Ingenieure mit Tiefgang - TU Clausthal
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DIE GESAMTEN ERDÖL- UND ERDGASVORRÄTE dieses Planeten sind<br />
naturgemäß beschränkt, irgendwann einmal ist Schluss. Wann die Reserven<br />
allerdings aufgebraucht sind, darüber streiten die Experten. Also<br />
gilt es, das Vorhandene möglichst optimal zu nutzen. „Mutter Natur hat<br />
immer noch eine Überraschung parat“, weiß Dirk Warzecha aus Erfahrung.<br />
Denn was nützt ein angebohrtes Gasfeld, wenn das darin enthaltene<br />
Gas zu 99 Prozent aus Kohlendioxid besteht. „Diese Qualität ist<br />
nicht verkaufbar“, so Dirk Warzecha. Genau dieses „natürliche“ Quäntchen<br />
Ungewissheit, das Nicht-Planbare ist es, das der 41-Jährige an<br />
seinem Beruf so spannend findet. Genauso prickelnd ist es, „wenn die<br />
Lagerstätte zum ersten Mal spricht“ – wenn also die allererste Testbohrung<br />
Gewissheit bringt, ob die von den Geologen und Seismologen<br />
errechneten Schätzwerte reine Phantasie waren oder es nun wirklich<br />
aus der Tiefe herauf „sprudeln“ wird. „Der erste Test entscheidet, wie<br />
produktiv die Lagerstätte ist, wie schnell sie ausgebeutet werden kann<br />
und welche Qualität das Erdöl oder Erdgas hat“, so Warzecha.<br />
Gewaltige Mengen<br />
Rund 20 Millionen Tonnen Erdöl und 25 Milliarden Kubikmeter Erdgas<br />
fördert die deutsche Erdöl- und Erdgasgewinnungsindustrie weltweit.<br />
Aus deutschen Erdölquellen stammen dabei jährlich etwa vier Millionen<br />
Tonnen Erdöl; etwa 20 Milliarden Kubikmeter Erdgas, das meiste davon<br />
in Norddeutschland gewonnen, decken rund ein Fünftel des deutschen<br />
Erdgasbedarfs. Dabei werde es, so der Wirtschaftsverband Erdöl- und<br />
Erdgasgewinnung e.V. (WEG) „immer schwieriger und aufwändiger, neue<br />
Reserven zu erschließen“.<br />
Der Beruf des „Petroleum Engineers“ deckt dabei die gesamte Erdöl-<br />
und Erdgasförderkette ab und lässt sich in vier Berufsfelder einteilen:<br />
Zum einen die Tiefbohrtechnik („Drilling“). Tiefbohringenieure „bringen<br />
die Bohrung nach unten“, wie es im Fachjargon heißt. Wie man bohrt<br />
oder wie man die gewaltigen Drücke unter Tage beherrscht, das gehört<br />
zum Know-how dieser Spezialisten. „Reservoir Engineering“ ist der internationale<br />
Begriff für Lagerstättentechnik, für die sich Dirk Warzecha<br />
entschieden hat. Die Lagerstätteningenieure geben die Bohrung frei für<br />
die Produktionsingenieure (Fachgebiet „Production Engineering“). Sie<br />
beaufsichtigen zum Beispiel die Förderung, reparieren und warten die<br />
komplette Förderausrüstung, die sich untertage und übertage befindet<br />
und stellen sicher, dass Erdöl und Erdgas, nachdem dies von Verunreinigungen<br />
und Schadstoffen gereinigt wurde, <strong>mit</strong> Tankern oder durch<br />
Pipelines sicher zu den Raffinerien gelangen. Schließlich kommen die<br />
Fachleute aus dem Aufgabenbereich Lagerung, Transport und Verkauf<br />
(„Storage, Transport, Sales“) zum Zug.<br />
Albert Peters ist der erste Vorsitzende der Deutschen Sektion der<br />
Society of Petroleum Engineers (GSSPE). Er erläutert, inwiefern man<br />
sich spezialisieren kann: „Die Aufsplittung erfolgt im Masterstudium beziehungsweise<br />
nach dem Vordiplom, hier legt man sich auf eine bestimmte<br />
Fachrichtung fest.“ Albert Peters rät außerdem: „Wer später<br />
einmal selbstständig oder beratend arbeiten möchte, muss sehr viel<br />
praktische Erfahrung im Feld, also zum Beispiel auf der Bohrung vor Ort,<br />
gesammelt haben.“ Manchmal ist auch eine Doktorarbeit eine zusätzliche<br />
Empfehlung für alle, die einen Arbeitsplatz in den Forschung- und<br />
Entwicklungsabteilungen der Erdöl- und Erdgasindustrie anstreben.<br />
Mobil & flexibel<br />
Egal, welche Fachrichtung man einschlägt, über bestimmte Voraussetzungen<br />
sollte man in jedem Fall verfügen, wie Branchenexperten wissen.<br />
Mobilität ist besondern bei den „Drillern“ gefragt, den Tiefbohringenieuren,<br />
die von „Bohrung zu Bohrung“ ziehen. Wer glaubt, <strong>mit</strong> einem<br />
Nine-to-Five-Job sei es getan, irrt. Leistungsbereitschaft heißt das Gebot<br />
der Stunde, und die Rufbereitschaft kann dann schon mal acht Tage<br />
Berufsreportage: Rohstoffingenieur<br />
Oft finden sich wertvolle Erdöl und -gasvorkommen unter dem Meeresboden.<br />
Von dort müssen sie aufwändig ans Tageslicht befördert werden.<br />
lang 24 Stunden betragen. Des Weiteren müssen Petroleum Engineers<br />
diszipliniert Gesundheits-, Sicherheits- und Qualitätsstandards einhalten<br />
und bereit sein, sich ständig auf neue Situationen einzustellen. Betriebswirtschaftliche<br />
oder juristische Kenntnisse sind ebenfalls gefragt.<br />
Mindestens genau so wichtig: die unbedingte Fähigkeit zur Teamarbeit.<br />
Albert Peters spricht aus Erfahrung: „Teamfähigkeit ist von enormer Bedeutung.<br />
Einzelkämpfernaturen stellen eher eine Belastung dar, die interdisziplinäre<br />
Zusammenarbeit ist das A und O bei Projekten, die schon<br />
mal in die Milliarden gehen können.“<br />
„Die wenigsten, die anfangen zu studieren, wissen, was später auf<br />
sie zukommt“, meint Dirk Warzecha. Nach abgeschlossenem Vordiplom<br />
im Studiengang Bergbau an der Rheinisch-Westfälischen Technischen<br />
Hochschule Aachen (RWTH) wechselte er an die Technische Universität<br />
(<strong>TU</strong>) <strong>Clausthal</strong>, um dort die Fachrichtung Tiefbohrtechnik, Erdöl- und<br />
Erdgasgewinnung einzuschlagen. 1993 fing er als Lagerstätteningenieur<br />
bei der Preussag Energie, heute Gaz de France, an und betreute die Erdöllagerstätten<br />
in der Nähe von Hannover „untertägig“. Er ging der Frage<br />
nach, wieviel Erdöl zukünftig produzierbar ist und plante Neubohrungen<br />
und betreute bestehende Bohrungen, bei denen er zum Beispiel Stimulationsmaßnahmen<br />
einleitete, da<strong>mit</strong> die Lagerstätte bis zum Letzten<br />
ausgeschöpft werden konnte.<br />
Ganz typisch für die weltweit operierende Branche: Auslandsaufenthalte.<br />
Ein solcher führte Dirk Warzecha anschließend als Development<br />
Manager nach Tunesien. Drei Jahre lang war er verantwortlich für die<br />
dort laufenden Bohrprojekte. „Die Bohrungen wurden an Land und auf<br />
See abgeteuft“, berichtet er. Die Teufe, der bergmännische Fachterminus<br />
für Tiefe, betrug dabei bis zu 3.500 Meter. Dabei gestalteten sich<br />
gerade die Bohrungen auf See teilweise problematisch. Gegenüber Bohrungen<br />
an Land, die von allen Seiten her zugänglich sind, benötigt man<br />
auf See logischerweise Boote oder Schlepper, die Material aller Art zum<br />
Bohrloch bringen. So lief einmal ein Versorgungsschiff im seichten<br />
Wasser auf Grund, so dass dem Team auf See die Arbeits<strong>mit</strong>tel zum<br />
Bohren ausgingen, erzählt Dirk Warzecha.<br />
Foto: RWE Dea AG<br />
uni 6/2006 61