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Metamorphose einer Brücke - DI Kurt Pock

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<strong>Metamorphose</strong> <strong>einer</strong> <strong>Brücke</strong><br />

(Bild 1)<br />

Die Fachwerkbrücke über den Zinkenbach<br />

ersetzt nun die alte Hängebrücke aus den<br />

60ger Jahren des letzten Jahrhunderts. Klare<br />

Linien prägen das Erscheinungsbild.<br />

8 bauen mit holz **/2000<br />

Die alte Hängebrücke über den Zinkenbach (A) hatte ihre besten Zeiten gesehen und<br />

wurde durch eine gedeckte Fachwerkbrücke ersetzt. Für die <strong>Brücke</strong>narchitektur nutzten<br />

die Planer die Mittel des konstruktiven Holzschutzes als Gestaltungselemente.<br />

Heraus kam ein feingliedriges und transparentes Bauwerk.<br />

40 m<br />

(Bild 2)<br />

Längsschnitt der <strong>Brücke</strong>. Im Eingangsbereich<br />

ragt das Dach ein halbes Rastermaß<br />

über das Tragwerk hinaus, um das<br />

Auflager vor Bewitterung zu schützen.<br />

Mit 48 Jahren hat eine Holzbrücke<br />

ihre Lebensdauer erreicht<br />

Entlang des malerischen Wolfgangsees<br />

führt ein 13 km langer, moderater<br />

Radweg von St. Gilgen (A) nach Strobl<br />

(A), der etwa nach der Hälfte, bei Langgassen<br />

den Zinkenbach passiert. Noch<br />

vor nicht allzu langer Zeit musste man<br />

das Flüsschen über eine alte Hängebrücke<br />

überqueren. „Stehen bleiben<br />

und Schwingen auf der <strong>Brücke</strong> verboten!“<br />

warnte ein Schild beim Betreten;<br />

und fürwahr, es glich einem Abenteuer,<br />

die knapp 40 m lange <strong>Brücke</strong> mit ihrer<br />

lichten Breite von 1,60 m zu überschreiten.<br />

1960 von den Gemeinden St. Gilgen und<br />

Strobl erbaut, diente sie vor allem Radfahrern<br />

zur Überquerung des Gewässers<br />

abseits der Bundesstraße.


Dank regelmäßiger Wartungsarbeiten<br />

konnte die <strong>Brücke</strong> knapp 48 Jahre benutzt<br />

werden. Sie hatte ihre Lebensdauer<br />

damit mehr als erreicht, denn laut<br />

den Ablöserichtlinien liegt die Nutzungsdauer<br />

von offenen <strong>Brücke</strong>n bei 30<br />

Jahren - nun sollte sie also durch einen<br />

Neubau ersetzt werden.<br />

Der neue Entwurf orientierte sich an<br />

der erforderlichen Spannweite und den<br />

gestiegenen Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit.<br />

Diesen Rahmenbedingungen<br />

entsprechend fiel die<br />

Wahl auf eine überdachte Fachwerkbrücke,<br />

die nicht nur zweckmäßig konstruiert,<br />

sondern auch architektonisch<br />

durchgebildet wurde.<br />

Filigranes Fachwerk für alle Lastfallkombinationen<br />

nicht ganz einfach<br />

Die 40 m lange Fachwerkkonstruktion<br />

aus Lärchenbrettschichtholz und Stahlzugdiagonalen<br />

gliedert sich in zehn<br />

Felder. Im Verhältnis zur Länge hat sie<br />

sehr filigrane Querschnitte, was eine<br />

Überhöhung sinnvoll machte. Sie kompensiert<br />

die Verformung der <strong>Brücke</strong><br />

aufgrund ihres Eigengewichts (plus<br />

Lastreserve) ebenso wie die Verformung<br />

aufgrund der Nachgiebigkeit der<br />

Verbindungsmittel. Die Überhöhung<br />

wirkt damit sowohl einem tatsächlichen<br />

als auch einem optischen Durchhängen<br />

der <strong>Brücke</strong> entgegen.<br />

Das Ziel, die <strong>Brücke</strong> möglichst filigran<br />

zu gestalten, führte auch zu der Wahl<br />

von Stahlzugdiagonalen anstelle von<br />

Druckdiagonalen aus Holz. Sie ermöglichen<br />

eine höhere Transparenz, was<br />

architektonisch gewünscht war.<br />

Die statischen Berechnungen wurden<br />

durch die Verwendung der Zugdiagonalen<br />

allerdings etwas aufwändiger, da<br />

in verschiedenen Lastfällen ein Teil der<br />

Zugstäbe Druckbeanspruchungen erhält<br />

und damit rechnerisch als nicht vorhanden<br />

anzunehmen ist. Dies entspricht<br />

einem statischen Modell mit<br />

ausfallenden Druckdiagonalen. Die<br />

auftretenden Kräfte müssen dann über<br />

Biegung von Ober- und Untergurt aufgenommen<br />

werden können.<br />

Liegender Brettschichtholz-Träger<br />

als Dachscheibe<br />

Das schützende Dach ist als statisch<br />

wirksame Scheibe ausgebildet, um die<br />

Horizontallasten aus dem Obergurt -<br />

beispielsweise aus Wind - zu stabilisieren.<br />

Ein liegender Brettschichtholz-<br />

Träger von 10 cm Dicke - ursprünglich<br />

(Bild 4)<br />

Die <strong>Brücke</strong> wird<br />

an den L-förmigen<br />

Betonpfeilern<br />

vorbeigeführt<br />

und seitlich angeschlossen.<br />

Bei<br />

Windbelastung<br />

stützt sie sich an<br />

diesen externen<br />

Auflagern ab.<br />

32<br />

in Brettsperrholz geplant - bildet die<br />

aussteifende Dachscheibe und ist auf<br />

den Obergurten aufgeschraubt. Gemeinsam<br />

mit den Gurten und den Endquerträgern<br />

entsteht ein starker liegender<br />

Träger. Er transportiert die Kräfte<br />

zu den <strong>Brücke</strong>nenden, wo sich die <strong>Brücke</strong><br />

jeweils gegen L-förmig angeordnete<br />

Stahlbeton-Pfeiler abstützt. Diese<br />

leiten die angreifenden Horizontalkräfte<br />

konzentriert über das Widerlager in den<br />

Untergrund.<br />

In Untergurtebene sorgen Stahlquerträger<br />

und Stahlauskreuzungen für die<br />

horizontale Aussteifung.<br />

3,0<br />

3,64<br />

(Bild 3)<br />

Räumliche Prinzip-<br />

“Skizze“ des statischenStabwerksmodells<br />

der Fachwerkbrücke<br />

mit<br />

Druckpfosten und<br />

Stahlzugdiagonalen<br />

ohne Dachscheibe<br />

32<br />

(Bild 5)<br />

Spiegelbildlich angeordneteAuflager<br />

in L-Form.<br />

**/2000 bauen mit holz 9


(Bild 9)<br />

Holzbohlenbelag und<br />

darunter liegende<br />

Längsträger sind<br />

aus Lärchenvollholz.<br />

10 bauen mit holz **/2000<br />

(Bild 8)<br />

Anschluss-Detail eines<br />

Untergurt-Stoßes<br />

(Bild 6)<br />

Konstruktiver<br />

Holzschutz wird<br />

hier mit einfachen<br />

Mitteln wirkungsvollerreicht.<br />

(Bild 7)<br />

Großzügige<br />

Lamellenabstände<br />

und die filigranenStahlzugstäbeermöglichen<br />

Durchblick<br />

und schaffen<br />

Transparenz.<br />

Bauherr:<br />

Gemeinde Strobl, A-5350 Strobl,<br />

Gemeinde St. Gilgen, A-5340 St.<br />

Gilgen<br />

Planung:<br />

Dipl.-Ing. Christian Halm, Halm<br />

Kaschnig Architekten, A-8010<br />

Graz, www.halm-kaschnig.at,<br />

Dipl.-Ing. <strong>Kurt</strong> <strong>Pock</strong><br />

Tragwerksplanung:<br />

Dipl.-Ing. <strong>Kurt</strong> <strong>Pock</strong>, Mitarbeit:<br />

Wolfgang St<strong>einer</strong>, A-9900 Lienz,<br />

www.holz-tragwerk.at, Dipl.-Ing.<br />

Gerolf Urban, A-9800 Spittal<br />

Den konstruktiven Holzschutz<br />

gestalterisch nutzen<br />

Die vorgehängte Fassade aus Lärchenholz-Lamellen<br />

schließt nahtlos an<br />

das Dach an und schützt das Tragwerk<br />

vor Schnee und Regen. Dabei ermöglichen<br />

die Neigung und der Abstand der<br />

Lamellen in der oberen Hälfte einen<br />

nahezu freien Blick auf den schönen<br />

Zinkenbach. In der unteren Hälfte wurden<br />

die Abstände der Lamellen enger<br />

gewählt, um den Untergurtbereich wirkungsvoll<br />

zu schützen.<br />

Das Dach erhielt eine Blechabdeckung<br />

und ist zur Entwässerung wie ein Pultdach<br />

einseitig um 5 Grad geneigt. Die<br />

dazugehörigen Regenwasser-Fallrohre<br />

sind jeweils vor den Fachwerkpfosten<br />

angeordnet.<br />

Damit auch die Hirnholzflächen der<br />

Druckpfosten ständig luftumspült sind,<br />

wurden die Pfostenköpfe durch ein<br />

leicht abgesetztes Stahlblech abgedeckt,<br />

aber auch die Fußpunkte wurden<br />

auf Abstand montiert - um nur einige<br />

Maßnahmen des konstruktiven Holzschutzes<br />

zu nennen.<br />

Das bestimmende Material der <strong>Brücke</strong><br />

ist unbehandeltes Lärchenholz. Die Farben<br />

werden sich im Laufe der Zeit verändern<br />

und der Umgebung anpassen:<br />

Während die Fassade vergrauen wird,<br />

bleibt der Innenraum weiterhin hell und<br />

lärchenholzfarbig, umgeben vom satten<br />

Grün des Auwaldes.<br />

Dipl.-Ing. (FH) Susanne Jacob-Freitag,<br />

Karlsruhe<br />

Ausführende Holzbaufirma:<br />

Brandl, A-4820 Bad Ischl,<br />

www.brandl-bau.at<br />

Brettschichtholz-Konstruktion:<br />

WIEHAG GmbH, A-4950 Altheim,<br />

www.wiehag.com<br />

Projektabwicklung<br />

und Bauleitung:<br />

Amt der Salzburger Landesregierung,<br />

Referat 4/21, Ing. Wolfgang<br />

Neumaier<br />

Fotos und Zeichnungen:<br />

<strong>Kurt</strong> <strong>Pock</strong>, Christian Halm<br />

Fertigstellung: April 2008

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