />

Veränderungen beim HKM/<br />

AfL neue Diskussionen zu geben.<br />

Der HPRLL hat daher dem HKM<br />

die Notwendigkeit der Fortsetzung<br />

der ZA und auch einer darauf folgenden<br />

Aufstiegsmöglichkeit deutlich<br />

gemacht.<br />

Vertretungsreserve<br />

an den Studienseminaren<br />

Der HPRLL hat dazu einen Initiativantrag<br />

gestellt. Das HKM be-<br />

streitet nicht die Notwendigkeit einer<br />

Vertretungsreserve, sieht zurzeit<br />

dieses Problem aber als an den<br />

Seminaren als gelöst an, indem<br />

die Überstunden der Ausbilder als<br />

Mehrarbeit festgehalten würden.<br />

Im Rahmen der Novellierung des<br />

Hessischen Lehrerbildungsgesetzes<br />

sollen Vertretungsstunden über einen<br />

Faktor ausgewiesen werden,<br />

der sich an einer durchschnittlichen<br />

Planzahl für Krankheitszeiten orientieren<br />

soll. Das HKM bestreitet<br />

allerdings, dass die Vorlage des<br />

HPRLL als Initiativantrag dem<br />

§74 (1) Nr.2 HPVG genüge. Der<br />

HPRLL verzichtet vorerst auf eine<br />

gerichtliche Klärung.<br />

Quereinsteiger-Verordnung<br />

Der HPRLL musste feststellen, dass<br />

das besondere berufsbegleitende Verfahren<br />

zum Erwerb einer einem Lehramt<br />

gleichgestellten Qualifikation immer<br />

mehr Probleme offenbart. Das<br />

HKM bestätigte, dass den Studienseminaren<br />

2,4 Stunden pro Quereinsteiger<br />

für die Gesamtdauer der Qualifizierung<br />

zustünden. Die Schulen erhielten<br />

6 Stunden je Quereinsteiger.<br />

Die Verteilung dieser Stunden nehme<br />

die jeweilige Schule vor.<br />

Der HPRLL bittet um Informationen<br />

über Auffälligkeiten, Besonderheiten<br />

oder Kritik bei der Umsetzung<br />

der VO an den Schulen.<br />

„Abgeschlossene Lehrerausbildung<br />

nicht zwingend erforderlich“<br />

Diese Formulierung für Vertretungsverträge<br />

auf der Homepage des<br />

HKM hat der HPRLL kritisiert. Das<br />

HKM hat eine Änderung zugesagt.<br />

Transferkonzept „SBS“<br />

Der HPRLL hat das Transferkonzept<br />

einstimmig abgelehnt (s. S. 11)<br />

Landesrechnungshof mischt<br />

sich ein<br />

Entgegen der Darstellung des Rechnungshofes,<br />

seine Einsparvorschläge<br />

zu Lasten der Lehrerarbeitszeit<br />

würden vom HKM verfolgt, erklärte<br />

das HKM, dass es derzeit keine<br />

grundlegende Debatte über die<br />

Neuordnung der Lehrerarbeitszeit,<br />

wie 2003 geschehen, anstrebe.<br />

Erlass über die Zusammenarbeit<br />

von Schule und Betrieb<br />

Darüber wurde ausführlich berichtet.<br />

Das HKM legte einen weiteren<br />

Entwurf vor. Leider sind die Einwendungen<br />

des HPRLL nur marginal<br />

übernommen worden. Das<br />

HKM hat die vielfältigen Ergänzungsvorschläge<br />

trotz langer Bearbeitungszeit<br />

nicht aufgenommen.<br />

Beispielhaft genannt seien hier die<br />

Forderungen hinsichtlich der Freistellung<br />

der betreuenden Lehrkräfte,<br />

der Einbeziehung der Gesamtkonferenz<br />

bei der Planung, der Regelung<br />

der Besuche am Arbeitsplatz<br />

und der Durchführung eines Auswertungstages<br />

zur Halbzeit des<br />

Praktikums. In der Summe monierte<br />

der HPRLL die Senkung von<br />

Qualität und eine Steigerung der<br />

Areitsbelastung mit diesem Erlass.<br />

Fachschule für Sozialwesen<br />

Ein Verordnungsentwurf über die<br />

Ausbildung und die Prüfungen an<br />

der „Fachschule für Sozialwesen“<br />

wurde ausführlich erörtert. Das<br />

HKM sagte zu, die Kritikpunkte<br />

des HPRLL zu prüfen (z.B. Regelungen<br />

zur mündlichen Prüfung,<br />

Anzahl der notwendigen Prüfungsvorschläge,<br />

Beteiligungsrechte der<br />

Konferenzen bei der Wahl der Organisationsformen).<br />

Der HPRLL<br />

kritisierte, dass in der Stundenta-<br />

fel die sozialpädagogische Praxis<br />

unberücksichtigt bleibe.<br />

Der HKM verwies auf die Entlastung<br />

durch Unterrichtsausfall<br />

während des Praktikums.<br />

Grundsätzlich widerspricht<br />

die VO nach Ansicht des HPRLL<br />

dem HSchG, das in § 42, „Fachschulen“,<br />

aber keine „Fachschule<br />

für Sozialwesen“ kennt. Das HKM<br />

wurde aufgefordert, die VO zurückzuziehen,<br />

solange die rechtlichen<br />

Grundlagen fehlen.<br />

Rechtsstreitigkeiten von<br />

Personalräten<br />

Die Landesregierung hatte beabsichtigt,<br />

Rechtsstreitigkeiten von<br />

Personalräten beim Verwaltungsgericht<br />

Kassel zu konzentrieren.<br />

Da der HPRLL in den letzten<br />

Jahren doch einige Verfahren vor<br />

dem Verwaltungsgericht Wiesbaden<br />

gegen das HKM anstrengen<br />

musste und auch gewonnen hat,<br />

wäre die Verlagerung nach Kassel<br />

problematisch geworden.<br />

Das Justizministerium hat auf<br />

die Stellungnahme des HPRLL<br />

geantwortet, dass eine Konzentration<br />

der PR-Verfahren beim VG<br />

Kassel nicht weiter verfolgt werde.<br />

UN-Übereinkommen über die<br />

Rechte von Menschen mit<br />

Behinderungen<br />

Zur Umsetzung des Übereinkommens<br />

hat das HKM eine landesweite<br />

Arbeitsgruppe eingesetzt.<br />

Der HPRLL hat Angela Scheffels<br />

für die Arbeitsgruppe benannt. Eine<br />

erste inhaltliche Positionierung<br />

des HPRLL umfasst die Forderung,<br />

dass jedes Kind Anspruch auf Beschulung<br />

in der Regelschule hat,<br />

dass dort, wo dies geschieht, Regel-<br />

und Förderschullehrer doppelt<br />

besetzt sind und dass es keine Ausgrenzung<br />

aufgrund der Schwere der<br />

Behinderung geben darf.<br />

Gemeinsamer Unterricht<br />

Der GPRLL Hochtaunus-Wetterau<br />

hat beim Verwaltungsgericht Gießen<br />

ein Verfahren wegen Nicht-<br />

Beteiligung bei Abordnungen im<br />

GU gewonnen. Die Begründungen<br />

des StSchA in diesem Verfahren,<br />

dass Förderschullehrkräfte im GU<br />

keinen eigenständigen Unterricht<br />

machen, waren für den HPRLL<br />

Grund, dies auf die Tagesordnung<br />

zu nehmen. Da das HKM in der<br />

Sitzung am 24. 09. 2010 nicht erörtern<br />

wollte, hat der HPRLL zumindest<br />

seine Erwartung deutlich<br />

gemacht, dass das StSchA keine Beschwerde<br />

gegen das Urteil einlegt.<br />

Der HPRLL stellte klar, dass die<br />

Argumentation des StSchA, wonach<br />

gemeinsamer Unterricht kein<br />

eigenverantwortlicher Unterricht<br />

der Förderschullehrkräfte sei, sondern<br />

nur Beratungstätigkeiten beinhalte,<br />

nicht haltbar sei und verwies<br />

auf die Verordnung und die Lehrerzuweisung.<br />

Die Begründung des<br />

StSchA sei weder konform mit der<br />

Herbert Storn,<br />

Hans-Böckler-Schule (212-34409),<br />

Tel. 06101-50 02 68,<br />

Herbert.Storn@t-online.de<br />

FLZ Nr. 3/10<br />

Verordnung über die sonderpädagogische<br />

Förderung noch mit dem<br />

Hessischen Schulgesetz.<br />

Das HKM saget eine Prüfung<br />

zu. Die inhaltliche Auseinandersetzung<br />

steht also noch aus.<br />

Verknüpfung von LUSD und SAP?<br />

Der HPRLL lehnt die geplante Einrichtung<br />

einer Schnittstelle zwischen<br />

beiden Systemen ab. Er sieht<br />

keine Verbesserung, sondern eher<br />

eine Verschlechterung der Datenlage<br />

für die Schulen, da die Daten der<br />

LUSD bisher die aktuellen und die<br />

richtigen waren, und selbst die Meldung<br />

an die Schulämter zur Korrektur<br />

der SAP-Daten oft unvollständig,<br />

verspätet und manchmal<br />

nie umgesetzt wurden.<br />

Die Aussage des HKM, dass<br />

die Schulämter unter Druck gesetzt<br />

werden sollen, korrekte und<br />

schnelle Daten für SAP zu garantieren,<br />

solle nicht auf dem Rücken<br />

der Schulen erreicht werden (sondern<br />

über eine bessere Personalausstattung<br />

an den Ämtern).<br />

Anfragen des HPRLL<br />

n Der HPRLL hat auf die Ablehnung<br />

der Lehrpläne für die Gymnasiale<br />

Oberstufe durch den Landeselternbeirat<br />

verwiesen, der im<br />

Gegensatz zum HPRLL ein qualifiziertes<br />

Beteiligungsrecht habe.<br />

Jetzt könne nur das Kabinett<br />

die kritisierten Pläne trotzdem in<br />

Kraft zu setzen. Angesichts des<br />

Zeitlaufs sei dies eine schwierige<br />

Situation für die Schulen,<br />

die noch nicht wissen, auf welcher<br />

Grundlage nach den Sommerferien<br />

weitergearbeitet werden<br />

solle. Der HPRLL hat nach<br />

dem Bezugserlass gefragt.<br />

n Der HPRLL hat schriftlich nach<br />

Stand, Ergebnissen, Personalausstattung,<br />

Konsequenzen etc. der<br />

Schulinspektionen gefragt.<br />

n Der HPRLL hat kritisiert, dass<br />

wieder vermehrt Kolleginnen<br />

und Kollegen mit befristeten<br />

Lehraufträgen keine Sommerferienbezahlung<br />

erhalten.<br />

n Der HPRLL hat das HKM aufgefordert,<br />

die Gerüchte um die<br />

Umstrukturierung der staatlichen<br />

Schulämter aufzuklären.<br />

Das HKM verwies auf die Zuständigkeit<br />

des Hauptpersonalrats<br />

Verwaltung und verwies auf<br />

eine Kommission, die den Auftrag<br />

hat, die Schulaufsicht und<br />

-verwaltung neu zu strukturieren.<br />

Das HKM wollte sich nicht<br />

dazu äußern, ob es bei einer früher<br />

gemachten Aussage bleibe,<br />

bis zum Ende der Legislatur keine<br />

Staatlichen Schulämtern aufzulösen.<br />

n Der HPRLL hat der Dienststelle<br />

eine Anfrage zu den Realschulabschlussprüfungen<br />

gesandt. Die<br />

Antwort steht noch aus.<br />

n Der HPRLL hat nach dem Erlass<br />

zur Benennung von Kulturbeauftragten<br />

an Schulen gefragt.<br />

Susanne Hoeth,<br />

Frauenhofschule (212-33059),<br />

Tel. 069-61 47 06,<br />

Susanne.Hoeth@gmx.de


FLZ Nr. 3/10 SEITE 11<br />

Stellungnahme des HPRLL<br />

zum Transferkonzept<br />

„Selbstverantwortliche<br />

Berufliche Schulen<br />

(SBS) in Hessen“<br />

Der HPRLL hat sich im Verlauf des<br />

Modellprojektes „Selbstverantwortung<br />

plus“ seit 2005 mehrfach kritisch<br />

dazu geäußert, zuletzt in seiner<br />

Stellungnahme vom 17. 12.<br />

2009.<br />

Wenn jetzt „auf der Grundlage<br />

spezieller Erfahrungen der 17 Modellprojekt-Schulen“<br />

allen beruflichen<br />

Schulen in Hessen angeboten<br />

werden soll, sich „zur Teilnahme<br />

am Transferprozess“ der den SV-<br />

Plus-Schulen vorgegebenen „Handlungsfelder“<br />

anzumelden (Amtsblatt<br />

8/2010), so gilt die bisher geäußerte<br />

Kritik am Modellprojekt<br />

auch dem Transferprozess.<br />

Der HPRLL wiederholt seine<br />

Kritik an der nicht belegten<br />

Behauptung sowohl des Modell-<br />

Projekts als auch des Transferkonzepts,<br />

wonach die Umsetzung der<br />

beschriebenen Handlungsfelder<br />

„wichtige Qualitätsprozesse zur<br />

Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrages<br />

optimiert“.<br />

Bisher existieren keine dem<br />

HPRLL bekannten wissenschaftlich<br />

fundierten Belege darüber, dass<br />

die Umsetzung der o.a. Handlungsfelder<br />

zu einer Verbesserung der Bedingungen<br />

von Schülerinnen und<br />

Schülern oder von Lehrkräften oder<br />

gar zu besseren Lernergebnissen geführt<br />

hätte. Die Verbesserungen,<br />

die es in sv+-Schulen geben mag,<br />

sind im Wesentlichen auf die zusätzlichen<br />

Stellen für die Durchführung<br />

des Modellversuchs zurückzuführen<br />

und Rückmeldungen von<br />

den Schulpersonalräten der sv+-<br />

Schulen weisen darauf hin, dass die<br />

Vorgaben der Handlungsfelder von<br />

sv+ zu Mehrbelastungen und zur<br />

Einschränkung bei der Entwicklung<br />

der Schulen geführt haben.<br />

Bereits in dem kurzfristig von<br />

der Kultusministerin ‚zur Überarbeitung’<br />

zurückgezogenen Arbeitsbericht<br />

der Projektgruppe ‚Eigenverantwortliche<br />

Schule’ vom 30.<br />

01. 2009 wird zusammenfassend<br />

festgestellt: „Einen direkten Zusammenhang<br />

zwischen erhöhter<br />

Eigenverantwortlichkeit der Schulen<br />

und dem erfolgreicheren Erreichen<br />

pädagogischer Ziele konnte<br />

die Projektgruppe bei ihrer Bestandsaufnahme<br />

allerdings nicht<br />

ermitteln“.<br />

Ähnlich äußerte sich auch die<br />

für die wissenschaftliche Begleitung<br />

beauftragte Professorin Ute<br />

Clement auf der Regionalkonferenz<br />

zum Transferprozess am 21.<br />

06. 2010 in Dreieich: Es gibt keinen<br />

wissenschaftlich belegten Zusammenhang<br />

zwischen mehr Selbständigkeit<br />

von Schulen und erfolgreicherem<br />

pädagogischen Handeln.<br />

Darüber hinaus lehnt der<br />

HPRLL das Transferkonzept aus<br />

den folgenden Gründen ab:<br />

1. Ein Qualitätsmanagementsystem<br />

führt nicht automatisch zu besserer<br />

Qualität, sondern produziert<br />

Qualitätshandbücher. Ein zertifizierbaresQualitätsmanagementsystem<br />

erfordert zudem Ressourcen<br />

und führt ohne zusätzliche<br />

Ressourcen zu Mehrbelastungen<br />

von Schulleitungen und Lehrkräften.<br />

2. Die pädagogischen Vorgaben engen<br />

die pädagogische Freiheit der<br />

Lehrkräfte ein, erfordern zusätzliche<br />

Ressourcen und führen ansonsten<br />

zu Mehrbelastungen von<br />

Schulleitungen und Lehrkräften.<br />

3. Zielvereinbarungen als Steuerungsinstrumente<br />

werden aus<br />

der Privatwirtschaft übernommen,<br />

obwohl das staatlich geregelte<br />

Schulsystem insbesondere<br />

in der Konferenzordnung bessere<br />

– auf Partizipation ausgelegte<br />

– Steuerungsinstrumente<br />

vorsieht. Außerdem besteht die<br />

Gefahr, dass Zielvereinbarungen<br />

als Steuerungsinstrumente zu einer<br />

Hierarchisierung der schulinternen<br />

Organisation führen.<br />

4. Die erweiterten Entscheidungskompetenzen<br />

des Schulleiters/der<br />

Schulleiterin mögen diese vielleicht<br />

vordergründig erleichtern<br />

diesen vielleicht die Arbeit, führen<br />

aber zu einem einseitigen<br />

Machtzuwachs des Schulleiters/<br />

der Schulleiterin und beeinträchtigen<br />

nach Aussagen der Schulpersonalräte<br />

der sv+-Schulen<br />

die Mitbestimmungsrechte der<br />

Schulpersonalräte und der Beschäftigten.<br />

5. Globalbudgets führen zur Deregulierung<br />

der Beschäftigtenstruktur,<br />

der Gefahr unterwertiger<br />

Beschäftigungsverhältnisse<br />

und zu einer deutlichen Mehrbelastung<br />

von Personalräten und<br />

der „Stamm“-Belegschaft.<br />

6. Unter der Voraussetzung zusätzlicher<br />

Stellen an allen Schulen<br />

würde der HPRLL die Möglichkeit<br />

der Einstellung von Assistenzkräften<br />

begrüßen. Wenn<br />

dafür – wie im Transferkonzept<br />

vorgesehen – keine Stellen zugewiesen<br />

werden und der Unterricht<br />

zu 100% abgedeckt werden<br />

muss, führt die Einstellung<br />

von Assistenzkräften zwar zu einer<br />

Entlastung in diesem Bereich,<br />

aber zu Mehrbelastungen in anderen<br />

Bereichen.<br />

7. Die Verwaltung und Rechenschaftslegung<br />

durch „geeignete<br />

Steuerungs- und Controlling-<br />

Instrumente“ führen zu einer<br />

Aufblähung der Verwaltungstätigkeiten<br />

und zu einer Mehrbelastung<br />

insbesondere der Schulleitungen<br />

und der Schulsekretariate.<br />

8. Angebote in der Aus- und Weiterbildung<br />

erfordern zum einen<br />

Ressourcen für die Durchführung<br />

dieser Angebote und zum anderen<br />

für die Organisation (Konzeption,<br />

Werbung, Verwaltung<br />

usw.) dieser Angebote. Diese zusätzlichen<br />

Ressourcen sind in dem<br />

Konzept nicht vorgesehen.<br />

Die im Transferkonzept angekündigte<br />

Veränderung der rechtlichen<br />

Grundlagen für die „selbstverantwortlichen<br />

Beruflichen Schulen“<br />

durch eine Novellierung des Schulgesetzes<br />

stößt auf den entschiedenen<br />

Widerstand des HPRLL,<br />

wenn dadurch die beruflichen Schulen<br />

aus dem staatlichen Schulsystem<br />

herausgelöst werden sollen,<br />

etwa in Form einer eigenen Rechtspersönlichkeit.<br />

Die Lehrerkooperative startete<br />

1985 als selbstverwalteter Betrieb<br />

mit egalitären Gehalts- und<br />

Entscheidungsstrukturen. 25 Jahre<br />

später ist die Entwicklung hin zu<br />

einem autoritär geführten Unternehmen<br />

abgeschlossen. Pädagogisches<br />

Handeln und demokratische<br />

Ethik werden dem Selbstverwirklichungsstreben<br />

des geschäftsführenden<br />

Vereinsvorstands geopfert.<br />

Von<br />

Kommunikation ...<br />

ist im Vereinsnamen die Rede. Die<br />

Realität sieht jedoch gründlich anders<br />

aus: Wiederholt wurden MitarbeiterInnen,<br />

die sich in Widerspruch<br />

zum Geschäftsführer, Herrn<br />

Schmidt, stellten, von diesem angeschrieen<br />

und gedemütigt. Die<br />

Leitungsrunde des Kitabereichs,<br />

ein Gremium in dem regelmäßig<br />

sämtliche LeiterInnen von Kitas<br />

und Horten zum Austausch zusammenkommen,<br />

war schon mehrmals<br />

Schauplatz heftiger Wutausbrüche<br />

des Geschäftsführers. Dort ist inzwischen<br />

beim pädagogischen Leitungspersonal<br />

die Einschüchterung<br />

so groß, dass es für Einzelne immer<br />

schwerer wird, abweichende<br />

Positionen zu vertreten. Die demokratischen<br />

Erziehungsziele, die<br />

Zeile um Zeile des Leitbildes der<br />

Lehrerkooperative füllen und die<br />

sich wunderbar in den Selbstdarstellungen<br />

der Einrichtungen lesen,<br />

werden im innerbetrieblichen Alltag<br />

mit Füßen getreten.<br />

Trotz der oftmals repressiven<br />

Atmosphäre in den Gremientreffen<br />

hat sich auf den Betriebsversammlungen<br />

der Lehrerkooperative<br />

eine offene Diskussionskultur<br />

gehalten. Nicht zuletzt aufgrund<br />

des hohen Leidensdruckes werden<br />

hier von MitarbeiterInnen die<br />

Missstände in aller Offenheit angesprochen.<br />

Die schlechte Bezahlung,<br />

Unterbesetzung in den Teams, Arbeitsverdichtung<br />

und das Gefühl,<br />

Betriebsklimakatastrophe<br />

an der Lehrerkooperative<br />

Zähe Tarifverhandlungen<br />

Die Tarifverhandlungen an der Lehrerkooperative<br />

ziehen sich in die Länge.<br />

Daran hat hauptsächlich die Geschäftsführung<br />

des Vereins ein Interesse.<br />

Es bedurfte dreier Streiktage, damit die<br />

Führungsetage der Lehrerkooperative<br />

von ihrer Verweigerungshaltung zu Verhandlungen<br />

über einen Firmentarifvertrag<br />

abrückte. Sie unterschrieb nach den<br />

Streiks eine Erklärung, dass sie einen<br />

Haustarifvertrag abschließen wolle, der<br />

sich am TVöD orientiert. Seitdem zieht<br />

es sich. Die einzelnen Paragraphen des<br />

TVöD werden auf ihre Anwendbarkeit<br />

hin und her geprüft, Zusagen der Geschäftsleitung<br />

werden nicht eingehalten,<br />

parallel zu den Tarifverhandlungen<br />

gibt es den ständigen Versuch der Geschäftsleitung,<br />

mit dem Betriebsrat eine<br />

Vereinbarung über Lohnerhöhungen<br />

abzuschließen.<br />

Es ist absehbar, dass diese Form der<br />

Verzögerung und des Hinhaltens demnächst<br />

an ein Ende geraten wird. Die<br />

Beschäftigten des Vereins wissen nur<br />

zu gut, dass lediglich ihre Streiks die<br />

Geschäftsleitung bewegt haben, zumindest<br />

verbal auf ihre Forderungen einzugehen.<br />

Hajo Dröll<br />

nicht ernst genommen zu werden,<br />

sind häufig wiederkehrende Themen.<br />

Hier formuliert sich oftmals<br />

der aufgestaute Frust der unter Anderem<br />

dazu führte, dass seit letztem<br />

Jahr eine gewerkschaftliche Tarifinitiative<br />

existiert. Unter massivem<br />

Druck der gewerkschaftlichen Betriebsgruppen<br />

wurde die Geschäftsleitung<br />

zu Tarifverhandlungen gezwungen.<br />

Seit Beginn der Verhandlungen<br />

jedoch ist die Arbeitgeberseite mit<br />

wenig Enthusiasmus bei der Sache,<br />

inzwischen wird von der Geschäftsleitung<br />

gar die exemplarische Abstrafung<br />

von AktivistInnen der Tarifinitiative<br />

betrieben.<br />

....zu Redeverboten<br />

und Angstkultur<br />

So erfuhren die aus dem Sommerurlaub<br />

zurückkehrenden Teammitglieder<br />

eines Hortes im Nordend,<br />

der eine der letzten teamgeleiteten<br />

Einrichtungen der Lehrerkooperative<br />

ist, dass ihnen ab sofort die Leitungsfunktion<br />

entzogen und stattdessen<br />

eine Einzelleitung vorangestellt<br />

werde. Diese Maßnahme<br />

wurde gegen den Widerspruch des<br />

Betriebsrates, der inzwischen auf<br />

Unterlassung klagt, und zum Entsetzen<br />

der Elternschaft des betreffenden<br />

Hortes vollzogen.<br />

Deren Fragen nach den Gründen<br />

für diese völlig überraschende<br />

Maßnahme (dieser Hort ist im Unterschied<br />

zu vielen anderen Einrichtungen<br />

der Lehrerkoop ausreichend<br />

gut mit Fachkräften besetzt und ist<br />

eine im Stadtteil angesehene stabile<br />

Institution) wurden ausweichend<br />

beschieden. Die Angst, dass demnächst<br />

das dann deutlich überbesetzte<br />

Team durch Versetzungen<br />

gesprengt werde, wurde nicht genommen.<br />

Tatsächlich bleibt diese Maßnahme,<br />

die im gesamten Betrieb<br />

für Kopfschütteln sorgt, recht unerklärlich,<br />

wenn man nicht berück-<br />

sichtigt, dass dieses Hortteam eine<br />

der aktivsten Kräfte im Tarifstreit<br />

ist, eine Person des Teams eine Beschwerde<br />

beim Betriebsrat wegen<br />

mehrerer verbaler Übergriffe des<br />

Geschäftsführers eingereicht hat,<br />

und zwei Teammitglieder im Betriebsrat<br />

mitarbeiten.<br />

Bleibt noch anzufügen, dass<br />

den betroffenen Teammitgliedern<br />

ausdrücklich mit arbeitsrechtlichen<br />

Konsequenzen gedroht wurde,<br />

sollten sie sich Dritten gegenüber zu<br />

den Hintergründen der Maßnahme<br />

äußern. Der oben erwähnten<br />

Leitungsrunde ließ Geschäftsführer<br />

Schmidt zudem durch die Bereichsleitung<br />

ausrichten, sie dürfe sich zu<br />

diesem Thema nicht austauschen.<br />

Angesichts dessen wurde auf einer<br />

Betriebsversammlung, die auch<br />

eine Solidaritätsresolution mit dem<br />

betroffenen Hortteam und die gegen<br />

ihren Wunsch dorthin versetzte<br />

Leitungskraft verabschiedete, der<br />

Wunsch nach einer Namensänderung<br />

des Unternehmens laut. Der<br />

Begriff Kooperative passe immer<br />

weniger zur Betriebswirklichkeit<br />

und sei deswegen irreführend; die<br />

Lehrerkooperative solle zukünftig<br />

in Oberlehrerdirektive umbenannt<br />

werden.<br />

Mit einer Besinnung des geschäftsführenden<br />

Vorstands ist allerdings<br />

nicht zu rechnen, die ihn<br />

wählenden Vereinsmitglieder sind<br />

nicht selten durch Posten- und Auftragsvergabe<br />

eingebunden worden<br />

– auch von dieser Seite ist also keine<br />

Kurskorrektur zu erwarten. Wird<br />

allerdings auch in Zukunft das Betriebsklima<br />

durch einen Mangel an<br />

Wertschätzung bis hin zur offenen<br />

Repression bestimmt, so wird es<br />

bei der hohen Fluktuation im Betrieb<br />

bleiben.<br />

Allein in diesem Jahr verließen<br />

bislang 35 der rund 200 Kita-<br />

MitarbeiterInnen die Lehrerkooperative<br />

und wechselten zu anderen<br />

Trägern.<br />

S. Reicht<br />

Mehr als hundert Warn-Streikende vor dem Ökohaus<br />

am 27.5.2010


SEITE 12<br />

Vorbemerkung: Zeitgleich mit der hessischen<br />

Kommunalwahl im März 2011 plant die Landesregierung<br />

einen Volksentscheid, mit dem die<br />

Aufnahme eines Verschuldungsverbots in die hessische<br />

Verfassung durchgesetzt werden soll. Im<br />

Folgenden werden Auszüge aus einer Studie des<br />

IMK - Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung<br />

6 / 2009, von Achim Truger, Kai Eicker-<br />

Wolf, Henner Will, Jens Köhrsen vorgestellt.<br />

Steuersenkungen als Haupthindernis<br />

für Haushaltskonsolidierung<br />

und Zukunftsinvestitionen in den<br />

letzten zehn Jahren<br />

In der deutschen Debatte um die<br />

Haushaltskonsolidierung halten<br />

sich seit Jahren hartnäckig einige<br />

Vorurteile, die auch die Diskussion<br />

um die finanzpolitischen Implikationen<br />

der Schuldenbremse zu belasten<br />

drohen. So wird immer wieder<br />

suggeriert, dass der deutsche<br />

Staat sich durch laxe Ausgabenpolitik<br />

auf ein international nicht<br />

mehr übliches und nicht tragfähiges<br />

Maß ausgedehnt habe, was<br />

auch der Hauptgrund für die langjährigen<br />

Probleme mit der Haushaltskonsolidierung<br />

sei. Diese Entwicklung<br />

müsse, so die daraus zu<br />

ziehende Schlussfolgerung, umgekehrt<br />

werden.<br />

Wer solchen Vorstellungen anhängt,<br />

den können die im Rahmen<br />

der vorliegenden Studie ermittelten<br />

drastischen Kürzungsbedarfe durch<br />

die Schuldenbremse nicht schrecken.<br />

Vielmehr nehmen sie sich<br />

wie eine längst überfällige Korrektur<br />

aus.<br />

Tatsächlich war die Ausgabenpolitik<br />

in den letzten 10 Jahren in<br />

Deutschland auch im internationalen<br />

Vergleich ungewöhnlich restriktiv<br />

und es lässt sich zeigen, dass<br />

dieser Politik zentrale Zukunftsinvestitionen<br />

in erheblichem Umfang<br />

zum Opfer gefallen sind.<br />

Dass die Haushaltskonsolidierung<br />

dennoch lange Zeit nicht gelang,<br />

hing zentral damit zusammen,<br />

dass die Haushalte durch drastische<br />

Steuersenkungen belastet wurden.<br />

All dies wird im Folgenden etwas<br />

ausführlicher zunächst für die<br />

gesamtstaatliche Ebene und dann<br />

für den hessischen Landeshaushalt<br />

aufgearbeitet.<br />

Es zeigt sich, dass die Ausgabenpolitik<br />

sowohl gesamtstaatlich<br />

als auch in Hessen in den letzten<br />

zehn Jahren nicht für die Probleme<br />

mit der Haushaltskonsolidierung<br />

verantwortlich gemacht werden<br />

kann. Gleichzeitig lassen sich bereits<br />

deutliche Defizite bei den<br />

Zukunftsinvestitionen nachweisen.<br />

Haushaltskonsolidierung und<br />

Zukunftsinvestitionen waren gemeinsame<br />

Opfer einer drastischen<br />

Steuersenkungspolitik. Siehe<br />

Abbildung 1<br />

Die gesamten Steuerausfälle<br />

der öffentlichen Hand durch das<br />

steuerpolitische Handeln lassen<br />

sich mit Hilfe der Finanztableaus<br />

der einzelnen Steuerrechtsänderungen,<br />

die in den Finanzberichten<br />

des BMF enthalten sind, seit<br />

1998 quantifizieren. Danach liegen<br />

die reformbedingten Einnahmeausfälle<br />

während der Kanzlerschaft<br />

Gerhard Schröders in den<br />

Jahren 2001 bis 2005 zwischen 24<br />

und 43 Milliarden Euro, was gut<br />

1 bis 2% des deutschen Bruttoinlandsproduktes<br />

entspricht.<br />

Unter der Großen Koalition hat<br />

die Steuerpolitik bis zum Ausbruch<br />

der Wirtschaftskrise im Herbst<br />

2008 in der Summe einen anderen<br />

Kurs eingeschlagen: Zwar hat es<br />

auch unter der Regierung Merkel<br />

zahlreiche steuerliche Entlastungen<br />

vor allem für den Unternehmenssektor<br />

gegeben – zu denken ist hier<br />

insbesondere an die im Jahr 2007<br />

verabschiedete und im Folgejahr in<br />

Kraft getretene Unternehmensteuerreform<br />

2008, die die Unternehmen<br />

um jährlich fünf Milliarden Euro<br />

entlastet hat. Per saldo haben die<br />

in den Jahren 2006 und 2007 beschlossenen<br />

steuerpolitischen Maßnahmen<br />

die Haushaltslage jedoch<br />

verbessert, da Steuererhöhungen<br />

wie der Anstieg der Umsatzsteuer<br />

zum 1. Januar 2007 und der Abbau<br />

von Steuervergünstigungen quantitativ<br />

dominiert haben.<br />

Abbildung 1 Abbildung 2<br />

Wir brauchen keine<br />

‚Schuldenbremse’ –<br />

Für einen solidarischen<br />

<strong>Sozialstaat</strong><br />

Wird die Wirkung der Steuerpolitik<br />

von Rot-Grün seit 1998<br />

und von Schwarz-Rot in den Jahren<br />

2006 und 2007 insgesamt betrachtet,<br />

dann sind trotz der einnahmeseitigen<br />

Konsolidierung durch die<br />

Große Koalition hohe steuerreformbedingte<br />

Ausfälle in der Größenordnung<br />

von jährlich 20 Mrd.<br />

Euro auszumachen – auf Hessen<br />

entfallen hiervon rund 1 Mrd. Euro<br />

an dauerhaften Mindereinnahmen<br />

(vgl. Truger/Eicker-Wolf/Blumtritt<br />

2007: 15 ff.).<br />

Von 1998 bis 2007 verzeichnete<br />

kein anderes Land ein niedrigeres<br />

Staatsausgabenwachstum als<br />

Deutschland.<br />

Nicht zuletzt angesichts der beschriebenen<br />

Steuerpolitik ist die<br />

Entwicklung der öffentlichen Ausgaben<br />

in Deutschland von 1998<br />

bis 2007 atemberaubend restriktiv<br />

ausgefallen, dies zeigt ein internationaler<br />

Vergleich (vgl. Truger<br />

2009b, S. 246). Die durchschnittliche<br />

jährliche Wachstumsrate<br />

der gesamtstaatlichen Ausgaben<br />

lag in Deutschland von 1998 bis<br />

2007 nominal bei nur 1,4%. Der<br />

Durchschnitt der alten EU (EU-<br />

15) lag mit 4,1 % knapp dreimal<br />

so hoch. In diesem Zeitraum verzeichnete<br />

kein anderes Land, für<br />

das die EU-Kommission Daten vorhält<br />

(EU-27 ohne Bulgarien plus<br />

Island, Norwegen, Schweiz und<br />

USA), ein niedrigeres Staatsausgabenwachstum<br />

als Deutschland.<br />

Das gilt auch für die realen Staatsausgaben,<br />

bei denen Deutschland<br />

das einzige Land ist, das mit durchschnittlich<br />

-0,2% pro Jahr einen<br />

Rückgang zu verzeichnen hatte.<br />

Der geschilderte Sachverhalt spiegelt<br />

sich auch in der Entwicklung<br />

der deutschen Staatsquote wider:<br />

Diese ist von rund 48% Ende der<br />

1990er Jahre auf einen Wert von<br />

knapp 44% im Jahr 2008 gesunken.<br />

Die deutsche Staatsquote fällt<br />

im internationalen Vergleich vergleichsweise<br />

klein aus. (…)<br />

Auch bei den öffentlichen Bildungsausgaben<br />

liegt Deutschland<br />

um mehr als 1 % unterhalb der<br />

gesamten OECD.<br />

Auch bei den öffentlichen Bildungsausgaben,<br />

die in Deutschland vor<br />

Abbildung 3<br />

allem durch die wesentliche Zuständigkeit<br />

in den Bereichen Schule<br />

und Hochschule zum ganz überwiegenden<br />

Teil durch die Bundesländer<br />

getätigt werden, steht Deutschland<br />

im OECD-Vergleich nicht gut<br />

da. Zwar kompensieren die relativ<br />

hohen Privatausgaben im Rahmen<br />

des dualen Systems zum Teil die<br />

geringen öffentlichen Ausgaben,<br />

aber auch öffentliche und private<br />

Ausgaben zusammen liegen noch<br />

deutlich unter dem OECD-Durchschnitt<br />

und weit entfernt von jenen<br />

Ländern, die 6% und mehr ihres<br />

BIP für Bildung verausgaben: Der<br />

deutsche Wert liegt bei 4,8% und<br />

damit um mehr als 1% unter jenem<br />

der gesamten OECD. Während<br />

drei Länder zwischen 6 und<br />

7% und vier Länder sogar über<br />

7% des nationalen BIP für Bildung<br />

aufwenden, stehen nur vier von 28<br />

OECD-Ländern noch schlechter<br />

als Deutschland dar.<br />

Hinzu kommt, dass der deutsche<br />

Wert eine fallende Tendenz ausweist:<br />

im Jahr 2000 lag der Anteil<br />

der Bildungsausgaben am BIP<br />

noch bei 4,9% und 1995 bei 5,1%<br />

Siehe Abbildung 2<br />

Der Abbau der staatlichen<br />

Beschäftigung in Deutschland<br />

stellt im internationalen<br />

Vergleich eine singuläre Entwicklung<br />

dar..<br />

Die restriktive staatliche Haushaltspolitik<br />

in Deutschland schlägt<br />

sich auch in der Entwicklung der<br />

öffentlichen Beschäftigung nieder.<br />

FLZ Nr. 3/10<br />

In den meisten anderen entwickelten<br />

Industrieländern und<br />

insbesondere in Skandinavien<br />

ist der Staat ein wesentlich bedeutenderer<br />

Arbeitgeber als in<br />

Deutschland: Während nach Zahlen<br />

der International Labour Organization<br />

(ILO), die auch Sozialversicherungen<br />

und nicht auf Gewinnerzielung<br />

ausgerichteten und<br />

von der öffentlichen Hand finanzierten<br />

Institutionen zum Staat<br />

zählt, in den nordischen Ländern<br />

jeder dritte bis vierte Erwerbstätige<br />

in öffentlicher Beschäftigung<br />

arbeitet, sind dies in Deutschland<br />

nicht einmal mehr 15%. Obwohl<br />

der Öffentliche Dienst in Deutschland<br />

nach dem zweiten Weltkrieg<br />

eine Expansion erlebt hat, hat der<br />

Staat als direkter Arbeitgeber nie<br />

eine vergleichbare Bedeutung wie<br />

in vielen anderen Ländern erreicht.<br />

Nach dem Beitritt der fünf neuen<br />

Bundesländer ist ein drastischer Beschäftigungsabbau<br />

im öffentlichen<br />

Dienst erfolgt, nach Berechnungen<br />

von Kuhlman ist allein zwischen<br />

1991 und 2000 ein Rückgang von<br />

rund 20% zu verzeichnen. Dabei<br />

schlagen natürlich die Privatisierungsmaßnahmen<br />

– als Beispiel sei<br />

die Post genannt – und die Verkleinerung<br />

der Bundeswehr zu Buche.<br />

Aber auch die Kommunalverwaltungen<br />

haben ihr Personal deutlich<br />

reduziert: die ostdeutschen Kommunen<br />

zwischen 1991 und 2001<br />

um mehr als 25%, die westdeutschen<br />

Städte und Gemeinden im<br />

gleichen Zeitraum um ebenfalls<br />

immerhin 13%.<br />

Der Abbau der staatlichen Beschäftigung<br />

in Deutschland stellt im<br />

internationalen Vergleich eine singuläre<br />

Entwicklung dar. Kein anderes<br />

Industrieland weist eine auch<br />

nur ähnliche Entwicklung auf, im<br />

Gegenteil: Absolut gesehen haben<br />

andere Industrieländer ihren Beschäftigungsstand<br />

gehalten oder<br />

ausgebaut.<br />

Der geschilderte Beschäftigungsabbau<br />

in Deutschland korrespondiert<br />

mit einem Rückgang der<br />

staatlichen Arbeitnehmerentgelte.<br />

Siehe Abbildung 3<br />

Insgesamt bleibt damit in<br />

Hinblick auf die Haushaltspolitik<br />

in Deutschland für den Zeitraum<br />

1998-2008 folgendes festzuhalten:<br />

Die Einnahmeentwicklung


FLZ Nr. 3/10 SEITE 13<br />

Abbildung 4<br />

Abbildung 5<br />

in Deutschland ist durch steuerpolitische<br />

Maßnahmen deutlich geschwächt<br />

worden, wobei sich diese<br />

Ausfälle auf jährlich 20 Mrd.<br />

Euro belaufen. Auf der Ausgabenseite<br />

ist ein extremer Sparkurs<br />

verfolgt worden, der u.a.<br />

gekennzeichnet ist durch geringe<br />

Bildungsausgaben, geringe staatliche<br />

Investitionen und einen Abbau<br />

von Arbeitsplätzen im Bereich<br />

der öffentlichen Beschäftigung.<br />

Dies gilt auch, wenn ein größerer<br />

Zeitraum zu Grunde gelegt wird.<br />

Wenn die öffentliche Beschäftigung<br />

enger gefasst wird und Unternehmen<br />

im öffentlichen Besitz<br />

ausgeschlossen werden, ändert<br />

sich der Befund gemäß den von<br />

der ILO zur Verfügung gestellten<br />

Zahlen ebenfalls nicht.<br />

Auswirkungen auf die hessische<br />

Finanzpolitik<br />

Vor dem Hintergrund der vorangehenden<br />

Schilderungen muss die<br />

Entwicklung der Haushaltspolitik<br />

in Hessen gesehen werden –<br />

dies gilt insbesondere für die Einnahmenseite<br />

bzw. die Steuerpolitik.<br />

In Hessen waren die haushaltspolitischen<br />

Debatten und auch die<br />

Haushaltspolitik ab dem Jahr 2000<br />

stark vom Anstieg des Haushaltsdefizits<br />

geprägt. Die Ursache für den<br />

Anstieg und die Persistenz des hessischen<br />

Nettofinanzierungsdefizits<br />

von 2001 bis 2004 war nicht die<br />

Ausgaben-, sondern die Einnahmenentwicklung.<br />

(…)<br />

Die sehr zurückhaltende Ausgabenentwicklung<br />

ist auch an der<br />

Entwicklung der Staatsquote – also<br />

der Ausgaben bezogen auf das<br />

hessische BIP – ablesbar: Die hessische<br />

Staatsquote weist vom Trend<br />

her seit Mitte der 1990er Jahre nach<br />

unten. Siehe Abbildung 4<br />

Bereits seit Ende der 1990er<br />

Jahre weisen die Personalausgaben<br />

einen stetigen Rückgang auf –<br />

dies gilt sowohl mit als auch ohne<br />

die Berücksichtigung der Versorgungsausgaben!<br />

Auch die Investitionsausgaben<br />

sind im Trend seit<br />

Anfang der 1990er Jahre deutlich<br />

gesunken. Siehe Abbildung 5<br />

Ob der hessische Staat unter<br />

diesen Bedingungen angesichts<br />

des Bedarfs an zentralen<br />

Zukunftsinvestitionen bis zum<br />

Jahr 2020 tatsächlich handlungsfähig<br />

bliebe, darf bezweifelt<br />

werden.<br />

Im Hinblick auf reales Wirtschaftswachstum<br />

(1,5% pro Jahr) und<br />

nominale Einnahmenentwicklung<br />

(+3,3% pro Jahr) für das Land<br />

Hessen bis zum Jahr 2020 wurde<br />

ein als verhalten optimistisch anzusehendes<br />

Referenzszenario ausgewählt.<br />

Selbst unter diesen Bedingungen<br />

müsste die Ausgabenpolitik<br />

des Landes Hessen deutlich restriktiver<br />

ausfallen als in der Zeit<br />

seit Anfang der 1990er Jahre. Die<br />

Wachstumsrate der nominalen bereinigten<br />

Staatsausgaben dürfte nur<br />

noch bei 1,7% pro Jahr liegen –<br />

0,7 Prozentpunkte weniger als im<br />

langjährigen Durchschnitt seit Anfang<br />

der 1990er Jahre. Allein dies<br />

würde für die kommenden zehn<br />

Jahre zu einer drastischen Sparpolitik<br />

führen.<br />

Noch deutlich restriktiver<br />

müsste die hessische Finanzpolitik<br />

ausfallen, wenn das Wachstum<br />

– auch als Folge der bundesweit<br />

in den nächsten Jahren zu erwartenden<br />

Sparpolitik in den öffentlichen<br />

Haushalten – hinter den Erwartungen<br />

zurückbliebe.<br />

Besonders schwere Belastungen<br />

drohen zudem durch die von der<br />

neuen Bundesregierung für die<br />

nächsten Jahre angekündigten<br />

Steuersenkungen.<br />

Diese würden, wenn sie tatsächlich<br />

ohne Kompensation umgesetzt<br />

würden, den strukturellen<br />

Konsolidierungsbedarf im hessischen<br />

Landeshaushalt um voraussichtlich<br />

knapp 800 Mio. Euro erhöhen.<br />

Ob der hessische Staat unter<br />

diesen Bedingungen angesichts<br />

des Bedarfs an zentralen Zukunftsinvestitionen<br />

bis zum Jahr 2020<br />

tatsächlich handlungsfähig bliebe,<br />

darf bezweifelt werden.<br />

Das gesamte Gutachten ist<br />

auf der Homepage des <strong>GEW</strong> <strong>Bezirksverband</strong>s<br />

abrufbar.<br />

Aufbruchstimmung beim Stadt-<br />

SchülerInnenRat <strong>Frankfurt</strong><br />

Am 23. September fand die erste<br />

Vollversammlung des StadtSchülerInnenRates<br />

im Schuljahr 2010/<br />

2011 statt. 140 SchülervertreterInnen<br />

setzten sich auf die Plätze<br />

der Stadtverordneten im Plenarsaal<br />

des <strong>Frankfurt</strong>er Römer und<br />

berichteten über die aktuelle Situation<br />

in ihren Schulen.<br />

Die Versammlung wurde von<br />

Frau Ebeling begrüßt. Auf ihre<br />

Frage nach Unterrichtsausfall<br />

meldete sich eine überwältigende<br />

Mehrheit der Anwesenden.<br />

Permanenter Unterrichtsausfall<br />

ist u.a. an der Oberstufe der<br />

Schule am Ried zu beklagen: dort<br />

entfallen die Leistungskurse Informatik<br />

seit den Sommerferien,<br />

die Vorbereitungen auf das Abitur<br />

sind in Frage gestellt. In einigen<br />

Schulen wurde ein bisher unbekanntes<br />

Fach im Stundenplan<br />

aufgenommen: „EVL = eigenverantwortliches<br />

Lernen“, was nach<br />

den Erfahrungsberichten der SV-<br />

Delegierten konkret bedeutet: hier<br />

findet Lernen ohne Lehrer statt.<br />

Kürzungen in der Zuweisung von<br />

Lehrerstunden und finanziellen<br />

Mitteln bei der Sprachförderung<br />

von zugewanderten Kindern und<br />

Jugendlichen konterkarieren den<br />

Anspruch der hessischen Landesregierung,<br />

Integration als Schwerpunkt<br />

der Bildungspolitik zu fördern.<br />

Frau Ebelings Anregung, den<br />

Unterrichtsaufall über einen Zeitraum<br />

von vier Wochen konkret zu<br />

dokumentieren, wird der SSR ebenso<br />

beraten wie ihren Vorschlag, sich<br />

mit der Initiative „Schule ohne Rassismus“<br />

zu beschäftigen.<br />

Massive Kritik wurde am baulichen<br />

Zustand von Schulen, insbesondere<br />

im sanitären Bereich geübt.<br />

Es wurde verlangt, dass Sanierungsmaßnahmen<br />

nicht auf die<br />

lange Bank geschoben werden, dass<br />

bei einem Schulbetrieb bis 17 Uhr<br />

die Toiletten zweimal täglich gereinigt<br />

werden sollten.<br />

Trotz der schriftlichen Erklärung<br />

von Juristen, dass „Kopiergeld“<br />

höchstens als Spende verlangt<br />

werden kann, versuchen viele<br />

Schulleitungen die Eltern zur<br />

Kasse zu bitten und so den Bedarf<br />

an aktuellen Unterrichtsmaterialien<br />

zu decken.<br />

Bei den Neuwahlen zum SSR-<br />

Vorstand, für den so viele engagierte<br />

SchülerInnen wie selten<br />

zuvor kandidierten, wurde Ben<br />

Haladik als Stadtschulsprecher<br />

gewählt, Melissa Schier und Shirin<br />

Hagner sind seine StellvertreterInnen.<br />

Hansjörg Lacour, Petra Ronimi<br />

und Angelika Wahl sind als<br />

StadtverbindungslehrerInnen für<br />

SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen<br />

ansprechbar.<br />

Weitere Informationen: http://<br />

www.ssr-frankfurt.de/<br />

Kontakt: SSR, Hanauer Landstraße<br />

26, 60314 <strong>Frankfurt</strong> am Main,<br />

Telefon: (069) 212 35 281,<br />

e-mail: gf[at]ssr-frankfurt.de<br />

McKinsey kommt: „Ashoka-Jugendinitiative“<br />

An der Vollversammlung des Stadt-<br />

SchülerInnenRates am 23. 09. 2010<br />

nahm ein recht seltsamer Gast teil:<br />

Der jugendlich auftretende Matthias<br />

Scheffelmeier von der Initiative<br />

„Ashoka“ lud im Plenarsaal des<br />

Römer die 140 SchülerInnen zum<br />

„Youth Changemaker City Event“<br />

am 30. Oktober – bei kostenlosen<br />

Getränken und Gratis-Pizza – in<br />

<strong>Frankfurt</strong> ein (der Ort ist bisher<br />

nicht bekannt gegeben.) 800 Euro<br />

sollen diejenigen bekommen, die<br />

für ihre innovativen Ideen von den<br />

Sponsoren auserwählt werden.<br />

http://www.changemakercity.de/<br />

frankfurt/?page_id=4<br />

Wer verbirgt sich hinter<br />

dem „Askoka“-Projekt?<br />

Es gibt „fachliche“ und „investierende“<br />

Sponsoren sowie den Medienpartner<br />

freshmilk<br />

http://www.freshmilk.tv/_video_/<br />

changemakercity/,<br />

McKinsey sponsert das Pro Bono-<br />

Projekt, das – sicherlich nicht zufällig<br />

– die gleiche Adresse wie das<br />

Beratungsunternehmen hat: Taunustor<br />

2, Ffm. Weitere Hintermänner<br />

sind bei PricewaterhouseCoopers,<br />

J. P. Morgan, Siemens-Stiftung<br />

zu finden.<br />

http://germany.ashoka.org/partner<br />

McKInseys Berater sollen – zur<br />

Förderung der eigenen Karriere<br />

– das „Know how“ und die Ideologie<br />

der Firma in den Bereichen<br />

Kultur, Bildung, Gesundheit, Sozialdienste<br />

einbringen und „zeigen,<br />

was es heißt, Visionen auch gegen<br />

Widerstände umzusetzen“<br />

http://www.mckinsey.de/html/karriere/ihre_fragen/die_antworten/<br />

allg_09_soziales_engagement.asp<br />

„Ashoka“ rekrutiert „Social Entrepeneurs“<br />

mit dem Ziel „innovative<br />

unternehmerische Lösungen<br />

für drängende soziale Probleme zu<br />

finden und umzusetzen.“ (...) “Ihre<br />

Ansätze sind geeignet, einen lang-<br />

fristigen gesellschaftlichen Wandel<br />

zu bewirken.“<br />

http://germany.ashoka.org/social_<br />

entrepreneur<br />

Was bedeutet „Problemlöser-Kultur“<br />

bei McKinsey<br />

konkret?<br />

Im Bildungsbereich hat der ehemalige<br />

McKinsey-Guru Jürgen Kluge<br />

bereits 2002 die Einführung von<br />

Studiengebühren und die Umgestaltung<br />

des Schulwesens vorgeschlagen:<br />

„.. jährlich einheitliche Tests in<br />

den Kernfelder Deutsch, Mathematik,<br />

Naturwissenschaften und eine<br />

Fremdsprache“ sollen „für alle<br />

Schulen flächendeckend“ ab Klasse<br />

2 eingeführt werden.<br />

Darüber hinaus sollen die Schulen<br />

„im Minimum alle sechs Jahre<br />

inspiziert“ werden, „’die Ergebnisse<br />

der Inspektion stehen im Detail<br />

im Internet.“ (...) “Sollen Messungen<br />

und Transparenz Wirkung entfalten,<br />

so müssen Konsequenzen folgen:<br />

So entwickelt jede Schule einen<br />

Maßnahmenplan für die Behebung<br />

der Schwächen. Besonders schwache<br />

Schulen werden unter ‚Special<br />

Measures’ gestellt – verbunden mit<br />

häufigen Kontrollen, intensiven Fördermaßnahmen<br />

etc.<br />

Bleibt dies ohne Erfolg, wird<br />

die Schule geschlossen und mit ausgetauschten<br />

Lehrern neu eröffnet:<br />

„Fresh Start“.<br />

„Die Schulleitung muss Personalentscheidungen<br />

– von der Einstellung<br />

über die Personalentwicklung<br />

bis hin zur Entlohnung – eigenständig<br />

treffen können.“<br />

Ashoka und seine<br />

Hintermänner<br />

http://www.mckinsey-bildet.de/<br />

downloads/07_kontakt/PM_Kongress_Vier_Punkte.pdf<br />

In den aktuellen Planungen für die<br />

„eigenverantwortliche Schule“ sind<br />

die Vorschläge von Jürgen Kluge<br />

wiederzufinden.<br />

Zu ihrer Umsetzung werden<br />

auch SchülerInnen gebraucht, die<br />

an der „Casting Show“ vom „changemaker<br />

city event“ am 30. Oktober<br />

teilnehmen und entsprechende<br />

Inspirationen mitnehmen.<br />

KollegInnen, die sich im Unterricht<br />

mit den Machenschaften von<br />

Beratungsunternehmen und deren<br />

Einfluss auf den Staat beschäftigen<br />

wollen, finden weitere Informationen<br />

bei:<br />

Werner Rügemer: Die Berater<br />

– ihr Wirken in Staat und Gesellschaft<br />

Thorsten Bultmann (BdWi):<br />

Netzwerk der Macht: Bertelsmann<br />

Angelika Wahl


SEITE 14<br />

Seit 1999 führt die Bundesrepublik<br />

Deutschland wieder Krieg.<br />

Die sogenannten Auslandseinsätze<br />

der Bundeswehr sind hoch umstritten.<br />

Ihre Akzeptanz in der<br />

Bevölkerung gering. Den Widerstand<br />

der Bevölkerung zu brechen<br />

und breiten Einfluss auf die Bildung<br />

von Schülerinnen und Schülern<br />

zu gewinnen, hat sich die<br />

Bundeswehr im Verbund mit den<br />

Regierenden (fast) aller Parteien<br />

angeschickt.<br />

In der Bundesrepublik liegen<br />

inzwischen 6 Kooperationsvereinbarungen<br />

zwischen den Kultusbehörden<br />

der Länder und der Bundeswehr<br />

vor. Die Vereinbarungen<br />

gewähren der Bundeswehr und<br />

ihren dafür verantwortlichen Jugendoffizieren<br />

Zugang zur Unterrichtung<br />

von Kindern und Jugendlichen,<br />

Lehrkräfteausbildung und<br />

-fortbildung.<br />

Die Kooperationsvereinbarungen<br />

sollen:<br />

n „sicherheitspolitische Aufklärung<br />

ermöglichen, den Blick<br />

auf die Chancen und Risiken<br />

unserer Sicherheit und die<br />

Grundfesten unserer Freiheit<br />

schärfen;<br />

n Die hierzu erforderlichen<br />

Instrumente der Politik, vor<br />

dem Hintergrund eines umfassenden<br />

Sicherheitsbegriffs sollen<br />

dargestellt und gemeinsam im<br />

Dialog erörtert werden;<br />

n Globale Konfliktverhütung<br />

und Krisenbewältigung sollen<br />

ebenso wie nationale Interessen<br />

einbezogen werden und Schülerinnen<br />

und Schüler, Referendarinnen<br />

und Referendare<br />

sowie Lehrerinnen und Lehrern<br />

die Position der Bundesrepublik<br />

Deutschland und ihrer Sicherheitspolitik<br />

vermittelt werden.“<br />

Die Punkte sind der Kooperationsvereinbarung<br />

in NRW entnommen.<br />

Sie gleichen sich in allen Bundesländern.<br />

In Hessen existiert eine solche<br />

schriftliche Vereinbarung noch<br />

nicht – jedoch hatte Kultusministerin<br />

Wolff (CDU) bereits Ende 2003<br />

im Rahmen einer Dienstversammlung<br />

der Leiter der Staatlichen<br />

Schulämter mit Jugendoffizieren<br />

verabredet, die Militärs künftig verstärkt<br />

als Referenten im Unterricht<br />

an Schulen einzusetzen. 2004 wurde<br />

der Zugang zur Lehrerbildung<br />

durch Fortbildungsangebote an<br />

Lehrkräfte sowie Verbreitung von<br />

Material u.a. auf dem Bildungsserver<br />

Hessen ermöglicht. Karin Wolf<br />

war der Ansicht, diese Kooperation<br />

solle auch für andere Bundesländer<br />

beispielhaft sein. Für ihren Einsatz<br />

erhielt Wolff 2007 die „Ehrenmedaille<br />

der Jugendoffiziere“.<br />

Was jedoch ist der Hintergrund<br />

für die massiven Werbefeldzüge<br />

der Bundeswehr? Zum einen<br />

herrscht auch bei der Bundeswehr<br />

massiver Nachwuchsmangel,<br />

zum anderen jedoch haben die Militärstrategen<br />

ein Vermittlungsproblem:<br />

Nach wie vor sind 2/3 der<br />

deutschen Bevölkerung mit Auslandseinsätzen<br />

der Bundeswehr,<br />

besonders Afghanistan, ganz und<br />

gar nicht einverstanden. Mit einer<br />

Bevölkerung jedoch, die den Sinn<br />

von Auslandseinsätzen so gar nicht<br />

einsehen mag, lassen sich kriegerische<br />

Auseinandersetzungen<br />

um die „nationalen Interessen“<br />

der Bundesrepublik Deutschland<br />

schlecht führen.<br />

FLZ Nr. 3/10<br />

Den Einfluss der Bundeswehr an Schulen zurückdrängen –<br />

Politische Bildung ist die Aufgabe von Lehrkräften<br />

Am 21. Mai 2003 erließ Minister<br />

Struck mit dem markigen Satz:<br />

„Die Sicherheit der Bundesrepublik<br />

wird auch am Hindukusch<br />

verteidigt“, die „Neue Verteidigungspolitische<br />

Richtlinie“ und<br />

folgte damit einer zuvor von der<br />

EU ausgegebenen neuen Sicherheitsstrategie<br />

der europäischen<br />

Streitkräfte sowie der Neufassung<br />

der NATO Sicherheitsdoktrin. Die<br />

„Sicherheitspolitische Richtlinie“<br />

beinhaltet die Transformation der<br />

Bundeswehr von einer Verteidigungsarmee<br />

zu einer offensiven,<br />

internationalen Einsatzarmee. Dazu<br />

gehört die „Sicherung von Rohstoffen<br />

für die deutsche Wirtschaft<br />

mit militärischen Zwecken.“ *1<br />

Wie sehr die Öffentlichkeit<br />

über die nachlesbaren „nationalen<br />

Interessen“ im Unklaren gelassen<br />

werden soll, zeigt der Fall des ehemaligen<br />

Bundespräsidenten Köhler.<br />

Dies ist der erste mir bekannte Fall,<br />

bei dem ein Politiker zurücktrat,<br />

weil er die Wahrheit gesagt hatte.<br />

Der Fall Köhler zeigt aber auch,<br />

welche Propagandaschlachten geschlagen<br />

werden und welche in<br />

Zukunft mit Hilfe von Jugendoffizieren,<br />

vereinfachten Unterrichtsmaterialien<br />

und Werbeoffizieren<br />

vermehrt auch an unseren Schulen<br />

geführt werden sollen.<br />

Die Mittel reichen von Tagesausflügen<br />

in Kasernen über Klassenfahrten,<br />

kostenlose Unter-<br />

richtsmaterialien (Reihe ‚Frieden<br />

& Sicherheit’) bis hin zum Simulationsspiel<br />

„POL&IS“, bei dem<br />

die Teilnehmerinnen in die Rolle<br />

von Staatschefs schlüpfen und die<br />

zur Erreichung ihrer Ziele notwendigen<br />

– auch kriegerischen – Maßnahmen<br />

einsetzen.<br />

Über „POl&IS“ wurde in einigen<br />

wenigen Medien kritisch berichtet.<br />

Diese Zitate fand ich besonders<br />

eindrucksvoll:<br />

„’Es gibt immer welche, die<br />

vorletzte Woche noch bei der<br />

Hand-in-Hand-Lichterkette mitgemacht<br />

haben und jetzt Krieg führen<br />

wollen (…) viele denken plötzlich,<br />

Stärke und Gewalt sind die<br />

besten Mittel…` so der Spielleiter,<br />

Jugendoffizier Christian Rump’“<br />

und „dass gerade friedensbewegte<br />

Schüler aufgerüstet hätten, sei ein<br />

‚Element der Orientierung` an der<br />

Realität. `Die bekommen mit, wie<br />

Politik in Wirklichkeit funktioniert,<br />

ahmen das nach und führen<br />

ihre humanistische Einstellung ad<br />

absurdum`“, so Theaterpädagoge<br />

Wolfgang Sting.*2<br />

Insbesondere gehören Schulbesuche<br />

von Jugendoffizieren – die es<br />

als Institution seit 1958 in der Bundeswehr<br />

gibt – schon seit langem<br />

dazu. Gegen deren Besuche gibt es<br />

aber auch genauso lange erhebliche<br />

Widerstände durch die Lehrkräfte.<br />

Diesen Widerstand will die Bundeswehr<br />

mit Hilfe von Kooperati-<br />

onsvereinbarungen mit<br />

Kultusministerien jetzt<br />

gezielt schwächen.<br />

Dagegen wehren<br />

wir uns, als <strong>GEW</strong>. Politische<br />

Bildung – gerade<br />

auch in der sensiblen<br />

Frage der Sicherheitspolitik<br />

– gehört in die<br />

Hand der dafür ausgebildeten<br />

pädagogischen<br />

Fachleute und nicht in<br />

die der gezielt geschulten<br />

Jugendoffiziere.<br />

Diese sind eben nicht<br />

„neutrale Experten“ –<br />

wie oftmals behauptet.<br />

Schon im Zusammenhang<br />

mit dem Inhalt<br />

der Kooperationsvereinbarungen<br />

stellt<br />

sich die Frage, ob die<br />

Tätigkeit der Jugendoffiziere<br />

dem Prinzip des<br />

Kontroversitätsgebots<br />

(Beutelsbacher Konsens)<br />

entspricht. Denn<br />

schließlich sollen z.B.<br />

„Informationen zu nationalen<br />

Interessen“ in ihre Arbeit<br />

einbezogen werden. Dass es aber<br />

solche „nationalen Interessen“<br />

überhaupt gibt und wie diese zu<br />

definieren sind, dürfte in der Öffentlichkeit<br />

kontrovers diskutiert<br />

werden.<br />

Dies alles spricht dagegen, der<br />

Bundeswehr einen unmittelbaren<br />

Einfluss auf die Bildung und Ausbildung<br />

von Schülerinnen und Schülern<br />

zu gewähren. Es spricht aber<br />

auch gegen die pädagogische Professionalität<br />

von Lehrkräften, wenn<br />

sie kostenlose Angebote wie Rollenspiele<br />

und Unterrichtsmaterialien<br />

der Bundeswehr ungeprüft<br />

im Unterricht einsetzen.<br />

Oftmals kommen die Werbeoffiziere<br />

zeitgleich mit Jugendoffizieren<br />

an die Schulen. Der „Bundeswehr-Truck“<br />

auf oder vor dem<br />

Schulhof gehört zu denjenigen Instrumenten,<br />

mit denen die Bundeswehr<br />

den oben schon angesprochenen<br />

Nachwuchsmangel beseitigen<br />

möchte.<br />

Die Zielgröße sind pro Jahr<br />

20.000 Rekrutierungen. Wenn<br />

man sich fragt, wer warum Soldat<br />

wird, sind folgende Zahlen interessant:<br />

Von 6.391 Soldaten im<br />

Auslandseinsatz waren 3.149 aus<br />

Ostdeutschland – das sind 49,2%,<br />

obwohl ihr Bevölkerungsanteil nur<br />

20% beträgt. Bei den 4 Generälen<br />

im Auslandseinsatz war kein Ostdeutscher,<br />

bei den Stabsoffizieren<br />

*1 Der Prozess der Globalisierung erfasst weltweit alle Staaten und Gesellschaften. Die Entfaltung und<br />

zunehmende Vernetzung internationaler Handels-, Investitions-, Reise-, Kommunikations- und Wissensströme<br />

eröffnet in erster Linie neue Chancen. Deutschland, dessen wirtschaftlicher Wohlstand<br />

vom Zugang zu Rohstoffen, Waren und Ideen abhängt, hat ein elementares Interesse an einem friedlichen<br />

Wettbewerb der Gedanken, an einem offenen Welthandelssystem und freien Transportwegen.<br />

[...] Deutschland hat aufgrund seiner immer engeren Verflechtung in der Weltwirtschaft besonderes<br />

Interesse an internationaler Stabilität und ungehindertem Warenaustausch. [...] Verwerfungen im internationalen<br />

Beziehungsgefüge, Störungen der Rohstoff- und Warenströme, beispielsweise durch zunehmende<br />

Piraterie, und Störungen der weltweiten Kommunikation bleiben in einer interdependenten<br />

Welt nicht ohne Auswirkungen auf die nationale Volkswirtschaft, Wohlstand und sozialen Frieden.<br />

[...] Energiefragen werden künftig für die globale Sicherheit eine immer wichtigere Rolle spielen. [...]<br />

Deutsche Sicherheitspolitik muss auch Entwicklungen in geografisch weit entfernten Regionen berücksichtigen,<br />

soweit sie unsere Interessen berühren. [...] Deutsche Sicherheitspolitik beruht auf einem<br />

umfassenden Sicherheitsbegriff. Risiken und Bedrohungen muss mit einem abgestimmten Instrumentarium<br />

begegnet werden. Dazu gehören diplomatische, wirtschaftliche, entwicklungspolitische, polizeiliche<br />

und militärische Mittel, wenn geboten, auch bewaffnete Einsätze.“ (Weißbuch 2006, Hervorhebungen<br />

d.V.)<br />

*2 IMI-Fact-Sheet, zitiert „Die Zeit“ vom 30. 04. 2003<br />

*3 entnommen aus der Ostermarschrede von Tobias Pflüger, 2010 in Stuttgart<br />

*4 Quelle: Dr. Peter Becker, Stiftung Friedensbewegung<br />

16,6% und bei den Mannschaften<br />

62,5%.*3<br />

Geworben wird mit Ausbildungsstellen<br />

und Studienplätzen<br />

– oftmals scheinbar rein „zivile“<br />

Berufe. Dass jede/r, die/der bei der<br />

Bundeswehr eine Verpflichtung eingeht,<br />

ein Soldat ist, der damit rechnen<br />

muss im Zweifel Menschen zu<br />

töten oder selbst getötet zu werden,<br />

wird verschwiegen.<br />

Manchmal klingt es nach „Freiheit<br />

und Abenteuer“, manchmal<br />

aber auch nach einem einfachen<br />

„Karriereweg“. Ein Beispiel, wie<br />

die Bundeswehr für sich wirbt:<br />

„Hauptschule fertig? Bewirb dich<br />

in die Mannschaftslaufbahn! Werde<br />

vier Jahre lang Soldat in einer<br />

Kampftruppe bei den Gebirgsjägern,<br />

Fallschirmjägern oder den<br />

Panzergrenadieren.<br />

Realschule gemacht? Die Unteroffizierslaufbahn<br />

ist das genau Richtige<br />

für dich! Wir bieten 65 Ausbildungsgänge<br />

aus allen Berufzweigen<br />

an!<br />

Abitur in der Tasche? –Studiere bei<br />

der Bundeswehr. Mehr als 20 Studiengänge<br />

– von BWL über Medizin<br />

bis zu Luft- und Raumfahrttechnik<br />

– stehen dir offen. Du willst<br />

deinen Traum vom Fliegen wahr<br />

machen? Die Grenzen deiner Leistungsfähigkeit<br />

neu definieren?<br />

Werde Hubschrauber- oder Jetpilot!<br />

Auf den Geschmack gekommen?<br />

Ruf an!“ *3<br />

Ich habe erhebliche Zweifel,<br />

dass die aus Afghanistan zurückgekehrten,<br />

inzwischen mehr als<br />

5000 traumatisierten Soldaten, diese<br />

Werbesprüche noch gutheißen.<br />

Von den Toten und ihren Angehörigen<br />

ganz zu schweigen. Die propagandistische<br />

Verharmlosung oder<br />

Beschönigung von Kriegseinsätzen,<br />

die propagandistische Verharmlosung<br />

des „Berufs“ Soldat steht am<br />

Beginn eines jeden Krieges.<br />

Was können Schulen, Lehrkräfte<br />

und Schüler/ -innen tun, um den<br />

Einfluss der Bundeswehr zurückzudrängen?<br />

n Kollegien können Gesamtkonferenzbeschlüsse<br />

erwirken – Schulleitungen<br />

sind an Gesamtkonferenzbeschlüsse<br />

gebunden.<br />

n Schülerinnen und Schüler können<br />

in der SV-Beschlüsse herbeiführen.<br />

Die unbedingte Achtung der Gewissensfreiheit<br />

ist einzufordern!<br />

n Das Gewissen kann dem Einzelnen<br />

verbieten, als Soldat Menschen<br />

zu töten. Das ergibt sich<br />

aus dem Grundgesetz:<br />

n Die durch Artikel 4, Abs. 3 des<br />

Grundgesetzes geschützte Gewissensfreiheit<br />

umfasst die Freiheit<br />

der Gewissensbildung.<br />

n Diese Freiheit darf nicht durch<br />

direkte oder indirekte Indoktrinierung<br />

gefährdet werden.<br />

Das aber bedeutet:<br />

n Keine Lehrkraft darf gezwungen<br />

werden an Veranstaltungen mit<br />

der Bundeswehr teilzunehmen.<br />

n Kein Schüler und keine Schülerin<br />

darf gezwungen werden, an<br />

einer Veranstaltung der Bundeswehr<br />

teilzunehmen.<br />

n Darüber hinaus hat jede Lehrkraft<br />

das Recht (Hessisches<br />

Schulgesetz § 86, 2 Einschränkungsverbot<br />

der „Pädagogische<br />

Freiheit“) individuell zu entscheiden,<br />

ob sie Jugendoffiziere


FLZ Nr. 3/10 SEITE 15<br />

zu ihrem Unterricht hinzuziehen<br />

will oder nicht.<br />

Das elterliche Erziehungsrecht<br />

nach Artikel 6, Abs. 2 Grundgesetz<br />

ist zu beachten:<br />

n Eltern können sich dagegen wenden,<br />

dass Jugendoffiziere indoktrinierend<br />

oder werbend auf<br />

Schüler/-innen einwirken. *4<br />

Bei der Argumentation gegen den<br />

Einsatz der Bundeswehr an Schulen<br />

kann auch ein Blick in die Hessische<br />

Verfassung helfen:<br />

„§56 (4) Ziel der Erziehung ist,<br />

den jungen Menschen zur sittlichen<br />

Persönlichkeit zu bilden, seine berufliche<br />

Tüchtigkeit und die politische<br />

Verantwortung vorzubereiten<br />

zum selbständigen und verantwortlichen<br />

Dienst am Volk und der<br />

Menschheit durch Ehrfurcht und<br />

Nächstenliebe, Achtung und Duldsamkeit,<br />

Rechtlichkeit und Wahrhaftigkeit.“<br />

„§56 (5) Der Geschichtsunterricht<br />

muß auf getreue, unverfälschte<br />

Darstellung der Vergangenheit<br />

gerichtet sein. Dabei sind<br />

in den Vordergrund zu stellen die<br />

großen Wohltäter der Menschheit,<br />

die Entwicklung von Staat, Wirtschaft,<br />

Zivilisation und Kultur,<br />

nicht aber Feldherrn, Kriege und<br />

Schlachten. Nicht zu dulden sind<br />

Auffassungen, welche die Grundlagen<br />

des demokratischen Staates<br />

gefährden.“<br />

Hilfreich ist es auch, sich auf<br />

den Beutelsbacher Konsens zur Politischen<br />

Bildung von 1976 zu beziehen:<br />

n Überwältigungsverbot: „Es ist<br />

nicht erlaubt, den Schüler, mit<br />

welchen Mitteln auch immer –<br />

im Sinn erwünschter Meinungen<br />

zu überrrumpeln und damit an<br />

der Gewinnung eines selbständigen<br />

Urteils zu hindern.“<br />

n Kontroversitätsgebot: „Was in<br />

Wissenschaft und Politik kontrovers<br />

ist, muss auch im Unterricht<br />

kontrovers sein, Diese Forderung<br />

ist mit der vorgenannten<br />

aufs engste verknüpft, denn wenn<br />

unterschiedliche Standpunkte unter<br />

den Tisch fallen, Optionen unterschlagen<br />

werden, Alternativen<br />

unerörtert bleiben, ist der Weg zur<br />

Indoktrination beschritten.“<br />

Zum Schluss möchte ich noch darauf<br />

hinweisen, dass der Kampf<br />

gegen den Militarismus und seine<br />

Vertreter ein alter Kampf ist und<br />

immer einer der Gewerkschaftsbewegung<br />

war und dass es immer<br />

um die Frage ging, für wessen<br />

Interesse Leben und Geld eingesetzt<br />

werden. 1887 formulierte<br />

Wilhelm Liebknecht auf einem<br />

Flugblatt vor der Reichstagswahl:<br />

„Dem Militarismus keinen<br />

Mann und keinen Groschen:<br />

„Wenn wir von dem Militarismus<br />

und dessen Vertretern absehen,<br />

ist eine ernstliche Kriegsgefahr<br />

überhaupt nicht vorhanden; die<br />

Völker wollen und brauchen den<br />

Frieden. (…) Aber das schlimmste<br />

Hindernis (...) eines solchen<br />

(Friedens-) Bundes sind die kolossalen<br />

Kriegsrüstungen der Gegenwart,<br />

die in Gestalt des „bewaffneten<br />

Friedens“ einen unerträglichen<br />

Zustand geschaffen<br />

haben, verglichen mit dem der<br />

Krieg selbst kaum als das größere<br />

Übel erscheint. Daß ein Zustand<br />

nicht fortdauere, bei dem<br />

jeder Funke einen Weltbrand verursachen<br />

kann, das liegt, wenn<br />

wir eine winzige Minderheit ausnehmen,<br />

im Interesse des gesamten<br />

Volkes.“<br />

Karola Stötzel,<br />

Stv. Vorsitzende <strong>GEW</strong> Hessen<br />

Stellungnahme und Richtigstellung zum Artikel – „Gegen die<br />

Geschichtsfälschung der Nakba-Ausstellung“ / FLZ 2 / 2010<br />

Als Verantwortliche für Inhalt und<br />

Konzeption der Wanderausstellung<br />

„Die Nakba – Flucht und Vertreibung<br />

der Palästinenser 1948“ kann<br />

ich den Artikel „Gegen die Geschichtsfälschung<br />

der Nakba-Ausstellung!“<br />

nicht unwidersprochen<br />

stehen lassen. Die von mir als Vorsitzender<br />

für den Verein „Flüchtlingskinder<br />

im Libanon e.V. erstellte<br />

und vom Land Baden-Württemberg<br />

(Stiftung Entwicklungs-Zusammenarbeit)<br />

und dem Evangelischen Entwicklungsdienst<br />

geförderte Ausstellung<br />

ist seit April 2008 ohne wesentliche<br />

Einwände in 51 Orten<br />

(Volkshochschulen, Universitäten,<br />

Kirchengemeinden, Gewerkschaftshäusern<br />

u.a. renommierten Ausstellungsräumen)<br />

in Deutschland zu sehen<br />

gewesen. Erst seit Ende April<br />

dieses Jahres erfährt die Ausstellung<br />

massiven Widerspruch, der nicht etwa<br />

auf eine nachhaltige, gewünschte<br />

Diskussion über das Thema gerichtet<br />

ist, sondern deren Verhinderung<br />

zum Ziel hat. Dies bestätigt die Notwendigkeit<br />

der Nakba-Ausstellung,<br />

wie sie in unserer Motivation für die<br />

Erstellung der Ausstellung zum Ausdruck<br />

kommt. Sowohl in der Ausstellungs-Begleitbroschüre<br />

als auch<br />

auf unserer Website (http://lib-hilfe.<br />

de/lib-ausstellung.html) ist diese für<br />

jede/n, der/die sich ein eigenes Urteil<br />

bilden möchte, zusammen mit<br />

dem kompletten Inhalt der Ausstellung<br />

nachlesbar.<br />

Hier der wesentliche Teil unserer<br />

Motivation:<br />

In Israel werden die Ereignisse um<br />

1948, die mit der Ausrufung des<br />

israelischen Staates verbunden waren,<br />

als Wiedergeburt nach zweitausendjährigem<br />

Exil und nach<br />

Jahrhunderter langer Verfolgung<br />

gefeiert. Den überwiegenden Teil<br />

der Palästinenser haben diese Ereignisse<br />

dagegen zu einem Volk von<br />

Flüchtlingen gemacht, die sich ihrer<br />

Heimat und ihres Besitzes beraubt<br />

sehen, ohne Aussicht auf nationale<br />

Selbstbestimmung, geschweige<br />

denn auf Entschädigung oder<br />

gar Rückkehr. Die aus der Ermordung<br />

von Millionen Juden im Nationalsozialismus<br />

erwachsene deutsche<br />

Schuld hat dazu geführt, dass<br />

Gesellschaft, Politik und Medien<br />

ganz überwiegend das israelische<br />

Verständnis dieses Zeitabschnitts<br />

verinnerlicht haben. Dadurch wurde<br />

der Blick auf das Leid des palästinensischen<br />

Volkes verstellt. Die<br />

Thematisierung der Flucht und<br />

Vertreibung dieser Menschen,<br />

erst recht ihrer Forderungen nach<br />

Rückkehr und Entschädigung, gilt<br />

bis heute vielfach als Tabubruch.<br />

Wir sind aber überzeugt, dass ohne<br />

die Kenntnis und ohne eine gebührende<br />

Anerkennung dieser Seite<br />

des Konflikts Aussöhnung, Gerechtigkeit<br />

und Frieden im Nahen<br />

Osten keine Chance haben werden.<br />

Mit unserer Ausstellung wollen wir<br />

hierzu einen Beitrag leisten.<br />

Diesem Anspruch wird die<br />

Ausstellung durch sachliche Darstellung<br />

der für das Verständnis<br />

notwendigen Fakten gerecht, ohne<br />

Bewertungen oder Schuldzuweisungen<br />

vorzunehmen. Dabei stützt<br />

sie sich auf Veröffentlichungen sowohl<br />

israelischer, als auch deutscher<br />

und palästinensischer Autoren<br />

und nennt die entsprechenden<br />

nachprüfbaren Quellen. Dass<br />

durch die Ausstellung die in der<br />

deutschen Öffentlichkeit verbreiteten<br />

und verinnerlichten Mythen<br />

um die Staatsgründung Israels wie<br />

n „Ein Land ohne Volk für ein Volk<br />

ohne Land“,<br />

n „der Unabhängigkeitskrieg Israels<br />

sei ein Kampf Davids gegen<br />

Goliath gewesen“ oder<br />

n „die Palästinenser sind an ihrer<br />

Vertreibung selbst schuld, sie wären<br />

schließlich den Aufrufen der<br />

Führer ihrer arabischen Nachbarstaaten<br />

gefolgt, ihre Heimat<br />

zu verlassen und später mit den<br />

siegreichen arabischen Armeen<br />

zurückzukehren“<br />

in einem neuen Licht erscheinen,<br />

ist unvermeidlich. Daraus lässt sich<br />

aber nicht der Vorwurf der Einseitigkeit<br />

ableiten, weil dies durch objektive<br />

Fakten belegt wird.<br />

Im Kern nimmt der vorgelegte<br />

Artikel den Nahostkonflikt ausschließlich<br />

als Kampf zwischen der<br />

zutiefst und grundsätzlich antisemitischen<br />

und auf die Vernichtung der<br />

Juden hinarbeitenden arabisch-palästinensischen<br />

Seite und der durch<br />

die jüdischen Holocaustopfer des<br />

deutschen Faschismus legitimierten<br />

Politik der zionistisch-israelischen<br />

Seite war. Diese Wahrnehmung ist<br />

unhistorisch. Sie ignoriert die Tatsache,<br />

dass dieser Konflikt wie auch<br />

andere zu der Zeit vor allem unter<br />

dem Vorzeichen des endenden europäischen<br />

Kolonialismus und des<br />

Entstehens junger Nationalstaaten<br />

stand. Die Sympathie mancher palästinensischer<br />

Organisationen für<br />

den deutschen Nationalsozialismus<br />

betrachten auch Autoren wie<br />

Friedrich Schreiber und Michael<br />

Wolffsohn, die sicher nicht der Israel-Feindlichkeit<br />

bezichtigt werden<br />

können, nicht als ideologisch<br />

bedingt, sondern als aus der Feindschaft<br />

gegen Juden und Briten herrührendes<br />

Interesse („Der Nahostkonflikt<br />

– Geschichte und Struktur<br />

des Konflikts“, S. 91). Denn die Palästinenser<br />

sahen beide, Juden wie<br />

Briten, als diejenigen an, die ihnen<br />

ihr nationales Selbstbestimmungsrecht<br />

streitig machen wollten.<br />

Zu Haj Amin Al-Husseini, dem<br />

Mufti von Jerusalem, ganz kurz:<br />

Die britische Mandatsmacht selbst,<br />

die laut Mandatstext „die Errichtung<br />

einer jüdischen Heimstätte<br />

in Palästina sichern“ und „die jüdische<br />

Einwanderung erleichtern“<br />

sollte, ernannte Amin Al-Husseini<br />

1921 zum Mufti von Jerusalem,<br />

dem obersten geistlichen Führer,<br />

1922 zum Vorsitzenden des Obersten<br />

Islamischen Rats, den er bis<br />

1937 innehatte. Seine Zusammenarbeit<br />

mit dem Hitler-Faschismus<br />

vor allem nach seiner Ankunft in<br />

Nazi-Deutschland 1941 hat ihn ohne<br />

Frage diskreditiert. Wieweit er<br />

in die Vernichtungspolitik der Nazis<br />

im Detail eingeweiht oder daran<br />

beteiligt war, ist unter Historikern<br />

allerdings umstritten. Für die angeführten<br />

Beispiele der Zusammenarbeit<br />

werden keine Belege geliefert.<br />

So scheint das Beispiel der 4000 jüdischen<br />

Kinder und 500 Erwachsenen<br />

(Ernst Olbrich spricht pauschal<br />

von 5000 jüdischen Kindern), die<br />

auf das Betreiben des Mufti angeblich<br />

in die Gaskammern geschickt<br />

wurden, auf einem falsch widergegebenen<br />

Zitat zu basieren (http://<br />

mondoweiss.net/2009/07/dershowitz-allegation-that-mufti-had-4000-children-gassed-is-questioned.html).<br />

Genauso fragwürdig<br />

ist die Behauptung, die palästinensischen<br />

Aufständischen wären in<br />

den 30-er Jahren massiv mit deutschen<br />

Waffen unterstützt worden.<br />

Dazu kann man bei Benny Morris,<br />

israelischer Historiker, der die Vertreibung<br />

der Palästinenser in seinem<br />

Buch „The Birth of the Palestinian<br />

Refugee Problem Revisited<br />

(2004)“ detailliert beschrieben<br />

hat und gleichzeitig ein überzeugter<br />

Verfechter der Vertreibung ist, Folgendes<br />

nachlesen: „Während des<br />

arabischen Aufstands unterstützte<br />

Nazi-Deutschland (wie auch das<br />

faschistische Italien) die Aufständischen<br />

politisch, propagandistisch,<br />

offenbar auch mit Geld (und<br />

vielleicht einigen Waffen)“ (Weltonline<br />

30. 01. 2010).<br />

Der vollkommen übersteigerte<br />

und undifferenzierte Antisemitismus-Vorwurf<br />

an die palästinensische<br />

Seite ist dazu geeignet,<br />

die alleinige Verantwortung Nazi-Deutschlands<br />

und seiner staatlichen<br />

Verbündeten für die Vernichtung<br />

jüdischen Lebens zu relativieren<br />

und sie in Teilen einem anderen<br />

Volk anzulasten.<br />

Tatsache ist jedenfalls, dass<br />

der Mufti für die Entstehung und<br />

das Ziel des Zionismus, eine nationale<br />

Heimstatt für die – zunächst<br />

vor allem in Osteuropa verfolgten<br />

– Juden zu schaffen, keine Relevanz<br />

hat. Es ist auch zweifelhaft,<br />

ob die gewaltsame Umsetzung der<br />

zionistischen Ziele durch den Mufti<br />

befördert worden ist. Denn einerseits<br />

rechnete die zionistische<br />

Führung mit dem Widerstand der<br />

einheimischen Bevölkerung, dem<br />

Widerstand sozusagen der Kolonisierten<br />

gegen ihre Kolonisierer. Andererseits<br />

stellte Ben Gurion schon<br />

Mitte März 1948 fest, „dass die<br />

überwältigende Mehrheit von ihnen<br />

(den Palästinensern), nicht gegen<br />

uns kämpfen“ will (Ilan Pappe<br />

„Die ethnische Säuberung Palästinas“,<br />

S. 94, lt. Political and Diplomatic<br />

Documents, Document 274,<br />

S. 460). Der geringe Rückhalt, den<br />

der Mufti 1948 unter der palästinensischen<br />

Bevölkerung hatte, zeigt<br />

sich auch darin, dass sich nur wenige<br />

Tausend Männer bei insgesamt<br />

1,3 Millionen Palästinensern als<br />

Kämpfer seinem Kommando unterstellten.<br />

Wegen dieser untergeordneten<br />

Bedeutung von Al-Husseini<br />

für die „Nakba“ fand er keine<br />

Erwähnung in der Ausstellung.<br />

Die Ausführungen gipfeln<br />

schließlich darin, die Erfindung<br />

einer palästinensischen Nation<br />

durch die Vertreter der Zweistaatentheorie<br />

als einen „argumentativen<br />

Trick der Delegitimierung und<br />

Abschaffung Israels“ darzustellen.<br />

Damit wird der breite internationale<br />

Konsens für eine Friedensregelung<br />

auf der Basis zweier gleichberechtigter<br />

Staaten, wie er seid Oslo<br />

Allgemeingut ist, aufgekündigt. Die<br />

laut Harald Fiedler vom DGB formulierte<br />

Politik des DGB, die „auf<br />

Aussöhnung zwischen Juden und<br />

Palästinensern“ gerichtet sei, wird<br />

niemand grundsätzlich in Zweifel<br />

ziehen wollen, dies war aber keine<br />

gerechtfertigte Begründung für die<br />

Kündigung der Ausstellungsräume.<br />

Wir, der Verein „Flüchtlingskinder<br />

im Libanon e.V.“, wollten mit der<br />

Nakba-Ausstellung dazu beitragen,<br />

eine historische Lücke in der vornehmlich<br />

deutschen Rezeption des<br />

Palästina-Konfliktes zu schließen.<br />

Dieses Anliegen haben der Evangelische<br />

Entwicklungsdienst und<br />

die Stiftung Entwicklungs-Zusammenarbeit<br />

Baden-Württemberg mit<br />

ihrer Förderung unterstützt. Wir<br />

empfehlen den Leserinnen und Lesern<br />

der <strong>Frankfurt</strong>er Lehrerzeitung<br />

die Nakba-Ausstellung und die Begleitbroschüre<br />

als für den Schulunterricht<br />

und Diskussionen mit<br />

Schülerinnen und Schülern gut geeignetes<br />

Material zur Nahostproblematik.<br />

Ingrid Rumpf,<br />

irumpf@lib-hilfe.de<br />

Unschöne Begleiterscheinungen<br />

Die Auseinandersetzung um die<br />

o.a. Ausstellung hat den <strong>Bezirksverband</strong><br />

<strong>Frankfurt</strong> über Gebühr beschäftigt<br />

und unschöne Begleiterscheinungen<br />

gehabt.<br />

Anlass war einerseits, dass<br />

der DGB Regionsvorsitzende<br />

<strong>Frankfurt</strong>-Rhein-Main eine vor<br />

längerer Zeit gegebene Zusage für<br />

die Ausstellung im DGB-Haus in<br />

<strong>Frankfurt</strong> zurückgezogen hatte<br />

mit Verweis auf die Politik des<br />

DGB, „die auf Aussöhnung zwischen<br />

Juden und Palästinensern<br />

gerichtet“ sei.<br />

Anlass war andererseits die<br />

Kritik des Redakteurs der FLZ an<br />

der Ausstellung, der den Ausstellungsmachern<br />

Geschichtsfälschung<br />

vorwarf, u.a. weil die Ausstellung<br />

die Geschichte des Israel-Palästina-<br />

Konflikts einseitig zugunsten der<br />

Palästinenser darstelle, eine Kritik,<br />

bei der er nicht allein stand.<br />

Gegen den DGB Regionsvorsitzenden<br />

wurde von KritikerInnen eine<br />

Protestkundgebung organisiert,<br />

dem FLZ-Redakteur (und nicht nur<br />

ihm) wurden vielfältige Beschimpfungen<br />

von außerhalb des Vorstands<br />

mündlich bzw. per E-Mail zuteil, die<br />

bis in den Bereich der strafrechtlichen<br />

Beleidigung reichten.<br />

Bereits an der letzten Nummer<br />

der FLZ wurde kritisiert, dass derart<br />

umstrittene Themen in der 4-mal<br />

im Jahr erscheinenden FLZ ausgetragen<br />

werden. Viele KollegInnen<br />

hielten die Klärung eines Standpunktes<br />

zu der „Ausstellung“, zu<br />

der historischen Aufarbeitung des<br />

Palästina-Konflikts und zu der Absage<br />

der Ausstellung durch den<br />

DGB-Regionsvorsitzenden im Rahmen<br />

einer Bezirksvorstandssitzung<br />

(mit ihren vielfältigen tarif- und bildungspolitischen<br />

Themen) weder<br />

für möglich noch für angebracht.<br />

Auch wurde die Frage gestellt,<br />

weshalb zum Protest gegen die Absage<br />

einer Ausstellung durch den<br />

DGB ausgerechnet der <strong>GEW</strong> <strong>Bezirksverband</strong><br />

<strong>Frankfurt</strong> aufgefordert<br />

wurde, der die Ausstellung gar<br />

nicht befürwortet hatte und nicht<br />

die Spitze des <strong>GEW</strong> Landesverbands,<br />

welche die Ausstellung befürwortet<br />

hatte.<br />

Der Bezirksvorstand hat, um<br />

die Auseinandersetzung zu beenden,<br />

als Kompromiss beschlossen,<br />

der Ausstellungsmacherin Gelegenheit<br />

zur Erwiderung zu geben,<br />

wobei persönliche Angriffe auf<br />

den FLZ-Redakteur herauszunehmen<br />

sind und dem Bezirksvorsitz<br />

die Möglichkeit zu geben, über die<br />

Auseinandersetzung zu berichten<br />

und zu appellieren, andere nicht<br />

weiter zu verletzen.<br />

Herbert Storn,<br />

Elke Große Vorholt


SEITE 16<br />

Jubilarehrung des <strong>GEW</strong> <strong>Bezirksverband</strong>s<br />

<strong>Frankfurt</strong> / 24. 09. 2010<br />

Jubilarehrung: Lorenz Knorr, Herbert Storn, Elke Große Vorholt<br />

An diesem Abend dürfte das Durchschnittsalter<br />

aus gegebenem Anlass<br />

etwas höher gewesen sein. Eine Jubilarehrung<br />

nimmt der <strong>Bezirksverband</strong><br />

nur in größeren Abständen vor, auch,<br />

weil wir von den laufenden Auseinandersetzungen<br />

über Tariffragen,<br />

der Abwehr von Arbeitszeitverlängerungen,<br />

dem Kampf gegen die Deregulierung<br />

des Bildungswesen, gegen<br />

ein Wiederaufleben sozialdarwinistischer<br />

und fremdenfeindlicher Bestrebungen<br />

a la Sarrazin so absorbiert<br />

sind. Dennoch: Die Anwesenden ließen<br />

sich gerne ehren. Herbert Storn<br />

gab einen kurzen Überblick über die<br />

Aktivitäten des <strong>Bezirksverband</strong>s und<br />

freute sich, mit Lorenz Knorr nicht<br />

nur die längste Gewerkschaftsmitgliedschaft<br />

(58 Jahre), sondern mit<br />

89 Jahren auch den ältesten Kollegen<br />

würdigen zu dürfen.<br />

Kollege Knorr war bereits 1934<br />

in der Drucker-Gewerkschaft aktiv.<br />

1960 protestierte er öffentlich<br />

gegen das Einschwenken der SPD<br />

auf den NATO-Kurs von Konrad<br />

Adenauer und trat aus der Partei<br />

aus. 1961 griff er die personelle<br />

Kontinuität von der Wehrmacht<br />

zur Bundeswehr an und bezeichnete<br />

diese als „Massenmörder“.<br />

Wegen „Beleidigung“ von ehemaligen<br />

Generälen der nationalsozialistischen<br />

Wehrmacht, die nun in<br />

führender Position in der Bundeswehr<br />

tätig waren, sowie „Staatsgefährdung“<br />

musste er sich mehreren<br />

Gerichtsverfahren stellen. Er<br />

kam schließlich mit 300 DM davon.<br />

1974 wurde der Prozess „wegen<br />

geringer Schuld“ eingestellt.<br />

Lorenz Knorr ist immer noch<br />

in Schulen unterwegs, um seine Erfahrungen<br />

in der Friedensarbeit mit<br />

Schülern zu teilen.<br />

Geehrt wurden aber auch viele<br />

Kolleginnen und Kollegen mit 40-jähriger<br />

Mitgliedschaft: Elke und Jürgen<br />

Lamprecht, Heidi Doerflinger, Helga<br />

Eysel, Inge Holler-Röder, Rainer<br />

Georg-Lilling, Klaus Kraft und Volker<br />

Mürle.<br />

Nicht zu vergessen die noch<br />

viel zahlreicheren Kolleginnen und<br />

Kollegen mit 25jähriger Mitgliedschaft,<br />

die wir nicht alle namentlich<br />

aufzählen.<br />

Neben einem Büffet und Getränken<br />

konnten alle TeilnehmerInnen<br />

sich über das Frauen-Kabarett<br />

„Hickhack“ amüsieren, das<br />

Ausschnitte aus seinem Programm<br />

„Spiel mir das Lied vom … Abendrot“<br />

zum Besten gab.<br />

Wir haben sicherlich nicht alle<br />

Jubilare mit dieser Feier richtig erfasst<br />

und werden dies gegebenenfalls<br />

in geeigneter Form nachholen.<br />

Herbert Storn<br />

Studierendenhaus für Alle<br />

In der aktuellen Planung für den<br />

Campus Bockenheim ist das Studierendenhaus,<br />

u.a. Sitz vom AStA der<br />

J.W. Goethe-Universität, bedroht.<br />

Das Haus wurde am 21. Februar<br />

1953 – am zehnten Jahrestag der<br />

Hinrichtung von Mitgliedern der Widerstandsgruppe<br />

„Weiße Rose“ – den<br />

<strong>Frankfurt</strong>er Studierenden übergeben,<br />

um demokratische Bildung und Kultur<br />

zu fördern. Die Aufarbeitung der<br />

Nazi-Zeit, die Auseinandersetzung<br />

mit der Wiederaufrüstung, mit Vietnamkrieg<br />

und Notstandsgesetzen,<br />

der Kampf um Demokratisierung im<br />

Bildungswesen waren und sind untrennbar<br />

mit diesem Haus verbunden.<br />

Nicht nur für den SDS war das<br />

Studierendenhaus ein wichtiger Kristallisationspunkt:<br />

das Studierendenhaus<br />

war stets ein öffentlicher Raum<br />

für politische Diskussionen und Aktivitäten,<br />

für emanzipatorische Bewegungen.<br />

Nach dem Umzug des AStA<br />

der J.W. Goethe-Universität auf<br />

den IG-Farben-Campus sollen das<br />

Studentenwohnheim und die Uni-<br />

Kita – Hort der anti-autoritären<br />

Erziehung – abgerissen werden,<br />

die verbleibenden Gebäude-Teile<br />

(KoZ, AStA-Räume, Festsaal, ...)<br />

sollen der Hochschule für Musik<br />

und darstellende Kunst (HfMdK)<br />

übergeben, die öffentliche Nutzung<br />

des Studierendenhaus soll aufgegeben<br />

werden.<br />

Die Bockenheimer Bürgerinitiative<br />

„Ratschlag Campus Bockenheim<br />

kritisiert diese Planung und fordert:<br />

• Erhalt des Studentenwohnheims<br />

und der Kindertagesstätte<br />

• Erhalt von KoZ und Festsaal<br />

für politische / kulturelle Veranstaltungen<br />

und Aktivitäten,<br />

unabhängig von staatlichen Institutionen<br />

• Nutzung der Büro-, Arbeitsund<br />

Party-Räume auch durch<br />

demokratische Initiativen und<br />

Vereine, die nicht zur J.W. Goethe-Universität,<br />

bzw. zur Hf-<br />

MdK gehören.<br />

Angesichts der aktuellen Debatten<br />

um Integration und Diversität<br />

könnte das Studierendenhaus zu<br />

einem „nachbarschaftlichen Begegnungsraum“<br />

entwickelt werden,<br />

der „kulturelle Projekte...“und das<br />

Miteinander verschiedener Gruppen<br />

und ihre Beschäftigung mit<br />

dem eigenen Umfeld“ fördert (s.<br />

Erklärung der Denkwerkstatt Integration).<br />

Die BI „Ratschlag Campus<br />

Bockenheim“ trifft sich an jedem<br />

2. Mittwoch im Monat um 19 Uhr<br />

im Studierendenhaus / Campus<br />

Bockenheim. Interessierte sind<br />

herzlich zu der öffentlichen Sitzung<br />

eingeladen.<br />

Nachfragen: Angelika Wahl,<br />

rech-wahl@onlinehome.de,<br />

Tel. 069 774583.<br />

Termine<br />

FLZ Nr. 3/10<br />

Informationsveranstaltung des <strong>GEW</strong>-<strong>Bezirksverband</strong>s am<br />

30. 08. 2010 mit Frau Kraus von der Beihilfestelle Kassel<br />

Nach einem kurzen Grußwort des<br />

Kollegen Storn machte Kollege<br />

Graf den Aktionstag des DGB gegen<br />

„Das Sparpaket der Bundesregierung,<br />

die Kopfpauschale und<br />

Rente mit 67...“ am 22. 09. auf der<br />

Hauptwache bekannt.<br />

Frau Kraus hatte für die 65<br />

Anwesenden Merkblätter über die<br />

„Gewährung von Beihilfen zu Pflegekosten<br />

nach § 9 der Hess. Beihilfeverordnung<br />

...“ mitgebracht. Sie<br />

kündigte eine neue Beihilfeverordnung<br />

an, konnte aber zu den möglicherweise<br />

geplanten Änderungen<br />

noch nichts sagen.<br />

In allen Fragen könne frau/<br />

mann sich telefonisch an die „Pflegegruppe“<br />

bei der Beihilfestelle<br />

wenden: 0561-106-1550. Die Beihilfestelle<br />

hat die E-Mail-Adresse:<br />

beihilfe@rpks.hessen.de; die homepage<br />

lautet: http: beihilfe.rp-kassel.<br />

de; dort kann frau/mann auch alle<br />

benötigten Infos und Formulare einsehen<br />

und herunterladen.<br />

Nachfolgend sollen nur die<br />

Fragen erörtert werden, die aus<br />

der Veranstaltung an Frau Kraus<br />

gestellt und von ihr beantwortet<br />

wurden: Frau Kraus empfiehlt<br />

dringend, gegenüber dem Medizinischen<br />

Dienst der Pflegeversicherung<br />

die Beschwerden nicht<br />

„kleinzureden“, um eine falsche –<br />

zu niedrige – Einstufung im Pflegefall<br />

zu verhindern. Es gibt bekanntlich<br />

drei Pflegestufen und für Alzheimerpatienten<br />

eine zusätzliche<br />

Betreuungsleistung.<br />

Helga Shahidi<br />

verabschiedet<br />

Helga Shahidi, die langjährige Betriebsratsvorsitzende<br />

der Lehrerkooperative,<br />

ist in der Freistellungsphase<br />

ihrer Altersteilzeit. Mit einem rauschenden<br />

Fest verabschiedeten ihre<br />

Kolleginnen und Kollegen sie am 24.<br />

September. Helga ist Mitarbeiterin<br />

der ersten Stunde in der nunmehr 25<br />

Jahre alten Lehrerkooperative. Davon<br />

gibt es kaum noch welche, weil<br />

die jetzige Geschäftsleitung eher auf<br />

Fluktuation denn auf Ausbau einer<br />

Stammbelegschaft setzt. So waren bei<br />

der Abschiedsfeier auch viele alte Gesichter<br />

zu sehen, die schon lange andernorts<br />

arbeiten.<br />

Helga hat die Entwicklung vom<br />

selbst verwalteten Betrieb der Anfangsjahre<br />

bis zum Problem beladenen<br />

Allerweltsträger der Gegenwart<br />

hautnah miterlebt. In ihr verkörpert<br />

sich sowohl Neue als auch<br />

Alte Soziale Bewegung. Es gibt niemand<br />

zweites, der die Lehrerkooperative<br />

so gut kennt wie sie. Und es gibt<br />

wohl auch niemand zweites, der sich<br />

um die Durchsetzung von Arbeitnehmer/innenrechten<br />

bei der Lehrerkooperative<br />

so verdient gemacht hat wie<br />

sie. Die Schuhe, die sie hinterlassen<br />

hat und in die die nächste Generation<br />

hineinwachsen muss, sind groß.<br />

Hajo Dröll<br />

Wir brauchen keine ‚Schuldenbremse’<br />

– Für einen solidarischen <strong>Sozialstaat</strong>!<br />

Das DGB-Bildungswerk hat als Argumentationsmaterial<br />

einen Reader samt<br />

CD für ReferentInnen herausgegeben, der<br />

bei der <strong>GEW</strong> angefordert werden kann.<br />

Broschüre „Rente mit 60 - nicht erst ab<br />

67/70 Jahren!“ <strong>Frankfurt</strong> August 2010,<br />

35 Seiten, 1 Euro plus Versandkosten.<br />

V.i.S.d.P. u. kostenlose Bestellung: Rainer<br />

Roth, info(at)klartext-info.de<br />

Die Beihilfe braucht immer<br />

Angaben der Pflegeversicherung,<br />

natürlich auch den Einstufungsbescheid.<br />

Dies gilt auch bei vollstationärer<br />

Betreuung. Bei vollstationärer<br />

Betreuung wird nur jeweils<br />

1/3 der Kosten von der Beihilfe und<br />

der Pflegeversicherung übernommen.<br />

Bei Kurzzeitpflege ( höchstens<br />

4 Wochen ) – oft vor einem Pflegeheimaufenthalt<br />

– wird auch nach<br />

vorheriger Mitteilung der Pflegeversicherung<br />

Beihilfe gewährt.<br />

Auch eine Beihilfe zur Verhinderungspflege<br />

wird auch nur bei Erstattungsmitteilung<br />

der Versicherung<br />

gewährt. Angehörige erhalten<br />

auch Beihilfe , wenn sie nicht selbst<br />

versichert sind, es sei denn er/sie verdient<br />

unter 7ooo Euro im Jahr. Erstattung<br />

von Pflegehilfsmitteln – ärztlich<br />

verordnet – ist auf Antrag möglich.<br />

Begleitungskosten von Personen<br />

mit ärztlich dokumentierter Hilflosigkeit<br />

können erstattet werden und sind<br />

auch steuerlich absetzbar.<br />

Frau Kraus empfiehlt, der Beihilfestelle<br />

eine Vollmacht für Familienangehörige<br />

oder andere Betreuende<br />

Personen zuzustellen, falls<br />

die/der Beihilfeberechtigte zur Erledigung<br />

der Formalitäten später<br />

nicht mehr in der Lage ist (auch ein<br />

Formblatt dafür ist auf der homepage<br />

der Beihilfestelle vorhanden) .<br />

Hilfsweise reicht auch eine Patientenverfügung<br />

bei Schwärzung aller<br />

nicht für die Beihilfe relevanten Details.<br />

Die Beihilfe erlischt bei Todesfall<br />

– alle Rechnungen vor dem To-<br />

desfall müssen aber innerhalb der<br />

„normalen“ Einjahresfrist eingereicht<br />

werden.<br />

n Kostenerstattung für Treppenlift:<br />

siehe Seite 4 des Merkblatts<br />

(„Beihilfen zu Aufwendungen für<br />

die Verbesserung des individuellen<br />

Wohnumfeldes...“); Voraussetzung:<br />

ärztliche Verordnung und<br />

Einordnung in Pflegestufe; Höchstbetrag<br />

der Erstattung: Euro 2750.<br />

n Frau Kraus empfiehlt, der Beihilfestelle<br />

den Zeitpunkt der eigenen<br />

Pensionierung mitzuteilen,<br />

weil sich der Bemessungssatz<br />

erhöht; entsprechen sollte<br />

die Krankenversicherung informiert<br />

werden, um einen neuen<br />

Vertrag mit ermäßigten Beiträgen<br />

abzuschließen.<br />

n Auch in der passiven Phase der<br />

Altersteilzeit besteht Anspruch<br />

auf Kostenübernahme von Kuren;<br />

nach der Pensionierung muss<br />

vor einem notwendigen Sanatoriumsaufenthalt<br />

sowohl bei der<br />

Krankenkasse als auch der Beihilfestelle<br />

Kostenübernahme beantragt<br />

werden.<br />

Abschließend wurden auch<br />

Fragen nach den Möglichkeiten<br />

vorzeitiger Pensionierung gestellt.<br />

Wir empfehlen in solchen Fällen<br />

von „vorgezogener“ Pensionierung<br />

auf eigenen Wunsch eine vorherige<br />

Beratung durch die Rechtsstelle der<br />

<strong>GEW</strong>-Hessen oder des <strong>Bezirksverband</strong>es<br />

<strong>Frankfurt</strong>.<br />

H. Becker, R. Georg-Lilling,<br />

M. Schienbein<br />

Die Dezernentin für Integration der Stadt <strong>Frankfurt</strong> am Main, Stadträtin<br />

Dr. Nargess Eskandari-Grünberg hat im September 2009 den<br />

Entwurf eines „Integrations- und Diversitätskonzepts“ für die Stadt<br />

<strong>Frankfurt</strong> am Main vorgelegt. Seitdem wird dieser Entwurf mehr<br />

oder weniger heftig diskutiert, zuletzt im Bildungs- und Integrationsausschuss<br />

des Stadtparlaments am 20.9.2010. Dieser musste wegen<br />

Überfüllung des dafür vorgesehenen „Haus Silberberg“ in den Plenarsaal<br />

des Römer umziehen, der dann voll besetzt war (siehe Foto). Anhänger<br />

der „Bürger für <strong>Frankfurt</strong>“ nutzten die Gelegenheit, auf Sarrazin-Niveau<br />

zu polemisieren. Die FLZ will zu dem Konzept in der Dezember-Ausgabe<br />

einen Schwerpunkt bringen.<br />

Der Bezirksvorstand lädt ein zu einer Führung in die SAHURE-Ausstellung im<br />

Liebighaus <strong>Frankfurt</strong>. Termin: 9. November 2010. Die Führung beginnt um<br />

16.15 Uhr. Bitte vorher eine Eintrittskarte lösen ( freie Eintritte für Museumskarte,<br />

Studenten- oder Presseausweis; Reduktion mit Ehrenamtscard und PensionärInnen<br />

ab 65 Jahre. Angesprochen sind die Kolleginnen und Kollegen „Ü<br />

55“; selbstverständlich sind auch jüngere willkommen. (Bei Überschreitung der<br />

Gruppenstärke von 25 ist eine zweite Führung nötig) – Anmeldung über die<br />

<strong>GEW</strong>-Geschäftsstelle bis 2. November. Heiner Becker/Rainer Georg<br />

n Treffen der Fachgruppe Haupt- und Realschulen 23. 11. 2010 –<br />

15.00 Uhr bis 16.30 Uhr, Geschäftsstelle Bleichstraße<br />

Thema: Perspektiven von Haupt- und Realschulen<br />

n Weitere Termine auf der Homepage<br />

Redaktionsschluss und Escheinungsdatum der nächsten FLZ werden auf der Homepage bekannt gegeben

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