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Ausgabe 01/2010 Titelthema S. 14-18 Das ist ... - OUTLAW gGmbH

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Abb. 1: Eckdaten der Biografi e von Nicky<br />

Erst durch die Bemühungen des Jugendamtes, eine Annäherung<br />

von Mutter und Tochter zu erwirken, verstetigt sich<br />

die Beziehung. Doch dann kommt es zu sexuellen Übergriffen<br />

durch den Lebensgefährten der Mutter. Die Mutter<br />

bietet Nicky gegen die Übergriffe keinen Schutz und keine<br />

Unterstützung, woraufhin Nicky sich entscheidet, in eine<br />

Pfl egefamilie zu ziehen. Mit Anklageerhebung gegen den<br />

Gewalttäter bricht der Kontakt zwischen Mutter und Tochter<br />

gänzlich ab, und erst mit Einstellung des Verfahrens erfährt<br />

Nicky, dass die Mutter, trotz der bestehenden Vorwürfe,<br />

den Mann geheiratet hat.<br />

In Folge <strong>ist</strong> die Beziehung zwischen den beiden Frauen von<br />

großen Ambivalenzen geprägt und führt Nicky immer wieder<br />

an den Rand ihrer Kapazitäten, das Leben zu bewältigen<br />

und zu gestalten. Erst mit dem Umzug in die Pfl egefamilie<br />

kann Nicky ihre Handlungsfähigkeit langsam wieder<br />

zurückgewinnen. Aus Nickys Perspektive <strong>ist</strong> die Pfl egefamilie<br />

in der Lage, ihr den emotionalen Rückhalt sowie das<br />

benötigte soziale Netzwerk und die Verbindlichkeit zu gewährle<strong>ist</strong>en,<br />

die es ihr ermöglichen, ihre Handlungsfähigkeit<br />

zu steigern und die ihr dargebotenen Gestaltungsräume zu<br />

nutzen (vgl. Abb. 1).<br />

Simon und der Drang nach Freiheit<br />

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Simon lebt für zwei Jahre in einem YoungSide ® -Projekt. Er<br />

wechselt in dieser Zeit in eine eigene Wohnung, in der er<br />

weiter betreut wird. Die Biografi e Simons wird geprägt durch<br />

den Drang nach Freiheit und die Schwierigkeit, sich Autoritäten<br />

unterzuordnen oder sich in eine Gemeinschaft mit ihren<br />

Regeln und Normen einzugliedern. Sein Verhalten und seine<br />

Motivation für Veränderungen und Anpassung sind sehr eng<br />

<br />

an signifi kante Andere geknüpft. <strong>Das</strong> Fehlen von bedeutsamen<br />

Bezugspersonen, von diesen signifi kanten Anderen,<br />

kombiniert mit der Angst vor Fremdbestimmung und den damit<br />

einhergehenden Schwierigkeiten mit Autoritäten, bilden<br />

ein Krisenpotential, mit dem Simon bis zum Zeitpunkt des<br />

Interviews nicht vollständig umgehen kann.<br />

Außerdem wird Simon von unterschiedlichen Drogen abhängig.<br />

Simon konsumiert regelmäßig Nikotin, Marihuana,<br />

Alkohol und andere Rauschmittel. Immer wenn Krisen sich<br />

zuspitzen und nicht mehr bewältigbar scheinen, also Simons<br />

Handlungsunfähigkeit ansteigt, potenziert sich auch<br />

sein Drogenkonsum. Gleichwohl unternimmt Simon immer<br />

wieder Versuche, über Anpassungsle<strong>ist</strong>ungen Situationen<br />

zu bewältigen.<br />

Gewinnt Simon an Selbst- und Handlungsfähigkeit, so wird<br />

das durch signifi kante Andere motiviert. In der Grundschule<br />

<strong>ist</strong> dies ein neuer Lehrer, den Simon sehr schätzt. Später<br />

übernimmt diese Funktion der Leiter eines Standprojekts<br />

der <strong>OUTLAW</strong> <strong>gGmbH</strong>. Allerdings stellt dieser viele Forderungen<br />

und Simon fühlt sich zu sehr eingeengt.<br />

Diejenigen, die letztendlich eine Veränderung von Simons<br />

Orientierungen bewirken, sind seine Lebensgefährtin – und<br />

sein Kind, dessen Mutter in einer anderen Stadt lebt. Die<br />

Lebensgefährtin <strong>ist</strong> in der Lage, ihn von einem festen Wohnsitz<br />

zu überzeugen, und das Kind <strong>ist</strong> für Simon ein Grund,<br />

Hürden zu überwinden und sich dem Anpassungsdruck zu<br />

stellen, anstatt der krisenhaften Dynamik nachzugeben.<br />

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Abb. 2: Eckdaten der Biografi e von Simon<br />

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Vergleich der Biografi en<br />

Der Vergleich beider Biografi en zeigt,<br />

dass während Nicky aktiv und selbstbestimmt<br />

handelt, Simon mehr reagierend<br />

und weniger seine soziale<br />

Umgebung gestaltend agiert. Des Weiteren<br />

fordert der Normalitätsanspruch<br />

Nickys eine hohe Anpassungsle<strong>ist</strong>ung<br />

an die von ihr reg<strong>ist</strong>rierten gesellschaftlichen<br />

Werte, Normen und sozial-kulturellen<br />

Praxen. Hingegen scheint der<br />

Wunsch nach Unabhängigkeit von<br />

gesellschaftlichen Zwängen und Restriktionen<br />

diese Anpassungsle<strong>ist</strong>ung<br />

in Simons Biografi e partiell zu unterlaufen.<br />

Im Gegensatz zu Nicky, die versucht<br />

ihre Situation aktiv zu ändern und Gestaltungsräume<br />

wahrzunehmen, versucht<br />

Simon sich anzupassen, ohne<br />

dabei Veränderungen vorzunehmen.<br />

Damit stößt er jedoch immer wieder<br />

an Grenzen. Trotz dieser elementaren<br />

Unterschiedlichkeit in Bezug auf<br />

das Einklagen und Reklamieren von<br />

Selbstbestimmung zeigen die beiden<br />

Biografi en auch eine Gemeinsamkeit:<br />

Mit Einzug in die YoungSide ® -Projekte<br />

gewinnen beide sukzessive – wenn<br />

auch nur partiell – ihre Handlungsfähigkeit.<br />

Nicky gewinnt an Autonomie über ihre<br />

Lebensgestaltungen, weil sie von der<br />

Projektfamilie ihre Bedürfnisse erfüllt<br />

bekommt, darüber Anerkennung erlebt<br />

und an Selbstsicherheit gewinnt.<br />

Dieses Erleben entlastet sie von dem<br />

Zwang, Normalitätsanforderungen<br />

zu entsprechen. Simon hingegen fi ndet<br />

in dem Projekt einen signifi kanten<br />

Anderen, der zumindest zeitweise in<br />

der Lage <strong>ist</strong>, seine Handlungsfähigkeit<br />

anzuregen, indem er über das Zeigen<br />

von Interesse Simon Anerkennung erfahren<br />

lässt und zugleich Sicherheit<br />

vermittelnde Verbindlichkeiten und<br />

soziale Strukturen anbietet.<br />

Nicky wie auch Simon haben es zum<br />

Zeitpunkt des Interviews geschafft,<br />

sich teilweise bis vollständig aus den<br />

krisenförmigen Dynamiken ihrer Biografi<br />

en zu befreien – sie haben gelernt,<br />

mit Anforderungen und biografi schen<br />

Brüchen umzugehen. An diesen beiden<br />

Fällen zeigt sich, dass es den<br />

Fachkräften der YoungSide ® -Projekte<br />

gelingen kann, Kinder und Jugendliche<br />

dabei zu unterstützen, Kompetenzen<br />

zu aktivieren, die es ermöglichen, biografi<br />

sche Krisen und Brüche zu bewältigen<br />

und Handlungsfähigkeit neu<br />

zu entwickeln.<br />

Text: Vera S. P. Keim/Werner Thole<br />

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