Frauen in Essen - Historischer Verein für Stadt und Stift Essen e.V.

Befragung von Zeitgenossen
Befragungen von Zeitgenossen sind für die Alltagsgeschichte
sehr wichtig. Viele alltägliche
Lebensumstände könnt Ihr aus den Erzählungen
älterer Menschen oft anschaulicher erfahren als
aus schriftlichen Zeugnissen. Die Bedeutung
der mündlich überlieferten Geschichte liegt vor
allem in der Vermittlung von Sichtweisen und
unterschiedlichen Auffassungen. Viele wertvolle
Erfahrungen und Gedanken sind niemals aufgeschrieben
worden. Es ist daher eine wichtige
Aufgabe, ihre Überlieferung zu sichern, solange
die Augenzeugen noch leben.
Befragungen und ihre Auswertung sind schwierig.
Ihr könnt aufgrund der mündlichen Berichte
leicht ein verzerrtes Bild von der damaligen Wirklichkeit
bekommen. »Dabei gewesen zu sein«
heißt – genau wie heute – nicht, alles zu wissen
und verstanden zu haben. Selbst wenn die
Befragten sehr ehrlich sind und besonders gründlich
nachdenken, bleibt ihr Gedächtnis immer
lückenhaft und ungenau. Erinnerungen an eine
Jugend – selbst in schrecklichen Zeiten – fallen
oft zu rosig aus. Auch vermischt sich bei jedem
die frühere Sicht der Erlebnisse untrennbar mit
seinen heutigen Auffassungen.
Bei der Durchführung und Auswertung von Befragungen
muss man vieles berücksichtigen:
1. Vorwissen
• Wichtig ist, dass Ihr über Euer Untersuchungsbeispiel
bereits einige Kenntnisse habt. Je mehr
Ihr vor der Befragung wisst, desto genauer könnt
Ihr fragen. Ohne Vorkenntnisse könnt Ihr auch
die erfragten Informationen nicht beurteilen und
das Gesprächsergebnis nicht in einen größeren
Zusammenhang einordnen.
2. Auswahl der Gesprächspartner
• Nicht jeder weiß über alles Bescheid. Überlegt
deshalb zunächst, welcher Personenkreis für
Euer Thema in Frage kommt. Vielfach ist es ratsam,
sich an entsprechende Organisationen
zu wenden. Ihr könnt auch durch einen Aufruf
in der Lokalzeitung Interviewpartner suchen.
Um kein einseitiges Bild zu bekommen, solltet
Ihr zu demselben Ereignis oder Thema verschiedene
Personen befragen.
3. Vorgehensweise bei der Befragung
• Vereinbart einen Gesprächstermin. Befragungen
auf der Straße sind unergiebig.
• Überlegt Euch vor dem Gespräch einige Fragen.
Bedenkt dabei, dass ältere Personen oft nicht
knapp und präzise antworten, sondern weit ausholen
und Zeit brauchen, um nachzudenken
oder sich warm zu reden.
• Hört auch bei den Dingen, die scheinbar nicht
zu Eurer Frage passen, genau hin und hakt bei
interessanten Ansatzpunkten nach.
• Zeichnet das Gespräch mit Kassettenrecorder
auf, notfalls auch mit Stichworten. Macht vor
dem Gespräch eine Probeaufnahme von einer
Interviewsituation. Berücksichtigt, dass viele
Menschen eine Scheu davor haben, zu einem
heiklen Thema auf Band zu sprechen.
• Sorgt für ein sachliches und offenes Gesprächsklima.
Informiert Eure Gesprächspartner genau
über den Zweck Eurer Untersuchung und bietet
ihnen an, ihre Aussagen anonym zu verwenden.
Wenn Eure Gesprächspartner auf Anonymität
Wert legen, müsst Ihr diesen Wunsch – auch aus
rechtlichen Gründen – sehr genau einhalten.
• Notiert wichtige Lebensdaten der Gesprächspartner,
ihre Berufe etc. sowie Datum und Dauer
des Gesprächs.
• Es kann sinnvoll sein, zwei oder mehr Besuche
zu machen, vor allem bei Menschen, die Ihr
nicht kennt. In einem ersten Gespräch solltet
Ihr allgemeine Informationen über die Lebens-
Befragung von Zeitgenossen
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