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Rede von Landrat Hanns Dorfner - Landkreis Passau

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<strong>Rede</strong> <strong>von</strong> <strong>Landrat</strong> <strong>Hanns</strong> <strong>Dorfner</strong> am 12. März 2007<br />

bei den 9. Münchner Tagen<br />

der Bodenordnung und Landesentwicklung 2007<br />

„Stehen wir vor einem neuen Verhältnis zwischen Stadt und<br />

Land?“<br />

Auch wenn der ländliche Raum in der politischen Diskussion ein stets<br />

präsentes und beinahe unerschöpfliches Thema ist, so ist es derzeit in<br />

Bayern gerade wieder besonders in, über den ländlichen Raum und<br />

seine Zukunft zu sprechen. Und das ist auch gut so! Die Tatsache,<br />

dass ländliche Räume durch die Politik wieder mehr wahrgenommen<br />

werden, ist ein positives Signal, das hoffen lässt.<br />

Vor diesem Hintergrund sehe ich auch gerade in dieser Veranstaltung<br />

geeignete Möglichkeiten, Positionen und Impulse in diese landesweite<br />

Diskussion einzubringen.<br />

Wollte ich nun die diesem Programmpunkt vorangestellte Frage nach<br />

einem neuen Verhältnis zwischen Land und Stadt beantworten, so<br />

kann dies aus meiner Sicht nicht einfach mit Ja oder Nein abgetan<br />

werden. Lassen Sie mich daher aus dem breiten Spektrum der Aktionsfelder<br />

für den ländlichen Raum, auf nur einige, mir vor dem Hintergrund<br />

der genannten Fragestellung besonders bedeutsame Themenbereiche<br />

eingehen.<br />

Fest steht jedenfalls, dass die Frage durchaus ihre Berechtigung hat<br />

und weiß Gott diskussionswürdig ist. Schließlich wird der Grundsatz<br />

der Entwicklungspriorität des ländlichen Raumes immer wieder durch<br />

zahlreiche gegenläufige Zielsetzungen überlagert und stellenweise sogar<br />

entwertet. Dieser bedenklichen Tendenz muss mit allen Mitteln begegnet<br />

werden.<br />

Den ländlichen Raum gibt es nicht. Es gibt Metropolregionen, denen<br />

auch die ländlichen Räume zugehörig sind. Es gibt Grenzgegionen, den<br />

Bayerischen Wald oder weite Bereiche Frankens. Der ländliche Raum<br />

ist so vielfältig, wie eben Bayern vielfältig ist.<br />

Der ländliche Raum versteht sich nicht nur als Ausgleichs- und Erholungsraum,<br />

sondern auch als Wirtschaftsraum und natürlich auch als<br />

Lebensraum für unsere Bürgerinnen und Bürger. Es muss daher alles<br />

darangesetzt werden, dass dieser ländliche Raum eine entsprechende<br />

1


wirtschaftliche Entwicklung nimmt, um gleichwertige Lebensverhältnisse<br />

zu schaffen. Dabei muss sein Charakter, seine Ursprünglichkeit so<br />

weit wie möglich bewahrt werden.<br />

Landesentwicklung kann sich nicht einseitig auf die Ballungsräume beschränken,<br />

weil dies eben gerade keine gleichmäßig dynamische Entwicklung<br />

aller Landesteile ergeben würde. Ich darf hier nur stichwortartig<br />

das sog. Lissabon-Protokoll und die Ereignisse auf der Europäischen<br />

Bühne erwähnen, mit denen man Metropolregionen verstärkt<br />

in die Förderungen einbeziehen möchte. Damit besteht zweifelsohne<br />

die große Gefahr, dass diese die Oberhand gewinnen und der ländliche<br />

Raum verkümmert, hin zur Schlafstätte und allenfalls noch einem<br />

Erholungsraum für die städtische Bevölkerung dienend. Bayern ist aber<br />

eben nicht nur München oder Nürnberg/ Fürth/Erlangen, sondern auch<br />

Oberpfalz, der Bayerische Wald, das Allgäu oder das <strong>Passau</strong>er Land.<br />

In diesem Zusammenhang möchte ich, gerade auch als <strong>Landrat</strong> eines<br />

Flächenlandkreise, in soweit übrigens der drittgrößte in Bayern, allen<br />

Überlegungen entgegentreten, kleinere Gemeinden noch mehr mit<br />

anderen zusammenzulegen, um größere kommunalpolitische Einheiten<br />

zu schaffen. Wir, die wir vor Ort in der Verantwortung stehen, machen<br />

ja die Erfahrung, dass gerade in kleineren Gemeinden das Vereinsleben<br />

und die Bürgeraktivitäten weit besser funktionieren als in den<br />

größeren Städten. Daher halte ich auch die Beibehaltung der kommunalen<br />

Kleinstruktur im ländlichen Raum im Interesse einer zukunftsfähigen<br />

Entwicklung für wichtig und unverzichtbar.<br />

Die Chancen, die sich aus den Möglichkeiten der kommunalen Zusammenarbeit<br />

ergeben, könnten und sollten hier meines Erachtens<br />

noch weit mehr als bisher genutzt werden.<br />

Der kommunale Finanzausgleich stellt dabei traditionell einen besonderen<br />

Eckpfeiler zur Sicherung und Fortentwicklung des ländlichen<br />

Raumes dar. Die Bayer. Staatsregierung hat im Rahmen des Doppel-<br />

Haushalts 2007/2008 mit ihrem Sonderprogramm „Investieren in Bayerns<br />

Zukunft“ bereits einen besonderen und zusätzlichen Akzent zur<br />

Stärkung des ländlichen Raumes durch Ergänzung der bewährten Förderinstrumente<br />

gesetzt. Gleichwohl sollte die staatliche Finanzierungspolitik<br />

gegenüber den kleineren Gemeinden im Rahmen des kommunalen<br />

Finanzausgleichs, und hier insbesondere bei den Schlüsselzuweisungen<br />

grundsätzlich überdacht werden. Zwar nimmt der Finanzausgleich<br />

bereits Rücksicht auf Kommunen mit geringer Finanzkraft,<br />

nivelliert aber in einer, wie ich meine, ungerechten Art und Weise, vieles<br />

da<strong>von</strong> durch den Hauptansatz, d. h. das Abstellen auf die Einwoh-<br />

2


nerzahlen. So ist es in meinen Augen nach wie vor ein Ärgernis, ja ich<br />

möchte in diesem Zusammenhang sogar <strong>von</strong> einer Diskriminierung<br />

sprechen, wenn beispielsweise ein Einwohner Münchens mit 150<br />

Punkten bewertet wird und kleinere Gemeinden, wie wir sie ja überwiegend<br />

im ländlichen Raum haben, der Ansatz bis zu 5.000 Einwohner<br />

nur mit 108 % der Einwohnerzahl gewichtet wird. Hier könnte ich<br />

mir durchaus einen Ausgleich vorstellen, oder aber man zählt die ersten<br />

1.000 Einwohner doppelt, damit auch diese Kleinkommunen zu einer<br />

angemessenen Teilhabe am kommunalen Finanzausgleich kommen.<br />

Meine sehr verehrten Damen und Herren,<br />

ländlicher Raum ist nicht gleichbedeutend mit Landwirtschaft, wenngleich<br />

die Landwirtschaft nach Aussagen <strong>von</strong> BBV-Präsident Gerd<br />

Sonnleitner einen neuen, einen größeren Stellenwert in der Zukunft<br />

haben wird, der sich in ihren verschiedensten Formen und Ausprägungen<br />

widerspiegelt, wie beispielsweise in der herkömmlichen und intensiven<br />

Landwirtschaft sowie in der Erzeugung <strong>von</strong> Lebensmitteln oder<br />

als Energiewirt.<br />

Allerdings wird man auch hier künftig verstärkt Umweltgesichtspunkte<br />

beachten müssen, weil es vor dem Hintergrund einer veränderten Umwelt<br />

einerseits und den Anforderungen der Wohnbevölkerung an ein in<br />

jeder Hinsicht ungestörtes Wohnen und Leben in der freien Natur andererseits,<br />

häufig zu Konflikten dieses Nebeneinanders kommt. So<br />

wird es immer problematischer, emissionsträchtige landwirtschaftliche<br />

Bauvorhaben wie z.B. größere Ställe oder Biogasanlagen zu verwirklichen.<br />

Gerade in meinem Heimatlandkreis <strong>Passau</strong> gibt es umgekehrt auch<br />

interessante Beispiele, die belegen, dass es sehr wohl ein weitgehend<br />

konfliktfreies Nebeneinander geben kann. Ich darf hier insbesondere<br />

Europas größte Golfregion erwähnen, die sich inmitten des landwirtschaftlich<br />

geprägten Rottals befindet, oder aber auf unsere großen und<br />

europaweit erfolgreichen Kurorte im sog. Bäderdreieck in eben dieser<br />

Region verweisen. Wenn ich Ihnen dann gleichzeitig verrate, dass der<br />

<strong>Landkreis</strong> <strong>Passau</strong> mit etwa 350.000 Schweinen, die schweinereichste<br />

Region Bayerns ist, dann belegt dies sicherlich auch, dass sich Landwirtschaft<br />

und Tourismus beileibe nicht ausschließen müssen, sondern<br />

in einer für alle Beteiligten einvernehmlichen und zukunftsträchtigen<br />

Weise bestehen können. Wir müssen in der Landwirtschaft noch<br />

mehr als bisher das Bewusstsein fördern, dass Naturschutz und Landwirtschaft<br />

kein Gegensatz ist.<br />

3


Im Rahmen der integrierten ländlichen Entwicklung sehe ich hier<br />

insbesondere im Instrument der Dorferneuerung einen wesentlichen<br />

Beitrag zur strukturellen Stabilisierung und Entwicklung des ländlichen<br />

Raumes. Darüber hinaus wartet diese ländliche Entwicklungsinitiative<br />

mit einer Vielzahl weiterer Förderschwerpunkte auf, wobei ich beispielhaft<br />

nur noch die Flurneuordnung, die Fortsetzung <strong>von</strong> Leader-<br />

Programmen sowie die Unterstützung lokaler Aktionsgruppen mit hohem<br />

bürgerschaftlichem Engagement und staatlicher Hilfe zur Selbsthilfe<br />

erwähnen möchte.<br />

Leider ist im Rahmen der europäischen Agrarpolitik die sog. zweite<br />

Säule gekürzt worden, die gerade für die ländliche Entwicklung so<br />

wichtig wäre.<br />

Lassen Sie mich, verehrte Damen und Herren, mit dem Thema Schulbildung<br />

und kulturelle Entwicklung zwei besondere „Leuchttürme“<br />

der Entwicklung des ländlichen Raumes ansprechen.<br />

In meinem <strong>Landkreis</strong> <strong>Passau</strong> haben wir bereits Anfang der 90er Jahre<br />

ein <strong>Landkreis</strong>-Leitbild entwickelt, das in punkto Bildung nachfolgende<br />

Aussage trifft:<br />

„Die Kinder wachsen auf in einem intakten sozialen Umfeld, einer unbeschwerten<br />

Atmosphäre und mit guten Bildungschancen“.<br />

Dieses uns selbst gegebene Leitbild ist seither Handlungsanleitung<br />

und –maßstab zugleich. Die guten Bildungschancen, die wir uns auf<br />

die Fahnen geheftet haben, stehen auch tatsächlich im <strong>Landkreis</strong> und<br />

nicht nur in der kreisfreien Stadt <strong>Passau</strong> zur Verfügung. In meiner Zeit<br />

als <strong>Landrat</strong> – das sind die vergangenen 17 Jahre – konnten so mehr<br />

als 100 Mio. Euro investiert werden, sämtliche im Bereich der weiterführenden<br />

Schulen und des beruflichen Schulwesens.<br />

Schulbildung muss demnach auch und gerade im ländlichen Raum<br />

funktionieren und sie tut es auch. Weitgehend ist es doch so, dass die<br />

schulischen Möglichkeiten heute dort besser sind, als in vielen Großstädten.<br />

Die Grundschule steht wohnortnah zur Verfügung. Ein gegliedertes<br />

Schulsystem mit Realschulen und Gymnasien ist auf dem flachen Land<br />

genauso vorhanden und die Zukunftsfähigkeit der Hauptschule wird<br />

sich, so ist zu hoffen, künftig in eine Fortentwicklung hin zu einer weiterführenden<br />

Schule bewegen, womit auch eine Bündelung der Standorte<br />

einhergehen muss.<br />

Ich möchte gerade diese notwendige schulpolitische Neuordnung der<br />

Hauptschule auch als Forderung an die Politik verstanden wissen.<br />

4


Die gesellschaftliche Entwicklung erfordert es, auch im ländlichen<br />

Raum für Kleinkinder entsprechende Betreuungsmöglichkeiten zu<br />

schaffen. Hier sind die Gemeinden gefordert, die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten<br />

des neuen Bayerischen Kinderbetreuungsgesetzes<br />

zu nutzen.<br />

Schlagworte wie „Lernende Gesellschaft“ oder „Lebenslanges Lernen“<br />

sind gleichermaßen auch für den ländlichen Raum Forderungen, die an<br />

den raschen Veränderungen im Arbeits- und Privatleben des einzelnen<br />

und den damit verbundenen Anforderungen an ein stets aktuelles bzw.<br />

neues Wissen festgemacht sind. Gerade in der sog. Fläche kommt einem<br />

räumlich ausgewogenen Netz an Angeboten zur Bildung ein besonders<br />

hoher Stellenwert bei. In kaum einem anderen Aktionsfeld<br />

scheint es mir wichtiger zu sein, Weiterentwicklungen und Verbesserungen<br />

so zu gestalten, dass sie im Sinne <strong>von</strong> Chancengerechtigkeit<br />

bzw. gleichwertiger Lebensverhältnisse gerade auch in den strukturschwachen<br />

und peripheren ländlichen Gebieten eine umfassende Teilhabe<br />

an Bildung und Erziehung, Wissen und Qualifikation ermöglichen.<br />

Nicht ohne Grund werden Bildung und Kultur meist in einem Atemzug<br />

genannt. Kultur hat ihre Wurzel in der Bildung und kann sich nur entwickeln,<br />

wo Wissen vorhanden ist.<br />

Ich traue mich auch zu behaupten, dass viele kulturelle Anstöße aus<br />

dem ländlichen Raum kommen und erst dann in den Großstädten, vielleicht<br />

in abgewandelter Form, verwirklicht werden. Für mich persönlich<br />

ist Kultur immer etwas, was anlässlich der Verleihung des Kulturpreises<br />

des <strong>Landkreis</strong>es <strong>Passau</strong> im November vorigen Jahres der Intendant<br />

der Kammerspiele München, Frank Baumbauer, wie folgt überaus<br />

treffend formuliert hat:<br />

„Kultur ist Lebensmittel und daher so wichtig wie der Kaffee in der<br />

Früh“.<br />

Oder aber, wie es einst der unvergessene Staatsintendant August Everding<br />

einmal formuliert hat:<br />

Kultur rechnet sich nicht, aber sie zahlt sich aus!<br />

Kultur mit ihrem hohen Stellenwert für Lebensqualität bedarf daher gerade<br />

auch im ländlichen Raum der bestmöglichen Unterstützung. Kultur<br />

ist beileibe nicht die Domäne der Großstädte, an der großzügiger<br />

Weise auch der ländliche Raum teilhaben darf. Kultur hat sich im ländlichen<br />

Raum längst eigenständig entwickelt und spielt sich dort ab, wo<br />

Eigeninitiativen ein Höchstmaß an Kreativität erfordern und hervorbringen.<br />

Es gehört nicht zur großen Kunst, mit viel Geld große Künstler auf<br />

Bühnen und in Konzerthäuser zu holen.<br />

5


Sehr viel schwieriger und respektabel ist es allerdings, wenn sich<br />

Gruppen und Dorfgemeinschaften auf dem Land zusammenfinden und<br />

mit Begeisterung und Engagement und vor allem ohne auf den großen<br />

finanziellen Reibach zu schielen, Musik, Theater oder sonstige kulturelle<br />

Aktivitäten gestalten. Hier offenbart sich die Vitalität unserer Dörfer<br />

und Kleinstädte mit einer attraktiven Kulturlandschaft und einem vielfältigen<br />

kulturellen Leben, das im grellen Gegensatz zur hoch subventionierten<br />

städtischen Schickimicki-Kultur steht.<br />

Es ist daher nur recht und billig, Kultur in all ihren Formen, seien es<br />

Musikschulen, Vereine, Kulturinitiativen oder –organisationen als Eckpfeiler<br />

eines vitalen ländlichen Raumes bestmöglich zu fördern.<br />

Zu einem zentralen Handlungsfeld vor dem Hintergrund der besonderen<br />

Problematik des ländlichen Raumes gehört zweifelsohne die regionale<br />

Wirtschaftsförderung. Zwar ist es Fakt, dass die Politik ansiedlungswilligen<br />

Betrieben und Unternehmen nicht vorschreiben kann, wo<br />

sie sich niederzulassen haben, gleichwohl darf man die Bedeutung der<br />

Rahmenbedingungen, die wichtiger Teil der Kommunalpolitik sind,<br />

nicht unterschätzen.<br />

Die Schaffung attraktiver und vor allem auch sicherer Arbeitsplätze ist<br />

daher verständlicherweise Ziel jeder regionalen Wirtschaftspolitik, die<br />

aber ohne staatliche Förderprogramme ein weitgehend stumpfes Instrument<br />

bleiben würde. Dass hierbei insbesondere strukturschwache<br />

ländliche Gebiete in besonderer Weise an solchen Förderprogrammen<br />

partizipieren sollten, liegt auf der Hand und gehört mit zu den nachhaltigen<br />

Zielen Bayer. Wirtschaftspolitik. Damit soll auch ein Wettbewerbsnachteil<br />

ausgeglichen werden, der in hohem Maße die Ballungsräume<br />

und die sie umgebenden Speckgürtel einseitig bevorzugt.<br />

Aktives Regionalmarketing wie unser prämiiertes Beispiel „Go<strong>Passau</strong>“<br />

und Regionalmanagement (Beispiel Leader-Aktionsgruppen) können<br />

die Voraussetzungen hierfür schaffen.<br />

Es kann ja wohl nicht sein, dass sich Betriebsansiedlungen nur in den<br />

Ballungsgebieten entwickeln und permanent ausbauen lassen. Der<br />

ländliche Raum hat zweifelsohne Standortvorteile zu bieten, die in den<br />

Ballungsräumen nur noch schwerlich zu finden sind, wie beispielsweise<br />

ein äußerst attraktives Preis-Leistungsverhältnis für potentielle Investoren.<br />

In den ländlichen Regionen steht in aller Regel neben einem<br />

preisgünstigen Industrie-, Gewerbe- und Büroflächenangebot auch ein<br />

hoch motiviertes Arbeitskräftepotential zur Verfügung, das sich zudem<br />

durch eine hohe Leistungsbereitschaft und Produktivität auszeichnet.<br />

6


Ländlicher Raum kann nur erfolgreich sein und bleiben, wenn die Menschen<br />

Arbeit vor Ort haben.<br />

Hinzu kommen die modernen Möglichkeiten der Informationstechnik,<br />

die es erlauben, auch im ländlichen Raum Betriebe wie besonders jene<br />

aus der IT-Branche anzusiedeln. Als Beispiel hierfür kann ich auf die<br />

Bemühungen des <strong>Landkreis</strong>es <strong>Passau</strong> verweisen, wo wir in Zusammenarbeit<br />

mit der Universität <strong>Passau</strong> das gerade für den ländlichen<br />

Raum interessante Instrument des Near-Shoring einsetzen werden<br />

um Arbeitskräfte aus den Ballungsräumen zu rekrutieren und die günstigeren<br />

arbeitsmarktpolitischen Voraussetzungen des ländlichen Raumes<br />

zu nutzen.<br />

Für solche Initiativen zur Stärkung des ländlichen Raumes ist daher<br />

eine nachhaltige Unterstützung nicht nur sporadisch zu fordern, sondern<br />

dies muss erklärtes Ziel einer wirkungsvollen Ansiedlungspolitik<br />

im ländlichen Raum sein.<br />

Das Stichwort IT-Branche gibt mir Gelegenheit, auf ein besonders<br />

drängendes Problem hinzuweisen, bei dem der ländliche Raum einmal<br />

mehr ganz offensichtlich deutlich hinter den größeren Städten herhinkt.<br />

Ich meine den Anschluss an die sog. Datenautobahn, also das Breitbandnetz,<br />

das derzeit in einigen Landesteilen nur als weißer Fleck erscheint.<br />

Der schnelle Zugang zum Internet ist unabdingbare strukturelle Voraussetzung<br />

für Firmenansiedlungen, soll aber auch Privathaushalten<br />

im ländlichen Raum den Zugang zu weltweit nutzbaren Daten ermöglichen.<br />

Auf diese weißen Flecken stürzen sich als Ausfluss eines Breitband-<br />

Pakts mittlerweile alternative Anbieter für Internet-Technologie, nachdem<br />

die Deutsche Telekom keinerlei Interesse zeigt, die dünn besiedelten<br />

ländlichen Räume zu erschließen. Als solcher ist die in weiten Teilen<br />

Südostbayerns tätige Telekommunikationsgesellschaft Televersa bereits<br />

so weit, dass sie noch in diesem Jahr eine flächendeckende Versorgung<br />

unserer gesamten ostbayerischen Region herbeiführen kann<br />

und dies zu äußerst attraktiven Preisen. Genau solche Angebote brauchen<br />

wir für den ländlichen Raum!<br />

Apropos Infrastruktur: Ein typisches Problem und zwar eines das seit<br />

Jahren bekannt ist und eine weitere besonders eklatante Benachteiligung<br />

des ländlichen Raumes gegenüber den Großstädten darstellt, ist<br />

der öffentliche Personennahverkehr.<br />

Es kann doch nicht sein, dass den Bürgern in den Großstädten ein<br />

hoch subventioniertes ÖPNV-Netz zur Verfügung steht, das, wenn ich<br />

7


an den Großraum München denke, S-Bahnanschlüsse bis raus an<br />

Ammersee und Starnberger See anbietet, und andererseits im ländlichen<br />

Raum dem Individualverkehr immer mehr Kosten aufgebürdet<br />

werden – ausschließlich zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger.<br />

Für die Attraktivität des ländlichen Raumes spielt der öffentliche Personennahverkehr<br />

eine ganz entscheidende Rolle. Es ist schlichtweg<br />

nicht mehr hinnehmbar, den ländlichen Raum im Bereich des ÖPNV<br />

weiter auszudünnen, vielmehr muss im Gegenteil dieser für seine Bewohner<br />

attraktiver gemacht werden, damit er als echte Alternative zum<br />

motorisierten Individualverkehr wettbewerbsfähig wird. Der Kürzung<br />

der Regionalisierungsmittel muss ich daher mit aller Deutlichkeit entgegentreten<br />

und ich hoffe, dass hier noch nicht das letzte Wort gesprochen<br />

ist.<br />

Wie mühsam sich der ländliche Raum jede, für die Großstädte selbstverständliche<br />

Verbesserung erkämpfen muss, zeigt das Beispiel der<br />

fehlenden Schienenanbindung Ostbayerns an den Münchner Flughafen<br />

– ein Trauerspiel ohnegleichen!<br />

Seit Jahren wird der fehlende fernbahntaugliche Schienenanschluss<br />

diskutiert, herausgekommen ist für Ostbayern bisher nichts. Während<br />

in München der Bau der dritten Start- und Landebahn des Flughafens<br />

derzeit raumgeordnet wird, damit eine begrüßenswerte Erweiterung<br />

dieser internationalen Drehscheibe erfolgen kann, wird der ostbayerische<br />

Raum hinsichtlich der schienenmäßigen Anbindung immer noch<br />

so behandelt, als gäbe es den Münchner Airport gar nicht, so als wäre<br />

nicht ein millionenfaches Passagieraufkommen gerade aus dem ostbayerischen<br />

Raum belegt.<br />

Mit der seit Jahren erfolglos geforderten sog. „Marzlinger Spange“<br />

hätte Ostbayern eine Schnellverbindung zum Flughafen, die im Nebeneffekt<br />

auch die Chancen steigen lassen würden, dass Unternehmen<br />

nicht nur im Großraum München investieren, sondern auch in<br />

Ostbayern.<br />

Die in diesem Punkt anhaltende, hartnäckige Ignoranz ist schlichtweg<br />

unerträglich und sollte schnellstens einer vernünftigen Lösung weichen.<br />

Abschließend, verehrte Damen und Herren,<br />

noch ein kritisches Wort zum Landesentwicklungsprogramm. Dieses<br />

ist ja gekennzeichnet <strong>von</strong> einer Entwicklungspriorität zu Gunsten des<br />

ländlichen Raums und hat sich die Sicherstellung der Chancengleichheit<br />

für die Bevölkerung in allen Landesteilen als Leitprinzip gegeben.<br />

Ohne auf einzelne, durchaus erfreuliche Aspekte des LEP einzugehen,<br />

8


möchte ich vom Grundsatz her kritisch anmerken, dass das Landesentwicklungsprogramm,<br />

wie wir es bisher kennen, eher dazu beigetragen<br />

hat, Entwicklungen im ländlichen Raum zu stören oder da und dort<br />

sogar zu verhindern.<br />

Hier geht mein Appell an die Landespolitik, doch bitteschön den politisch<br />

Verantwortlichen vor Ort mehr Vertrauen entgegen zu bringen.<br />

Was ich für den ländlichen Raum fordere ist natürlich nicht die Aufgabe<br />

der bisherigen Ziele, vielmehr sollte eine flexiblere Handhabung den<br />

vielfach sehr stringenten Vorgaben Platz machen.<br />

Also keine Angst, wir Politiker vor Ort wissen sehr wohl was wir verantworten<br />

können und was nicht. Wir werden unsere wichtigsten Ressourcen,<br />

eine intakte Umwelt und Landschaft nicht leichtfertig auf´s<br />

Spiel setzen. Nachhaltige Politik kann sicherlich nicht <strong>von</strong> Ministerialbeamten<br />

in München betrieben werden, sondern muss aus der Eigenverantwortung<br />

der Politiker vor Ort wachsen.<br />

Sehr verehrte Damen und Herren,<br />

lassen Sie mich ein Fazit ziehen und dabei nochmals auf die gestellte<br />

Frage eingehen: Wenn man den ländlichen Raum schon als Rückgrat<br />

Bayerns bezeichnet – dem ich mich nur anschließen kann – dann<br />

muss dies folgerichtig auch Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen<br />

Land und Stadt haben. Natürlich sind Zentren wichtig und unentbehrlich.<br />

Sie werden auch weiterhin wachsen und können sich gut und gerne<br />

alleine durchsetzen.<br />

Der ländliche Raum bedarf jedoch der unbedingten Unterstützung einer<br />

gerechten und ausgewogenen Politik, die mehr als bisher den<br />

Schwachen helfen und nicht zu sehr die Starken noch mehr unterstützen<br />

muss. Starke Regionen noch mehr zu fördern, heißt Schwächere<br />

noch weiter absinken zu lassen.<br />

Der ländliche Raum ist, und das möchte ich nochmals ausdrücklich betonen,<br />

nicht lediglich Ausgleichs- und Erholungsraum, dem kein Recht<br />

auf eine eigenständige Entwicklung zusteht und der als Kostgänger der<br />

Ballungsräume <strong>von</strong> dem zu leben hat, was dort übrig bleibt. Der ländliche<br />

Raum ist für die gesamtgesellschaftliche Entwicklung genauso bedeutsam<br />

wie seine Städte und Ballungsräume. Er hat eine erneuernde<br />

und Leben spendende Aufgabe. Entscheidend ist ein gut funktionierendes<br />

Zusammenwirken des ländlichen Raumes mit den Ballungsräumen,<br />

immer mit dem Ziel einer Nachhaltigkeit in Politik, Verbänden<br />

und Kammern sowie eine gleichberechtigte Partnerschaft. Dann ist<br />

ländlicher Raum auch Heimat mit Zukunft!<br />

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