Kolumne Deppe vs. Osswald Teil 7 - Deutscher Arbeitskreis für ...
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52 KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 7<br />
<strong>Osswald</strong>: Da hat uns die DGZMK ja was<br />
Schönes eingebrockt, <strong>Deppe</strong>.<br />
<strong>Deppe</strong>: Sie meinen den Kasten da oben in<br />
der Mitte, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Gerade waren wir fertig mit<br />
dieser Folge, schon müssen wir ganz von<br />
vorne anfangen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Man muss die Feste feiern, wie<br />
sie fallen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Das sagen Sie in Ihrem jugendlichen<br />
Leichtsinn, <strong>Deppe</strong>. Kaum kämpft<br />
man zwei Jahre <strong>für</strong> die Interessen der Allgemeinzahnärzte,<br />
schon geht es holterdiepolter.<br />
<strong>Deppe</strong>: Die DGZMK hatte von der zahnärztlichen<br />
Öffentlichkeit unbemerkt die<br />
vom BVAZ kritisierte, unsinnige Kofferdam-Leitlinie<br />
abgeändert.<br />
<strong>Osswald</strong>: Aus dem Passus „eine Kofferdamisolierung<br />
hat bei jeder Sitzung einer<br />
Wurzelkanalbehandlung zu erfolgen“, war<br />
„eine Kofferdamisolierung soll bei jeder<br />
Sitzung einer Wurzelkanalbehandlung er-<br />
01_2008 www.dental-barometer.de<br />
Erfolg auf der ganzen Linie<br />
Erklärung der DGZMK zu wissenschaftlichen<br />
Stellungnahmen<br />
Die DGZMK-Statements dienen als<br />
Orientierungshilfe <strong>für</strong> die gesamte<br />
Kollegenschaft. Sie sind als Handlungsempfehlungen<br />
anzusehen und haben<br />
- auch forensisch gesehen - keinen<br />
bindenden Charakter. Formal sind sie<br />
nach der AWMF-Klassifikation analog<br />
S-1-Leitlinien einzustufen. Die DGZ-<br />
MK legt in Übereinstimmung mit der<br />
BZÄK Wert auf die Feststellung, dass<br />
die Stellungnahmen nicht als Ein-<br />
schränkung der fächerübergreifenden<br />
Berufsausübung, die dem Zahnarzt als<br />
Generalist kraft seiner Approbation<br />
zukommt, zu interpretieren sind. Die<br />
wissenschaftlichen Stellungnahmen der<br />
DGZMK finden sehr starkes Interesse<br />
und erfreuen sich hoher Akzeptanz.<br />
Sie haben in jüngster Zeit allerdings<br />
vereinzelt auch zu Rückfragen geführt.<br />
Um missverständliche Aussagen<br />
auszuräumen, werden einige DGZMK-<br />
Statements derzeit überarbeitet. Die<br />
Statements werden künftig in Abstimmung<br />
mit der Arbeitsgemeinschaft<br />
DEPPE<br />
<strong>vs</strong>.<br />
OSSWALD<br />
folgen“ geworden.<br />
<strong>Deppe</strong>: Auf diesem schönen Erfolg <strong>für</strong> den<br />
Berufsverband der Allgemeinzahnärzte in<br />
Deutschland (www.bvaz.de) hatten wir<br />
unser ganzes Gespräch aufgebaut…..<br />
<strong>Osswald</strong>: ... nochmal richtig Gas gegeben<br />
und schlüssig begründet, warum das nur<br />
ein erster Schritt in die richtige Richtung<br />
sein kann.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und aus heiterem Himmel setzt<br />
sich plötzlich die Vernunft durch, und….<br />
<strong>Osswald</strong>: ...wir müssen unseren Beitrag in<br />
der Rundablage entsorgen, <strong>Deppe</strong>.<br />
<strong>Deppe</strong>: Dann ist es jetzt eben kein <strong>Teil</strong>erfolg<br />
mehr, sondern ein Erfolg auf der<br />
ganzen Linie.<br />
<strong>Osswald</strong>: So ganz allein kann sich der<br />
BVAZ diesen Orden allerdings nicht an<br />
die Brust heften. Da waren schon auch<br />
andere beteiligt.<br />
<strong>Deppe</strong>: Als da wären, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Zum Beispiel Prof. Meyer. Als<br />
scheidender Präsident der DGZMK hat er<br />
der Wissenschaftlich-Medizinischen<br />
Fachgesellschaften (AWMF) formuliert<br />
und dort angemeldet. Dies ermöglicht<br />
es, Anregungen verschiedener Gruppierungen<br />
innerhalb und außerhalb<br />
der Zahnärzteschaft bereits im Vorfeld<br />
mehr als bisher zu berücksichtigen.<br />
Vorschläge aus der Zahnarztpraxis werden<br />
dabei ausdrücklich begrüßt.<br />
Einstimmig verabschiedet vom<br />
Vorstand der DGZMK<br />
Düsseldorf, den 21.11.2007<br />
letztlich doch noch deutlich gemacht, dass<br />
er sich durchsetzen kann, wenn es unerträglich<br />
wird. Da<strong>für</strong> unseren herzlichen<br />
Dank, verbunden mit einem aufrichtigen<br />
Glückwunsch an seinen Nachfolger!<br />
<strong>Deppe</strong>: Michael Logies dürfen wir nicht<br />
vergessen. Seine in der Diskussion mit<br />
den Vertretern des BVAZ geborene Idee,<br />
im Internet von Allgemeinzahnärzten<br />
Leitlinien auf höherem Evidenzniveau als<br />
dem der DGZMK zu erstellen, hat sicher<br />
zusätzlichen Druck erzeugt.<br />
<strong>Osswald</strong>: Ganz wesentlich war auch die<br />
überraschende Schützenhilfe durch Prof.<br />
Hülsmann. Nachdem er angefangen hatte,<br />
durch die Regenbogenpresse zu tingeln,<br />
um <strong>für</strong> seine Kunden Patienten aufzureißen,<br />
war <strong>für</strong> alle durchschaubar geworden,<br />
wohin die Reise <strong>für</strong> die Allgemeinzahnärzte<br />
gehen sollte. Henry Schneider<br />
sollten wir auch nicht unerwähnt lassen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Henry Schneider?<br />
<strong>Osswald</strong>: Um der Vernunft zum Durch-
uch zu verhelfen, <strong>Deppe</strong>, braucht man<br />
viele Väter. Das kann nur gelingen, wenn<br />
alle, die sich einig sind, dass es in die<br />
falsche Richtung geht, an einem Strang<br />
ziehen. Spezialisierung hin oder her. Die<br />
Endodontologen hatten den Bogen in einer<br />
Weise überspannt, dass er einfach brechen<br />
musste.<br />
<strong>Deppe</strong>: Dass sich die Allgemeinzahnärzte<br />
durchgesetzt haben, zeigt, dass sie Entwicklungen<br />
in einem guten Sinne beeinflussen<br />
und verändern können, wenn sie<br />
sich organisieren und auf der Basis fundierter<br />
Allgemeinzahnheilkunde zur Wehr<br />
setzen, anstatt wie die Lemminge auf eine<br />
Klippe zuzumarschieren, die sich – durch<br />
das Beispiel der ärztlichen Kollegen belegt<br />
- bereits in Sichtweite befindet.<br />
<strong>Osswald</strong>: Den Satz „Die DGZMK-Statements<br />
dienen als Orientierungshilfe <strong>für</strong><br />
die gesamte Kollegenschaft. Sie sind als<br />
Handlungsempfehlungen anzusehen und<br />
haben - auch forensisch gesehen - keinen<br />
bindenden Charakter“ kann <strong>für</strong> Allgemeinzahnärzte,<br />
die sich vor Gericht mit<br />
cleveren Anwälten konfrontiert sehen, gar<br />
nicht hoch genug bewertet werden.<br />
<strong>Deppe</strong>: Diese Seite im Heft sollte jeder<br />
Allgemeinzahnarzt, <strong>für</strong> den Fall der Fälle,<br />
sehr sorgfältig aufbewahren. Keine forensische<br />
Bindungswirkung - das hat ja nun<br />
wirklich forensische Bedeutung. Der „Berufsverband<br />
der Allgemeinzahnärzte in<br />
Deutschland“ hat sich um die Sache der<br />
Allgemeinzahnärzte verdient gemacht!<br />
<strong>Osswald</strong>: Dem BVAZ hatte schon unsere<br />
letzte Folge zahlreiche Mitglieder zugeführt.<br />
Seine Arbeit erfährt eine Welle<br />
der Zustimmung, nicht nur von vielen<br />
Kolleginnen und Kollegen, sondern auch<br />
von ihren Vertretern. So haben sich beispielsweise<br />
sowohl die Kammer als auch<br />
die KZV in Niedersachsen hinter seine<br />
Forderungen gestellt. Das ist umso bemerkenswerter,<br />
als beide Gremien von<br />
gegensätzlichen politischen Verbänden<br />
dominiert werden. Der BVAZ eint also<br />
dort, wo früher bis aufs Messer gestritten<br />
wurde.<br />
<strong>Deppe</strong>: Man sieht daran, wie überfällig<br />
die Gründung eines integrierenden Berufsverbandes<br />
war, der die medizinischen<br />
Interessen der Allgemeinzahnärzte vertritt,<br />
die durch die berufspolitischen Streitereien<br />
der vergangenen Jahre beinahe unter<br />
die Räder geraten wären.<br />
<strong>Osswald</strong>: Das erkennen die Kolleginnen<br />
und Kollegen an. Es sieht so aus, als würden<br />
sie jetzt sehr deutlich sehen, dass es<br />
<strong>für</strong> uns Allgemeinzahnärzte ums Eingemachte<br />
geht. Von den jahrelangen berufspolitischen<br />
Streitereien, die ihnen keinen<br />
messbaren Vorteil gebracht haben, haben<br />
sie die Nase offensichtlich gestrichen voll.<br />
<strong>Deppe</strong>: Der Zulauf zum BVAZ wundert<br />
mich nicht, wenn man Schlagzeilen wie<br />
diese liest: „Ärzte bekommen ab 2009<br />
deutlich mehr Honorar. Allgemeinärzte<br />
sind mit 21 Prozent plus Gewinner der<br />
Honorarreform.“<br />
<strong>Osswald</strong>: Daran kann man erkennen,<br />
was der BVAZ erreichen kann, wenn noch<br />
deutlich mehr Kolleginnen und Kollegen<br />
beitreten und mitarbeiten. Ich bin überzeugt,<br />
dass er, auf eine breite Mitgliederbasis<br />
gestützt, sogar die epidemisch auftretende<br />
Masteritis ausheilen könnte.<br />
<strong>Deppe</strong>: Quasi wie ein potentes Desinfektionsmittel,<br />
<strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Coole Überleitung, <strong>Deppe</strong>! Die<br />
Allgemeinärzte sind allerdings sehr viel<br />
besser aufgestellt als wir Allgemeinzahnärzte.<br />
<strong>Deppe</strong>: Richtig, <strong>Osswald</strong>. Sie haben inzwischen<br />
einen sehr hohen Organisationsgrad.<br />
Aber nicht nur die DGZMK hat ihre<br />
Position revidiert. Die Bundesversammlung<br />
der Bundeszahnärztekammer hat<br />
einem Antrag der Sachsen und Thüringer<br />
zur Einheit des Berufsstandes zugestimmt<br />
und ohne Gegenstimme beschlossen, die<br />
Aufteilung der zahnärztlichen Versorgung<br />
in einzelne Spezialdisziplinen abzulehnen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Vergessen Sie nicht die einstimmigen<br />
Beschlüsse in Hessen und der Pfalz,<br />
<strong>Deppe</strong>. Alles durch den BVAZ initiierte<br />
Schritte in die richtige Richtung.<br />
<strong>Deppe</strong>: Jetzt muss man abwarten, ob und<br />
wann aus den zahllosen, im Sinne der Allgemeinzahnheilkunde<br />
positiven Beschlüssen<br />
berufspolitische Tatsachen werden,<br />
immerhin widersprechen sie den Tendenzen,<br />
die von den Hochschullehrern im<br />
Weißbuch 2 dargelegt werden.<br />
<strong>Osswald</strong>: Die Frage bleibt, inwieweit die<br />
DGZMK ihre Leitlinien einseitig als forensisch<br />
nicht bindend bezeichnen kann.<br />
Dass sie die jetzt überfällige Veränderung<br />
zahlreicher Leitlinien jedoch beherzt in<br />
Angriff nimmt, erkennt man daran, dass<br />
im Internet bereits einige mit dem Zusatz<br />
„wird gerade überarbeitet“ versehen sind.<br />
<strong>Deppe</strong>: Inzwischen geht es bereits in die<br />
nächste Runde. In einer konzertierten<br />
Aktion haben sich zahlreiche Hochschullehrer<br />
in der vorletzten Quintessenz zur<br />
Zukunft der Zahnheilkunde und insbe-<br />
KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 7<br />
sondere zur Notwendigkeit eines Dialoges<br />
zwischen Medizin und Zahnmedizin geäußert.<br />
Dabei ist ein Heft mit sehr beachtlichem<br />
Inhalt herausgekommen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Keine Frage, <strong>Deppe</strong>. Was da<br />
in einem einzigen Heft über Rück- und<br />
Wechselwirkungen zwischen Allgemeinzahnheilkunde<br />
und unterschiedlichen<br />
medizinischen Fachbereichen berichtet<br />
wird, sollte jeder Allgemeinzahnarzt wissen<br />
und jeder zukünftige Zahnmediziner<br />
während seines Studiums lernen.<br />
<strong>Deppe</strong>: In der Tat, <strong>Osswald</strong>. Viele Themata,<br />
mit der sich die Hauptvorlesung<br />
sinnvoll ergänzen und erweitern lässt.<br />
<strong>Osswald</strong>: Wenn die einzelnen Abteilungen<br />
der Unis zukünftig zusammen- und nicht<br />
gegeneinander arbeiten, jeder Dozent <strong>für</strong><br />
seinen Bereich den notwendigen Stoff<br />
prüfungsrelevant vermittelt, mit aussagekräftigen<br />
Fallbeispielen belegt und diese<br />
gleichzeitig nachvollziehbar in Beziehung<br />
zu seinen Nachbarfächern stellt, sollte es<br />
eigentlich kein unüberwindbares Problem<br />
darstellen, die Forderungen des Wissenschaftsrates<br />
an die Lehre zu erfüllen.<br />
<strong>Deppe</strong>: An den Studenten wird das sicher<br />
nicht scheitern. Die Medizinstudenten<br />
müssen das <strong>für</strong> die unterschiedlichen<br />
Fachbereiche schließlich auch lernen, und<br />
gerade Zahnmedizinstudenten haben ja<br />
heute in aller Regel ausgesprochen gute<br />
Abiturnoten.<br />
<strong>Osswald</strong>: Was sich mir nach Durchsicht<br />
auch dieses Heftes immer noch nicht<br />
wirklich erschlossen hat, ist die Antwort<br />
auf die Frage, wie man aus dem dort<br />
richtig Dargestellten die Forderung nach<br />
noch mehr Fachzahnärzten, Master oder<br />
gar Bachelors ableiten kann bzw. in den<br />
Augen einiger der Protagonisten sogar<br />
zwingend muss.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das geht mir nicht anders, <strong>Osswald</strong>.<br />
Anerkennenswert ist, dass Prof. Noack<br />
zurückrudert, indem er dem von ihm<br />
im Weißbuch postulierten „Hauszahnarzt<br />
mit eingeschränktem Behandlungsspektrum“<br />
umgehend seine volle zahnärztliche<br />
Kompetenz zurückgibt.<br />
<strong>Osswald</strong>: Da<strong>für</strong> an dieser Stelle ein großes<br />
Dankeschön, Kollege Noack!<br />
<strong>Deppe</strong>: Vom Begriff „Hauszahnarzt“<br />
wollen er und viele andere dennoch nicht<br />
lassen. Im Gegensatz zu den Spezialisten<br />
war es <strong>für</strong> uns Allgemeinzahnärzte noch<br />
nie ein Problem, unser Behandlungsspektrum<br />
zu erweitern. Natürlich können wir<br />
problemlos im Sinne von Prävention untersuchend<br />
und beratend tätig werden.<br />
53<br />
www.dental-barometer.de 01_2008
54 KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 7<br />
Die Gretchenfrage, die es zuvor zu beantworten<br />
gilt, ist natürlich, wer uns da<strong>für</strong><br />
bezahlt und wie viel er bereit ist, da<strong>für</strong><br />
aufzuwenden.<br />
<strong>Osswald</strong>: Eine weitere, in meinen Augen<br />
noch viel bedeutendere Frage ist, ob es sich<br />
um eine Phantasie handelt, oder ob Kollege<br />
Noack das mit den Kostenträgern und<br />
dem da<strong>für</strong> zuständigen Berufsverband der<br />
Allgemeinärzte bereits abschließend diskutiert<br />
und sich der einhelligen Zustimmung<br />
versichert hat, ehe er damit an die<br />
Öffentlichkeit gegangen ist. Offensichtlich<br />
ist ja geplant, dass wir mit den Allgemeinärzten<br />
um ihre Patienten konkurrieren<br />
und aus ihrem Topf bezahlt werden.<br />
Wenn ja, hat er versäumt, die betroffenen<br />
Allgemeinzahnärzte an diesen Gesprächen<br />
zu beteiligen. Wenn nein, stimme ich ihm<br />
uneingeschränkt zu, wenn er fordert, einmal<br />
ganz allgemein die Qualität der Diskussionskultur<br />
im Berufsstand innerhalb<br />
der verschiedenen Gremien und Interessengruppen<br />
zu thematisieren.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wie kann man eine Diskussion<br />
kultivieren, die gar nicht stattfindet? Ganz<br />
offensichtlich zieht es doch Kollege Noack<br />
vor, allein an unserer Nase herumzufummeln.<br />
Wie kann man - bei allem Respekt<br />
- überhaupt auf die Idee kommen,<br />
wir Allgemeinzahnärzte würden uns vor<br />
vollendete Tatsachen stellen lassen und<br />
ohne Not eine veränderte, unsere zahnheilkundlichen<br />
Fähigkeiten schon semantisch<br />
einschränkende Berufsbezeichnung<br />
akzeptieren?<br />
<strong>Osswald</strong>: Quidquid id est, timeo Danaos<br />
et dona ferentes!<br />
<strong>Deppe</strong>: Wir sind schließlich schon Spezialisten,<br />
die Spezialisten <strong>für</strong> die gesamte<br />
Zahnheilkunde.<br />
<strong>Osswald</strong>: Darüber klärt Prof. Wagner<br />
die Allgemeinzahnärzte ein paar Seiten<br />
weiter hinten auf, wenn er über die Folgen<br />
der von der Hochschule geforderten<br />
Schwerpunktbildung und ihr hauszahnärztliches<br />
Versorgungskonzept referiert<br />
und dabei die Büchse der Pandora öffnet.<br />
Da fallen nämlich Schlagworte wie<br />
„gebührenrechtliche Auswirkungen der<br />
Schwerpunktbildung“ und „Budgetaspekte<br />
der Zuteilung (sektorale Honorarverteilungsmaßstäbe)“.<br />
<strong>Deppe</strong>: Nachtigall, ick hör dir trapsen,<br />
<strong>Osswald</strong>. Da kann man mal sehen, wie<br />
weit das alles schon vorausgedacht, im<br />
Geheimen diskutiert und nicht weniger<br />
heimlich beschlossen worden ist. Das einzige,<br />
das von uns Allgemeinzahnärzten<br />
01_2008 www.dental-barometer.de<br />
erwartet wird, ist, dass wir wie die Esel<br />
mit dem Kopf nicken, nach der Möhre<br />
schnappen und ein fröhliches Iiiii-(J)<br />
aaaa… anstimmen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Für die Hochschullehrer sind<br />
und bleiben wir dusselige Studenten, <strong>Deppe</strong>,<br />
und das offensichtlich ein Leben lang.<br />
Das ist genau die Streitkultur, die die<br />
Hochschule im Umgang mit studierenden<br />
Kollegen pflegt, und wie sie Kollege Noack<br />
auch von uns Allgemeinzahnärzten<br />
wie selbstverständlich erwartet. Dabei<br />
übersieht er aber Entscheidendes. Wir<br />
sind keine Studenten und die Hochschule<br />
muss ihre Diskussionskultur verändern,<br />
wenn sie wirklich an einem Dialog mit in<br />
fachübergreifender Zahnheilkunde erfahrenen<br />
Allgemeinzahnärzten interessiert<br />
ist. Bisher sieht das nun wirklich nicht so<br />
aus.<br />
<strong>Deppe</strong>: Man könnte fast meinen, die<br />
Kollegen, die vor zwei Jahren den BVAZ<br />
gegründet haben, hätten das zweite Gesicht<br />
gehabt.<br />
<strong>Osswald</strong>: Jetzt übertreiben Sie, <strong>Deppe</strong>.<br />
Wir sollten die Bedeutung des Begriffs<br />
„Sektoraler HVM“ nichtdestotrotz erläutern.<br />
Der ist <strong>für</strong> Allgemeinzahnärzte neu.<br />
Den gab es bisher ja nur bei den Medizinern.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das bedeutet im Klartext, dass<br />
Kollege Wagner und seine Hochschulkollegen<br />
die Auffassung vertreten, dass man<br />
nicht nur deutlich mehr Fachzahnärzte<br />
und Master braucht, sondern dass es in der<br />
Folge auch zu deutlichen Verschiebungen<br />
in der Honorarverteilung kommen muss.<br />
<strong>Osswald</strong>: Will heißen, dass diejenigen,<br />
die diese Schwerpunktbildung (Spezialisierung)<br />
mit Leben erfüllen, <strong>für</strong> dieselbe<br />
Leistung und möglicherweise Leistungen,<br />
die nur sie erbringen dürfen, ein anderes<br />
Honorar bekommen werden.<br />
<strong>Deppe</strong>: Dass er dabei niedrigere Honorare<br />
im Auge hat, kann ich mir jetzt gerade<br />
nicht so recht vorstellen, <strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Können Sie nicht, <strong>Deppe</strong>?<br />
Um höhere Honorare durchsetzen zu<br />
können, sollen sektorale Budgets gebildet<br />
werden, das heißt, der HVM soll so<br />
umgestaltet werden, dass er nicht mehr<br />
<strong>für</strong> alle Zahnärzte gleich ist. Der bisher<br />
gemeinsame Kuchen soll in unterschiedliche<br />
Stücke geteilt werden, von denen die<br />
Allgemeinärzte und die Spezialisten sich<br />
jeweils allein ernähren müssen. Da die<br />
Spezialisten wie selbstverständlich davon<br />
ausgehen, dass sie höhere Honorare verdienen,<br />
wird das Kuchenstück, das sich<br />
die Allgemeinzahnärzte zukünftig teilen<br />
sollen, zwangsläufig kleiner.<br />
<strong>Deppe</strong>: Es soll also genau so laufen wie<br />
weiland bei den Ärzten. Erst werden neue<br />
Titel geschaffen, die anschließend als Legitimation<br />
dienen, sich bei den Honoraren<br />
der niederen Kasten zu bedienen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Und das wird gerade semantisch<br />
vorbereitet, indem man uns nicht<br />
mehr Allgemeinärzte, sondern nachgerade<br />
penetrant Hauszahnärzte nennt und uns<br />
einreden will, das wäre doch ein schöner<br />
Titel, auf den wir stolz sein können. Die<br />
Bezeichnung Hauszahnarzt sollte sich jeder<br />
Allgemeinzahnarzt deutlich vernehmbar<br />
verbitten, wenn immer er so genannt<br />
wird.<br />
<strong>Deppe</strong>: Ich finde, Hauszahnarzt klingt<br />
schon deutlich weniger honorarintensiv.<br />
Da wird auf den ersten Blick verständlich,<br />
dass es nachgerade ungerecht wäre, wenn<br />
er nicht deutlich geringere Honorare bekommen<br />
würde als der Fachzahnarzt oder<br />
der Master mit der Lizenz zur lege artis-<br />
Behandlung.<br />
<strong>Osswald</strong>: In diesem Zusammenhang sei<br />
daran erinnert, dass den Hausärzten zur<br />
Begründung der deutlich höheren Honorare<br />
der Fachärzte weiland vorgeworfen<br />
wurde, dass sie ja nur eine Art Schmalspurausbildung<br />
hätten. Genau das versuchen<br />
uns die Hochschullehrer mit der Mär von<br />
der Wissensexplosion gerade einzureden.<br />
<strong>Deppe</strong>: Daraufhin haben sich die<br />
Hausärzte zu Fachärzten <strong>für</strong> Allgemeinmedizin<br />
weitergebildet.<br />
<strong>Osswald</strong>: Das hat ihnen aber zunächst<br />
gar nichts genützt. Erst als sie schon mit<br />
einem Fuß jenseits der Klippe standen,<br />
ist es ihnen durch die Gründung eines<br />
starken Berufsverbandes gelungen, die<br />
Fachärzte in die Position zurückzudrängen,<br />
die ihnen zukommt. Soweit sollten<br />
wir es in der Zahnheilkunde erst gar nicht<br />
kommen lassen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Da trifft es Prof. Dr.med. Dr.med.<br />
dent. Kunkel schon deutlich besser, wenn<br />
er sagt, dass sich der Allgemeinzahnarzt<br />
zum Fach(zahn)arzt <strong>für</strong> orale und periorale<br />
Medizin weiterentwickeln muss.<br />
<strong>Osswald</strong>: Da man Arzt per Definition<br />
nur durch ärztliche Approbation werden<br />
kann, wird es, wie vom BVAZ vorausgesagt,<br />
wohl auf den vom Wissenschaftsrat<br />
geforderten „Fachzahnarzt <strong>für</strong> Oralmedizin“<br />
<strong>für</strong> alle Allgemeinzahnärzte hinauslaufen,<br />
der die Bevölkerung mit der<br />
eingeforderten synoptischen, fachgebietsübergreifenden<br />
Zahnheilkunde versorgt.
KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 7<br />
Abb.1: Unterkiefermolar mit großer apikaler Aufhellung Abb.2: Verlaufskontrolle ein Jahr nach Anwendung der Depot-Phorese mit<br />
röntgenologisch vollständiger knochendichter Ausheilung<br />
Das müssen Hochschule und Kammern<br />
zukünftig leisten. Dann braucht die<br />
Hochschule ihre Ressourcen auch nicht<br />
<strong>für</strong> die kostenpflichtige postgraduierte<br />
Weiterbildung überflüssiger Master und<br />
Bachelors zu vergeuden, die das flächendeckend<br />
nicht einmal im nächsten Jahrhundert<br />
leisten können werden.<br />
<strong>Deppe</strong>: Was kostet eigentlich die Mitgliedschaft<br />
im BVAZ, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: 10 Euro im Monat. Wobei im<br />
ersten Jahr der Mitgliedschaft nur die anteiligen<br />
Monate berechnet werden.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das ist gegenüber den Beiträgen<br />
zum Freien Verband geradezu ein<br />
Schnäppchen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Zurück zur Medizin, <strong>Deppe</strong>.<br />
Ein Kollege hatte uns gebeten, zur Knappwost-Methode<br />
Stellung zu beziehen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und wie soll ich jetzt dahin die<br />
Kurve kriegen?<br />
<strong>Osswald</strong>: Zeigen Sie, was Sie drauf haben.<br />
<strong>Deppe</strong>: Also gut. Wie fühlt man sich<br />
denn, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Fühlt man sich als was, <strong>Deppe</strong>?<br />
<strong>Deppe</strong>: Als der letzte Mohikaner, <strong>Osswald</strong>!<br />
<strong>Osswald</strong>: Roman, USA, 1826, James<br />
Fenimore Cooper, immer noch lesenswert.<br />
<strong>Deppe</strong>: Setzen, <strong>Osswald</strong>, sehr gut. Cooper<br />
ist tot, Walkhoff schon lange gestorben,<br />
Sargenti auch eine ordentliche Weile,<br />
und gerade ist auch noch Knappwost von<br />
uns gegangen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Bravo, <strong>Deppe</strong>! Ausgesprochen<br />
anmutige Kurve. Noch bin ich aber nicht<br />
der einzige, der die Fahne des medizinischen<br />
Ansatzes bei der Infektionskontrolle<br />
in der Endodontie hochhält. Da<br />
sind noch die Südamerikaner, z. B. Gomes<br />
und Siqueira ...<br />
<strong>Deppe</strong>: ... immerhin zwei international<br />
sehr anerkannte Endodontologen ...<br />
<strong>Osswald</strong>: ... die Fälle, die sie nach dem<br />
Goldstandard der Amis nicht ausheilen<br />
können, erfolgreich mit Billig-CMCP-Lösungen<br />
behandeln, die sie allerdings wegen<br />
der bekannten Ätzwirkung ungesättigter<br />
Chlorphenollösungen mit Kalziumhydroxit<br />
vermischen müssen, was die Desinfektionswirkung<br />
naturgemäß sehr deutlich<br />
behindert, wie das Pharmakologische Institut<br />
der Universität Berlin bereits in den<br />
1920er Jahren gezeigt hat. Sie können sich<br />
aber gegen die US-amerikanische Mechanik-Doktrin<br />
nicht durchsetzen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Genau so wenig wie Sie, <strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Viele Kollegen auf meinen Vorträgen<br />
verstehen es, genau wie alle Patienten<br />
und Helferinnen. Das ist ja schon<br />
mal eine ganze Menge. Und die ärztlichen<br />
Kollegen reiben sich verwundert die Augen,<br />
dass es darüber überhaupt zu einer<br />
langen Diskussion kommt. Die einzigen,<br />
die es nicht verstehen wollen, sind die<br />
Endodontologen. Aber das ist ja nur eine<br />
Splittergruppe.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wie fühlen Sie sich also?<br />
<strong>Osswald</strong>: Na ja, ein bisschen schon wie<br />
Theo gegen den Rest der Welt, <strong>Deppe</strong>.<br />
<strong>Deppe</strong>: Spielfilm, Deutschland, 1980,<br />
Marius Müller-Westernhagen, auch heute<br />
noch absolut sehenswert.<br />
<strong>Osswald</strong>: Chapeau, <strong>Deppe</strong>! Dass es soweit<br />
gekommen ist! Schließlich beschreibe<br />
ich nur die indikationsgerechte Behandlung<br />
einer einfachen bakteriellen Infektionskrankheit<br />
in einem seit mehr als 100<br />
Jahren anatomisch vollständig beschriebenen<br />
Umfeld. Ich werbe ja nicht <strong>für</strong> die<br />
Implementierung der Verkapselung der<br />
Antipinoxe auf astraler Basis.<br />
<strong>Deppe</strong>: Häh? Das lassen Sie auch mal<br />
besser, <strong>Osswald</strong>. Wir wollen schließlich<br />
nicht noch mehr Verwirrung stiften.<br />
<strong>Osswald</strong>: Angesichts der Aggressionen,<br />
die ich in nicht allgemeinzahnärztlich interessierten<br />
Kreisen auslöse, ist es immerhin<br />
ausgesprochen tröstlich, dass die von<br />
Ihnen genannten Kollegen alle sehr alt<br />
geworden ...<br />
<strong>Deppe</strong>: ... und eines natürlichen Todes<br />
gestorben sind.<br />
<strong>Osswald</strong>: Keine Witze, <strong>Deppe</strong>. Danke<br />
übrigens <strong>für</strong> den Versuch, mich mit diesen<br />
Koryphäen in eine Reihe zu stellen.<br />
Da führt leider kein Weg hin. Im Gegensatz<br />
zu Walkhoff, Sargenti und Knappwost<br />
habe ich überhaupt nichts Eigenes<br />
erforscht, entwickelt oder auch nur ausgedacht.<br />
Ich erzähle lediglich nach, mische<br />
medizinisches Basiswissen hinzu, perfektioniere<br />
Walkhoffs Protokoll und bemühe<br />
mich, da<strong>für</strong> zu sorgen, dass die Notwendigkeit<br />
des medizinischen Ansatzes bei<br />
der Behandlung bakterieller Infektionskrankheiten<br />
auch in der Zahnheilkunde<br />
anerkannt wird.<br />
<strong>Deppe</strong>: Erschwerend kommt allerdings<br />
hinzu, dass Sie berufspolitisch Folgerungen<br />
ableiten und Konsequenzen ziehen.<br />
Wie dem auch sei. Knappwost ist<br />
besonders bemerkenswert. Er war zwar<br />
ein Wissenschaftler, der weit über den eigenen<br />
Tellerrand hinausschauen konnte,<br />
aber kein Zahnarzt.<br />
<strong>Osswald</strong>: Das hat ihn aber nicht davon abgehalten,<br />
der zahnärztlichen Wissenschaft<br />
den Mechanismus der Kariesentstehung<br />
und Remineralisation zu erläutern.<br />
<strong>Deppe</strong>: Genau so wenig hat er sich davon<br />
abhalten lassen, ihr nach Walkhoff<br />
und Sargenti zum dritten Mal zu erklären,<br />
dass man das gesamte endodontische<br />
Hohlraumsystem vor dem definitiven<br />
Verschluss sehr sorgfältig und geduldig<br />
55<br />
www.dental-barometer.de 01_2008
56 KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 7<br />
mit potenten Medikamenten chemisch<br />
desinfizieren muss und dass die Endodontologie<br />
mit ihrer Fixierung auf die Hauptkanäle<br />
auf dem Holzweg ist.<br />
<strong>Osswald</strong>: Mir gefällt an der Knappwost-<br />
Methode, dass sie das Behandlungsprotokoll<br />
der Endodontologen in einer Weise ad<br />
absurdum führt, wie ich es mit meinem<br />
Protokoll gar nicht könnte.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wahrscheinlich muss erst der<br />
„Bachelor of Nebenkanäle and Tubuli“<br />
erscheinen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Schauen Sie einmal auf die<br />
Abbildung 1. Große apikale Aufhellung<br />
am Zahn 36 vor der Behandlung mittels<br />
Depotphorese. Die Abbildung 2 zeigt die<br />
vollständig knochendichte Ausheilung anlässlich<br />
der Verlaufskontrolle nach einem<br />
Jahr.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und nicht ein Hauch von coronal<br />
leakage! Obwohl man die Krone distal nun<br />
wirklich nicht gerade als dicht bezeichnen<br />
kann. Da müssten sich die Keime aus der<br />
Mundhöhle nicht einmal zwischen Krone<br />
und Zahnstumpf hindurchquetschen, um<br />
müde und ausgehungert den Apex zu erreichen,<br />
um dort ihre eigentliche Bestimmung<br />
zu erfüllen und ein Granulom zu<br />
produzieren. Erstaunlich, dass sich diese<br />
Methode nicht durchgesetzt hat.<br />
<strong>Osswald</strong>: Wirklich, <strong>Deppe</strong>? Knappwost<br />
lässt ja nicht einmal die Hauptkanäle<br />
vollständig aufbereiten. Und Abfüllen<br />
lässt er auch nur bis an das apikale Drittel.<br />
Eine solche Methode kann sich gar<br />
nicht durchsetzen, wenn die Endodontologen<br />
nicht einmal die Notwendigkeit<br />
der geduldigen Langzeit-Desinfektion mit<br />
potenten Desinfektionsmitteln in Kombination<br />
mit ordentlicher Aufbereitung als<br />
allein zielführend akzeptieren. Ihr offizieller<br />
Wettbewerb läuft schließlich um den<br />
röntgenologischen Beleg des „most amazing<br />
shape“ und nicht um die Ausheilung<br />
apikaler Ostitiden.<br />
<strong>Deppe</strong>: Schöner neuer Titel, <strong>Osswald</strong>,<br />
„Bachelor <strong>für</strong> ästhetische Endodontie“!<br />
Das Verfahren nach Knappwost hat ja<br />
aber zweifellos auch Nachteile. Es eignet<br />
sich nur schlecht zur routinemäßigen Anwendung,<br />
weil mehrere, jeweils recht lange<br />
dauernde Sitzungen notwendig sind. Außerdem<br />
können die Zähne stark verfärbt<br />
werden. Hauptnachteil ist zweifellos, dass<br />
das Ergebnis in aller Regel keine richtlinienkonforme<br />
Wurzelfüllung darstellt.<br />
<strong>Osswald</strong>: Die neuen Richtlinien sind<br />
dann wohl der Todesstoß. Jeder Endodontologe<br />
wird einen solchen Zahn revi-<br />
01_2008 www.dental-barometer.de<br />
dieren, wenn er ihn vor sein Mikroskop<br />
bekommt. Nach der astreinen VitE, die in<br />
einem Prozentsatz von nicht einmal 90<br />
% erfolgreich ist, ist die Revision nicht<br />
beherdeter Zähne immerhin die zweit erfolgreichste<br />
Disziplin der Spezialisten.<br />
<strong>Deppe</strong>: Sind sie dann überhaupt indiziert,<br />
<strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Einen Zahn mit einer solchen<br />
WF würde ich beobachten, <strong>Deppe</strong>. Ehe<br />
ich ihn allerdings in eine prothetische<br />
Versorgung einbeziehen würde, würde ich<br />
ihn ganz sicher auch revidieren. Man sieht<br />
ihm schließlich nicht an, dass er vollständig<br />
desinfiziert wurde.<br />
<strong>Deppe</strong>: Na ja, erfolgreiche Revisionen bei<br />
nicht beherdeten Zähnen sind aber doch<br />
kein valider Parameter <strong>für</strong> die Qualität<br />
eines endodontischen Behandlungsprotokolls.<br />
<strong>Osswald</strong>: Richtig. Entscheidend sind allein<br />
die Ausheilungsquoten bei primären<br />
und sekundären Wurzelkanalbehandlungen<br />
an Zähnen mit röntgenologisch<br />
nachgewiesener apikaler Aufhellung. Da<br />
man beschwerdefreie Zähne schlecht resizieren<br />
und histologisch untersuchen<br />
kann, ist die röntgenologisch knochendichte<br />
Ausheilung der einzige objektive<br />
Parameter.<br />
<strong>Deppe</strong>: Da fällt die Erfolgsquote der Spezialisten<br />
sehr deutlich auf 70 %, bei Revisionen<br />
mit apikaler Ostitis sogar auf nur<br />
60 %.<br />
<strong>Osswald</strong>: Bei der konservierenden Ausheilung<br />
apikaler Aufhellungen scheidet<br />
sich die Spreu vom Weizen. Daran, und<br />
nur daran, kann man den Wert eines Protokolls<br />
bestimmen und objektivieren. Alles<br />
andere ist reine Makulatur.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wo haben Sie das mit den guten<br />
Erfolgsquoten der Endodontologen bei<br />
Revisionen nicht beherdeter Zähne überhaupt<br />
her?<br />
<strong>Osswald</strong>: Lehrbuch <strong>für</strong> Endodontie, <strong>Deppe</strong>.<br />
Hülsmann und Schäfer. Haben Sie das<br />
etwa immer noch nicht gelesen?<br />
<strong>Deppe</strong>: Also ich muss doch sehr bitten,<br />
<strong>Osswald</strong>, ich habe doch schon beim letzten<br />
Mal….<br />
<strong>Osswald</strong>: Und? Wie fanden Sie es?<br />
<strong>Deppe</strong>: Dick, schwer, teuer. Mir hat der<br />
Titel gut gefallen: „Probleme in der Endodontie“.<br />
Davon haben die Endodontologen<br />
zweifellos mehr als ihnen lieb sein<br />
kann.<br />
<strong>Osswald</strong>: Den Umschlag ziert der Ausguss<br />
eines endodontischen Hohlraumsystems.<br />
Da sieht man auf den ersten Blick,<br />
warum das Behandlungsprotokoll, das in<br />
dem Buch gelehrt wird, gar nicht überzeugend<br />
funktionieren kann.<br />
<strong>Deppe</strong>: Ich fand das Vorwort am besten,<br />
in dem die Autoren schreiben, dass man<br />
sehr bald eine neue Auflage erwerben<br />
muss, weil sich das Wissen in der Endodontologie<br />
so dramatisch und schnell verändert.<br />
<strong>Osswald</strong>: Ich kann mich an kein brandneu<br />
herausgekommenes Lehrbuch erinnern,<br />
in dem ein Behandlungsprotokoll<br />
beschrieben wird, das in wesentlichen<br />
<strong>Teil</strong>en international bereits seit Jahren als<br />
gescheitert angesehen wird, ohne das in<br />
irgendeiner Weise zu erwähnen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Auf 600 Seiten kein einziges<br />
Wort über die Geschichte der Endodontie<br />
und den Verlust des medizinischen Ansatzes<br />
bei der Behandlung septischer Zustände<br />
beim Menschen. Kann man denn<br />
trotzdem etwas lernen, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Lernen kann man immer was,<br />
<strong>Deppe</strong>. Wenn Sie beispielsweise Mühe<br />
haben, Wurzelkanäle zu finden und ordentlich<br />
aufzubereiten oder sich <strong>für</strong> ordentliche<br />
Mechanik bei exotischen Fällen<br />
interessieren, die man als Allgemeinzahnarzt<br />
nicht einmal in 20 Jahren alle zu<br />
sehen bekommt, sind die weit über 200<br />
Seiten, die sich damit beschäftigen, genau<br />
das Richtige. Wenn Sie die Hauptkanäle<br />
bereits ordentlich aufbereiten können und<br />
die endodontische Infektionskrankheit indikationsgerecht<br />
behandeln wollen, dann<br />
ist der Preis <strong>für</strong> die 40 Seiten, die das ausgesprochen<br />
nachlässig, unvollständig und<br />
teilweise nicht wahrheitsgetreu beschreiben,<br />
extrem hoch.<br />
<strong>Deppe</strong>: Zeigen die Autoren denn wenigstens<br />
schwierige, aber dennoch ausgeheilte<br />
Fälle?<br />
<strong>Osswald</strong>: Das schon, <strong>Deppe</strong>, aber auch<br />
jede Menge nicht ausgeheilter. Wenn man<br />
auf der anderen Seite bedenkt, dass in diesem<br />
Buch die Fälle von insgesamt zehn<br />
Spezialisten und Universitäten gesammelt<br />
wurden, sind eine einzige ausgeheilte Zyste<br />
und ein oder zwei Fistelfälle dann doch<br />
eher weniger beeindruckend.<br />
<strong>Deppe</strong>: Was sonst noch an Zahnerhaltung<br />
gezeigt wird, ist auch nicht gerade<br />
prickelnd. Und wenn man in den Bildlegenden<br />
liest, was so alles als „ausgedehnte<br />
Aufhellung“ bezeichnet wird, stellt sich<br />
die Frage nach der zugrunde liegenden<br />
Indikationsstellung zum Zahnerhalt doch<br />
sehr nachhaltig.<br />
<strong>Osswald</strong>: Es werden praktisch nur Einzel-
Abb.3: Klinisch uncharakteristische Beschwerden im Juli 2006 bei röntgenologisch<br />
unauffälligem Befund<br />
Abb.5: Erneute klinische Symptomatik im Sinne einer Paro-Endo-Läsion im<br />
Februar 2007<br />
fälle gezeigt. Um zu belegen, dass es sich<br />
dabei nicht um Sonntagsfälle handelt,<br />
würde man zahllose Dubletten oder auch<br />
die eine oder andere Triolette erwarten.<br />
Obwohl in diesem Lehrbuch 10 Autoren<br />
ihre besten Fälle zusammentragen, wird<br />
nur ein einziger Fall gezeigt, bei dem<br />
mehrere apikale Ostitiden beim selben Patienten<br />
ausgeheilt sind.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und dieser einzige ist noch von<br />
einem Endodontologen ausgeliehen, der<br />
nicht Autor des Buches ist. Da<strong>für</strong> sieht<br />
man einige Versuche, zwei apikale Ostitiden<br />
bei einem Patienten auszuheilen, wobei<br />
bei der Nachkontrolle einer der beiden<br />
Zähne fehlt.<br />
<strong>Osswald</strong>: Mit Dubletten kann ich Sie tot<br />
schmeißen, <strong>Deppe</strong>, obwohl ich nach Noack<br />
nur ein dusseliger Hauszahnarzt mit<br />
eingeschränktem Behandlungsspektrum<br />
bin. Schauen Sie auf die Abbildung 3. Der<br />
Patient stellte sich im Juli 2006 mit uncharakteristischen<br />
Beschwerden im dritten<br />
Quadranten vor. Alle Zähne waren vital,<br />
eher ein klein wenig hypersensibel. Wegen<br />
einer deutlichen Gingivitis haben wir eine<br />
professionelle Zahnreinigung durchge-<br />
KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 7<br />
Abb.6: Diesmal mit Fistelbildung an 36<br />
führt und die Okklusion eingeschliffen,<br />
weil wir eine Überlastung vermuteten.<br />
<strong>Deppe</strong>: Röntgenologisch eher unauffällig.<br />
Vielleicht eine klitzekleine Aufhellung an 37.<br />
Das ist so einer der Zähne, von denen man<br />
dann sagt: „Sind sie vital, haben sie nichts,<br />
sind sie devital, ist das eine Aufhellung.“<br />
<strong>Osswald</strong>: Nur einen Monat später stellte<br />
sich der Patient erneut vor. Wie in Abbildung<br />
4 zu sehen ist, hatte sich eine deutliche<br />
Paro-Endo-Läsion mit einem fistelnden<br />
37 entwickelt.<br />
<strong>Deppe</strong>: Paro-Endo-Fälle laufen manchmal<br />
ausgesprochen foudroyant und sind<br />
dann nur sehr schwer in den Griff zu bekommen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Damit war es leider nicht ausgestanden,<br />
wie man in Abbildung 5 sieht.<br />
Denn im Februar 2007 stellte sich der<br />
Patient mit einer Exazerbation der Paro-<br />
Endo-Problematik vor. Man hätte jetzt<br />
an einen Misserfolg der Wurzelkanalbehandlung<br />
an 37 denken können, aber der<br />
zeigte sich im Gegensatz zu 36 knallfest<br />
und symptomlos. Jetzt war es vielmehr der<br />
36, der – wie auf Abbildung 6 zu sehen –<br />
seinerseits eine Fistel entwickelt hatte und<br />
Abb.4: Im August 2006 hat sich eine Fistel am 37 entwickelt.<br />
mit L=II sehr deutlich gelockert war. Die<br />
Abbildung 7 zeigt den 36 nach konservierender<br />
Ausheilung der Fistel unmittelbar<br />
nach WF im April 2007.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das ist schon beeindruckend,<br />
wie in einem solchen Fall der Knochen<br />
schmilzt. Wie der Schnee an der Sonne.<br />
<strong>Osswald</strong>: Tut er das wirklich so schnell,<br />
<strong>Deppe</strong>? Die Abbildung 8 zeigt die erste<br />
Verlaufskontrolle im August 2007 mit<br />
knallfesten Zähnen, ausgeheilten Fisteln,<br />
klinischer Beschwerdefreiheit und wundersamem<br />
Knochengewinn. Dieser Fall<br />
wurde übrigens von unserem Ausbildungsassistenten<br />
gelöst. Seine erste Dublette<br />
von vielen, die da noch kommen werden.<br />
<strong>Deppe</strong>: Bei der Aufbereitung muss er<br />
schon noch etwas zulegen, oder?<br />
<strong>Osswald</strong>: Mit der sorgfältigen Desinfektion<br />
klappt es, wie man sieht, da<strong>für</strong> aber<br />
schon sehr ordentlich.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wie bei jedem, der sie konsequent<br />
und geduldig anwendet. Wundersamer<br />
Knochengewinn?<br />
<strong>Osswald</strong>: „Wundersam“ nenne ich diesen<br />
Knochengewinn deshalb, weil der Knochen<br />
gar nicht weg war. Wenn der Kno-<br />
57<br />
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58 KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 7<br />
Abb.7: Unmittelbar nach WF an 36 nach Ausheilung der Fistel im April<br />
2007<br />
chen zu ca. 30 % entmineralisiert ist, ist<br />
er röntgenologisch schon nicht mehr vollständig<br />
darstellbar. Deshalb kann man<br />
eine Zyste röntgenologisch auch nicht von<br />
einer einfachen apikalen Aufhellung unterscheiden.<br />
Wenn man den bakteriellen<br />
Infekt allerdings geduldig ausheilt, remineralisiert<br />
der Knochen und wird röntgenologisch<br />
wieder darstellbar. Das dauert<br />
allerdings seine Zeit, weil er stoffwechselmäßig<br />
gegenüber anderen Geweben eher<br />
langsam ist. Das ist übrigens der Grund<br />
da<strong>für</strong>, warum man Studien über den Knochengewinn<br />
bei parodontalen Eingriffen<br />
ausgesprochen kritisch gegenüber stehen<br />
sollte.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wenn man den Fall unbedarft<br />
anschaut, weil man Ihr endodontisches<br />
Protokoll nicht kennt, könnte man meinen,<br />
Sie wären der größte noch lebende<br />
Parodontologe. Sind Sie das, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Sischer dat! Im Ernst: Ich<br />
könnte Ihnen jetzt erzählen, dass ich das<br />
selbstverständlich alles in den USA gelernt<br />
habe, weil das hier in Deutschland eh’ keiner<br />
kann, dass ich diese neuen Membranen<br />
und biogenen Mittelchen anwende,<br />
die Sie im Anschluss mit Vortragsrabatt<br />
bei meinem Sponsor erwerben können,<br />
die zwar dreimal so teuer sind wie die, die<br />
schon in Ihrem Schrein liegen, obwohl sie<br />
mindestens eineinhalb Mal besser wirken….<br />
. Nein, nichts davon ist hier passiert.<br />
Hier wurde lediglich der zugrunde<br />
liegende bakterielle Infekt indikationsgerecht<br />
behandelt und ausgeheilt.<br />
<strong>Deppe</strong>: Mein Schrein, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Jeder Allgemeinzahnarzt hat einen<br />
Schrein in seiner Praxis, <strong>Deppe</strong>. Da bewahrt<br />
er die Materialien und Geräte<br />
auf, die er nach einer Fortbildung voller<br />
Begeisterung gekauft und dann nicht benutzt<br />
hat.<br />
<strong>Deppe</strong>: Man könnte fast meinen, Sie<br />
01_2008 www.dental-barometer.de<br />
hätten grundsätzlich etwas gegen Augmentationen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Das wird man mir vorwerfen.<br />
Das trifft es aber nicht. Ich augmentiere in<br />
bestimmten Fällen, auch wenn ich nicht<br />
sehr häufig eine medizinische Indikation<br />
da<strong>für</strong> sehe. Die Voraussetzung jeglicher<br />
Augmentationsmaßnahme ist allerdings<br />
die vorausgegangene, genau so sorgfältige<br />
wie geduldige Desinfektion. Ehe der bakterielle<br />
Infekt nicht vollständig ausgeheilt<br />
ist, sind alle augmentativen Maßnahmen<br />
kontraindiziert. Und, wie man an diesem<br />
Fall sehr deutlich sieht, erübrigen sich<br />
dann invasive Therapien gar nicht so selten.<br />
<strong>Deppe</strong>: Paro-Endo-Läsionen gelten ja als<br />
die am schwierigsten auszuheilenden Fälle<br />
von allen. In diesem Fall auch noch mit<br />
Fistelbildung an beiden Zähnen. Ausgesprochen<br />
aussagekräftige Dublette.<br />
<strong>Osswald</strong>: Einzelfälle hat jeder, <strong>Deppe</strong>.<br />
<strong>Deppe</strong>: Auch ein blindes Huhn trinkt<br />
gerne mal einen Korn, <strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Dass das momentan als Goldstandard<br />
bezeichnete Endodontieprotokoll<br />
je nach Indikationsstellung zum<br />
Zahnerhalt in nur rund 70 % der Fälle erfolgreich<br />
ist, kann man als das eigentliche<br />
Drama der Endodontie bezeichnen. Wenn<br />
es nur in 30 % erfolgreich wäre, würde die<br />
Wissenschaft eifriger nach einer erfolgreicheren<br />
Alternative suchen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Gehen denn Hülsmann und<br />
Schäfer in ihrem Lehrbuch auf diese Problematik<br />
ein?<br />
<strong>Osswald</strong>: Mit keinem Wort, <strong>Deppe</strong>. Sie<br />
tun vielmehr so, als würde das Problem<br />
gar nicht existieren. Sie erwähnen nicht<br />
einmal, dass darüber international diskutiert<br />
wird und man nachgerade verzweifelt<br />
auf der Suche nach einem potenten Medikament<br />
<strong>für</strong> die Langzeitdesinfektion ist,<br />
das dieses offensichtliche Problem endlich<br />
Abb.8: Verlaufskontrolle mit „wundersamem“ Knochengewinn bei klinischer<br />
Beschwerdefreiheit im August 2007<br />
heilen kann.<br />
<strong>Deppe</strong>: Damit wird ausgesprochen deutlich,<br />
wie weit die Endodontologen noch<br />
von dem entfernt sind, was der Wissenschaftsrat<br />
unter dem Stichwort „Oralmedizin“<br />
von der Hochschule einfordert. Das<br />
ist mir auch bei der Lektüre der Quintessenz<br />
aufgefallen. An einer Stelle wird zwar<br />
über die Bedeutung von emotionalem<br />
Stress gesprochen, das Wort Depression<br />
kommt aber nicht ein einziges Mal vor.<br />
<strong>Osswald</strong>: Dabei spielt sie doch bei CMD<br />
eine herausragende Rolle. Im Buch von<br />
Hülsmann und Schäfer fehlt bei den differentialdiagnostischen<br />
Überlegungen zum<br />
Zahnschmerz nicht nur jeglicher Hinweis<br />
auf die Projektion von psychogenen<br />
Schmerzen in die Zahnreihe, es wird vielmehr<br />
sogar bestritten, dass es diese in einer<br />
bemerkenswerten Zahl gibt.<br />
<strong>Deppe</strong>: Da<strong>für</strong> verlegen sie das Cholesteatom<br />
aus dem Mittelohr an die Wurzelspitze.<br />
Da sind die Allgemeinzahnärzte aber<br />
schon erheblich weiter als die Spezialisten.<br />
Über solche Fälle kann doch praktisch jeder<br />
berichten. Das gibt es ja auch reichlich<br />
bei CMD.<br />
<strong>Osswald</strong>: Schauen wir uns beispielsweise<br />
den Fall einer Patientin aus Abbildung 9<br />
an, die den Kollegen Grummt mit Zahnschmerzen<br />
aufsuchte, nachdem sie bereits<br />
zwei Zähne auf der kontralateralen Seite<br />
verloren hatte. Die Schmerzen projizierten<br />
sich eindeutig in den apikalen Bereich von<br />
15. Anamnestisch gab sie an, dass sie ihren<br />
Zahnarzt vor längerer Zeit wegen starker<br />
Schmerzen am 24 aufgesucht hatte, woraufhin<br />
dieser eine Wurzelkanalbehandlung<br />
durchgeführt hatte. Nach einem<br />
beschwerdefreien Intervall sei es zu einer<br />
Exazerbation gekommen, worauf der Kollege<br />
eine WSR durchgeführt habe. Nach<br />
erneut beschwerdefreiem Intervall, erneute<br />
Exazerbation und Extraktion. Danach sei
eine zeitlang Ruhe gewesen, ehe sie ihren<br />
Zahnarzt mit neuen Schmerzen aufsuchen<br />
musste. Diesmal war der 25 betroffen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Allerspätestens zu diesem Zeitpunkt<br />
hätten bei dem Kollegen die roten<br />
Lampen angehen müssen. Der Verlauf<br />
mit Schmerzen, therapeutischem Eingriff,<br />
beschwerdefreiem Intervall, Exazerbation,<br />
erneutem Eingriff, erneutem beschwerdefreien<br />
Intervall, erneute Exazerbation usw.<br />
ist geradezu pathognomonisch <strong>für</strong> eine<br />
psychogene Problematik.<br />
<strong>Osswald</strong>: Der Kollege hatte offensichtlich<br />
vollständig auf Grün geschaltet, denn er<br />
hat auch den Zahn 25 in gleicher Weise<br />
bis zur Extraktion behandelt. Man darf<br />
aber nicht vergessen, wie überzeugend<br />
die Patienten die Symptomatik schildern<br />
und wie nachhaltig sie auf eine kausale<br />
Behandlung drängen. Sie bilden sich diese<br />
Schmerzen schließlich nicht ein, sie haben<br />
sie ja tatsächlich. Schmerz wird zentral<br />
wahrgenommen, so dass seine Projektion<br />
nicht, oder nur mit ausgesprochen viel Erfahrung,<br />
zu unterscheiden ist.<br />
<strong>Deppe</strong>: Dass man in dieser Situation einmal<br />
eine eigentlich nicht indizierte Wurzelkanalbehandlung<br />
durchführt, oder<br />
auch einmal eine Resektion, oder im ganz<br />
extremen Ausnahmenfall sogar einmal<br />
einen Zahn extrahiert, kann ich nachvollziehen.<br />
Aber bei derselben Patienten<br />
zweimal unmittelbar hintereinander?<br />
<strong>Osswald</strong>: Ich habe schon Patienten gesehen,<br />
denen bei sonst ordentlichen Zähnen ein<br />
ganzer Quadrant fehlte, <strong>Deppe</strong>. Das liegt<br />
dann eben auch am Endodontie-Protokoll:<br />
Mit einem indikationsgerechten Protokoll<br />
kann einem das nicht passieren, weil man<br />
ein Zwischenstadium erreichen kann, bei<br />
dem man mit ausgesprochen hoher Wahrscheinlichkeit<br />
sicher sein kann, dass die<br />
geschilderten Beschwerden nicht von dem<br />
betreffenden Zahn ausgehen können.<br />
<strong>Deppe</strong>: Ein solches Stadium kann man<br />
mit dem von den Endodontologen beschriebenen<br />
Protokoll natürlich nicht<br />
erreichen. Sie müssen jeden Zahn sofort<br />
dicht verschließen, weil sie <strong>für</strong>chten, dass<br />
der bakteriostatische Speichel die gangränöse<br />
Pulpa superinfiziert. Wenn die<br />
Schmerzen dann exazerbieren, wissen sie<br />
nicht, was los ist, und verordnen Antibiotika<br />
und Schmerzmittel. Wenn das nicht<br />
hilft, erfolgt die Resektion. Wenn die<br />
nicht hilft, wird extrahiert. Das koronale<br />
Abb.9: Ausgangsbefund vor Revision Abb.10: Messaufnahme<br />
KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 7<br />
Leck kann man zu diesem Zeitpunkt ja<br />
noch nicht verantwortlich machen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Wie dem auch sei, <strong>Deppe</strong>. Als<br />
die Patientin dann Schmerzen am kontralateralen<br />
15 entwickelte, wechselte<br />
sie den Behandler, weil sie zu der Auffassung<br />
gelangt war, ihr Zahnarzt wäre<br />
mit Wurzelbehandlungen überfordert.<br />
Schauen Sie auf Abbildung 10.<br />
<strong>Deppe</strong>: Kollege Grummt hat ja auch eine<br />
Revision gemacht! Wo ist da der Unterschied<br />
zum Vorbehandler?<br />
<strong>Osswald</strong>: Nochmal, <strong>Deppe</strong>. Vergessen Sie<br />
nicht, wie dramatisch die Patienten in diesen<br />
Fällen ihre Beschwerden schildern und<br />
wie energisch sie auf eine kausale Therapie<br />
drängen. So völlig astrein war die WF<br />
ja nicht. Eine kleine apikale Aufhellung<br />
kann man auch nicht ausschließen. Natürlich<br />
konnte auch Kollege Grummt nicht<br />
100 %ig sicher sein, dass die Beschwerden<br />
nicht vielleicht doch von diesem Zahn<br />
herrührten. Der Unterschied zum Vorbehandler<br />
besteht in seinem überlegenen<br />
Protokoll. Er hat zwar revidiert, dabei aber<br />
einen Zustand hergestellt, bei dem er nahezu<br />
100%ig sicher sein konnte, dass die<br />
regelmäßig exazerbierenden Beschwerden<br />
Abb.11: Unmittelbar nach WF bei klinischer Beschwerdefreiheit Abb.12: Verlaufskontrolle nach einem Jahr bei anh. Beschwerdefreiheit.<br />
59<br />
www.dental-barometer.de 01_2008
60 KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 7<br />
nicht von diesem Zahn herrührten.<br />
<strong>Deppe</strong>: Hat er die Patientin dann zu<br />
einem Psychologen geschickt?<br />
<strong>Osswald</strong>: Nein, zu einem Schmerztherapeuten.<br />
Auf das Wort „Psychologe“<br />
reagieren viele Patienten ausgesprochen<br />
ablehnend. Die meisten Menschen wollen<br />
lieber körperlich als psychosomatisch<br />
krank sein. „Schmerztherapeut“ hört sich<br />
viel unverfänglicher an und wird daher<br />
viel leichter akzeptiert. Dass die Schmerzen,<br />
die sie haben, behandelt werden, wollen<br />
die Patienten ja. Schmerztherapeuten<br />
kennen sich mit psychosomatischen und<br />
somatopsychischen Erkrankungen sehr<br />
gut aus. Das ist quasi ihr täglich Brot.<br />
<strong>Deppe</strong>: Ich würde in diesem Fall auf Depression<br />
tippen. Sie kennen sicher diesen<br />
pauschalen Spruch „Keine Depression<br />
ohne körperliche Symptomatik“. Der<br />
wird zwar auch gelegentlich angezweifelt,<br />
eignet sich aber sehr schön zur Verdeutlichung<br />
des Problems.<br />
<strong>Osswald</strong>: In diesem Fall ist er korrekt,<br />
<strong>Deppe</strong>. Die einen werden sauer und bekommen<br />
Magenprobleme, die anderen<br />
können die Last auf dem Rücken nicht<br />
mehr tragen, den Dritten bricht das Herz,<br />
und die, die es einfach nicht mehr an den<br />
Zähnen haben können, kommen zu uns.<br />
Nach Einnahme eines spezifisch ausgewählten<br />
und richtig dosierten Antidepressivums<br />
wurde die Patientin sehr schnell<br />
beschwerdefrei, so dass Kollege Grummt<br />
abfüllen und die Behandlung abschließen<br />
konnte, wie die Abbildungen 11 und 12<br />
zeigen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und von psychosomatischen<br />
Erkrankungen, die als Endodontitis imponieren,<br />
steht wirklich nichts in diesem<br />
dicken Lehrbuch?<br />
<strong>Osswald</strong>: Da<strong>für</strong> berichten die Autoren<br />
über 3 bis 6 % von so genannten „atypischen<br />
Odontalgien“ nach endodontischer<br />
Behandlung. Das würde bedeuten,<br />
dass jede sechzehnte bis dreiunddreißigste<br />
Wurzelbehandlung in einem Alptraum<br />
endet. Bei einer solchen Frequenz hätte ich<br />
meine Feilen schon längst völlig verzweifelt<br />
aus der Hand gelegt. Die Extraktion<br />
oder die WSR sind aber nicht wirklich<br />
gute Alternativen, weil sie das Problem in<br />
den allermeisten Fällen nicht lösen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Bei einem indikationsgerechten<br />
Behandlungsprotokoll sollte die Frequenz<br />
eindeutig im einstelligen Promillebereich<br />
liegen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Ich habe das in 20 Jahren vielleicht<br />
5 Mal erlebt und ich mache sehr<br />
01_2008 www.dental-barometer.de<br />
viele Wurzelkanalbehandlungen, gerade<br />
auch in sehr schwierigen Fällen. Von diesen<br />
5 Patienten waren 3 zugänglich und<br />
konnten fachärztlich erfolgreich behandelt<br />
werden.<br />
<strong>Deppe</strong>: Die Autoren behaupten, dass ein<br />
psychisches Problem bei diesen Patienten<br />
in aller Regel nicht vorliegt, <strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Sie schreiben aber auch, <strong>Deppe</strong>,<br />
dass die medikamentöse Therapie mit<br />
Antidepressiva, MAO-Hemmern, Phenothiazinen<br />
und Fluphenazinen erfolgreich<br />
sein kann.<br />
<strong>Deppe</strong>: Was denn jetzt, <strong>Osswald</strong>? Nicht<br />
psychogene Erkrankungen, die mit Psychopharmaka<br />
erfolgreich behandelt werden<br />
können? Das erscheint mir nicht gerade<br />
zwingend logisch.<br />
<strong>Osswald</strong>: In solchen schwierigen Behandlungssituationen<br />
kann es Sinn machen,<br />
einfach einmal unauffällig nach belastenden<br />
Lebensereignissen zu fragen, die<br />
in einem zeitlichen Zusammenhang mit<br />
dem Beginn der Zahnproblematik stattgefunden<br />
haben. Da wird man manchmal<br />
fündig. Ich hatte einmal eine Patientin,<br />
die zeitgleich mit einer Zahnbehandlung<br />
einen Abort erlitten hat. Sie hat ihre seelischen<br />
Schmerzen in einen Zahn projiziert,<br />
der gerade behandelt wurde. Die<br />
Beschwerden hatten selbst dann nicht<br />
aufgehört, nachdem der Zahn durch einen<br />
Kollegen extrahiert worden war. Zu<br />
mir kam sie, als sie sich zunehmend auf<br />
den Nachbarzahn verlagerten. Auch dieser<br />
Frau konnte geholfen werden.<br />
<strong>Deppe</strong>: Ihr Gesamturteil, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Für den mechanisch Interessierten<br />
eine schöne Wiederholung, <strong>für</strong><br />
den medizinisch Interessierten praktisch<br />
nichts Neues. Gegenüber dem, was bereits<br />
zur Mitte des letzten Jahrhunderts bekannt<br />
war, eher ein Rückschritt.<br />
<strong>Deppe</strong>: Konnten Sie denn gar nichts lernen?<br />
<strong>Osswald</strong>: Eine meiner Hypothesen war<br />
seit jeher, dass bei parodontal sehr stark<br />
geschädigten Zähnen das gleichzeitige<br />
Vorliegen einer chronischen Pulpitis nicht<br />
auszuschließen ist, auch wenn der Zahn<br />
klinisch auf Kältereiz mehr oder weniger<br />
vital reagiert. Das hat sich in der Praxis<br />
ausgesprochen häufig bestätigt. Wenn<br />
man solche Zähne trepaniert, bluten sie<br />
häufig nicht hellrot arteriell, sondern es<br />
sickert eher dunkelrot venös. Lange bevor<br />
Tronstad in 2002 wissenschaftlich nachgewiesen<br />
hat, dass sich in tiefen parodontalen<br />
Taschen dasselbe Keimspektrum<br />
findet wie in gangränösen Zähnen und<br />
im Granulom, habe ich mein Behandlungsprotokoll<br />
bei fortgeschrittenen Fällen<br />
vorgeblich aggressiver und therapieresistenter<br />
Parodontitiden mit sehr gutem<br />
Erfolg in diesem Sinne modifiziert. In<br />
diesem Buch werden wissenschaftliche<br />
Studien zitiert, die meine klinische Hypothese<br />
nachhaltig bestätigen, die ich jedoch<br />
bisher nicht kannte. Da<strong>für</strong> bin ich<br />
ausgesprochen dankbar. Dies umso mehr,<br />
als Kollege Schäfer sich damit seine erstaunten<br />
Fragen noch einmal nachhaltig<br />
selbst beantwortet, die er mir bei meinem<br />
Vortrag in Mainz über mein erfolgreiches<br />
Zahnerhaltungsprotokoll in sehr weit<br />
fortgeschrittenen Fällen von angeblich aggressiver,<br />
therapieresistenter Parodontitis<br />
gestellt hat, die auch von Spezialisten in<br />
aller Regel als Extraktions- und Implantationsfälle<br />
angesehen werden.<br />
<strong>Deppe</strong>: Da sieht man’s mal wieder, <strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Sieht man was, <strong>Deppe</strong>?<br />
<strong>Deppe</strong>: Die Zahnheilkunde hat kein wesentliches<br />
Problem von fehlendem, wissenschaftlich<br />
belegtem Wissen ….<br />
<strong>Osswald</strong>: ... aber ein ganz erhebliches<br />
Problem bei der Umsetzung des bekannten<br />
Wissens in erfolgreich praktizierbare<br />
Zahnheilkunde.<br />
<strong>Deppe</strong>: Was gibt es sonst noch Erfreuliches<br />
zu berichten?<br />
<strong>Osswald</strong>: Zum Beispiel über das Editorial<br />
des Kollegen Blankenstein in der Zahnärztlichen<br />
Praxis.<br />
<strong>Deppe</strong>: Darin bezieht er sich auf unsere<br />
vorletzte Folge und greift unsere Auseinandersetzung<br />
mit dem Editorial des Kollegen<br />
Löst auf.<br />
<strong>Osswald</strong>: Er bescheinigt uns vergleichbare<br />
Kenntnisse der Fachliteratur und<br />
fordert die Hochschule auf, ihre störrische<br />
Haltung aufzugeben, nicht nur immer<br />
wieder über die Vor- und Nachteile unterschiedlicher<br />
Borstenkonfigurationen<br />
von Zahnbürsten verschiedener Hersteller<br />
zu forschen, sondern endlich auch einmal<br />
eigene, evidenzbasierte Studien zur Endodontie<br />
vorzulegen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Kein schlechter Ansatz, <strong>Osswald</strong>!<br />
Gilt übrigens auch <strong>für</strong> die Funktion. Die<br />
Arbeitsanleitung zum Funktionsstatut der<br />
DGZMK muss erweitert werden, z.B. um<br />
die Darstellung der ja endlichen Zahl von<br />
CMD-Krankheitsbildern – das ist <strong>für</strong> den<br />
Allgemeinzahnarzt wichtiger und verdienstvoller,<br />
als den Mikrometern nachzujagen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Kollege Hülsmann wäre bei-
Abb.13: Zustand nach Implantation und prothetischer Versorgung vor sieben Jahren<br />
spielsweise besser beraten, in einer Studie<br />
erst einmal den wissenschaftlichen Nachweis<br />
zu führen, dass er in seiner Hochschule<br />
bei der Ausheilung der apikalen<br />
Ostitis wenigstens die ohnehin nicht berauschenden<br />
internationalen Ergebnisse<br />
erreicht, ehe er in der Rentner-Bravo<br />
den Stab über die Allgemeinzahnärzte<br />
bricht.<br />
<strong>Deppe</strong>: Kollege Blankenstein fordert den<br />
Kollege Löst auf, mit Ihnen öffentlich zu<br />
diskutieren, anstatt polemische Editorials<br />
zu verfassen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Gute Idee, Herr Kollege Löst,<br />
jederzeit! Am besten in der ZM oder der<br />
DZZ. Da gehört das nämlich hin. Während<br />
es früher guter akademischer Brauch<br />
war, über unterschiedliche Ansätze zur<br />
Lösung eines offensichtlichen Problems<br />
zum Wohle aller Patienten öffentlich auf<br />
hohem Niveau zu diskutieren, scheint<br />
man heute nachgerade systematisch bemüht,<br />
dies zu vermeiden.<br />
<strong>Deppe</strong>: Die Erklärung der DGZMK aus<br />
dem Kasten könnte einen ersten Schritt in<br />
die richtige Richtung bedeuten.<br />
<strong>Osswald</strong>: Ich <strong>für</strong>chte allerdings, lieber<br />
Kollege Blankenstein, dass Kollege Löst<br />
einen sehr triftigen Grund finden wird,<br />
Ihre Einladung nicht anzunehmen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Sonst noch Reaktionen?<br />
<strong>Osswald</strong>: Was wir über maximalinvasive<br />
implantologische Eingriffe geschrieben haben,<br />
um im Vergleich dazu minimalinvasive<br />
prothetische Versorgungen zu vermeiden,<br />
hat einigen überhaupt nicht gefallen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und wie wollen Sie dieser Kritik<br />
begegnen, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Indem ich wie immer ausnahmsweise<br />
einmal einen aussagekräftigen<br />
Fall zeige, <strong>Deppe</strong>! Schauen Sie einmal<br />
unauffällig auf Abbildung 13. Sie zeigt<br />
einen Zustand sieben Jahre nach festsit-<br />
zender Versorgung auf lediglich zwei Implantaten,<br />
bei dem der Kostenvoranschlag<br />
<strong>für</strong> insgesamt sechs Implantate im Unterkiefer<br />
nebst Knochenaugmentation bereits<br />
gestellt war. Das Implantat im linken unteren<br />
Quadranten hat eine Länge von nur<br />
acht Millimetern, wodurch dem Patienten<br />
eine maximal invasive Knochenaugmentation<br />
mit unsicherer Prognose erspart<br />
werden konnte. Er kann übrigens alles essen<br />
und seine Nahrung wunderbar <strong>für</strong> die<br />
Verdauung aufbereiten. Und Trompete<br />
spielt er nach wie vor ausgezeichnet.<br />
<strong>Deppe</strong>: Man wird auch hier sagen, dass<br />
es sich lediglich um einen Einzelfall handelt.<br />
<strong>Osswald</strong>: Mit diesem Vorwurf beschäftigen<br />
wir uns dann in einer der nächsten<br />
Folgen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Einen guten Rutsch, <strong>Osswald</strong>!<br />
<strong>Osswald</strong>: Prosit Neujahr, <strong>Deppe</strong>.<br />
<strong>Deppe</strong>: Ein erfolgreiches Jahr auch dem<br />
Berufsverband der Allgemeinzahnärzte in<br />
Deutschland.<br />
<strong>Osswald</strong>: Und auch allen Allgemeinzahnärzten<br />
und Spezialisten! Und ganz besonders<br />
Ihnen, Herr Ellermann. Herzlichen<br />
Dank <strong>für</strong> alles. Sie haben sich um die<br />
Allgemeinzahnärzte in Deutschland in<br />
jedem Fall verdient gemacht.<br />
<strong>Deppe</strong>: Auch wenn es <strong>für</strong> den Walkhoff-<br />
Preis nicht reichen wird, <strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Schluss jetzt, <strong>Deppe</strong>!<br />
Dr. Dr. Rüdiger <strong>Osswald</strong>: ist niedergelassener<br />
Vertragszahnarzt in München,<br />
Geschäftsführer des BVAZ und<br />
Referent der Akademie <strong>für</strong> Zahnheilkunde<br />
ZA Christian <strong>Deppe</strong>: lebt in Münster. Er<br />
vertritt hier seine persönliche Meinung<br />
KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 7<br />
Vortragsreihe<br />
»Aus der Praxis – <strong>für</strong> die Praxis«<br />
Termine:<br />
Ì Düsseldorf: 16.02.2008<br />
Ì Stuttgart: 08.03.2008<br />
Ì Frankfurt: 12.04.2008<br />
Ì Kaiserslautern: 31.05.2008<br />
Ì Bad Wörrishofen: 07.06.2008<br />
Ì Hamburg: 28.06.2008<br />
Ì Berlin: Juli 2008<br />
Ì Münster: September 2008<br />
<strong>Teil</strong>nahmegebür: 249,- E (inkl. MwSt.)<br />
Fortbildungspunkte: 5<br />
Anmeldung und Information:<br />
Akademie <strong>für</strong> praxisnahe<br />
Zahnheilkunde GbR<br />
Ottostraße 22<br />
D-82319 Starnberg<br />
Telefon: +49 (0)8151 78245<br />
Telefax: +49 (0)8151 78244<br />
E-Mail: apz@gmx.net<br />
Internet: www.apzonline.net<br />
Weitere Informationen<br />
Dr. Dr. med. dent. Rüdiger <strong>Osswald</strong><br />
Fritz-Hommel-Weg 4<br />
D-80805 München<br />
Telefon: +49 (0)89 3618030<br />
Telefax: +49 (0)89 36100294<br />
E-Mail: ruediger.osswald@t-online.de<br />
Internet: www.tarzahn.de<br />
61<br />
www.dental-barometer.de 01_2008
56 KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 8<br />
<strong>Osswald</strong>: Wie waren die Feiertage, <strong>Deppe</strong>?<br />
<strong>Deppe</strong>: Angenehm ruhig, <strong>Osswald</strong>. Bei<br />
Ihnen?<br />
<strong>Osswald</strong>: Ich musste zwischen den Jahren<br />
so viele Zuschriften lesen, die sich mit<br />
unserer <strong>Kolumne</strong> beschäftigen, dass ich<br />
kaum zum Feiern gekommen bin.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wer hat uns diesmal geschrieben?<br />
<strong>Osswald</strong>: Zum Beispiel Prof. Noack aus<br />
Köln über sein Editorial in der Quintessenz.<br />
Er sagt, dass er sich immer dann<br />
über Reaktionen auf seine Publikationen<br />
freut, wenn sie zustimmend sind. Über<br />
unsere Analyse seiner Einlassungen im<br />
Weißbuch Zahnmedizin hat er sich in der<br />
Folge mächtig geärgert.<br />
<strong>Deppe</strong>: Weil wir falsch zitiert haben, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Nein, <strong>Deppe</strong>, weil wir schwanken.<br />
<strong>Deppe</strong>: Schwanken? Wir Allgemeinzahnärzte?<br />
In dieser <strong>für</strong> uns entscheidenden<br />
Phase in der Auseinandersetzung mit den<br />
jetzt nicht mehr so ganz geheimen Plänen<br />
der Hochschullehrer? Keinen Millimeter!<br />
Wie kommt er denn auf die Idee? Worauf<br />
sollten wir denn mit dem Kollegen Noack<br />
getrunken haben, nachdem er uns als<br />
„Zahnhausärzte mit eingeschränktem Behandlungsspektrum“<br />
bezeichnet hat? Aber<br />
wenn er einen guten Wein spendiert ...<br />
<strong>Osswald</strong>: Doch nicht physisch, <strong>Deppe</strong>.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wie dann, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Semantisch. Zwischen witzig,<br />
polemisch und beleidigend.<br />
<strong>Deppe</strong>: Witzig! Was <strong>für</strong> ein schönes Kompliment.<br />
Das unterscheidet uns allerdings<br />
ganz erheblich von ihm und seinen Kollegen<br />
Löst, Wagner und Hülsmann. Endlich<br />
einmal nicht genau so abgehobene wie<br />
sich langweilig wiederholende Verlautbarungen<br />
aus dem Elfenbeinturm, sondern<br />
vielmehr praxisnahe Fortbildung amüsant<br />
zu vermitteln, ist schließlich die schwierige<br />
Aufgabe, der wir uns hier stellen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Scheint ja auch ganz ordentlich<br />
zu klappen, <strong>Deppe</strong>, wenn man den<br />
02_2008 www.dental-barometer.de<br />
DEPPE<br />
<strong>vs</strong>.<br />
OSSWALD<br />
Zuschriften glaubt, die uns in anderer als<br />
editorialer Form erreichen.<br />
<strong>Deppe</strong>: „Polemisch“ ist auch O.K. Polemik<br />
ist schließlich die Mutter der Satire.<br />
Wer abwegige Entwicklungen erkennt,<br />
und - solange er diese auf ausgesprochen<br />
freundliche Art zu kommunizieren versucht<br />
- systematisch ignoriert und an ihrer<br />
Veröffentlichung gehindert wird, muss<br />
eine ordentliche Schippe Kohlen drauflegen,<br />
damit der Zug aus dem Bahnhof<br />
kommt.<br />
<strong>Osswald</strong>: Klappt ja auch ganz ordentlich,<br />
wenn man den Zuschriften glauben kann,<br />
die uns in Editorial-Form erreichen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Was allerdings Beleidigungen betrifft<br />
...<br />
<strong>Osswald</strong>: ... so gilt nach wie vor das<br />
Sprichwort, dass man im Wald nicht zu<br />
laut graben sollte, wenn man nicht will,<br />
dass einen der Schall trifft, obwohl man<br />
in der Grube steht.<br />
<strong>Deppe</strong>: Der Vorwurf im Editorial von<br />
Prof. Löst, wir würden die Kollegen mit<br />
unserem Hinweis auf die medizinisch<br />
indikationsgerechte Behandlung der Endodontitis<br />
„auf wissenschaftlich nicht<br />
abgesichertes Terrain und damit auch in<br />
eine forensische Grauzone“ führen, war<br />
schließlich nicht von schlechten Eltern.<br />
<strong>Osswald</strong>: Das ist doch keine Beleidigung,<br />
<strong>Deppe</strong>. Beleidigend ist, wenn wir antworten,<br />
dass im neuen Lehrbuch von Schäfer<br />
und Hülsmann wider besseren Wissens<br />
nicht berichtet wird, dass in Deutschland<br />
eine Kontraindikation <strong>für</strong> die Anwendung<br />
von konzentriertem NaOCl bei offenem<br />
Foramen apikale durch das Bundesamt<br />
<strong>für</strong> Arzneimittel besteht, weil das das beschriebene<br />
Behandlungs-Protokoll ad absurdum<br />
führt.<br />
<strong>Deppe</strong>: Genau wie dort verschwiegen<br />
wird, dass das daselbst gelehrte Protokoll<br />
der Spezialisten <strong>für</strong> Endodontie seit mehreren<br />
Jahren international als gescheitert<br />
angesehen wird.<br />
<strong>Osswald</strong>: Diese Liste ließe sich nahezu<br />
beliebig erweitern. Ich habe nun wirklich<br />
viele Lehrbücher in meinem Leben gelesen,<br />
und ich kann beileibe nicht behaupten,<br />
dass mir alle gefallen haben. Eine vergleichbar<br />
zielstrebige Beugung zugunsten<br />
durchsichtiger Interessen habe ich allerdings<br />
noch nie erlebt.<br />
<strong>Deppe</strong>: Uns, wie der Kollege Noack das<br />
im Weißbuch praktiziert, ohne jegliche<br />
Diskussion den Titel „Allgemeinzahnarzt“<br />
zu entziehen und uns zu „Zahnhausärzten<br />
mit eingeschränktem Behandlungsspektrum“<br />
zu degradieren, ist auch deutlich<br />
mehr als nur ein unfreundlicher Akt.<br />
Dies insbesondere vor dem Hintergrund,<br />
dass es – wie der Wissenschaftsrat eindrucksvoll<br />
belegt - in Deutschland ganz<br />
erheblich an der Qualität von zahnmedizinischer<br />
Lehre und Forschung mangelt.<br />
Wer im Glashaus sitzt …<br />
<strong>Osswald</strong>: Das ist doch keine Beleidigung,<br />
<strong>Deppe</strong>. Beleidigend ist, wenn wir<br />
die Hochschullehrer im Gegenzug als<br />
<strong>Teil</strong>zahnärzte bezeichnen, die die kleinen<br />
<strong>Teil</strong>bereiche des ohnehin schon kleinen<br />
medizinischen Fachbereichs Zahnheilkunde<br />
künstlich aufblasen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Oder wenn wir sie wie der Wissenschaftsrat<br />
auffordern, ihren Beruf<br />
wieder gewissenhaft auszuüben, um uns<br />
junge Kollegen zur Weiterbildung in fachübergreifender,<br />
synaptischer Zahnheilkunde<br />
im Sinne von Oralmedizin in die<br />
Praxen schicken zu können, die ordentlich<br />
ausgebildet sind.<br />
<strong>Osswald</strong>: Es ist absurd, dass den Studenten<br />
erzählt wird, richtige Zahnheilkunde<br />
könnten sie wegen der Wissensexplosion<br />
bei ihren Professoren frühestens in<br />
kostenpflichtigen, postgraduierten Curricula<br />
erlernen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wenn Prof. Wagner aus Mainz<br />
sich öffentlich über sektorale Budgets zu<br />
Lasten der Allgemeinzahnärzte und zu<br />
Gunsten seiner Spezialisten auslässt, ohne<br />
jemals darüber mit uns gesprochen zu haben,<br />
ist das auch nicht gerade eine vertrauensbildende<br />
Maßnahme.<br />
<strong>Osswald</strong>: Ich bitte Sie, <strong>Deppe</strong>, das ist
nun wirklich keine Beleidigung. Das<br />
kann man allenfalls als Kriegserklärung<br />
an uns Allgemeinzahnärzte bezeichnen.<br />
Er kündigt schließlich nur an, dass durch<br />
die Veränderung der Weiterbildungsordnung,<br />
die Bundeszahnärztekammer,<br />
DGZMK und der Verein der Hochschullehrer<br />
klammheimlich vorbereitet haben,<br />
das Geld aus unseren in die Taschen derjenigen<br />
umgeleitet werden soll, die den<br />
Hochschullehrern nach dem Studium<br />
Geld <strong>für</strong> eine Ausbildung bezahlen, die sie<br />
von ihnen als Studenten nicht bekommen<br />
haben, obwohl sie inzwischen sogar Studiengebühren<br />
bezahlen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Schreibt Kollege Noack denn<br />
nichts Substantielles?<br />
<strong>Osswald</strong>: Doch. Er beklagt, dass er allein<br />
die Zahnerhaltung betreffend so viele Zeitungen<br />
lesen muss, dass ihm <strong>für</strong> die Studentenausbildung<br />
kaum noch Zeit bleibt.<br />
Und das auch noch auf Englisch. Er könne<br />
das gesamte Fachgebiet gar nicht mehr<br />
überblicken, weshalb er die Allgemeinzahnärzte<br />
ehrlich bewundere, weil sie das<br />
durch regelmäßige Fortbildung schaffen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Was soll da erst einer sagen, der<br />
auch noch leidlich Französisch spricht.<br />
Vielleicht können wir ihm helfen? Das ist<br />
doch gar nicht so schwierig, wie es ihm<br />
erscheint.<br />
<strong>Osswald</strong>: Es kommt eben – wie in der<br />
voraussagbar erfolgreich praktizierbaren<br />
Zahnheilkunde - immer auf das indikationsgerechte<br />
Protokoll an, <strong>Deppe</strong>.<br />
<strong>Deppe</strong>: Bei den inzwischen zahllosen Endodontie-Journalen<br />
beispielweise reicht -<br />
wenn nicht schon die Überschrift - in aller<br />
Regel spätestens das Abstract. Da schafft<br />
man eine ganze Zeitschrift in aller Regel<br />
in weniger als 10 Minuten.<br />
<strong>Osswald</strong>: Selbst eine französische. Den<br />
149. Aufsatz darüber, dass Ca(OH)2 als<br />
alleiniges Langzeitdesinfizienz in der Endodontie<br />
unzureichend ist, weil dagegen<br />
entscheidende Erreger völlig resistent sind,<br />
muss man nun wirklich nicht vollständig<br />
lesen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Da reicht die Überschrift. Das<br />
wusste Walkhoff immerhin bereits vor<br />
beinahe 100 Jahren. Aber wie kommt es<br />
zu den ständigen Wiederholungen?<br />
<strong>Osswald</strong>: Schöne Gelegenheit, einmal<br />
wieder seinen Namen zu erwähnen, <strong>Deppe</strong>.<br />
Der wird ja von der Hochschule nachgerade<br />
systematisch ausgeklammert.<br />
<strong>Deppe</strong>: Na, über den nach ihm benannten<br />
Preis ist er klassisch abserviert, wie kürzlich<br />
auch Prof. Gängler zeigte, der ihn in<br />
einem Editorial in der Reihe der endodontischen<br />
Klassiker verschweigt.<br />
<strong>Osswald</strong>: Und wie soll man das jetzt kommentieren,<br />
<strong>Deppe</strong>?<br />
<strong>Deppe</strong>: Ich habe nicht den Eindruck,<br />
dass es mit den Artikeln und der Wissensexplosion<br />
bei Füllungen anders ist,<br />
jedenfalls nicht so, dass das im Studium<br />
nicht mehr vermittelbar wäre. Die Bedingungen<br />
<strong>für</strong> eine ordentliche Prophylaxe<br />
ändern sich auch nicht gerade täglich, wie<br />
mich deucht.<br />
<strong>Osswald</strong>: Ansonsten sind wir Allgemeinzahnärzte<br />
eben mehr die praktischen Typen,<br />
die nicht schlaflose Nächte mit der<br />
lebenswichtigen, wissenschaftlich-neutralen<br />
Erforschung der unterschiedlichen<br />
Wirkung jeder einzelnen Borste der verschiedenen<br />
Zahnbürsten namhafter Hersteller<br />
verbringen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wir machen den Patienten einfach<br />
verständlich, dass es auf den genau so<br />
sorgfältigen wie regelmäßigen Gebrauch<br />
einer nicht völlig abgenutzten Zahnbürste<br />
ankommt und dass der Gebrauch von<br />
Zahnseide und/oder Interdentalbürstchen<br />
eine conditio sine qua non <strong>für</strong> den langfristigen<br />
Erhalt der eigenen Zähne ist.<br />
<strong>Osswald</strong>: Wenn’s denn der Wissenschaft<br />
dient, darf ich vielleicht an dieser Stelle<br />
von meiner Frau ausrichten, dass sie als<br />
Ehefrau eines Zahnhauszahnarztes mit<br />
eingeschränktem Leistungsspektrum<br />
nach jeder Mahlzeit den Gebrauch der Interdentalbürstchen<br />
der Firma….<br />
<strong>Deppe</strong>: Stopp, <strong>Osswald</strong>! Keine Investition<br />
ohne Rendite!<br />
<strong>Osswald</strong>: Noack fordert uns des Weiteren<br />
auf, endlich seinem Beispiel zu folgen und<br />
die Begrenztheit unseres eigenen Handelns<br />
anzuerkennen, weil es den „Generalisten,<br />
der in allen Bereichen kompetent<br />
diagnostiziert und behandelt, aufgrund<br />
des enormen Wissenszuwachses in allen<br />
Fachgebieten in Zukunft nicht mehr geben<br />
wird“.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das ist vor dem Hintergrund,<br />
dass es den schon sehr lange nicht mehr<br />
gibt, ein wirklich ausgesprochen wertvoller<br />
Hinweis.<br />
<strong>Osswald</strong>: Keine neue Polemik, <strong>Deppe</strong>!<br />
Wiederholen wir es lieber noch einmal,<br />
damit nicht auch noch Kollege Noack in<br />
eine Grauzone gerät: Wer die Forderung<br />
des Wissenschaftsrates nach der Versorgung<br />
breiter Bevölkerungskreise mit fachübergreifender,<br />
synoptischer Zahnheilkunde<br />
im Sinne von Oralmedizin erfüllen<br />
will, kommt am kompetent diagnostizie-<br />
KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 8<br />
renden und fachübergreifend behandelnden,<br />
den gesamten Fachbereich überblickenden<br />
Allgemeinzahnarzt nicht vorbei.<br />
Wer etwas anderes behauptet, versündigt<br />
sich an der Wahrheit oder überblickt das<br />
Problem nicht. Punktum.<br />
<strong>Deppe</strong>: Warum sollte sich die Zahnheilkunde<br />
an dieser Stelle auch von anderen<br />
medizinischen Fachbereichen wie beispielweise<br />
der Augen- oder Hals-Nasen-<br />
Ohren-Heilkunde unterscheiden, um nur<br />
zwei Beispiele zu nennen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Warum muss unbedingt ein<br />
„Fachzahnarzt <strong>für</strong> Milchzahnheilkunde“<br />
her?<br />
<strong>Deppe</strong>: Milchzahnarzt!<br />
<strong>Osswald</strong>: Die Welt kommt schließlich<br />
auch sehr gut ohne den „Facharzt <strong>für</strong> Kinderaugenheilkunde“<br />
zurecht. Den oben<br />
beschriebenen, kompetenten Allgemeinzahnarzt<br />
muss die Hochschule im Sinne<br />
des „Fachzahnarzt <strong>für</strong> Oralmedizin“ endlich<br />
ausbilden. Das ist überfällig. Da<strong>für</strong><br />
muss sie die vorhandenen wissenschaftlichen<br />
Erkenntnisse endlich in praktizierbare<br />
Zahnheilkunde umsetzen. Wir<br />
haben schließlich keinen Mangel an wissenschaftlichen<br />
Erkenntnissen …<br />
<strong>Deppe</strong>: ... sondern erhebliche Defizite bei<br />
der Umsetzung des bekannten Wissens in<br />
praktizierbare Zahnheilkunde!<br />
<strong>Osswald</strong>: Das war, ist und bleibt die Aufgabe<br />
der Hochschule …<br />
<strong>Deppe</strong>: ... die sie nach Meinung des Wissenschaftsrates<br />
nicht erfüllt. Pläne zu<br />
schmieden, wie man mit dem sauer verdienten<br />
Honorar der Allgemeinzahnärzte<br />
die Taschen der eigenen Kundschaft füllt,<br />
gehören eindeutig nicht zu den Pflichten<br />
der Hochschule.<br />
<strong>Osswald</strong>: Wenn Prof. Schlagenhauf im<br />
Weißbuch Zahnmedizin behauptet, 40 %<br />
der Deutschen litten unter einer aggressiven<br />
Parodontitis …<br />
<strong>Deppe</strong>: ... und Prof. Hülsmann in der<br />
Rentnerbravo schreibt, dass die Erfolgsquote<br />
bei Wurzelbehandlungen nur zwischen<br />
35 und 45 % liegt …<br />
<strong>Osswald</strong>: ... dann kann die Volksgesundheit<br />
nur von uns, den Allgemeinzahnärzten<br />
verbessert werden, <strong>Deppe</strong>!<br />
<strong>Deppe</strong>: Das ist so klar wie Kloßbrühe,<br />
<strong>Osswald</strong>! Von wem denn wohl sonst?<br />
<strong>Osswald</strong>: Wenn die Hochschullehrer im<br />
Weißbuch schreiben, sie seien mit der Ausbildung<br />
der jungen Kollegen in Oralmedizin<br />
überfordert, und im Schulterschluss<br />
mit der DGZMK und der Bundeszahnärztekammer<br />
die Weiterbildungsordnung<br />
57<br />
www.dental-barometer.de 02_2008
58 KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 8<br />
kippen wollen, muss man sich nicht wundern,<br />
wenn wir Allgemeinzahnärzte unsere<br />
Sache selber in die Hand nehmen und<br />
uns so verhalten wie die Allgemeinärzte es<br />
uns vormachen. Die verabschieden inzwischen<br />
eigene Leitlinien und fordern sogar<br />
eigene KVen, ohne einen Zweifel daran<br />
aufkommen zu lassen, dass sie diese auch<br />
durchsetzen können, wenn sie sie wirklich<br />
wollen. Sie haben in ihrem Berufsverband<br />
allerdings einen Organisationsgrad von<br />
über 70 %. Von solchen Mitgliederzahlen<br />
ist der „Berufsverband der Allgemeinzahnärzte<br />
in Deutschland“ (www.bvaz.<br />
de) leider noch ein ganzes Stück entfernt,<br />
auch wenn seine Mitgliederzahlen gerade<br />
explodieren.<br />
<strong>Deppe</strong>: An dieser Stelle bringen die Spezialisten<br />
normalerweise den Meniskus ins<br />
Spiel.<br />
<strong>Osswald</strong>: Welchen Meniskus?<br />
<strong>Deppe</strong>: Den eigenen! Sie sagen, dass sie<br />
sich, wenn sie Meniskus hätten, auch nicht<br />
vom im Dorf niedergelassenen Facharzt<br />
<strong>für</strong> Orthopädie behandeln lassen, sondern<br />
gerne 100 Kilometer in die Stadt zum<br />
Spezialisten fahren würden.<br />
<strong>Osswald</strong>: Cooles Beispiel. Leider abwegig.<br />
Wenn man denn schon unbedingt ein<br />
ärztliches Beispiel geben will, dann doch<br />
bitte eines, das es auch trifft.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und das wäre?<br />
<strong>Osswald</strong>: Nehmen wir einen Kollegen,<br />
der Kurzsichtigkeit hat. Sein Augenarzt<br />
wird ihn in 99 % der Fälle indikationsgerecht<br />
behandeln, ihm die richtige Brille<br />
verschreiben und ihm die weite Reise ersparen.<br />
In dem einen Prozent der Fälle, in<br />
der er eine sehr seltene Form der Kurzsichtigkeit<br />
diagnostiziert, wird er ihn selbstverständlich<br />
an einen Kollegen in der<br />
Stadt oder an der Universität überweisen,<br />
der sich <strong>für</strong> die Behandlung dieses Leidens<br />
einen besonderen Ruf erworben hat. Der<br />
nennt sich dann aber nicht „Oberfacharzt<br />
<strong>für</strong> Augenheilkunde“ oder „Master<br />
of Kurzsichtigkeit“, sondern genau wie er<br />
selbst „Facharzt <strong>für</strong> Augenheilkunde“.<br />
<strong>Deppe</strong>: Vielleicht sollten wir es noch einmal<br />
ganz deutlich und zum Mitschreiben<br />
formulieren, damit uns nicht immer wieder<br />
das Wort im Munde rumgedreht wird,<br />
<strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Das wird trotzdem passieren,<br />
<strong>Deppe</strong>, aber von mir aus gerne: Die Allgemeinzahnärzte<br />
wehren sich nicht gegen<br />
mehrjährig auf einer Universität weitergebildete<br />
Fachzahnärzte, die wie die Kieferorthopäden<br />
und Kieferchirurgen nach der<br />
02_2008 www.dental-barometer.de<br />
Niederlassung allein in ihrem Fachbereich<br />
und nur auf Überweisung tätig werden.<br />
Zu Fachzahnärzten haben wir seit jeher<br />
besonders gelagerte Fälle überwiesen, die<br />
wir selber nicht behandeln wollten oder<br />
konnten. Unsere Ablehnung richtet sich<br />
allein gegen überflüssige, postgraduiert<br />
und berufsbegleitend gegen Geld und<br />
Sitzfleisch zu erwerbende Titel. Das ist<br />
mit uns nicht verhandelbar!<br />
<strong>Deppe</strong>: Wie Kollege Noack auf die Idee<br />
kommt, da einen Gegensatz zwischen dem<br />
BVAZ und unseren Kollegen aus Brandenburg<br />
zu konstruieren, erschließt sich<br />
mir nicht einmal auf den zweiten Blick.<br />
<strong>Osswald</strong>: Dass er nicht mitbekommen<br />
hat, dass wir dieses Missverständnis schon<br />
lange ausgeräumt haben, liegt vermutlich<br />
daran, dass er so viele englische Zeitschriften<br />
lesen muss, um den Anschluss<br />
an die Wissensexplosion nicht zu verlieren.<br />
Da kann man das wenige, was in der<br />
Zahnheilkunde heutzutage noch an Wesentlichem<br />
auf Deutsch publiziert wird,<br />
schon einmal überlesen. Das war vor dem<br />
2. Weltkrieg ja mal ganz anders.<br />
<strong>Deppe</strong>: Vielleicht hat er ja auch nur die<br />
letzte Versammlung des Hochschullehrervereins<br />
geschwänzt, <strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Keine Beleidigungen, <strong>Deppe</strong>!<br />
<strong>Deppe</strong>: Ganz im Ernst. Da war der BVAZ<br />
ein großes Thema. Eigener Tagungsordnungspunkt.<br />
Wenn ich richtig informiert<br />
worden bin, sollen die Hochschullehrer<br />
auf Empfehlung des Kollegen Hickel<br />
aus München einen einstimmigen Beschluss<br />
gefasst haben, die diesbezüglich<br />
mehrfach und schriftlich vom Kollegen<br />
Kau, dem Präsidenten der Allgemeinzahnärzte,<br />
schriftlich vorgetragenen<br />
Forderungen, Vorschläge und Angebote<br />
schlicht und einfach zu ignorieren,<br />
um jegliche Diskussion zu unterbinden.<br />
Sie scheinen tatsächlich zu glauben, ihre<br />
Beschlüsse so aus sitzen zu können wie<br />
Weiland der Dicke.<br />
<strong>Osswald</strong>: Da werden sie sich aber mächtig<br />
getäuscht sehen, <strong>Deppe</strong>. Das hat ja gerade<br />
die DGZMK versucht. Und das ist mal<br />
so richtig in die Hose gegangen. Wenn<br />
Ihre Quellen stimmen, wundert es mich<br />
nicht, dass Kollege Noack zum Abschluss<br />
scheinheilig bedauert, dass die von den<br />
Hochschullehrern so aufopfernd gelebte<br />
Unterstützung ihrer Zahnhausärzte von<br />
den Allgemeinzahnärzten nicht mehr<br />
anerkannt wird, wo doch gerade seine<br />
Quintessenz ein leuchtendes Beispiel da<strong>für</strong><br />
ist.<br />
<strong>Deppe</strong>: Leuchtendes Beispiel wo<strong>für</strong>, <strong>Osswald</strong>?<br />
Dass er als Herausgeber mit genau<br />
so schwachen wie durchschaubaren Begründungen<br />
die Veröffentlichung von<br />
Aufsätzen ablehnt, in denen den Allgemeinzahnärzten<br />
auf dem Boden alter und<br />
neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse ein<br />
einfach praktizierbarer Weg aufzeigt wird,<br />
wie sie die seit mehr als 50 Jahren stagnierenden<br />
Erfolgsquoten der Spezialisten bei<br />
der Behandlung der bakteriellen Endodontitis<br />
verbessern können?<br />
<strong>Osswald</strong>: Da haben Sie Recht, <strong>Deppe</strong>.<br />
Das sieht dann doch eher so aus, als wolle<br />
die Hochschule eine Diskussion verhindern,<br />
um die Pfründe der Spezialisten und<br />
der eigenen Kunden nicht zu gefährden.<br />
<strong>Deppe</strong>: Ist Kollege Noack jetzt witzig,<br />
<strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Mit Absicht auf keinen Fall,<br />
<strong>Deppe</strong>.<br />
<strong>Deppe</strong>: Polemisch?<br />
<strong>Osswald</strong>: Da<strong>für</strong> liegt er viel zu weit neben<br />
dem Thema.<br />
<strong>Deppe</strong>: Dann seien Sie jetzt bitte wenigstens<br />
beleidigt!<br />
<strong>Osswald</strong>: Keine Spur. Ich fühle mich in<br />
dem, was ich sage, durch seine Reaktion<br />
ganz im Gegenteil ausdrücklich bestätigt.<br />
<strong>Deppe</strong>: Dann müssen wir ein anderes Adjektiv<br />
benutzen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Was halten Sie von … äääähhhh<br />
… unwissenschaftlich?<br />
<strong>Deppe</strong>: Nicht schlecht, <strong>Osswald</strong>. Immerhin<br />
würden wir heute noch denken, die<br />
Erde sei eine Scheibe, wenn es interessierten<br />
Kreisen auf Dauer gelungen wäre, die<br />
Diskussion darüber zu unterdrücken.<br />
<strong>Osswald</strong>: Keine neue Polemik, <strong>Deppe</strong>!<br />
Zurück zur Medizin. Eigentlich wollten<br />
wir heute zeigen, was wir Allgemeinzahnärzte<br />
in der Zahnherhaltung drauf haben.<br />
<strong>Deppe</strong>: Was im aktuellen Buch von Hülsmann<br />
und Schäfer von der Hochschule<br />
gezeigt wird, ist ja nun wirklich nicht besonders<br />
prickelnd.<br />
<strong>Osswald</strong>: Nachdem wir jedoch den Kollegen<br />
Noack offensichtlich gestresst haben,<br />
machen wir heute einfach mal in Prothetik.<br />
Nicht, dass die Prothetiker, die ja<br />
auch einen Mastertitel anstreben, beleidigt<br />
sind, weil wir ihnen keine Gelegenheit<br />
einräumen, uns auch mal ein Editorial zu<br />
schreiben.<br />
<strong>Deppe</strong>: Ich dachte eigentlich, die Deutschen<br />
wären längst Zahnersatzmeister,<br />
<strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Das verwechseln Sie mit Weltmeister,<br />
<strong>Deppe</strong>.
<strong>Deppe</strong>: Dann zeigen Sie mal, was die<br />
Allgemeinzahnärzte prothetisch so drauf<br />
haben.<br />
<strong>Osswald</strong>: Auch in der Prothetik geht es<br />
letztlich um Zahnerhaltung. Je mehr Pfeiler<br />
man hat, desto besser und langfristig<br />
erfolgreicher kann man prothetisch versorgen.<br />
Schäfer und Hülsmann schreiben<br />
in ihrem Lehrbuch, dass endodontisch<br />
behandelte Zähne nicht geeignet sind,<br />
herausnehmbaren Zahnersatz, also beispielsweise<br />
teleskopierende Versorgungen<br />
zu tragen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Weil wurzelbehandelte Zähne<br />
aufgrund des meist großen Substanzverlustes<br />
als prothetische Pfeiler wesentlich<br />
frakturgefährdeter sind als vitale Zähne?<br />
<strong>Osswald</strong>: Das ist schon richtig. Nichtdestotrotz<br />
kann man auch extrem vorgeschädigte<br />
Zähne in telekopierende Versorgungen<br />
einbeziehen. Schauen Sie einmal<br />
auf die Abbildung 1.<br />
<strong>Deppe</strong>: Desolater Gebisszustand im Oberkiefer<br />
bei scheußlicher Bildqualität.<br />
<strong>Osswald</strong>: Wenn man in diesen modernen<br />
Zeiten ein Röntgenbild anfordert,<br />
bekommt man nicht selten einen grottenschlechten<br />
Ausdruck auf einem Fetzen<br />
Papier.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wem sagen Sie das.<br />
<strong>Osswald</strong>: Schauen wir lieber auf die Einzelfilme<br />
in den Abbildungen 2 bis 6.<br />
<strong>Deppe</strong>: Nicht mehr viel übrig von den<br />
Zähnen nach der Sanierung, <strong>Osswald</strong>.<br />
Auf diesen ausgesprochen schwachen<br />
Pfeilern wollen Sie wirklich eine teleskopierende<br />
Versorgung eingliedern?<br />
<strong>Osswald</strong>: Noch dazu ohne Gaumenplatte,<br />
<strong>Deppe</strong>. 7 Pfeiler, davon sogar ein vitaler,<br />
ist doch eine ordentliche Zahl. Das<br />
geht natürlich nur, wenn man sich auf<br />
ein Endodontie-Protokoll verlassen kann,<br />
dessen voraussagbarer Erfolg sehr nahe<br />
bei 100 Prozent liegt. Sonst ist das Risiko<br />
nicht kalkulierbar. Aus ihrer Sicht haben<br />
die Kollegen Hülsmann und Schäfer also<br />
durchaus Recht.<br />
<strong>Deppe</strong>: Dass Sie sich auf Ihr endodontisches<br />
Protokoll verlassen können, sieht<br />
man deutlich am Zahn 11. Schöne Ausheilung<br />
einer nicht gerade kleinen Aufhellung.<br />
<strong>Osswald</strong>: Die ist bei indikationsgerechter<br />
Behandlung voraussagbar, <strong>Deppe</strong>. Da<br />
man die Qualität der Pfeiler naturgemäß<br />
nicht weiter verbessern kann, muss man in<br />
solchen Fällen die Zahntechnik indikationsgerecht<br />
modifizieren.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und das bedeutet, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Wir verblocken die Teleskope<br />
gruppenweise über individuelle, parallel<br />
gefräste Stege, wie in den Abbildungen 7<br />
und 8 zu sehen. Dadurch stabilisieren wir<br />
die Einzelpfeiler und beseitigen das ständige<br />
Genackel, das - ganz abgesehen vom<br />
Kauen und besonders bei überfälligen<br />
Unterfütterungen - allein schon beim<br />
Aus- und Eingliedern entsteht. Gleichzeitig<br />
schränken wir die Frakturgefahr damit<br />
sehr drastisch ein. Wir erreichen durch diese<br />
einfache Modifikation, dass die wurzelbehandelten<br />
und anschließend primär<br />
verblockten Pfeiler nicht stärker, vielleicht<br />
sogar weniger frakturgefährdet sind als<br />
vitale Einzelteleskop-Pfeiler. In der Prothetik<br />
geht es ja in aller Regel eher um statische<br />
als um medizinische Probleme.<br />
<strong>Deppe</strong>: Interessanter Ansatz, <strong>Osswald</strong>.<br />
Wie sind Sie darauf gekommen?<br />
<strong>Osswald</strong>: Die primäre Verblockung über<br />
Stege ist in der implantatgetragenen<br />
Prothetik inzwischen klassisch und die<br />
am besten untersuchte Form der Versorgung.<br />
Was bei starken, osseointegrierten<br />
KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 8<br />
Implantaten gut ist, kann bei schwachen<br />
natürlichen Pfeilern ja nicht schlecht sein.<br />
Stege gelten seit jeher als ausgezeichnete<br />
prothetische Verbindungselemente, wurden<br />
dann ohne stichhaltige Begründung<br />
verlassen und erleben gerade weltweit eine<br />
Renaissance.<br />
<strong>Deppe</strong>: Gibt es noch andere Vorteile, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Jede Menge, <strong>Deppe</strong>. Man kann<br />
viel eher auf Gaumenplatten verzichten.<br />
Schauen Sie einmal auf das Sekundärteil<br />
in den Abbildungen 9 und 10.<br />
<strong>Deppe</strong>: Friktion?<br />
<strong>Osswald</strong>: Durch die Stege wird die Friktionsfläche<br />
stark vergrößert. Das bedeutet,<br />
dass der Techniker die Abzugskräfte pro<br />
Flächeneinheit sehr viel geringer einstellen<br />
kann. Eine solche Arbeit gleitet – eine<br />
gute Zahntechnik vorausgesetzt - hinein<br />
und hinaus wie eine Tresortür.<br />
<strong>Deppe</strong>: Aber die Hygienefähigkeit ist<br />
doch deutlich schlechter. Das war doch<br />
das wesentliche Argument <strong>für</strong> die Abkehr<br />
von Stegversorgungen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Wenn man die Zahntechnik<br />
entsprechend modifiziert, ist genau das<br />
Gegenteil der Fall. Einzelteleskope sind <strong>für</strong><br />
den Patienten ja nicht besonders einfach,<br />
sondern vielmehr besonders schwierig zu<br />
reinigen, weil dem Interdentalbürstchen<br />
das Hypomochlion fehlt. Schauen Sie auf<br />
die Abbildungen 8 und 11. Auf der Abbildung<br />
8 sieht man kleine Halbbögen, die<br />
wir unmittelbar neben den Primärteilen<br />
in den Steg fräsen. Da findet das Interdentalbürstchen<br />
ein ideales Hypomochlion.<br />
In der Folge sind die primär verblockten<br />
Teleskope deutlich leichter zu reinigen als<br />
Einzelteleskope. Im Mund sieht das dann<br />
aus wie in den Abbildungen 12 und 13.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und was ist bei Erweiterungen?<br />
Abb.1: Ausgangsbefund mit desolatem Gebisszustand im Oberkiefer Abbildung 2<br />
59<br />
www.dental-barometer.de 02_2008
60 KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 8<br />
Abb.3: Zähne 11 und 12 nach WF Abb.4: Zahn 15 nach Revision Abb.5: Zahn 22 nach WF<br />
Abb.6: Zahn 27 nach WF<br />
Abb.11: Ausgezeichnete Hygienefähigkeit<br />
02_2008 www.dental-barometer.de<br />
Abb.7: Primäre Verblockung der Teleskope<br />
Abb.9: Sekundärteil Aufsicht von unten<br />
Abb.8: Von lateral<br />
Abb.10: Sekundärteil von vorn<br />
Abb.12: Primärteile im Mund Abb.13: Sekundärteil eingegliedert
<strong>Osswald</strong>: Erweitern kann man eine solche<br />
Arbeit natürlich genau so wie jede andere.<br />
In der Folge dieser modifizierten Technik<br />
ist das jedoch deutlich weniger häufig<br />
notwendig als bei herkömmlichen Versorgungen.<br />
Das zeigt unsere jahrelange Erfahrung.<br />
Grundbedingung ist, das kann<br />
man gar nicht oft genug wiederholen,<br />
natürlich immer der voraussagbare und<br />
langfristige Erfolg der endodontischen<br />
Versorgung.<br />
<strong>Deppe</strong>: Unterfütterungen?<br />
<strong>Osswald</strong>: Durch die solide Abstützung<br />
sinkt die Frequenz von notwendigen Unterfütterungen<br />
sehr deutlich ab. Dasselbe<br />
Phänomen beobachtet man ja auch bei<br />
implantatgetragenen Stegversorgungen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Logisch. Je solider die primäre<br />
Abstützung, desto weniger Genackel,<br />
desto weniger Knochenverlust, desto weniger<br />
Unterfütterungen. Zu Unterfütterungen<br />
bei kombinierten Arbeiten gäbe es<br />
allerdings noch etwas Grundsätzliches zu<br />
sagen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Ich kann mir denken, was Sie<br />
ansprechen. Man muss beim Unterfüttern<br />
kombinierter Arbeiten unbedingt darauf<br />
achten, dass die Ankerelemente in ihrer<br />
Sollposition stehen. Man muss also die<br />
Sekundärteile maximal in diese Position<br />
pressen und dort fixieren, bis der Abdruck<br />
hart ist. Die Sättel darf man überhaupt<br />
nicht belasten. Also in keinem Falle zubeißen<br />
lassen. Erstaunlicherweise habe ich<br />
noch nie einen Ausbildungs-Assistenten<br />
gehabt, der das wusste.<br />
<strong>Deppe</strong>: Ist ja eigentlich logisch. Wenn<br />
man die Sättel belastet, formt man wenig<br />
anderes als die alte Situation ab.<br />
<strong>Osswald</strong>: Da muss man sich dann über<br />
Druckstellen nicht wundern. Die sehen<br />
wir bei indirekten Unterfütterungen nur<br />
in seltenen Ausnahmefällen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Dezementieren?<br />
<strong>Osswald</strong>: Das ist neben der erschwerten<br />
Hygienefähigkeit das Standardargument<br />
gegen Verblockungen. Zum einen muss<br />
man natürlich die <strong>für</strong> Ober- und Unterkiefer<br />
gültigen prothetischen Regeln<br />
beachten. Zum anderen muss man steil<br />
präparieren, also keine Tipi-Zelte beschleifen.<br />
Zum Dritten muss man lang<br />
präparieren, also ganz konsequent beachten,<br />
dass eine Krone weder auf der<br />
Aufbaufüllung noch auf dem Stift hält,<br />
sondern allein auf ausreichender Zahnsubstanz.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wie gewährleisten Sie denn bei<br />
derart desolaten Pfeilern eine ausreichende<br />
Stumpflänge?<br />
<strong>Osswald</strong>: Indem ich bis zum Boden der<br />
Tasche präpariere, also ganz nahe an den<br />
Knochen heran. Wenn das bei extrem<br />
geschädigten Zähnen nicht ausreicht,<br />
scheue ich mich keineswegs, sogar eine<br />
zirkuläre Rille in den Knochen zu präparieren.<br />
<strong>Deppe</strong>: Ohne Rücksicht auf die Schleimhaut?<br />
<strong>Osswald</strong>: Schleimhaut ist das dankbarste<br />
Gewebe von allen. Egal, wo man sie gerade<br />
antrifft. Wenn die Mundhygiene einwandfrei<br />
ist, heilt das Zahnfleisch wunderbar<br />
ab.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das entzündungsfreie Zahnfleisch<br />
folgt immer dem Knochen und legt sich<br />
ihm in dünner Schicht glatt und rosa an.<br />
<strong>Osswald</strong>: Jetzt fragen Sie schon, <strong>Deppe</strong>.<br />
<strong>Deppe</strong>: Was denn, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Die Frage, <strong>Deppe</strong>, die an dieser<br />
Stelle immer kommt.<br />
<strong>Deppe</strong>: Ach ja, richtig: Was ist eigentlich<br />
mit der biologischen Breite?<br />
<strong>Osswald</strong>: Wenn ich vor die Frage gestellt<br />
werde, die biologische Breite oder den<br />
Zahn zu erhalten, entscheide ich mich als<br />
Allgemeinzahnarzt grundsätzlich <strong>für</strong> den<br />
Zahn. Bei indikationsgerechter Versorgung<br />
und situationsgerechter Mundhygiene<br />
bleibt der biologischen Breite gar nicht<br />
anderes übrig als sich neu einzustellen.<br />
Das macht sie übrigens - wissenschaftlich<br />
belegt - sogar nach chirurgischer Kronenverlängerung.<br />
Dass man in solchen Fällen<br />
keine ausgeprägte Hohlkehle präparieren<br />
kann, versteht sich von selbst.<br />
<strong>Deppe</strong>: Weil sonst nicht mehr genug<br />
Zahn übrigbleibt?<br />
<strong>Osswald</strong>: Genau. Auf die abwegige Idee,<br />
auf einen Pfeiler zu verzichten, nur weil<br />
man keine ausgeprägte Hohlkehle präparieren<br />
kann, kommt man als Allgemeinzahnarzt<br />
erst gar nicht<br />
<strong>Deppe</strong>: Schäfer und Hülsmann empfehlen<br />
in ihrem Lehrbuch die chirurgische<br />
Kronenverlängerung und, wenn der Kofferdam<br />
dann immer noch nicht hält, die<br />
Extraktion.<br />
<strong>Osswald</strong>: Auch auf diese abwegige Idee<br />
kommt ein Allgemeinzahnarzt nicht.<br />
Unabdingbar ist, dass die Kronenränder<br />
rasierklingenscharf auslaufen. Ein entzündungsfreies,<br />
adäquat gepflegtes Zahnfleisch<br />
verträgt einen minimal tastbaren<br />
Kronenrand sehr wohl. Umgekehrt gilt<br />
das jedoch in keinem Fall.<br />
<strong>Deppe</strong>: Eine letzte Frage <strong>für</strong> heute, <strong>Osswald</strong>.<br />
Welche Zeitschrift bezeichnet der<br />
KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 8<br />
Volksmund eigentlich als Rentnerbravo?<br />
<strong>Osswald</strong>: Die Apotheken-Umschau,<br />
<strong>Deppe</strong>, die neue Publikationszeitschrift<br />
der „Arbeitsgemeinschaft <strong>für</strong> Endodontie<br />
und Traumatologie (AGET)“ innerhalb<br />
der „Deutschen Gesellschaft <strong>für</strong> Zahnerhaltung.<br />
(DGZ)“ und der „Deutschen<br />
Gesellschaft <strong>für</strong> Endodontie (DG-Endo)“<br />
ZA Christian <strong>Deppe</strong>: lebt in Münster. Er<br />
vertritt hier seine persönliche Meinung.<br />
Dr. Dr. Rüdiger <strong>Osswald</strong>: ist niedergelassener<br />
Vertragszahnarzt in München, des<br />
BVAZ und Referent der Akademie <strong>für</strong><br />
praxisnahe Zahnheilkunde.<br />
Vortragsreihe<br />
»Aus der Praxis – <strong>für</strong> die Praxis«<br />
Termine:<br />
Ì Frankfurt: 12.04.2008<br />
Ì Kaiserslautern: 31.05.2008<br />
Ì Bad Wörrishofen: 07.06.2008<br />
Ì Hamburg: 28.06.2008<br />
Ì Berlin: 12.07.2008<br />
Ì Münster: September 2008<br />
Ì Köln/Bonn: Oktober 2008<br />
<strong>Teil</strong>nahmegebühr: 249,- E (inkl.<br />
MwSt.)<br />
Fortbildungspunkte: 5<br />
Anmeldung und Information:<br />
Akademie <strong>für</strong> praxisnahe<br />
Zahnheilkunde GbR<br />
Ottostraße 22<br />
D-82319 Starnberg<br />
Telefon: +49 (0)8151 78245<br />
Telefax: +49 (0)8151 78244<br />
E-Mail: apz@gmx.net<br />
Internet: www.apzonline.net<br />
Weitere Informationen<br />
Dr. Dr. med. dent. Rüdiger <strong>Osswald</strong><br />
Fritz-Hommel-Weg 4<br />
D-80805 München<br />
Telefon: +49 (0)89 3618030<br />
Telefax: +49 (0)89 36100294<br />
E-Mail: ruediger.osswald@t-online.de<br />
Internet: www.tarzahn.de<br />
61<br />
www.dental-barometer.de 02_2008
54 KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 9<br />
<strong>Osswald</strong>: Wissen Sie, was ein EIE ist,<br />
<strong>Deppe</strong>?<br />
<strong>Deppe</strong>: Kein „E“ zuviel am Ende, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Ich muss doch sehr bitten,<br />
<strong>Deppe</strong>. Den beschreibt der in Hamburg<br />
als Endodontologe niedergelassene Kollege<br />
Bargholz in der Dezemberausgabe der<br />
ZMK.<br />
<strong>Deppe</strong>: Was soll das sein?<br />
<strong>Osswald</strong>: Der „Endodontic Interappointment<br />
Emergency“, <strong>Deppe</strong>, also der<br />
endodontische Notfall zwischen zwei Sitzungen,<br />
wenn die Wurzelkanäle in erster<br />
Sitzung nicht definitiv abgefüllt wurden.<br />
<strong>Deppe</strong>: Also dasselbe wie ein EIF?<br />
<strong>Osswald</strong>: Kein „F“ zuviel am Ende, <strong>Deppe</strong>?<br />
<strong>Deppe</strong>: Ich muss doch sehr bitten, <strong>Osswald</strong>.<br />
Das ist der „Endodontic Interappointment<br />
Flare-up”, also die Exazerbation<br />
nach provisorischem Verschluss des<br />
oralen Zugangs zwischen zwei endodontischen<br />
Sitzungen zum nach wie vor akuten<br />
bakteriellen Infekt.<br />
<strong>Osswald</strong>: Den erleben diejenigen, die<br />
trotz manifester Gangrän in jeden aufbereiteten<br />
Zahn ein biologisch verträgliches<br />
Desinfektionsmittel wie Ca(OH)2<br />
einrotieren und den Zahn primär dicht<br />
verschließen, ja öfter zum Leidwesen ihrer<br />
Patienten.<br />
<strong>Deppe</strong>: Ist ja auch logisch. Wenn der<br />
Schmuddel nicht raus kann, breitet er sich<br />
nach innen aus. Das wusste Hippokrates<br />
schon vor 2500 Jahren.<br />
<strong>Osswald</strong>: Da wundert es nicht, dass es<br />
da<strong>für</strong> endlich auch amerikanische Ausdrücke<br />
gibt.<br />
<strong>Deppe</strong>: Zum Glück bahnt sich der Eiter<br />
seinen Weg in aller Regel in die vestibuläre<br />
Umschlagsfalte.<br />
<strong>Osswald</strong>: Aber wehe, er verläuft sich einmal<br />
in die tiefen Logen. Dann kann sich<br />
das sehr schnell zu einer lebensbedrohlichen<br />
Erkrankung ausweiten, wegen der<br />
der Patient auf der Intensi<strong>vs</strong>tation landet.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wenn man trotzdem irgendwie<br />
03_2008 www.dental-barometer.de<br />
DEPPE<br />
<strong>vs</strong>.<br />
OSSWALD<br />
Beschwerdefreiheit erreicht, also beispielsweise,<br />
indem man Antibiotika verordnet,<br />
ohne den zugrunde liegenden bakteriellen<br />
Infekt vor dem definitiven Verschluss vollständig<br />
auszuheilen,…<br />
<strong>Osswald</strong>: ... was allerdings mit Antibiotika<br />
allein in keinem Fall gelingen kann,…..<br />
<strong>Deppe</strong>: ... kommt es dann zum EPD.<br />
<strong>Osswald</strong>: Wie meinen?<br />
<strong>Deppe</strong>: Dem „Endodontic Posttreatment<br />
Desease“, <strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Amerikanische Endodontologen-Akrobatik,<br />
<strong>Deppe</strong>: „Erkrankung<br />
nach behandelter Erkrankung“. Das muss<br />
man sich mal ganz langsam auf der Zunge<br />
zergehen lassen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Früher hieß das schlicht und<br />
einfach „Dicke Backe nach missglückter<br />
Wurzelbehandlung“.<br />
<strong>Osswald</strong>: Wie hört sich das denn an,<br />
<strong>Deppe</strong>!<br />
<strong>Deppe</strong>: Nach der Wahrheit, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: So direkt kann man die in unseren<br />
modernen Zeiten wohl nicht mehr<br />
aussprechen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Kann man oder soll man nicht?<br />
<strong>Osswald</strong>: „Das ist mir jetzt aber unendlich<br />
peinlich, Frau Meier. Wenn ich mich<br />
an den seit 2500 Jahren gültigen Lehrsatz<br />
von Hippokrates „Ubi pus, ibi evacua“ gehalten<br />
hätte, hätte ich Ihnen die dicke Backe<br />
mit guter Wahrscheinlichkeit ersparen<br />
können. Das habe ich jetzt irgendwie richtig<br />
vermasselt!“<br />
<strong>Deppe</strong>: Da haben Sie Recht. Das klingt<br />
nun wirklich ganz schlecht. So drückt<br />
sich allenfalls ein Hauszahnarzt mit eingeschränktem<br />
Behandlungsspektrum aus.<br />
<strong>Osswald</strong>: Da hört sich das doch gleich viel<br />
spezialisierter an: „Was haben wir denn<br />
da im Röntgenbild <strong>für</strong> einen hässlichen<br />
dunklen Fleck über Ihrer Wurzelspitze,<br />
Herr Müller? Der war doch vorher nicht<br />
da! Sieht ganz so aus, als hätten Sie da ein<br />
Posttreatment Deseasechen entwickelt,<br />
mein Lieber!“<br />
<strong>Deppe</strong>: Da braucht man dann auch gar<br />
nicht mehr hinzufügen „Habe ich Ihnen<br />
eigentlich schon erzählt, mein Bester, dass<br />
ich mich in den USA fortgebildet habe?“<br />
<strong>Osswald</strong>: Und dann schreibt Kollege<br />
Bargholz noch, dass es unter „Praktikern“<br />
oftmals Usus ist, hochakute gangränöse<br />
Zähne temporär offen zu lassen, obwohl<br />
das doch nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand<br />
der Spezialisten nicht erforderlich<br />
ist.<br />
<strong>Deppe</strong>: Da sind wir Allgemeinzahnärzte<br />
schon ein ordentliches Stück weiter. Vielleicht<br />
sollte er sich einmal fragen, warum<br />
er grundsätzliche medizinische Lehrsätze<br />
nicht befolgt und in der Folge über EIEs,<br />
EIFs und EPDs berichten muss.<br />
<strong>Osswald</strong>: In seine von der DGZMK veröffentlichen<br />
endodontischen Leitlinien<br />
hat er wohl auch schon lange nicht mehr<br />
reingeschaut. Da steht neuerdings, dass es<br />
sinnvoll ist, Zähne mit intradentalem Abszess<br />
temporär offen zu lassen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Unter Kofferdam <strong>Osswald</strong>? Da<br />
sind sicher wieder wir dran schuld.<br />
<strong>Osswald</strong>: Wer da<strong>für</strong> verantwortlich ist,<br />
ist doch völlig egal, <strong>Deppe</strong>. Hauptsache,<br />
es steht endlich drin und alle halten sich<br />
daran. Schauen Sie mal auf Abbildung 1.<br />
Die stammt von Oktober 1995. Zustand<br />
nach VitE.<br />
<strong>Deppe</strong>: Messaufnahme an den Zähnen<br />
46 und 47 ohne röntgenologisch diagnostizierbare<br />
apikale Aufhellung.<br />
<strong>Osswald</strong>: Die erste Verlaufskontrolle im<br />
Oktober 98 zeigt apikale Aufhellungen an<br />
allen Wurzelspitzen nach im Großen und<br />
Ganzen beschwerdefreiem Verlauf. Und<br />
das wohlgemerkt trotz ausgesprochen ordentlicher<br />
Aufbereitung und Wurzelfüllung<br />
(Abbildung 2). Fast schon ein „amazing<br />
shape“.<br />
<strong>Deppe</strong>: So läuft es eben, wenn der zugrunde<br />
liegende bakterielle Infekt vor dem definitiven<br />
Abfüllen nicht vollständig ausgeheilt<br />
wurde. ViTE hin oder her. Man kann<br />
die akute Pulpitis eben klinisch nicht von<br />
der partiellen Gangrän unterscheiden.<br />
<strong>Osswald</strong>: Nicht einmal unter dem Mikroskop,<br />
<strong>Deppe</strong>. Vielleicht ist ja deshalb der
Abb.1: VitE, WK und WF im Oktober 1995 ohne apikale Aufhellungen<br />
Abb.3: Zustand nach 1. WSR im November 1998<br />
Ausdruck „Partielle Gangrän“ aus der Nomenklatur<br />
der als modern auftretenden<br />
Endodontologie plötzlich verschwunden.<br />
Dabei hat Otto Walkhoff schon vor beinahe<br />
100 Jahren histologisch nachgewiesen,<br />
dass es sie in einem erklecklichen<br />
Prozentsatz sehr wohl gibt. Und das auch<br />
in Fällen, die klinisch als astreine akute<br />
Pulpitis imponieren.<br />
<strong>Deppe</strong>: In der logischen Folge hat er seinen<br />
Kollegen geraten, die Virulenz der <strong>für</strong><br />
den Infekt verantwortlichen Bakterien<br />
zum eigenen und zum Wohle der Patienten<br />
besser zu über- als zu unterschätzen.<br />
Daran hat sich bis heute nichts geändert.<br />
Und daran wird sich auch nichts ändern.<br />
Ätiologie und Pathogenese der bakteriellen<br />
Endodontitis sind schließlich seit nahezu<br />
100 Jahren vollständig aufgeklärt.<br />
<strong>Osswald</strong>: Um den Infekt dann vielleicht<br />
doch noch in den Griff zu bekommen,<br />
erfolgt die erste WSR (Abbildung 3, November<br />
1998). Wenn Behandler und Patient<br />
Glück haben, wird die Keimzahl dabei<br />
chirurgisch in einem Maße reduziert, dass<br />
die Immunabwehr des Patienten mit dem<br />
Rest allein fertig werden kann.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wenn einer von beiden Pech hat,<br />
oder das Immunsystem nicht so leistungsfähig<br />
ist…..<br />
<strong>Osswald</strong>:... kommt es einige Zeit später<br />
zur Exazerbation und zur 2. WSR (Abbildung<br />
4, November 1999).<br />
<strong>Deppe</strong>: Patient und Behandler hoffen natürlich,<br />
dass der diesmal beauftragte Chirurg<br />
begnadete Hände hat….<br />
<strong>Osswald</strong>:... aber leider zeigt eine neuerliche<br />
röntgenologische Verlaufskontrolle<br />
im November 2002 (Abbildung 5, Folgeseite),<br />
dass die Resektionshöhlen wieder<br />
nicht röntgenologisch knochendicht ausgeheilt<br />
sind, …<br />
<strong>Deppe</strong>: ... was ein ausgesprochen<br />
schlechtes Zeichen ist. Natürlich kann es<br />
nach Resektion auch einmal zur bindegewebigen<br />
Ausheilung des Knochendefekts<br />
kommen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Hammerscher Restschatten!<br />
KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 9<br />
Abb.2: Verlaufskontrolle im Oktober 98 mit Ausbildung von apikalen Aufhellungen<br />
an allen Wurzelspitzen<br />
Abb.4: Exazerbation im November 1999 und 2. Resektion<br />
<strong>Deppe</strong>: Sehr gut, <strong>Osswald</strong>! Leider ist die<br />
bindegewebige Ausheilung - genau wie in<br />
der konservierenden Endodontie - aber die<br />
seltene Ausnahme von der Regel.<br />
<strong>Osswald</strong>: Und so nimmt das häufig als<br />
„schicksalhaft“ bezeichnete Geschehen<br />
mangels Reduzierung der Keimzahl durch<br />
die zahnärztliche Behandlung und/oder<br />
nicht ausreichend leistungsfähigem Immunsystem<br />
des Patienten seinen Verlauf.<br />
Nach Fistelbildung an 46 und nochmals<br />
vergrößerter Aufhellung an 47 (Abbildung<br />
6, Folgeseite) gehen beide Zähne den Weg<br />
alles Irdischen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Typischer Verlauf einer missglückten<br />
Wurzelkanalbehandlung im<br />
Doppelpack!<br />
<strong>Osswald</strong>: Können Sie sich bitte diese<br />
typisch hauszahnärztliche Diktion abgewöhnen,<br />
an der man sofort Ihr eingeschränktes<br />
Behandlungsspektrum erkennt,<br />
<strong>Deppe</strong>?: „Schicksalhafter Verlauf<br />
nach wiederholtem Endodontic Emergency<br />
und Interappointment Flare-up<br />
55<br />
www.dental-barometer.de 03_2008
56 KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 9<br />
Abb. 5: VK im November 2002 ohne röntgenologisch knochendichte Ausheilung<br />
der Resektionshöhlen<br />
wegen rezidivierendem, trotz Einleitung<br />
aller zahnrettender Maßnahmen nicht<br />
beherrschbarem Posttreatment Desease“<br />
lautet die korrekte Epikrise.<br />
<strong>Deppe</strong>: Entschuldigen Sie, <strong>Osswald</strong>, aber<br />
ich hatte bisher leider noch keine Gelegenheit,<br />
mich in den USA weiterzubilden.<br />
<strong>Osswald</strong>: Apropos Walkhoff, <strong>Deppe</strong>. Wir<br />
haben uns schon wieder ein Editorial eingefangen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wo?<br />
<strong>Osswald</strong>: In der Zeitschrift Endo dontie.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wer?<br />
<strong>Osswald</strong>: Kollege Gängler, Witten.<br />
<strong>Deppe</strong>: Was?<br />
<strong>Osswald</strong>: Was er am Anfang über die<br />
Unterversorgung der Bevölkerung mit<br />
ordentlicher zahnerhaltender Endodontie<br />
im Gegensatz zu Überversorgung und<br />
ethischem Dilemma von Ersatzstrategien<br />
sagt, kann man uneingeschränkt unterschreiben.<br />
<strong>Deppe</strong>: Auch wenn er schreibt, dass bei<br />
der Lösung dieses Problems kein Weg an<br />
den Allgemeinzahnärzten vorbei führt<br />
…..<br />
<strong>Osswald</strong>: ... und Spezialisten allenfalls<br />
zur Lösung von Sonderfällen erforderlich<br />
sind .….<br />
<strong>Deppe</strong>: ... sehe ich keinen Grund, ihm<br />
zu widersprechen. Schließlich bilden<br />
Füllungstherapie, Endodontie, Parodontologie<br />
und Einzelkronen die Basis<br />
der Zahnerhaltung. Es wäre schon recht<br />
merkwürdig, wenn man dazu Fachzahnärzte,<br />
Master oder sonstige Spezialisten<br />
bräuchte.<br />
<strong>Osswald</strong>: Leider verrät er uns nicht, wie er<br />
die von ihm postulierte Verbesserung der<br />
Volksgesundheit erreichen will. Mit dem<br />
an den Hochschulen gelehrten Endodontieprotokoll<br />
nach dem sogenannten Gold-<br />
03_2008 www.dental-barometer.de<br />
standard ist das ja erwiesenermaßen nicht<br />
zu schaffen. Das gilt international schon<br />
seit einigen Jahren als gescheitert und hat<br />
in mindestens den letzten 60 Jahren zu<br />
keinerlei Fortschritt bei der Behandlung<br />
der bakteriellen Endodontitis geführt.<br />
<strong>Deppe</strong>: Nicht einmal in den gelobten<br />
Ländern. Gerade ist in Schweden eine<br />
neue Studie von Eckerbom, Flygare und<br />
Magnusson veröffentlicht worden: „A<br />
20-year follow-up study of endodontic<br />
variables and apical status in a Swedish<br />
population.“ Das Ergebnis musste wie<br />
folgt zusammengefasst werden: „Es konnte<br />
keine Verbesserung bei der apikalen<br />
Gesundheit während der letzten 20 Jahre<br />
konstatiert werden!“<br />
<strong>Osswald</strong>: Offensichtlich scheint niemand<br />
der deutschen Endodontologen – ganz im<br />
Gegenteil zu den südamerikanischen, die<br />
aber offensichtlich nicht ernst genommen<br />
werden – auch nur den Hauch einer Idee<br />
zu haben, wie man diesen unsäglichen<br />
Zustand verbessern könnte.<br />
<strong>Deppe</strong>: Man wartet ganz offensichtlich<br />
darauf, dass die US-Amerikaner etwas<br />
Neues herausfinden, dass man dann nacherzählen<br />
kann.<br />
<strong>Osswald</strong>: Das war vor dem 2. Weltkrieg<br />
einmal ganz anders, <strong>Deppe</strong>, da wurden die<br />
weltweit gültigen Standards wissenschaftlicher<br />
Zahnheilkunde in den deutschsprachigen<br />
Ländern gesetzt.<br />
<strong>Deppe</strong>: Warum so fett, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Einmal als Herrenmensch tituliert<br />
zu werden, nur weil man unachtsam<br />
„Deutschland“ statt „deutschsprachige<br />
Länder“ geschrieben hat, reicht einem <strong>für</strong><br />
den Rest seines Lebens, <strong>Deppe</strong>.<br />
<strong>Deppe</strong>: Auch wenn „Deutschland“, insbesondere<br />
die Endodontie betreffend, ausgesprochen<br />
nahe an der Wahrheit liegt.<br />
Abb. 6: Im August 2007 Extraktion beider Zähne nach erneuter Exazerbation<br />
mit Fistelbildung am 46 und ausgeweiteter Aufhellung an 47<br />
<strong>Osswald</strong>: Daran wird sich auch dadurch<br />
nichts ändern, dass sich Kollege Gängler<br />
am Schluss seines Editorials nahtlos in<br />
die Reihe derjenigen deutschen Hochschullehrer<br />
einreiht, die die Leistungen<br />
des wohl genialsten Endodontologen und<br />
vielleicht auch Zahnarztes aller Zeiten,<br />
Prof. Dr. med. Dr. med. dent. et Dr. phil.<br />
Otto Walkhoff, zu ignorieren und totzuschweigen<br />
bemüht sind.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wörtlich schreibt er: „Wir können<br />
deshalb gut auf naive Mythen und autoritätssüchtige<br />
Dogmen verzichten, die über<br />
die „Herdlehre“ erst zum Exodontismus<br />
und dann zu massenhaften Wurzelspitzenresektionen<br />
führten und in der Mitte des<br />
vergangenen Jahrhunderts die Endodontologie<br />
als wissenschaftliche und klinische<br />
Disziplin fast zu Grabe trugen. Dank ihrer<br />
Stammväter Adolph Witzel, Bernhard<br />
Hermann und Kaare Langeland, deren<br />
wissenschaftliche Erkenntnisse und klinischen<br />
Schlussfolgerungen die moderne<br />
Endodontologie prägen, ist es heute ein so<br />
bedeutendes klinisches Fachgebiet.“<br />
<strong>Osswald</strong>: Bei dieser Aufzählung Otto<br />
Walkhoff nicht zu erwähnen, ist nachgerade<br />
unverzeihlich. Einmal ganz abgesehen<br />
davon, dass Zahnheilkunde das Fachgebiet<br />
ist und die Endodontologie allenfalls<br />
eine ihrer Disziplinen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Da weiß man gleich gar nicht,<br />
wie man das bewerten soll. Unkenntnis<br />
der Geschichte der Zahnheilkunde ist<br />
schließlich das Letzte, was man einem<br />
Hochschullehrer unterstellen möchte.<br />
<strong>Osswald</strong>: Dann konzentrieren wir uns<br />
am bBsten auf das, was belegbar falsch ist,<br />
<strong>Deppe</strong>. Die so genannte „Fokaltheorie“,<br />
also die Lehre, dass jeder pulpatote Zahn<br />
einen „Herd“ darstellt, schwappte am Anfang<br />
des letzten Jahrhunderts aus den USA
KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 9<br />
Abb.7: Ausgangsbefund im Dezember 1995 bei Zustand der WSR Abb.8: Exazerbation mit vestibulärer Abszessbildung im Oktober 2005<br />
nach Europa. Devitale Zähne galten mit<br />
einem Male als ursächlich verantwortlich<br />
<strong>für</strong> alles medizinische Elend dieser Welt.<br />
Von Rheuma über Hämorrhoiden bis hin<br />
zum Krebs.<br />
<strong>Deppe</strong>: Unzählige Patienten haben in der<br />
Folge ihre Zähne verloren, ihr Rheuma jedoch<br />
behalten.<br />
<strong>Osswald</strong>: Es war ohne jeden Zweifel Otto<br />
Walkhoff, der die moderne Endodontologie<br />
wissenschaftlich begründet und die<br />
Herdtheorie in seiner bereits 1931 veröffentlichten<br />
Streitschrift „Das Problem<br />
der dentalen Fokalinfektion und ihrer<br />
Bekämpfung durch die konservierende<br />
Zahnheilkunde“ sehr eindrucksvoll widerlegt<br />
hat.<br />
<strong>Deppe</strong>: Erreicht hat er das, indem er dem<br />
rein mechanistischen Therapieansatz der<br />
Amerikaner, in dem sie bis heute verhaftet<br />
sind, einen medizinischen Therapieansatz<br />
entgegen gestellt hat.<br />
<strong>Osswald</strong>: Dessen Überlegenheit wurde zur<br />
Mitte des letzten Jahrhunderts von Castagnola<br />
durch eine Studie an 1000 Zähnen<br />
belegt, die nach der Walkhoff-Methode<br />
behandelt worden waren. Die Ausheilung<br />
apikaler Ostitiden gelang schon damals in<br />
einen mit heute vergleichbar hohen Prozentsatz.<br />
Seitdem keinerlei Fortschritt.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und dies trotz aller mechanischer<br />
Behinderung, mit der die Kollegen damals<br />
fertig werden mussten. Peso-Bohrer,<br />
Beutelrock-Bohrer, Walkhoff-Erweiterer<br />
…..<br />
<strong>Osswald</strong>: Kein Wunder also, dass es keinen<br />
Fortschritt gibt. Die Altvorderen waren<br />
in der Mechanik behindert, die als<br />
modern auftretenden Endodontologen<br />
sind es in der Desinfektion. Der Schlüssel<br />
zum Erfolg ist, beide Strategien miteinander<br />
zu kombinieren, also ordentlich<br />
aufbereiten und genau so sorgfältig wie<br />
geduldig desinfizieren.<br />
<strong>Deppe</strong>: Eigentlich das Einfachste der Welt<br />
und völlig logisch.<br />
<strong>Osswald</strong>: Dies insbesondere vor dem Hintergrund,<br />
dass ein hohler Zahn nachgerade<br />
optimale anatomische Bedingungen<br />
<strong>für</strong> die Anwendung wirklich potenter<br />
Desinfektionsmittel bietet.<br />
<strong>Deppe</strong>: In der Folge seiner Arbeiten hatte<br />
die Herdlehre zur Mitte des letzten<br />
Jahrhunderts in Europa ihre Bedeutung<br />
bereits weitgehend verloren, wie man in<br />
der 1954 von Walter Hess, Zürich, vollständig<br />
überarbeiteten 5. Auflage des<br />
1921 erstmals erschienenen Walkoffschen<br />
„Lehrbuches der konservierenden Zahnheilkunde“<br />
nachlesen kann.<br />
<strong>Osswald</strong>: Bernhard Hermann?<br />
<strong>Deppe</strong>: Keine Ahnung. Vielleicht hat er<br />
ja das Ca(OH)2 in die Endodontologie<br />
eingeführt, das die Endodontologen uns<br />
Allgemeinzahnärzten noch heute als alleiniges<br />
Mittel der Wahl verkaufen wollen,<br />
obwohl es von Walkhoff bereits vor 80<br />
Jahren als <strong>für</strong> die Behandlung der bakteriellen<br />
Endodontitis viel zu milde wirkendes<br />
Antiseptikum bezeichnet und verworfen<br />
wurde.<br />
<strong>Osswald</strong>: Keine Witze, <strong>Deppe</strong>!<br />
<strong>Deppe</strong>: Ich verstehe nicht, welcher tiefere<br />
Sinn dahinter steckt, dass die deutschen<br />
Hochschullehrer den Namen Walkhoff<br />
meiden wie der Teufel das Weihwasser.<br />
Immerhin nehmen sie da<strong>für</strong> in Kauf, die<br />
Geschichte der Zahnheilkunde nicht historisch<br />
sauber zu lehren.<br />
<strong>Osswald</strong>: Die Frage ist leicht zu beantworten.<br />
Walkhoff hat das mechanistische<br />
Protokoll, das - in dem allgemeinen Bestreben,<br />
nach dem verlorenen 2. Weltkrieg<br />
genau so toll zu werden wie die US-Ameri-<br />
kaner - auch in Deutschland gelehrt wird,<br />
bereits zu Beginn des letzten Jahrhunderts<br />
ad absurdum geführt. Zu Anfang dieses<br />
Jahrhunderts hat nun Kollege Nair aus<br />
Zürich in einer beeindruckenden prospektiven<br />
klinischen Studie <strong>für</strong> die als modern<br />
auftretende Endodontologie genau das<br />
belegt, was Walkhoff bereits vor beinahe<br />
einem Jahrhundert wissenschaftlich erforscht<br />
und veröffentlicht hat.<br />
<strong>Deppe</strong>: Da hör ich sie wieder, <strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Die Stimmen, <strong>Deppe</strong>?<br />
<strong>Deppe</strong>: Ich muss doch sehr bitten <strong>Osswald</strong>,<br />
die trappsende Nachtigall natürlich.<br />
Wenn man jetzt Otto Walkhoff nicht in<br />
der endodontischen Lücke der Geschichte<br />
der Zahnheilkunde verschwinden lassen<br />
würde, dann würde unübersehbar, dass<br />
…..<br />
<strong>Osswald</strong>: Egal, <strong>Deppe</strong>. Zurück zur genau<br />
so praktischen wie praktizierbaren und<br />
in aller Regel voraussagbar erfolgreichen<br />
Endodontie. Dass es auch anders geht<br />
als im ersten Beispiel, zeigt der nächste<br />
Fall. Schauen Sie auf Abbildung 7: 1995,<br />
Zustand nach WF und WSR vor einigen<br />
Jahren.<br />
<strong>Deppe</strong>: Hammerscher Restschatten!<br />
<strong>Osswald</strong>: In diesem Fall wohl eine Fehldiagnose.<br />
Keine bindegewebige Ausheilung,<br />
sondern der Aufhellung gebliebene Beleg<br />
<strong>für</strong> ein Gleichgewicht zwischen Angriff<br />
und Abwehr, das viele Jahren bestehen,<br />
aber auch plötzlich zusammenbrechen<br />
kann, wie wir hier sehen. Röntgenologisch<br />
kann man die Differentialdiagnose leider<br />
nicht stellen. Noch einmal resizieren oder<br />
konservierend revidieren würde man ohne<br />
klinische Symptomatik sicher aber auch<br />
nicht. Das ist das Dilemma.<br />
<strong>Deppe</strong>: Da bleibt dann nur Abwarten und<br />
Kontrollieren.<br />
57<br />
www.dental-barometer.de 03_2008
58 KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 9<br />
Abb.9: Unmittelbar nach WF im Februar 2006 bei klinischer<br />
Beschwerdefreiheit<br />
<strong>Osswald</strong>: Die Abbildung 8 zeigt den Zustand<br />
nach Exazerbation mit vestibulärer<br />
Abszessbildung 10 Jahre später im Oktober<br />
2005 anlässlich der Revision.<br />
<strong>Deppe</strong>: Posttreatment desease!<br />
<strong>Osswald</strong>: Abbildung 9 zeigt die Kontrollaufnahme<br />
unmittelbar nach WF im Februar<br />
2006 bei klinisch vollständiger Beschwerdefreiheit.<br />
Und Abbildung 10 zeigt<br />
die erste Verlaufskontrolle im November<br />
2007. Klinisch ist die Patientin nach wie<br />
vor völlig beschwerdefrei, und der Zahn<br />
ist voll belastbar.<br />
<strong>Deppe</strong>: Die röntgenologisch knochendichte<br />
Ausheilung ist nahezu abgeschlossen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Bei einem solchen, klinisch<br />
Die Redaktion in eigener Sache:<br />
Der in der Dental Barometer Ausgabe<br />
02/2006 erschienene Grundsatzartikel<br />
des Herrn Dr. Dr. <strong>Osswald</strong> „Die indikationsgerechte<br />
Behandlung der Endodontitis“<br />
leitete diese Diskussionsrunde, an<br />
der sich äußerst viele Leser erfreuen und<br />
teilnehmen, ein.<br />
Auf Grund vieler Anfragen bei uns<br />
im Verlag hierzu, bieten wir Ihnen folgenden<br />
kostenlosen Service: Laden Sie<br />
sich den Beitrag und die <strong>Kolumne</strong> 2007<br />
unter www.dental-barometer.de herunter.<br />
Schreiben Sie uns an: redaktion@<br />
dental-barometer.de, mit dem Vermerk<br />
in der Betreffzeile „<strong>Deppe</strong> <strong>vs</strong>. <strong>Osswald</strong><br />
2007“.<br />
03_2008 www.dental-barometer.de<br />
und röntgenologisch belegtem, positiven<br />
Verlauf kann man mit sehr guter Wahrscheinlichkeit<br />
voraussagen, dass die vollständige<br />
Ausheilung innerhalb weniger<br />
Jahre abgeschlossen und das überpresste<br />
Wurzelfüllmaterial unter knochendichter<br />
Ausheilung vollständig resorbiert sein<br />
wird. Das zeigt die jahrelange Erfahrung.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und solche Fälle sind wirklich voraussagbar<br />
erfolgreich?<br />
<strong>Osswald</strong>: Das kommt ganz darauf an,<br />
einen wie viel prozentigen Erfolg man<br />
voraussagen will. Für den jeweiligen individuellen<br />
Einzelfall kann man das ja nie.<br />
Selbst bei 99 % Erfolgsquote trifft es rein<br />
statistisch einen von 100 Patienten. Wie<br />
soll man da voraussagen, wer das sein<br />
wird?<br />
<strong>Deppe</strong>: Nach der wissenschaftlichen Literatur<br />
erreichen die Endodontologen bei<br />
Revisionen von wurzelbehandelten Zähnen<br />
mit röntgenologisch nachgewiesener<br />
apikaler Ostitis eine Ausheilungsquote<br />
von nur knapp 60 %.<br />
<strong>Osswald</strong>: Ich will ja nicht strunzen - und<br />
kann das jetzt natürlich auch nicht spontan<br />
mit exakten Zahlen belegen - aber<br />
diese 60 % erreichen wir gefühlsmäßig<br />
bereits bei der Revision exazerbierender,<br />
bereits resizierter Zähne. Es kommt natürlich<br />
immer auf die Virulenz und Renitenz<br />
der Keime und den Umfang der infizierten<br />
Bereiche an. Voraussagen kann man den<br />
Erfolg bei einer derart langen Anamnese<br />
im Einzelfall sicher nicht. Es unter Einsatz<br />
indizierter Behandlungsprotokolle zu<br />
probieren, lohnt sich <strong>für</strong> Zahnarzt und<br />
Patient jedoch allemal.<br />
<strong>Deppe</strong>: Da bleibt kaum mehr etwas zu sagen,<br />
<strong>Osswald</strong>.<br />
Abb.10: Verlaufskontrolle bei anhaltender Beschwerdefreiheit und<br />
röntgenologisch nahezu abgeschlossener knochendichter Ausheilung im<br />
November 2007<br />
<strong>Osswald</strong>: Nichtsdestotrotz müssen wir<br />
einen würdigen Abschluss <strong>für</strong> die heutige<br />
Folge finden.<br />
<strong>Deppe</strong>: Was schlagen Sie vor?<br />
<strong>Osswald</strong>: Wir könnten den Endodontologen<br />
ja ein paar aufmunternde Worte zurufen,<br />
<strong>Deppe</strong>.<br />
<strong>Deppe</strong>: Zum Beispiel?<br />
<strong>Osswald</strong>: „Die Grundlage erfolgreicher<br />
Endodontie ist die Infektionskontrolle,<br />
also die Elimination des bakteriellen<br />
Infektes. Dies ist eine universell gültige<br />
Wahrheit, die sowohl <strong>für</strong> den Allgemeinzahnarzt<br />
als auch <strong>für</strong> den technisch hochgerüsteten<br />
Spezialisten gilt.“<br />
<strong>Deppe</strong>: Whitworth, 2006!<br />
<strong>Osswald</strong>: Bravo, <strong>Deppe</strong>!<br />
<strong>Deppe</strong>: Mit der alleinigen Anwendung<br />
von „biologisch verträglichem“ Ca(OH)2,<br />
dessen Anwendung die Endodontologen<br />
den Allgemeinzahnärzten in ihren Leitlinien<br />
als Mittel der Wahl gerne vorschreiben<br />
möchten, wird das aber ganz offensichtlich<br />
nicht gelingen, <strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: „Das vermag nur eine möglichst<br />
lange, <strong>für</strong> Wochen und Monate anhaltende<br />
Wirkung von genügend starken<br />
Kampfmitteln auf die Mikroorganismen<br />
zu erzielen.“<br />
<strong>Deppe</strong>: Walkhoff, 1929!<br />
<strong>Osswald</strong>: Setzen, <strong>Deppe</strong>, sehr gut! Je eher<br />
die Hochschule das tief verinnerlicht und<br />
endlich in Lehre umsetzt, desto besser <strong>für</strong><br />
die Volksgesundheit, deren Verbesserung<br />
primäres Ziel jeglichen ärztlichen Handelns<br />
ist.<br />
<strong>Deppe</strong>: Über die Frage, ob wir zur Lösung<br />
dieses aus internationaler Sicht mittlerweile<br />
auch in Deutschland nicht mehr<br />
zu übersehenden Problems nun wirklich
Generalisten und Spezialisten brauchen,<br />
kann man trefflich streiten ...<br />
<strong>Osswald</strong>:... in keinem Fall aber darüber,<br />
dass, wer immer auch endodontisch behandelt,<br />
vor dem definitiven Verschluss<br />
des Zugangs zum Ort des Geschehens, die<br />
<strong>für</strong> den bakteriellen Infekt verantwortlichen<br />
Bakterien möglichst vollständig<br />
eliminieren muss.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das hat der Kollege Schaffarzik<br />
anlässlich einer Diskussion auf der<br />
Logies-Liste sehr schön auf den Punkt<br />
gebracht: „... und genau dies ist das eigentliche<br />
Problem, meine Damen und<br />
Herren. Wenn man dann nach Jahren des<br />
Feilens und Fummelns Frust schiebt, weil<br />
die Erfolgsraten dürftig sind, ist es kein<br />
Wunder, dass die Endo zum Stiefkind<br />
und nur noch halbherzig betrieben wird.<br />
Anstatt den Kollegen weiszumachen, sie<br />
bräuchten ein Mikroskop und einen Master,<br />
muss man ihnen den Spaß und den<br />
Ehrgeiz bei der Endo zurückgeben. Das<br />
geht nur mit Erfolgserlebnissen. Ich habe<br />
diese Erfolgserlebnisse, seit ich das endodontische<br />
Protokoll des Kollegen <strong>Osswald</strong><br />
anwende. Seither ist auch mein Ehrgeiz,<br />
ordentliche Endos zu machen um 200 %<br />
angestiegen. Und damit erübrigt sich in<br />
aller Regel auch die Überweisung zum<br />
Spezialisten.“<br />
Dr. Dr. Rüdiger <strong>Osswald</strong> ist niedergelassener<br />
Vertragszahnarzt in München, Geschäftsführer<br />
des BVAZ und Referent der<br />
Akademie <strong>für</strong> Praxisnahe Zahnheilkunde<br />
(APZ).<br />
ZA Christian <strong>Deppe</strong> lebt in Münster. Er<br />
vertritt hier seine ganz persönliche, eigene<br />
Meinung.<br />
Weitere Informationen<br />
Dr. Dr. med. dent. Rüdiger <strong>Osswald</strong><br />
Fritz-Hommel-Weg 4<br />
D-80805 München<br />
Telefon: +49 (0)89 3618030<br />
Telefax: +49 (0)89 36100294<br />
E-Mail: ruediger.osswald@t-online.de<br />
Internet: www.tarzahn.de<br />
KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 9<br />
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54 KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 10<br />
<strong>Deppe</strong>: Mal ehrlich, <strong>Osswald</strong>, wie lange<br />
wollen Sie sich das noch antun?<br />
<strong>Osswald</strong>: Wie meinen, <strong>Deppe</strong>?<br />
<strong>Deppe</strong>: So stur wider den Stachel löcken.<br />
<strong>Osswald</strong>: Fachlich oder berufspolitisch?<br />
<strong>Deppe</strong>: Sowohl als auch, <strong>Osswald</strong>. Das<br />
ist doch hochgradig anstrengend. Warum<br />
machen Sie das?<br />
<strong>Osswald</strong>: Weil ich neben dem Saupark in<br />
Niedersachsen geboren bin, in Westfalen<br />
aufgewachsen und seit 30 Jahren in Bayern<br />
lebe?<br />
<strong>Deppe</strong>: Sie Ärmster! Als Sturkopp geboren<br />
und immer unter Sturköppen gelebt.<br />
Wie heißt es noch? Man muss schon einen<br />
Scheffel Salz mit einem westfälischen<br />
Bauern gegessen haben….<br />
<strong>Osswald</strong>: Versenkt, <strong>Deppe</strong>! Mein Großvater<br />
war tatsächlich ein sturköpfiger<br />
Landwirt in Thüringen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Ihr Vater?<br />
<strong>Osswald</strong>: Ausgesprochen sturköpfiger<br />
Physiker.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und Ihre Mutter?<br />
<strong>Osswald</strong>: Auch nicht von schlechten Eltern.<br />
Sturköpfige Tuchhändlerstochter im<br />
Freistaat Danzig.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und wie sind Sie nach Bayern gekommen?<br />
<strong>Osswald</strong>: Auf der Flucht nach Italien in<br />
München hängen geblieben.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wegen der Berge?<br />
<strong>Osswald</strong>: Gab’s da damals schon Berge?<br />
<strong>Deppe</strong>: Jetzt aber mal im Ernst, <strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Fachlich, solange die Endodontologen<br />
uns Allgemeinzahnärzten und<br />
neuerdings auch unseren Patienten über<br />
die Regenbogenpresse unter billigender<br />
Inkaufnahme der Falschinformation und<br />
Unkollegialität ein nicht indikationsgerechtes<br />
und international bereits als gescheitert<br />
angesehenes Behandlungsprotokoll<br />
als lege artis regelrecht „verkaufen“<br />
wollen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Ein weniger diplomatischer<br />
Mensch als Sie würde das möglicherweise<br />
sogar als Verbiegung der Wahrheit bezeichnen?<br />
04_2008 www.dental-barometer.de<br />
DEPPE<br />
<strong>vs</strong>.<br />
OSSWALD<br />
<strong>Osswald</strong>: Danke, <strong>Deppe</strong>, endlich sagt es<br />
mal jemand.<br />
<strong>Deppe</strong>: Dass die Wahrheit verbogen wird,<br />
<strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Dass ich der geborene Diplomat<br />
bin, natürlich! Jetzt, da es Schrift geworden<br />
ist, kann ich es endlich zitieren.<br />
<strong>Deppe</strong>: War mir ein Vergnügen. Und berufspolitisch?<br />
<strong>Osswald</strong>: Ich bin gerne Allgemeinzahnarzt<br />
und möchte mit keinem Spezialisten<br />
<strong>für</strong> <strong>Teil</strong>zahnheilkunde tauschen. Das<br />
wäre mir zu langweilig. Zahnheilkunde<br />
ist schließlich ein genau so schnuckeliger<br />
wie vom Einzelnen vollständig überschaubarer<br />
Fachbereich innerhalb der vielen<br />
medizinischen Fachrichtungen. Sie gehört<br />
zwar nicht zu den ganz großen Fächern<br />
wie Innere, Chirurgie, Gynäkologie<br />
oder Kinderheilkunde. Sie muss sich aber,<br />
wenn sie fachgebietsübergreifend ausgeübt<br />
wird, weiß Gott nicht hinter anderen<br />
kleinen Fächern wie beispielsweise der Augen-<br />
oder Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde<br />
verstecken.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und was hat das jetzt mit Politik<br />
zu tun?<br />
<strong>Osswald</strong>: Eine ganze Menge. Schon mal<br />
einen niedersächsisch-westfälischen Bayern<br />
gesehen, der sich wie ein Ochse zur<br />
Schlachtbank führen lässt? Wer kämpft,<br />
kann verlieren, wer nicht kämpft, hat<br />
schon verloren.<br />
<strong>Deppe</strong>: Brecht.<br />
<strong>Osswald</strong>: Drei minus, <strong>Deppe</strong>. Soll er<br />
selbst nur zitiert haben.<br />
<strong>Deppe</strong>: Rosa Luxemburg?<br />
<strong>Osswald</strong>: Um unsere berechtigten Interessen<br />
erfolgreich zu vertreten, haben<br />
erfahrene Allgemeinzahnärzte den Berufsverbande<br />
der Allgemeinzahnärzte gegründet…..<br />
<strong>Deppe</strong>: ….der ja, zumindest politisch<br />
gesehen, die Arbeit macht, die man vom<br />
Freien Verband erwartet hätte.<br />
<strong>Osswald</strong>: Der FVDZ der Gründungsväter<br />
hätte es garantiert als seine genuine<br />
Aufgabe begriffen, die Pläne von<br />
BZÄK, DGZMK und dem Verein der<br />
Hochschullehrer zu vereiteln, die Weiterbildungsordnung<br />
zum Nachteil von<br />
Allgemeinzahnärzten und Patienten zu<br />
kippen und unter die eigene Kontrolle zu<br />
bringen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Ein Verband, der sich in einem<br />
derart freien Fall befindet wie der ehemals<br />
freie, kann das nicht mehr leisten, weil er<br />
hochgradig inhomogen ist. Spätestens seit<br />
seiner bayerischen Affäre sind seine Ziele<br />
nicht mehr sicher auszumachen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Zumindest nicht die gemeinsamen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Immerhin bemüht er sich mit seiner<br />
Initiative „young dentists“, neue Mitglieder<br />
zu gewinnen und seine überalterte<br />
Struktur zu verjüngen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Und, <strong>Deppe</strong>, was macht er als<br />
Erstes?<br />
<strong>Deppe</strong>: Er nimmt den jungen Kolleginnen<br />
und Kollegen den Namen ihres Clubs und<br />
lässt ihn sich als Markenzeichen eintragen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Auch nicht gerade das, was man<br />
so als den Hit im Sinne von Vertrauen bildenden<br />
Maßnahmen bezeichnen würde.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und deshalb wurde der BVAZ<br />
gegründet?<br />
<strong>Osswald</strong>: Nicht nur deshalb, <strong>Deppe</strong>. Aufgrund<br />
meiner Anamnese habe ich nach<br />
wie vor sehr gute Kontakte zu ärztlichen,<br />
insbesondere allgemeinärztlichen Kreisen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das, was bei den Allgemeinärzten<br />
passiert, kommt mit der üblichen Verzögerung<br />
auch auf die Allgemeinzahnärzte<br />
zu.<br />
<strong>Osswald</strong>: Deshalb orientiert sich der<br />
BVAZ am Berufsverband der Allgemeinärzte.<br />
Die standen bereits mit einem<br />
Bein jenseits der Klippe, ehe es ihnen<br />
durch die Gründung ihres Berufsverbandes<br />
gelungen ist, die Fachärzte in die<br />
Position zurückzudrängen, die ihnen zukommt.<br />
Da<strong>für</strong> zu sorgen, dass es bei uns<br />
gar nicht erst so weit kommt, sind wir<br />
angetreten. In diesem Zusammenhang
möchte ich an dieser Stelle auf die Rede<br />
eines Allgemeinarztes hinweisen, die genau<br />
das beschreibt.<br />
<strong>Deppe</strong>: Nur zu, <strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Wer Internet-Zugang hat:<br />
http://snipurl.com/21tm1. Wer keinen hat,<br />
sollte jemanden bitten, ihm das auszudrucken.<br />
Das sollte jeder Allgemeinzahnarzt<br />
in einer ruhigen halben Stunde sorgfältig<br />
lesen. Danach wird er keine Zweifel mehr<br />
haben, dass die Gründung des BVAZ notwendig<br />
und überfällig war.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wir Allgemeinzahnärzte brauchen<br />
in Zeiten des Umbruchs unbedingt<br />
einen bundesweit organisierten Verbund,<br />
der ganz besonders unsere medizinischen<br />
Interessen wahrnimmt. Die<br />
sind ja in den kriegerischen berufspolitischen<br />
Auseinandersetzungen der letzten<br />
Generation ziemlich unter die Räder gekommen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Nur deshalb konnte es soweit<br />
kommen, dass wir zurzeit jedes Jahr 1,8<br />
Milliarden Euro <strong>für</strong> die Versorgung unserer<br />
Patienten verlieren und damit die<br />
maroden Krankenkassen ganz alleine sanieren.<br />
Noch dazu haben wir jetzt einen<br />
BEMA, der die Extraktion erhaltungswürdiger<br />
Organe vorschreibt, wenn der<br />
Patient ihren Erhalt nicht privat honorieren<br />
kann oder will. Das ist praktisch eine<br />
Aufforderung zur Körperverletzung, von<br />
der ich mir nicht vorstellen kann, dass sie<br />
vor Gericht Bestand hat.<br />
<strong>Deppe</strong>: Organerhalt nur noch <strong>für</strong> die<br />
Reichen und Schönen. Dabei war die<br />
BEMA-Reform unter dem Vorzeichen der<br />
Begünstigung des Zahnerhalts angesetzt<br />
worden.<br />
<strong>Osswald</strong>: Das ist mit unserem Bild von<br />
Zahnheilkunde nicht zur Deckung zu<br />
bringen. Viel schlimmer ist, dass nach<br />
Professor Noacks Visionen ein Netzwerk<br />
von strahlenden Spezialisten, Mastern<br />
und Fachzahnärzten mit der Lizenz zur<br />
lege artis - Behandlung installiert werden<br />
soll.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und wer behandelt dann die Patienten,<br />
die sich den Spezialisten nicht leisten<br />
können oder wollen?<br />
<strong>Osswald</strong>: Noacks dusselige Hauszahnärzte<br />
mit eingeschränktem Behandlungsspektrum<br />
natürlich.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und wie werden die Patienten<br />
dann behandelt, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Irgendwie eben, <strong>Deppe</strong>. In den<br />
Augen der Hochschullehrer in keinem<br />
Fall jedoch lege artis.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das kann es ja wohl nicht sein.<br />
Da darf kein Weg hinführen.<br />
<strong>Osswald</strong>: In das bestehende berufspolitische<br />
Vakuum stößt die Hochschule vor<br />
und versucht, die Weiterbildungsordnung<br />
zu kippen und unter die eigene Kontrolle<br />
zu bringen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Die Gründung des BVAZ (www.<br />
bvaz.de) war vor diesem Hintergrund ein<br />
Glücksfall.<br />
<strong>Osswald</strong>: Sie wissen, wie ungern ich Ihnen<br />
widerspreche, <strong>Deppe</strong>. Aber ein Glücks-<br />
oder gar Zufall war die Gründung des<br />
BVAZ nun weiß Gott nicht.<br />
<strong>Deppe</strong>: Zurück zur Medizin. Schon die<br />
ZM gelesen?<br />
<strong>Osswald</strong>: Sicher. Ich bin ja nicht nachtragend.<br />
Deshalb lese ich auch Zeitschriften,<br />
zu deren Bezahlung ich gezwungen werde,<br />
selbst wenn sie sich schlecht oder gar nicht<br />
begründet weigern, meine Anmerkungen<br />
zur real existierenden Zahnheilkunde abzudrucken.<br />
Welche Ausgabe meinen Sie?<br />
<strong>Deppe</strong>: Nr. 4, Februar 2008, interaktive<br />
Fortbildung „Paro-Therapien“. Hier ist<br />
der Internet Link: www.zm-online.de/<br />
m5.htm. Da kann man die vorgestellten<br />
Fälle anschauen. Einfach auf das Heft<br />
4/2008 klicken.<br />
<strong>Osswald</strong>: Da habe ich schon den Titel<br />
nicht verstanden: „Von Fall zu Fall“. Und<br />
dann werden zwei mittelschwere Fälle<br />
vorgestellt, bei denen sich die Therapie in<br />
keiner Weise unterscheidet.<br />
<strong>Deppe</strong>: Vielleicht gibt es ja nur eine Therapie<br />
<strong>für</strong> alle Fälle, <strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Sieht ganz so aus, <strong>Deppe</strong>. Die<br />
Behandlung der Parodontitis ist in der<br />
Tat sehr einfach, wenn sie systematisch<br />
erfolgt. Den bakteriellen Infekt betreffend<br />
gibt es aber immerhin zwei Alternativen.<br />
Man kann abhängig von Befund und Verlauf<br />
in den allermeisten Fällen ohne, muss<br />
aber in einer Minderheit von Fällen mit<br />
Antibiotikum behandeln.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und damit wollen die Parodontologen<br />
die Notwendigkeit eines Fachzahnarztes<br />
<strong>für</strong> Parodontologie begründen?<br />
<strong>Osswald</strong>: Sieht ganz so aus, <strong>Deppe</strong>. Wenn<br />
man näher hinschaut, können sie das aber<br />
gar nicht. Angeblich sollen ja 40 % der<br />
erwachsenen Deutschen an einer behandlungsbedürftigen<br />
Parodontitis leiden.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wenn das wirklich so ist, dann<br />
handelt es sich um ein ernstes Problem der<br />
Volksgesundheit. Das ist mit Spezialisten,<br />
Mastern oder gar Fachzahnärzten nicht<br />
zu lösen. Da führt nun wirklich kein Weg<br />
am kompetent diagnostizierenden und<br />
indikationsgerecht therapierenden Allge-<br />
KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 10<br />
meinzahnarzt vorbei.<br />
<strong>Osswald</strong>: Zumindest, wenn man noch in<br />
diesem Jahrhundert ein wenig vorankommen<br />
will. Ich weiß auch nicht, wie man auf<br />
solche Zahlen kommt. Ich kenne deutschlandweit<br />
eine große Zahl von kompetent<br />
behandelnden Allgemeinzahnärzten, aus<br />
deren Praxis sie nicht stammen können.<br />
<strong>Deppe</strong>: Möglicherweise handelt es sich<br />
um das selektierte Klientel einer Universitätsklinik.<br />
<strong>Osswald</strong>: Das könnte es erklären.<br />
<strong>Deppe</strong>: Oder es handelt sich um die Untersuchung<br />
einer Hochrisikogruppe. Vielleicht<br />
ist es ja ähnlich wie bei den Kindern,<br />
bei denen eine relativ kleine Gruppe<br />
den gesamten Schnitt verdirbt.<br />
<strong>Osswald</strong>: Vielleicht, <strong>Deppe</strong>. Aber gerade<br />
bei diesen Patienten kann ich mir nicht<br />
vorstellen, dass sie bei den Spezialisten<br />
Schlange stehen werden, um sich um die<br />
Mehrkosten zu reißen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Gerade in der Parodontologie<br />
wird exemplarisch deutlich, dass wir keine<br />
neuen Spezialisten, sondern vielmehr den<br />
fachübergreifend im Sinne von Oralmedizin<br />
behandelnden Allgemeinzahnarzt<br />
brauchen, der den gesamten Fachbereich<br />
überblickt.<br />
<strong>Osswald</strong>: Deshalb fordert der Wissenschaftsrat<br />
die Hochschulen ja auch auf,<br />
endlich in diesem Sinne zu lehren und zu<br />
forschen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Bei der Parodontitis handelt es<br />
sich zweifellos um ein großes Krankheitsbild.<br />
Und große Krankheitsbilder sind in<br />
aller Regel multifaktoriell bedingt. Auch<br />
hier macht die Zahnmedizin garantiert<br />
keine Ausnahme von der Medizin.<br />
<strong>Osswald</strong>: Besonders was die Elimination<br />
von Kofaktoren betrifft, die bei der<br />
Entstehung der Defekte und der Aufrechterhaltung<br />
des entzündlichen Geschehens<br />
eine maßgebliche Rolle spielen,<br />
gibt es deutliche Notwendigkeiten, die<br />
über die Behandlung des bakteriellen<br />
Infektes weit hinausreichen. So ist beispielsweise<br />
die fachübergreifende Beurteilung<br />
von Funktionsstörungen nebst<br />
indikationsgerechter Therapie erheblich<br />
anspruchsvoller als die eigentliche Parodontalbehandlung<br />
<strong>Deppe</strong>: Das sieht man sehr schön an den<br />
in der ZM vorgestellten Fällen,…<br />
<strong>Osswald</strong>: ... bei denen einen der mächtige<br />
Kofaktor Funktionsstörung sowohl beim<br />
Blick auf das klinische als auch das röntgenologische<br />
Bild geradezu anspringt, <strong>Deppe</strong>.<br />
Im Grunde kann man mit Blick auf<br />
55<br />
www.dental-barometer.de 04_2008
56 KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 10<br />
das Röntgenbild sagen, wie das klinisch<br />
aussieht, wenn noch nicht entsprechend<br />
behandelt wurde, und umgekehrt.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wie meinen, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Der Fall aus der Uni Würzburg<br />
betrifft eine Patientin mit Zustand nach<br />
kombiniert kieferorthopädisch-chirurgischer<br />
Therapie mit Vorverlagerung des<br />
Unterkiefers.<br />
<strong>Deppe</strong>: Bei dieser Anamnese müssten<br />
beim Behandler die roten Funktions-<br />
Lampen sofort aufleuchten. Nach kieferorthopädischen<br />
Behandlungen sind<br />
okklusale Früh- und Fehlkontakte nicht<br />
04_2008 www.dental-barometer.de<br />
gerade selten. Oftmals sind die Zähne<br />
zwar optisch schön gestellt, weisen<br />
aber häufig Früh- und Fehlkontakte auf<br />
oder werden durch Scherkräfte fehlbelastet.<br />
Da ist ein abschließender okklusaler<br />
Feinschliff in entspannter Zentrik<br />
indiziert, der oft nicht oder nicht<br />
sorgfältig genug vorgenommen wird.<br />
So genau kann man Zähne kieferorthopädisch<br />
eben nicht einstellen, dass sich ein<br />
abschließendes Einschleifen in entspannter<br />
Zentrik erübrigt.<br />
<strong>Osswald</strong>: Die Würzburger Patientin hat<br />
im Schlussbiss klinisch deutlich erkenn-<br />
Abb.1: Aufgrund des sekundären Engstandes mit Mesialisierung der UK-Frontzähne kommt es zu<br />
einer systematischen Traumatisierung der OK-Frontzähne bei jedem Schlussbiss.<br />
Abb.3: Das Röntgenbild zeigt den durch Dauertrauma<br />
verursachten, massiven Knochenabbau.<br />
bare frontale Fehlkontakte. Da scheint<br />
mir der Unterkiefer etwas weit nach mesial<br />
geraten zu sein und die OK-Front zu<br />
traumatisieren, ohne dass das durch Einschleifen<br />
korrigiert wurde. Folgerichtig ist<br />
der Knochenabbau nur an den OK-Frontzähnen<br />
bei hohen Lockerungsgraden massiv<br />
ausgebildet. Die Auffächerung beginnt<br />
gerade. Im Seitenzahnbereich sind die Befunde<br />
bis auf einen Einbruch zwischen 36<br />
und 37 wenig auffällig und eher altersentsprechend.<br />
<strong>Deppe</strong>: Typisch iuvenile Parodontitis,<br />
<strong>Osswald</strong>!<br />
Abb.2: Zustand nach Revision der mesialen Wurzel<br />
wegen anhaltender Beschwerden nach WF<br />
Abb.4: Der sekundäre Engstand führt zu Schachtelstellung und Verlängerung der UK-Frontzähne mit<br />
Ausbildung eines typischen „Zahnsträußchens“.
<strong>Osswald</strong>: Keine Polemik, <strong>Deppe</strong>! Natürlich<br />
ventiliert die Autorin diese Diagnose.<br />
<strong>Deppe</strong>: Obwohl gerade dieser Fall sehr<br />
deutlich zeigt, auf welch schwachen Füßen<br />
sie steht.<br />
<strong>Osswald</strong>: Die Diagnose, <strong>Deppe</strong>, die Diagnose!<br />
<strong>Deppe</strong>: Es sei denn, die Parodontologen<br />
wollen uns jetzt auch noch ernsthaft glauben<br />
machen, dass es sogar Bakterien gibt,<br />
die neben der Front isoliert die linken unteren<br />
Sechser befallen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Nach dem Röntgenbild besteht<br />
jedenfalls der dringende Verdacht auf<br />
Früh- oder Fehlkontakte zu 26, der als<br />
verlängert imponiert. Schade, dass die Patientin<br />
oralmedizinisch nicht untersucht<br />
wurde. Schauen Sie einmal auf die Abbildung<br />
1, die eine verwandte Situation in<br />
der Front zeigt.<br />
<strong>Deppe</strong>: Sehr schöner Behandlungserfolg.<br />
Wurde die Parodontalbehandlung von<br />
einem Spezialisten durchgeführt?<br />
<strong>Osswald</strong>: Keineswegs, <strong>Deppe</strong>. Von der<br />
ausgesprochen charmanten Kollegin<br />
Micheelsen. Sie ist Mitglied im BVAZ und<br />
praktiziert auf dem platten Land. Schauen<br />
Sie einmal auf die Wurzelkanalfüllung in<br />
Bild 2.<br />
<strong>Deppe</strong>: Ganz nahe am amazing shape.<br />
Was ist mit der mesialen Wurzel?<br />
<strong>Osswald</strong>: Der Kanal musste wegen anhaltender<br />
Beschwerden nach Wurzelkanalbehandlung<br />
nach dem so genannten<br />
Goldstandard der Endodontologen revidiert<br />
werden. Nachdem die Kollegin jetzt<br />
nach meinem Protokoll behandelt, hat sie<br />
die voraussagbar erfolgreiche Endodontie<br />
auch in etwas schwierigeren Fällen im<br />
Griff<br />
<strong>Deppe</strong>: Die fachübergreifende Zahnheilkunde,<br />
die der Wissenschaftsrat von der<br />
Hochschule einfordert, wird von kompetenten<br />
Allgemeinzahnärzten also bereits<br />
praktiziert.<br />
<strong>Osswald</strong>: Da hat die Hochschule einiges<br />
nachzuholen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Ist das auch ein kombiniert kieferorthopädisch-chirurgischer<br />
Fall?<br />
<strong>Osswald</strong>: Die gehören ja eher zur Ausnahme<br />
von der Regel. In diesem Fall handelt<br />
es sich um einen ausgeprägten sekundären<br />
Engstand. Solche Fälle sind ausgesprochen<br />
häufig. Leider sieht man fast genau<br />
so regelmäßig, dass sie nicht indikationsgerecht<br />
behandelt werden. Die Abbildungen<br />
3 und 4 zeigen die sehr deutlich<br />
verlängerten UK-Frontzähne in pathognomonischer<br />
Schachtelstellung. Sowohl<br />
klinisch als auch röntgenologisch sind die<br />
Schäden, die eine solche Dauertraumatisierung<br />
verursacht, nicht zu übersehen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wie kommt es eigentlich zu diesen<br />
sekundären Veränderungen der Zahnstellung?<br />
<strong>Osswald</strong>: Die Okklusion ist ja nicht statisch,<br />
sondern vielmehr ausgesprochen<br />
dynamisch. Sie verändert sich ein Leben<br />
lang. Durch die Funktion, besonders<br />
aber durch Funktionsstörungen und/oder<br />
durch den unphysiologischen Gebrauch<br />
der Zähne im Sinne von schlechten Gewohnheiten<br />
werden diese Veränderungen<br />
mehr oder weniger stark beschleunigt.<br />
Das kann im individuellen Einzelfall eine<br />
ganz unterschiedliche Ausprägung haben,<br />
die sich in ganz unterschiedlichen klinischen<br />
und röntgenologischen Befunden<br />
manifestiert.<br />
<strong>Deppe</strong>: Die Menschen sind weder alle<br />
gleich noch gleich gut ausgestattet. Genau<br />
wie es mehr oder weniger leistungsfähige<br />
Hirne, Lebern und Nieren gibt, gibt es natürlich<br />
auch unterschiedliche Qualitäten<br />
bei Zähnen, Zahnhalteapparat, Knochen<br />
und Immunsystem.<br />
<strong>Osswald</strong>: Was der eine ein Leben lang<br />
aushält ...<br />
<strong>Deppe</strong>: … macht den anderen in relativ<br />
kurzer Zeit ziemlich fertig. Aber wie<br />
kommt es denn jetzt zu diesem so typischen<br />
Bild des „Sekundären Engstandes<br />
des Erwachsenen“?<br />
<strong>Osswald</strong>: Darüber, warum er sich in<br />
dieser Weise entwickelt, gibt es die abenteuerlichsten<br />
Theorien. Das „Wie“ und<br />
„Warum“ ist sicherlich jegliche Forschung<br />
wert, <strong>für</strong> die Therapie aber gar nicht so<br />
entscheidend. Tatsache ist, dass es mit<br />
fortschreitender Jugend ausgesprochen<br />
häufig zu einer Mesialisierung der UK-<br />
Seitenzähne kommt. Vielleicht haben<br />
Zähne auch nur eine angeborene Tendenz<br />
zur Mesialisierung, die ein Leben lang anhält,<br />
damit die Kontaktpunkte eng bleiben.<br />
Man beobachtet ja gelegentlich auch<br />
einen spontanen Lückenschluss, fast ohne<br />
Kippung und ohne jegliche kieferorthopädische<br />
Maßnahme.<br />
<strong>Deppe</strong>: Es sei denn, sie können unter<br />
funktioneller Belastung nach distal in<br />
eine Lücke wandern.<br />
<strong>Osswald</strong>: Ich denke jedoch, dass das auch<br />
eine ganze Menge mit funktionalen Kräften<br />
zu tun hat…<br />
<strong>Deppe</strong>: … also mit Kräften, die unter<br />
physiologischen, insbesondere aber nicht<br />
physiologischen Bedingungen auf die<br />
KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 10<br />
Zähne einwirken.<br />
<strong>Osswald</strong>: Wie dem auch sei, <strong>Deppe</strong>.<br />
Durch die Mesialisierung kommt es in<br />
jedem Falle zwangsläufig zu einem Platzmangel<br />
in der UK-Front. Die UK-Zähne<br />
müssen also ausweichen, weil zunehmend<br />
Platz fehlt, um entspannt und gerade nebeneinander<br />
zu stehen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Es bleibt ihnen gar nichts anders<br />
übrig, als eine Schachtelstellung einzunehmen,<br />
wobei der eine oder andere nach<br />
frontal ausweicht, während der andere<br />
oder eine nach lingual gedrückt wird.<br />
Gleichzeitig verlängern sie sich und bilden<br />
das typische Zahnsträußchen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Das ist in erster Linie eine Frage<br />
von Statik und Mechanik. Da immer<br />
mindestens ein Zahn nach frontal ausweicht,<br />
kommt es, wenn nicht gerade ein<br />
deutlicher Rückbiss vorliegt, nachgerade<br />
zwangsläufig zu traumatischen Frühkontakten<br />
mit den OK-Frontzähnen. Diese<br />
lockern sich, weil sie ebenfalls ausweichen<br />
müssen, und fächern dabei auf. Die jeweilige<br />
Ausprägung ist natürlich höchstindividuell<br />
und das jeweilige Ausmaß von<br />
vielen unterschiedlichen Qualitäten aller<br />
beteiligten Strukturen abhängig. Man<br />
sieht auch gar nicht selten Patienten, die<br />
in der Folge in das linguale Parodontium<br />
der OK-Frontzähne einbeißen und<br />
es traumatisch beschädigen oder gar ruinieren.<br />
<strong>Deppe</strong>: Aufgrund der generell schlechteren<br />
Qualität des Oberkieferknochens<br />
gegenüber demjenigen im Unterkiefer<br />
nehmen die Oberkieferzähne in der Regel<br />
deutlich stärkeren Schaden als ihre Antagonisten.<br />
Natürlich gibt es auch Ausnahmen<br />
von der Regel.<br />
<strong>Osswald</strong>: Oben total, unten Stahl, ganz<br />
normal!<br />
<strong>Deppe</strong>: Häh?<br />
<strong>Osswald</strong>: Zahnärztlicher Volksmund,<br />
<strong>Deppe</strong>. Den Spruch müssten Sie eigentlich<br />
kennen. Sie sind doch ein alter Knochen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Sie sind ja ausgesprochen charmant<br />
unterwegs, <strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Die sich in einem ersten Stadium<br />
verbreiternden Parodontalspalten der<br />
unter Dauertrauma stehen OK-Frontzähne<br />
bilden einen locus minoris resistentiae,<br />
an dem die Bakterien den Verteidigungsring<br />
„Körperhülle“ überwinden<br />
können. Das müssen sie ja erst einmal<br />
schaffen. Dass die Körperabwehr bei<br />
Dauertrauma in ihrer Leistungsfähigkeit<br />
eingeschränkt ist, versteht sich eigentlich<br />
57<br />
www.dental-barometer.de 04_2008
58 KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 10<br />
Abb.5: Zustand nach Konturierung der UK-Front<br />
von selbst.<br />
<strong>Deppe</strong>: Was heilen soll, muss ruhig gestellt<br />
werden ...<br />
<strong>Osswald</strong>: … ist einer der wesentlichen<br />
Lehrsätze der Medizin!<br />
<strong>Deppe</strong>: Insbesondere in der Nacht, wenn<br />
die notwendigen Reparaturarbeiten laufen,<br />
muss Ruhe herrschen. Wie kann man<br />
eigentlich so vermessen sein anzunehmen,<br />
fundamentale medizinische Lehrsätze<br />
würden in der Zahnheilkunde nicht gelten?<br />
<strong>Osswald</strong>: Jetzt sind die Bakterien also<br />
drin und finden in den erweiterten Parodontalspalten<br />
nachgerade optimale Bedingungen,<br />
sich zu ernähren und zu vermehren.<br />
Noch dazu können sie sich dort<br />
den „normalen“ Hygienebemühungen<br />
vollständig entziehen. Da muss die fortgebildete<br />
Assistentin ran.<br />
<strong>Deppe</strong>: Damit ist jetzt der Supergau <strong>für</strong><br />
den Zahnhalteapparat eingetreten ...<br />
<strong>Osswald</strong>: …die Kombination von bakteriellem<br />
Infekt und funktioneller Überlastung<br />
...<br />
<strong>Deppe</strong>: … die zu Knochenabbau führt. Je<br />
mehr Knochen abgebaut wird, desto weniger<br />
Zahn steht im Knochen, desto mehr<br />
steht im Mund, desto mehr wandert das<br />
Hypomochlion nach kaudal, desto größer<br />
ist die Auslenkung des nicht im Knochen<br />
stehenden Zahnanteils, desto größer sind<br />
die traumatischen Kräfte, die über die<br />
Wurzel auf den kontinuierlich kleiner werdenden<br />
Restknochen ausgeübt werden ...<br />
<strong>Osswald</strong>: ... der noch dazu entzündlich<br />
04_2008 www.dental-barometer.de<br />
infiltriert und damit weniger widerstandsfähig<br />
ist.<br />
<strong>Deppe</strong>: Reine Physik der Mechanik, <strong>Osswald</strong>!<br />
<strong>Osswald</strong>: Hebelgesetz von Archimedes,<br />
<strong>Deppe</strong>. Kraft mal Kraftarm ist gleich Last<br />
mal Lastarm.<br />
<strong>Deppe</strong>: Ein echter Teufelskreis ...<br />
<strong>Osswald</strong>: … der als Akutmaßnahme<br />
schleunigst unterbrochen werden muss.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das ist schon recht merkwürdig<br />
mit den Spezialisten. Überall rennen sie<br />
hinter der mechanistisch fixierten USamerikanischen<br />
Lehre her ...<br />
<strong>Osswald</strong>: … und wenn es einmal ein<br />
echtes statisch-mechanisches Problem zu<br />
lösen gibt, jagen sie Bakterien.<br />
<strong>Deppe</strong>: In der Endodontie ist es genau<br />
umgekehrt. Die ist fast vollständig mechanistisch<br />
fixiert und lässt die verantwortlichen<br />
Bakterien vor dem definitiven<br />
Verschluss am Leben. Das verstehe, wer<br />
will. Was soll man da machen?<br />
<strong>Osswald</strong>: Man kann’s nur immer wieder<br />
geduldig wiederholen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und wie durchbricht man diesen<br />
Teufelskreis?<br />
<strong>Osswald</strong>: Indem man in einem allersten<br />
Schritt durch Einschleifen der UK-Front<br />
das Trauma beseitigt. Die wirkt dann<br />
auch gleich deutlich ästhetischer. Schauen<br />
Sie nur auf Abbildung 5.<br />
<strong>Deppe</strong>: Toll. Da war die Patientin sicher<br />
sehr glücklich.<br />
<strong>Osswald</strong>: Das können Sie laut sagen. Solch<br />
ein mit fortschreitender Jugend aufblü-<br />
hendes Zahnsträußchen ist weder funktionell<br />
noch ästhetisch der Hit. Gerade<br />
Frauen leiden erheblich, wenn sie sich das<br />
tagtäglich beim Schminken ganz genau<br />
anschauen müssen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das darf man aber nach der Lehrmeinung<br />
nicht!<br />
<strong>Osswald</strong>: Die scheint wirklich immer<br />
noch zu gelten, <strong>Deppe</strong>. In der Folge wurde<br />
dieser Fall auf einer Parodontologie-<br />
Fortbildung genau mit diesem Ergebnis<br />
besprochen: Um Himmels willen nicht<br />
die UK-Front einkürzen!<br />
<strong>Deppe</strong>: Das zeigt, wie wenig die Bedeutung<br />
des funktionellen Traumas in der<br />
Zahnheilkunde verstanden wird. Die Seitenzähne<br />
müssen dabei natürlich in stabiler<br />
Zentrik stehen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Das zeigt vor allem, wie dringend<br />
die Lehrmeinung verändert werden<br />
muss, damit sie nicht länger im Widerspruch<br />
nicht nur zu medizinischen Leitlinien,<br />
sondern noch dazu zu den universell<br />
geltenden Gesetzen der Physik steht.<br />
Alternativ könnte man durch Extraktion<br />
von Prämolaren Platz schaffen, den Engstand<br />
kieferorthopädisch auflösen und die<br />
UK-Front intrudieren.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das hört sich dann <strong>für</strong> den Regelfall<br />
des Erwachsenen doch etwas nach<br />
Overtreatment an, <strong>Osswald</strong>. Und der Fall<br />
aus Freiburg?<br />
<strong>Osswald</strong>: Der kleine Italiener, der von<br />
Napoli träumt?<br />
<strong>Deppe</strong>: Conny Froboes, 1962!<br />
<strong>Osswald</strong>: Chapeau, <strong>Deppe</strong>. Ich sage doch,<br />
dass Sie ein alter Knochen sind.<br />
<strong>Deppe</strong>: Es geht eben nichts über eine<br />
umfassende humanistische Bildung, <strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Sein Kumpel hat auf Tina gehört.<br />
Er hat zwar weder Alufelgen noch<br />
einen Zweitfernseher, lebt da<strong>für</strong> aber relativ<br />
entspannt unter südlicher Sonne.<br />
Unser Patient hat das mit Marina vollständig<br />
vermasselt. Er ist hier geblieben,<br />
mit einer Deutschen verheiratet, arbeitet<br />
im Schichtdienst und muss sich durchbeißen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Schon wieder der Volksmund,<br />
<strong>Osswald</strong>. Sich durchbeißen, Zähne zusammenbeißen,<br />
verbissen sein, zerknirscht<br />
sein, die Zähne zeigen, ins Gras beißen<br />
usw. Das Leben ist hart. Nicht nur <strong>für</strong><br />
einen in Deutschland in Schicht arbeitenden<br />
Italiener.<br />
<strong>Osswald</strong>: Und manchmal kann man es<br />
einfach nicht mehr an den Zähnen haben.<br />
Dann kommen die Leute zu uns. Die
Knirscher und Presser sind die Psychosomatiker<br />
der Zahnheilkunde.<br />
<strong>Deppe</strong>: Noch dazu hat er eine Tendenz<br />
zum Tiefbiss bei einseitigem Kreuzbiss ...<br />
<strong>Osswald</strong>: … und hat drei Molaren eingebüßt.<br />
Die anderen Zähne wandern in die<br />
Lücken, was zur Folge hat, dass sowohl die<br />
Front- als auch die Seitenzähne in allen<br />
Quadranten sehr deutlich auffächern.<br />
<strong>Deppe</strong>: Also noch ein Fall, bei dem sofort<br />
alle Funktionsleuchten brennen müssen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Nichtdestotrotz findet sich bei<br />
der Beschreibung beider Fälle kein Wort<br />
über Funktion oder unphysiologische Belastung<br />
der Zähne durch Malokklusion<br />
und/oder schlechte Gewohnheiten. Bei<br />
keinem Patienten wurde eine klinische<br />
Funktionsanalyse durchgeführt. Keiner<br />
wurde eingeschliffen. Keiner wurde in<br />
dieser Beziehung aufgeklärt. Und bei keinem<br />
wurde das Tragen einer adjustierten<br />
Schiene, zumindest während der Nacht,<br />
angeordnet.<br />
<strong>Deppe</strong>: Da<strong>für</strong> mussten beide Patienten<br />
den berühmten Cocktail schlucken, der<br />
nach dem renommierten Parodontologen<br />
van Winkelhoff benannt ist, nachdem<br />
beim Bakterienscreening die üblichen,<br />
in einem Falle jedoch nicht einmal alle<br />
üblichen Verdächtigen verhaftet werden<br />
konnten.<br />
<strong>Osswald</strong>: Casablanca, <strong>Deppe</strong>, 1942.<br />
<strong>Deppe</strong>: Einer der Besten, <strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Wenn man dem Volksmund<br />
glaubt, dann soll es ja durchaus möglich<br />
sein, Spatzen auch mit Kanonen zu treffen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Auch wenn diese Weisheit das<br />
Verfahren ausgesprochen unelegant charakterisiert.<br />
<strong>Osswald</strong>: Was den van Winkelhoff-<br />
Cocktail betrifft, sind die potentiellen<br />
Nebenwirkungen weder selten noch zu<br />
verachten. Solch schwere Geschütze wie<br />
eine Kombinationsbehandlung mit hochdosiertem<br />
Amoxicillin und Metronidazol<br />
sollte man sich dringend <strong>für</strong> Fälle aufbewahren,<br />
in denen weniger belastende<br />
Therapien nicht den gewünschten Erfolg<br />
gebracht haben.<br />
<strong>Deppe</strong>: Sonst muss man sich nicht wundern,<br />
dass es zu Resistenzen kommt und<br />
man irgendwann keine Pfeile mehr im<br />
Köcher hat.<br />
<strong>Osswald</strong>: Oder keine Kugeln <strong>für</strong> die dicke<br />
Berta.<br />
<strong>Deppe</strong>: Resistenzentwicklung gegen Antibiotika<br />
ist nicht von ungefähr eines der<br />
großen Themen der Medizin. Warum fa-<br />
hren die Parodontologen gerade auf diesen<br />
Cocktail ab, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Ich denke, dass das genau so ist<br />
wie in der Endodontie. Ein Guru mit Gewicht<br />
verkündet etwas, und alle beten es<br />
nach, ohne dass sinnvollere Alternativen<br />
überlegt und erforscht werden. Funktionieren<br />
tut er ja.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das ist bei dieser Dosierung nun<br />
wirklich kein Wunder.<br />
<strong>Osswald</strong>: Alle leichten und die erdrückende<br />
Mehrzahl der fortgeschrittenen<br />
Par-Fälle kann man allerdings vollständig<br />
ohne Antibiotikagabe lösen. Schauen Sie<br />
einmal auf die Abbildungen 4 und 5. Zwischen<br />
beiden Aufnahmen liegen immerhin<br />
14 Jahre. Diese Patientin hat nie ein<br />
Antibiotikum erhalten. Bis heute keinerlei<br />
Rezidiv. Die Patientin wurde nur einmal<br />
mittels geschlossener Kurettage behandelt.<br />
Sie betreibt aber eine ausgezeichnete<br />
Mundhygiene mit Interdentalbürstchen<br />
und trägt konsequent ihre adjustierte<br />
Oberkieferschiene.<br />
<strong>Deppe</strong>: Was ist im dritten Quadranten<br />
passiert?<br />
<strong>Osswald</strong>: Unfallmäßige, tiefe Kronenfraktur<br />
an 35, 36 und 37. Eine Antibiotika-Verordnung<br />
ist in unserer Praxis die<br />
besondere Ausnahme von der Regel. Das<br />
gilt sowohl <strong>für</strong> die Parodontologie als auch<br />
<strong>für</strong> die Endodontie.<br />
<strong>Deppe</strong>: Auf den Nachweis von Bakterien<br />
kann man eigentlich grundsätzlich verzichten.<br />
Zum einen sieht man im Verlauf,<br />
ob ein Antibiotikum erforderlich ist, zum<br />
anderen sind es fast immer die mehr oder<br />
weniger gleichen Keime, die nachgewiesen<br />
werden. Und zum Dritten kann man sich<br />
auf die Ergebnisse nicht verlassen, weil sie<br />
abhängig von dem Labor sind, in das man<br />
die Proben schickt.<br />
<strong>Osswald</strong>: Drei Labore, drei unterschiedliche<br />
Keimspektren, <strong>Deppe</strong>, und mindestens<br />
zwei unterschiedliche Antibiotikaempfehlungen.<br />
Beim DNS-Sondentest<br />
mag das marginal anders sein, ändert aber<br />
grundsätzlich nichts an dieser Einschätzung.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das belegt die einschlägige wissenschaftliche<br />
Literatur.<br />
<strong>Osswald</strong>: Da kann man besser gleich<br />
ex juvantibus therapieren. Insbesondere<br />
sollte man Antibiotika nur verordnen,<br />
wenn diese wirklich erforderlich sind. Ihr<br />
Missbrauch ist schließlich inzwischen endemisch.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wurde in der ZM überhaupt<br />
schon jemals ein parodontologischer Lehr-<br />
KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 10<br />
fall veröffentlicht, der keinen Winkelhoff<br />
Cocktail schlucken musste?<br />
<strong>Osswald</strong>: Ich kann mich nicht erinnern.<br />
Ich kann mich aber an einen sehr<br />
leicht zu lösenden Fall erinnern, in dem<br />
er auch verordnet wurde, obwohl keineswegs<br />
eine ausreichende Zahl von<br />
Verdächtigen verhaftet werden konnte.<br />
War übrigens auch ein klassischer Funktionsfall.<br />
<strong>Deppe</strong>: War das der Fall der psychisch<br />
auffälligen Patientin, die trotz aller Therapiemaßnahmen<br />
immer noch blutete, obwohl<br />
sie eine ausgezeichnete Mundhygiene<br />
betrieb und kaum Keime noch Beläge<br />
nachweisbar waren?<br />
<strong>Osswald</strong>: Genau. Ein solcher Befund ist<br />
geradezu pathognomonisch <strong>für</strong> die funktionelle<br />
Überlastung durch schlechte Gewohnheiten.<br />
Solche Patienten brauchen<br />
kein Antibiotikum, sondern müssen konsequent<br />
eine adjustierte Aufbisschiene im<br />
Oberkiefer tragen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Warum im Oberkiefer, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Oben total, unten Stahl, ganz<br />
normal, <strong>Deppe</strong>.<br />
<strong>Deppe</strong>: Man bekommt fast den Eindruck,<br />
dass jeder Fall, der über eine Gingivitis hinausgeht,<br />
von den Parodontologen an der<br />
Hochschule systematisch antibiotisch behandelt<br />
wird.<br />
<strong>Osswald</strong>: Genau wie in den USA. Wenn<br />
man die vorgestellten Fälle anschaut, hat<br />
der Keimnachweis nicht einmal einen<br />
Einfluss auf die Antibiotikaverordnung.<br />
In Würzburg wird die Gabe des Winkelhoff-Cocktails<br />
mit dem Nachweis von<br />
Aggregatibacter actinomycetemcomitans<br />
begründet.<br />
<strong>Deppe</strong>: Im Fall aus Freiburg konnte dieser<br />
Keim nicht nachgewiesen worden. Nichtdestotrotz<br />
wurde mit gleicher Kombinationstherapie<br />
antibiotisch behandelt, ...<br />
<strong>Osswald</strong>: …wobei die Dosierung sogar<br />
fast verdoppelt wird. Begründet wird das<br />
damit, dass die Anwesenheit von Aggregatibacter<br />
actinomycetemcomitans durch<br />
einen DNS-Sondentest nicht ausgeschlossen<br />
werden kann.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wozu macht man ihn dann überhaupt?<br />
Dann kann man ihn auch gleich<br />
weglassen und stattdessen sorgfältiger auf<br />
die Klinik schauen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Noch dazu sind biochemische<br />
Gruppen der Spezies Aggregatibacter actinomycetemcomitans<br />
zwar durch Sequenzierung<br />
identifizierbar; unterschiedlich<br />
virulente Stämme lassen sich aber mit keiner<br />
der in der Parodontologie verwendeten<br />
59<br />
www.dental-barometer.de 04_2008
60 KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 10<br />
Nachweismethoden erkennen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Schrieb der sich nicht früher einmal<br />
Actinobacillus actinomycetemcomitans?<br />
<strong>Osswald</strong>: Sehr gut, <strong>Deppe</strong>.<br />
<strong>Deppe</strong>: Warum wird der dauernd umbenannt?<br />
<strong>Osswald</strong>: Um die Allgemeinzahnärzte<br />
mit eingeschränktem Behandlungsspektrum<br />
nomenklaturmäßig einfacher von<br />
den Spezialisten mit der Lizenz zur wissensexplodierten<br />
lege artis-Behandlung<br />
unterscheiden zu können?<br />
<strong>Deppe</strong>: Keine Witze, <strong>Osswald</strong>! Da gibt’s<br />
aber einen einfachen Trick. Sagen und<br />
schreiben Sie einfach A. actinomycetemcomitans.<br />
Dann merkt es keiner.<br />
<strong>Osswald</strong>: So machen es viele Spezialisten<br />
auch.<br />
<strong>Deppe</strong>: Keine Polemik, <strong>Osswald</strong>! Die<br />
Einteilung der Parodontitiden wurde immerhin<br />
schon 1999 neu gestaltet.<br />
<strong>Osswald</strong>: In meinen Augen übrigens nicht<br />
in jeder Beziehung zu ihrem Vorteil.<br />
<strong>Deppe</strong>: Die Beschreibung der Ätiologie<br />
gibt aber doch wertvolle Hinweise.<br />
<strong>Osswald</strong>: Natürlich ist das wichtig. Das,<br />
was mich aber bei der Therapie in allererster<br />
Linie interessiert, ist, ob die Parodontitis<br />
therapieresistent ist oder nicht.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und das extrem bedeutsame Wort<br />
„therapieresistent“ ist aus der Nomenklatur<br />
verschwunden.<br />
<strong>Osswald</strong>: Honi soit qui mal y pense!<br />
<strong>Deppe</strong>: Die neue Bezeichnung „Parodontitis<br />
apicalis“ statt „Apikale Ostitis“ betreffend<br />
gäbe es auch einiges anzumerken.<br />
<strong>Osswald</strong>: Dabei ist es relativ unproblematisch,<br />
die Fälle, die tatsächlich ein Antibiotikum<br />
erfordern, von denen zu unterscheiden,<br />
bei denen man darauf verzichten<br />
kann. Das sagt einem schließlich die Klinik.<br />
In keinem Fall muss es aber immer<br />
gleich der Hammer-Cocktail sein.<br />
<strong>Deppe</strong>: Zumindest nicht vor dem Feierabend,<br />
<strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Und danach lieber einer von<br />
Schumann’s, <strong>Deppe</strong>.<br />
<strong>Deppe</strong>: Den Spruch werden leider nur die<br />
Münchner Touristen verstehen. Hätten<br />
Sie denn in den vorgestellten Fällen auf<br />
ein Antibiotikum verzichtet?<br />
<strong>Osswald</strong>: Das kann ich nicht beurteilen,<br />
ich habe ja weder selbst behandelt noch<br />
den Verlauf beobachten können. Das<br />
kommt schließlich ganz auf die Klinik<br />
an.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und wie unterscheiden Sie die<br />
Fälle, die ins Näpfchen können, von de-<br />
04_2008 www.dental-barometer.de<br />
nen die ins Kröpfchen müssen?<br />
<strong>Osswald</strong>: Grundsätzlich brauchen nur<br />
Fälle ein Antibiotikum, bei denen man<br />
Exsudat oder Pus aus den Taschen melken<br />
kann. Anlässlich der Erstuntersuchung<br />
streicht man die Tasche unter Fingerdruck<br />
nach koronal aus und schaut, was dabei<br />
aus dem Sulcus kommt. Zu diesem frühen<br />
Zeitpunkt werden bei uns die durch<br />
Funktionsstörungen komplizierten Fälle<br />
zunächst einmal klinisch funktionsanalytisch<br />
untersucht. Die einfacheren werden<br />
als Sofortmaßnahme eingeschliffen.<br />
Bei entsprechender Indikation wird ein<br />
Abdruck <strong>für</strong> die Oberkiefer-Schiene genommen.<br />
Diese wird beim ersten Vorbehandlungstermin<br />
eingegliedert und<br />
direkt im Mund in entspannter Zentrik<br />
adjustiert.<br />
<strong>Deppe</strong>: Kommt Pus oder Exudat, ist das<br />
ja der eindeutige klinische Beleg, dass die<br />
Tasche aktiv ist.<br />
<strong>Osswald</strong>: Wie in den beiden in der ZM<br />
vorgestellten Fällen, zu diesem frühen<br />
Zeitpunkt, eine Keimuntersuchung<br />
durchzuführen, ist weder hilfreich noch<br />
zielführend. Man weiß und sieht schließlich,<br />
dass es sich um eine bakterielle Infektion<br />
handelt.<br />
<strong>Deppe</strong>: Für die anschließende Therapie in<br />
den vorgestellten Fällen hat die Qualität<br />
der nachgewiesenen Keime dann ja auch<br />
überhaupt keine Rolle gespielt.<br />
<strong>Osswald</strong>: Genau so wenig zielführend ist<br />
es, wie in Würzburg, jetzt gleich hoch dosiert<br />
mit Antibiotika loszuklotzen. Ganz<br />
im Gegenteil. Wir wollen doch erst einmal<br />
herausfinden, ob die Patientin überhaupt<br />
ein Antibiotikum braucht. Wenn man<br />
so verfährt wie in Würzburg, bekommt<br />
praktisch jeder Patient ein Antibiotikum,<br />
wenn die Diagnose Parodontitis gestellt<br />
ist.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wenn man so verfährt, beraubt<br />
man sich noch dazu eines entscheidenden<br />
Kriteriums zur Verlaufsbeurteilung.<br />
<strong>Osswald</strong>: Deutlich sinnvoller ist es, wie in<br />
Freiburg zunächst die systematische Vorbehandlung<br />
durchzuführen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wie läuft die bei Ihnen ab?<br />
<strong>Osswald</strong>: Systematisch, <strong>Deppe</strong>, ausgesprochen<br />
systematisch. Davon gehe ich<br />
jetzt einfach mal aus. Ich bin damit ja nicht<br />
befasst. Das machen Assistentinnen, die<br />
das gelernt haben und zuverlässig beherrschen.<br />
Zum Glück gibt es ja von der leichten<br />
Gingivitis bis zur wirklich schwersten,<br />
therapieresistenten Parodontitis alle<br />
Stadien. Es ist in der Praxis also über-<br />
haupt kein Problem, die Assistentinnen<br />
langsam aber sicher an schwere Fälle heranzuführen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Jetzt aber mal systematisch, <strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Nach Aufklärung, Motivation<br />
und supragingivaler Zahnreinigung kürettiert<br />
die Assistentin manuell in zwei bis<br />
vier Sitzungen alles, was ohne Anästhesie<br />
möglich ist. Bei einer geschickten Helferin<br />
geht da eine ganze Menge. In leichten<br />
bis mittelschweren Fällen werden in dieser<br />
Weise jeweils zwei Quadranten einer<br />
Seite behandelt, bei schwereren bis sehr<br />
schweren Fällen jeweils nur ein Quadrant.<br />
Ultraschall wird natürlich auch eingesetzt.<br />
Je nach Menge und Persistenz von<br />
Exudat und Pus, verordnen wir Chlorhexamed<br />
zum Spülen nach jedem Essen. Die<br />
systematische Vorbehandlung umfasst<br />
also mindestens drei bis maximal fünf<br />
Sitzungen. Besonders wichtig ist, dass die<br />
Assistentin genau schaut, ob der jeweilige<br />
Patient zuverlässig umsetzt, was ihm geraten<br />
wurde, insbesondere also, ob er sehr<br />
konsequent seine Interdentalbürstchen<br />
benutzt. Wenn er das nicht tut, fragen wir<br />
ihn, ob er vielleicht im nächsten Jahr wieder<br />
leiden will. Die allermeisten verzichten<br />
gerne darauf. Bei den anderen verzichten<br />
wir.<br />
<strong>Deppe</strong>: Sie brechen die Behandlung ab?<br />
<strong>Osswald</strong>: Es macht keinen Sinn, denjenigen<br />
Patienten unsere Arbeitszeit und unser<br />
gesamtes Know-how zur Verfügung zu<br />
stellen, die ihren <strong>Teil</strong> der Arbeit nicht leisten<br />
wollen, der unabdingbar ist, um ihr<br />
Problem zu lösen, ihre Erkrankung auszuheilen<br />
und den dann gesunden Zustand<br />
anschließend aufrecht zu erhalten. Bei der<br />
Parodontitis muss der Patient schließlich<br />
mindestens 90 % der Arbeit leisten, die<br />
erforderlich ist. Nach der Behandlung<br />
sind es – abgesehen vom Recall – sehr<br />
nahe an 100 %. Wenn ordentlich aufgeklärt<br />
und Tacheles geredet wird, ist aber<br />
nur eine sehr kleine Zahl der Patienten<br />
uneinsichtig. Man kann leider nicht allen<br />
helfen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wie redet man Tacheles?<br />
<strong>Osswald</strong>: Richtig Tacheles redet man nur<br />
in Notwehr, <strong>Deppe</strong>, quasi als ultima-ratio<br />
Reaktion. Ich sehe die Patienten ja während<br />
der Vorbehandlung gar nicht. Die<br />
Damen rufen mich nur, wenn sie nicht<br />
weiterkommen, weil die Patienten uneinsichtig<br />
sind.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und was sagen Sie dann zum Beispiel?
<strong>Osswald</strong>: „Wenn Sie nicht das tun, was<br />
von Ihrer Seite unbedingt erforderlich ist,<br />
werden Sie bald auf der Felge kauen! Jammern<br />
Sie mir also später nicht vor, dass<br />
Zahnersatz genau so teuer ist wie Alufelgen.<br />
Qualita costa soldi!<br />
<strong>Deppe</strong>: Jeder ist seines Unglücks<br />
Schmied!<br />
<strong>Osswald</strong>: Nach der Vorbehandlung<br />
schaue ich mir den Patienten an. Lässt<br />
sich jetzt noch Pus oder Exudat aus der<br />
Tasche melken, kürettiere ich tief und geschlossen<br />
unter Antibiotikaschutz. Wenn<br />
das nicht der Fall ist, was die Regel ist,<br />
und die Schleimhaut zeigt, dass die Vorbehandlung<br />
erfolgreich war, kann man<br />
getrost auf Antibiotika verzichten.<br />
<strong>Deppe</strong>: Kürettieren Sie nur geschlossen?<br />
<strong>Osswald</strong>: Praktisch ja. Offen nur in seltenen<br />
Fällen, wenn ich beispielsweise augmentiere.<br />
Und auch da in aller Regel nur<br />
an Einzelzähnen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Im Freiburger Fall wurde anders<br />
verfahren. Vor der Vorbehandlung wurde<br />
klinisch nur an einem Zahn Pus gemolken.<br />
Nach der Vorbehandlung konnten<br />
deutliche Verbesserungen des parodontalen<br />
Zustandes festgestellt werden. Insbesondere<br />
im Oberkieferfrontzahnbereich<br />
war die Schwellung der Gingiva deutlich<br />
zurückgegangen, was sich zum einen an<br />
der klinischen Situation wie auch im Parodontalbefund<br />
durch Reduktion der Sondierungstiefen<br />
darstellte. Die Parodontalabszesse,<br />
die vorher bestanden hatten,<br />
waren ausgeheilt.<br />
<strong>Osswald</strong>: Ich will das aus den oben genannten<br />
Gründen nicht bewerten, <strong>Deppe</strong>.<br />
Man kann nicht vorsichtig genug<br />
mit Aussagen über Fälle sein, die man<br />
selbst weder untersucht noch behandelt<br />
hat. Ein derart positiver Verlauf nach lediglich<br />
zwei Vorbehandlungsterminen<br />
in einem mittelschweren Fall gibt aber<br />
möglicherweise vielleicht doch eventuell<br />
einen nicht ganz ohne Weiteres zu negierenden<br />
ganz kleinen Hinweis darauf,<br />
dass, bei aller Vorsicht, mit der diese<br />
Aussage getroffen werden muss, vielleicht<br />
nicht alles dagegen gesprochen hätte, es<br />
zunächst einmal ohne Antibiotikagabe zu<br />
versuchen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Warum eiern Sie plötzlich so rum,<br />
<strong>Osswald</strong>. So kenne ich Sie ja gar nicht.<br />
Liegt das vielleicht daran, dass es sich um<br />
zwei junge und ausgesprochen charmante<br />
Kolleginnen handelt, die die Fälle vorstellen?<br />
<strong>Osswald</strong>: Sie könnten leicht meine Töch-<br />
ter sein, <strong>Deppe</strong>. Restcharmemäßig möchte<br />
ich sie schließlich im Sinne von Oralmedizin<br />
gewinnen und fachübergreifend<br />
weiterbilden, anstatt sie in die Opposition<br />
zu schicken. Da herrscht <strong>für</strong> dermaßen<br />
junge Kolleginnen viel zu viel Gedränge.<br />
<strong>Deppe</strong>: Es deutet einiges darauf hin, dass<br />
sowohl in Würzburg als auch in Freiburg<br />
jeder mittelschwere Parodontalfall unabhängig<br />
von der Ausgangssituation, dem<br />
Keimnachweis und dem klinischen Verlauf<br />
grundsätzlich mit dem van Winkelhoff-Cocktail<br />
behandelt wird.<br />
<strong>Osswald</strong>: Wenn das so ein alter Knochen<br />
wie Sie sagt, <strong>Deppe</strong>, will ich dem natürlich<br />
auch nicht widersprechen. Sie bringen<br />
mich aber auch immer in unangenehme<br />
Situationen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Welches Antibiotikum verordnen<br />
Sie denn, wenn nach der Vorbehandlung<br />
noch Pus oder Exudat aus den Taschen<br />
kommt?<br />
<strong>Osswald</strong>: Wenn das passiert, handelt es<br />
sich fast immer um einen schwereren Fall.<br />
Wir verordnen dann Doxycyclin-Kapseln<br />
von Ratiopharm, 100 mg, N2. Die Patienten<br />
nehmen <strong>für</strong> eine Woche 2x1, jeweils<br />
nach dem Frühstück und dem Abendessen,<br />
und anschließend 1x1 immer zur gleichen<br />
Tageszeit <strong>für</strong> drei Wochen. Wir haben<br />
also vier Wochen Zeit, die tiefe, geschlossene<br />
Kurettage unter Antibiotikaschutz<br />
durchzuführen, wobei wir eine Sitzung<br />
pro Woche anstreben. Man gewinnt so<br />
noch einmal Zeit, den Verlauf zu beobachten.<br />
<strong>Deppe</strong>: Warum gerade Doxycyclin?<br />
<strong>Osswald</strong>: Doxycyclin ist ein sehr gut<br />
verträgliches, preiswertes Antibiotikum<br />
mit sehr breitem Wirkungsspektrum auf<br />
grampositive und gramnegative Keime<br />
sowie einige große Viren. Darüber hinaus<br />
wirkt Doxycyclin ausgezeichnet auf A. actinomycetemcomitans<br />
und inhibiert die<br />
Kollagenaseaktivität ...<br />
<strong>Deppe</strong>: … die <strong>für</strong> die entzündlich-reaktive<br />
Knochendestruktion mitverantwortlich<br />
ist und von diesem Keim aktiviert wird.<br />
<strong>Osswald</strong>: Ich habe bisher eigentlich noch<br />
keinen Patienten gesehen, der ein Rezidiv<br />
entwickelt hätte, solange er Doxycyclin<br />
einnahm.<br />
<strong>Deppe</strong>: Dann gibt es also gar keine therapieresistente<br />
Parodontitis, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: So kann man das nicht sagen,<br />
<strong>Deppe</strong>. Der Protzentsatz liegt bei indikationsgerechter<br />
Behandlung sicher aber<br />
deutlich niedriger als der, der in der Literatur<br />
angegeben wird. Es gibt nichtdesto-<br />
KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 10<br />
trotz Fälle, die ausgesprochen progredient<br />
verlaufen und immer wieder Rezidive entwickeln.<br />
Manchmal hat man regelrecht<br />
das Gefühl, dass der Körper die Zähne<br />
loswerden will und abstößt. Davon habe<br />
ich in 20 Jahren aber allenfalls fünf oder<br />
sechs gesehen. Ich denke, dass es sich in<br />
wirklich therapieresistenten Fällen eher<br />
um eine Autoimmunerkrankung handelt,<br />
die sich gegen den eigenen Zahnhalteapparat<br />
richtet.<br />
<strong>Deppe</strong>: Woraus schließen Sie das?<br />
<strong>Osswald</strong>: Zwei dieser Fälle konnte ich anschließend<br />
implantologisch versorgen und<br />
betreue sie jetzt schon sehr viele Jahre. Bei<br />
keinem ist es jemals zu einen Rezidiv im<br />
Sinne einer Periimplantitis gekommen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das ist natürlich lange kein Beweis,<br />
aber in jedem Fall ein interessanter<br />
Hinweis an die Wissenschaft.<br />
<strong>Osswald</strong>: Und dann gibt es noch die<br />
Extremfälle, bei denen man erst alle<br />
Zähne unter geduldiger Desinfektion<br />
wurzelbehandeln muss, ehe man die<br />
Diagnose „therapieresistent“ stellt. Immerhin<br />
ist wissenschaftlich belegt, dass<br />
in den Pulpen von Zähnen mit tiefen,<br />
infizierten Taschen sehr häufig bereits<br />
teilweise heftige entzündliche Reaktionen<br />
ablaufen, auch wenn sie klinisch<br />
bis auf Lockerungsgrade beschwerdefrei<br />
sind. Das Keimspektrum in diesen<br />
Taschen ist ja das gleiche wie im gangränösen<br />
Zahn.<br />
<strong>Deppe</strong>: Verordnen Sie den van Winkelhoff-Cocktail<br />
denn nie?<br />
<strong>Osswald</strong>: Es gibt tatsächlich einige Fälle,<br />
bei denen es trotz optimaler Mitarbeit des<br />
Patienten und regelmäßiger Betreuung<br />
im Recall nach einiger Zeit zu Rezidiven<br />
kommt. Da habe ich das schon auch probiert.<br />
War aber dann auch nicht in jedem<br />
Fall von nachhaltigem Erfolg gekrönt.<br />
Da ich ja weiß, dass der Fall schon einmal<br />
unter Doxycyclin ausgeheilt ist, mache<br />
ich es mit sehr gutem Erfolg anders.<br />
Den van Winkelhoff-Cocktail würde<br />
ich verordnen, wenn Doxycyclin erst gar<br />
nicht anschlagen würde. Aber wie gesagt,<br />
solche Fälle sehe ich nicht. Das heißt aber<br />
keineswegs, dass es sie nicht geben mag.<br />
Sie müssen aber ausgesprochen selten<br />
sein.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und wie gehen Sie in Rezidivfällen<br />
vor?<br />
<strong>Osswald</strong>: Wie die Amerikaner, <strong>Deppe</strong>.<br />
Unter dem Markennamen Periostat gibt<br />
es in den USA ein Medikament, das die<br />
Amerikaner in schweren Fällen als Lang-<br />
61<br />
www.dental-barometer.de 04_2008
62 KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 10<br />
zeitmedikation verordnen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das ist sauteuer, <strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Als Wirkstoff enthält es nichts<br />
anderes als Doxycyclin in einer noch nicht<br />
antibiotisch wirksamen Dosierung von<br />
nur 20 mg. Davon geben die Amerikaner<br />
zwei Tabletten, also 2 x 20 mg pro Tag,<br />
Abb.6: Ausgangsbefund bei einer Bruxerin in 1992 mit vom Vorbehandler<br />
als therapieresistent eingestufter Parodontitis<br />
Abb.8: Vermeintlich therapieresistente Parodontitis bei Zustand nach KFO-<br />
Behandlung bei einem relativ jungen Patienten<br />
Abb.10: Die Kombination von funktioneller Überlastung und bakteriellem<br />
Infekt führt zum „Supergau“ <strong>für</strong> den Zahnhalteapparat.<br />
04_2008 www.dental-barometer.de<br />
über mehrere Monate bis zu einem Jahr.<br />
Ich gebe aber kein Periostat, sondern Doxyderma,<br />
50mg. Die Tabletten kann man<br />
sehr gut teilen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das ist saubillig, <strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Es handelt sich ja auch um einen<br />
ganz alten Hut aus der Dermatologie,<br />
<strong>Deppe</strong>.<br />
<strong>Deppe</strong>: Doxy wie Doxycyclin und Derma<br />
wie Dermatologie. Die Phantasie der<br />
Marketingleute scheint mir in diesem Fall<br />
relativ begrenzt.<br />
<strong>Osswald</strong>: Das ist noch gar nichts. Im<br />
Bayerischen Ärzteblatt wurde über Jahre<br />
Abb.7: Nach indikationsgerechter, die Funktionsstörung einschließender<br />
Therapie sistiert der Knochenabbau auch noch nach 14 Jahren.<br />
Abb.9: Nach fünf Jahren ist es aufgrund der indikationsgerechten Therapie<br />
nicht zu weiterem Knochenabbau gekommen.<br />
Abb.11: Der Zahn 17, der als einziger keinen massiven Knochenabbau<br />
aufweist, steht außerhalb jeglicher Funktion.
ganzseitig <strong>für</strong> ein Mittel geworben, das<br />
Antifönon hieß.<br />
<strong>Deppe</strong>: Kein Witz, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Kein Witz, <strong>Deppe</strong>. Doxyderma<br />
ist doch nicht schlecht. So kann ich mir das<br />
wenigstens merken. Ich bin ja nicht mehr<br />
der Jüngste. Es gibt eine sehr aggressive,<br />
ausgesprochen therapieresistente Form der<br />
Akne, die zu ausgeprägter Narbenbildung<br />
führt. Die wurde schon vor mindestens<br />
30 Jahren mit subantibiotisch dosierter<br />
Doxycyclin-Gabe über einen sehr langen<br />
Zeitraum erfolgreich behandelt.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wie gehen Sie bei einem Rezidiv<br />
genau vor?<br />
<strong>Osswald</strong>: Ich wiederhole die Kur mit<br />
2x100 mg <strong>für</strong> eine Woche und 1x100mg<br />
<strong>für</strong> drei Wochen. Dann gebe ich eine<br />
Tablette Doxyderma täglich <strong>für</strong> vier Wochen,<br />
anschließend eine halbe Tablette<br />
täglich <strong>für</strong> sechs Monate. Die Abbildungen<br />
7 und 8 zeigen einen solchen Fall<br />
bei einem relativ jungen Mann bei Zustand<br />
nach KFO-Behandlung. Zwischen<br />
beiden Aufnahmen liegen mehr als fünf<br />
Jahre.<br />
<strong>Deppe</strong>: Sind die Zähne überhaupt fest?<br />
<strong>Osswald</strong>: Lockerungsgrad 0 bis 1, <strong>Deppe</strong>.<br />
Erstaunlich, oder? Bei diesem Patienten<br />
war es trotz guter Hygienebemühungen ca.<br />
sechs Monate nach Abschluss einer erfolgreichen<br />
Par-Behandlung zu einem Rezidiv<br />
gekommen. Er hat wie oben beschrieben<br />
dann über sechs Monate täglich eine halbe<br />
Tablette Doxyderma genommen. Jetzt<br />
ist er fast zwei Jahre rezidivfrei. Man muss<br />
während der Zeit der Einnahme natürlich<br />
vom Allgemeinarzt regelmäßig die Leberwerte<br />
kontrollieren lassen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Bleiben alle Patienten nach Absetzten<br />
von Doxyderma rezidivfrei?<br />
<strong>Osswald</strong>: Zumindest ein erklecklicher<br />
Prozentsatz über eine sehr lange Zeit, wie<br />
wissenschaftliche Untersuchungen bei<br />
der Anwendung von Periostat belegen.<br />
So viele Fälle, dass ich darüber eine eigene,<br />
verbindliche Aussage machen könnte,<br />
habe ich zum Glück nicht.<br />
<strong>Deppe</strong>: Haben Sie eine Idee, wie man den<br />
Spezialisten <strong>für</strong> Parodontologie nahe bringen<br />
könnte, welche bedeutsame Rolle die<br />
Funktion als Kofaktor in der Parodontologie<br />
spielt?<br />
<strong>Osswald</strong>: Vielleicht mit diesem Supergau<br />
aus Abbildung 9 und 10, die den Röntgenbefund<br />
einer Extrem-Bruxerin mit generalisierter<br />
Parodontitis zeigt? Quasi der<br />
Supergau. Der einzige Zahn, bei dem es<br />
nicht zu einem massiven Knochenabbau<br />
gekommen ist, ist der 17, ...<br />
<strong>Deppe</strong>: …..der der einzige ist, der außerhalb<br />
jeglicher Funktion steht! Das ist ja<br />
ein ziemlich deutlicher Hinweis.<br />
<strong>Osswald</strong>: Es sei denn, man redet sich ein,<br />
es gäbe Bakterien, die isoliert den 17 nicht<br />
befallen, <strong>Deppe</strong>.<br />
Dr. Dr. Rüdiger <strong>Osswald</strong> ist niedergelassener<br />
Vertragszahnarzt in München, Geschäftsführer<br />
des BVAZ und Referent der<br />
Akademie <strong>für</strong> Praxisnahe Zahnheilkunde<br />
(APZ).<br />
ZA Christian <strong>Deppe</strong> lebt in Münster. Er<br />
vertritt hier seine ganz persönliche, eigene<br />
Meinung.<br />
KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 10<br />
Vortragsreihe<br />
»Aus der Praxis – <strong>für</strong> die Praxis«<br />
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Ì Kaiserslautern: 31.05.2008<br />
Ì Bad Wörrishofen: 07.06.2008<br />
Ì Hamburg: 28.06.2008<br />
Ì Berlin: 12.07.2008<br />
Ì Münster: 13.09.2008<br />
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<strong>Teil</strong>nahmegebühr: 249,- E (inkl. MwSt.)<br />
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Ottostraße 22<br />
D-82319 Starnberg<br />
Telefon: +49 (0)8151 78245<br />
Telefax: +49 (0)8151 78244<br />
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Dr. Dr. med. dent. Rüdiger <strong>Osswald</strong><br />
Fritz-Hommel-Weg 4<br />
D-80805 München<br />
Telefon: +49 (0)89 3618030<br />
Telefax: +49 (0)89 36100294<br />
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www.dental-barometer.de 04_2008
52 KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 11<br />
<strong>Deppe</strong>: Das ist nun schon die 11. Folge,<br />
<strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Wenn man der Überschrift<br />
trauen kann, <strong>Deppe</strong>.<br />
<strong>Deppe</strong>: Sehr witzig, <strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Besonders witzig finde ich es<br />
nicht, dass man gegenüber auf den ersten<br />
Blick als wissenschaftlich erscheinenden<br />
Fachartikeln ausgesprochen kritisch sein<br />
und mit allem rechnen muss.<br />
<strong>Deppe</strong>: Kritisch muss man in der Wissenschaft<br />
immer sein. Ich will aber auf<br />
etwas ganz anderes hinaus.<br />
<strong>Osswald</strong>: Ich werde Sie wie immer nicht<br />
zurückhalten können, <strong>Deppe</strong>.<br />
<strong>Deppe</strong>: Zahnheilkunde ist zweifellos ein<br />
ausgesprochen schnuckeliger Fachbereich<br />
innerhalb der medizinischen Fächer, nicht<br />
wahr?<br />
<strong>Osswald</strong>: Sicher keines der großen wie<br />
Chirurgie, Innere, Gynäkologie oder Pädiatrie.<br />
Jedoch mit kleineren Fächern<br />
durchaus vergleichbar. Hinter der Augen-<br />
oder der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde<br />
muss sie sich nicht verstecken, wenn sie<br />
teilgebietsübergreifend und im Sinne von<br />
Oralmedizin ausgeübt wird.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und was machen wir dann, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Machen wir wann, <strong>Deppe</strong>?<br />
<strong>Deppe</strong>: Wenn uns der Stoff ausgeht natürlich.<br />
<strong>Osswald</strong>: Allgemeinzahnärzten, die<br />
das gesamte Spektrum der Zahnheilkunde<br />
überblicken, kann das per Definition<br />
nicht so schnell passieren wie Spezialisten.<br />
Aber falls wir wirklich jemals soweit kommen<br />
sollten, machen wir es einfach wie die<br />
Kollegen Beer und Markovic von der Universität<br />
Witten im Endodontie Journal aus<br />
dem Oemus-Verlag.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wie lösen sie das Problem?<br />
<strong>Osswald</strong>: Sie veröffentlichen ihren Artikel<br />
aus der ersten Ausgabe 2007 einfach<br />
noch einmal im ersten Heft 2008.<br />
<strong>Deppe</strong>: Det glob ick nich, <strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Immerhin wollen allein in<br />
Deutschland zwei endodontologische Spezialzeitschriften<br />
gefüllt werden, obwohl es<br />
05_2008 www.dental-barometer.de<br />
DEPPE<br />
<strong>vs</strong>.<br />
OSSWALD<br />
trotz aller technischen Hochrüstung seit<br />
mehr als 60 Jahren keinerlei Fortschritt<br />
beim endodontischen Behandlungserfolg<br />
gibt. Da kann einem schon mal der Stoff<br />
ausgehen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Sie glauben offensichtlich, mir<br />
alles erzählen zu können!<br />
<strong>Osswald</strong>: Dass es keinerlei Fortschritt<br />
gibt, <strong>Deppe</strong>?<br />
<strong>Deppe</strong>: Dass derselbe Artikel in der gleichen<br />
Zeitschrift innerhalb eines Jahres<br />
zweimal hintereinander abgedruckt wurde<br />
natürlich.<br />
<strong>Osswald</strong>: Nicht nur derselbe Artikel,<br />
sondern auch derselbe Titel auf dem Cover:<br />
„Megatrend Endodontie“. Immerhin<br />
ein anderes Titelbild.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das musste wohl sein. Sonst wäre<br />
das Risiko, dass es die Endodontologen<br />
bemerken, wahrscheinlich doch zu groß<br />
gewesen. Welcher Artikel war es denn?<br />
<strong>Osswald</strong>: „Endodontie im Wandel der<br />
Zeit“. Wir hatten ihn in der 4. Folge gewogen,<br />
wegen Geschichtsklitterung jedoch<br />
als deutlich zu leicht befunden und<br />
verworfen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Jetzt kommt’s mir. Die endodontischen<br />
Lücke…..<br />
<strong>Osswald</strong>: ……………..zwischen Miller<br />
1903 und Schilder 1974.<br />
<strong>Deppe</strong>: Dann sind wir ja heute schnell<br />
fertig. Wir lassen Herrn Ellermann einfach<br />
abschreiben, was wir damals geschrieben<br />
haben.<br />
<strong>Osswald</strong>: Das geht nicht.<br />
<strong>Deppe</strong>: Weil wir immer dasselbe rote Titelblatt<br />
haben?<br />
<strong>Osswald</strong>: Weil die Allgemeinzahnärzte<br />
das sofort merken würden.<br />
<strong>Deppe</strong>: Über was schreiben wir dann?<br />
<strong>Osswald</strong>: Über das auch uns gewidmete<br />
Editorial von Professor Hülsmann in der<br />
Zeitschrift Endodontie 1/2008?<br />
<strong>Deppe</strong>: Er lässt daselbst keinen Zweifel<br />
aufkommen, dass die Änderung der Leitlinie<br />
der DGZMK zum Einsatz von Kofferdam<br />
keine Veränderung der gutachtlichen<br />
Beurteilung bei juristischen Auseinandersetzungen<br />
erwarten lässt.<br />
<strong>Osswald</strong>: Das haben Sie aber charmant<br />
formuliert, <strong>Deppe</strong>. Kollege Hülsmann,<br />
der ja selbst als Gerichtsgutachter tätig<br />
ist, ruft die Gutachter unmissverständlich<br />
auf, das Nichtanlegen von Kofferdam bei<br />
jedem Schritt einer endodontischen Behandlung<br />
vor Gericht als Behandlungsfehler<br />
zu werten.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das ist starker Tobak. Warum<br />
macht er das?<br />
<strong>Osswald</strong>: Fachlich, weil er „state of<br />
the art“ und „Standard“ durcheinander<br />
bringt.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und persönlich?<br />
<strong>Osswald</strong>: Ich würde mich zweifellos<br />
auch ärgern, wenn die DGZMK die von<br />
mir mitformulierten Leitlinien als auf<br />
niedrigstem wissenschaftlichem Niveau<br />
angesiedelt und damit als nicht nur forensisch<br />
bedeutungslos erklären würde.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das ist wirklich bitter, <strong>Osswald</strong>.<br />
Ist das aber Grund genug, uns Allgemeinzahnärzte<br />
zu bedrohen?<br />
<strong>Osswald</strong>: Das fragen sie ausgerechnet<br />
mich, <strong>Deppe</strong>?<br />
<strong>Deppe</strong>: Das Kofferdam-Dogma bei jedem<br />
Schritt einer endodontischen Behandlung<br />
um jeden Preis gegen den Rat<br />
aller uns Zahnärzten freundschaftlich verbundenen<br />
Juristen zu verteidigen, macht<br />
vor dem Hintergrund, dass in einer anderen<br />
Leitlinie geschrieben steht, man solle<br />
einen gangränösen und abszedierenden<br />
Zahn <strong>für</strong> höchstens 24 Stunden offen lassen,<br />
überhaupt keinen Sinn mehr.<br />
<strong>Osswald</strong>: Aber keine Minute länger,<br />
<strong>Deppe</strong>! Hoffentlich passiert mir das nicht<br />
ausgerechnet an einem Samstag.<br />
<strong>Deppe</strong>: Hätten Sie das genau so formuliert?<br />
<strong>Osswald</strong>: Ich hätte „bedingt offen“ geschrieben,<br />
also mit einem potenten Desinfektionsmittel<br />
getränkten Wattepellet ausreichend<br />
verschlossen. Vollständig offen<br />
gelassen habe ich einen Zahn noch nie.<br />
<strong>Deppe</strong>: Dann kommt es zum Glück<br />
auch nicht mehr auf jede Minute an.<br />
Da kommt so schnell kein Keim aus der<br />
Mundhöhle vorbei. Und das Eindringen
von Speiseresten in die Kanäle wird auch<br />
noch zuverlässig verhindert.<br />
<strong>Osswald</strong>: Vielleicht kann ja Kollege<br />
Hülsmann seinen Behandlungsstuhl <strong>für</strong><br />
nur einen Patienten <strong>für</strong> 24 Stunden frei<br />
halten, damit der Kofferdam dran bleiben<br />
kann. Das kann sich der gemeine Allgemeinzahnarzt<br />
leider nicht leisten.<br />
<strong>Deppe</strong>: Der hat leider kein Grundgehalt.<br />
<strong>Osswald</strong>: Mit der Behandlung nur eines<br />
Patienten innerhalb von 24 Stunden können<br />
wir einfach nicht überleben.<br />
<strong>Deppe</strong>: Haben Sie es denn wenigstens<br />
versucht, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Zu überleben, <strong>Deppe</strong>?<br />
<strong>Deppe</strong>: Das haben Sie ja offensichtlich<br />
bisher leidlich geschafft. Nein, den Kofferdam<br />
über 24 Stunden angelegt zu lassen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Logisch, <strong>Deppe</strong>. Ich konnte<br />
jedoch bisher leider keinen Patienten dazu<br />
überreden, meine Praxis mit angelegtem<br />
Kofferdam zu verlassen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wenn Kollege Hülsmann sein<br />
Kofferdam-Dogma unbedingt gerichtswirksam<br />
aufrecht erhalten will, muss er<br />
die DGZMK dazu bringen, die medizinisch<br />
korrekte Behandlung des dentogenen<br />
Abszesses schlicht und einfach zu<br />
verbieten.<br />
<strong>Osswald</strong>: Und er muss es dringlichst<br />
auf alle implantologisch tätigen Zahnärzte<br />
ausweiten. Immerhin arbeiten die<br />
im Gegensatz zu den Endodontologen am<br />
offenen Knochen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Ich <strong>für</strong>chte, dass ihm die Chirurgen<br />
da aber ganz schnell heimleuchten<br />
werden, <strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Oder es findet sich jemand,<br />
der, um zu zeigen, dass er ein noch viel tollerer<br />
Hecht ist als alle anderen, zunächst<br />
zwei Hilfsimplantate setzt, um das definitive<br />
Implantat unter Kofferdam inserieren<br />
zu können ...<br />
<strong>Deppe</strong>: ... womit sich auch endlich völlig<br />
neue Perspektiven <strong>für</strong> die voraussagbar er-<br />
folgreiche WSR eröffnen würden.<br />
<strong>Osswald</strong>: Soweit hergeholt ist das gar<br />
nicht. Immerhin geht die Entwicklung in<br />
den USA inzwischen zurück in Richtung<br />
Allgemeinzahnheilkunde. Die Folge ist,<br />
dass die Endodontologen eifrig bemüht<br />
sind, ihr überschaubares Behandlungsspektrum<br />
wenigstens in Richtung Implantologie<br />
auszuweiten.<br />
<strong>Deppe</strong>: Vielleicht ginge es ja auch mit<br />
Kleben, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Der Implantate?<br />
<strong>Deppe</strong>: Des Kofferdams natürlich. Einige<br />
Kollegen glauben inzwischen, zu kleben<br />
sei ein Allheilmittel, ohne dass <strong>für</strong> die<br />
Überlegenheit Langzeituntersuchungen<br />
vorliegen. Wissenschaftliche Studien zeigen<br />
allerdings, dass geklebte Stifte im Wesentlichen<br />
auch nur durch mechanische<br />
Retention halten. Noch dazu scheinen die<br />
Klebekräfte im Laufe der Jahre mächtig<br />
nachzulassen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Kollege Stoll aus Marburg<br />
empfiehlt inzwischen, die Wurzelkanäle<br />
mit klebrigem Kunststoff abzufüllen. In<br />
der Folge freue ich mich, mit dem Kollegen<br />
Hülsmann endlich völlig einer Meinung<br />
zu sein. Er berichtet nämlich, dass<br />
die Klebe-Euphorie aufgrund der schlechten<br />
Ergebnisse wissenschaftlicher Studien,<br />
die natürlich erst nach der Markteinführung<br />
durchgeführt wurden, erhebliche<br />
Dämpfer erhalten hat.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und schon wieder ist ein offener<br />
Feldversuch in die Hose gegangen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Gut, dass die Patienten davon<br />
nichts erfahren.<br />
<strong>Deppe</strong>: Hoffentlich hat Kollege Stoll wenigstens<br />
den Ca(OH)2-Trip verlassen und<br />
heilt den <strong>für</strong> die Endodontitis verantwortlichen<br />
bakteriellen Infekt vor dem Abfüllen<br />
konsequent aus.<br />
<strong>Osswald</strong>: Womit denn das plötzlich,<br />
<strong>Deppe</strong>?<br />
<strong>Deppe</strong>: Russisch-Rot? Iontophorese?<br />
Riebler-Paste? Was anderes darf er ja we-<br />
TEIL 11 | KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD<br />
gen der endodontologischen Lücke nicht<br />
kennen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Und Formaldhyd und die Iontophorese<br />
darf er wegen der Leitlinien<br />
nicht verwenden. Dann wird es wohl Essig<br />
mit der Revision der so behandelten<br />
und nicht ausgeheilten Zähne.<br />
<strong>Deppe</strong>: Exazerbierende Wurzelfüllungen<br />
der Spezialisten zu revidieren ist jetzt<br />
schon Strafe genug, und …<br />
<strong>Osswald</strong>: ... wenn der dentinadhäsive<br />
Verbund gelingt, wird eine Revision nachgerade<br />
unmöglich gemacht. Mit all den<br />
Nachteilen <strong>für</strong> den Patienten.<br />
<strong>Deppe</strong>: Na ja, vor der Hand klebt es sich<br />
ja in der Realität zum Glück noch nicht<br />
so, wie es die werbende Wissenschaft verspricht.<br />
<strong>Osswald</strong>: Professor Hülsmann schreibt<br />
in seinem Lehrbuch, dass man Zähne, bei<br />
denen man trotz chirurgischer Kronenverlängerung<br />
keinen Kofferdam anlegen<br />
kann, extrahieren muss.<br />
<strong>Deppe</strong>: Ob er seine Patienten wohl fragt,<br />
ob sie lieber seinen Kofferdam anlegen<br />
oder ihre Zähne behalten wollen?<br />
<strong>Osswald</strong>: Vorher konnten wir dusseligen<br />
Hauszahnärzte mit eingeschränktem Behandlungsspektrum<br />
uns im Fall der Fälle<br />
den Patienten gegenüber ja damit herausreden,<br />
dass wir es einfach nicht besser<br />
wussten, wenn wir ihre Zähne erhalten<br />
haben. Aber nachdem wir sein Lehrbuch<br />
gelesen haben, lassen wir uns jetzt unterschreiben,<br />
dass sie sich <strong>für</strong> den Zahn und<br />
gegen Kofferdam entschieden haben.<br />
<strong>Deppe</strong>: Keine Witze, <strong>Osswald</strong>!<br />
<strong>Osswald</strong>: Man weiß ja nie, wem man<br />
begegnet, wenn es doch einmal zu einem<br />
Prozess kommen sollte.<br />
<strong>Deppe</strong>: Keine Polemik, <strong>Osswald</strong>!<br />
<strong>Osswald</strong>: Bisher hat sich in diesen Fällen<br />
allerdings noch niemand <strong>für</strong> den Kofferdam<br />
entschieden. Auch der Patient der<br />
Abbildungen 1 bis 3 nicht.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das wäre doch mal ein cooles<br />
Abb.1: Zustand nach Kronen- und Stiftfraktur Abb.2: Klinische Situation Abb.3: Verlaufskontrolle nach WF und Neuversorgung<br />
53<br />
www.dental-barometer.de 05_2008
54 KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 11<br />
Thema: „Kofferdam statt Zahnerhalt“.<br />
Inauguraldissertation zur Erlangung der<br />
Doktorwürde an ...<br />
<strong>Osswald</strong>: ... diese unselige Kofferdam-<br />
Debatte ist doch in Wahrheit nur ein Nebenkriegsschauplatz<br />
...<br />
<strong>Deppe</strong>: ... auf den sich die Endodontologen<br />
flüchten, weil sie auf die wesentlichen<br />
Fragen der Endodontie keine Antwort geben<br />
können.<br />
<strong>Osswald</strong>: Warum hat die Behandlung<br />
der bakteriellen Endodontitis trotz technischer<br />
Hochrüstung in den letzten 60<br />
Jahren im Gegensatz zur Behandlung<br />
anderer Infektionskrankheiten keinerlei<br />
Fortschritt gemacht?<br />
<strong>Deppe</strong>: Was muss an dem nicht nur in<br />
Deutschland als Goldstandard gelehrten<br />
Behandlungsprotokoll dringlich verändert<br />
werden, um diesen Erfolg endlich<br />
herbeizuführen?<br />
<strong>Osswald</strong>: Warum empfehlen sie in Ihrem<br />
Lehrbuch nonchalant das literweise<br />
Spülen mit, wegen seines erheblichen<br />
Nebenwirkungspotentials ge<strong>für</strong>chtetem,<br />
hochkonzentriertem Natrium-Hypochlorid<br />
...<br />
<strong>Deppe</strong>: … und verschweigen, dass die<br />
Anwendung in Deutschland mit einer<br />
Kontraindikation bei offenem Foramen<br />
apicale belegt ist ...<br />
Abb.4: Ausgangsbefund mit klinisch druckdolenter,<br />
vestibulärer Knochenauftreibung und<br />
Austritt von Pus aus der Bifurkation<br />
Abb.6: Unmittelbar nach Langzeiteinlage von<br />
Jodoformpaste nach Walkhoff im Oktober 2007<br />
05_2008 www.dental-barometer.de<br />
<strong>Osswald</strong>: ... und es keinen wissenschaftlichen<br />
Beleg da<strong>für</strong> gibt, dass die Erfolgsquote<br />
gegenüber der Anwendung einer<br />
einprozentigen Lösung höher ist?<br />
<strong>Deppe</strong>: Wann ist denn das Foramen apikale<br />
offen bzw. geschlossen?<br />
<strong>Osswald</strong>: Wie entscheiden Sie das klinisch?<br />
<strong>Deppe</strong>: Kann man das vielleicht durch<br />
das Operationsmikroskop erkennen?<br />
<strong>Osswald</strong>: Fragen über Fragen, <strong>Deppe</strong>.<br />
Schauen wir lieber auf die Bilder 4 bis 8.<br />
Ein aktueller Fall unseres Ausbildungsassistenten.<br />
Er hat hier genau so behandelt,<br />
wie Walkhoff es vor 100 Jahren gemacht<br />
hätte.<br />
<strong>Deppe</strong>: Interessant! Es stimmt also wirklich,<br />
dass die Jodoformpaste, die Walkhoff<br />
erfunden und als Sealer verwendet hat,<br />
im Kanal so lange resorbiert wird, bis der<br />
bakterielle Infekt vollständig ausgeheilt<br />
ist?<br />
<strong>Osswald</strong>: Das hat Engel ja bereits zur<br />
Mitte des letzten Jahrhunderts in ausgesprochen<br />
beeindruckender Weise histologisch<br />
an Wurzelspitzenresektaten belegt.<br />
Noch dazu wird es durch körpereigenes,<br />
steriles Gewebe ersetzt. Leider ist aber<br />
auch Engel in die endodontische Lücke<br />
gefallen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Na, wenn sogar Walkhoff über-<br />
Abb.5: Messaufnahme anlässlich der Revision im<br />
August 2007<br />
Abb.7: Im Februar 2008 ist die Jodoformpaste<br />
deutlich resorbiert und der Ausheilungsprozess<br />
weiter vorangeschritten.<br />
gangen wird! So kann man das heute aber<br />
nur noch bei Privatpatienten machen,<br />
<strong>Osswald</strong>. Das ergibt, genau wie bei der<br />
Knappwost-Methode, keine richtlinienkonforme<br />
Wurzelfüllung.<br />
<strong>Osswald</strong>: Deshalb haben wir das Protokoll<br />
ja auch verändert und verbessert,<br />
<strong>Deppe</strong>.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das Abfüllen muss Ihr Assi<br />
nichtdestotrotz noch ein wenig üben.<br />
<strong>Osswald</strong>: Oder aber das Foramen und<br />
die unteren Abschnitte des distalen Kanals<br />
sind inzwischen durch neugebildeten<br />
Wurzelzement verschlossen. Das wurde<br />
von Engel ja auch in nicht wenigen Fällen<br />
histologisch belegt. Er sagt, er sei da einfach<br />
nicht mehr weiter runter gekommen.<br />
Um das nachzuprüfen, werden wir im Gegensatz<br />
zu Engel die distale Wurzel aber<br />
auf keinen Fall resezieren.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wie dem auch sei. Man muss es<br />
wegen der Richtlinien heute sowieso anders<br />
...<br />
<strong>Osswald</strong>: ... die Ausheilung der apikalen<br />
Ostitis betreffend mindestens aber genau<br />
so gut, wegen der technisch verbesserten<br />
Möglichkeiten zur Aufbereitung eigentlich<br />
aber sehr deutlich besser machen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das scheint ja bei konsequenter<br />
Anwendung Ihres Protokolls auch kein<br />
wesentliches Problem darzustellen. Ein<br />
wirklich lehrreicher Fall, <strong>Osswald</strong>!<br />
<strong>Osswald</strong>: Das ist noch gar nichts, <strong>Deppe</strong>.<br />
Die Altvorderen hatten noch ganz andere<br />
Sachen drauf.<br />
<strong>Deppe</strong>: Mussten sie ja auch, weil sie<br />
aufgrund ihres starren Instrumentariums<br />
bei der Aufbereitung insbesondere gekrümmter<br />
Kanäle massiv behindert waren.<br />
<strong>Osswald</strong>: Schauen Sie einmal auf die<br />
Abbildung 9.<br />
<strong>Deppe</strong>: Ausgesprochen insuffiziente<br />
Wurzelfüllung.<br />
Abb.8: Unmittelbar nach WF vor der prothetischen<br />
Neuversorgung im April 2008. Die<br />
röntgenologisch knochendichte Ausheilung ist<br />
praktisch abgeschlossen.
<strong>Osswald</strong>: Und keine Chance, bei der<br />
Revision bis zum Apex zu kommen. Und<br />
das ausgerechnet bei einem fetten vestibulären<br />
Abszess. Auf einen solchen Fall hatte<br />
ich schon lange gewartet.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und der Vierer ist auch noch<br />
beherdet. Was hätte Walkhoff in einem<br />
solchen Fall gemacht?<br />
<strong>Osswald</strong>: Eine therapeutische via falsa<br />
natürlich, um Zugang zur Aufhellung zu<br />
schaffen, um dort desinfizieren zu können.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und was haben Sie gemacht?<br />
<strong>Osswald</strong>: Schauen Sie sich Abbildung 10<br />
an, <strong>Deppe</strong>.<br />
<strong>Deppe</strong>: Potzblitz, <strong>Osswald</strong>! Eine via falsa!<br />
Und das mit voller Absicht. Man sieht<br />
sehr deutlich, dass Sie nicht genau am<br />
Apex herausgekommen sind.<br />
<strong>Osswald</strong>: Die Anwendung von NaOCl<br />
ist hier natürlich absolut kontraindiziert.<br />
<strong>Deppe</strong>: Insbesondere so nahe am Foramen<br />
mentale. Da hatten Sie aber Glück,<br />
dass die Aufhellung in Achsrichtung lag.<br />
<strong>Osswald</strong>: Sonst hätte ich es auch nicht<br />
gemacht. Deshalb musste ich ja so lange<br />
warten.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und ganz ohne MTA!<br />
<strong>Osswald</strong>: In der erdrückenden Mehrzahl<br />
der Fälle ist es zum Glück nicht so<br />
schwierig, bis zum Apex durchzukom-<br />
Abb.9: Exazerbation einer alten, insuffizienten<br />
WF als vestibulärer Abszess im April 2005<br />
Abb.11: Verlaufskontrolle nach medikamentöser<br />
Einlage von Ca(OH)2 im Juni 2005<br />
men. Schauen Sie einmal auf die Abbildungen<br />
11 und 12.<br />
<strong>Deppe</strong>: Dass das vollständig ausheilt, ist<br />
aber schon ein sehr starker Hinweis, dass<br />
die Desinfektion des Granuloms erforderlich<br />
ist, wenn man den Körper in seinem<br />
Bestreben nach Selbstheilung unterstützen<br />
will.<br />
<strong>Osswald</strong>: Das ist schließlich das ureigene<br />
Ziel jeder ärztlichen Intervention,<br />
<strong>Deppe</strong>.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und dieses ganze Wissen wäre<br />
beinahe ...<br />
<strong>Osswald</strong>: ... in der endodontischen Lücke<br />
verschwunden.<br />
<strong>Deppe</strong>: Die Verherrlichung der Mechanik<br />
...<br />
<strong>Osswald</strong>: … führt uns direkt zu dem<br />
Artikel der Spezialisten <strong>für</strong> Endodontie,<br />
Dennhardt, Glockmann und Sigusch.<br />
„Die nichtchirurgische Revision – Entscheidung,<br />
Therapie und Prognose“ erschienen<br />
in der Januarausgabe des „ZWR<br />
Das deutsche Zahnärzteblatt“ aus dem<br />
Thieme Verlag.<br />
<strong>Deppe</strong>: Was die drei da zusammenschreiben,<br />
ist mit dem Bemühen um wissenschaftliche<br />
Wahrheitsfindung selbst mit<br />
ausgesprochen gutem Willen nur noch<br />
ausgesprochen schwierig zu vereinbaren,<br />
um es einmal ganz vorsichtig auszudrü-<br />
Abb.10: Forcierte Aufbereitung zur Schaffung<br />
eines Zugangs zur apikalen Aufhellung<br />
Abb.12: Unmittelbar nach WF an 45 im September<br />
2005<br />
TEIL 11 | KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD<br />
cken.<br />
<strong>Osswald</strong>: Und das ausgerechnet bei<br />
einem derart renommierten medizinischen<br />
Fachverlag wie Thieme. Die haben offensichtlich<br />
keinen Redakteur, da<strong>für</strong> aber<br />
erhebliche Mühe, ihre Zeitschrift voll zu<br />
bekommen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Immerhin scheuen sie sich noch,<br />
dieselben Artikel mehrmals zu drucken.<br />
<strong>Osswald</strong>: Da haben Sie Recht, <strong>Deppe</strong>.<br />
Man muss auch einmal das Positive sehen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Fortbildungspunkte <strong>für</strong> richtig<br />
beantwortete Fragen zu fachlich falschen<br />
Informationen kann man auch noch gewinnen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Nicht so laut, <strong>Deppe</strong>. Wenn<br />
Ulla das liest, müssen wir alle nachsitzen!<br />
<strong>Deppe</strong>: Ganz offensichtlich findet das<br />
Bemühen, in Deutschland ein höchstpreisiges<br />
Spezialistentum nach US-amerikanischem<br />
Vorbild einzuführen, ausgesprochen<br />
breite Unterstützung.<br />
<strong>Osswald</strong>: Wie die drei mit Zahlen umgehen,<br />
haut dem Eingeweihten nun wirklich<br />
den Kitt aus der Brille.<br />
<strong>Deppe</strong>: Ein Beispiel, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Sie schreiben, dass in der Literatur<br />
beim Vorliegen apikaler Ostitiden<br />
Ausheilungsquoten zwischen 63 % (Weiger<br />
et al.) und 93 % angegeben werden.<br />
Für letztere Zahl geben sie jedoch keine<br />
Literaturangabe.<br />
<strong>Deppe</strong>: Können sie ja auch gar nicht.<br />
Schließlich weiß jeder, der sich mit dem<br />
Thema ein wenig befasst hat, dass die Erfolgsquote<br />
in evidenzbasierten Studien lediglich<br />
um 70 % liegt.<br />
<strong>Osswald</strong>: Noch dazu erwecken sie durch<br />
eine geschickte Verknüpfung gleich im<br />
Anschluss den Eindruck, dass die Allgemeinzahnärzte<br />
Erfolgsquoten von 63 %,<br />
die Spezialisten jedoch eine von 93 % haben.<br />
Abb.13: Verlaufskontrolle nach prothetischer<br />
Neuversorgung im April 2008<br />
55<br />
www.dental-barometer.de 05_2008
56 KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 11<br />
<strong>Deppe</strong>: Gibt es andere Beispiele?<br />
<strong>Osswald</strong>: Jede Menge. So wird eine<br />
Studie von Sjögren zitiert, in der bei Vorliegen<br />
einer apikalen Ostititis nach fünf<br />
Jahren eine Ausheilungsquote von 92<br />
% belegt sein soll. Richtig ist, dass diese<br />
Quote nur bei gut der Hälfte der Zähne<br />
erzielt werden konnte. Und zwar nur bei<br />
den wenigen Zähnen, bei denen nach der<br />
Aufbereitung und Desinfektion in der<br />
Kultur Keimfreiheit in den Hauptkanälen<br />
nachgewiesen werden konnte. Wurde nur<br />
Keimarmut erreicht, heilten nur 68 % der<br />
Ostitiden aus. Insgesamt wurden aber nur<br />
55 Zähne untersucht.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das reicht wohl kaum <strong>für</strong> eine<br />
valide Aussage.<br />
<strong>Osswald</strong>: Dann schreiben sie, dass Byström<br />
und Sjögren über hohe Erfolgsraten<br />
durch Reduktion der Bakterienzahl auf<br />
ein nicht mehr nachweisbares Niveau berichten.<br />
<strong>Deppe</strong>: Kommt immer darauf an, was<br />
man bei der Behandlung einer einfachen<br />
bakteriellen Infektionskrankheit als hohes<br />
Niveau bezeichnet. Sie übersehen, dass<br />
hier nur über den kulturellen Nachweis<br />
von Bakterien in den mechanisch ausgezeichnet<br />
zugänglichen Hauptkanälen gesprochen<br />
wird.<br />
<strong>Osswald</strong>: Diejenigen, die es ernsthaft,<br />
also histologisch untersuchen, finden wie<br />
Nair et al. nach der endodontischen Behandlung<br />
von Zähnen mit apikaler Ostitis<br />
in mehr als 90 % der Fälle überlebende<br />
Bakterien nicht nur in den Nebenkanälchen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Auffällig ist, dass die Autoren als<br />
Begründung <strong>für</strong> einen Erfolg immer wieder<br />
die überlegene technische Ausrüstung<br />
der Spezialisten und dabei insbesondere<br />
das Operationsmikroskop hervorheben.<br />
<strong>Osswald</strong>: Anpreisen trifft es wohl besser,<br />
<strong>Deppe</strong>. Dabei gibt es keine einzige Studie,<br />
die eine Verbesserung durch die Anwendung<br />
welchen modernen technischen Ge-<br />
Abb.14: Unmittelbar vor Revision<br />
im August 2000<br />
05_2008 www.dental-barometer.de<br />
Abb.15: Verlaufskontrolle im<br />
April 2008<br />
rätes auch immer belegen würde.<br />
<strong>Deppe</strong>: Da wundert es mich nicht, dass<br />
zu diesen Behauptungen jeglicher Literaturverweis<br />
fehlt.<br />
<strong>Osswald</strong>: Weil sie deshalb ohne Netz<br />
und doppelten Boden herumeiern müssen,<br />
erfinden sie Sätze wie diesen, um über<br />
die fehlenden wissenschaftlichen Belege<br />
hinwegzutäuschen: „Die Prognose, die<br />
sich aus der Diagnose ergibt, hängt primär<br />
von der Erfahrung des Therapeuten und<br />
seinen technischen Möglichkeiten ab, weit<br />
weniger von der gestellten Diagnose.“<br />
<strong>Deppe</strong>: „Da haben Sie aber wirklich<br />
Glück, Frau Meier, dass Sie diese schwere<br />
Lungenentzündung entwickelt haben.<br />
Wenn ihr ordinärer Husten gleich indikationsgerecht<br />
ausgeheilt worden wäre,<br />
hätten Sie nie die Chance bekommen, von<br />
einem solch tollen Spezialisten wie mir behandelt<br />
zu werden!“<br />
<strong>Osswald</strong>: Das ist die Subjektivierung<br />
der Heilkunst, <strong>Deppe</strong>. Schlecht ist auch<br />
dieser nicht: „Ebenfalls muss die Erhaltungswürdigkeit<br />
nach erfolgreicher Therapie<br />
kritisch hinterfragt werden.“<br />
<strong>Deppe</strong>: Häh??!! Der gemeine Allgemeinzahnarzt<br />
würde eine erfolgreiche Therapie<br />
ohne kritische Hinterfragung der Erhaltungswürdigkeit<br />
des Zahnes erst gar nicht<br />
anstreben. Das ist wirklich nicht zu toppen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Da muss ich Sie leider eines<br />
Besseren belehren: „Es konnte gezeigt<br />
werden, dass nach sieben Jahren vermehrt<br />
Remissionen bereits geheilter apikaler Parodontitiden<br />
auftreten“.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wie bitte? Nur echte Spezialisten<br />
können offensichtlich so toll behandeln,<br />
dass ausgeheilte Erkrankungen nach sieben<br />
Jahren spontan ein zweites Mal ausheilen.<br />
<strong>Osswald</strong>: PDHD, <strong>Deppe</strong>.<br />
<strong>Deppe</strong>: Häh??!!<br />
<strong>Osswald</strong>: Posttreatment Diseaseless<br />
Healed Disease!<br />
Abb.16: Exazerbation einer Spezialisten-<br />
WF im Juni 2002<br />
<strong>Deppe</strong>: Warum zeigen die Kollegen<br />
stattdessen nicht lieber ausgeheilte Fälle?<br />
<strong>Osswald</strong>: Das fragen Sie ausgerechnet<br />
mich? Stattdessen zeigen sie eine Bilderserie,<br />
die belegen soll, dass bei einem durch<br />
WSR chirurgisch behandelten Zahn der<br />
apikale bakterielle Infekt nicht ausheilt,<br />
weil er wegen eines Stiftes vorher nicht<br />
konservierend revidiert werden konnte.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das erste Bild zeigt den Zustand<br />
nach WSR im Jahre 1993 mit röntgenologischer<br />
Aufhellung. Das zweite aus dem<br />
Jahre 1996 zeigt den Zustand nach weitgehender<br />
knochendichter Ausheilung, das<br />
dritte die vollständig längsfrakturierte<br />
Wurzel in 1997, die jetzt wieder eine sehr<br />
deutliche Aufhellung aufweist.<br />
<strong>Osswald</strong>: Vielleicht haben ja die belassenen<br />
Bakterien die Wurzel gespalten?<br />
<strong>Deppe</strong>: Oder die Autoren glauben, wir<br />
Hauszahnärzte mit eingeschränktem Behandlungsspektrum<br />
seien einfach zu dusselig,<br />
eine frakturierte Wurzel im Röntgenbild<br />
zu erkennen, <strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Gut, dass wir nie im Leben<br />
auf die Idee kämen, Vergleichbares ausgerechnet<br />
bei den Spezialisten zu vermuten,<br />
<strong>Deppe</strong>.<br />
<strong>Deppe</strong>: Deshalb ziehen wir es vor, das<br />
einfach als unbewusste Verdrängung der<br />
Realität zu interpretieren.<br />
<strong>Osswald</strong>: Das passiert ja nicht nur in<br />
endodontologischen, sondern auch in anderen<br />
verschworenen Zirkeln, die ihren<br />
Tunnelblick kultivieren.<br />
<strong>Deppe</strong>: Jetzt haben sie endlich einmal<br />
ein veritables koronales Leck…<br />
<strong>Osswald</strong>: … und bemerken es vor<br />
Schreck gleich gar nicht.<br />
<strong>Deppe</strong>: Meiomei. Dagegen, den Endodontologen<br />
bewusste Verbreitung von<br />
Falschaussagen zum Nachteil von Patienten<br />
und Kollegen zu unterstellen,<br />
sträubt sich in mir immer noch alles, was<br />
sich nur sträuben kann.<br />
<strong>Osswald</strong>: Das ist auch nicht der Zweck,<br />
Abb.17: Verlaufskontrolle nach<br />
Revision im März 2003
<strong>Deppe</strong>. Solche Artikel dienen alleine dazu,<br />
die Mechanik, das eigene technische Gerät<br />
und sich selbst zu überhöhen ...<br />
<strong>Deppe</strong>: … um den Allgemeinzahnärzten<br />
damit Angst vor der Endodontie einzujagen,<br />
….<br />
<strong>Osswald</strong>: … und sie zur Überweisung<br />
ihrer solventen Patienten zu animieren.<br />
<strong>Deppe</strong>: An der Behandlung des gemeinen<br />
AOK-Patienten können sie schließlich<br />
nicht interessiert sein.<br />
<strong>Osswald</strong>: Natürlich sind Revisionen<br />
nicht immer einfach. Nichtdestotrotz<br />
handelt es sich bei der Endodontie um<br />
eine Basisleistung der Zahnerhaltung. Das<br />
sollte im Regelfall jeder können. Das hat<br />
schließlich allein etwas mit der Mechanik<br />
zu tun, die man beherrschen muss.<br />
<strong>Deppe</strong>: Ein kluger Kollege hat einmal<br />
gesagt „Die Revision ist um so einfacher<br />
und geht um so schneller, je schlechter die<br />
Wurzelfüllung ist.“<br />
<strong>Osswald</strong>: Diese ewige Angstmacherei<br />
vor der Behandlung der Endodontitis geht<br />
mir allmählich ziemlich auf den Senkel,<br />
<strong>Deppe</strong>. Endodontie muss so einfach und<br />
erfolgssicher sein wie die Extraktion, dann<br />
wird sie gerne und mit Freude gemacht –<br />
und das Honorar muss stimmen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Man kann ja fast keine Fachzeitschrift<br />
aufmachen, ohne auf einen Artikel<br />
zu stoßen, der den Allgemeinzahnärzten<br />
die Endodontie vergrault.<br />
<strong>Osswald</strong>: Sie übersehen die Implantologie-Journale.<br />
<strong>Deppe</strong>: Kein Zynismus, <strong>Osswald</strong>! Ich<br />
wette, es wird sogar in der ZM bald losgehen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Warum um Himmels Willen<br />
wird immer so getan, als wären die Basisbehandlungen<br />
in der Zahnheilkunde<br />
nachgerade unerlernbar schwierig und erforderten<br />
den Spezialisten?<br />
<strong>Deppe</strong>: Weil diejenigen das so empfinden,<br />
die diese Artikel schreiben?<br />
<strong>Osswald</strong>: Was könnte unser Leben und<br />
Abb.18: Messaufnahme anlässlich der Revision<br />
im Januar 2008<br />
unsere Arbeit doch einfach sein, <strong>Deppe</strong>,<br />
wenn wir nicht Zahnärzte, sondern einfache<br />
Herzchirurgen geworden wären!<br />
<strong>Deppe</strong>: Die Kollegen wegen einer banalen<br />
Revision auf den Horror zu bringen,<br />
macht nun wirklich keinen Sinn.<br />
<strong>Osswald</strong>: Wie zum Beispiel bei diesem<br />
Fall aus der Abbildung 14 und 15. Das ist<br />
der Normalfall. Wenn man die alte Wurzelfüllung<br />
komplett raus bekommt, was<br />
nicht schwierig ist, und die Aufhellung erreicht,<br />
ist die Ausheilung mit einem indikationsgerechten<br />
Protokoll in aller Regel<br />
überhaupt kein Problem mehr.<br />
<strong>Deppe</strong>: Besonders schwierig sind Revisionen<br />
ohne Zweifel, wenn die Kanäle von<br />
Spezialisten abgefüllt wurden, die versucht<br />
haben, die überlebenden Keime wie<br />
in einem Mausoleum einzuschließen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Das kann man wohl laut sagen.<br />
Schauen Sie sich einmal die Abbildung<br />
16 an.<br />
<strong>Deppe</strong>: What an amazing shape, <strong>Osswald</strong>!<br />
Doch was nützt das alles, wenn der<br />
apikale Infekt vor dem Abfüllen nicht ausgeheilt<br />
wurde?<br />
<strong>Osswald</strong>: Maximale Kondensation von<br />
Guttapercha. Dazu noch ein knallharter<br />
Sealer. Da fummelt man dann schon deutlich<br />
mehr als eine Stunde. Aber schauen Sie<br />
auf Abbildung 17. Das Ergebnis ist trotz<br />
via falsa und belassenem frakturiertem Instrument<br />
durchaus befriedigend.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wir müssen die Endodontologen<br />
vielleicht noch einmal daran erinnern,<br />
dass zu einer im medizinischen und nicht<br />
nur im mechanischen Sinne lege-artis<br />
Wurzelfüllung ihre leichte Entfernbarkeit<br />
gehört. Dieses Postulat gilt ja eigentlich<br />
noch immer.<br />
<strong>Osswald</strong>: Und das seit 100 Jahren. Das<br />
hat schon Miller gesagt. Und der hat, um<br />
noch einmal auf das doppelte Lottchen<br />
vom Kollegen Beer zurückzukommen,<br />
immerhin schon vor der endodontischen<br />
Lücke gelebt.<br />
TEIL 11 | KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD<br />
<strong>Deppe</strong>: Dann müssten es ja sogar die Spezialisten<br />
wissen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Und jetzt schauen Sie einmal<br />
auf die Wurzelkanalfüllung im Bild 18.<br />
<strong>Deppe</strong>: Astreine WF, die gerade konservierend<br />
revidiert wird.<br />
<strong>Osswald</strong>: Aufbereitet und abgefüllt<br />
wurde der Zahn vor 2002. Man kann nun<br />
wirklich nicht sagen, dass dieser Kollege<br />
nicht aufbereiten kann.<br />
<strong>Deppe</strong>: Noch besser aufbereiten und<br />
abfüllen muss man nun wirklich nicht<br />
können.<br />
<strong>Osswald</strong>: Nichtsdestotrotz bildet sich<br />
eine apikale Ostitis aus, wegen der der<br />
Zahn in 2002 …<br />
<strong>Deppe</strong>: Ist der nicht auch schon reseziert<br />
und retrograd verschlossen?<br />
<strong>Osswald</strong>: Danke, danke! Im Namen aller<br />
Allgemeinzahnärzte!<br />
<strong>Deppe</strong>: Auf den Arm nehmen kann ich<br />
mich selber, <strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Weit gefehlt, <strong>Deppe</strong>. Immerhin<br />
haben Sie gerade überzeugend Zeugnis<br />
da<strong>für</strong> abgelegt, dass wir Allgemeinzahnärzte<br />
keineswegs zu dusselig sind, um<br />
Röntgenbilder zu interpretieren.<br />
<strong>Deppe</strong>: Kein Grund also, unser ohnehin<br />
schon eingeschränktes Leistungsspektrum<br />
durch einen „Master of Röntgenbildbetrachtung“<br />
noch weiter reduzieren<br />
zu lassen.<br />
<strong>Osswald</strong>: An der chirurgischen Intervention<br />
kann man in diesem Fall auch<br />
nicht herummäkeln. Schauen Sie auf die<br />
Abbildung 19: Zustand unmittelbar nach<br />
Resektion in 2002.<br />
<strong>Deppe</strong>: Nichtdestotrotz heilt die Resektionshöhle<br />
nicht aus.<br />
<strong>Osswald</strong>: Hammerscher Restschatten?<br />
<strong>Deppe</strong>: Die Aufhellung vergrößert sich<br />
vielmehr im Laufe der Jahre massiv.<br />
<strong>Osswald</strong>: Also auch keine bindegewebige<br />
Ausheilung! Als die Patientin uns<br />
aufsuchte, kam reichlich Pus aus der Bifurkation.<br />
Inzwischen sind wir auf einem<br />
Abb.19: Unmittelbar nach WSR im August 2002 Abb.20: 1. Verlaufskontrolle im April 2008<br />
57<br />
www.dental-barometer.de 05_2008
58 KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | TEIL 11<br />
guten Weg. Die Abbildung 20 zeigt eine<br />
Zwischenkontrolle unmittelbar nach<br />
Probe-WF mit Ca(OH)2 nach nur drei<br />
Monaten.<br />
<strong>Deppe</strong>: Vollständig ausgeheilt ist der<br />
Prozess aber noch nicht!<br />
<strong>Osswald</strong>: Toll, <strong>Deppe</strong>. Ein weiterer Beleg<br />
da<strong>für</strong>, dass Sie röntgenfest sind!<br />
<strong>Deppe</strong>: Röntgenfest, aber nicht -dicht,<br />
<strong>Osswald</strong>!<br />
<strong>Osswald</strong>: Wenn sich ein derart gravierender<br />
pathologischer Befund, dessen<br />
Prognose von amerikanischen Endodontologen<br />
in aller Regel als infaust bezeichnet<br />
würde, in so kurzer Zeit so positiv verändert<br />
und klinisch Beschwerdefreiheit<br />
besteht, kann man mit sehr großer Sicherheit<br />
davon ausgehen, dass er nach WF im<br />
Laufe der nächsten 12 Monate vollständig<br />
knochendicht ausheilt.<br />
<strong>Deppe</strong>: Können die Endodontologen die<br />
PRD eigentlich auch ausheilen?<br />
<strong>Osswald</strong>: Was ist denn das jetzt schon<br />
wieder, <strong>Deppe</strong>?<br />
<strong>Deppe</strong>: Post Resection Disease, <strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Cool, kannte ich noch nicht.<br />
<strong>Deppe</strong>: Hab’ ich auch gerade erst geprägt.<br />
So können wir vielleicht erreichen, endlich<br />
auch in Deutschland verstanden zu<br />
werden.<br />
<strong>Osswald</strong>: Die Autoren behaupten es,<br />
zeigen aber keine Fälle. Ich kann Sie damit<br />
zuschütten. Wollen Sie noch welche<br />
sehen?<br />
<strong>Deppe</strong>: Ein anderes Mal gerne. Die Ausheilungsquote<br />
bei der Revision von Zähnen<br />
mit apikaler Ostitis, die noch nicht<br />
resiziert wurden, beträgt, wenn man der<br />
wissenschaftlichen Literatur glauben mag,<br />
trotz intelligenter Fallauswahl nur um 60<br />
%.<br />
<strong>Osswald</strong>: Die Vorstellung, bereits resizierte<br />
Zähne konservierend auszuheilen,<br />
ist den Endodontologen offenbar so<br />
fremd, dass man darüber nicht eine einzige<br />
Studie findet.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und wie hoch ist Ihre Quote bei<br />
bereits resizierten Zähnen?<br />
<strong>Osswald</strong>: Ich kann das natürlich noch<br />
nicht mit konkreten Zahlen belegen, aber<br />
deutlich über 60 % sollten es schon sein.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wenn ich die Fälle noch einmal<br />
Revue passieren lasse, die Sie hier aus Ihrer<br />
und anderen Praxen vorgestellt haben,<br />
mitsamt Ihrer logisch und wissenschaftlich<br />
sehr gut begründeten Argumentation,<br />
dann kann man kaum noch von Belegen<br />
sprechen.<br />
05_2008 www.dental-barometer.de<br />
<strong>Osswald</strong>: Danke <strong>für</strong> die Blumen, mein<br />
lieber <strong>Deppe</strong>.<br />
<strong>Deppe</strong>: Sülzen Se’ mich nicht an, <strong>Osswald</strong>!<br />
Ich würde es mittlerweile vielmehr<br />
als bewiesen ansehen, dass das nicht nur<br />
in Deutschland gelehrte Endodontie-Protokoll<br />
dringend verändert werden muss,<br />
damit endlich Fortschritte bei der flächendeckenden<br />
Versorgung der Bevölkerung<br />
mit voraussagbar erfolgreicher Zahnerhaltung<br />
auch in etwas schwierigeren Fällen<br />
erzielt werden.<br />
<strong>Osswald</strong>: Indem man die Schwierigkeiten<br />
in der Endodontie maßlos übertreibt<br />
und den Kollegen Angst vor einfach<br />
zu lösenden Fällen macht, um die eigenen<br />
Leistungen zu überhöhen und seine Spezialisierung<br />
auf einen kleinen <strong>Teil</strong>bereich<br />
der konservierenden Zahnheilkunde zu<br />
rechtfertigen, wird das mit Sicherheit<br />
nicht klappen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wo ist der Hochschullehrer, der<br />
endlich einmal auf den Tisch haut und<br />
sagt: „Meine lieben Kolleginnen und Kollegen,<br />
die Zahnerhaltung ist gar nicht so<br />
schwierig, wie wir es bisher immer dargestellt<br />
haben. Das kann jeder von Ihnen lernen,<br />
der es lernen will. Sie müssen nur die<br />
richtigen Protokolle anwenden! Lassen Sie<br />
uns gemeinsam damit jetzt anfangen!“<br />
<strong>Osswald</strong>: Wirklich schwierig ist in der<br />
Tat nur die fachübergreifende Behandlung<br />
komplexer Fälle. Die Einzelschritte<br />
in den einzelnen Disziplinen sind dagegen<br />
gar nicht so schwierig, wenn man sie klar<br />
strukturiert und nicht unnötig verkompliziert.<br />
<strong>Deppe</strong>: Kollege Hülsmann behauptet<br />
immerhin, dass 50 % der in der allgemeinzahnärztlichen<br />
Praxis endodontisch<br />
behandelten Zähne nach fünf Jahren nicht<br />
mehr im Munde des Patienten stehen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Keine Ahnung, woher solche<br />
Zahlen stammen. Aus unserer Praxis<br />
jedenfalls nicht. Und ich habe durch<br />
meine Kurse inzwischen landauf, landab<br />
sehr viele kompetent diagnostizierende<br />
und therapierende Allgemeinzahnärzte<br />
kennengelernt, aus deren Praxen sie auch<br />
nicht kommen können.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wenn es denn aber so sein sollte,<br />
<strong>Osswald</strong> …<br />
<strong>Osswald</strong>: … dann handelt es sich um<br />
ein ernsthaftes Problem der Volksgesundheit<br />
…<br />
<strong>Deppe</strong>: … das man mit Spezialisten,<br />
Mastern und Fachzahnärzten in keinem<br />
Fall lösen kann. Zumindest dann nicht ...<br />
<strong>Osswald</strong>: … wenn man wenigstens in<br />
diesem Jahrhundert noch ein Stückchen<br />
vorankommen will, <strong>Deppe</strong>.<br />
<strong>Deppe</strong>: Bei der Lösung dieses Problems<br />
führt kein Weg am kompetent diagnostizierenden<br />
und therapierenden Allgemeinzahnarzt<br />
vorbei.<br />
<strong>Osswald</strong>: Und damit kommen wir zum<br />
Schluss noch einmal auf das eingangs erwähnte<br />
Editorial von Professor Hülsmann<br />
zurück.<br />
<strong>Deppe</strong>: In einigen Absätzen rudert er<br />
inzwischen mächtig zurück, um in unser<br />
Fahrwasser zu gelangen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Er befindet sich offensichtlich<br />
gerade im Übergang zu Stadium 3.<br />
<strong>Deppe</strong>: Häh??<br />
<strong>Osswald</strong>: Die drei Stadien des wissenschaftlichen<br />
Erkenntnisgewinns, <strong>Deppe</strong>!<br />
<strong>Deppe</strong>: Ach so. Erstens: Was Sie erzählen<br />
ist obsolet. Zweitens: Ihre Belege sind<br />
wissenschaftlich nicht evident. Drittens:<br />
Das habe ich schon immer gesagt.<br />
<strong>Osswald</strong>: Er schreibt beispielsweise, dass<br />
die Erscheinungsweise der Wurzelkanalfüllung<br />
im postoperativen Bild nicht so<br />
entscheidend sei. Entscheidend sei die<br />
Darstellung des Periapex’.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und dann wörtlich: „Dies lenkt<br />
den Blick stärker auf die biologischen Aspekte<br />
der endodontischen Tätigkeit denn<br />
auf technische und technologische Feinheiten<br />
oder ästhetische Aspekte von Wurzelkanalpräparation<br />
und -füllung und<br />
macht letztlich den Unterschied<br />
zwischen Handwerk und (zahn-)ärztlicher<br />
Tätigkeit.“<br />
<strong>Osswald</strong>: „Medizinisch“ hätte es besser<br />
getroffen als „biologisch“. „Biologisch“<br />
erinnert verdammt an „biologisch verträglich“<br />
und damit an das bundesendodontologische<br />
Ca(OH)2-Dogma.<br />
<strong>Deppe</strong>: Kollege Dennhardt schreibt, dass<br />
die Wirksamkeit von Ca(OH)2 auf Bakterien<br />
mehrfach nachgewiesen wurde.<br />
<strong>Osswald</strong>: Da bin ich aber erleichtert,<br />
<strong>Deppe</strong>. Ansonsten müsste man sich wirklich<br />
fragen, warum es überhaupt angewendet<br />
wird.<br />
<strong>Deppe</strong>: Dass nichts in der Endodontie<br />
mit so großer wissenschaftlicher Evidenz<br />
belegt ist wie die Tatsache, dass es auf sehr<br />
wesentliche endodontitisrelevante Erreger<br />
vollständig unwirksam ist, schreibt er<br />
nicht?<br />
<strong>Osswald</strong>: Natürlich nicht, denn dann<br />
müsste er ja etwas anderes empfehlen, was<br />
er entweder nicht darf, weil es die DGZ-<br />
MK <strong>für</strong> obsolet hält, oder nicht kann, weil<br />
seine Kollegen sonst bemerken würden,
dass er sich in der endodontischen Lücke<br />
verlustiert hat.<br />
<strong>Deppe</strong>: Da<strong>für</strong> schreibt Kollege Hülsmann:<br />
„Es ist eine verständliche, aber irreführende<br />
Unart, im Röntgenbild mehr<br />
das Helle zu bewundern, als das Dunkle<br />
zu <strong>für</strong>chten!“<br />
<strong>Osswald</strong>: Das muss man dann allerdings<br />
wirklich als einen sehr bedeutsamen<br />
Erkenntnisgewinn <strong>für</strong> die Zukunft der<br />
Endodontologie in Deutschland und an<br />
der Hochschule bezeichnen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Die periapikale Aufhellung und<br />
damit der periapikale bakterielle Infekt<br />
rücken auch bei den Endodontologen<br />
endlich ins Zentrum der Aufmerksamkeit<br />
<strong>Osswald</strong>: Da sind sicher wieder wir dran<br />
schuld, <strong>Deppe</strong>.<br />
<strong>Deppe</strong>: Geschenkt, <strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Von dort aus ist es nur noch<br />
ein kleiner Schritt zu der Erkenntnis,<br />
dass man auf die Anwendung von konzentriertem<br />
NaOCl dringend verzichten<br />
muss, wenn man das individuelle Immunsystem<br />
des jeweiligen Patienten in seinem<br />
Bemühen um Selbstheilung wirkungsvoll<br />
unterstützen will, indem man die Bakterien<br />
überall dort vor dem definitiven<br />
Verschluss wirksam abtötet, wo sie sich<br />
aufhalten.<br />
<strong>Deppe</strong>: Weiter geht’s: „Misserfolge haben<br />
ihre Ursache nicht immer nur im Bläschen<br />
in der Wurzelkanalfüllung, dem nicht<br />
optimalen „shape“ oder dem fehlenden<br />
Viertelmillimeter, sondern sie entstehen<br />
in vielen Fällen bereits viel früher, manchmal<br />
bereits während der Diagnostik.“<br />
<strong>Osswald</strong>: Die Diagnose ist tatsächlich<br />
entscheidend. Darüber haben wir hier ja<br />
schon ausführlich gesprochen. Wir können<br />
aber nicht jeden Zahn extrahieren,<br />
um histologisch die richtige Diagnose<br />
stellen zu können.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und anders als histologisch geht<br />
das in der Endodontie nun einmal nicht.<br />
<strong>Osswald</strong>: Mit dem Hereinstecken von<br />
Papierspitzen in die Hauptkanäle und ihre<br />
anschließende bakteriologische Untersuchung<br />
ist es nun wirklich nicht getan ...<br />
<strong>Deppe</strong>: … obwohl es immer wieder versucht<br />
wird …<br />
<strong>Osswald</strong>: … und mehr als 99 % der endodontologischen<br />
Studien sich den Bakteriennachweis<br />
betreffend darauf beschränken.<br />
<strong>Deppe</strong>: Immerhin werden wenigstens<br />
die zahllosen Journale dadurch voll.<br />
<strong>Osswald</strong>: Da wir aber auch mit dem<br />
Dentalmikroskop weder in das apikale<br />
Delta, noch in die Nebenkanälchen, die<br />
Blindkanälchen, die Verbindungskanälchen,<br />
die Seitenkanälchen und erst recht<br />
nicht in die Tubuli hereinschauen können<br />
...<br />
<strong>Deppe</strong>: … müssen wir uns bei der Therapie<br />
an den von Walkhoff formulierten<br />
Grundsatz halten, dass man die Erreger<br />
und ihre Virulenz zum Wohle von Patient<br />
und Behandler besser über- als unterschätzen<br />
sollte.<br />
<strong>Osswald</strong>: Um dieser wesentlichen Erkenntnis<br />
nach nunmehr fast 100 Jahren<br />
zum Durchbruch zu verhelfen, muss man<br />
allerdings die endodontische Lücke in der<br />
Geschichte der Zahnheilkunde wieder<br />
schließen, <strong>Deppe</strong>.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das sollte spätestens nach der<br />
Lektüre des Folgenden ja wohl eine der<br />
leichteren Übungen sein, <strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Die Altvorderen waren mechanisch<br />
behindert, haben aber da<strong>für</strong> medizinisch<br />
indikationsgerecht behandelt, will<br />
heißen, geduldig und mit den richtigen<br />
Medikamenten desinfiziert.<br />
<strong>Deppe</strong>: Heute sind die Spezialisten mechanisch<br />
hochgerüstet, behandeln den<br />
bakteriologischen Infekt aber nicht mehr<br />
indikationsgerecht. Kein Wunder also,<br />
dass es in den letzten 60 Jahren keinen<br />
Fortschritt in der Endodontie gegeben<br />
hat.<br />
<strong>Osswald</strong>: Das Geheimnis des langfristig<br />
voraussagbaren endodontischen Erfolges<br />
auch in etwas schwierigeren Fällen liegt in<br />
der Kombination von ordentlicher mechanischer<br />
Aufbereitung und genau so sorgfältiger<br />
wie geduldiger Desinfektion mit<br />
potenten Desinfektionsmitteln.<br />
<strong>Deppe</strong>: Worin denn auch sonst, <strong>Osswald</strong>.<br />
In den etwas schwierigeren Fällen<br />
haben wir es in der Endodontie schließlich<br />
mit bakteriellen Infektionen zu tun,<br />
die eine Anamnese von mehreren Jahren<br />
haben können.<br />
<strong>Osswald</strong>: Es zeugt von Selbstüberschätzung,<br />
wenn der Endodontologe meint, er<br />
könne erreichen, was die Natur nicht alleine<br />
geschafft hat, indem er sich nur ein<br />
einziges Mal ganz kurz mit dem Zahn<br />
beschäftigt und dabei deutlich weniger<br />
als die Hälfte dessen mechanisch reinigt,<br />
was er entfernen müsste, wenn er 100%ig<br />
mechanisch reinigen wollte. Und wenn er<br />
noch dazu wesentliche infizierte Bereiche<br />
um die Wurzeln herum von seiner Therapie<br />
vollständig ausschließt.<br />
<strong>Deppe</strong>: Dann können wir zum Abschluss<br />
vielleicht noch die sehr berechtigte<br />
TEIL 11 | KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD<br />
Frage beantworten, die der Kollege Gernhardt<br />
aus der Universität Halle in seinem<br />
Editorial stellt. Er schreibt, dass alle, die<br />
sich <strong>für</strong> den endodontischen Zahnerhalt<br />
engagieren, doch im gleichen, richtigen<br />
Boot sitzen, wundert sich über die groteske<br />
Streiterei und stellt die Frage: „Endodontie<br />
– Welche ist die richtige?“<br />
<strong>Osswald</strong>: Die Beantwortung dieser<br />
Frage betreffend hat der Kollege Brückmann<br />
anlässlich einer Diskussion auf der<br />
Logies-Liste bereits vor sehr langer Zeit<br />
einen Kompromissvorschlag gemacht, den<br />
leider nur ich sofort unterschrieben habe.<br />
Kollege Zeppenfeld, mit dem ich damals<br />
diskutiert habe, hat es dagegen vorgezogen,<br />
die Liste nachgerade fluchtartig und<br />
ohne Unterschrift zu verlassen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wie lautete Brückmanns Vorschlag?<br />
<strong>Osswald</strong>: Ganz einfach, <strong>Deppe</strong>: Aufbereiten<br />
wie Hülsmann. Desinfizieren wie<br />
<strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Deppe</strong>: Where’s the beef?<br />
ZA Christian <strong>Deppe</strong>: lebt in Münster.<br />
Er vertritt hier seine persönliche Meinung.<br />
Dr. Dr. Rüdiger <strong>Osswald</strong>: ist niedergelassener<br />
Vertragszahnarzt in München,<br />
Geschäftsführer des BVAZ und Referent<br />
der Akademie <strong>für</strong> praxisnahe Zahnheilkunde.<br />
Vortragsreihe<br />
»Aus der Praxis – <strong>für</strong> die Praxis«<br />
Termine:<br />
Ì Berlin: 12.07.2008<br />
Ì Münster: 13.09.2008<br />
Ì Köln/Bonn: 18.10.2008<br />
Ì Leipzig: 08.11.2008<br />
Ì München: 15.11.2008<br />
<strong>Teil</strong>nahmegebühr: 249,- E (inkl. MwSt.)<br />
Fortbildungspunkte: 5<br />
Anmeldung und Information:<br />
Akademie <strong>für</strong> praxisnahe<br />
Zahnheilkunde GbR<br />
Ottostraße 22<br />
D-82319 Starnberg<br />
Telefon: +49 (0)8151 78245<br />
Telefax: +49 (0)8151 78244<br />
E-Mail: apz@gmx.net<br />
Internet: www.apzonline.net<br />
59<br />
www.dental-barometer.de 05_2008
58<br />
KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | LETZTER TEIL<br />
<strong>Osswald</strong>: „Ich kenne die Weise, ich kenne<br />
den Text, ich kenn auch die Herren<br />
Verfasser; Ich weiß, sie tranken heimlich<br />
Wein und predigten öffentlich Wasser.“<br />
<strong>Deppe</strong>: Heinrich Heines Wintermärchen,<br />
<strong>Osswald</strong>, wie kommen Sie drauf?<br />
<strong>Osswald</strong>: Weil es zum Sommermärchen<br />
mal wieder nicht gereicht hat, und es momentan<br />
an Beispielen geradezu wimmelt,<br />
<strong>Deppe</strong>. Alterozentriertes Denken in einer<br />
verkehrten Welt.<br />
<strong>Deppe</strong>: Alterozentriert, also auf den anderen<br />
und nicht sich selbst zentriert: Orientierung<br />
eigenen Denkens und Handelns<br />
primär am Nutzen des anderen. Gegensatz:<br />
egoistisch. Das ist die Kurzdefinition<br />
ärztlichen Handelns. Was hat das mit<br />
Heine zu tun?<br />
<strong>Osswald</strong>: In der schönen neuen Welt<br />
zentriert man sich zwar auf den anderen,<br />
allerdings weniger zu seinem Nutzen als<br />
vielmehr, um ihm Sand in die Augen zu<br />
streuen, damit er nicht bemerkt, dass man<br />
nicht seine, sondern die eigenen Ziele verfolgt.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das wäre egoistisch.<br />
<strong>Osswald</strong>: Wie gefällt Ihnen scheinheilig?<br />
<strong>Deppe</strong>: Das müssen Sie belegen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen<br />
soll, <strong>Deppe</strong>. Berufspolitisch oder<br />
zahnmedizinisch?<br />
<strong>Deppe</strong>: Heute schlecht drauf, <strong>Osswald</strong>?<br />
Verstehe ich gar nicht. Wo doch Ihr Berufsverband<br />
der Allgemeinzahnärzte<br />
(BVAZ, www.bvaz.de) gerade wieder einen<br />
tollen Erfolg verbuchen konnte. Die<br />
Allianz gegen die Änderung der Weiterbildungsordnung…<br />
<strong>Osswald</strong>: Also berufspolitisch. Richtig<br />
ist, dass es dem BVAZ endlich gelungen<br />
ist, die Bundeszahnärztekammer (BZÄK)<br />
06_2008 www.dental-barometer.de<br />
DEPPE<br />
<strong>vs</strong>.<br />
OSSWALD<br />
Eine in den vergangenen knapp 2 Jahren meist gelesenen <strong>Kolumne</strong>n im Dental Barometer findet mit diesem<br />
letzten <strong>Teil</strong> ihr Ende. Wir hoffen, Ihnen liebe Leserinnen und Lesern, Einblicke fachlicher Kompetenz entgegen<br />
dem "berufspolitischen Strom" ermöglicht zu haben. Lesen sie nun den letzten "Schlagabtausch" zwischen<br />
den beiden Kontrahenten. (Red.)<br />
davon zu überzeugen, dass ihre Rahmenvertrag<br />
gewordene Interpretation falsch<br />
war: Das Bologna-Protokoll begründet<br />
die Forderung nach der Einführung gegen<br />
Geld bei der Hochschule zu absolvierenden<br />
sogenannten postgradualen Masterstudiengängen<br />
in keiner Weise.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das klar zu machen, war mindestens<br />
genau so mühsam, wie die Hochschullehrer<br />
innerhalb der DGZMK davon<br />
zu überzeugen, dass ihre wissenschaftlichen<br />
Stellungnahmen entgegen ihrer<br />
Überzeugung sehr wohl Leitlinien sind.<br />
<strong>Osswald</strong>: Zwar auf niedrigstem wissenschaftlichem<br />
Niveau, aber immerhin.<br />
Die Frage ist, ob diese Erfolge des BVAZ<br />
nachhaltig sind.<br />
<strong>Deppe</strong>: Man sieht immerhin sehr deutlich,<br />
dass sich die Allgemeinzahnärzte<br />
nicht wie Schafe zur Schlachtbank führen<br />
lassen müssen, wenn sie sich organisieren<br />
und wehren.<br />
<strong>Osswald</strong>: Auffällig ist, dass man derart<br />
grundsätzliche Irrtümer nicht in einem<br />
einzigen kollegialen Gespräch ausräumen<br />
kann, sondern dass es dazu erst einer sich<br />
in ihrer Lautstärke kontinuierlich verstärkenden<br />
und immer direkteren Sprache<br />
bedarf.<br />
<strong>Deppe</strong>: Richtige Funktionäre geben eben<br />
erst auf, wenn sie mit erhobenen Händen<br />
mit dem Rücken zur Wand stehen!<br />
<strong>Osswald</strong>: „Majestät, die Menschen haben<br />
kein Brot…<br />
<strong>Deppe</strong>:…dann sollen sie doch Kuchen<br />
essen“, soll Marie Antoinette auf die Erklärung<br />
eines Dieners <strong>für</strong> den revolutionären<br />
Lärm vor der eigenen Haustüre<br />
geantwortet haben.<br />
<strong>Osswald</strong>: Wenn die BZÄK so weiter<br />
macht, könnte es dazu kommen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Warum denn das? Das Gespräch<br />
zwischen dem Präsidenten der BZÄK,<br />
Dr. Dr. Weitkamp, dem Präsidenten der<br />
DGZMK, Prof. Dr. Dr. Hoffmann und<br />
dem Vorsitzenden der KZBV Dr. Fedderwitz<br />
in den ZM lässt doch keinen Wunsch<br />
offen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Zumindest keinen nach noch<br />
mehr Wasser, <strong>Deppe</strong>. Lediglich Fedderwitz<br />
schenkt dort zweifelsfrei Wein aus.<br />
Dass dort kein einziges Wort über den<br />
BVAZ verloren wurde, dem es zu verdanken<br />
ist, dass die Herren Weitkamp und<br />
Hoffmann zu Zitaten wie „Der Generalist<br />
ist die Säule der zahnmedizinischen<br />
Betreuung“, oder, „Der Bologna-Prozess<br />
liefert keine Begründung <strong>für</strong> postgraduale<br />
Masterstudiengänge“ motiviert wurden,…<br />
<strong>Deppe</strong>:…um nicht zu sagen gezwungen<br />
werden mussten,…<br />
<strong>Osswald</strong>:…wundert dann doch ein wenig.<br />
<strong>Deppe</strong>: Dass die Existenz und die erfolgreiche<br />
Arbeit des BVAZ verleugnet<br />
werden, belegt doch nur, dass man in gewissen<br />
Kreisen extrem besorgt darüber ist,<br />
dass er so schnell wächst.<br />
<strong>Osswald</strong>: Ich sehe es ja auch eher als<br />
Kompliment, <strong>Deppe</strong>. Dass rein gar nichts<br />
über die Hintergründe berichtet wird, die<br />
zu diesem Gespräch geführt haben, ist allerdings<br />
Heinewasser pur.<br />
<strong>Deppe</strong>: Ein Meisterstück des gleichzeitig<br />
manipulierten und manipulierenden<br />
Journalismus.<br />
<strong>Osswald</strong>: O tempora, oh mores….<br />
<strong>Deppe</strong>:…hätte Cicero ohne jeden Zweifel<br />
<strong>für</strong> alle vernehmlich geseufzt, wenn er<br />
das gelesen hätte. „Allgemeinzahnarzt“<br />
mag man uns in diesen Kreisen offensichtlich<br />
gar nicht mehr nennen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Unsere korrekte Berufsbe-
zeichnung „Allgemeinzahnarzt“ erinnert<br />
offenbar viel zu deutlich an den „Facharzt<br />
<strong>für</strong> Allgemeinmedizin“, der wir im Fachbereich<br />
Zahnheilkunde zweifellos sind.<br />
<strong>Deppe</strong>: Der Wissenschaftsrat fordert von<br />
der Hochschule explizit den Oralmediziner,<br />
und ….<br />
<strong>Osswald</strong>:…nachdem der „Hauszahnarzt“<br />
durch Professor Noacks Präzisierung<br />
„mit eingeschränktem Leistungsspektrum“<br />
im Weissbuch ZahnMedizin, Band<br />
2 durch unseren energischen Einspruch<br />
verbannt ist, muss schnell ein anderer her:<br />
„Familienzahnarzt“ oder noch schlichter<br />
„Generalist“.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das unterscheidet uns dann<br />
endlich deutlich genug vom gegen Geld<br />
postgradual erworbenen Master oder<br />
Fachzahnarzt mit der Lizenz zur lege artis-Behandlung<br />
…<br />
<strong>Osswald</strong>:…und erinnert an den Hausarzt<br />
mit Schmalspurausbildung, zu dem<br />
man uns schlecht reden möchte.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und wo fließt der Wein, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Zwischen den Zeilen, <strong>Deppe</strong>.<br />
Obwohl die Bologna-Finte im eigenen<br />
Rohr krepiert ist, mögen die DGZMK<br />
unter Hoffmann und die BZÄK unter<br />
Weitkamp noch immer nicht von ihrer<br />
Rahmenvereinbarung lassen, in der sie ihr<br />
Wasser angeliefert haben.<br />
<strong>Deppe</strong>: In einem zweiten Anlauf will<br />
man die Flaschen offensichtlich nur umetikettieren<br />
…<br />
<strong>Osswald</strong>:…und quält sich in dem Bemühen,<br />
die Notwendigkeit der Implementierung<br />
des modularen Weiterbildungssystems<br />
irgendwie anders zu begründen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Nach diesem modularen Konzept<br />
sollen dieselben Hochschullehrer, die<br />
den Studenten das notwendige zahnmedizinische<br />
Wissen nach eigener Aussage<br />
nicht mehr vermitteln können, weil es<br />
von allen unbemerkt plötzlich unter ihrer<br />
fleißigen Hände Arbeit explodiert ist, den<br />
niedergelassenen Allgemeinzahnarzt gegen<br />
Geld zum Master und Fachzahnarzt<br />
<strong>für</strong> was auch immer weiterbilden und mit<br />
der Lizenz zur lege artis-Behandlung ausstatten<br />
dürfen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Die dazu notwendige Änderung<br />
der Weiterbildungsordnung wird<br />
deshalb jetzt nicht mehr mit dem Bologna-Protokoll,<br />
sondern einfach mit dem<br />
Hochschulrahmengesetz, der überfälligen<br />
Strukturierung des Wildwuchses und dem<br />
unverzichtbaren Schutz der unwissenden<br />
Patienten vor Teufelszeug begründet. Und<br />
selbstverständlich – das scheint in Hochschulkreisen<br />
als das Tafelwasser schlechthin<br />
zu gelten – wie immer mit Europa.<br />
<strong>Deppe</strong>: Strukturierung von Wildwuchs<br />
und Europa, <strong>Osswald</strong>? Das klingt <strong>für</strong>wahr<br />
so, als wolle man Weihwasser verspritzen.<br />
Die überfällige Neustrukturierung der<br />
universitären Lehre und Forschung wäre<br />
vielmehr angesagt.<br />
<strong>Osswald</strong>: Sollten die Herren wirklich<br />
nicht sehen, dass sie mit ihrem Vorhaben<br />
genau das Gegenteil erreichen werden?<br />
<strong>Deppe</strong>: Das kann man sich kaum vorstellen.<br />
<strong>Osswald</strong>: In Europa müssen schließlich<br />
alle Titel untereinander anerkannt werden.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wie lange wird es wohl dauern,<br />
bis wir hier mit Billig-Master-Titeln zugeschüttet<br />
werden, wenn diese abwegigen<br />
Beschlüsse in Deutschland umgesetzt<br />
werden, und es sich an den Unis europaweit<br />
wie ein Lauffeuer verbreitet, dass man<br />
damit eine gute Mark machen kann?<br />
<strong>Osswald</strong>: Um beispielsweise zu lernen,<br />
eine ordentliche telekopierende Arbeit<br />
einzugliedern, müssen approbierte Zahnärzte<br />
nun wirklich nicht nach Greifswald<br />
wallfahren, um beim Kollegen Meyer 30<br />
Kilo Euro plus Nebenkosten abzuliefern.<br />
Das lernen sie bei einem kompetenten Allgemeinzahnarzt<br />
schließlich innerhalb der<br />
ersten drei Monate ihrer Weiterbildung.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und wenn sie es dort nicht<br />
lernen, besteht an preiswerteren Fortbildungsangeboten<br />
nun wahrlich kein<br />
Mangel. Meyer stellt seinen Hochschulkollegen<br />
mit seinem Programm <strong>für</strong> den<br />
Zahnersatz-Meister ein nachgerade katastrophales<br />
Armutszeugnis aus.<br />
<strong>Osswald</strong>: Genau wie der Kammerpräsident<br />
von Brandenburg, Dipl.-Stom. Jürgen<br />
Herbert, seinen Allgemeinzahnärzten<br />
mit dem Weiterbildungsprogramm „Fachzahnarzt<br />
<strong>für</strong> Allgemeine Zahnheilkunde“.<br />
<strong>Deppe</strong>: Schon die Bezeichnung rieselt<br />
einem peinlich den Rücken hinunter:<br />
Fachzahnarzt <strong>für</strong> Zahnheilkunde.<br />
<strong>Osswald</strong>: In Brandenburg hat die Kammer<br />
offensichtlich Angst, dass die Kollegen<br />
von ihren Patienten mit einem „Fach-<br />
ZAHNarzt <strong>für</strong> Gynäkologie verwechselt<br />
werden könnten.<br />
<strong>Deppe</strong>: Haben Sie mal ins Programm<br />
geschaut?<br />
<strong>Osswald</strong>: Das mache ich aus Angst, aus<br />
dem Lachen vielleicht nicht mehr herauszukommen,<br />
garantiert kein zweites Mal.<br />
<strong>Deppe</strong>: Kein Wunder, dass kaum einer<br />
LETZTER TEIL | KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD<br />
<strong>für</strong> etwas Geld bezahlen will, was er bei<br />
einem ordentlichen Allgemeinzahnarzt<br />
im ersten Lehrjahr lernt. War der BVAZ<br />
nicht mal bei Herbert eingeladen?<br />
<strong>Osswald</strong>: Gleich nach seiner Gründung.<br />
Das war praktisch unser erster berufspolitischer<br />
Kontakt. Da waren wir ganz neu<br />
im Haifischbecken. Die haben uns zumindest<br />
berufspolitisch nach Strich und<br />
Faden vorgeführt.<br />
<strong>Deppe</strong>: Kollege Herbert wollte offensichtlich<br />
nur die angedrohte Klage gegen<br />
seinen Fachzahnarzt abwenden, um seine<br />
Diplomstomatologen zu befriedigen.<br />
Koste es, was es wolle.<br />
<strong>Osswald</strong>: Wer nur auf einen Titel scharf<br />
ist, um Zugang zu Selektivverträgen oder<br />
den bereits hochschulseitig angedachten<br />
sektoralen HVMs zu bekommen, wird<br />
diese über kurz oder lang <strong>für</strong> einen Bruchteil<br />
des Geldes im europäischen Ausland<br />
erwerben können, wenn sich herumgesprochen<br />
hat, dass mit dieser Investition<br />
hierzulande eine ordentliche Rendite zu<br />
erzielen ist.<br />
<strong>Deppe</strong>: Den Titel „Dübelmeister“ kann<br />
man ja schon jetzt während eines Kurzurlaubs<br />
in Kuba oder Russland erwerben.<br />
<strong>Osswald</strong>: Ganz besonders schlau meinten<br />
BZÄK und DGZMK offensichtlich<br />
zu sein, als sie in die Rahmenvereinbarung<br />
hereingeschrieben haben, ein wahrer Meister<br />
könne man nur an einer Universität<br />
werden, an der es einen Lehrstuhl <strong>für</strong> das<br />
entsprechende Fach gibt.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das sollte Krems ein <strong>für</strong> alle mal<br />
außen vor halten. Das war ja die allererste<br />
Begründung <strong>für</strong> die Notwendigkeit, den<br />
Wildwuchs zu strukturieren.<br />
<strong>Osswald</strong>: Und was macht man in<br />
Krems?<br />
<strong>Deppe</strong>: In Krems werden postwendend<br />
zahnmedizinische Lehrstühle geschaffen.<br />
Hier scheint es ganz offensichtlich nicht<br />
um kleines Geld zu gehen.<br />
<strong>Osswald</strong>: All diese Bemühungen wurden<br />
neulich von einem Ausnahme-Hochschullehrer<br />
sehr treffend kommentiert:<br />
"Ehe die Hochschule den Allgemeinzahnärzten<br />
und den Patienten ein System der<br />
Superspezialisierung aufoktroyiert, das<br />
fast niemand braucht, weil es nur einigen<br />
Wenigen nützt, soll sie gefälligst erst<br />
einmal den eigenen Laden in Ordnung<br />
bringen. Die Mehrzahl der Fächer, <strong>für</strong> die<br />
neuerdings Fachzahnärzte gefordert werden…<br />
<strong>Deppe</strong>:…Endodontologe, Milchzahnarzt,<br />
Parodontologe…<br />
59<br />
www.dental-barometer.de 06_2008
60<br />
KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | LETZTER TEIL<br />
<strong>Osswald</strong>:…sind an der Hochschule in<br />
der Kons zusammengefasst,…<br />
<strong>Deppe</strong>:…wie vor 100 Jahren…<br />
<strong>Osswald</strong>:…und da hockt ein Professor,<br />
der die Abteilung leitet wie eine normale<br />
Allgemeinpraxis, weil er sich mit Händen<br />
und Füßen dagegen wehrt, dem Nachwuchs<br />
etwas ab- und der Verbesserung<br />
von Lehre und Forschung eine Chance zu<br />
geben."<br />
<strong>Deppe</strong>: Ganz offensichtlich ist man entschlossen,<br />
die Lehre, wenn schon nicht<br />
zu verbessern, dann doch wenigstens zu<br />
versilbern. Nebenbei wurde in den letzten<br />
Jahren die universitäre Parodontologie sogar<br />
zurückgefahren.<br />
<strong>Osswald</strong>: Als BZÄK in einer gemeinsamen<br />
Presseerklärung mit der KZBV<br />
mit Hinweis auf die Entwicklungen bei<br />
den Ärzten vor einer Zersplitterung des<br />
Berufsstandes zu warnen, sie gleichzeitig<br />
aber voranzutreiben, ist Heine-Wasser in<br />
seiner reinsten Form.<br />
<strong>Deppe</strong>: Fast, <strong>Osswald</strong>. Den reinsten<br />
Tropfen schenkt der Kollege Dieckhoff<br />
aus.<br />
<strong>Osswald</strong>: Ist das der Kammerpräsident<br />
von Westfalen-Lippe, Mitglied des Vorstandes<br />
der Bundeszahnärztekammer,<br />
Vorsitzender des gemeinsamen Beirats<br />
Fortbildung der BZÄK und DGZMK<br />
und ehemaliger Aspirant <strong>für</strong> Weitkamps<br />
Nachfolge?<br />
<strong>Deppe</strong>: Eben jener, <strong>Osswald</strong>, aber wieso<br />
ehemalig?<br />
<strong>Osswald</strong>: Man kann sich nach allem,<br />
was jetzt nicht mehr geheim, sondern<br />
endlich öffentlich diskutiert wird, wohl<br />
kaum noch vorstellen, dass ein solch glühender<br />
Verfechter von allen möglichen<br />
und unmöglichen „Fachzahnärzten <strong>für</strong><br />
<strong>Teil</strong>zahnheilkunde “ noch Chancen hat,<br />
Weitkamp gegen den erklärten Willen der<br />
erdrückenden Mehrzahl der Wähler zu<br />
beerben, oder?<br />
<strong>Deppe</strong>: Das wäre dann wirklich eine Ge-<br />
06_2008 www.dental-barometer.de<br />
schichte aus dem Tollhaus.<br />
<strong>Osswald</strong>: Sie meinen also, dass man genau<br />
damit rechen muss?<br />
<strong>Deppe</strong>: Wie in den ZM zu lesen war, hat<br />
er sich Kollege Dieckhoff im Vorstand der<br />
BÄZK <strong>für</strong> die Einführung des modularen<br />
Weiterbildungskonzeptes ganz besonders<br />
stark gemacht, weil es nach seiner Überzeugung<br />
die unabdingbare Voraussetzung<br />
da<strong>für</strong> schafft, dass die dringliche Implementierung<br />
weiterer Fachzahnärzte wie<br />
geschmiert laufen wird. Zitat aus den<br />
ZM: "Was die Fachzahnarztgebiete angehe,<br />
führe bereits die Existenz postgradualer<br />
Studiengänge zu ihrer Weiterentwicklung.“<br />
<strong>Osswald</strong>: Klassischer Fall von „Auf die<br />
falsche Karte gesetzt“, <strong>Deppe</strong>.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das hält ihn aber – wenn ich<br />
richtig informiert wurde – keineswegs davon<br />
ab, in einer Rede auf einer Delegiertenversammlung<br />
in Baden-Württemberg<br />
zu behaupten, die Bundeszahnärztekammer<br />
habe die Implementierung weiterer<br />
Fachzahnärzte schon immer grundsätzlich<br />
abgelehnt.<br />
<strong>Osswald</strong>: Heine-Wasser!<br />
<strong>Deppe</strong>: Noch dazu hat er daselbst behauptet,<br />
wenn ich richtig informiert wurde,<br />
dass die BZÄK in dieser Angelegenheit<br />
mehrfach auf den BVAZ zugegangen sei,<br />
dieser das Gespräch jedoch konsequent<br />
verweigert habe.<br />
<strong>Osswald</strong>: Heine-Wasser pur! Ein einziges<br />
Mal ist die BZÄK auf den BVAZ zugekommen.<br />
Und selbstverständlich sind wir<br />
auf eigene Kosten in den Olymp nach Berlin<br />
gereist, um dort vor zahlreichen Zuhörern<br />
die Position der Allgemeinzahnärzte<br />
unmissverständlich zu erläutern. Wobei<br />
die Betonung auf „unmissverständlich“<br />
liegt.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und warum hat man davon nie<br />
etwas gehört?<br />
<strong>Osswald</strong>: Weil wir zum Stillschweigen<br />
verdonnert wurden. Nachdem wir uns<br />
nicht umarmen ließen, was nach unserer<br />
Einschätzung das erklärte Ziel der Übung<br />
war, mutierte die offizielle Einladung zum<br />
Meinungsaustausch gegen Ende unvermutet<br />
zum hochvertraulichen Gespräch,<br />
über das Stillschweigen vereinbart werden<br />
musste und eine gemeinsame Pressemitteilung<br />
verweigert wurde!<br />
<strong>Deppe</strong>: Haifischbecken! In der Folge,<br />
und nur so, konnte Dieckhoff behaupten,<br />
es habe kein Gespräch stattgefunden, weil<br />
sich der BVAZ verweigert habe.<br />
<strong>Osswald</strong>: Und weil es so ist, fühlen wir<br />
uns auch nicht mehr länger an dieses<br />
Schweigegelöbnis gebunden.<br />
<strong>Deppe</strong>: Die Jungs sind eben mit allen<br />
Wassern gewaschen und uns dusseligen<br />
Hauszahnärzten hauchhoch überlegen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Leider beschränkt sich das<br />
eindeutig auf das berufspolitische Ränkespiel,<br />
so dass die Patienten nichts davon<br />
haben.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und zahnmedizinisch, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Wasser oder Wein, <strong>Deppe</strong>?<br />
<strong>Deppe</strong>: Gerne einen Schluck Wein. Ich<br />
kann gerade kein Wasser mehr sehen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Während es in den Fachzeitschriften<br />
der Endodontologen und in ihren<br />
Lehrbüchern nur so von nicht ausgeheilten<br />
Fällen wimmelt, brauchen wir hier<br />
nur einen einzigen noch nicht vollständig<br />
ausgeheilten Patientenfall zu zeigen, und<br />
schon ist das Geschrei groß. Schauen Sie<br />
auf die Bilder eins bis drei.<br />
<strong>Deppe</strong>: Ich hatte Sie gewarnt.<br />
<strong>Osswald</strong>: Wenn ich jedes Mal auf Sie<br />
gehört hätte…<br />
<strong>Deppe</strong>: Sie hatten die Kontrollaufnahme<br />
dieses alio loco resezierten wurzelkanalbehandelten<br />
unteren Sechsers gezeigt. Dann<br />
den Zustand nach Exazerbation nach<br />
Resektion. Und schließlich die erste Verlaufskontrolle<br />
nach orthograder Revision<br />
und sorgfältiger Desinfektion bei Zustand<br />
nach Probe-WF mit Calxyl. Nach meinem<br />
Abb.1: Unmittelbar nach WSR im August 2002 Abb.2: Exazerbation im Dezember 2008 Abb.3: 1. Verlaufskontrolle im April 2008
warnenden Hinweis hatten Sie erklärt, der<br />
Rest werde sicher voraussagbar ausheilen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Das konnte sich ein Endodontologe<br />
ganz offensichtlich überhaupt nicht<br />
vorstellen. Er hat mir geschrieben, dass ich<br />
mich felsenfest darauf verlassen könne,<br />
dass er sich zu einem späteren Zeitpunkt<br />
sehr öffentlich und nachdrücklich nach<br />
dem weiteren Verlauf dieses Falles erkundigen<br />
würde.<br />
<strong>Deppe</strong>: Schreck lass nach. Und was machen<br />
Sie jetzt?<br />
<strong>Osswald</strong>: Das, was ich in dieser Situation<br />
immer mache!<br />
<strong>Deppe</strong>: Einen noch aussagekräftigeren<br />
Fall zeigen?<br />
<strong>Osswald</strong>: Nein, einfach eine weitere Verlaufskontrolle.<br />
Inzwischen habe ich den<br />
Zahn definitiv gefüllt. Schauen Sie auf<br />
Abbildung 4.<br />
<strong>Deppe</strong>: Potzblitz, <strong>Osswald</strong>. Nahezu abgeschlossene<br />
Ausheilung. Ich werde zukünftig<br />
auf Warnungen verzichten.<br />
<strong>Osswald</strong>: Warum sollte ich Märchen<br />
erzählen, <strong>Deppe</strong>? Das ist doch alles sehr<br />
einfach. Diese nur aus Spezialistensicht<br />
spektakulären Ausheilungen sind nicht<br />
mehr als die logische Folge der indikationsgerechten<br />
Behandlung der ursächlich<br />
verantwortlichen bakteriellen Infektionskrankheit<br />
mit einem überlegenen Behandlungsprotokoll,<br />
das medizinisch nachvollziehbar<br />
begründet und wissenschaftlich<br />
belegt ist.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das schlechte an machen Bakterien<br />
ist, dass sie uns krank machen, …<br />
<strong>Osswald</strong>:…das Tolle ist jedoch, dass<br />
bakterielle Infektionskrankheiten aufhören<br />
zu existieren, wenn man die ursächlich<br />
verantwortlichen Bakterien abtötet.<br />
<strong>Deppe</strong>: Dann heilt alles aus und dann<br />
exazerbiert auch nichts.<br />
<strong>Osswald</strong>: Wenn man in der ersten Verlaufskontrolle<br />
solch eine entscheidende<br />
Verbesserung des röntgenologischen Befundes<br />
bei anhaltend klinischer Beschwer-<br />
Abb.4: Unmittelbar nach WF im Juni 2008<br />
defreiheit sieht, dann heilt die Restostitis<br />
in einem sehr hohen Prozentsatz voraussagbar<br />
vollständig aus. Das dauert natürlich<br />
bei großen Aufhellungen, weil der sterile<br />
Knochen häufig 3 Jahre braucht, um<br />
vollständig zu remineralisieren.<br />
<strong>Deppe</strong>: Noch dazu bleibt bei sehr großen<br />
Defekten sicher viel eher einmal eine<br />
bindegewebige Narbe zurück, die im<br />
Röntgenbild als kleine Restaufhellung<br />
imponiert.<br />
<strong>Osswald</strong>: Da muss man dann auf die<br />
Klinik vertrauen. Wir wundern uns nachgerade,<br />
wenn eine Aufhellung einmal<br />
nicht sehr deutlich ausheilt. Das ist dann<br />
die seltene Ausnahme von der Regel.<br />
<strong>Deppe</strong>: In diesem Fall handelte es sich<br />
immerhin um eine Revision nach gescheiterter<br />
Erstbehandlung und nach gescheiterter<br />
WSR mit anschließender Exazerbation.<br />
<strong>Osswald</strong>: Haben Sie einmal darüber<br />
nachgedacht, warum die Spezialisten das<br />
gar nicht erst versuchen?<br />
<strong>Deppe</strong>: Vielleicht weil sie sich nicht vorstellen<br />
könne, dass das überhaupt funktionieren<br />
kann? Was sagt denn die wissenschaftliche<br />
Literatur?<br />
<strong>Osswald</strong>: Wenn man die englischsprachige<br />
Literatur nach „konservierender Behandlung<br />
bei Zustand nach gescheiterter<br />
WSR“ durchsucht, findet man lediglich<br />
2 Einzelfallbeschreibungen und eine<br />
einzige Studie aus der Türkei, bei der in<br />
einer ganzen endodontologischen Abteilung<br />
einer Universität nicht mehr als 11<br />
Fälle in – wenn ich mich richtig erinnere<br />
- 8 Jahren zusammengekommen sind.<br />
Die Ausheilungsquote lag dabei unter<br />
50%. In unserer allgemeinzahnärztlichen<br />
Praxis haben wir trotz des uns von Hochschulseite<br />
bescheinigten eingeschränkten<br />
Leistungsspektrums allein innerhalb der<br />
letzten 18 Monate deutlich mehr solcher<br />
Fälle behandelt.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und die Ausheilungsquote?<br />
<strong>Osswald</strong>: Darüber kann ich nach diesem<br />
kurzen Beobachtungszeitraum naturgemäß<br />
noch keine abschließende Aussage<br />
machen. Wie Sie gesehen haben, läuft es<br />
in einigen Fällen recht vielversprechend.<br />
Klinisch sind alle Fälle, bei denen wir<br />
zum Stadium der WF gekommen sind,<br />
reizlos.<br />
<strong>Deppe</strong>: Noch einmal zurück zur Bologna-Finte,<br />
<strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Die liegt doch explodiert im<br />
gemeinsamen Keller von BZÄK, DGZ-<br />
MK und dem Hochschullehrerverein.<br />
LETZTER TEIL | KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD<br />
<strong>Deppe</strong>: Ich habe mir den Text der Erklärung<br />
von Bologna durchgelesen. Da steht<br />
überhaupt nichts Schwieriges drin.<br />
<strong>Osswald</strong>: Liest sich ganz locker. Jurist<br />
braucht man jedenfalls nicht zu sein, um<br />
ihn zu verstehen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wie konnte es dann geschehen,<br />
dass sowohl die auf ihrer Jahresversammlung<br />
vereinigten Hochschullehrer als auch<br />
der gesamte Vorstand der BÄZK und der<br />
DGZMK ihn dermaßen falsch verstanden<br />
haben, dass sie das nicht nur in einem<br />
Weißbuch haben Schrift werden lassen,<br />
sondern sogar eine Rahmenvereinbarung<br />
abgeschlossen haben?<br />
<strong>Osswald</strong>: Das müssen wir dusselige<br />
Hauszahnärzte gar nicht erst zu verstehen<br />
versuchen. Das schaffen wir eh nicht.<br />
Dazu ist unsere Bildung viel zu schmalspurig.<br />
Die BZÄK hat sich in einem ersten<br />
Schritt davon distanziert. Das ist richtig,<br />
wichtig und unumstößlich!<br />
<strong>Deppe</strong>: Wir müssen jetzt alle gemeinsam<br />
da<strong>für</strong> sorgen, dass dieses modulare Weiterbildungssystem,<br />
dem die Geschäftsgrundlage<br />
nachhaltig entzogen ist, auf<br />
der kommenden Bundesversammlung gar<br />
nicht erst diskutiert wird,…<br />
<strong>Osswald</strong>:…damit die Hintertürchen,<br />
die gerade gebastelt werden, um aus dieser<br />
schlechten Nummer doch noch zu Lasten<br />
der Allgemeinzahnärzte erfolgreich herauszukommen,<br />
ein <strong>für</strong> allemal verschlossen<br />
bleiben.<br />
<strong>Deppe</strong>: Da das modulare Weiterbildungssystem<br />
kein Mensch braucht, muss<br />
es auch nicht weiter diskutiert werden,<br />
<strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Ist es nicht erstaunlich, <strong>Deppe</strong>,<br />
wie einfach die Dinge manchmal sind,<br />
wenn man sie nicht in Heinewasser ertränkt?<br />
<strong>Deppe</strong>: Aber auch der BVAZ wird nicht<br />
verhindern können, dass Hochschulen gegen<br />
Geld postgraduale Masterstudiengänge<br />
anbieten.<br />
<strong>Osswald</strong>: Warum sollte der BVAZ das<br />
auch wollen? Wie er sich fortbildet, und<br />
wie viel da<strong>für</strong> zu bezahlen er bereit ist, ist<br />
jedem Allgemeinzahnarzt überlassen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Alle gemeinsam müssen wir verhindern,<br />
dass bei einer solchen Investition<br />
<strong>für</strong> den Investor eine andere Rendite als<br />
ein derart nachrangiger Master-Titel herausspringt.<br />
<strong>Osswald</strong>: Beispielsweise ein Fachzahnarzt-Titel,<br />
ein höher dotierter Gruppenvertrag<br />
oder ein höherer Punktwert in<br />
Form eines sektoralen HVMs.<br />
61<br />
www.dental-barometer.de 06_2008
62<br />
KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | LETZTER TEIL<br />
<strong>Deppe</strong>: Und den Wildwuchs kann, muss<br />
und wird der Markt regeln.<br />
<strong>Osswald</strong>: Allgemeinzahnärzte sind<br />
schließlich keine kleinen Kinder, sondern<br />
im Gegensatz zu Hochschullehrern und<br />
Funktionären selbständige Unternehmer.<br />
<strong>Deppe</strong>: Die brauchen einen BZÄK-Vorstand,<br />
der glaubt, sie an der Hand führen<br />
zu müssen, weil er die Lizenz zum „Blick<br />
aufs Ganze“ ganz alleine gepachtet hat,<br />
nun wirklich so nötig wie einen Kropf.<br />
<strong>Osswald</strong>: Den Wildwuchs kann man<br />
nur stoppen, indem man ihm die Rendite<br />
verweigert.<br />
<strong>Deppe</strong>: Beschäftigt denn die BZÄK keinen<br />
Juristen, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Selbstverständlich. Warum?<br />
<strong>Deppe</strong>: Von wem wird der bezahlt?<br />
<strong>Osswald</strong>: Von uns Allgemeinzahnärzten<br />
natürlich. Warum?<br />
<strong>Deppe</strong>: Hätte man nicht erwarten können,<br />
dass zumindest ein Jurist das Bologna-Protokoll<br />
nicht nur genau durchliest,<br />
sondern darüber hinaus auch noch versteht,<br />
ehe die BZÄK einen solchen Rahmenvertrag<br />
auf einer dermaßen falschen<br />
Annahme abschließt?<br />
<strong>Osswald</strong>: Sie können ja mal hinterfotzige<br />
Fragen stellen, <strong>Deppe</strong>!<br />
<strong>Deppe</strong>: Vielleicht wollte man…<br />
<strong>Osswald</strong>: Oder man hat…<br />
<strong>Deppe</strong>: Oder man wollte nur…<br />
<strong>Osswald</strong>:…konnte aber nicht, weil…<br />
<strong>Deppe</strong>: Fragen über Fragen, <strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Mir ist das allmählich ziemlich<br />
Banane. Viel interessanter als das, was<br />
der scheidende Vorstand erzählt, ist doch,<br />
was die Aspiranten erzählen, die mit den<br />
Hufen scharren, um den amtierenden<br />
Präsidenten auf der nächsten Bundesversammlung<br />
zu beerben.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und was sagen die, die noch voller<br />
Hoffnung sind?<br />
<strong>Osswald</strong>: Bis jetzt scharren sie <strong>für</strong> uns<br />
Allgemeinzahnärzte noch unvernehmbar.<br />
Das heißt aber nicht, dass hinter den Ku-<br />
Abb.5: Schwere Paro-Endo-Problematik an Zahn<br />
36<br />
06_2008 www.dental-barometer.de<br />
lissen nicht schon längt der offene Krieg<br />
ausgebrochen ist und Haubitzen in Form<br />
von Seilschaften in Stellung gebracht werden.<br />
<strong>Deppe</strong>: Schließlich wollen die Allgemeinzahnärzte<br />
endlich wissen, wer ihr<br />
Kandidat ist.<br />
<strong>Osswald</strong>: Nicht nur das, <strong>Deppe</strong>. Die<br />
Delegierten, die schließlich wiedergewählt<br />
werden wollen, wissen inzwischen,<br />
dass wir bei Abstimmungen sehr genau<br />
hinschauen werden, wer wie über was<br />
abstimmt. Wenn ich das Amt des Präsidenten<br />
ernsthaft anstreben würde, würde<br />
ich zusehen, dass ich schön langsam aus<br />
den Sträuchern komme. Es sind schließlich<br />
nicht einmal 6 Wochen bis zur Wahl.<br />
<strong>Deppe</strong>: Nachdem sich jetzt schon die<br />
KZVen von Niedersachsen, Baden-Württemberg<br />
und Bayern gegen eine Änderung<br />
der bewährten Weiterbildungsordnung<br />
ausgesprochen haben, und sich unter den<br />
zahnärztlichen Verbänden eine sehr breite<br />
Allianz dagegen ausgebildet hat, in der<br />
deutlich mehr als 5000 Allgemeinzahnärzte<br />
organisiert sind, kann doch überhaupt<br />
kein Zweifel mehr daran bestehen,<br />
dass dieser untaugliche Versuch einer unfreundlichen<br />
Übernahme endgültig gescheitert<br />
ist.<br />
<strong>Osswald</strong>: Ihre Naivität möchte ich noch<br />
einmal haben. Man kann das, was da in<br />
der ZM steht, auch ganz anders interpretieren.<br />
<strong>Deppe</strong>: Ohne sich zu verrenken?<br />
<strong>Osswald</strong>: 180 Grad-Wendungen sind in<br />
der Politik doch kein Problem.<br />
<strong>Deppe</strong>: Hier könnten es glatte 360 Grad<br />
sein.<br />
<strong>Osswald</strong>: Eine Pirouette, <strong>Deppe</strong>!<br />
<strong>Deppe</strong>: Für die Augen, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Für mich ist das keine eindeutige<br />
Sprache. Ganz im Gegenteil. Da ist<br />
<strong>für</strong> jeden etwas dabei. Das könnte auch<br />
bedeuten, dass sich der Kollege Weitkamp<br />
an der Seite des bisher unauffälligen Prä-<br />
Abb.6: Zustand 7 Jahre nach prothetischer<br />
Versorgung<br />
sidenten der DGZMK und dem in dieser<br />
Beziehung unverdächtigen Fedderwitz als<br />
der Garant der Interessen der Allgemeinzahnärzte<br />
darstellen und <strong>für</strong> eine weiter<br />
Amtszeit qualifizieren will.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wie kommen Sie auf die Idee,<br />
<strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Wie lesen Sie beispielsweise<br />
folgenden Satz, <strong>Deppe</strong>: "Der Vorstand<br />
wird – gemäß Auftrag der letzten Bundesversammlung<br />
– zeitnah einen Vorschlag<br />
<strong>für</strong> eine Novellierung der Musterweiterbildungsordnung<br />
vorlegen und hierbei die<br />
berufsbegleitenden postgradualen Fortbildungen<br />
sowie europarechtliche Vorgaben<br />
berücksichtigen. Die Gesamtproblematik<br />
wird auf der Bundesversammlung in<br />
Stuttgart einer intensiven Beratung unterzogen.<br />
Das grundsätzliche Berufsbild des<br />
Zahnarztes als Generalist – ergänzt um<br />
Schwerpunktwissen und entsprechende<br />
Fertigkeiten – darf nicht in Frage gestellt<br />
werden."<br />
<strong>Deppe</strong>: „Liebe Allgemeinzahnärzte. Als<br />
Vertreter der Interessen der erdrückenden<br />
Mehrzahl unserer Wähler stehen wir fest<br />
an Eurer Seite. Habet keine Angst! Wir<br />
werden dem Druck der Hochschule nicht<br />
nachgeben, Euch zu Hauszahnärzten mit<br />
eingeschränktem Leistungsspektrum zu<br />
degradieren, um eine neue Ebene von gegen<br />
Geld weitergebildeten Mastern und<br />
Fachzahnärzten mit der Lizenz zur lege<br />
artis–Behandlung zu implementieren.“<br />
<strong>Osswald</strong>: Wenn man sagt, dass man<br />
einer Sache grundsätzlich zustimmt, so<br />
bedeutet es, dass man nicht die geringste<br />
Absicht hat, sie in der Praxis durchzuführen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Otto von Bismarck, <strong>Osswald</strong>,<br />
1815 bis 1898. Der kannte seine Pappenheimer.<br />
<strong>Osswald</strong>: Und wie lesen Sie diesen: "Zu<br />
dieser Thematik wird die kommende Bundesversammlung<br />
im Herbst weitere wichtige<br />
Schritte einleiten, um den Berufsstand<br />
Abb.7: Desolater Zustand von 36 und 37
fit zu machen <strong>für</strong> künftige Herausforderungen.<br />
Es wird kein Diktat geben, aber<br />
man kann sich nicht vor Entscheidungen<br />
drücken – die allerdings zuvor sorgfältig<br />
kommuniziert werden müssen."<br />
<strong>Deppe</strong>: „Liebe Hochschullehrer, habt<br />
keine Angst vor den Allgemeinzahnärzten!<br />
Die BZÄK steht fest an Eurer Seite.<br />
Wir peitschen das durch. Wir brauchen<br />
nur noch etwas Zeit, um die Delegierten<br />
schwindelig zu reden. Die Gefahr, dass<br />
uns dabei der ganze Laden um die Ohren<br />
fliegt, ignorieren wir einfach. Unsere<br />
Bologna-Finte liegt zwar leider explodiert<br />
in unserem gemeinsamen Keller, wobei<br />
einige Kandidaten übel verletzt wurden,<br />
aber wir erfinden schon eine andere Begründung,<br />
die man uns abkaufen wird.“<br />
<strong>Osswald</strong>: Sag ich doch, <strong>Deppe</strong>, nicht<br />
Fisch nicht Fleisch.<br />
<strong>Deppe</strong>: Apropos Bologna, <strong>Osswald</strong>,…<br />
<strong>Osswald</strong>: Schluss jetzt. Zurück zur Medizin!<br />
<strong>Deppe</strong>: Wein oder Wasser?<br />
<strong>Osswald</strong>: Ich kann im Moment kein<br />
Wasser mehr sehen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Dann aber bitte einen guten<br />
Jahrgang.<br />
<strong>Osswald</strong>: Allgemeinzahnärzte können es<br />
sich sogar leisten, Fälle zu zeigen, in denen<br />
es <strong>für</strong> den Patienten nicht so gut gelaufen<br />
ist. Schauen Sie einmal auf Abbildung 5.<br />
<strong>Deppe</strong>: Schwere Paro-Endo-Läsion an<br />
der distalen Wurzel eines 36. Und die<br />
wollten Sie konservierend ausheilen?<br />
<strong>Osswald</strong>: Voraussagen kann man das<br />
nicht. Meistens klappt es mit der notwendigen<br />
Geduld, manchmal nicht. Röntgenologisch<br />
ist das nicht zu entscheiden. Der<br />
Zange läuft der Zahn ja nicht weg. Man<br />
muss es also versuchen. Ich sage ja auch<br />
nicht, dass wir jeden Fall ausheilen können.<br />
Ich sage lediglich, dass die Fälle, in<br />
denen wir das Stadium der WF erreichen,<br />
in einem sehr deutlich höheren Prozentsatz<br />
vollständig ausheilen als in der wis-<br />
Abb.8: Zustand 4 Jahre nach prothetischer<br />
Versorgung<br />
senschaftlichen Literatur angegeben.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das grundsätzliche Manko aller<br />
bisherigen Studien ist schließlich, dass<br />
überhaupt nur Zähne eine Chance haben,<br />
in eine Studie aufgenommen zu werden,<br />
die definitiv abgefüllt werden.<br />
<strong>Osswald</strong>: Dabei muss man bedenken,<br />
dass bundesweit nur rund drei Viertel<br />
aller Zähne, die aufbereitet werden, das<br />
Stadium der Wurzelfüllung überhaupt<br />
erreichen. In einer Studie aus Marburg<br />
wurden beispielsweise um 20% der Zähne<br />
primär resiziert und fielen aus der Untersuchungsgruppe.<br />
In einer ordentlichen<br />
Studie hätten sie als Misserfolge gewertet<br />
werden müssen. Bei uns liegt die Abfüllquote<br />
hingegen sehr deutlich über 90%.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das Ergebnis Ihrer Bemühungen<br />
in diesem Fall?<br />
<strong>Osswald</strong>: In diesem Fall war nichts zu<br />
machen. Das ist jedoch keineswegs ein<br />
Grund, den Zahn zu extrahieren. Es war<br />
schließlich nur eine Wurzel schwer erkrankt.<br />
Die Abbildung 5 zeigt den Fall<br />
7 Jahre nach Hemisektion und prothetischer<br />
Versorgung.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wenn man das sieht, wundert<br />
man sich, dass die Hemisektion bis auf<br />
Ausnahmefälle aus dem Leistungskatalog<br />
der gesetzlichen Versicherungen verschwunden<br />
ist.<br />
<strong>Osswald</strong>: Dies insbesondere vor dem<br />
Hintergrund, dass eine wissenschaftliche<br />
Studie zeigt, dass Hemisektionen eine mit<br />
Implantaten vergleichbar gute Prognose<br />
haben.<br />
<strong>Deppe</strong>: Da<strong>für</strong> haben Implantate in Ausnahmefällen<br />
Einzug gehalten.<br />
<strong>Osswald</strong>: Wenn hier kein Unglück geschieht,<br />
sehe ich keinen Grund, warum<br />
diese Versorgung nicht ein Leben lang in<br />
Funktion bleiben sollte.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wie machen Sie das, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Routinemäßig. Die Abbildungen<br />
7 bis 9 zeigen einen weiteren Fall<br />
vier Jahre nach Sanierung.<br />
Abb.9: Klinische Situation 4 Jahre nach Eingliederung
64<br />
KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | LETZTER TEIL<br />
<strong>Deppe</strong>: Noch dazu mit Revision. Indikationsgerechte<br />
Zahnerhaltung auf allgemeinzahnheilkundlich<br />
hohem Niveau.<br />
Solch einen Fall sucht man vergeblich<br />
im Endodontiebuch von Hülsmann und<br />
Schäfer, obwohl dort – die Fälle betreffend<br />
– immerhin 10 Hochschullehrer und<br />
Spezialisten zusammengelegt haben.<br />
<strong>Osswald</strong>: Noch dazu sind das keine<br />
Sonntagsfälle. Mit solchen Fällen kann<br />
ich Sie zuschütten.<br />
<strong>Deppe</strong>: Nachdem ich das gesehen habe,<br />
könnte ich übrigens wieder ein wenig<br />
Wasser aushalten, <strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Wer schenkt uns ein, <strong>Deppe</strong>?<br />
<strong>Deppe</strong>: Professor Löst in einem Editorial<br />
der „Endodontie“ aus dem Quintessenz-<br />
Verlag.<br />
<strong>Osswald</strong>: Scheint ihm eine liebe Gewohnheit<br />
zu werden. Hoffentlich weitet<br />
sich das nicht zur Abhängigkeit aus.<br />
<strong>Deppe</strong>: Keine Polemik, <strong>Osswald</strong>! Er<br />
antwortet, nach offensichtlich sehr reifer<br />
Überlegung, dem Kollegen Nothnagel.<br />
<strong>Osswald</strong>: Sehr netter Kerl. War einmal<br />
bei mir auf einem Kurs.<br />
<strong>Deppe</strong>: Kollege Nothnagel hatte vor<br />
langer Zeit in einem Leserbrief geschrieben,<br />
dass er sehr lange nach dem universitär<br />
gelehrten Endodontieprotokoll behandelt<br />
und entsprechende Erfolge, aber<br />
auch die in der Literatur veröffentlichte<br />
Misserfolgsquote gehabt habe. Seit er im<br />
Jahr 2004 auf Ihr Protokoll umgestiegen<br />
sei, habe er bei 450 Wurzelkanalbehandlungen<br />
lediglich zwei Misserfolge wegen<br />
einer Längsfraktur gehabt.<br />
<strong>Osswald</strong>: Hohe Fallzahl <strong>Deppe</strong>, da kann<br />
man schon eine valide Aussage machen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Er frage nun, warum die durch<br />
die Herren Löst und Hülsmann vertretene<br />
endodontologische Wissenschaft in ihren<br />
Editorials ihrer Fachzeitschriften ein Behandlungsprotokoll<br />
als obsolet verteufele,<br />
das im Gegensatz zu dem von ihnen zur<br />
Zeit gelehrten nicht regelmäßig zu Ex-<br />
06_2008 www.dental-barometer.de<br />
traktionen und Resektionen führe, und<br />
bitte um eine sachliche Diskussion zum<br />
Wohle der Patienten.<br />
<strong>Osswald</strong>: Die armen Professoren. Da<br />
tun sie mir ja fast schon leid. Solch eine<br />
schwierige Frage aber auch.<br />
<strong>Deppe</strong>: Kein Wunder, dass die Antwort<br />
Monate auf sich warten ließ.<br />
<strong>Osswald</strong>: Was hat Kollege Löst denn<br />
geantwortet?<br />
<strong>Deppe</strong>: Kollege Nothnagel müsse verstehen,<br />
dass er als Wissenschaftler ein solches<br />
Ergebnis mit Argwohn betrachte.<br />
<strong>Osswald</strong>: Das kann ich nachvollziehen.<br />
Derart wenige Komplikationen kann er<br />
sich sicher gar nicht vorstellen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Allein die Fallzahl muss schockierend<br />
wirken.<br />
<strong>Osswald</strong>: Interessanter Aspekt, <strong>Deppe</strong>.<br />
Wie viele Wurzelkanalbehandlungen<br />
führen die Kollegen Löst und Hülsmann<br />
wohl jeweils in weniger als 4 Jahren selbstständig<br />
durch? Und weiter?<br />
<strong>Deppe</strong>: Als Student habe er auch nur<br />
Kochbuchwissen gehabt und deshalb<br />
genau so einfach strukturiert gedacht.<br />
Nachdem er aber jetzt Wissenschaftler geworden<br />
sei, müsse er ihn leider gnadenlos<br />
mit der Wahrheit konfrontieren: Kollege<br />
Nothnagel würde es nämlich gar nicht<br />
merken, wenn eine entscheidende Veränderung<br />
seines Behandlungsprotokolls<br />
entscheidende Veränderungen im Behandlungsergebnis<br />
zur Folge hätte, weil<br />
er leider sein Leben lang auf dem Niveau<br />
verharren müsse, dass ein richtiger Wissenschaftler<br />
als Student hatte.<br />
<strong>Osswald</strong>: „Liebe Kollegen! Hören Sie<br />
um Himmels Willen sofort auf, Kunststofffüllungen<br />
mit Ätzen, Primer, Adhäsiv,<br />
Bonden und Schichten zu legen!<br />
Schmieren Sie den Kunststoff einfach nur<br />
rein! Sie werden nämlich gar nicht bemerken,<br />
dass Ihre Füllungen sehr deutlich<br />
schneller verloren gehen, weil Sie dusselige<br />
Hauszahnärzte mit Kochbuchwissen und<br />
Abb.10: Insuffiziente WFs im Februar 2007 Abb.11: Frakturiertes Instrument in 37 im März<br />
2007<br />
keine Wissenschaftler sind!“<br />
<strong>Deppe</strong>: Und dann schreibt er noch,<br />
dass der Kollege Nothnagel natürlich jederzeit<br />
eingeladen sei, eine randomisierte<br />
prospektive klinische Studie vorzulegen,<br />
um auf diese Weise endlich bemerken zu<br />
können, dass er keine Veränderungen des<br />
Erfolges seiner Behandlung nach der Veränderung<br />
seines Behandlungsprotokolls<br />
bemerkt.<br />
<strong>Osswald</strong>: Weil Kollege Löst dauernd<br />
solche Studien vorlegt?<br />
<strong>Deppe</strong>: Oder wenigstens einmal eine<br />
einzige vorgelegt hat?<br />
<strong>Osswald</strong>: Im Internet ist jedenfalls<br />
nichts dergleichen zu finden.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und ich wüsste auch nicht, dass<br />
Kollege Hülsmann jemals eine solche Studie<br />
vorgelegt hätte, oder sonst ein endodontologisch<br />
bemühter deutscher Hochschullehrer.<br />
<strong>Osswald</strong>: Immerhin hat Kollege Hülsmann<br />
28 wurzelkanalbehandelte deutsche<br />
Zähne mit apikalen Aufhellungen zur Untersuchung<br />
nach Südamerika exportiert.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und welche Erkenntnisse hat er<br />
dabei gewonnen?<br />
<strong>Osswald</strong>: Bahnbrechende, <strong>Deppe</strong>. Endlich<br />
wissen wir sicher, dass nicht nur in<br />
den weltweiten, sondern auch in bundesdeutschen<br />
Wurzelkanälen unzählige<br />
Keime nachzuweisen sind, wenn sich nach<br />
nicht indikationsgerechter Behandlung<br />
eine apikale Ostitis ausbildet.<br />
<strong>Deppe</strong>: Toll. Und warum hat Kollege<br />
Hülsmann das nicht selbst und hier in<br />
Deutschland untersucht?<br />
<strong>Osswald</strong>: Um diese schwierige Frage zu<br />
beantworten, dürfen Sie maximal einmal<br />
raten.<br />
<strong>Deppe</strong>: Vielleicht weil die Stärken der<br />
deutschen endodontologischen Wissenschaftler<br />
eher im nacherzählenden Bereich<br />
liegen?<br />
<strong>Osswald</strong>: Was antwortet der Kollege<br />
Löst unserem Freund Nothnagel noch?<br />
Abb.12: Via falsa an 36 im März 2007
Vielleicht doch noch wenigstens eine klitzekleine<br />
wissenschaftliche Begründung?<br />
<strong>Deppe</strong>: Das mag ich nicht abstreiten,<br />
<strong>Osswald</strong>. Sie klingt aber eher so, als habe<br />
er einen Abstecher in die theologische Fakultät<br />
gemacht.<br />
<strong>Osswald</strong>: Jetzt sagen Sie schon, <strong>Deppe</strong>!<br />
<strong>Deppe</strong>: „Ich bin die Leitplanke, Ihr seid<br />
die Verkehrssünder!“<br />
<strong>Osswald</strong>: Häääähhhhh?<br />
<strong>Deppe</strong>: Johannes 15, <strong>Osswald</strong>. Er als<br />
Wissenschaftler stelle die Verkehrsregeln<br />
auf, die ein Praktiker, wie der Kollege<br />
Nothnagel, gefälligst zu befolgen habe,<br />
damit er nicht vom rechten Weg abkommt.<br />
Und dann zieht er noch ein wenig<br />
über den BVAZ und Sie persönlich her.<br />
<strong>Osswald</strong>: Das hat immerhin dazu geführt,<br />
dass zwei meiner Veröffentlichungen<br />
zum ersten Mal in der wissenschaftlichen<br />
Literatur erwähnt werden.<br />
<strong>Deppe</strong>: Immerhin ein Anfang. Ich<br />
denke, dass wir jetzt ganz dringend wieder<br />
einen Schluck Wein trinken sollten, ehe<br />
wir noch einen Wasserbauch bekommen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Als Allgemeinzahnarzt kann<br />
man sogar Fälle zeigen, bei dem er Mist<br />
gebaut hat.<br />
<strong>Deppe</strong>: Man kann schließlich nicht jeden<br />
Tag gleich gut drauf sein.<br />
<strong>Osswald</strong>: Schauen Sie doch einmal auf<br />
Abbildung 10.<br />
<strong>Deppe</strong>: Insuffiziente Wurzelkanalbehandlungen<br />
an 36 und 37, mit sehr deutlicher<br />
apikaler Ostitis an 37.<br />
<strong>Osswald</strong>: Sah erst völlig unproblematisch<br />
aus. Bei dem Versuch der Revision<br />
im März 2007 zeigte sich jedoch, dass<br />
mit einem knallharten Sealer gearbeitet<br />
worden war. Als erstes ist mir ein Instrument<br />
durchgerauscht, hat sich verklemmt<br />
und ist abgebrochen, wie in Abbildung 11<br />
nicht zu übersehen ist.<br />
<strong>Deppe</strong>: Eindeutig zu stark forciert, <strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Danke, <strong>Deppe</strong>! Auf die Idee<br />
Abb.13: Unmittelbar vor prothetischer Versorgung<br />
im Mai 2007<br />
war ich bisher noch gar nicht gekommen.<br />
Ein Unglück kommt, wie man in Abbildung<br />
12 deutlich sieht, sehr häufig nicht<br />
allein.<br />
<strong>Deppe</strong>: Astreine via falsa!<br />
<strong>Osswald</strong>: „Master of Röntgenfilmbetrachtung“?<br />
<strong>Deppe</strong>: Die Endodontologen behaupten,<br />
dass sie jeden Kanal aufbereiten können,<br />
wenn er nicht durch einen Allgemeinzahnarzt<br />
ruiniert ist.<br />
<strong>Osswald</strong>: Dieser war einfach zu. Zumindest<br />
<strong>für</strong> mich keine Chance zum Durchkommen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Shit happens. Wie sind Sie aus<br />
dieser ungemütlichen Situation heil herausgekommen?<br />
<strong>Osswald</strong>: Hemisektion der mesialen<br />
Wurzel von 36, Stiftaufbauten, primäre<br />
Verblockung mit 37. Die Abbildung 13<br />
zeigt die Situation gut zwei Monate später<br />
unmittelbar vor prothetischer Versorgung,<br />
die Abbildung 14 die erste Verlaufskontrolle<br />
nach gut einem Jahr.<br />
<strong>Deppe</strong>: Schönes Beispiel <strong>für</strong> Schadensbegrenzung.<br />
Zum Glück ist die große Aufhellung<br />
an 37 röntgenologisch vollständig<br />
knochendicht ausgeheilt.<br />
<strong>Osswald</strong>: Das hat mit Glück nichts zu<br />
tun, <strong>Deppe</strong>. Wenn es bei der Revision<br />
gelingt, den erforderlichen Zugang zum<br />
apikalen Knocheninfekt zu schaffen, ist<br />
das überhaupt kein Problem, sondern vielmehr<br />
in einem extrem hohen Prozentsatz<br />
voraussagbar, wenn man indikationsgerecht<br />
behandelt.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und die biologische Breite?<br />
<strong>Osswald</strong>: Das tut mir jetzt aufrichtig<br />
leid, aber die wird sich wohl oder übel neu<br />
einstellen müssen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Man sieht ja schon, wie brav sie<br />
reagiert.<br />
<strong>Osswald</strong>: Was soll die Arme denn auch<br />
anderes machen als zu kooperieren, wenn<br />
die Mundhygiene stimmt.<br />
<strong>Deppe</strong>: Gibt es sonst noch etwas Neues?<br />
LETZTER TEIL | KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD<br />
<strong>Osswald</strong>: Bei der „Akademie <strong>für</strong> praxisnahe<br />
Zahnheilkunde (APZ)“, <strong>für</strong> die ich<br />
gelegentlich als Referent tätig bin, gibt es<br />
eine interessante Entwicklung.<br />
<strong>Deppe</strong>: Ihr erklärtes Ziel ist es ja, eine<br />
kleine Gruppe in fachgebietsübergreifender<br />
Zahnheilkunde erfahrener Referenten<br />
zu versammeln, die auf preiswerten Kursen<br />
ein allgemeinzahnärztliches Gesamtbild<br />
von Zahnheilkunde vermittelt.<br />
<strong>Osswald</strong>: Mit Dr. Gerhard Will konnte<br />
jetzt ein erfahrener Kollege zum Thema<br />
„Indikationsgerechte Implantologie –<br />
Richtig implantieren (lassen)“ verpflichtet<br />
werden. Die richtige Indikationsstellung<br />
spielt wie überall in der Medizin auch in<br />
der Implantologie die entscheidende Rolle.<br />
Im September werden wir zusammen<br />
in Münster eine erste Doppelveranstaltung<br />
haben, auf die ich mich schon ein<br />
halbes Jahr freue.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das ist sicher nicht nur <strong>für</strong> die<br />
Kolleginnen und Kollegen interessant, die<br />
selbst implantieren, sondern auch <strong>für</strong> alle,<br />
die zur Implantation überweisen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Auch und gerade der Allgemeinzahnarzt,<br />
der nicht selbst implantiert,<br />
muss sich in der Implantologie sehr<br />
gut auskennen, wenn er der kompetente<br />
Partner seiner Patienten sein und bleiben<br />
will. Er gibt mit der Überweisung zwar<br />
den Patienten ab, damit der Implantologe<br />
eine gezielte Verrichtung vornimmt, keinesfalls<br />
jedoch die ärztliche Verantwortung.<br />
<strong>Deppe</strong>: Ob man nun selbst implantiert<br />
oder implantieren lässt, man trägt immer<br />
die Verantwortung <strong>für</strong> die indikationsgerechte<br />
Behandlung. Gerade derjenige, der<br />
überweist, muss entscheiden können, ob<br />
implantiert werden kann, wie viele Implantate<br />
zur anschließenden prothetischen<br />
Versorgung erforderlich sind und wo sie<br />
inseriert werden können. Nur derjenige,<br />
der sich mit der korrekten Indikationsstellung<br />
zur Implantation auskennt, kann<br />
Abb.14: 1. Verlaufskontrolle im Juni 2008 Abb.15: Zwei Jahre nach Sanierung und festsitzender<br />
Versorgung im Juli 2008<br />
65<br />
www.dental-barometer.de 06_2008
66<br />
KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD | LETZTER TEIL<br />
seine Patienten vor Leid bewahren.<br />
<strong>Osswald</strong>: Ein schönes Beispiel da<strong>für</strong><br />
sehen Sie in der Abbildung 15. Zustand<br />
2 Jahre nach konservierender Sanierung<br />
und prothetischer Versorgung eines relativ<br />
jungen Mannes und aktiven Fußballspielers.<br />
Der Kieferchirurg, an den er mit<br />
dem völlig unzureichend beschriebenen<br />
Auftrag „Implantation“ überwiesen worden<br />
war, wollte auf beiden Seiten einen<br />
externen Sinuslift mit Knochen aus dem<br />
Beckenkamm durchführen, um nach der<br />
Extraktion aller erhaltungswürdiger Zähne<br />
auf mindestens 8 Implantaten festsitzend<br />
zu versorgen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Beckenkamm? Für einen aktiven<br />
Fußballer nicht gerade eine erfreuliche<br />
Perspektive.<br />
<strong>Osswald</strong>: Er war dann auch ziemlich erleichtert,<br />
als ich ihm sagte, dass man ihn<br />
auch ohne einen maximal invasiven Eingriff<br />
festsitzend versorgen und noch dazu<br />
fast alle eigenen Zähne erhalten könne.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wer, der schon selbst einmal Patient<br />
gewesen ist, könnte das nicht nachvollziehen.<br />
Und sonst?<br />
<strong>Osswald</strong>: Neben Gerhard Will konnte<br />
mit dem Kollegen Dr. Marc Hünten ein<br />
profilierter Allgemeinarzt gewonnen werden.<br />
Mit ihm verfügt die APZ nunmehr<br />
über einen sehr erfahrenen Referenten,<br />
mit dem sie den Allgemeinzahnärzten ab<br />
dem nächsten Jahr ein „Update: Medizin<br />
<strong>für</strong> Zahnmediziner“ anbieten kann.<br />
<strong>Deppe</strong>: Ist das jetzt Zufall, dass die APZ<br />
bemüht ist, genau das umzusetzen, was<br />
der Wissenschaftsrat von der zahnmedizinischen<br />
Hochschule zur Weiterentwicklung<br />
des Fachbereichs zur Oralmedizin<br />
dringlich einfordert?<br />
<strong>Osswald</strong>: Damit können wir dann wohl<br />
zum Ende kommen, <strong>Deppe</strong>. Irgendeine<br />
intelligente Schlussbemerkung auf Lager,<br />
die unser gutes Andenken <strong>für</strong> immer in<br />
die Seele unserer Leser brennt?<br />
<strong>Deppe</strong>: Gemach, gemach! So schnell<br />
schießen die Preußen nicht, wir…<br />
<strong>Osswald</strong>:…Schlacht von Königgrätz<br />
1866!<br />
<strong>Deppe</strong>: Donnerwetter, <strong>Osswald</strong>!<br />
<strong>Osswald</strong>: Nein, <strong>Deppe</strong>, Wikipedia.<br />
<strong>Deppe</strong>: Haben Sie das dem Kollegen Logies<br />
abgeschaut?<br />
<strong>Osswald</strong>: Richtig. Obwohl selbst nur einen<br />
Mausklick entfernt, beeindruckt das<br />
die Kollegen kolossal.<br />
<strong>Deppe</strong>: Wie dem auch sei, es schickt sich<br />
nicht, so Knall auf Fall aufzuhören, ohne<br />
Gründe zu nennen.<br />
06_2008 www.dental-barometer.de<br />
<strong>Osswald</strong>: Erst die guten oder die schlechten,<br />
<strong>Deppe</strong>?<br />
<strong>Deppe</strong>: Gibt es denn auch schlechte?<br />
<strong>Osswald</strong>: Der beste Grund ist wohl der,<br />
dass man aufhören soll, solange man erfolgreich<br />
und es am schönsten ist. Ein solches<br />
Format läuft sich tot. Und seien wir<br />
ehrlich. Es fällt uns zunehmend schwerer,<br />
das hohe und gleichzeitig locker-leichtironische<br />
Niveau zu halten.<br />
<strong>Deppe</strong>: Man läuft Gefahr, immer noch<br />
einen drauf-…<br />
<strong>Osswald</strong>:…und sich irgendwann ins<br />
Unrecht zu setzten! Noch dazu leidet das<br />
Privatleben erheblich.<br />
<strong>Deppe</strong>: Noch ein guter Grund?<br />
<strong>Osswald</strong>: Wir haben wohl wie niemand<br />
sonst dem BVAZ aufs Fahrrad und seiner<br />
politischen Botschaft in die Öffentlichkeit<br />
geholfen und damit da<strong>für</strong> gesorgt, dass<br />
die von langer Hand geplante Änderung<br />
der Weiterbildungsordnung nicht mehr in<br />
geheimen Zirkeln diskutiert wird, sondern<br />
jetzt das berufspolitische Thema Nummer<br />
eins in Deutschland ist.<br />
<strong>Deppe</strong>: Gab es vorher kaum jemanden,<br />
der darüber geredet hat,…<br />
<strong>Osswald</strong>:…gibt es jetzt kaum jemanden,<br />
der berufspolitische Verantwortung trägt,<br />
der nicht drüber redet.<br />
<strong>Deppe</strong>: Der Quintessenz-Verlag müsste<br />
uns eigentlich Tantiemen zahlen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Die Verkaufszahlen <strong>für</strong> das<br />
Weißbuch ZahnMedizin, Band 2 sollen ja<br />
nachgerade explodiert sein.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und gelesen wird es jetzt noch<br />
dazu.<br />
<strong>Osswald</strong>: Wie man hört sogar von denjenigen,<br />
bei denen es schon 2 Jahre im<br />
Schrank stand und verstaubte.<br />
<strong>Deppe</strong>: Aber das wäre doch ein guter<br />
Grund weiterzumachen, <strong>Osswald</strong>. Noch<br />
haben wir die Einführung des modularen<br />
Weiterbildungssystems nicht verhindert.<br />
<strong>Osswald</strong>: So naiv, <strong>Deppe</strong>? Das zum<br />
Thema Nummer eins zu machen, ist doch<br />
deutlich mehr, als wir beide uns jemals erträumt<br />
haben.<br />
<strong>Deppe</strong>: Richtig. Keiner derjenigen, die<br />
berufspolitische Verantwortung <strong>für</strong> die<br />
Allgemeinzahnheilkunde in Deutschland<br />
trägt, wird sich zukünftig damit herausreden<br />
können, er habe nichts gewusst.<br />
<strong>Osswald</strong>: Also immer schön auf dem<br />
Teppich bleiben, <strong>Deppe</strong>. Wir müssen uns<br />
nun wirklich nicht einreden, wir könnten<br />
die Entscheidungen, die auf der Basis des<br />
jetzigen Kenntnisstandes von denen getroffen<br />
werden, die die Macht dazu haben,<br />
verhindern und verändern.<br />
<strong>Deppe</strong>: Und die schlechten Gründe?<br />
<strong>Osswald</strong>: Die indikationsgerechte Behandlung<br />
der Endodontitis, also die Verhinderung<br />
der Extraktion oder Amputation<br />
erhaltungswürdiger Zähne.<br />
<strong>Deppe</strong>: Das soll ein Grund sein, Schluss<br />
zu machen? Und noch dazu ein schlechter?<br />
<strong>Osswald</strong>: Sie haben es ja selbst gesagt,<br />
<strong>Deppe</strong>. Der Kampf gegen Windmühlen<br />
fordert seinen Tribut und geht auf Kosten<br />
des Privatlebens. Letztlich ist man nur<br />
gegenüber den eigenen Patienten verantwortlich.<br />
<strong>Deppe</strong>: Sie wollen aufgeben, <strong>Osswald</strong>?<br />
Wir sind doch auf einem guten Wege.<br />
<strong>Osswald</strong>: Man muss einsehen, wenn<br />
man auf verlorenem Posten steht.<br />
<strong>Deppe</strong>: Aber die spektakulären Fälle, die<br />
Sie hier gezeigt haben, <strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Wir haben uns verrannt, <strong>Deppe</strong>.<br />
<strong>Deppe</strong>: Aber die spektakulären Fälle, die<br />
Sie auf Ihrer Homepage zeigen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Gegen das geballte Wissen der<br />
weltweit berühmten deutschen Wissenschaftler<br />
kommen wir nicht an.<br />
<strong>Deppe</strong>: Aber die spektakulären Fälle,<br />
die Sie von anderen Kollegen hier gezeigt<br />
haben.<br />
<strong>Osswald</strong>: Zum Beispiel Professor Hülsmann.<br />
Der ist inzwischen so berühmt,<br />
dass er über seine Forschungsergebnisse<br />
nicht mehr in Fachzeitschriften berichten<br />
muss, sondern in der Welt, im Stern und<br />
sogar in der Rentnerbravo veröffentlichen<br />
darf.<br />
<strong>Deppe</strong>: Aber die spektakulären Fälle, die<br />
Sie von anderen Kollegen auf Ihrer Homepage<br />
zeigen.<br />
<strong>Osswald</strong>:Oder Professor Löst, der Tag<br />
und Nacht in seinem Labor verbringt, die<br />
voraussagbar erfolgreiche Zahnerhaltung<br />
erforscht, um die Volksgesundheit zu verbessern,<br />
und in der Folge eine randomisierte<br />
prospektive klinische Studie nach<br />
der anderen veröffentlicht.<br />
<strong>Deppe</strong>: Aber die Fälle, <strong>Osswald</strong>, die Fälle!<br />
<strong>Osswald</strong>: Ach hören Sie doch auf mit den<br />
Fällen, <strong>Deppe</strong>. Sogar Kollege Logies, der<br />
ja nun wirklich alles über Zahnheilkunde<br />
weiß, sagt, dass in Wikipedia steht, dass<br />
Fälle zeigen zu können, keinerlei Bedeutung<br />
hat, weil er, wie jeder andere mit dem<br />
Behandlungsschwerpunkt Endodontie,<br />
jede Menge solcher Fälle zeigen könnte,<br />
wenn er nur wollte..
<strong>Deppe</strong>: Warum zeigt dann keiner welche,<br />
<strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Weil keiner will, <strong>Deppe</strong>!<br />
<strong>Deppe</strong>: Und warum will keiner?<br />
<strong>Osswald</strong>: Weil keiner solch ein hochstapelnder<br />
Angeber ist wie ich! Sie nennen<br />
mich schließlich nicht umsonst einen evidenzresistenten<br />
Clown.<br />
<strong>Deppe</strong>: Aber schauen Sie doch hier:<br />
http://snipurl.com/3h2ay<br />
<strong>Osswald</strong>: Fälle, <strong>Deppe</strong>, nichts als Fälle.<br />
Der Kollege Klier hat vor wenigen Jahren<br />
einmal einen Vortrag von mir besucht.<br />
<strong>Deppe</strong>: Aber wenn man seine, in sehr<br />
kurzer Zeit gesammelten Fälle anschaut,<br />
und sie mit denen im endodontologischen<br />
Lehrbuch von Schäfer und Hülsmann vergleicht…<br />
<strong>Osswald</strong>: Keine Polemik, <strong>Deppe</strong>. Wenn<br />
international anerkannte Kapazitäten eine<br />
einfache bakterielle Infektionskrankheit<br />
in einem seit 100 Jahren vollständig beschriebenen<br />
anatomischen Umfeld nicht<br />
voraussagbar erfolgreich ausheilen können,<br />
dann…<br />
<strong>Deppe</strong>: Was ist dann, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Dann müssen dusselige Hauszahnärzte<br />
wie wir und die Kollegen Klier,<br />
Nothnagel, Grummt, Mohr, Grabowski,<br />
Brückmann, Trost, Otto, Menges, Landenberger,<br />
Korten, Kaden, Jaspers, Winkelsberg,<br />
Galler, Frank, Speich, Cupermann,<br />
Bofinger, Bien, Gross, Gies, Kau,<br />
Zenger, Riefenstahl, Simonis, Adam,<br />
Carstensen, Deck, und wie sie alle heißen,<br />
irgendwann zugeben, dass es so ist, wie es<br />
ist!<br />
<strong>Deppe</strong>: Na hoffentlich haben Sie jetzt<br />
keinen vergessen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Einen? Hunderte!<br />
<strong>Deppe</strong>: Und wie ist es, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Es geht schlicht und einfach<br />
nicht, <strong>Deppe</strong>.<br />
<strong>Deppe</strong>: Aber Walkhoff konnte es doch<br />
schon vor fast einem Jahrhundert.<br />
<strong>Osswald</strong>: Auch Walkhoff betreffend<br />
müssen wir unseren Lesern zum Abschluss<br />
reinen Wein einschenken, damit<br />
sie sich nicht <strong>für</strong> den Rest ihres Lebens<br />
wundern, dass er von keinem schriftstellerisch<br />
aktiven Hochschullehrer jemals<br />
erwähnt wird.<br />
<strong>Deppe</strong>: Also eine umfangreiche Beichte,<br />
<strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Die endodontische Lücke, die<br />
inzwischen beinahe ein ganzes Jahrhundert<br />
umspannt, weil sie in der ZM Nr.<br />
9/2008 von Professor Sonntag gerade bis<br />
zum Jahr 1997 erweitert wurde, gibt es gar<br />
nicht.<br />
<strong>Deppe</strong>: In den gleichen ZM schreibt übrigens<br />
der Kollege Zirkel, dass die Wurzelkanalbehandlung<br />
die schwierigste Disziplin<br />
in der Zahnheilkunde überhaupt ist.<br />
<strong>Osswald</strong>: Das sagen doch alle Spezialisten.<br />
<strong>Deppe</strong>: Dann schreibt er noch, dass er<br />
noch nie einen Zahn offen gelassen hat.<br />
<strong>Osswald</strong>: Der Titel seines Aufsatzes<br />
lautet vielleicht nicht umsonst „Der endodontische<br />
Notfall in der Praxis“.<br />
<strong>Deppe</strong>: Post treatment disease und interappointment<br />
flare up.<br />
<strong>Osswald</strong>: Da verfügt er offensichtlich<br />
über umfangreiche Erfahrung und gibt<br />
Tipps zur Auswahl von Antibiotika und<br />
Schmerzmittel, die man bei indikationsgerechter<br />
Behandlung auch in schwierigen<br />
Fällen nur sehr selten benötigt.<br />
<strong>Deppe</strong>: Ich frage mich überhaupt, <strong>für</strong><br />
wen die Hochschullehrer solche Aufsätze<br />
in den ZM schreiben anstatt zu forschen.<br />
Für erfahrene Allgemeinzahnärzte ist das<br />
doch das tägliche Brot.<br />
<strong>Osswald</strong>: Vielleicht ja <strong>für</strong> ihre Studenten,<br />
die sie das während des Studiums<br />
nicht lehren konnten, weil ihnen dieses<br />
Wissen unter der Hand explodiert ist?<br />
<strong>Deppe</strong>: Wie dem auch sei, <strong>Osswald</strong>.<br />
<strong>Osswald</strong>: Es gibt definitiv keine endodontische<br />
Lücke in Deutschland.<br />
<strong>Deppe</strong>: Genau so wenig wie Prof. Dr.<br />
Dr. Otto Walkhoff. Den haben wir nur<br />
erfunden…<br />
<strong>Osswald</strong>:…um Sie, liebe Leser, erfolgreich<br />
an der Nase herumzuführen und uns<br />
wichtig zu machen.<br />
<strong>Deppe</strong>: Um das wieder gut zu machen,<br />
ist jetzt aber definitiv eine abschließend<br />
Erklärung erforderlich, <strong>Osswald</strong>!<br />
<strong>Osswald</strong>: Im Sinne eines Wortes zum<br />
Sonntag, <strong>Deppe</strong>?<br />
<strong>Deppe</strong>: Das würde gut zum grundsätzlichen<br />
Tenor dieser letzten Folge passen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Na ja, wenn’s der Wahrheitsfindung<br />
dient.<br />
<strong>Deppe</strong>: Fritz Teufel, 1967!<br />
<strong>Osswald</strong>: Auf Ihre Verantwortung! Ein<br />
sehr gläubiger Kollege hat mir neulich anvertraut,<br />
dass Zahnärzte nach seiner Überzeugung<br />
beim jüngsten Gericht gegen von<br />
ihnen extrahierte erhaltungsfähige Zähne<br />
gewogen werden.<br />
<strong>Deppe</strong>: Oh-Hah! Gilt das auch <strong>für</strong> diejenigen,<br />
die aufgrund ihrer Sturheit Verantwortung<br />
da<strong>für</strong> tragen, dass andere erhaltungsfähige<br />
Zähne extrahieren?<br />
<strong>Osswald</strong>: Bei denen sollen diese Zähne<br />
LETZTER TEIL | KOLUMNE DEPPE VS. OSSWALD<br />
nach seiner Überzeugung doppelt so viel<br />
wiegen, <strong>Deppe</strong>.<br />
<strong>Deppe</strong>: Oh-Hah, <strong>Osswald</strong>. Dem ist jetzt<br />
nichts mehr hinzuzufügen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Herzlichen Dank an alle Leser,<br />
insbesondere an die zahllosen, die uns<br />
geschrieben und dabei ermutigt oder kritisiert<br />
haben.<br />
<strong>Deppe</strong>: Ganz besonderen Dank an Herrn<br />
Ellermann, der nie zensiert, sondern uns<br />
vielmehr ermutigt und alles gedruckt hat,<br />
was wir meinten zur Wahrheitsfindung<br />
beitragen zu können! Daran sollten sich<br />
andere Fachzeitschriften ein Beispiel nehmen.<br />
<strong>Osswald</strong>: Wo Sie das gerade so nonchalant<br />
anmerken, <strong>Deppe</strong>, fällt mir noch etwas<br />
ein.<br />
<strong>Deppe</strong>: Ja bitte, <strong>Osswald</strong>?<br />
<strong>Osswald</strong>: Ein gläubiger Journalist hat<br />
mir neulich anvertraut, dass Journalisten<br />
vor dem jüngsten Gericht gegen …<br />
ZA Christian <strong>Deppe</strong>: lebt in Münster.<br />
Er vertritt hier seine persönliche Meinung<br />
Dr. Dr. Rüdiger <strong>Osswald</strong>: ist niedergelassener<br />
Vertragszahnarzt in München<br />
und Referent der Akademie <strong>für</strong> praxisnahe<br />
Zahnheilkunde.<br />
Vortragsreihe<br />
»Aus der Praxis – <strong>für</strong> die Praxis«<br />
Termine:<br />
Ì Münster: 13.09.2008<br />
Ì Köln/Bonn: 18.10.2008<br />
Ì Leipzig: 08.11.2008<br />
Ì München: 15.11.2008<br />
Ì Nürnberg 31.01.2009<br />
<strong>Teil</strong>nahmegebühr: 249,- E (inkl. MwSt.)<br />
Fortbildungspunkte: 5<br />
Anmeldung und Information:<br />
Akademie <strong>für</strong> praxisnahe<br />
Zahnheilkunde GbR<br />
Ottostraße 22<br />
D-82319 Starnberg<br />
Telefon: +49 (0)8151 78245<br />
Telefax: +49 (0)8151 78244<br />
E-Mail: apz@gmx.net<br />
Internet: www.apzonline.net<br />
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