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Ortsgeschichtliches von Dörfel. - geschichte-ana.de

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<strong>Ortsgeschichtliches</strong> <strong>von</strong> <strong>Dörfel</strong>.<br />

Am 29. Januar 1927 fand, wie wir im T.A.W. schon ausführlich berichteten, die Weihe <strong>de</strong>s neuerbauten<br />

Rathauses <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> statt. Nach<strong>de</strong>m am 1. August 1926 <strong>de</strong>r erste Spatenstich erfolgt<br />

war, legte man am 3. September <strong>de</strong>n Grundstein. Am 25. September konnte bereits das Richtfest gefeiert<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Bei <strong>de</strong>r Grundsteinlegung wur<strong>de</strong> in einer Blechkapsel verlötet ein Schriftstück eingemauert, <strong>de</strong>ssen<br />

Text folgen<strong>de</strong>n Wortlaut hat:<br />

„In schwerster wirtschaftlicher, finanzieller Zeit ist durch <strong>de</strong>n Drang <strong>de</strong>rzeitiger Verhältnisse die<br />

Gemein<strong>de</strong>vertretung zu <strong>de</strong>m Entschlusse gekommen, ein eigenes Heim ihrer Ortsbehör<strong>de</strong> zu schaffen.<br />

Neben Schul-, Armen- und Spritzenhaus wird im Jahre 1926 ein Gemein<strong>de</strong>amt mit Wohnung für<br />

<strong>de</strong>n Bürgermeister, Schutzmann und einen ledigen Lehrer errichtet. Wie bei Beginn <strong>de</strong>s Schulhausbaues<br />

im Jahre 1892 so gab es auch jetzt in <strong>de</strong>r Einwohnerschaft gegenteilige Meinungen über das<br />

„Wie und Wohin“. Dank <strong>de</strong>r Beharrlichkeit <strong>de</strong>r <strong>de</strong>rzeitigen Gemein<strong>de</strong>verordneten wur<strong>de</strong> nach allseitigen<br />

Erwägungen <strong>de</strong>r Bau beschlossen und hierzu <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> eigenes Bauland in 500 m Höhe<br />

über <strong>de</strong>m Meeresspiegel in Mitte <strong>de</strong>s Ortes bestimmt. Der Bau ist an <strong>de</strong>n gebürtigen <strong>Dörfel</strong>er, Baugeschäfts-Inhaber<br />

Emil Martin in Annaberg, ohne Bauholz und Grundmauersteinen zur schlüsselfertigen<br />

Übergabe vergeben wor<strong>de</strong>n. Das Bauholz wur<strong>de</strong> im Frühjahr aus <strong>de</strong>n eigenen 42 ha großen<br />

Fichtenwald geschlagen. Die Steine dagegen zum Teil <strong>von</strong> Landwirten und aus <strong>de</strong>m <strong>de</strong>m Erbgerichtsbesitzer<br />

August Einenkel gehörigen Bruche bezogen. Steine und Holz fuhren kostenlos mit<br />

wenigen Ausnahmen die hiesigen Landwirte. Einige Erwerbslose leisteten dabei umsonst Hilfe, <strong>de</strong>ren<br />

zur Zeit männliche 22, weiblich 10 vorhan<strong>de</strong>n sind.<br />

Mit Bauarbeiten wur<strong>de</strong> begonnen am 9. August 1926. Man hofft <strong>de</strong>n Bau bis En<strong>de</strong> dieses Jahres<br />

fertigzubringen, eine Notwendigkeit, um <strong>de</strong>m gegenwärtigen Bürgermeister bei <strong>de</strong>r herrschen<strong>de</strong>n<br />

Wohnungsnot hier Wohnung zu schaffen.<br />

Um späteren Geschlechtern ein Zeitbild jetziger und früherer Verhältnisse, sowie über die Orts<strong>geschichte</strong><br />

zu übermitteln, sei folgen<strong>de</strong>s nach Möglichkeit <strong>de</strong>r Ermittelungen kurz festgelegt:<br />

Ueber die Gründungszeit <strong>Dörfel</strong>s<br />

läßt sich nicht Genaueres ermitteln, nur, daß es älter ist als Annaberg (1496) und wohl Bergleute<br />

die ersten Ansiedler gewesen sind, die gleichzeitig etwas Landwirtschaft zum nötigsten Lebensbedarf<br />

betrieben haben.<br />

Ums Jahr 1308<br />

gehörte unser Dorf mit noch 6 an<strong>de</strong>ren zur Herrschaft Pöhlberg o<strong>de</strong>r Bahlberg. 1414 kommt <strong>Dörfel</strong><br />

in markgräflichen Besitz. 1553 verschrieb es Kurfürst Moritz mit an<strong>de</strong>ren Dörfern <strong>de</strong>r Stadt Annaberg.<br />

1814 wird berichtet: Es ist ein unmittelbares Amtsdorf im Erzgebirgischen Kreise im Amt<br />

Grünhain, ½ Stun<strong>de</strong> nördlich <strong>von</strong> Schlettau auf <strong>de</strong>m rechten Ufer <strong>de</strong>r Zschopau gelegen mit 224<br />

Einwohnern.<br />

Verschwun<strong>de</strong>n sind das Pochwerk, das einst in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>r jetzigen Schmidtschen Brauerei gestan<strong>de</strong>n<br />

hat, und das Brechhaus o<strong>de</strong>r Darrhaus; es stand unweit <strong>de</strong>r Talstraße an <strong>de</strong>r Wal<strong>de</strong>cke. In<br />

<strong>de</strong>n Jahren 1860 – 1880 wur<strong>de</strong>n über 20 Personen vom Oktober bis Dezember täglich <strong>von</strong> nachts 1<br />

bis nachmittags 4 Uhr in letzterem beschäftigt. Die heutige Pappenfabrik war vor verschie<strong>de</strong>nen<br />

Brän<strong>de</strong>n eine Mühle, eine Mehlquetsche, die zum Erbgericht gehörte bis 1833. Das Erbgericht ist<br />

das letzte Mal 1860 abgebrannt. Dazu gehörte die Schank- und Tanzgerechtigkeit und <strong>de</strong>r Salzschank<br />

(Verkauf), bis zum zweiten Bran<strong>de</strong> bestand auch ein Fleischereibetrieb. Bis 1860 lag die Gerichtsbarkeit<br />

<strong>de</strong>m Erbrichter ob, <strong>von</strong> da ab ging sie auf ein Gemein<strong>de</strong>mitglied über. Vor


Krieg und Kriegsschrecken<br />

ist <strong>Dörfel</strong> im Laufe <strong>de</strong>r Jahrhun<strong>de</strong>rte nicht verschont geblieben. Viele Kriegssteuern sind zu zahlen<br />

gewesen und Lebensmittel waren abzuführen, so in <strong>de</strong>n Jahren 1429, 1547, 1633, 1654<br />

(12 Scheffel Hafer und 2 Scheffel Korn mußten nach Dres<strong>de</strong>n gefahren wer<strong>de</strong>n), 1762. 1813 befand<br />

sich auf <strong>de</strong>r Höhe zwischen <strong>de</strong>n noch heute bestehen<strong>de</strong>n Gütern Sauwald und <strong>de</strong>m Dorf Frohnau ein<br />

Lager. Im Kriege 1870/71 zogen 6 Krieger <strong>von</strong> hier gegen Frankreich, die ohne beson<strong>de</strong>re Schä<strong>de</strong>n<br />

heil heimkehrten, während am letzten Weltenringen 1914 bis 1918 etwa 93 zu Kriege zogen und da<strong>von</strong><br />

23 im Alter <strong>von</strong> 21 bis 34 Jahren ihr Leben lassen mußten. Während <strong>de</strong>s letzten Krieges trat<br />

Nahrungsmittelnot ein und fast alle Lebensbedürfnisse durften nur gegen Bezugskarten abgegeben<br />

wer<strong>de</strong>n. – 1919 zählte <strong>Dörfel</strong> 513 Einwohner, heute 503.<br />

Die Ortsflur ist ca. 510 ha. groß und hat<br />

75 bewohnte Gebäu<strong>de</strong>.<br />

An selbständigen Gewerbetreiben<strong>de</strong>n sind außer vorhan<strong>de</strong>nen landwirtschaftlichen Kreisen vorhan<strong>de</strong>n:<br />

1 Bäckermeister, 2 Materialwarenhändler, 1 Schmie<strong>de</strong>-, 1 Klempner-, 1 Stellmacher-,<br />

1 Tischler-, 2 Zimmerer-, 2 Maurer-, 1 Schnei<strong>de</strong>rmeister und 3 Schuhmacher. Weiter sind vorhan<strong>de</strong>n<br />

1 Gasthof (Erbgericht) und eine Pappenfabrik. Seit 1911/12 haben wir elektrisches Licht und<br />

Kraft und solche Straßenbeleuchtung. Seit 1922 eigenes Stan<strong>de</strong>samt und Girokasse, mit diesen Einrichtungen<br />

wir vorher mit zu <strong>de</strong>m noch eingepfarrten Hermannsdorf gehörten.<br />

Der Viehbestand betrug am 1. Dezember 1925: 35 Pfer<strong>de</strong>, 428 Rin<strong>de</strong>r, 46 Ziegen, 145 Schweine,<br />

736 Stück Fe<strong>de</strong>rvieh, 13 Bienenvölker und 60 Kaninchen.<br />

Die Gemein<strong>de</strong> selbst besitzt außer <strong>de</strong>m angegebenen Wald noch<br />

13 ha Feld- und Wiesengrundstücke<br />

und hatte 1913 an Vermögen noch ca. 15 000 M. in Sparkasseneinlagen, die infolge in <strong>de</strong>n Jahren<br />

1919 bis 1923 eingetretener Gel<strong>de</strong>ntwertung heute etwa noch <strong>de</strong>m zehnten Teil entsprechen. Diese<br />

Gel<strong>de</strong>ntwertung hat zur Verarmung <strong>de</strong>r Deutschen Bevölkerung geführt. Welch große Zahlen im<br />

Deutschen Wirtschaftleben entstan<strong>de</strong>n, zeige folgen<strong>de</strong>s: Es kosteten:<br />

1919 Okt. 1922 En<strong>de</strong> Okt. 1923<br />

1 Kilo Rindfleisch 3.70 M. 4.10 M. 3 000 000 000 M.<br />

1 Kilo Hausbrot -.50 M. 17 M. 680 000 000 000 M.<br />

1 Herrenanzug 357.- M. 19 500 M. 645 000 000 000 M.<br />

1 amerik. Dollar 8.73 M. 2 600 M. 72 861 000 000 M.<br />

1 amerikanischer Dollar, <strong>de</strong>r 1914 hier 4.20 M. kostete, kostete am 23. November 1923:<br />

4 210 500 000 M., mit diesem Zeitpunkt begann Deutschlands feste Geldwertung, und zwar<br />

1 000 000 000 000 M. (eine Billion) war eine Goldmark (später Reichsmark).<br />

Eine 35 Mann starke uniformierte<br />

Ortsfeuerwehr,<br />

sowie 37 Mann Pflichtfeuerwehr, <strong>de</strong>nen 2 Feuerspritzen zur Verfügung stehen, helfen schützend<br />

bei Feuersgefahren im Orte und <strong>de</strong>n Nachbarorten.<br />

Uber das<br />

Schulwesen<br />

ist bekannt, daß bis zum Jahre 1811 in <strong>Dörfel</strong> kein eigenes Schulgebäu<strong>de</strong> bestand. Die Kin<strong>de</strong>r zogen<br />

mit ihrem Lehrer <strong>von</strong> Haus zu Haus. Das Nachbarhaus <strong>de</strong>r heutigen Schule als solches wur<strong>de</strong><br />

errichtet, mehrere Male umgebaut und 1893 für 3010 M. verkauft. Das heutige Schulhaus erstand<br />

1891/92 für 14 210 M. und wur<strong>de</strong> am 16. September 1892 geweiht. Eine Bibliothek besteht unter


Verwaltung <strong>de</strong>s jeweiligen Lehrers seit 1892 mit 554 Büchern. Gegenwärtig wer<strong>de</strong>n 51 Kin<strong>de</strong>r <strong>von</strong><br />

1 Lehrer, 1 Wan<strong>de</strong>rlehrer und 1 Na<strong>de</strong>larbeitslehrerin unterrichtet.<br />

Die Gemein<strong>de</strong>geschäfte<br />

wur<strong>de</strong>n geleitet durch Gemein<strong>de</strong>vorstand und Landwirt Karl August Bärthel 1864-1874, Gemein<strong>de</strong>vorstand<br />

und Landwirt Friedrich August Einenkel 1874-1884, Gemein<strong>de</strong>vorstand und Landwirt<br />

August Moritz Peter 1884-1908, Gemein<strong>de</strong>vorstand und Zimmerer Karl Aug. Huß 1908-1920, Gemein<strong>de</strong>vorstand<br />

und Landwirt Aug. Ottomar Einenkel 1920-1926.<br />

Seit 16. Februar 1926 ist berufsmäßiger Bürgermeister Paul Emil Hofmann. Stellvertreter für das<br />

Bürgermeisteramt und Stan<strong>de</strong>samt ist seit 1924 Schulleiter Kurt Jokisch. Als <strong>de</strong>rzeitige Gemein<strong>de</strong>vertreter<br />

sind tätig Paul Schmidt, Brauereibesitzer und Frie<strong>de</strong>nsrichter, Oskar Fiedler, Landwirt und<br />

Ortsrichter, Emil Sei<strong>de</strong>l, Fabrikarbeiter, Kurt Jokisch, Lehrer und stellvertreten<strong>de</strong>r Bürgermeister,<br />

Willy Dietze, Bauarbeiter, Rudolf Wagner, Landwirt, Hugo Einenkel, Wirtschaftgehilfe.<br />

Vorstehen<strong>de</strong> Nie<strong>de</strong>rschrift wur<strong>de</strong> <strong>von</strong> <strong>de</strong>n Unterzeichnen<strong>de</strong>n gefertigt und am heutigen Tage <strong>de</strong>r<br />

Grundsteinlegung mit einigen Geldscheinen und einem Ortsbild versehen, verschlossen, durch Einmauern<br />

im nie<strong>de</strong>ren Hausgiebel unserer Nachwelt zu Nutz und Frommen übergeben.<br />

„Gottes schützen<strong>de</strong> Hand walte in diesem Hause<br />

und in unserem Orte immerfort.“<br />

<strong>Dörfel</strong>, am 3. Sept. 1926. Emil Hofmann, Bürgermeister. Kurt Jokisch.“<br />

Quelle: Erzgebirgisches Sonntagsblatt. Illustrierte Wochen-Beilage zum Tageblatt „Annaberger Wochenblatt“.<br />

Hauptzeitung <strong>de</strong>s Obererzgebirges. 120. Jahrgang. Nummer 6. Sonntag, <strong>de</strong>n 13. Februar 1927. Seite 2 und Nummer 7.<br />

Sonntag, <strong>de</strong>n 20. Februar 1927. Seite 5f.

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