12.01.2013 Aufrufe

Recht-Informationsdienst - Caritas NRW

Recht-Informationsdienst - Caritas NRW

Recht-Informationsdienst - Caritas NRW

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Recht</strong>-<strong>Informationsdienst</strong><br />

der Zeitschrift <strong>Caritas</strong> in <strong>NRW</strong> Nr. 3/2011<br />

Inhalt<br />

Kurze Mitteilungen<br />

Beginn der Schulpflicht (ab 2012).......................................................................................... 34<br />

SGB II – Kosten der Warmwasserversorgung ...................................................................... 34<br />

SGB XII – Unzumutbarkeit des Umzugs wegen hohen Alters ........................................ 35<br />

<strong>Recht</strong>s- und Verwaltungsvorschriften ................................................................................. 35<br />

Hinweise und Informationsmedien ....................................................................................... 36<br />

Leitfaden zum Arbeitslosengeld II - Der <strong>Recht</strong>sratgeber zum SGB II ........................... 36<br />

MAVO – Kommentar zur Rahmenordnung für eine Mitarbeitervertretungsordnung ... 36<br />

Sozialgesetzbuch VIII – Kinder- und Jugendhilfe .............................................................. 36<br />

Dienstrecht der <strong>Caritas</strong><br />

Bundesfreiwilligendienst<br />

– Gesetz vom 28. April 2011 – ................................................................................................ 37<br />

Sozialrecht<br />

Bildung und Teilhabe von Kindern, Jugendlichen und<br />

jungen Erwachsenen (Bildungspaket)<br />

– Gesetz vom 24. März 2011 – ................................................................................................ 41<br />

Bestattungspflicht bei Bezug von Arbeitslosengeld II<br />

– Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 28. Februar 2011 –................................. 47<br />

Impressum<br />

Der <strong>Recht</strong>-<strong>Informationsdienst</strong> ist eine Beilage der Zeitschrift <strong>Caritas</strong> in <strong>NRW</strong><br />

Verantwortlicher Redakteur: Heinz-Gert Papenheim.<br />

Herausgeber: Diözesan-<strong>Caritas</strong>verbände von Aachen, Essen, Köln, Münster, Paderborn<br />

Die Erteilung weiterer Informationen und Beratung im Einzelfall ist der Redaktion nicht möglich.<br />

Die Urheberrechte sind vorbehalten. Sie erstrecken sich auch auf Gerichtsentscheidungen,<br />

soweit diese vom Bearbeiter redigiert bzw. in Leitsätze gefasst worden sind.


Kurze Mitteilungen<br />

Schulpflicht: Beginn ab 2012<br />

34<br />

caritas in <strong>NRW</strong> · 3/11<br />

Aktuell<br />

Ab dem Schuljahr 2012 beginnt die Schulpflicht für Kinder, die bis zum Beginn des 30. September<br />

das sechste Lebensjahr vollenden, am 1. August desselben Jahres.<br />

Kinder, die nach diesem Zeitpunkt das sechste Lebensjahr vollenden, können auf Antrag<br />

der Eltern zu Beginn des Schuljahres in die Schule aufgenommen werden, wenn sie die für<br />

den Schulbesuch erforderlichen körperlichen und geistigen Voraussetzungen besitzen und<br />

in ihrem sozialen Verhalten ausreichend entwickelt sind (Schulfähigkeit); sie werden mit<br />

der Aufnahme schulpflichtig. Die Entscheidung trifft der Schulleiter unter Berücksichtigung<br />

des schulärztlichen Gutachtens.<br />

Schulpflichtige Kinder können aus erheblichen gesundheitlichen Gründen für ein Jahr<br />

zurückgestellt werden. Die Entscheidung trifft der Schulleiter auf der Grundlage des<br />

schulärztlichen Gutachtens. Die Eltern sind anzuhören.<br />

– § 35 Schulgesetz <strong>NRW</strong>, GVBl. <strong>NRW</strong>. 2011<br />

SGB II – Kosten der Warmwasserbereitung<br />

Seit dem 01.01.2011 gehören die Kosten der Warmwasserbereitung zu den Kosten der<br />

Unterkunft.<br />

c Bei zentraler Warmwasserversorgung werden die Kosten von der Kommune zusätzlich<br />

zu den bisherigen Kosten der Unterkunft übernommen.<br />

c Bei dezentraler Zubereitung beispielsweise durch einen Gasboiler in der Wohnung, kann<br />

ein Mehrbedarf geltend gemacht werden. Die Leistungsberechtigten haben – zusätzlich<br />

zum Regelbedarf – Anspruch auf die in der Tabelle genannten Pauschalen:<br />

Leistungsberechtigte Prozentsatz des Regelsatzes Warmwasserpauschale<br />

Alleinstehende, Alleinerziehende 2,3% von 364 Euro 8,00 Euro<br />

Partner in der Bedarfsgemeinschaft 2,3% von 328 Euro 8,00 Euro<br />

Kind 18 - 24 Jahre im Elternhaushalt 2,3% von 291 Euro 7,00 Euro<br />

Kind 14 - 17 Jahre im Elternhaushalt 1,4% von 287 Euro 4,00 Euro<br />

Kind 6 - 13 Jahre 1,2% von 251 Euro 3,00 Euro<br />

Kind 0 - 5 Jahre 0,8% von 215 Euro 2,00 Euro<br />

Um Nachteile zu vermeiden, sollten die Pauschalen beantragt werden, falls die Kommune<br />

sie nicht von Amts wegen zahlt.


SGB XII – Unzumutbarer Umzug alter Menschen<br />

Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass eine 77jährige Bezieherin von Sozialhilfe,<br />

deren Unterkunftskosten in Höhe von 405 Euro die nach den allgemeinen Maßstäben<br />

angemessenen Kosten von 345 Euro um 60 Euro überschritten, Anspruch auf Übernahme<br />

der Kosten in voller Höhe gegen den Träger der Sozialhilfe haben kann, auch wenn eine<br />

angemessene Wohnung zur Verfügung steht.<br />

In diesem Fall bliebe immer noch zu prüfen, ob ein Umzug überhaupt zumutbar wäre oder<br />

ob nicht einem zu respektierenden <strong>Recht</strong> auf Verbleib in ihrem sozialen Umfeld Rechnung<br />

zu tragen ist. Dabei sei das Alter der Klägerin von 77/78 Jahren im Bezugszeitraum von<br />

wesentlicher Bedeutung.<br />

Denn der Aktivitätsradius älterer Menschen verringere sich erfahrungsgemäß, so dass Wohnung<br />

und Wohnumgebung für das körperliche und psychische Wohl des alten Menschen<br />

immer mehr an Bedeutung gewinnen. Da der Alterungsprozess mit einer Abnahme der<br />

Anpassungsfähigkeit und einer Zunahme der Anfälligkeit für Erkrankungen einhergeht,<br />

sind ältere Menschen typisierend immobiler als der Durchschnitt der Bevölkerung. Diesen<br />

soziologischen Erkenntnissen muss auch die Prüfung der (subjektiven) Zumutbarkeit eines<br />

Umzugs in eine andere Wohnung (grundsätzlich) gerecht werden.<br />

Im entschiedenen Fall hat das Gericht die Forderung nach einem Umzug wegen unangemessener<br />

Mehrkosten von bis zu 60 Euro monatlich u. a. auch deshalb für nicht gerechtfertigt<br />

gehalten, weil die Klägerin bereits über zehn Jahre in der Wohnung wohnte und<br />

auch dadurch in besonderer Weise in das soziale Umfeld integriert ist, dass ihre Tochter<br />

in demselben Haus wohnt.<br />

Jedoch kann eine soziale Integration auch auf nicht verwandtschaftlichen langjährigen<br />

Beziehungen beispielsweise zur Nachbarschaft oder zur Kirchengemeinde beruhen.<br />

Neue <strong>Recht</strong>s- und Verwaltungsvorschriften<br />

Bundesgesetzblatt I<br />

Gesetz über den Bundesfreiwilligendienst .............................................................. 2011, 687<br />

Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung<br />

des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ............................................ 2011, 453<br />

(www.gesetze-im-internet.de)<br />

caritas in <strong>NRW</strong> · 3/11 35


Hinweise und Informationsmedien<br />

c Leitfaden zum Arbeitslosengeld II – Der <strong>Recht</strong>sratgeber zum SGB II<br />

Arbeitslosenprojekt TuWas (Hg.), Fachhochschulverlag, Frankfurt/Main, Stand<br />

01. Mai 2011, 768 Seiten, 16 Euro<br />

Der aktuellste, preiswerteste und umfassendste Ratgeber für Arbeitslose und ihre<br />

Berater!<br />

c MAVO – Kommentar zur Rahmenordnung für eine Mitarbeitervertretungsordnung<br />

Thiel/Fuhrmann/Jüngst, Luchterhand-Verlag, 6. Auflage 2011, XLIII + 1005 Seiten<br />

Der Kommentar erläutert bereits die zahlreichen Änderungen der Rahmenordnung,<br />

die vom Verband der Diözesen Deutschlands am 22.11.2010 beschlossen wurden und<br />

demnächst in allen Bistümern in Kraft gesetzt werden. Nach wie vor zeichnen sich die<br />

Erläuterungen durchweg durch eine für einen juristischen Kommentar ungewöhnliche<br />

Verständlichkeit aus.<br />

An der neuen Auflage haben als hervorragende Kenner der <strong>Recht</strong>smaterie und der<br />

Praxis erstmals Dr. Martin Fuhrmann vom Verband der Diözesen Deutschlands und<br />

Manfred Jüngst, Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht Köln und Vorsitzender<br />

des Kirchlichen Arbeitsgerichts erster Instanz für die Erzdiözese Köln, mitgewirkt.<br />

Für Dienstgeber und Mitarbeitervertretungen ein kaum verzichtbarer Wegweiser durch<br />

das recht komplexe Mitarbeitervertretungsrecht.<br />

c Lehr- und Praxiskommentar, Sozialgesetzbuch VIII – Kinder- und Jugendhilfe<br />

Kunkel (Hrsg), Nomos-Verlag, Baden-Baden, 4. Auflage 2011, 1152 Seiten, 89 Euro<br />

Das Jugendhilferecht ist u. a. durch gesetzliche Neuregelungen in der Kinderförderung<br />

und im Kinderschutz weiter entwickelt worden. Neue Fragen haben sich auch durch<br />

Änderungen beispielsweise des Vormundschaftsrechts und das Inkrafttreten des Familienverfahrensgesetzes<br />

ergeben.<br />

Der Kommentar bringt in seiner 4. Auflage den Leser auf den aktuellen Stand der Gesetzgebung,<br />

<strong>Recht</strong>sprechung und Fachdiskussion. Dafür bürgen die Autoren, erfahrene<br />

Praktiker in der öffentlichen und der freien Jugendhilfe, Richter und Hochschullehrer.<br />

36<br />

caritas in <strong>NRW</strong> · 3/11


Dienstrecht der <strong>Caritas</strong><br />

Freiwilligendienst (Bundesfreiwilligengesetz)<br />

Die Aussetzung der Wehrpflicht ab dem 01. Juli 2011 führt auch zu einer Aussetzung des<br />

Zivildienstes. Dieser wird zum gleichen Zeitpunkt durch den Bundesfreiwilligendienst<br />

(BFD) ersetzt, den Menschen jeden Alters leisten können.<br />

<strong>Recht</strong>sgrundlage des Freiwilligendienstes ist das Bundesfreiwilligendienstgesetz vom<br />

28.04.2011 (BGBl I, S. 687, www.gesetze-im-internet.de).<br />

Nach wie vor können junge Menschen sich für das Freiwillige Soziale Jahr oder das Freiwillige<br />

Ökologische Jahr entscheiden.<br />

Das Bundesamt für Zivildienst erhält den Namen Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche<br />

Aufgaben. Der Sitz des Bundesamtes ist Köln.<br />

1. Ziel des Freiwilligendienstes<br />

Ziel des neuen Dienstes ist es, zukünftig möglichst vielen Menschen einen Einsatz für die<br />

Allgemeinheit zu ermöglichen (siehe Abschnitt 2).<br />

Der Bundesfreiwilligendienst wird als überwiegend praktische Hilfstätigkeit in gemeinwohlorientierten<br />

Einrichtungen geleistet, insbesondere in Einrichtungen der Kinder- und<br />

Jugendhilfe, einschließlich der Einrichtungen für außerschulische Jugendbildung und<br />

für Jugendarbeit, in Einrichtungen der Wohlfahrts-, Gesundheits- und Altenpflege, der<br />

Behindertenhilfe, der Kultur- und Denkmalpflege, des Sports, der Integration, des Zivilund<br />

Katastrophenschutzes und in Einrichtungen, die im Bereich des Umweltschutzes<br />

einschließlich des Naturschutzes und der Bildung zur Nachhaltigkeit tätig sind.<br />

Er wird pädagogisch begleitet mit dem Ziel, soziale, ökologische, kulturelle und interkulturelle<br />

Kompetenzen zu vermitteln und das Verantwortungsbewusstsein für das Gemeinwohl<br />

zu stärken.<br />

2. Teilnahmeberechtigung<br />

Der Freiwilligendienst wird – anders als das Freiwillige Soziale Jahr – nicht nur jungen<br />

Menschen, sondern Männern und Frauen jeden Alters (ab Erfüllung der Vollzeitschulpflicht)<br />

angeboten.<br />

Auch Bezieher von Arbeitslosengeld II können teilnehmen. Ihre Motivation soll dadurch<br />

verstärkt werden, dass von dem Taschengeld (siehe Abschnitt 5.2) 60 Euro zusätzlich zu<br />

den sonstigen Absetzbeträgen nicht auf die Leistungen zur Grundsicherung angerechnet<br />

werden (§ 1 Absatz 1 Nr. 13 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung).<br />

Ausländer können teilnehmen, wenn sie über einen Aufenthaltstitel verfügen, der sie zur<br />

Erwerbstätigkeit berechtigt (§ 4 Absatz 2 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes).<br />

caritas in <strong>NRW</strong> · 3/11 37


3. Dauer des Freiwilligendienstes und wöchentliche Arbeitszeit.<br />

Der Einsatz dauert in der Regel zwölf, mindestens sechs Monate. Er kann ausnahmsweise<br />

bis zu einer Dauer von 24 Monaten verlängert werden, wenn dies im Rahmen eines besonderen<br />

pädagogischen Konzepts begründet ist. In diesem Falle ist auch eine Ableistung<br />

in zeitlich getrennten Abschnitten möglich, wenn ein Abschnitt mindestens drei Monate<br />

dauert.<br />

Die Gesamtdauer aller Abschnitte sowie mehrerer geleisteter Bundesfreiwilligendienste<br />

darf bis zum 27. Lebensjahr die zulässige Gesamtdauer nicht überschreiten, danach müssen<br />

zwischen jedem Ableisten der zulässigen Gesamtdauer fünf Jahre liegen. Auf das Ableisten<br />

der Gesamtdauer ist ein Jugendfreiwilligendienst (Freiwilliges Soziales oder Ökologisches<br />

Jahr) anzurechnen.<br />

Jugendliche und junge Erwachsene leisten den Dienst vergleichbar einer Vollzeitbeschäftigung.<br />

Freiwillige, die älter als 27 Jahre sind, können sich für mindestens 20 Stunden<br />

wöchentlich verpflichten.<br />

4. Vereinbarung des Freiwilligendienstes<br />

Die Freiwilligen leisten den Freiwilligendienst in einer dafür anerkannten Einsatzstelle ab.<br />

Sie stehen in einem öffentlich-rechtlichen <strong>Recht</strong>sverhältnis zum Bund, das auf gemeinsamen<br />

Vorschlag des Freiwilligen und der Einsatzstelle zustande kommt.<br />

Der Einsatz ist arbeitsmarktneutral auszugestalten.<br />

Der Bund und der Freiwillige schließen vor Beginn des Freiwilligendienstes auf gemeinsamen<br />

Vorschlag des Freiwilligen und der Einsatzstelle eine schriftliche Vereinbarung ab<br />

(siehe Mustervereinbarung: www.zivildienst.de). Die Vereinbarung muss u. a. enthalten:<br />

c die Angabe des Zeitraumes der Verpflichtung sowie eine Regelung zur vorzeitigen<br />

Beendigung des Dienstverhältnisses,<br />

c Angaben zur Art und Höhe der Geld- und Sachleistungen,<br />

c die Angabe, ob für den Freiwilligen ein Anspruch auf einen Kinderfreibetrag nach<br />

§ 32 Absatz 6 EStG oder auf Kindergeld besteht1 , sowie<br />

c die Angabe der Anzahl der Urlaubstage und der Seminartage.<br />

Die Vereinbarung kann weitere Regelungen treffen.<br />

5. <strong>Recht</strong>e und Pflichten des Freiwilligen<br />

Der Freiwillige steht nicht in einem Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis zur Einsatzstelle,<br />

sondern in einem besonderen öffentlich-rechtlichen <strong>Recht</strong>sverhältnis.<br />

1<br />

Die Bundesfamilienministerin hat nach Verkündung des Gesetzes erklärt, dass für<br />

Freiwillige unter 25 Jahren Kindergeld gezahlt werden soll (Pressemitteilung vom<br />

16.05.2011).<br />

38<br />

caritas in <strong>NRW</strong> · 3/11


5.1 Dienstrechtliche Stellung<br />

Dienstrecht der <strong>Caritas</strong><br />

Der Freiwillige verpflichtet sich in der Vereinbarung u. a., die ihm übertragenen Aufgaben<br />

unter fachlicher Anleitung der Einsatzstelle nach bestem Wissen und Können auszuführen.<br />

Jedoch sind die Arbeitsschutzbestimmungen (z. B. das Arbeitszeitgesetz, das Mutterschutzgesetz<br />

und das Jugendarbeitsschutzgesetz) und das Bundesurlaubsgesetz entsprechend<br />

anzuwenden.<br />

Die kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen (KAVO, AVR-<strong>Caritas</strong>) gelten für Freiwillige<br />

nicht. Zur Vermeidung einer von den Freiwilligen als diskriminierend empfundenen Ungleichbehandlung<br />

können Einsatzstelle/Träger aber mit dem Freiwilligen vereinbaren, dass<br />

kirchliche Regelungen zugunsten der Mitarbeiter beispielsweise über Arbeitsbefreiung<br />

aus persönlichen Gründen und über Krankenbezüge entsprechend angewandt werden.<br />

5.2 Leistungen der Einsatzstelle an die Freiwilligen<br />

Die Höhe der Leistungen kann frei zwischen Freiwilligen und Einsatzstelle/Träger vereinbart<br />

werden. Zulässig sind<br />

c ein Taschengeld (in 2011 bis max. 330 Euro/Monat),<br />

c ein erhöhtes Taschengeld, wenn Freiwillige das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet<br />

haben und für sie kein Anspruch auf einen steuerlichen Kinderfreibetrag nach<br />

§ 32 Absatz 6 des Einkommensteuergesetzes oder auf Kindergeld besteht,<br />

c Sachleistungen (Unterkunft, Verpflegung, Dienstkleidung) oder Barauszahlung. Ob<br />

Sachleistungen zur Verfügung gestellt werden oder ob sie durch Geldzahlungen<br />

abgegolten werden, ist frei vereinbar.<br />

Auf die Summe der gewährten Leistungen fallen Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von<br />

ca. 40 % der Leistungen an die Freiwilligen an. Die Einsatzstelle hat sowohl den Arbeitgeber-<br />

als auch den Arbeitnehmeranteil zu zahlen.<br />

6. Begleitseminare<br />

Begleitet wird der Freiwilligendienst durch Seminare. Die Gesamtdauer der Seminare<br />

beträgt bei einer zwölfmonatigen Teilnahme mindestens 25 Tage.<br />

Für Freiwillige, die das 27. Lebensjahr vollendet haben, kann unter Berücksichtigung der<br />

Lebens- und Berufserfahrung die Gesamtzahl der Seminartage in angemessenem Umfang<br />

reduziert werden.<br />

7. Beendigung durch Zeitablauf bzw. Kündigung<br />

Der Freiwilligendienst endet in der Regel mit Ablauf der vereinbarten Dauer. Er kann<br />

jederzeit im gegenseitigen Einvernehmen zwischen dem Freiwilligen und der Einsatzstelle<br />

durch das Bundesamt verändert oder aufgelöst werden (§ 5 Satz 2 des Mustervertrags).<br />

caritas in <strong>NRW</strong> · 3/11 39


Die Vereinbarung kann von jedem Vertragspartner gekündigt werden,<br />

c während der ersten sechs Wochen des Einsatzes (Probezeit) mit einer Frist von<br />

zwei Wochen. Die Einsatzstelle kann vom Bundesamt ohne Angabe von Gründen<br />

innerhalb der Probezeit eine Kündigung verlangen.<br />

c ordentlich unter Einhaltung einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder<br />

zum Ende des Kalendermonats.<br />

c außerordentlich (fristlos) aus wichtigem Grund innerhalb einer Frist von zwei<br />

Wochen nach Bekanntwerden des Kündigungsgrundes.<br />

Die Kündigung bedarf der Schriftform. Die Einsatzstelle kann unter Angabe des Kündigungsgrundes<br />

die Prüfung der Kündigung verlangen.<br />

Die Einsatzstelle ist zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt, wenn der Freiwillige<br />

schwerwiegende Pflichtverletzungen begangen hat (z. B. Entwendung von Gegenständen,<br />

die Kollegen oder Patienten gehören; körperliche Züchtigung von behinderten Menschen).<br />

Eine Freiwillige könnte beispielsweise fristlos kündigen, wenn ihr die Einsatzstelle trotz<br />

vorheriger Abmahnung weiterhin Arbeiten zuweist, die sie körperlich oder psychisch<br />

überfordern.<br />

8. Bescheinigung über den geleisteten Dienst und Zeugnis<br />

Nach Abschluss des Dienstes stellt die Einsatzstelle dem Freiwilligen eine Bescheinigung<br />

über den geleisteten Dienst aus. Diese Bescheinigung dient zum Nachweis des Freiwilligendienstes<br />

gegenüber Sozialleistungsträgern und anderen Behörden.<br />

Der Freiwillige erhält außerdem von der Einsatzstelle ein schriftliches Zeugnis über die<br />

Art und Dauer des Freiwilligendienstes.<br />

Das Zeugnis ist auf die Leistungen und die Führung während der Dienstzeit zu erstrecken.<br />

Dabei sind in das Zeugnis insbesondere Merkmale aufzunehmen, die für eine berufliche<br />

Tätigkeit qualifizieren und zwar sowohl berufsspezifische Kenntnisse und Fertigkeiten als<br />

auch Schlüsselqualifikationen wie Selbstkompetenz, Sozialkompetenz, Methodenkompetenz,<br />

Handlungskompetenz, Medienkompetenz.<br />

Zu weiteren Einzelheiten beispielsweise zum Mustervertrag, zur Anerkennung von<br />

Einsatzstellen, der pädagogischen Begleitung und zur Förderung durch den Bund siehe<br />

www.zivildienst.de oder www.bundesfreiwilligendienst.de (offizielle Internetseite des BFD).<br />

40<br />

caritas in <strong>NRW</strong> · 3/11


Übersicht<br />

Sozialrecht<br />

Leistungen zur Bildung und Teilhabe<br />

von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen<br />

1. Anspruchsberechtigte ............................................................................................................ 1<br />

2. Leistungen für Bildung.......................................................................................................... 3<br />

3. Leistungen zur Teilhabe ........................................................................................................ 5<br />

4. Form der Leistungen ............................................................................................................. 5<br />

5. Beantragung der Leistungen ................................................................................................ 6<br />

6. Rückwirkende Gewährung von Leistungen ....................................................................... 6<br />

Mit dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung SGB II und SGB XII<br />

werden für Kinder und Jugendliche zusätzlich zu den Regelbedarfen sogenannte Leistungen<br />

für Bildung und Teilhabe eingeführt (§§ 28 f. SGB II, §§ 34 f. SGB XII, § 6b BKGG).<br />

Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über Art und Höhe der Leistungen. Im<br />

Anschluss an die Tabelle werden die Grundzüge der gesetzlichen Bestimmungen erläutert.<br />

Art der Leistung Höhe der Leistung<br />

Mittagessen in Kitas, Schulen oder Horten Kosten für das Mittagessen werden – bis<br />

auf einen Eigenanteil von 1 Euro je Essen<br />

– übernommen<br />

Schulbedarf (z. B. Hefte, Schreib- und Malstifte,<br />

Schulranzen)<br />

Lernförderung, wenn dadurch ein gefährdetes<br />

Lernziel voraussichtlich erreicht<br />

werden kann<br />

Teilnahme an (eintägigen) Ausflügen in<br />

Kita oder Schule<br />

Teilnahme an mehrtägigen Kita- oder<br />

Klassenfahrten<br />

Mitmachen in Kultur, Sport, Freizeit (z. B.<br />

Sportverein, Musikverein)<br />

Fahrtkosten zur Schule, wenn die Entfernung<br />

zur Wohnung dies erforderlich macht<br />

100 Euro (in zwei Teilbeträgen von 70 Euro<br />

und 30 Euro)<br />

angemessene Kosten für eine von der<br />

Schule als notwendig bestätigte Förderung<br />

tatsächliche Kosten<br />

tatsächliche Kosten<br />

bis zu 10 Euro monatlich<br />

Zuschuss, wenn die Fahrtkosten nicht von<br />

anderer Stelle übernommen werden<br />

caritas in <strong>NRW</strong> · 3/11 41


1. Anspruchsberechtigte<br />

Für die Leistungen für Bildung (siehe Abschnitt 1.1) und die Leistungen für Teilhabe an<br />

Kultur und Sport (siehe Abschnitt 1.2) gelten unterschiedliche Altersgrenzen.<br />

1.1. Voraussetzungen des Anspruchs auf Leistungen für Bildung<br />

Leistungen für Bildung erhalten Schülerinnen und Schüler, wenn sie<br />

c unter 25 Jahre alt sind,<br />

c eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen,<br />

c keine Ausbildungsvergütung erhalten.<br />

Die Leistungen werden aber nur gewährt, wenn eine der folgenden Leistungen bezogen<br />

wird:<br />

c Sozialgeld oder Arbeitslosengeld II nach SGB II (§ 28 f. SGB II),<br />

c Hilfe zum Lebensunterhalt nach SGB XII – Sozialhilfe (§ 34 f. SGB XII),<br />

c Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach SGB XII – Sozialhilfe (§§ 41, 42<br />

Nr. 3 SGB XII),<br />

c Kinderzuschlag (§ 6b S. 1 Nr. 1 BKGG) oder<br />

c Wohngeld (§ 6b S. 1 Nr. 2 BKGG).<br />

Leben Schüler/innen in Haushalten, in denen wegen des ausreichenden eigenen Einkommens<br />

keine Person Arbeitslosengeld II, Sozialgeld oder Hilfe zum Lebensunterhalt nach<br />

SGB XII bezieht, aber das Einkommen nicht ausreicht, um die Bedarfe für Bildung zu<br />

decken, werden die Leistungen für Bildung gewährt, auch wenn keine Regelbedarfe bzw.<br />

Regelsätze gezahlt werden (§ 7 Abs. 2 S. 3 SGB II, § 34a Abs. 1 S. 2 SGB XII).<br />

1.2 Voraussetzungen des Anspruchs auf Leistungen für Teilhabe<br />

Anspruch auf Leistungen für Teilhabe wird Kindern und Jugendlichen bis zur Vollendung<br />

des 18. Lebensjahres gewährt, wenn sie (oder ihre Eltern) eine der folgenden Leistungen<br />

beziehen:<br />

c Sozialgeld oder Arbeitslosengeld II nach SGB II (§ 28 f. SGB II),<br />

c Hilfe zum Lebensunterhalt nach SGB XII – Sozialhilfe (§ 34 f. SGB XII),<br />

c Kinderzuschlag (§ 6b S. 1 Nr. 1 BKGG) oder<br />

c Wohngeld (§ 6b S. 1 Nr. 2 BKGG).<br />

Wie die Leistungen für Bildung werden auch die Leistungen für Teilhabe gewährt, wenn<br />

Kinder und Jugendliche in Haushalten leben, in denen wegen des ausreichenden eigenen<br />

Einkommens keine Person ALG II, Sozialgeld oder Hilfe zum Lebensunterhalt nach<br />

SGB XII bezieht, aber das Einkommen die Bedarfe für Teilhabe nicht decken kann (§ 7<br />

Abs. 2 S. 3 SGB II, § 34a Abs. 1 S. 2 SGB XII).<br />

42<br />

caritas in <strong>NRW</strong> · 3/11


Sozialrecht<br />

Bezieher von Grundsicherung bei Erwerbsminderung (§§ 41, 42 Nr. 3 SGB XII) erhalten<br />

keine Teilhabeleistungen, weil sie die Altersgrenze von 18 Jahren überschreiten.<br />

2. Leistungen für Bildung<br />

2.1 Mittagessen in Schulen, Kindertageseinrichtungen, Kindertagespflege<br />

Schülerinnen/Schüler sowie Kinder in Kindertageseinrichtungen und in Kindertagespflege<br />

erhalten einen Zuschuss zu den Kosten der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung.<br />

Der Zuschuss wird in Höhe der tatsächlichen Höhe der Kosten des Mittagessens abzüglich<br />

eines Eigenanteils von 1 Euro je Mittagessen gewährt. Der Eigenanteil ist aus dem<br />

Regelbedarf zu finanzieren.<br />

Schülerinnen/Schüler erhalten den Zuschuss nur dann, wenn die Mittagsverpflegung in<br />

schulischer Verantwortung angeboten wird. Das soll nach dem Willen des Gesetzgebers<br />

nicht der Fall sein, wenn lediglich belegte Brötchen oder kleinere Mahlzeiten auf dem<br />

Schulgelände oder an einem Schulkiosk ausgegeben werden. Bis zum 31.12.2013 wird der<br />

Zuschuss auch den Schülerinnen/Schülern gewährt, die ihr Mittagessen in einer Einrichtung<br />

nach § 22 SGB VIII (z. B. einem Hort) bekommen.<br />

Der Zuschuss für das Mittagessen in Schulen wird monatlich für alle Tage gezahlt, die im<br />

jeweiligen Bundesland Schultage sind.<br />

Bei Kindertageseinrichtungen und in der Kindertagespflege wird der Zuschuss für die<br />

Tage gezahlt, an denen das Mittagessen ausgegeben wird.<br />

2.2 Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf<br />

Für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf (Schulranzen, Schreib-, Rechen-, Zeichenmaterialien,<br />

Sportzeug) werden – wie bisher – pauschal 100 Euro jährlich gezahlt.<br />

Ab dem Schuljahr 2011/2012 wird der Betrag in zwei halbjährlichen Raten in Höhe von<br />

70 Euro und 30 Euro gezahlt.<br />

c Für Kinder und Jugendliche im SGB II erfolgt die Auszahlung von 70 Euro immer<br />

zum 01.08. und die Auszahlung von 30 Euro immer zum 01.02. eines Jahres. Die<br />

Leistungen müssen nicht besonders beantragt werden. Sie gelten mit der Beantragung<br />

von ALG II bzw. Sozialgeld als beantragt (§ 37 Abs. 1 SGB II).<br />

c Kinder und Jugendliche im SGB XII erhalten die erste Rate von 70 Euro für den<br />

Monat, in dem der erste Schultag des Schuljahres im jeweiligen Bundesland liegt<br />

und die zweite Rate von 30 Euro für den Monat, in dem das zweite Schulhalbjahr<br />

beginnt.<br />

c Kinder, die Kinderzuschlag oder Wohngeld beziehen, bekommen wie im SGB II<br />

70 Euro zum 01.08. und 30 Euro zum 01.02. eines Jahres ausgezahlt. Allerdings<br />

müssen sie diese Leistungen besonders beantragen (§ 9 Abs. 3 BKGG, s. u.).<br />

caritas in <strong>NRW</strong> · 3/11 43


2.3 Schülerbeförderung<br />

Fahrtkosten werden Schülern erstattet, die zum Besuch der nächstgelegenen Schule ihres<br />

Bildungsgangs (z. B. Hauptschule, Realschule, Gymnasium) auf Schülerbeförderung (Bus,<br />

Bahn) angewiesen sind. Schüler, die nicht die nächstgelegene Schule, sondern eine weiter<br />

entfernt liegende Schule besuchen, erhalten einen Zuschuss zu den Fahrtkosten nur in<br />

Höhe der Kosten, die für die Beförderung zur nächstgelegenen Schule anfallen würden.<br />

Die Erstattung erfolgt nur,<br />

c soweit kein anderer die Fahrtkosten übernimmt (z. B. Land, Kommune, Schule,<br />

auch Wohlfahrtsverbände, Verwandte oder Freunde),<br />

c soweit es der Schülerin/dem Schüler nicht zugemutet werden kann, diese Kosten<br />

aus dem Regelbedarf zu finanzieren,<br />

Nicht zumutbar ist eine Finanzierung aus dem Regelbedarf, wenn die Fahrkarte nur für<br />

die Schülerbeförderung genutzt werden kann.<br />

Ist die Karte auch privat nutzbar, sollen die Beträge, die im Regelbedarf für Verkehr angesetzt<br />

sind, in der Regel für die Fahrtkosten eingesetzt werden. Das sind zzt. bei Schülerinnen/<br />

Schülern von 6 bis 13 Jahren 14 Euro und bei Schülerinnen/Schülern von 14 bis 17 Jahren<br />

12,62 Euro. Nur Fahrtkosten, die darüber hinausgehen, werden in der Regel erstattet.<br />

Die geleisteten Fahrtkosten sind in Zweifelsfällen nachzuweisen.<br />

2.4 Lernförderung/Nachhilfe<br />

Bei Schülerinnen/Schülern werden die Kosten von außerschulischem Nachhilfeunterricht<br />

(Lernförderung) in bestimmten Fällen berücksichtigt.<br />

Die Nachhilfe muss geeignet und zusätzlich erforderlich sein, um die nach den schulrechtlichen<br />

Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen.<br />

c Zunächst müssen schulische Angebote der Lernförderung wahrgenommen werden.<br />

Nur wenn diese nicht ausreichen, kann außerschulische Nachhilfe und zwar<br />

möglichst schulnahe gefördert werden (z. B. Angebote von Fördervereinen).<br />

c Die Nachhilfe muss dazu dienen, ein wesentliches Lernziel im Sinne des Schulrechts<br />

zu erreichen. Wesentlich sind regelmäßig die Versetzung in eine nächste Klassenstufe<br />

bzw. die Erreichung eines „ausreichenden Leistungsniveaus“. Nachhilfe mit<br />

dem Ziel, ein besseres Leistungsniveau oder eine bessere Schulartempfehlung zu<br />

erreichen, werden nicht gefördert (Empfehlung des Gymnasiums statt der Realschule).<br />

Keine Kostenerstattung erfolgt, wenn die Versetzung auch mit Nachhilfe nicht<br />

mehr erreicht werden könnte.<br />

Die Kosten der Nachhilfe müssen erforderlich und angemessen sein, d. h. sie müssen<br />

sich nach der konkret benötigten Förderung und den ortsüblichen Sätzen richten.<br />

44<br />

caritas in <strong>NRW</strong> · 3/11


Sozialrecht<br />

2.5 Ausflüge und Fahrten in Schulen und in Kindertageseinrichtungen<br />

Die Kosten für Ausflüge und Fahrten in Schulen oder Kindertageseinrichtungen werden<br />

in voller Höhe übernommen und zwar sowohl für eintägige als auch für mehrtägige.<br />

Taschengelder und zusätzliche Ausgaben während des Ausflugs müssen aus dem Regelbedarf<br />

finanziert werden.<br />

3. Leistungen zur Teilhabe<br />

Leistungen zur Teilhabe sollen eine soziale Ausgrenzung der Kinder und Jugendlichen<br />

vermeiden und eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen<br />

Bei Kindern und Jugendlichen wird bis zur Vollendung ihres 18. Lebensjahres ein Bedarf in<br />

Höhe von insgesamt bis zu 10 Euro monatlich für folgende Kosten der Teilhabe anerkannt:<br />

c Mitgliedsbeiträge in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit, beispielsweise<br />

für Mitgliedschaften in einem Sportverein,<br />

c Unterricht in künstlerischen Fächern (z. B. Musikunterricht in Musikschulen,<br />

in Volkshochschulen oder bei Privatpersonen) und vergleichbaren angeleiteten<br />

Aktivitäten der kulturellen Bildung (z. B. museumspädagogische Angebote, Theaterworkshops,<br />

Angebote zur Stärkung der Medienkompetenz),<br />

c Teilnahme an Freizeiten.<br />

Kinoveranstaltungen werden nicht als Teilhabekosten anerkannt.<br />

4. Form der Leistungen<br />

Die Ausstattung mit Schulbedarf und die Schülerbeförderung werden als Geldleistung<br />

erbracht.<br />

Die übrigen Leistungen sind als Sach- und Dienstleistungen, insbesondere in Form von<br />

personalisierten Gutscheinen oder Direktzahlungen an die Anbieter, zu erbringen. Die<br />

kommunalen Träger bestimmen, in welcher Form sie die Leistungen erbringen. Sie können<br />

mit Anbietern pauschal abrechnen.<br />

Die kommunalen Träger gewährleisten, dass Gutscheine bei geeigneten vorhandenen<br />

Anbietern oder zur Wahrnehmung ihrer eigenen Angebote eingelöst werden können.<br />

Gutscheine können für den gesamten Bewilligungszeitraum im Voraus ausgegeben werden.<br />

Die Gültigkeit von Gutscheinen ist angemessen zu befristen. Im Fall des Verlustes soll ein<br />

Gutschein erneut in dem Umfang ausgestellt werden, in dem er noch nicht in Anspruch<br />

genommen wurde (§ 29 Abs. 3 SGB II).<br />

Im begründeten Einzelfall kann ein Nachweis über eine zweckentsprechende Verwendung<br />

der Leistung verlangt werden. Soweit der Nachweis nicht geführt wird, soll die Bewilligungsentscheidung<br />

widerrufen werden (§ 29 Abs. 4 SGB II).<br />

caritas in <strong>NRW</strong> · 3/11 45


5. Beantragung der Leistungen<br />

Leistungen für Bildung und Teilhabe müssen besonders beantragt werden. Einzige Ausnahme:<br />

Die Geldleistungen für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf werden<br />

ohne besonderen Antrag an den Schüler/die Schülerin ausgezahlt, wenn er/sie Sozialgeld,<br />

Arbeitslosengeld II oder Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII erhält.<br />

Der Antrag ist einzureichen<br />

c beim zuständigen Jobcenter, wenn Leistungen nach SGB II (Sozialgeld oder<br />

Arbeitslosengeld II) bezogen werden.<br />

c bei der zuständigen Kommune (Sozialamt), wenn Leistungen nach dem SGB XII<br />

(Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung wegen Erwerbsminderung)<br />

bezogen werden.<br />

c bei der Kommune, wenn für das Kind Kinderzuschlag oder Wohngeld bezogen<br />

wird. Es wird empfohlen, sich im Rathaus, Bürgeramt usw. zu erkundigen, welches<br />

Amt zuständig ist. Im Zweifel kann der Antrag bei der Familienkasse der Arbeitsagentur<br />

eingereicht werden, die den Antrag an die zuständige Stelle weiterzuleiten<br />

hat, wenn sie selbst nicht zuständig ist.<br />

6. Rückwirkende Gewährung von Leistungen<br />

Leistungen für Bildung und Teilhabe werden auf Antrag für den Zeitraum seit 01.01.2011<br />

nachträglich gewährt. Der Antrag auf Nachzahlungen muss bis zum 30.06.2011 gestellt<br />

werden.<br />

Kosten für Schul- oder Kitaausflüge, für erforderliche Nachhilfestunden und für Schülerbeförderung,<br />

die seit dem 01.01.2011 entstanden sind und nachgewiesen werden können,<br />

werden auf Antrag in Geld erstattet (§ 77 Abs. 9 SGB II). Kosten für gemeinschaftliche<br />

Mittagsverpflegung werden in Höhe von 26 Euro je Monat ohne konkreten Nachweis der<br />

Kosten erstattet (§ 77 Abs. 11 SGB II).<br />

Für die Leistungen zur Teilhabe wird für Zeiten seit dem 01.01.2011 ein Betrag von 10 Euro<br />

monatlich als Geldleistung nachträglich gewährt (§ 77 Abs. 11 SGB II).<br />

46<br />

caritas in <strong>NRW</strong> · 3/11


Sozialrecht<br />

Bestattungskosten,<br />

Übernahme durch den örtlichen Träger der Sozialhilfe<br />

Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 28.02.2011 - 14 A 451/10<br />

Der volljährige Kläger, der Arbeitslosengeld II bezog und bezieht, beauftragte einen Bestatter,<br />

die Beerdigung seiner verwitweten Mutter auf dem Friedhof der beklagten Kommune<br />

vorzunehmen. Die Erbschaft schlug er aus. Die Beklagte setzte für die Beerdigung eine<br />

Friedhofsbenutzungsgebühr von insgesamt 1.630 Euro durch Bescheid fest. Der Kläger<br />

beantragte die Übernahme der Gebühr durch den örtlichen Träger der Sozialhilfe.<br />

Dieser lehnte die Übernahme mit der Begründung ab, der Kläger habe als Bezieher von<br />

Arbeitslosengeld II Anspruch auf Stundung, Niederschlagung und Erlass der Gebührenforderung.<br />

Deshalb werde durch den Gebührenbescheid der Lebensunterhalt des Klägers nicht<br />

gefährdet. Er forderte den Kläger auf, den Erlass der Gebührenforderung zu beantragen.<br />

Darauf stellte der Kläger einen entsprechenden Antrag, der von der beklagten Kommune<br />

abgelehnt wurde. Das Oberverwaltungsgericht hatte über Widerspruch und Klage gegen<br />

den ablehnenden Bescheid zu entscheiden.<br />

1. Wer die Kosten einer Bestattung zu tragen hat, richtet sich nach erbrechtlichen (§ 1968<br />

des Bürgerlichen Gesetzbuches BGB), unterhaltsrechtlichen (§ 1615 Abs. 2 BGB) oder<br />

landesrechtlichen Vorschriften über die Bestattungspflicht und die Kostentragung.<br />

2. Der Erbe trägt die Kosten der Beerdigung des Erblassers (§ 1968 BGB). Sind die<br />

Beerdigungskosten vom Erben nicht zu erlangen, ist kostenpflichtig, der dem Verstorbenen<br />

gegenüber unterhaltspflichtig war (§ 1615, § 1615m BGB). Besteht auch keine<br />

Unterhaltspflicht, kann die zuständige Behörde (häufig das kommunale Ordnungsamt)<br />

die Personen heranziehen, die nach dem Bestattungsgesetz bestattungspflichtig sind.<br />

3. Nach § 8 Bestattungsgesetz <strong>NRW</strong> sind in der nachstehenden Rangfolge zur Bestattung<br />

verpflichtet: Ehegatten, Lebenspartner, volljährige Kinder, Eltern, volljährige Geschwister,<br />

Großeltern und volljährige Enkelkinder.<br />

4. Ein bestattungspflichtiger Angehöriger ist zur Tragung der Kosten der Bestattung<br />

verpflichtet, wenn er die Bestattung durch einen Bestattungsunternehmer vornehmen<br />

lässt. Bei einer Beisetzung auf einem kommunalen Friedhof ergibt sich seine Kostentragungspflicht<br />

aus der jeweiligen kommunalen Gebührensatzung für die Friedhöfe.<br />

5. Ein bestattungspflichtiger und kostenpflichtiger Angehöriger hat gegen den Träger der<br />

Sozialhilfe einen Übernahmeanspruch nach § 74 SGB XII, wenn ihm die Aufbringung<br />

der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nicht zugemutet werden kann. Diese<br />

Voraussetzungen liegen vor, wenn er Arbeitslosengeld II bezieht und zum Kreis der<br />

Leistungsberechtigten nach § 19 Abs. 3 SGB XII gehört.<br />

6. Ein bestattungspflichtiger und kostenpflichtiger Angehöriger hat keinen Anspruch<br />

caritas in <strong>NRW</strong> · 3/11 47


auf Niederschlagung bzw. Erlass der Friedhofsgebühren gegen die Kommune, weil die<br />

Einziehung der Gebühren aufgrund des sozialhilferechtlichen Übernahmeanspruchs<br />

für ihn keine besondere Härte bedeuten würde.<br />

Anmerkung<br />

Das Verfahren ist ein Beispiel für einen mehr als drei Jahre dauernden, Gerichte in zwei<br />

Instanzen belastenden Kostenstreit zwischen staatlichen Behörden um die Kosten der<br />

Bestattung der Mutter des Klägers, obwohl von Anfang an klar war, dass dem Kläger als<br />

Arbeitslosengeld II-Bezieher nicht zuzumuten war, die Kosten zu tragen. Trotzdem wurde<br />

ihm vom letztlich kostenpflichtigen örtlichen Träger der Sozialhilfe aufgegeben, die verwaltungsgerichtliche<br />

Klage auf Stundung und Erlass der Gebührenforderung zu erheben<br />

und auch noch in die zweite Instanz zu gehen.<br />

Da es in dem Verfahren allein um den Antrag auf Stundung und Erlass der Gebührenforderung<br />

ging, konnte das Oberverwaltungsgericht den Träger der Sozialhilfe nicht verurteilen,<br />

die Bestattungskosten zu übernehmen.<br />

Jedoch stellt das Oberverwaltungsgericht in Übereinstimmung mit dem Bundessozialgericht<br />

fest, dass Bezieher von Arbeitslosengeld II nach § 74 SGB XII Anspruch auf Übernahme<br />

der angemessenen Bestattungskosten haben, wenn sie rechtlich verpflichtet sind, die<br />

Kosten der Bestattung zu tragen (BSG, Urteil vom 29.09.2009, <strong>Recht</strong>-<strong>Informationsdienst</strong><br />

2/2010, Seite 27ff.).<br />

Örtlich zuständig ist der Träger der Sozialhilfe, der bis zum Tod der leistungsberechtigten<br />

Person laufend Sozialhilfe leistete, in den anderen Fällen der Träger der Sozialhilfe, in<br />

dessen Bereich der Sterbeort liegt (§ 98 Abs. 3 SGB XII). Örtlich zuständig ist somit<br />

c der überörtliche Träger der Sozialhilfe (in <strong>NRW</strong>: Landschaftsverband), wenn er bis<br />

zum Tod Sozialhilfe leistete und beispielsweise stationäre Leistungen erbrachte.<br />

Beispiel: Der überörtliche Träger hat die Kosten der Bestattung des Ehemanns<br />

zu tragen, der bis zu seinem Tod stationäre Leistungen des überörtlichen Trägers<br />

der Sozialhilfe erhalten hatte.<br />

c der örtliche Träger der Sozialhilfe, wenn er bis zum Tod Sozialhilfe leistete.<br />

c der örtliche Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich der Sterbeort liegt, in anderen<br />

Fällen.<br />

Beispiel: Die verstorbene Mutter bezog keine laufende Sozialhilfe. Der Sohn,<br />

der die Bestattungskosten zu tragen hat, bezieht Arbeitslosengeld II.<br />

c Vom Gesetz nicht geregelt ist die Zuständigkeit, wenn der Sterbeort im Ausland<br />

liegt und der Verstorbene bis zu seinem Tod keine Sozialhilfe bezogen hat.<br />

.<br />

48<br />

caritas in <strong>NRW</strong> · 3/11

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!