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Allgemeine Grundlagen der zahnärztlichen Begutachtung

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Management<br />

<strong>Allgemeine</strong> <strong>Grundlagen</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>zahnärztlichen</strong> <strong>Begutachtung</strong><br />

Das Wort des Gutachters hat im Gerichtsprozess Gewicht. Denn die wissenschaftlich fundierte Darstellung des<br />

Streitfalls ist die Entscheidungsgrundlage für den Richter, <strong>der</strong> selbst nicht über zahnmedizinische Fachkenntnisse<br />

verfügt. Daher muss eine <strong>Begutachtung</strong> mit äußerster Sorgfalt durchgeführt werden – zumal <strong>der</strong> Gutachter<br />

für die sorgfältige Erstellung des Gutachtens haftbar ist.<br />

Aus Sicht des Sachverständigen stellt Dr. Hans Ulrich Brauer im Folgenden wichtige Aspekte <strong>der</strong> <strong>zahnärztlichen</strong><br />

<strong>Begutachtung</strong>skunde im Zivilprozess dar, von <strong>der</strong> Funktion des Gutachtens über die Rolle des Gutachters bis hin<br />

zur Vorgehensweise und den Haftungsfragen. Eine hilfreiche Übersicht über die aktuelle Literatur zum Thema<br />

gibt <strong>der</strong> Autor ebenfalls.<br />

Jede zahnärztliche Behandlung enthält<br />

potenziellen Streitstoff. Dies ist<br />

naturgemäß die Folge eines unterschiedlichen<br />

Informationsstandes von<br />

Patient und Zahnarzt, ihrer mögli­<br />

Dr. Hans Ulrich Brauer, M. A.<br />

1995–2001 Studium <strong>der</strong> Zahnmedizin<br />

an <strong>der</strong> Albert­Ludwigs­Universität<br />

Freiburg und <strong>der</strong> Eberhard­Karls­<br />

Universität Tübingen<br />

2001 Zahnärztliches Staatsexamen<br />

und Approbation<br />

2001 Promotion zum Dr. med.<br />

dent.<br />

cherweise divergierenden Erwartungen<br />

23 und <strong>der</strong> Emotionshaftigkeit des<br />

Menschen bei ausbleibendem Therapieerfolg.<br />

Zum Glück enden <strong>der</strong>artige<br />

Fälle vergleichsweise selten vor<br />

2002–2003 Assistent in freier Praxis<br />

in Mannheim<br />

2003–2006 Mitarbeiter an <strong>der</strong> Akademie<br />

für Zahnärztliche Fortbildung<br />

Karlsruhe<br />

12/2005 Ernennung zum Stv. Oberarzt<br />

2005–2007 Masterstudiengang Integrated<br />

Practice in Dentistry an <strong>der</strong><br />

Otto­von­Guericke­Universität<br />

Magdeburg. Masterarbeit „Das zahnärztliche<br />

Gutachten im Zivilprozess.“<br />

Seit 12/2006 Oralchirurgische Weiterbildung<br />

in <strong>der</strong> Praxisklinik Dr. Dr.<br />

A. Foernzler in Esslingen<br />

Während <strong>der</strong> Tätigkeit an <strong>der</strong> Akademie<br />

für Zahnärztliche Fortbildung,<br />

Karlsruhe, zahlreiche Sachverständigengutachten<br />

für Gerichte in Baden­Württemberg<br />

und Rheinland­<br />

Pfalz erstellt. Mo<strong>der</strong>ator <strong>der</strong> Kursreihe<br />

„Aufbautraining zum <strong>zahnärztlichen</strong><br />

Sachverständigen“.<br />

126<br />

© Tobias Zeller/PIXELIO<br />

Gericht. Jedoch haben zivilrechtliche<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzungen zwischen<br />

Zahnarzt und Patient zugenommen,<br />

insbeson<strong>der</strong>e nach prothetischen Behandlungen<br />

und implantologischen<br />

Eingriffen, die nicht zu einem aus Patientensicht<br />

befriedigenden Behandlungsergebnis<br />

geführt haben 6,7,8,16,28 .<br />

Vermutlich werden gerichtliche Auseinan<strong>der</strong>setzungen<br />

weiter zunehmen.<br />

Die Ursachen dafür sind vielschichtig.<br />

Beispielhaft anzuführen<br />

sind die gestiegene Erwartungshaltung<br />

<strong>der</strong> Patienten und die zunehmende<br />

Anzahl von Rechtsschutzversicherungen<br />

sowie die aktuell vorherrschende<br />

Rechtsprechung zur Verletzung<br />

<strong>der</strong> Aufklärungs­ und Dokumentationspflicht<br />

mit Beweiserleich­<br />

terung für den Patienten 7,15 .<br />

Das Gerichtsgutachten – Inhalt<br />

und Funktion | Wo auch nur <strong>der</strong><br />

Verdacht eines ärztlichen Behandlungsfehlers<br />

mit spürbarem Gesundheitsschaden<br />

aufkommt, ruft man in<br />

aller Regel nach dem ärztlichen<br />

Sachverständigen. Das überzeugende<br />

Gutachten einer kompetenten Person,<br />

das den Verdacht bestätigt o<strong>der</strong><br />

wi<strong>der</strong>legt, beendet häufig den Streit<br />

und vermag bereits Rechtsfrieden<br />

ZMK | Jg. 24 | Ausgabe 3 _______________ März 2008


Management<br />

und oft auch das Vertrauen in die<br />

Funktionsfähigkeit <strong>der</strong> Gesundheitsversorgung<br />

wie<strong>der</strong>herzustellen, ohne<br />

dass es dazu <strong>der</strong> Hilfe <strong>der</strong> Justiz bedarf<br />

24 . Gutachten werden auch eingeholt,<br />

da ansonsten <strong>der</strong> Jurist seine<br />

verfahrensrechtliche Pflicht, den Sachverhalt<br />

zu ermitteln, nicht hinreichend<br />

erfüllen kann. Einbezogen in einen<br />

Entscheidungsprozess erfüllt <strong>der</strong><br />

Sachverständige bei <strong>der</strong> Feststellung<br />

von Tatsachen in <strong>der</strong> Zahnmedizin finale<br />

Aufgaben. Über 90 Prozent <strong>der</strong><br />

Richter folgen den Ausführungen <strong>der</strong><br />

<strong>zahnärztlichen</strong> Sachverständigen 26 .<br />

Daher kommen die Bezeichnungen<br />

„Richter in Weiß“ bzw. „Richter im<br />

weißen Kittel“ für den medizinischen<br />

Sachverständigen zustande 5,22 .<br />

Der zahnärztliche Gutachter ordnet<br />

und legt den zahnmedizinischen<br />

Sachverhalt dar, macht ihn somit zur<br />

Rechtsanwendung transparent und<br />

vermittelt letztlich zahnärztliche Sachkunde<br />

(s. Tab. 1). Zu beantworten hat<br />

<strong>der</strong> Sachverständige regelmäßig die<br />

Frage, ob unter den gegebenen, konkreten<br />

Bedingungen die zahnärztliche<br />

Behandlung zum entsprechenden<br />

Zeitpunkt dem allgemein anerkannten<br />

Stand des zahnmedizini­<br />

schen Wissens entsprochen hat 9 . Ankermann<br />

formuliert hierzu, dass <strong>der</strong><br />

zahnärztliche Sachverständige darlegen<br />

soll, wie <strong>der</strong> erfahrene Zahnmediziner<br />

die Behandlung des Patienten<br />

hätte anpacken müssen 2 . Ein zahnärztliches<br />

Gerichtsgutachten dient somit<br />

<strong>der</strong> Hauptaufgabe, einen strittigen<br />

Sachverhalt mit zahnmedizinischer<br />

Fachkunde zu klären 10,12,16,17,21,<br />

23,24,29 .<br />

Neben dem Richter, dem Patienten,<br />

dem Zahnarzt und den Rechtsanwäl­<br />

Aufgaben eines zahnmedizinischen Sachverständigengutachtens:<br />

• Ordnung und Darlegung des strittigen Sachverhalts<br />

• Klärung des zahnmedizinischen Sachverhalts<br />

• Herstellung von Transparenz, um den Fall rechtsanwendbar zu machen<br />

• Vermittlung von Sachkunde<br />

• Beschreibung „zahnmedizinischer Behandlungsstandards“<br />

• Vertrauensbildung in funktionierende, zahnmedizinische Gesundheitsversorgung<br />

Tab. 1<br />

ten bei<strong>der</strong> Parteien, die sich mit dem<br />

Gutachten mittelbar auseinan<strong>der</strong>setzen,<br />

beschäftigen sich unter Umständen<br />

noch weitere Akteure mit dem<br />

vom Sachverständigen verfassten<br />

Gutachten. Diese sind in Abbildung 1<br />

dargestellt. Ein selbstständiges Beweisverfahren<br />

ist (noch) keine gerichtliche<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung. Das<br />

Beweissicherungsverfahren dient lediglich<br />

<strong>der</strong> Feststellung von Tatsachen,<br />

die dann gegebenenfalls in<br />

einem Anschlussverfahren Beweiswert<br />

haben. Dies bedeutet, ein Beweissicherungsverfahren<br />

ist dann<br />

sinnvoll, wenn zu befürchten ist, dass<br />

Beweismittel verloren gehen. Diese<br />

Feststellung wird wie<strong>der</strong>um durch ein<br />

Sachverständigengutachten getroffen<br />

26 . Die Rechtsgrundlagen sind in<br />

<strong>der</strong> Zivilprozessordnung (§§ 485–494<br />

ZPO) verankert.<br />

Die Rolle und Stellung des Gutachters<br />

| Durch seine Approbation<br />

ist <strong>der</strong> Arzt öffentlich „zur Ausübung<br />

<strong>der</strong> medizinischen Wissenschaft“ bestellt<br />

17 . De jure gilt <strong>der</strong> approbierte<br />

Zahnarzt als Sachverständiger. Wenn<br />

es im Laufe eines Verwaltungsverfahrens<br />

und des gerichtlichen Instanzenzuges<br />

im Rechtsstreit zu mehreren<br />

<strong>Begutachtung</strong>en kommt, ist keines<br />

<strong>der</strong> Gutachten als Obergutachten zu<br />

bezeichnen 21 . Keiner <strong>der</strong> Sachverständigen<br />

ist kraft einer beson<strong>der</strong>s<br />

herausgehobenen Stellung an<strong>der</strong>en<br />

übergeordnet. Verfahrensrechtlich<br />

gibt es im Sachverständigenbeweis<br />

keine Rangordnung 13,29 . Gleichwohl<br />

taucht dieser Begriff in <strong>der</strong> juristischen<br />

Sekundärliteratur auf und wird<br />

von Rechtsanwälten gehäuft verwendet.<br />

128<br />

Ein Sachverständigengutachten soll,<br />

wie bereits ausgeführt, die fehlende<br />

Sachkunde des Entscheidungsgremiums<br />

ersetzen. Dies geschieht, wenn<br />

<strong>der</strong> Gutachter seinerseits zweifelsfrei<br />

über die Sachkunde verfügt, die zur<br />

Beurteilung gerade des zur Entscheidung<br />

anstehenden Sachverhalts erfor<strong>der</strong>lich<br />

ist. Zwar muss <strong>der</strong> Sachverständige<br />

nicht zwangsläufig jede zu<br />

begutachtende Tätigkeit selbst irgendwann<br />

einmal ausgeübt o<strong>der</strong> sogar<br />

angesichts rasanter Fortschritte<br />

<strong>der</strong> Medizin auf einzelnen Gebieten<br />

zeitnah ausgeführt haben, aber er<br />

muss sich die Frage stellen lassen und<br />

vor <strong>der</strong> Annahme des Gutachtens<br />

selbst stellen, ob er die Sachlage zuverlässig<br />

beurteilen kann 18,24 .<br />

Gegen den Sachverständigen sollte<br />

selbstverständlich nicht die Besorgnis<br />

<strong>der</strong> Befangenheit bestehen; angenommen<br />

wird diese z. B. beim Lehrer­<br />

Schüler­ o<strong>der</strong> Kollegenverhältnis im<br />

Studium o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Weiterbildung, bei<br />

<strong>der</strong> Zusammenarbeit in Buch­ o<strong>der</strong><br />

Zeitschriftenveröffentlichungen o<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong>gleichen o<strong>der</strong> wenn <strong>der</strong> Gutachter<br />

gegenwärtiger o<strong>der</strong> früherer Behandler<br />

des Patienten ist 13,16,17,24 . Dabei<br />

kann Befangenheit aus allen Gründen<br />

resultieren, die vom Standpunkt des<br />

Ablehnenden aus gesehen ein Misstrauen<br />

gegen den Sachverständigen<br />

gerechtfertigt erscheinen lassen 25 .<br />

Spezifische Anfor<strong>der</strong>ungen an<br />

Gutachter und Gutachten | Die Anfertigung<br />

eines wissenschaftlich begründeten<br />

Gutachtens ist eine verantwortungsvolle,<br />

oftmals schwierige<br />

ärztliche Aufgabe 17 . Der kranke bzw.<br />

Hilfe suchende Mensch, <strong>der</strong> Anspruch<br />

auf verständnisvolle Zuwendung, angemessene<br />

Untersuchung und fachkompetente,<br />

objektive Beurteilung<br />

hat, sollte hierbei immer im Mittelpunkt<br />

bleiben 17 .<br />

Der durch den Sachverständigen erhobene<br />

Beweis findet seinen rechtlichen<br />

Ursprung in <strong>der</strong> Zivilprozessordnung<br />

(§§ 402–414 ZPO). Diese<br />

Vorschriften sind in den Kommentaren<br />

zur Zivilprozessordnung näher<br />

erläutert. Eine umfassende Darstellung<br />

<strong>der</strong> Sachverständigentätigkeit<br />

aus juristischer Sicht geben das Hand­<br />

ZMK | Jg. 24 | Ausgabe 3 _______________ März 2008


ZAHNARZT<br />

RECHTSANWALT<br />

DES ZAHNARZTES<br />

Abb. 1: Das Spannungsfeld zahnärztlicher Sachverständigen-<br />

gutachten (aus Brauer 4 ).<br />

buch „Der gerichtliche Sachverständige“<br />

14 und das von Bayerlein herausgegebene<br />

Werk „Praxishandbuch<br />

Sachverständigenrecht“ 3 . Über die<br />

Pflichten des medizinischen Sachverständigen<br />

aus höchstrichterlicher<br />

Sicht informiert Müller 19 . Der Sachverständige<br />

hat, so steht es in <strong>der</strong> Zivilprozessordnung,<br />

sein Gutachten<br />

unparteiisch und nach bestem Wissen<br />

und Gewissen zu erstatten (§ 410<br />

Abs. 1 ZPO). Insofern hat sich <strong>der</strong><br />

Zahnarzt als Sachverständiger vor An­<br />

ZMK | Jg. 24 | Ausgabe 3 _______________ März 2008<br />

nahme eines Gutachtens<br />

zu fragen,<br />

ob er die Fragen im<br />

Beweisbeschluss<br />

des Gerichtes sowohl<br />

zuverlässig<br />

und kompetent als<br />

auch objektiv und<br />

neutral beantworten<br />

kann (s. Tab. 2).<br />

Prinzipiell gilt, dass<br />

medizinische Gutachten<br />

zeitnah zum<br />

Gutachtenauftrag<br />

und unverzüglich<br />

nach <strong>der</strong> Untersuchung<br />

des zu Begutachtendenerstellt<br />

werden sollten<br />

1,18 .<br />

Gutachterliche<br />

U n t e r s u c h u n g<br />

und Abfassung<br />

des Gutachtens |<br />

Zur Erstellung eines<br />

medizinischen<br />

Sachverständigengutachtens<br />

ist nach<br />

dem Aktenstudium<br />

in aller Regel zunächst eine Untersuchung<br />

des Patienten zur Erhebung<br />

<strong>der</strong> Anamnese und des Befundes notwendig<br />

18 . Lediglich im so genann­<br />

ten Aktengutachten stützt sich die<br />

Klärung <strong>der</strong> Beweisfragen ausschließlich<br />

auf die Gerichtsakte 10,18 . Der<br />

Sachverständige sollte sich bei <strong>der</strong><br />

Anamneseerhebung und gutachterlichen<br />

Untersuchung bemühen, so<br />

Oehler 21 , den Wahrheitsgehalt <strong>der</strong><br />

subjektiven Aussagen zu erhellen und<br />

je nach Fragestellung einen umfas­<br />

Vor Annahme eines Gutachtens hat <strong>der</strong> Sachverständige zu prüfen:<br />

• Ist die Fragestellung des Beweisbeschlusses klar und adäquat?<br />

• Ist die Vorinformation ausreichend?<br />

• Besteht Fachlichkeit?<br />

• Ist die Erstattung des Gutachtens in einem angemessenen Zeitraum<br />

möglich?<br />

• Besteht Unparteilichkeit?<br />

• Liegen spezielle Hin<strong>der</strong>ungsgründe vor?<br />

• Sind noch weitere Unterlagen anzufor<strong>der</strong>n?<br />

Tab. 2<br />

VORGUTACHTER<br />

NACHBEHANDLER<br />

KAMMER (LZK, BZÄK)<br />

ZAHNÄRZTLICHE<br />

PROFESSION<br />

RICHTER<br />

GUTACHTEN<br />

GUTACHTER<br />

RECHTSANWALT<br />

DES PATIENTEN<br />

VERSICHERUNGS-<br />

TRÄGER<br />

ÖFFENTLICHKEIT<br />

STAAT UND<br />

GESELLSCHAFT<br />

PATIENT<br />

129<br />

senden augenblicklichen Befund zu<br />

erheben. Falls erfor<strong>der</strong>lich, wird die<br />

Untersuchung ergänzt durch entsprechende<br />

Röntgenaufnahmen, Abformungen<br />

für Situationsmodelle sowie<br />

extra­ und intraorale Fotodokumentationen<br />

21 . Checklisten, wie<br />

diejenigen von Münstermann 20 , können<br />

als Gedankenstütze während <strong>der</strong><br />

Untersuchung herangezogen werden.<br />

Man sollte sich jedoch stets bewusst<br />

machen, dass eine standardisierte<br />

Kontrolle einer <strong>zahnärztlichen</strong><br />

Behandlung durch festgelegte Parameter<br />

allein nicht möglich ist 27 .<br />

Detaillierte Hinweise zum Abfassen<br />

zahnärztlicher Gutachten finden sich<br />

in dem Standardwerk „Der zahnärztliche<br />

Sachverständige – Behandlungsfehler<br />

in <strong>Begutachtung</strong> und Rechtsprechung“<br />

von Oehler 21 . Über das<br />

„gute“ medizinische Gutachten informiert<br />

Hansis 11 . Die formalen und<br />

inhaltlich­sachlichen Qualitätsanfor<strong>der</strong>ungen<br />

an zahnärztliche Sachverständigengutachten<br />

sind bei Brauer 4<br />

detailliert dargestellt. Häufig stellen<br />

Patientenanwälte infrage, ob <strong>der</strong><br />

Aufklärungspflicht genügt wurde.<br />

Aus höchstrichterlicher Sicht gibt<br />

Stöhr 30 einen Überblick über die Aufklärungspflichten<br />

in <strong>der</strong> Zahnheilkunde<br />

anhand <strong>der</strong> Rechtsprechung. Hier<br />

ist anzumerken, dass Gerichte keine<br />

medizinischen Standards definieren.<br />

Lediglich Ergebnisse bisheriger Sachverständigengutachten,<br />

die zu rechtskräftigen<br />

Urteilen geführt haben,<br />

schlagen sich in solchen Übersichtsarbeiten<br />

nie<strong>der</strong>. Daher sind für den gutachterlich<br />

tätigen Zahnarzt juristische<br />

Ausführungen zu Gerichtsentscheidungen<br />

zwar interessant, aber für die<br />

eigene <strong>Begutachtung</strong> und Beurteilung<br />

strittiger Sachverhalte unerheblich.<br />

Der Behandlungsstandard ist im<br />

Wandel. Bei <strong>der</strong> Würdigung des strittigen<br />

Sachverhalts sollte sich <strong>der</strong> Gutachter<br />

prinzipiell zeitlich, räumlich<br />

und sachlich in die Behandlung zurückversetzen.<br />

Aus <strong>der</strong> Literatur ist zusammenfassend<br />

abzuleiten, dass <strong>der</strong> Sachverständige<br />

ein Gutachten abliefern sollte,<br />

das wissenschaftlich begründet<br />

ist, an<strong>der</strong>erseits aber auch verständlich<br />

ist und sich durch Nachvollzieh­<br />

Management


Management<br />

barkeit auszeichnet. Juristische Wertungen<br />

hat <strong>der</strong> Sachverständige zu<br />

unterlassen. Die zahnmedizinischen<br />

Ausführungen des Gutachters zu bewerten<br />

und auf den Rechtsfall zu<br />

übertragen, ist ureigene richterliche<br />

Aufgabe.<br />

Würdigung des Gutachtens | Der<br />

Richter hat die Aufgabe, das Sachverständigengutachten<br />

in <strong>der</strong> freien Beweiswürdigung<br />

zu verwerten (§ 286<br />

Abs. 1 ZPO). Das heißt, <strong>der</strong> Richter<br />

würdigt nicht nur die erhobenen Beweise,<br />

son<strong>der</strong>n befindet darüber hinaus<br />

über die Wahrheit einer Behauptung<br />

unter Berücksichtigung des gesamten<br />

Inhaltes <strong>der</strong> Verhandlungen<br />

nach seiner freien Überzeugung 5 . Im<br />

Zahnarzthaftungsprozess ist dieses<br />

Ermessen des Tatrichters wegen<br />

<strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen zahnmedizinischen<br />

Sachkunde jedoch stark eingeschränkt.<br />

Daher nimmt das Sachverständigengutachten<br />

in jedem Verfahren<br />

eine Schlüsselrolle ein 11 . So verwun<strong>der</strong>t<br />

es nicht, dass in <strong>der</strong> überwiegenden<br />

Mehrheit <strong>der</strong> Fälle <strong>der</strong><br />

Richter den Ausführungen im Sachverständigengutachten<br />

folgt 8 .<br />

Haftung des Gutachters | Eine zivilrechtliche<br />

Haftung des Gutachters<br />

kann sich ergeben, zum einen durch<br />

eine Haftung wegen Verletzung einer<br />

Vertragspflicht und zum an<strong>der</strong>en wegen<br />

Haftung aus Delikt bzw. unerlaubter<br />

Handlung 18 . Verletzt <strong>der</strong><br />

Sachverständige seine Sorgfaltspflichten<br />

bei <strong>der</strong> Erstellung des Sachverständigengutachtens<br />

und kommt<br />

er aufgrund dessen zu einem unzutreffenden<br />

Ergebnis, so haftet er für<br />

den Schaden, <strong>der</strong> daraus einem <strong>der</strong><br />

Beteiligten entsteht; er verliert darüber<br />

hinaus seinen Honoraranspruch 23 .<br />

Im § 839a BGB ist geregelt: „Erstattet<br />

ein vom Gericht ernannter Sachverständiger<br />

vorsätzlich o<strong>der</strong> grob fahrlässig<br />

ein unrichtiges Gutachten, so<br />

ist er zum Ersatz des Schadens verpflichtet,<br />

<strong>der</strong> einem Verfahrensbeteiligten<br />

durch eine gerichtliche Entscheidung<br />

entsteht, die auf diesem<br />

Gutachten beruht.“<br />

Entschädigung des Sachverständigen<br />

| Der gerichtlich bestellte<br />

Sachverständige hat selbstverständlich<br />

Anspruch auf Entschädigung.<br />

Dieses Honorar richtet sich nicht mehr<br />

nach dem Zeugen­ und Sachverständigengesetz<br />

(ZSEG), son<strong>der</strong>n seit dem<br />

01.07.2004 nach dem Justizvergütungs­<br />

und ­entschädigungsgesetz<br />

(JVEG). Maßstäbe für die Vergütung<br />

des Sachverständigen sind nunmehr<br />

die erfor<strong>der</strong>liche Zeit, <strong>der</strong> Stundensatz<br />

und die Pauschalsätze für beson<strong>der</strong>e<br />

Verrichtungen und Entschädigungen<br />

für Aufwand (vgl. §§ 5–12<br />

JVEG) 25 .<br />

Fazit | Zivilrechtliche Streitigkeiten<br />

nach zahnärztlicher Behandlung haben<br />

zugenommen. Grundkenntnisse<br />

im (Zahn­)Arzthaftungsrecht sind für<br />

Zahnärzte demzufolge unentbehrlich.<br />

Dadurch, dass Richter nicht über die<br />

erfor<strong>der</strong>liche Sachkunde verfügen,<br />

folgen sie mehrheitlich den Ausführungen<br />

im Gutachten. Daher ist die<br />

Erstellung eines <strong>zahnärztlichen</strong> Sachverständigengutachtens<br />

eine beson<strong>der</strong>s<br />

verantwortungsvolle Aufgabe.<br />

Es ist unabdingbar, dass <strong>der</strong> zahnärztliche<br />

Sachverständige den Patienten<br />

eingehend klinisch untersucht. Nach<br />

Reflexion <strong>der</strong> strittigen Behandlung<br />

sollte <strong>der</strong> Gutachter ein wissenschaftlich<br />

begründetes Gutachten, das sich<br />

durch Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit<br />

auszeichnet, erstatten.<br />

Derartige Gutachten erlangen eine<br />

hohe Akzeptanz bei allen Beteiligten.<br />

Die Literaturliste kann unter<br />

www.spitta.de/ZMK­Literaturliste<br />

abgefor<strong>der</strong>t werden.<br />

Korrespondenzadresse:<br />

Dr. med. dent. Hans Ulrich Brauer, M.A.<br />

Zahnarzt, Master of Arts Integrated<br />

Practice in Dentistry<br />

Praxisklinik Dr. Dr. A. Foernzler<br />

Kollwitzstraße 8<br />

73728 Esslingen a.N.<br />

E­Mail: drbrauerhu@aol.de<br />

130<br />

ZMK | Jg. 24 | Ausgabe 3 _______________ März 2008

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