können Sie sich den Artikel als PDf - Rheinlands Reiter+Pferde
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spezialfälle.dressur<br />
Was passiert,<br />
wenn…?<br />
Welcher Dressurreiter hat <strong>sich</strong><br />
nicht schon einmal verritten?<br />
Weil mitten in der Prüfung die<br />
Aufgabe plötzlich weg ist – <strong>als</strong> hätte jemand<br />
im Kopf die „Delete-Taste“ gedrückt.<br />
Oder weil mehrere Aufgaben durcheinander<br />
gebracht wer<strong>den</strong>. Weil <strong>sich</strong> das Pferd<br />
erschreckt und <strong>den</strong> Reiter so aus dem Konzept<br />
bringt. Oder, oder, oder…<br />
Die Ursachen für Verreiten sind vielfältig<br />
und für Außenstehende nicht immer<br />
nachzuvollziehen. Auch für Richter nicht:<br />
Doch diese müssen innerhalb weniger Sekun<strong>den</strong><br />
entschei<strong>den</strong>, wie <strong>sich</strong> solche „Fehler“<br />
in der Bewertung niederschlagen.<br />
Das „klassische“ Verreiten ist da noch<br />
ein „einfacher Fall“ für die Fachleute in<br />
<strong>den</strong> Richterhäuschen. Anders verhält es<br />
<strong>sich</strong> bei <strong>den</strong> zahlreichen „Spezialfällen“.<br />
Was ist, wenn der Kommandogeber die<br />
Aufgabe f<strong>als</strong>ch vorliest? Eine f<strong>als</strong>che Lektion<br />
geritten wird? Oder ein Richter das Verreiten<br />
zunächst nicht bemerkt?<br />
Vorab: Grundsätzlich gilt in jedem Fall<br />
des Verreitens, dass die Aufgabe durch<br />
<strong>den</strong> oder die Richter unterbrochen wer<strong>den</strong><br />
muss – auch beim Reiten einer f<strong>als</strong>chen<br />
Lektion!<br />
Und: Bewertet wird – außer im Fall<br />
einer abgebrochenen Lektion – immer die<br />
nach dem Abläuten erneut gerittene Lektion.<br />
Bei getrenntem Richten wird immer<br />
dann ein Punktabzug vorgenommen, wenn<br />
die Richter abgeläutet haben. Wird nicht<br />
abgeläutet, wird das Verreiten in der Gesamtwertnote<br />
bzw. der Wertnote einer Lektion<br />
berück<strong>sich</strong>tigt.<br />
Der Klassiker<br />
Häufig ist natürlich der Klassiker: das Verreiten<br />
innerhalb einer Dressuraufgabe. Der<br />
Richter muss in einem solchen Fall die<br />
Prüfung unterbrechen (Glockenzeichen),<br />
wenn der Reiter <strong>den</strong> f<strong>als</strong>chen Weg einschlägt,<br />
eine Lektion vergisst oder sie am<br />
f<strong>als</strong>chen Punkt reitet, die Lektion in der<br />
f<strong>als</strong>chen Gangart reitet oder abbricht. Wird<br />
in einem der ersten vier Fälle abgeläutet,<br />
12 RHEINLANDS REITER+PFERDE 7-2011<br />
gibt es einen Punktabzug (0,2 für einmaliges<br />
Verreiten und 0,4 für das zweite im<br />
gemeinsamen Richtverfahren; bzw. 2 und 4<br />
Punkte im getrennten Richtverfahren; Ausschluss<br />
beim dritten Verreiten) – bewertet<br />
wird aber die nach dem Abläuten erneut<br />
auf korrektem Weg gerittene Lektion.<br />
Bricht der Reiter dagegen die Lektion<br />
ab, wird die abgebrochene Lektion gewertet<br />
und ein Punktabzug für Verreiten vorgenommen.<br />
Wird nicht abgeläutet, zum<br />
Beispiel weil der Richter es zunächst nicht<br />
bemerkt, wird das Verreiten in der Wertnote<br />
für die Lektion oder in der Gesamtwertnote<br />
berück<strong>sich</strong>tigt.<br />
Übrigens: Gleiches gilt für das Verreiten<br />
in Dressurpferdeprüfungen, <strong>den</strong>n die<br />
sind gemäß LPO §352 analog!<br />
Beispiele<br />
Der Reiter beginnt mit einer f<strong>als</strong>chen Aufgabe,<br />
die laut Ausschreibung auswendig<br />
geritten wer<strong>den</strong> muss, und wird daher abgeläutet.<br />
Stellt <strong>sich</strong> heraus, dass der Teilnehmer<br />
die Aufgabe nicht wie gefordert<br />
auswendig kann, wird dieser von der Prüfung<br />
ausgeschlossen.<br />
Ist die Aufgabe laut Ausschreibung auswendig<br />
oder mit eigenem Kommandogeber<br />
zu reiten, kann der Teilnehmer – sofern er<br />
sofort einen Kommandogeber zur Verfügung<br />
hat, der die Aufgabe vorliest – diese<br />
been<strong>den</strong>. Wenn nicht, wird er ausgeschlossen.<br />
In einer Abteilungsaufgabe gibt der<br />
Tetenreiter <strong>den</strong> Weg vor. Verreitet <strong>sich</strong> der<br />
Reiter an „vorderster Front“, kassiert er<br />
auch <strong>den</strong> Punktabzug für das Verreiten.<br />
Egal ob die Abteilung ihm folgt oder <strong>den</strong><br />
korrekten Weg einschlägt! In jedem Fall<br />
muss der Richter abläuten.<br />
In Kür-Prüfungen gelten etwas andere<br />
Regeln: Das Auslassen einer Pflichtlektion<br />
wird in A- und B-Note mit 0,5 Punkten Abzug<br />
beziehungsweise einer Wertnote unter<br />
6,0 geahndet. Auch das Reiten einer Lektion<br />
einer höheren Klasse wird so bestraft.<br />
Wird eine Pflichtlektion überzogen gezeigt<br />
Foto: Foto: XXXXXXX Brandel/HiM
…<strong>sich</strong> der Reiter verreitet und/oder der<br />
Richter es nicht bemerkt? Wie wer<strong>den</strong> diese<br />
und andere Spezialfälle in der Dressur bewertet?<br />
RRP klärt auf!
spezialfälle.dressur<br />
(zum Beispiel ganze statt halbe<br />
Schrittpirouette), kommt es zu<br />
einem Abzug von 0,2 und einer<br />
Note von unter 5 für die betroffene<br />
Pflichtlektion.<br />
Richterfehler<br />
– und dann?<br />
Doch was passiert, wenn ein<br />
Richter das Verreiten eines<br />
Teilnehmers gar nicht oder zu<br />
spät bemerkt? Fällt dem Richter<br />
das Verreiten erst drei Lektionen<br />
später auf, muss er <strong>den</strong>noch<br />
abläuten. Der Teilnehmer<br />
beginnt dann mit der Lektion<br />
neu, bei der er <strong>sich</strong> verritten<br />
hat. Bewertet wer<strong>den</strong> die Lektionen<br />
„auf dem zweiten Weg“<br />
und der entsprechende Punktabzug<br />
wird vorgenommen.<br />
Auch wenn der Reiter eine<br />
oder mehrere Lektionen nicht<br />
zeigt und der Richter dieses<br />
nicht sofort, aber noch vor<br />
Ende der Aufgabe bemerkt,<br />
muss das Paar im Viereck abgeläutet<br />
wer<strong>den</strong>. Der Teilnehmer<br />
beginnt an der Stelle, an<br />
der er <strong>sich</strong> verritten hat; der<br />
Richter bewertet die Lektionen,<br />
die nach dem Abläuten geritten<br />
wer<strong>den</strong>, und am Ende kommt<br />
wieder der Punktabzug für<br />
Verreiten zum Tragen.<br />
Bemerken der oder die<br />
Richter das Verreiten oder Auslassen<br />
von Lektionen überhaupt<br />
nicht, darf dieser Richterfehler<br />
nicht zu Lasten des Reiters<br />
gehen. Es wird angenommen,<br />
dass er die Lektion im guten<br />
Bereich (Wertnote 8) absolviert<br />
hat. Führt die Wertnote/Wertnotensumme<br />
zu einer Platzierung,<br />
muss der Teilnehmer zusätzlich<br />
platziert wer<strong>den</strong>.<br />
Kommandogeber<br />
verliest <strong>sich</strong>?<br />
Spezialfälle tauchen auch auf,<br />
wenn der Kommandogeber <strong>sich</strong><br />
verliest. Dabei wird unterschie<strong>den</strong><br />
zwischen einem vom Veranstalter<br />
gestellten Kommandogeber,<br />
wie es in Prüfungen der<br />
Klasse E und A in der Regel<br />
der Fall ist, oder einem vom<br />
Reiter „mitgebrachten“.<br />
Verliest <strong>sich</strong> ein vom Veranstalter<br />
gestellter Kommandogeber<br />
und der Reiter folgt dessen<br />
Kommando, dann muss zwar<br />
14 RHEINLANDS REITER+PFERDE 7-2011<br />
abgeläutet<br />
wer<strong>den</strong>, aber<br />
das f<strong>als</strong>che<br />
Kommando ist<br />
keinesfalls dem Teilnehmer<br />
anzurechnen. Der<br />
Reiter beginnt da wieder, wo<br />
der Kommandogeber <strong>sich</strong> verlesen<br />
hat, erhält aber keine Abzüge<br />
für Verreiten. Sofern der<br />
Reiter nicht dem f<strong>als</strong>chen Kommando<br />
folgt und die Aufgabe<br />
korrekt weiter reitet, kann der<br />
Richter auf ein Abläuten verzichten<br />
– kein Verreiten <strong>als</strong>o.<br />
Auch wenn der Reiter die Aufgabe<br />
nicht korrekt weiter reiten<br />
kann und abgeläutet wer<strong>den</strong><br />
muss, kann dem Teilnehmer<br />
kein Verreiten angerechnet<br />
wer<strong>den</strong>, weil ein Verschul<strong>den</strong><br />
des Kommandogebers vorliegt.<br />
Liest der Kommandogeber<br />
des Veranstalters eine f<strong>als</strong>che<br />
Aufgabe vor und wird dies<br />
vom Richter oder Teilnehmer<br />
bemerkt, klingelt ebenfalls das<br />
Glöckchen. Der Kommandogeber<br />
wird darauf hingewiesen<br />
und der Teilnehmer beginnt<br />
nochm<strong>als</strong>. Ein Verreiten ist ihm<br />
auch in<br />
diesem<br />
Fall nicht<br />
„anzukrei<strong>den</strong>“.<br />
Kompliziert<br />
wird es, wenn der Kommandogeber<br />
eine f<strong>als</strong>che Aufgabe<br />
vorliest und dies zunächst<br />
weder vom Richter, noch von<br />
<strong>den</strong> ersten Teilnehmern bemerkt<br />
wird, sondern erst von<br />
einem späteren Teilnehmer.<br />
Da hier ein klares Verschul<strong>den</strong><br />
des Kommandogebers/Richters<br />
vorliegt, muss die Prüfung<br />
in zwei Abteilungen gewertet<br />
wer<strong>den</strong> – sofern der Fauxpas<br />
frühestens dem fünften Teilnehmer<br />
auffällt. Die Teilneh-<br />
Fotos: Schupp/HiM
mer eins bis vier, die alle die<br />
f<strong>als</strong>che Aufgabe geritten sind,<br />
wer<strong>den</strong> daraufhin in einer Abteilung<br />
platziert – Reiter fünf<br />
und die weiteren, die die korrekte<br />
Aufgabe geritten sind, in<br />
der zweiten Abteilung. Fällt<br />
ein solcher Fehler erst nach<br />
Beendigung der Prüfung auf,<br />
bleibt alles wie gehabt: Alle<br />
Reiter sind unter <strong>den</strong> gleichen<br />
Bedingungen geritten, sprich<br />
die gleiche Aufgabe!<br />
Genau das Gegenteil ist der<br />
Fall, wenn <strong>sich</strong> ein vom Reiter<br />
„mitgebrachter“ Kommandogeber<br />
verliest. Reitet der Teilnehmer<br />
nach diesem f<strong>als</strong>chen<br />
Kommando, dann muss der<br />
Richter ebenfalls abläuten und<br />
dem Teilnehmer – im Sinne<br />
der Fairness – das <strong>als</strong> Verreiten<br />
anrechnen, sprich <strong>den</strong> entsprechen<strong>den</strong><br />
Punktabzug am<br />
Ende vornehmen.<br />
Auch in Mannschaftsdressurprüfungen<br />
kann es zum<br />
Spezialfall „Verreiten“ kommen.<br />
Verliest <strong>sich</strong> der Mannschaftsführer<br />
und sein Quartett<br />
schlägt daraufhin <strong>den</strong> f<strong>als</strong>chen<br />
Weg ein, dann folgt das bereits<br />
bekannte Prozedere: Abläuten,<br />
zweiter Versuch und Punktabzug.<br />
Je nach Ausschreibung<br />
kann der Punktabzug dabei<br />
an der Mannschaftsnote (Gesamteindruck)<br />
oder bei jedem<br />
einzelnen Mannschaftsreiter<br />
vorgenommen wer<strong>den</strong>.<br />
Reiter gibt<br />
f<strong>als</strong>che Hilfen<br />
Gibt der Reiter in einer auswendig<br />
zu reiten<strong>den</strong> Aufgabe<br />
in einer Lektion offen<strong>sich</strong>tlich<br />
f<strong>als</strong>che Hilfen (zum Beispiel<br />
zu Dreier- statt Viererwechseln<br />
oder zu Kurzkehrt statt zur<br />
Hinterhandswendung), muss<br />
der Richter abläuten. Denn<br />
auch das offen<strong>sich</strong>tliche Reiten<br />
einer f<strong>als</strong>chen Lektion zählt <strong>als</strong><br />
Verreiten und wird mit entsprechendem<br />
Punktabzug geahndet.<br />
In der Regel ergibt <strong>sich</strong> besonders<br />
bei getrenntem Richtverfahren<br />
beim zweiten Versuch<br />
– sofern dieser gelingt – trotz<br />
Abzügen für das Verreiten noch<br />
eine höhere Wertnote, <strong>als</strong> wenn<br />
die Lektion <strong>als</strong> misslungen gewertet<br />
wer<strong>den</strong> würde.<br />
Auch wenn das Pferd zum<br />
Beispiel <strong>den</strong> Hilfen des Reiters<br />
zuvor kommt (zum Beispiel im<br />
Außengalopp einen Wechsel<br />
springt weit vor dem Wechselpunkt)<br />
und dieser ein solches<br />
Verhalten nicht korrigiert, muss<br />
ein Richter regelkonform abläuten.<br />
Denn in solchen Fällen<br />
wird eine Lektion ausgelassen<br />
– und das ist gleichbedeutend<br />
mit dem Reiten einer f<strong>als</strong>chen<br />
Lektion.<br />
Wird dagegen „nur“ ungenau<br />
geritten, kann abgeläutet<br />
wer<strong>den</strong>, muss aber nicht. Sinnvoller<br />
ist in solchen Fällen meistens,<br />
die ungenaue Linienführung<br />
am Ende in die Wertnote<br />
einfließen zu lassen.<br />
Abbrechen<br />
einer Lektion<br />
Bricht der Reiter eine Lektion<br />
ab und beginnt diese erneut,<br />
dann klingelt ebenfalls das<br />
Glöckchen der Richter. Der<br />
Fehler zählt <strong>als</strong> Verreiten, aber<br />
anders <strong>als</strong> im Fall eines „gewöhnlichen“<br />
Verreitens wird<br />
die erste Ausführung der Lektion<br />
gewertet.<br />
MR<br />
spezialfälle.dressur<br />
Swing Ground<br />
44 x 130<br />
7-2011 RHEINLANDS REITER+PFERDE 15