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Pfarrbrief - Wasserlosen

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Maria, meine Beschützerin<br />

Vom Sanatorium St. Anna kommt ein alter<br />

Herr, ein Priester. Er geht langsam ein<br />

paar Schritte, dann bleibt er wieder ste-­‐<br />

hen, er muss Atem holen. Er hat Zeit. Bald<br />

wird Gott ihn heimholen, das weiß er. Er<br />

ist deswegen nicht traurig, sondern froh-­‐<br />

gelaunt und bei den Kindern bekannt.<br />

Ein Bub hat ihn schon lange beobachtet.<br />

Und während er den buntfarbigen<br />

Herbstblättern nachgeht, guckt er immer<br />

wieder nach dem Herrn Pfarrer. Eines Tages fragt der Kleine: „Du, wie alt bist du<br />

eigentlich?“ Lächelnd schaut der Priester den Buben an, und mit einem tiefen Bass<br />

antwortet er: „Ich -­‐ ich bin jetzt dann 80 Jahre alt.“ Der Kleine bleibt stehen, misst<br />

mit einem kritischen Blick den Herrn Pfarrer vom Scheitel bis zur Fußsohle. Durch<br />

seinen Kopf gehen schwerwiegende Überlegungen. Und so plaudert er treuherzig<br />

heraus: „So, dann musst du sicher bald sterben. Du, hast du keine Angst?“<br />

„Nein.“ – „Ja, warum denn nicht?“ „Weißt Du, ich vertrau halt auf die liebe Muttergot-­‐<br />

tes, und die schützt mich und legt ein gutes Wort für mich beim lieben Gott ein.“<br />

Der Bub denkt nach. Das muss etwas Großes sein, die Muttergottes. Während sie<br />

weitergehen, ist der Priester nachdenklich geworden. Im Geist zieht sein ganzes<br />

Priesterleben vorüber: Bubenjahre, Studentenjahre, Priesterjahre: zuerst Vikar,<br />

dann Pfarrhelfer, dann Pfarrer. Es ist eine lange Zeit und doch gut gegangen.<br />

Jetzt schaut der Priester den Buben an: „Du, wie alt bist denn du?“ „Fünf Jahre,“ ju-­‐<br />

belt der Kleine und streckt sich und will groß sein wie ein Mann.<br />

„Ja, wie steht es denn bei dir? Hast du keine Angst? Weißt, bist du erst einmal 80 Jahre<br />

alt bist, kann dir viel passieren. Kannst unter ein Auto kommen, kannst beim Baden<br />

ertrinken, kannst vom Berg fallen, kannst beim fröhlichsten Spiel im Wald verunglü-­‐<br />

cken, kannst unter böse Menschen kommen... Kannst...“ Der Bub steckt beide Hände<br />

in die Hosentaschen, stellt sich vor den Priester hin und lächelt, und doch wieder so<br />

ernst antwortet er, als ob er um Jahre älter geworden sei: „Nein, ich habe keine<br />

Angst.“ „Ja, warum denn nicht?“ „Weißt, ich mach es halt gerade so wie du, ich ver-­‐<br />

traue auf die Muttergottes, und die wird dann schon ein gutes Wort einlegen beim<br />

Heiland.“ „Brav“, sagte der Priester und legte ihm die Hand auf die Schulter; „Brav,<br />

du wirst etwas Rechtes!“

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