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© A1 PIX/LAS<br />
© Peter Böttcher<br />
Premierenfieber<br />
4<br />
im gespräch // Eva Bernard über die<br />
schönsten und schlimmsten Momente<br />
im Leben einer Sängerin<br />
Interview: Birgit-Sara Fabianek<br />
login // Sie singen seit <strong>Anfang</strong><br />
April die weibliche Hauptrolle in<br />
der Uraufführung, „Nijinskys Tagebuch“<br />
am Theater Aachen.Was<br />
geht in Ihnen vor, wenn Sie wochenlang<br />
jeden Tag Stunde um<br />
Stunde geprobt haben und dann<br />
stehen Sie auf der Bühne und der<br />
Vorhang geht zum ersten Mal auf?<br />
Eva Bernard // Ich fühle mich<br />
wie ein fünfjähriges Kind, das allein<br />
und schutzlos vor einer Menschenmenge<br />
steht und ein Gedicht<br />
aufsagen soll. Es denkt: Ich kann es<br />
nicht.Was mach ich bloß? Ich habe<br />
das Gefühl, aus Glas zu sein und<br />
bin mir sicher, alle können sehen,<br />
wie sehr meine Knie zittern, wie<br />
eiskalt meine Finger sind und wie<br />
heftig ich ausatme.Wie vor einer<br />
Geburt.<br />
login // Und dann?<br />
Eva Bernard // Nach der<br />
ersten Arie fallen Angst und Spannung<br />
von mir ab wie eine enge<br />
Rüstung, die ich gesprengt habe<br />
und dann ist es so, als würde ich<br />
auf einer Welle aus Adrenalin reiten<br />
und von ihr getragen werden.<br />
Schwierig ist es, wenn ich zu <strong>Anfang</strong><br />
etwas Verhaltenes und Inniges<br />
singen muss. Auf die Bühne zu<br />
kommen und sofort loszulegen,<br />
ist einfacher. Damit lässt sich das<br />
Lampenfieber besser überspielen<br />
login // leben Frühjahr 2008<br />
nachgefragt //<br />
Das erste Mal…<br />
Kunden und Mitarbeiter über denkwürdige<br />
Premieren<br />
und es bleibt keine Zeit zum<br />
Nachdenken.<br />
login // Wie halten Sie die Aufregung<br />
in den Stunden vorher in<br />
Schach?<br />
Eva Bernard // Einen Talisman<br />
habe ich nicht. Aber ich halte mich<br />
an Ritualen fest. Komme am Tag<br />
der Premiere sehr früh ins Theater.<br />
Gehe auf die Bühne, bevor es losgeht<br />
und noch keine Zuschauer<br />
da sind. Dann schicke ich meine<br />
Gedanken zum Himmel, zu meiner<br />
Mutter, die vor einem Jahr gestorben<br />
ist. Dadurch fühle ich mich<br />
geschützt und denke: Nun kann<br />
mir nichts mehr passieren. Bisweilen<br />
wechsle ich die Perspektive<br />
und schaue mir die Bühne aus<br />
dem Zuschauerraum an. Es macht<br />
die Sache einfacher, wenn ich sehe:<br />
Die Bühne ist ja ganz klein. So<br />
schlimm ist es gar nicht. Manchmal<br />
lege ich mich auch einfach zehn<br />
Minuten auf den Fußboden. Das<br />
login // leben Frühjahr 2008<br />
» …als ich während meines Praktikums<br />
ins Delfinbecken durfte,<br />
schwamm der Jungdelfin Cosmo<br />
auf mich zu, riss sein Maul auf, nahm<br />
meinen Arm und kaute daran<br />
herum. Das tat nicht weh, er war<br />
nur übermütig. Am Ende hat sich<br />
Cosmo dann formvollendet mit<br />
Handkuss von mir verabschiedet. «<br />
Nadja Aziz, Jahrgang 76,<br />
Assistentin des Geschäftsführers<br />
der <strong>regio</strong> <strong>iT</strong> aachen<br />
hilft, im Jetzt anzukommen. Das<br />
Wichtigste vor Premieren ist, sich<br />
zu sagen: Davon hängt dein Leben<br />
nicht ab, so wichtig ist deine Rolle<br />
nicht, in zwei Stunden ist alles<br />
vorbei und du lebst weiter. Und<br />
besser als vorher.<br />
login // Wieso setzen Sie sich<br />
diesem Lampenfieber immer<br />
wieder aus?<br />
Eva Bernard // Weil es mit<br />
nichts zu vergleichen ist auf der<br />
Welt. Es fühlt sich an wie frisch verliebt,<br />
man spürt Angst und gleichzeitig<br />
so ein Kribbeln im Bauch.<br />
Ohne Lampenfieber wäre es nicht<br />
möglich, auf der Bühne ganz präsent<br />
zu sein und alles andere auszublenden.<br />
In diesen Momenten<br />
spüre ich mehr als sonst, dass ich<br />
lebendig bin. Das ist mein Antrieb.<br />
Dafür stehe ich morgens auf.<br />
login // Ist jede Aufführung eine<br />
Art Bewährungsprobe?<br />
» …als mein Sohn meine Autoschlüssel<br />
haben wollte, dachte ich:<br />
Au Mann, er hat gerade seinen Führerschein,<br />
muss er gleich bei seiner<br />
ersten Fahrt über die Autobahn<br />
brettern? Ich habe ihm aber die<br />
Schlüssel gegeben und meine Sorgen<br />
für mich behalten. Er kam ohne<br />
Kratzer zurück. Das Auto auch. «<br />
Heino Reinartz, Jahrgang 65,<br />
Leiter Informationstechnik<br />
der Kreisverwaltung Aachen<br />
Eva Bernard // Ich habe mein<br />
Handwerk gelernt und kann mich<br />
auf meine Stimme verlassen.Trotzdem<br />
springe ich bei jeder Vorstellung<br />
von Neuem aus den Startlöchern.<br />
Und jeden Abend gelingt<br />
es mir anders. Das ist anstrengend,<br />
macht aber auch den Reiz meiner<br />
Arbeit aus.<br />
login // Und das Vorsingen beim<br />
Casting, wenn Sie sich etwa um<br />
ein neues Engagement oder eine<br />
Gastrolle bewerben?<br />
Eva Bernard // Das ist richtig<br />
schlimm. Ich komme in ein Theater,<br />
wo außer mir noch jede Menge<br />
Konkurrentinnen vorsingen, begrüße<br />
die zehn Leute, die im<br />
dunklen Zuschauerraum sitzen<br />
und mich bewerten, teile mit, was<br />
ich singen will und dann heißt es:<br />
Okay, fangen Sie an. Da stehe ich<br />
dann auf offener Bühne, nur begleitet<br />
von einem kleinen Klavier<br />
und singe. Und habe nichts, an ><br />
5<br />
Fotos: Georg Helmes
Fotos: Georg Helmes<br />
» …als ich vor einer Ratsfraktion<br />
gesprochen habe, funktionierte der<br />
Beamer nicht. Im Ratssaal saßen<br />
50 bis 60 Zuhörer, da wurde ich<br />
furchtbar nervös. Als dann endlich<br />
ein Ersatzgerät lief, war ich sehr<br />
erleichtert. Der Rest hat wie am<br />
Schnürchen geklappt. «<br />
Myriam Berg, Jahrgang 58,<br />
Prokuristin und kaufmännische<br />
Leiterin der Aseag<br />
vita Eva Bernard<br />
geboren 1976 in München, ließ<br />
sich zunächst in ihrer Heimatstadt<br />
zur Musicaldarstellerin ausbilden.<br />
Anschließend studierte sie Gesang<br />
an der Hochschule Augsburg/<br />
Nürnberg und war beim „Operalia<br />
World Opera Contest 2003“<br />
Finalistin. Seit der Spielzeit 2005/<br />
2006 gehört sie als Solistin zum<br />
Ensemble des Theaters Aachen,<br />
dort ist sie in dieser Spielzeit in<br />
der Uraufführung „Nijinsky“ in der<br />
weiblichen Hauptrolle zu hören.<br />
Alle Aufführungstermine der<br />
Sopranistin unter www.evabernard.de.<br />
fab<br />
6<br />
><br />
» …als meine Enkelin Opa zu mir<br />
gesagt hat, war sie neun Monate alt.<br />
Es war Nahjas erstes Wort überhaupt.<br />
Der Rest der Familie war<br />
baff. Nahja hat eine Zwillingsschwester,<br />
Davina. Die beiden wachsen<br />
zweisprachig mit Deutsch und<br />
Niederländisch auf. Bei mir heißen<br />
sie ‚juweeltje’ und ‚zonneschijn’. «<br />
Josef Thelen, Jahrgang 52,<br />
Ausbildungsleiter<br />
bei der <strong>regio</strong> <strong>iT</strong> aachen<br />
dem ich mich festhalten kann, kein<br />
Kostüm, keine Maske, keinen Dirigenten.<br />
Das ist schwer. Und dieses<br />
Prüfungsgefühl wird nicht besser,<br />
ganz gleich, ob ich noch nie oder<br />
schon zehnmal vorgesungen habe.<br />
Dagegen hilft nur, gut durchzuatmen.<br />
login // Ist der Applaus am Ende<br />
der Höhepunkt einer Premiere?<br />
Eva Bernard // Nein. Der Höhepunkt<br />
ist der Moment, nachdem<br />
der Vorhang aufgegangen ist und<br />
das Gefühl, allein zu sein und keinen<br />
Boden unter den Füßen zu<br />
haben, dem Gefühl Platz macht,<br />
sich an sich selbst aufzurichten und<br />
zu spüren: Ich kann es.Auch dieses<br />
Mal. Den Applaus braucht man,<br />
um von dieser Welle, die einen<br />
durch die Aufführung trägt, wieder<br />
herunterzukommen.Wenn der<br />
Applaus einsetzt, stecke ich noch<br />
ganz und gar in meiner Rolle. Der<br />
Beifall bringt mich Stück für Stück<br />
» …zu zweit im Büro, das war ungewohnt.<br />
Seit Herbst teile ich es<br />
mit einem lieben Kollegen. Bislang<br />
hatte ich immer ein Zimmer für<br />
mich allein. Jetzt verkneife ich mir<br />
Gefühlsbekundungen, wenn ich ungeduldig<br />
bin, um ihn nicht zu nerven.<br />
Ansonsten klappt’s so gut, dass ich<br />
nicht wieder allein sitzen möchte. «<br />
Susanne Pauqué, Jahrgang 66,<br />
Projektmanagerin im<br />
IT-Management der Stadt Aachen<br />
auf den Boden zurück, bis ich am<br />
Ende wieder Eva Bernard bin.<br />
login // Fallen Sie nach der<br />
Premiere in ein Loch?<br />
Eva Bernard // Nach der Vorstellung<br />
bin ich meist überdreht,<br />
aber nach einer Stunde Feier<br />
möchte ich eigentlich nur noch<br />
eines: nach Hause. Dann bin ich da,<br />
baue die Premierengeschenke<br />
meiner Kollegen vor mir auf, packe<br />
sie aus, will mich darüber freuen –<br />
und empfinde dann häufig nichts<br />
als Leere.Wenn ich Glück habe,<br />
bin ich nicht allein, sondern habe<br />
Menschen um mich, die sagen:<br />
Komm, lass uns eine Runde Eislaufen<br />
gehen oder so etwas. Aber<br />
alles, was ich nach einer Premiere<br />
anpacke, kommt mir enorm blöd<br />
vor, weil es so ziellos erscheint.<br />
Vielleicht liegt darin das Geheimnis<br />
und die Lebensfreude meines Berufs:<br />
Immer wieder einen neuen<br />
<strong>Anfang</strong> zu wagen.<br />
login // leben Frühjahr 2008
Fotos: Georg Helmes<br />
8<br />
Wissensmanagement<br />
Berufliches Wissen setzt sich<br />
aus Kenntnissen durch Ausund<br />
Fortbildung und Berufserfahrung<br />
zusammen. Dazu<br />
kommt der Austausch unter<br />
Kollegen und das Know-how<br />
der Arbeitgeberseite.Wissensmanagement<br />
besteht darin,<br />
dieses gesammelte Wissen<br />
allen Beteiligten zugänglich zu<br />
machen. Beispielsweise über<br />
eine Plattform wie WikoR, die<br />
speziell auf die Wünsche von<br />
Beschäftigten der Rechtsämter<br />
zugeschnitten ist. Das Plattformprinzip<br />
ist jedoch überall<br />
gleich und kann für das Wissensmanagementunterschiedlicher<br />
Ämter und Abteilungen<br />
genutzt werden. wen<br />
plugin // Wissen, was Recht ist<br />
Über die Tauschbörse WikoR können Rechtsämter<br />
ihr Wissen teilen<br />
von Barbara Wennmacher<br />
In Musiktauschbörsen werden – teilweise illegal – jede Menge Songs und bisweilen<br />
ganze Alben von Bands untereinander getauscht.Wieso sollte es nicht<br />
möglich sein, auch Rechtsämter untereinander Dokumente tauschen zu lassen –<br />
auf ganz legalem Wege? Aus dieser Idee entstand das Projekt und die Wissenstauschbörse<br />
WikoR, kurz für Wissensmanagement für kommunale Rechtsämter.<br />
Auf der Plattform können Juristen, die für Kommunen arbeiten, ihre Gutachten<br />
und erstrittenen Urteile hoch laden und Kollegen zur Verfügung stellen. Sie<br />
können Fragen in Foren einstellen und miteinander diskutieren oder sie als<br />
Suchwort eingeben und in der gesamten Börse danach suchen lassen.WikoR<br />
ist über das Internet erreichbar, aber nicht öffentlich zugänglich: Ein Benutzerkonto<br />
bekommt nur, wer in einem Rechtsamt oder in einer Verwaltung arbeitet<br />
oder auf die Plattform eingeladen wird. Den Prototypen entwickelte Peter<br />
Kehren von der <strong>regio</strong> <strong>iT</strong> aachen, indem er die Anforderungen der Rechtsämter<br />
technisch umsetzte.<br />
„Fast schade, dass das Projekt zu Ende ist.“ Michael Klee, Jurist im Rechtsamt<br />
der Stadt Aachen, hat gute Erfahrungen mit der Entwicklung von WikoR gemacht.<br />
Er leitete für die Stadt Aachen das Projektbüro für die geplante Plattform.<br />
Das bedeutete für ihn und seine Kollegen viel Arbeit. Hat sie sich gelohnt?<br />
„Auf jeden Fall“, sagt Klee, „allein die Kontakte, die wir zu anderen Rechtsämtern<br />
geknüpft haben, und die Erfahrung, wie gut wir zusammen arbeiten<br />
können, waren die Mühe wert.“<br />
Informatiker und Juristen – zwei Welten, ein Projekt<br />
Drei Jahre lang tüftelte die <strong>regio</strong> <strong>iT</strong> gemeinsam mit ihren Partnern an der<br />
Plattform. Unterstützt wurde sie von den Fachleuten des Forschungsinstituts<br />
für Rationalisierung von der Universität Aachen. Das Bundesministerium für<br />
Wirtschaft förderte die Idee finanziell. Seit vorigem Herbst testen die juristischen<br />
Sachbearbeiter der teilnehmenden Rechtsämter, wie sich die Plattform im Arbeitsalltag<br />
nutzen lässt. „Am <strong>Anfang</strong> hat es schon ein paar Minuten gedauert,<br />
login // vernetzen Frühjahr 2008<br />
bis ich angemeldet war“, sagt Juristin Elisabeth Pieger, die WikoR in Aachen betreut.<br />
„seitdem weiß ich, was das Wort ‚Testsystem’ bedeutet. Inzwischen kann<br />
ich mit der Plattform richtig gut arbeiten.“ Beim Test des Prototypen gab es<br />
unter den beteiligten Juristen regelrechte Rennen darum, wer die meisten Dokumente<br />
einstellt.<br />
Die Verwaltungen von Kreisen, Städten und Gemeinden sind häufig die ersten,<br />
die ein neues Gesetz vor Ort umsetzen müssen, das die Regierung beschlossen<br />
hat. Und die ersten, die merken, wie viel Widerspruch es hervorruft. Bis sich<br />
eine klare Rechtssprechung herausbildet, können Jahre vergehen. Auf dem Weg<br />
dorthin muss das neue Gesetz meist erst einmal ausgelegt werden. Um diese<br />
Auslegung wird gestritten, wie beispielsweise die vielen Klagen zeigen, die gegen<br />
das Hartz-IV-Gesetz laufen. Um für diesen Streit gerüstet zu sein, greifen die zuständigen<br />
Ämter von Seiten der Städte und Gemeinden auf das Wissen zurück,<br />
das sich im Lauf der Zeit vor Ort sammelt, etwa Gutachten und Entscheidungen<br />
von Verwaltungsgerichten. In Fällen, in denen Kommunen vor Gericht unterliegen,<br />
werden die Urteile in der Regel von den Anwälten veröffentlicht, die den<br />
Streit gewonnen haben. Gewinnt dagegen eine Kommune einen Rechtsstreit,<br />
sammelt sie die Urteile meist nur intern. So kämpft jede Kommune für sich allein<br />
und greift nur selten auf das Erfahrungswissen anderer Verwaltungen zurück –<br />
obwohl Gesetze und Verordnungen immer komplexer werden.<br />
Warten auf den Start<br />
Seit Dezember 2007 ist der Prototyp fertig. „Prototyp, das heißt, die Plattform<br />
funktioniert zu 90 Prozent“, sagt Rolf Mosemann, bei der <strong>regio</strong> <strong>iT</strong> für das Projekt<br />
verantwortlich. „Jetzt sind wir dabei, an den Feinheiten zu schrauben: Stabilität<br />
und Schnelligkeit.“ Die Rechtsämter, die am Projekt beteiligt sind, warten<br />
darauf, dass es endlich losgeht. Die häufigste Frage, die Elisabeth Pieger vom<br />
Projektbüro derzeit zu hören bekommt, lautet: „Wann kommt WikoR denn?“<br />
Im Mai ist es soweit.<br />
login // vernetzen Frühjahr 2008<br />
Linkes Foto: WikoR-Entwickler<br />
Peter Kehren von der <strong>regio</strong> <strong>iT</strong><br />
Rechtes Foto: Michael Klee und<br />
Elisabeth Pieger vom Rechtsamt<br />
der Stadt Aachen<br />
WikoR in Zahlen<br />
Entwicklungszeit<br />
3 Jahre<br />
Lines of Code<br />
(Programmiererjargon<br />
für Programmzeilen)<br />
88.000<br />
Hochgeladene Dokumente<br />
im Februar 2008<br />
rund 400<br />
Wissenskategorien<br />
76 Rechtsgebiete und<br />
132 Schlagworte<br />
Beteiligte<br />
<strong>regio</strong> <strong>iT</strong> aachen, Rechtsämter<br />
der Städte Aachen, Essen,<br />
Mühlheim/Ruhr, Oberhausen<br />
und des Kreises Bad Segeberg,<br />
Forschungsinstitut für Rationalisierung<br />
der Universität Aachen,<br />
ZLW/IMA der RWTH Aachen,<br />
neofonie<br />
wen<br />
9
10<br />
visionen // Alles auf <strong>Anfang</strong><br />
von Marie Lampert<br />
Als Heidi Klum fürs Modeln zu alt<br />
wurde, erfand sie sich einen neuen<br />
Job und wurde Moderatorin und<br />
Produzentin einer Model-Show.<br />
Dieter Hecking wurde vor zwei<br />
Jahren bei Alemannia Aachen noch<br />
als Super-Coach gefeiert, heute<br />
trainiert er die Fußballer von Hannover<br />
96.Weil ihn die Krise der<br />
Baubranche um den Schlaf brachte,<br />
suchte Architekt Hubert Binder<br />
nach einer Alternative. Heute ist<br />
er Sachverständiger für barrierefreies<br />
Bauen.<br />
Veränderung kommt von allein.<br />
Ob sie uns gerade in den Kram<br />
passt oder nicht.Trifft der Wandel<br />
die Konjunktur, prägt er eine<br />
Branche, lässt Chefs zu Tyrannen<br />
mutieren und zerstört Familien<br />
durch Dauerstress.Wandel kann<br />
auch heißen, dass die einst geliebte<br />
Arbeit zur Routine wird oder<br />
sich der Job mit attraktiver Perspektive<br />
als Sackgasse entpuppt.<br />
Wir haben nicht alles in der Hand.<br />
Aber statt uns als Opfer von Veränderungen<br />
zu fühlen, können wir<br />
uns im Wandel bewähren und<br />
die Weichen neu stellen. „Change-<br />
Management“ betreiben, wie es<br />
im Führungskräfte-Deutsch heißt.<br />
Wandel beginnt schleichend. Die<br />
erste Stufe ist oft begleitet von<br />
Unzufriedenheit, von Ahnungen<br />
und Gedanken der Art: Müsste ich<br />
vielleicht etwas tun? Einen Plan<br />
fassen? Der Architekt denkt nachts,<br />
wenn er nicht schlafen kann: Der<br />
Aufschwung muss kommen. Ich<br />
warte, bis wieder mehr Geld in den<br />
Denkmalschutz fließt.Wer vom<br />
Wandel erfasst wird, will das zunächst<br />
meist nicht wahrhaben.<br />
Statt sich auf den Weg zu machen,<br />
steckt der Held in dieser Phase<br />
seine Energie in die Abwehr: Alles<br />
soll bleiben, wie es ist. Oder wieder<br />
so werden, wie früher einmal<br />
war.<br />
So geht es nicht<br />
weiter!<br />
Die zweite Stufe ist von Einsicht<br />
geprägt. Der Held erkennt: So<br />
geht es nicht weiter. Es muss etwas<br />
geschehen, sonst sehe ich alt aus.<br />
Aber was? Er beginnt abzuwägen,<br />
quält sich mit Zweifeln, hadert<br />
mit seinem Schicksal. Der Fußballtrainer<br />
fragt sich: Fünf Jahre Fernbeziehungs-Familienleben.<br />
login // leben Frühjahr 2008<br />
Drei Jahre von Lübeck nach Bad<br />
Nenndorf 230 Kilometer, jetzt von<br />
Aachen nach Bad Nenndorf 320<br />
Kilometer. Kann das so weitergehen<br />
mit Frau und fünf Kindern?<br />
Unmerklich verschieben sich die<br />
Gewichte in der Skala des Abwägens.<br />
Irgendwann hat der Held<br />
genug gezweifelt. Zuversichtlich<br />
und begleitet vom Gefühl des Aufbruchs<br />
betritt er die dritte Stufe:<br />
Er will sein Leben nun in die Hand<br />
nehmen. Er nimmt die Vorteile in<br />
Augenschein, die durch eine Veränderung<br />
entstehen und sucht gezielt<br />
nach Lösungen:Wie bleibt ein<br />
Model erfolgreich, ohne selbst zu<br />
modeln? Welcher Weg führt in die<br />
Nähe von Bad Nenndorf, welche<br />
Vereine kommen in Frage?<br />
Jetzt heißt es handeln. Sich das<br />
neue Leben ganz genau vorstellen.<br />
Wie komme ich ans Ziel? Handlungsschritte<br />
entwerfen, Zeitpläne<br />
machen, das eigene Netzwerk<br />
aktivieren.<br />
Der fünfte Schritt heißt dranbleiben.<br />
Ideen konsequent umsetzen<br />
und sich von Rückschlägen nicht<br />
entmutigen lassen. Nicht daran<br />
verzweifeln, dass alles länger dauert<br />
als geplant und sich nicht von<br />
Zwischenlösungen verlocken lassen.<br />
Dieter Hecking bekam 2005<br />
ein Angebot vom VfL Wolfsburg,<br />
nur noch 114 Kilometer bis Bad<br />
Nenndorf. Er lehnte ab, blieb in<br />
Aachen, wartete auf ein besseres<br />
Angebot und stieg derweil mit der<br />
Alemannia in die erste Bundesliga<br />
auf, was seinen Marktwert und<br />
damit seine Chancen auf einen<br />
Wechsel nach Wunsch erhöhte.<br />
Dranbleiben, das kann auch heißen,<br />
sich einen Plan B zu machen und<br />
einen Schritt oder zwei zurückzugehen.<br />
login // leben Frühjahr 2008<br />
Bis schließlich die Stufe in ein<br />
neues Leben erklommen werden<br />
kann. Jetzt gilt es, Fuß zu fassen,<br />
sich einzurichten und den neuen<br />
Zustand zu stabilisieren. Als Moderatorin<br />
einer Modelshow. Oder<br />
als Nachfolger eines abgedrehten<br />
Trainers Peter Neururer bei<br />
Hannover 96. Näher geht’s nicht:<br />
Nun liegen nur noch 36 Kilometer<br />
zwischen Fußballplatz und Familienleben.<br />
Weichen neu<br />
zu stellen, ist<br />
niemals ein Indiz<br />
für Scheitern.<br />
Der Architekt Hubert Binder<br />
bedauert, dass Planen und Konstruieren,<br />
Licht führen und Linien<br />
gestalten, nicht mehr zu seinem<br />
täglichen Brot gehören. Aber er<br />
ist erleichtert, dass er sich als<br />
Sachverständiger für barrierefreies<br />
Bauen nicht länger mit Handwerkern<br />
herumärgern muss, keine<br />
Bauaufsicht mehr führen und keine<br />
Budgets mehr verwalten muss.<br />
Er hat jetzt auf eine andere Weise<br />
mit Kunden zu tun und findet das<br />
bereichernd.Wer ihn fragt, ob er<br />
in seinem Beruf gescheitert sei,<br />
erntet einen verständnislosen Blick.<br />
Idiotische Frage! Weichen neu zu<br />
stellen, ist niemals ein Indiz für<br />
Scheitern.<br />
Es ist ein Zeichen für Weiterentwicklung.<br />
Ein Zeichen, dass jemand<br />
in der Lage ist, sich an veränderte<br />
Umstände anzupassen. Entscheidend<br />
für diese Fähigkeit zum Richtungswechsel<br />
ist der Mut zum<br />
Wandel, das Wissen, wie man ihn<br />
auf die Beine stellt – und die Treue<br />
zu sich selbst.<br />
Willy Brandt trat 1974 als Bundeskanzler<br />
zurück, weil sein Referent<br />
Günter Guillaume als Spion der DDR<br />
enttarnt wurde. Als er die Bürde des<br />
Kanzleramts – ungewollt – gerade<br />
losgeworden war, musste er sich<br />
gründlich neu sortieren. Der damalige<br />
Bundespräsident Heinemann fragte<br />
ihn, wie das war, kurz nach dem Rücktritt:<br />
„Ach, Gustav, ich war zum ersten<br />
Mal seit langem wieder fröhlich.“<br />
mla<br />
„Nur wer sich ändert, bleibt sich<br />
treu.“ Diesen Songtitel von Wolf<br />
Biermann zitieren selbst politische<br />
Gegner des Liedermachers gern. Der<br />
Musiker überschrieb damit ein Lied<br />
über sein Leben, in dem er erzählt,<br />
wie er mit sechzehn von Hamburg<br />
aus „nach drüben“ abgehauen ist,<br />
seine anschließende Enttäuschung<br />
über die „roten Götzen“ und schließlich<br />
seine Ausbürgerung aus der DDR<br />
1976 und seine Probleme mit dem<br />
Westen. fab<br />
11
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© Tatarszkij-Fotolia.com<br />
Honeypot [’hanipot], (engl.) 1. Honigtopf m,<br />
2. Programm, das Angriffe auf Computer-<br />
Netzwerke protokolliert<br />
links unten //<br />
Wer mehr über Teergruben<br />
wissen will:<br />
http://de.wikipedia.org/<br />
wiki/Teergrube<br />
18<br />
mein digitaler alltag //<br />
Was ist eigentlich… ein Honeypot?<br />
von Thorsten Denkler<br />
Pu der Bär ist bekannt dafür, dass er keinen Honigtopf stehen lassen kann.<br />
Er würde es ja gern – wenn die klebrige Masse nur nicht so lecker wäre. Und<br />
so tappt der kleine Bär „von sehr geringem Verstand“ immer wieder gehörig<br />
in die Falle, weil er seiner Schwäche für den goldgelben Saft nachgibt.<br />
Mit Honigfallen werden nicht nur kleine Bären in Kinderbüchern dingfest gemacht.<br />
Sondern auch böswillige Hacker und Versender von unerwünschten<br />
Werbemails im Internet angelockt. Dabei simuliert ein Honigtopf-Programm<br />
vermeintliche Sicherheitslücken eines einzelnen Rechners oder gar ein vollständiges<br />
verführerisch-ungeschütztes Netzwerk. Kommt der Hacker mit diesen<br />
verlockenden Schwachstellen in Kontakt, hinterlässt er, ohne es zu merken,<br />
klebrige Spuren. Diese Spuren helfen, den Angreifer zu identifizieren, seine Taktik<br />
zu analysieren und ihn zu stoppen.<br />
Ähnlich verhängnisvoll ist es für Angreifer aus dem Netz, wenn sie in eine Teergrube<br />
geraten. Diese digitale Falle verkleidet sich meist als Server, das heißt<br />
als Computer, der in einem Netzwerk anderen Rechnern seine Dienste zur<br />
Verfügung stellt, etwa E-Mails für sie verschickt. Baut ein Hacker eine Verbindung<br />
zu dem vermeintlichen Server auf, um seine Würmer oder Werbemails zu<br />
versenden, signalisiert dieser: Alles klar, schick mir deine Post, ich verteile sie<br />
weiter. Doch die Antworten, die für jedes einzelne zu verschickende Datenpaket<br />
nötig sind, tröpfeln zäh wie flüssigerTeer im Zeitlupentempo über die Leitung.<br />
Der Spammer wird in einer Art endlosen Warteschleife gehalten, ohne<br />
jemals durchgestellt zu werden, ähnlich wie bei manchen Telefon-Hotlines.<br />
Der erwünschte Effekt einer Teergrube: Irgendwann macht bei dieser Blockade<br />
keiner mehr mit, weil sich der Spam-Versand durch die Warterei so sehr ausdehnt,<br />
dass er sich bei diesem Server nicht länger lohnt. Natürlich wissen auch<br />
Hacker, dass Firmennetzwerke sich mit digitalen Fallen vor ihnen schützen –<br />
wenn diese nur nicht so verlockend wären…<br />
login // wissen Frühjahr 2008