Die Metallabscheider BElektrochemieV - Wiley Online Library
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636<br />
<strong>BElektrochemieV</strong><br />
S QUERGELESEN<br />
<strong>Die</strong> <strong>Metallabscheider</strong><br />
Manfred Jordan, Michael <strong>Die</strong>tterle<br />
<strong>Die</strong> Galvanotechnik ist als relativ kleine Branche in der Öffentlichkeit nicht so präsent, wie es ihrer<br />
Bedeutung als Schlüsseltechnologie für viele Industriezweige angemessen wäre. In der Wertschöpfungs-<br />
kette nimmt sie eine wichtige Position ein.<br />
S Bei den galvanotechnischen Betrieben<br />
handelt es sich mit wenigen<br />
Ausnahmen um klein- und mittelständische<br />
Betriebe mit einem Gesamtumsatz<br />
von etwa sechs Milliarden<br />
Euro. 1) Eingeschlossen sind hier<br />
die Fachfirmen, die Spezialchemikalien<br />
für galvanische Verfahren entwickeln<br />
und Anlagen zur galvanischen<br />
Metallabscheidung planen und bauen<br />
sowie Betriebe, die als <strong>Die</strong>nstleister<br />
galvanisch beschichten. Nicht<br />
eingerechnet sind Betriebsgalvaniken<br />
innerhalb der Fertigung eines Produkts<br />
in einem Betrieb. Dazu zählen<br />
Verzinnung oder Verzinkung von<br />
Stahlblech (Weißblechherstellung,<br />
Bandverzinkung) oder auch Drahtveredlungsverfahren.<br />
<strong>Die</strong>sen Umsatz<br />
rechnen die Statistiken den jeweiligen<br />
Endprodukten zu. Aber auch<br />
unter Berücksichtigung dieser Beschichtungen<br />
bleibt der Gesamtumsatz<br />
mit galvanischen Beschichtun-<br />
VV Es gibt sehr viele Anwendungsbeispiele galvanotechnisch<br />
erzeugter Oberflächen. Hauptabnehmer<br />
ist die Automobilindustrie, weitere Kunden<br />
sind Maschinenbau, die Baubeschlags- sowie die<br />
Sanitärindustrie und Unternehmen aus Elektrotechnik,<br />
Elektronik und Telekommunikation.<br />
VV <strong>Die</strong> galvanotechnischen Fachfirmen investieren<br />
Mittel in der Größenordnung von 10 bis 15 Prozent<br />
ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung.<br />
Dadurch gelingt es der Galvanotechnik,<br />
durch neue Verfahren zum technischen Fortschritt<br />
beizutragen und diese Verfahren für<br />
Mensch und Umwelt sicherer zu machen.<br />
gen gemessen am Bruttoinlandsprodukt<br />
Deutschlands (2011: 2,6 Billionen<br />
Euro) deutlich unter ein Prozent.<br />
Mit diesem relativ geringen<br />
Umsatz wird aber bereits ein Wertverlust<br />
durch Korrosionsschäden in<br />
der Größenordnung von jährlich<br />
150 Milliarden Euro vermieden. 2)<br />
<strong>Die</strong> galvanische Metallabscheidung<br />
umfasst im engeren Sinne zunächst<br />
nur die elektrolytische Metallabscheidung.<br />
Betriebe der Galvanotechnik<br />
behandeln Oberflächen<br />
aber auch mit weiteren Verfahren,<br />
die von den geforderten Eigenschaften<br />
des Endproduktes abhängen.<br />
Dazu gehören:<br />
Schichtabtragende Verfahren,<br />
wie Beizen, chemisches oder<br />
elektrochemisches Polieren.<br />
Schichtauftragende Verfahren,<br />
wie die galvanische und chemische<br />
Abscheidung von Metallen<br />
und Metalllegierungen.<br />
Schichtumwandelnde Verfahren,<br />
wie das Anodisieren, Chromatieren,<br />
Passivieren oder Phosphatieren.<br />
Galvanische Metallabscheidung<br />
S <strong>Die</strong> galvanische Metallabscheidung<br />
ist auf den ersten Blick eine<br />
klassische Anwendung der Elektrochemie.<br />
Um die geforderten<br />
Schichteigenschaften zu erreichen,<br />
ist aber zusätzlich Wissen aus zahlreichen<br />
anderen Disziplinen erforderlich,<br />
es handelt sich daher um<br />
eine stark interdisziplinär ausgerichtete<br />
Aufgabe.<br />
<strong>Die</strong> Möglichkeit, ein Metall aus<br />
wässriger Lösung abzuscheiden, ergibt<br />
sich zunächst aus dessen Stellung<br />
in der elektrochemischen<br />
Spannungsreihe, wobei die Wasserstoffüberspannung<br />
zu berücksichtigen<br />
ist. Zink – ein in großem Um-<br />
Abb. 1. Bedienelemente aus metallisiertem Kunststoff. Durch spezielle Verfahrenstechnik<br />
werden Beschriftungen oder Symbole nicht metallisiert und können durchleuchtet werden.<br />
(Foto: BIA Kunststoff- und Galvanotechnik, Solingen)<br />
Nachrichten aus der Chemie| 60 | Juni 2012 | www.gdch.de/nachrichten
fang galvanisch abgeschiedenes<br />
Metall – hat mit – 0,76 Volt (NHE)<br />
ein unedles Potenzial, so dass eine<br />
Abscheidung aus wässriger Lösung<br />
nicht möglich sein sollte. <strong>Die</strong> Wasserstoffüberspannung<br />
an Zink ist<br />
aber ausreichend hoch für die galvanische<br />
Abscheidung. Der Anteil<br />
der galvanischen Zinkabscheidung<br />
am Gesamtumsatz aller galvanisch<br />
abgeschiedenen Metalle beträgt etwa<br />
40 Prozent. 1) Wirtschaftliche<br />
Bedeutung haben die Abscheidung<br />
von Zink und Zinklegierungen,<br />
Chrom, Nickel, Zinn, Kupfer sowie<br />
der Edelmetalle Silber, Gold, Palladium<br />
(besonders als Legierung mit<br />
Nickel), Platin, Rhodium und Ruthenium.<br />
Gesetzliche Vorgaben<br />
schränken die Abscheidung von<br />
Cadmium und Blei stark ein.<br />
<strong>Die</strong> Kunden galvanisch beschichteter<br />
Bauteile kommen insbesondere<br />
aus der Automobilindustrie,<br />
aus Maschinenbau, der<br />
Baubeschlagsindustrie (z. B. Fensterbeschläge),<br />
der Sanitärindustrie<br />
sowie aus Elektrotechnik, Elektronik<br />
und Telekommunikation. Mit<br />
zirka 40 Prozent ist die Automobilindustrie<br />
der größte Abnehmer galvanisch<br />
beschichteter Bauteile. 1)<br />
Von Interesse sind auch galvanisch<br />
abgeschiedene Aluminiumschichten,<br />
die bisher jedoch nur<br />
aus aprotischen Elektrolyten auf<br />
Basis von organischen Lösungsmitteln<br />
oder aus Salzschmelzen abgeschieden<br />
werden konnten. Wegen<br />
des aufwendigen Verfahrens hat<br />
diese Abscheidung trotz der hervorragenden<br />
technischen Eigenschaften<br />
noch keinen Massenmarkt<br />
gefunden. 3) Seit einigen Jahren<br />
wird auch die elektrolytische Aluminiumabscheidung<br />
aus ionischen<br />
Flüssigkeiten untersucht. 4)<br />
Verfahrensentwicklung<br />
S <strong>Die</strong> galvanische Abscheidung<br />
von Metallen aus zusatzfreien<br />
Elektrolyten führt bei den meisten<br />
Metallen lediglich zu grobkristallinen,<br />
dendritischen Schichten, die<br />
so nicht technisch einsetzbar sind.<br />
Um die geforderten Schichteigenschaften<br />
einzustellen, beispiels-<br />
Nachrichten aus der Chemie| 60 | Juni 2012 | www.gdch.de/nachrichten<br />
weise eine möglichst gleichmäßige<br />
Schichtdickenverteilung auf dem<br />
Bauteil, Glanz, Duktilität, Härte,<br />
Korrosionsbeständigkeit, Lötbarkeit<br />
usw., entwickeln die Fachfirmen<br />
für Galvanotechnik Additive.<br />
Bei der Legierungsabscheidung<br />
müssen die elektrochemischen Potenziale<br />
der Legierungspartner<br />
durch Komplexbildner angepasst<br />
werden, um eine homogene Legie-<br />
rungsabscheidung in einem großen<br />
Stromdichtebereich zu ermöglichen.<br />
Als Inhibitoren dienen<br />
überwiegend organische Verbindungen.<br />
Es handelt sich zum einen<br />
um oberflächenaktive Verbindungen,<br />
zum anderen um niedermolekulare<br />
organische Verbindungen<br />
als Glanzbildner oder Einebner.<br />
Zur Glanzbildung tragen in<br />
einigen Fällen auch geringe Men-<br />
Elektrochemie BMagazinV<br />
637
638 BMagazinV Elektrochemie<br />
Abb. 2. Durch Galvanoplastik hergestellte Kopie der Paradiestür<br />
des Baptisteriums in Florenz von Lorenzo Ghiberti.<br />
(Foto: WMF Württembergische Metallwarenfabrik, Geislingen)<br />
gen von Fremdmetallen bei. Oberflächenaktive<br />
Substanzen werden<br />
in der Regel im Konzentrationsbereich<br />
von 0,1 bis 10 g·L –1 eingesetzt.<br />
Typische Glanzbildner wirken<br />
oft in deutlich niedrigeren<br />
Konzentrationen, oftmals bereits<br />
im ppm-Bereich. Um die Prozesssicherheit<br />
eines galvanischen Verfahrens<br />
sicher zu stellen, müssen<br />
daher Analysenverfahren von klas-<br />
Abb. 3. Armaturenbrettverkleidung aus Kunststoff in Lederoptik.<br />
Das erforderliche Spritzgusswerkzeug wurde durch Galvano -<br />
formung durch Abformung einer natürlichen Lederoberfläche<br />
hergestellt.<br />
(Foto: Bayer; aus der Festschrift „50 Jahre Deutsche Gesellschaft<br />
für Galvano- und Oberflächentechnik“, Herausgeber: Deutsche<br />
Gesellschaft für Galvano- und Oberflächentechnik, 2011)<br />
sischen Titrationen bis hin zu instrumenteller<br />
Analytik vorhanden<br />
sein.<br />
Zur Charakterisierung der abgeschiedenen<br />
Schichten sind Eigenschaften<br />
wie Schichtdicke, Legierungszusammensetzung,<br />
Glanz,<br />
Härte, Duktilität, tribologische Eigenschaften<br />
oder Korrosionsbeständigkeit<br />
zu bestimmen. Hierfür<br />
dienen bevorzugt physikalische<br />
und materialwissenschaftliche<br />
Methoden.<br />
Galvanische Verfahren produzieren<br />
Abwässer, die Schwermetalle<br />
und weitere toxische Bestandteile<br />
enthalten. Dementsprechend<br />
sind Verfahren zur Abwasserbehandlung<br />
erforderlich, damit die<br />
gesetzlich festgelegten Grenzwerte<br />
eingehalten werden. Schon bei der<br />
Elektrolytentwicklung spielen<br />
Fragen der Abwasserbehandlung<br />
eine Rolle, und es ist erforderlich,<br />
mit Verfahrensingenieuren der Abwassertechnikzusammenzuarbeiten.<br />
Anwendungen galvanisch<br />
abgeschiedener Metallschichten<br />
S <strong>Die</strong> Einsatzgebiete metallischer<br />
Schichten sind im wesentlichen:<br />
dekorative Veredelung, Korrosionsschutz,Kunststoffgalvanisierung,<br />
Galvanoformung, Verschleißschutz<br />
sowie Elektrotechnik<br />
und Elektronik.<br />
Den häufigsten und augenscheinlichsten<br />
Kontakt mit galvanisch<br />
veredelten Bauteilen hat der<br />
Verbraucher mit dekorativ vernickelten<br />
und verchromten Sanitär -<br />
armaturen wie Wasserhähnen und<br />
Duschköpfen. Grundmaterial ist<br />
hier Messing oder Kunststoff.<br />
Hochkonjunktur hatte die dekorative<br />
Nickel-Chromabscheidung<br />
bei Autostoßstangen aus Stahl.<br />
<strong>Die</strong>se spielen heute zwar keine<br />
Rolle mehr, es werden aber weiterhin<br />
viele vernickelte und verchromte<br />
Bauteile im Automobilbau<br />
verwendet, hauptsächlich in<br />
Form von metallisierten Kunststoffen.<br />
<strong>Die</strong> Verchromung erfolgt größtenteils<br />
noch in Chromelektroly-<br />
ten auf Basis von Chromsäure.<br />
<strong>Die</strong>ser toxische Stoff wird in Zukunft<br />
stärkeren Beschränkungen<br />
unterliegen. Als Alternativen werden<br />
Elektrolyte auf Basis der nicht<br />
toxischen dreiwertigen Chromverbindungen<br />
entwickelt.<br />
Der hohe Glanzgrad der veredelten<br />
Teile entsteht dadurch,<br />
dass die Abscheidung hocheingeebneter<br />
Überzüge (Glanznickel<br />
oder eine Kombination von Glanzkupfer<br />
und Glanznickel) die Rauigkeiten<br />
des Grundmaterials ausgleicht.<br />
Neben diesem rein dekorativen<br />
Aspekt sollen Nickel-<br />
Chromschichten das Grundmaterial<br />
auch vor Korrosion schützen.<br />
Bei Stahl als Grundmaterial<br />
kann Nickel wegen seines edleren<br />
Potenzials nur dann einen Korrosionsschutz<br />
liefern, wenn die<br />
Schicht absolut porenfrei ist. An<br />
Poren findet selektiv eine Grundmetallkorrosion<br />
mit Lochfraß<br />
statt.<br />
Das Korrosionsverhalten von<br />
Nickelschichten lässt sich durch<br />
die Auswahl von Additiven für die<br />
Nickelelektrolyte steuern. <strong>Die</strong> Verwendung<br />
schwefelhaltiger organischer<br />
Verbindungen führt dazu,<br />
dass Schwefel in die Nickelschicht<br />
eingebaut wird. Das Korrosionspotenzial<br />
dieser Schicht liegt dadurch<br />
gegenüber einer schwefelfrei<br />
abgeschiedenen Schicht um<br />
bis zu 150 mV niedriger. In der<br />
Praxis nutzt man diesen Effekt bei<br />
der Abscheidung von Doppelnickel<br />
aus. Dafür wird auf dem<br />
Grundmaterial zunächst eine<br />
schwefelfreie Nickelschicht mit<br />
edlerem Potenzial abgeschieden.<br />
Anschließend erfolgt die Abscheidung<br />
einer schwefelhaltigen Nickelschicht<br />
mit negativerem Potenzial.<br />
In der Anwendung beschränkt<br />
sich der Korrosionsangriff<br />
dann zunächst auf die unedlere,<br />
schwefelhaltige Nickelschicht.<br />
<strong>Die</strong> darunter liegende,<br />
schwefelfreie Nickelschicht (und<br />
das Grundmaterial) bleiben geschützt.<br />
Auch bei der dekorativen Veredelung<br />
mit Silber oder Gold beginnt<br />
der Schichtaufbau mit einer<br />
Nachrichten aus der Chemie| 60 | Juni 2012 | www.gdch.de/nachrichten
einebnenden Glanznickelschicht,<br />
als dekorative Oberfläche folgt<br />
dann eine Silber- oder Goldschicht.<br />
Korrosionsschutz<br />
S Als Korrosionsschutzschichten<br />
für Stahl dienen bevorzugt Zink-<br />
und Zinklegierungsschichten. <strong>Die</strong><br />
wichtigsten Anwendungen liegen<br />
im Automobilbereich. Eingesetzt<br />
werden elektrolytisch verzinkte<br />
Stahlbleche für den Karosseriebau<br />
sowie als Stückgut veredelte Bauteile<br />
wie Verbindungselemente<br />
oder Rohrleitungen. Traditionell<br />
wurden hier Zinkoberflächen eingesetzt,<br />
die jedoch voluminöse<br />
Zinkkorrosionsprodukte bilden.<br />
Gestiegene Anforderungen an den<br />
Korrosionsschutz führten zu neu<br />
entwickelten Zinklegierungsschichten.<br />
Besonders bewährt haben<br />
sich dabei Zinknickelschichten<br />
mit einem Nickelanteil von 12 bis<br />
16 Gewichtsprozent. <strong>Die</strong>se Legierungsschichten<br />
steigern den Korrosionsschutz<br />
gegenüber Reinzinkschichten<br />
gleicher Schichtdicke extrem.<br />
<strong>Die</strong> Schichten lassen sich als<br />
matte Überzüge ohne dekorativen<br />
Charakter abscheiden. Für viele<br />
Anwendungen sind aber neben den<br />
Korrosionsschutzeigenschaften auch<br />
dekorative Oberflächen gefordert.<br />
Dafür werden Glanzzinkschichten<br />
mit hochwertiger, silberhell glänzender<br />
Optik abgeschieden.<br />
Zink- und Zinklegierungsschichten<br />
wirken als anodische<br />
Korrosionsschutzschichten. Bei einem<br />
Korrosionsangriff korrodiert<br />
die Zink- oder Zinklegierungsschicht.<br />
Bedingt durch den Potenzialunterschied<br />
zu Stahl haben die<br />
Schichten auch eine gewisse Fernschutzwirkung.<br />
Bei Poren oder mechanischen<br />
Verletzungen der<br />
Schicht kann diese Fernschutzwirkung<br />
eine Korrosion des Grundmaterials<br />
verzögern. <strong>Die</strong>ser anodische<br />
Korrosionsschutz bedingt, dass<br />
sich die Zink- oder Zinklegierungsschicht<br />
als Opferanode auflöst. Zur<br />
Steigerung des Korrosionsschutzes<br />
wird auf der Zink- oder Zinklegierungsschicht<br />
eine Konversions-<br />
Elektrochemie BMagazinV<br />
Nachrichten aus der Chemie| 60 | Juni 2012 | www.gdch.de/nachrichten<br />
639<br />
schicht abgeschieden, die den Beginn<br />
der Korrosion der Zink- oder<br />
Zinklegierungsschicht verzögert.<br />
Solche Konversionsschichten entstehen<br />
durch Nachbehandlung der<br />
verzinkten Bauteile in chromsäurehaltigen<br />
Lösungen. <strong>Die</strong>se Schichten<br />
enthalten jedoch geringe Mengen<br />
wasserlöslicher Chromatverbindungen.<br />
Gesetzliche Vorgaben<br />
wie die Altautoverordnung oder die<br />
Elektroschrottverordnung schränkten<br />
den Einsatz solcher Verfahren<br />
stark ein. <strong>Die</strong> Fachfirmen entwickelten<br />
deshalb neue Verfahren auf<br />
der Basis dreiwertiger Chromverbindungen,<br />
die Konversionsschichten<br />
mit ähnlich guter Korrosionsbeständigkeit<br />
wie die konventionellen<br />
Chromatierungsschichten<br />
abscheiden.<br />
Bei den Nachbehandlungsverfahren<br />
kommen auch Verfahren<br />
zum Einsatz, die farbige Konversionsschichten<br />
erzeugen. <strong>Die</strong> Farbpalette<br />
reicht hier von einem nahezu<br />
transparenten Edelstahl-Look<br />
über gelb-grün-rot irisierend bis zu<br />
tiefschwarz.<br />
Kunststoffgalvanisierung<br />
S <strong>Die</strong> Anwendung galvanisierter<br />
Kunststoffe steigt stark, Hauptabnehmer<br />
sind die Automobil- und<br />
die Sanitärindustrie. Moderne<br />
Spritzverfahren stellen Spritzgussteile<br />
kostengünstig und in hoher<br />
Qualität her. <strong>Die</strong> galvanische Metallisierung<br />
erzeugt eine metallische<br />
Optik und Haptik, die ein hohes<br />
Wertgefühl der Teile vermittelt.<br />
Im Automobilbau helfen metallisierte<br />
Kunststoffe, Gewicht zu<br />
sparen.<br />
Problematisch bei der Kunststoffmetallisierung<br />
ist die Schichthaftfestigkeit.<br />
Dazu müssen Vorbehandlungsverfahren<br />
entwickelt<br />
werden, die auf das jeweilige Polymer<br />
abgestimmt sind. Nach Bekeimung<br />
mit Edelmetallen, meistens<br />
Palladium, wird eine Leitschicht<br />
durch außenstromlose Nickel-<br />
oder Kupferabscheidung aufgebracht,<br />
anschließend folgt wie bei<br />
metallischen Substraten das Metall.<br />
<strong>Die</strong> Kombination verschiede-
640 BMagazinV Elektrochemie<br />
Abb. 4. Vollständig mit Kupfer gefüllte Sacklochbohrung; diese<br />
Blind Microvias ermöglichen eine Steigerung der Integrationsdichte<br />
und somit eine weitere Miniaturisierung der Leiterplatte.<br />
(Foto: Dr.-Ing. Max Schlötter)<br />
ner Verfahrensschritte aus der<br />
Kunststofftechnik und der Galvanotechnik<br />
führt zu neuen Designelementen,<br />
beispielsweise hinterleuchteten<br />
Bedienelementen im<br />
Innenbereich der Automobile (Abbildung<br />
1, S. 636).<br />
Galvanoformung<br />
S Mit Galvanoformung entstehen<br />
galvanische Erzeugnisse durch Abscheidung<br />
dicker Schichten auf einer<br />
Negativform. Zu Beginn des<br />
20. Jahrhunderts stellte die Galvanoplastische<br />
Kunstanstalt des<br />
Haushaltswarenunternehmens<br />
WMF in Geislingen an der Steige<br />
Großplastiken her. Ein spektakuläres<br />
Beispiel ist eine originalgetreue<br />
Kopie der 4 mal 6 Meter großen<br />
Paradiestür des Baptisteriums in<br />
Florenz von Lorenzo Ghiberti (Abbildung<br />
2, S. 638). <strong>Die</strong> heutigen<br />
Anwendungen der Galvanoformung<br />
sind zwar weniger spektakulär,<br />
aber dennoch in vielen Anwendungen<br />
präsent. So werden beispielsweise<br />
Scherfolien für Rasierapparate<br />
durch Galvanoformung<br />
hergestellt.<br />
Durch Galvanoformung lassen<br />
sich Mikrostrukturen mit hoher<br />
Genauigkeit abbilden. Im Automobilbau<br />
werden so Komponenten<br />
mit lederartig genarbter Oberfläche<br />
in Spritzgussprozessen hergestellt,<br />
deren Formen durch Galvanoformung<br />
von echten Lederoberflächen<br />
abgenommen wurden (Abbil-<br />
dung 3, S. 638). <strong>Die</strong> Galvanoformung<br />
von Mastern ergibt hochpräzise<br />
Werkzeuge, womit sich preiswert<br />
Bauteile in hoher Stückzahl,<br />
beispielsweise für die Mikrosystemtechnik,<br />
herstellen lassen.<br />
Verschleißschutz, Tribologie<br />
S Galvanisch oder außenstromlos<br />
abgeschiedene Schichten verbessern<br />
auch die tribologischen Eigenschaften<br />
von Oberflächen und verlängern<br />
so die Lebensdauer von<br />
Produkten. <strong>Die</strong> Reibung zwischen<br />
beweglichen Bauteilen zu vermindern,<br />
verringert den Energieverbrauch<br />
und schont Ressourcen<br />
durch die verlängerte Lebensdauer<br />
der Komponenten. Galvanisch abgeschiedene<br />
Chromschichten werden<br />
beispielsweise als Oberflächen<br />
für Hydraulikzylinder oder Druckwalzen<br />
verwendet.<br />
Auch in die galvanisch abgeschiedenen<br />
Schichten eingelagerte<br />
Feststoffpartikel verbessern die tribologischen<br />
Eigenschaften. <strong>Die</strong>se<br />
Möglichkeit wird besonders bei der<br />
elektrolytischen oder außenstromlosen<br />
Nickelabscheidung praktiziert.<br />
Um die Reibung zu vermindern,<br />
werden Trockenschmierstoffe<br />
wie Polytetrafluorethen (PTFE),<br />
Graphit, hexagonales Bornitrid<br />
oder Molybdändisulfid eingesetzt.<br />
<strong>Die</strong> Mitabscheidung von Hartstoffpartikeln<br />
wie Diamant, Carbiden,<br />
Nitriden und Oxiden von Chrom,<br />
Silicium oder Aluminium verbessert<br />
die Härte und Abriebbeständigkeit.<br />
Elektrotechnik und Elektronik<br />
S Für elektronische Baugruppen<br />
dient das Weichlöten als Verbindungstechnik.<br />
Voraussetzung dafür<br />
ist eine gute Weichlötbarkeit der zu<br />
verbindenden Bauteile. Kupfer als<br />
wesentlicher Werkstoff für elektronische<br />
Baugruppen oxidiert sehr<br />
leicht und ist in dieser Form nur<br />
noch mit aggressiven Flussmitteln<br />
zu löten. Da diese wegen ihres korrosiven<br />
Charakters nicht einsetzbar<br />
sind, müssen die Komponenten<br />
mit einem Überzug versehen wer-<br />
den, der sie auch nach einer Lagerzeit<br />
von mehreren Jahren weichlötbar<br />
macht. Früher wurden die Bauteile<br />
daher mit einem elektrolytisch<br />
abgeschiedenen Zinnbleiüberzug<br />
beschichtet. Der Gesetzgeber hat<br />
die Verwendung von Blei in Form<br />
von Bleizinnlot oder galvanischen<br />
Zinnbleiüberzügen stark eingeschränkt;<br />
heute werden deshalb<br />
hauptsächlich Reinzinnbeschichtungen<br />
eingesetzt.<br />
<strong>Die</strong> Kupferabscheidung aus<br />
schwefelsauren Elektrolyten ist ein<br />
wesentlicher Prozessschritt bei der<br />
Produktion von Leiterplatten.<br />
Elektrolyte der neuesten Generation<br />
scheiden Kupfer dabei bevorzugt<br />
in sehr kleinen Sacklochbohrungen<br />
(Blind Microvias) ab. Vollständig<br />
mit Kupfer gefüllte Blind<br />
Microvias (Abbildung 4) steigern<br />
die Integrationsdichte und ermöglichen<br />
somit eine weitere Miniaturisierung<br />
der Leiterplatte. So sind<br />
in der Mobilelektronik immer kleinere,<br />
leichtere und trotzdem leistungsfähigere<br />
Geräte wie Smart -<br />
phones möglich.<br />
Quellen und Anmerkungen<br />
1) IKB Branchenreport Oberflächentechnik<br />
2005.<br />
2) Umweltbundesamt: „Galvanische Oberflächenbeschichtung“,<br />
Internet, Stand<br />
2.3.2011 (www.umweltbundesamt.de/<br />
nachhaltige-produktion-anlagen<br />
sicherheit/nachhaltige-produktion/<br />
galvanik.htm.<br />
3) www.aluminal.de/home.html<br />
4) Karl S. Ryder, „Aluminium Electroplating<br />
in Ionic Liquids“, IONMET DGO, München,<br />
März 2009.<br />
Manfred Jordan, Jahrgang<br />
1949, studierte Chemie an<br />
der Universität Mainz. Der<br />
promovierte Chemiker ist<br />
seit dem Jahr 1980 Mitarbeiter<br />
der Fachfirma für<br />
Galvanotechnik Dr.-Ing. Max Schlötter in<br />
Geislingen an der Steige, seit 2005 leitet er die<br />
Abteilung Forschung und Entwicklung.<br />
jordan@schloetter.de<br />
Michael <strong>Die</strong>tterle, Jahrgang<br />
1966, studierte Chemie<br />
an der Universität<br />
Ulm. Der promovierte Chemiker<br />
ist seit dem Jahr<br />
1997 Mitarbeiter der Forschung<br />
und Entwicklung bei Schlötter, seit<br />
2005 als stellvertretender Forschungsleiter.<br />
Nachrichten aus der Chemie| 60 | Juni 2012 | www.gdch.de/nachrichten