20.01.2013 Aufrufe

Gespr¨achsprotokolle aus Eins Live DOMIAN - Funpps.de

Gespr¨achsprotokolle aus Eins Live DOMIAN - Funpps.de

Gespr¨achsprotokolle aus Eins Live DOMIAN - Funpps.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Gesprächsprotokolle <strong>aus</strong> <strong>Eins</strong> <strong>Live</strong><br />

<strong>DOMIAN</strong>


Das Konzept <strong>de</strong>r Sendung<br />

Seit April 1995 mo<strong>de</strong>riert Jürgen Domian beim<br />

West<strong>de</strong>utschen Rundfunk in Köln eine Telefon-<br />

Talkshow, ein Talk-Radio. Die Sendung trägt<br />

seinen Namen (≫<strong>DOMIAN</strong>≪) und wird bimedial<br />

<strong>aus</strong>gestrahlt, d.h. im Radio bei <strong>Eins</strong> <strong>Live</strong> und<br />

gleichzeitig im WDR-Fernsehen. Je<strong>de</strong> Nacht,<br />

außer Samstag und Sonntag, in <strong>de</strong>r Zeit von<br />

1.00 - 2.00 Uhr. Die Leute können kostenfrei<br />

anrufen und sich mit Jürgen Domian live im<br />

Radio & Fernsehen unterhalten. In <strong>de</strong>r Regel<br />

wird an zwei Tagen in <strong>de</strong>r Woche ein bestimmtes<br />

Thema vorgegeben. Die restlichen Tage ist<br />

das Talk-Radio offen, das be<strong>de</strong>utet, je<strong>de</strong>r hat die<br />

Möglichkeit, zu je<strong>de</strong>m Thema anzurufen, über<br />

das er gerne sprechen möchte.<br />

1


Der Mo<strong>de</strong>rator<br />

Jürgen Domian, 1958 in Gummersbach geboren,<br />

begann seine Karriere beim Fernsehen als<br />

Kabelträger, während er an <strong>de</strong>r Kölner Universität<br />

Germanistik, Philosophie und Politikwissenschaft<br />

studierte. Das journalistische Handwerk<br />

erlernte er beim Deutschlandfunk und beim<br />

WDR. Als Nachfolger von Chris Howland in<br />

<strong>de</strong>r Sendung Blue Monday erhielt er seine erste<br />

Chance zur regelmäßigen <strong>Live</strong>-Mo<strong>de</strong>ration und<br />

mo<strong>de</strong>rierte in Kölner Cafés eigens organisierte<br />

Talk-Shows. Zu Gast waren u.a. Elke Hei<strong>de</strong>nreich,<br />

Jürgen von <strong>de</strong>r Lippe, Dagmar Berghoff<br />

und Günter Lamprecht.<br />

1990 wur<strong>de</strong> Domian dann festangestellter Redakteur<br />

beim WDR. Seine erste Talk-Sendung<br />

2


war 1993 die Heiße Nummer. Das Format erschien<br />

einmal pro Woche im Jugendprogramm<br />

von WDR 1 und wur<strong>de</strong> zur bekanntesten Sendung<br />

auf <strong>de</strong>m Kanal. Als WDR 1 im April 1995<br />

zu <strong>Eins</strong> <strong>Live</strong> umgeformt wur<strong>de</strong>, erhielt das Talk-<br />

Radio <strong>de</strong>n Namen <strong>DOMIAN</strong> und einen täglichen<br />

Sen<strong>de</strong>platz. Der WDR-Hörfunkchef Fritz<br />

Pleitgen setzte sich dafür ein, daß die Sendung<br />

auch im WDR-Fernsehen übertragen wur<strong>de</strong>. Etwa<br />

100.000 Zuschauer pro Sendung schalten<br />

Domian bereits 1996 ein. Bevor seine Show ins<br />

Programm genommen wur<strong>de</strong>, saßen so spät gera<strong>de</strong><br />

mal 10.000 Menschen vor <strong>de</strong>m Bildschirm.<br />

Das <strong>Eins</strong> <strong>Live</strong> Talk-Radio feierte im April 2000<br />

sein Fünfjähriges. Jetzt sind bis zu 220.000 Zuschauer<br />

allein im WDR-Fernsehen zur späten<br />

Stun<strong>de</strong> mit dabei.<br />

3


Inhaltsverzeichnis<br />

1 ≫0190≪ 7<br />

2 Anpupsen 13<br />

3 Anscheißen 20<br />

4 Hackfleisch 30<br />

5 Schwuler Priester 40<br />

6 Spiel mit <strong>de</strong>m Tod 51<br />

7 Win<strong>de</strong>lfetischist 64<br />

8 Narzißmus 71<br />

9 Masochismus 78<br />

5


10 Analphabet 85<br />

11 Punker 92<br />

12 Sperma-Cocktail 98<br />

13 Auto-Fellatio 104<br />

14 Unbemerkt Schwanger 108<br />

15 Der Schwanz 115<br />

16 Telefon-Sex 130<br />

17 Sodomie 135<br />

18 Fisten 139<br />

19 Schwanzfotos 147<br />

20 Pä<strong>de</strong>rasten 153<br />

21 Transsexualität 165<br />

6


22 Damenschuhe 176<br />

23 Linienführung 181<br />

24 Prostitution 186<br />

25 Inzest 197<br />

26 Übersinnliches 206<br />

27 Sozialhilfe 213<br />

28 Goldfische 233<br />

29 Sex-Shop 244<br />

7


Gesprächsprotokolle <strong>aus</strong> <strong>de</strong>m Buch<br />

≫Jenseits <strong>de</strong>r Scham≪<br />

8


Kapitel 1<br />

≫0190≪<br />

Domian: Elfrie<strong>de</strong> ist 77. Hallo Elfrie<strong>de</strong>!<br />

Elfrie<strong>de</strong>: Ja? (P<strong>aus</strong>e)<br />

Domian: Elfrie<strong>de</strong>, hier ist Jürgen! Du bist jetzt<br />

dran! (P<strong>aus</strong>e)<br />

Elfrie<strong>de</strong>: Ja?<br />

Domian: Warum hast du bei uns zum Thema<br />

” Zu alt für Sex“ angerufen?<br />

Elfrie<strong>de</strong>: Domian?<br />

Domian: Ja?<br />

Elfrie<strong>de</strong>: Ah! Da ist <strong>de</strong>r Domian!<br />

Domian: Ja, ich bin’s ... du bist jetzt dran!<br />

9


Elfrie<strong>de</strong>: (erleichtert) Ach so! Sex im Alter . . . das<br />

ist das gleiche wie in <strong>de</strong>r Jugend. Da gibt<br />

es überhaupt keinen Unterschied. In <strong>de</strong>r Jugend<br />

war man aber flotter und schneller. Ich<br />

bin ja alleinstehend. Ich habe ja nur Telefonsex.<br />

Domian: (erstaunt) Du hast Telefonsex? Wen<br />

rufst du an?<br />

Elfrie<strong>de</strong>: Verschie<strong>de</strong>ne Nummern.<br />

Domian: Also kommerzielle Sachen. Es ist kein<br />

Bekannter von Dir?<br />

Elfrie<strong>de</strong>: Nein! Das ist ein ganz großer Witz<br />

gewesen — du wirst es nicht glauben! Ich<br />

bin alleine und durch einen Unfall behin<strong>de</strong>rt.<br />

Und da wollte ich die Telefonseelsorge<br />

anrufen.<br />

Domian: Die Telefonseelsorge?<br />

Elfrie<strong>de</strong>: Ja! Und stell dir vor, ich habe mich<br />

vertan. Ich hatte plötzlich einen Telefonsexdienst<br />

am Telefon.<br />

10


Domian: (lacht <strong>aus</strong> vollem Herzen) Das ist ja<br />

wun<strong>de</strong>rbar! Und dann? Erzähl mal!<br />

Elfrie<strong>de</strong>: Ich hab’ am Telefon geweint, und <strong>de</strong>r<br />

junge Mann hat sich wohl gedacht: Was ist<br />

<strong>de</strong>nn nun da los? Der war aber so anständig<br />

— das war ein junger Mann von 39 — und<br />

sagte: Jetzt legen sie mal auf und rufen eine<br />

an<strong>de</strong>re Nummer an. Das habe ich dann<br />

auch gemacht, und er kam dann auch wie<strong>de</strong>r<br />

ans Telefon. Er sagte mir, daß es sonst<br />

viel zu teuer gekommen wäre.<br />

Domian: Und dann hast du richtig Telefonsex<br />

mit ihm gemacht?<br />

Elfrie<strong>de</strong>: Ja, nach<strong>de</strong>m ich mich <strong>aus</strong>gesprochen<br />

hatte, kamen wir auf das Thema. Und dann<br />

haben wir es gemacht.<br />

Domian: Rufst du ihn öfter an?<br />

Elfrie<strong>de</strong>: Ja. Die Woche einmal.<br />

Domian: Die Woche einmal?<br />

Elfrie<strong>de</strong>: Das ist teuer, Domian!<br />

11


Domian: Elfrie<strong>de</strong>, erzählte mir doch mal, wie<br />

<strong>de</strong>r das macht. Bringt <strong>de</strong>r dich dann richtig<br />

in Fahrt?<br />

Elfrie<strong>de</strong>: Ich kann dir doch hier nichts vorstöhnen.<br />

Domian: Nein, nein! Aber ich muß dich mal<br />

ganz indiskret fragen: Bringt <strong>de</strong>r dich dann<br />

soweit, daß du einen Orgasmus am Telefon<br />

hast?<br />

Elfrie<strong>de</strong>: Ja!<br />

Domian: Hast du dann noch irgendwelche Hilfsmittel<br />

bei dir?<br />

Elfrie<strong>de</strong>: Nein! Ich onaniere nur.<br />

Domian: Und wie lange dauert dann so ein Gespräch?<br />

Elfrie<strong>de</strong>: Na, ungefähr eine Viertelstun<strong>de</strong>.<br />

Domian: Och, das geht aber schnell. Und er<br />

weiß schon richtig, wie er dich scharf machen<br />

kann?<br />

Elfrie<strong>de</strong>: Ja, ja.<br />

12


Domian: (lacht) Ich fin<strong>de</strong> es wun<strong>de</strong>rbar, daß du<br />

das machst und daß du das so offen erzählst.<br />

Da wür<strong>de</strong> sich manch einer in <strong>de</strong>inem Alter<br />

schämen.<br />

Elfrie<strong>de</strong>: Weshalb soll man sich schämen? In<br />

<strong>de</strong>n dreißiger Jahren war es viel schlimmer.<br />

Ich war Einzelkind. Da war es noch schlimmer.<br />

Man mußte sich immer verstecken. Mein<br />

Mann ist schon seit 20 Jahren tot, <strong>de</strong>r war<br />

Frührentner. Vom Traktor überfahren.<br />

Domian: Auf je<strong>de</strong>n Fall ist es schön, daß du<br />

durch Zufall diese Telefonsexnummer ent<strong>de</strong>ckt<br />

hast.<br />

Elfrie<strong>de</strong>: Ja, ja.<br />

Domian: Ist es so, daß du dich richtig darauf<br />

freust, es einmal in <strong>de</strong>r Woche zu machen?<br />

Elfrie<strong>de</strong>: Ja, ja!<br />

Domian: Das ist also eine Bereicherung für <strong>de</strong>in<br />

Leben?<br />

13


Elfrie<strong>de</strong>: Ja, und man spricht mit einem Menschen,<br />

<strong>de</strong>r ganz auf mich eingeht. Das ist<br />

wun<strong>de</strong>rschön.<br />

Domian: Elfrie<strong>de</strong>, ich danke dir ganz herzlich<br />

für <strong>de</strong>inen Anruf und wünsche dir noch viel<br />

Spaß beim Telefonsex. Von Herzen alles Gute!<br />

Elfrie<strong>de</strong>: Tschüß Domian!<br />

14


Kapitel 2<br />

Anpupsen<br />

Domian: Katja, was ist Dein Thema?<br />

Katja: Mein Freund steht auf Anpupsen.<br />

Domian: (lacht) Ich habe — glaube ich — so<br />

beinahe alles schon gehört hier, <strong>de</strong>nke ich<br />

immer, aber anpupsen . . .<br />

Katja: Ja! Ich habe meinen Freund vor über einem<br />

Jahr kennengelernt. Ich habe dann mal<br />

<strong>aus</strong> Gag mehr o<strong>de</strong>r weniger rumgepupst. Um<br />

ihn abzutörnen!<br />

Domian: Macht ja eigentlich auch nicht so an.<br />

Katja: Eigentlich! Auf je<strong>de</strong>n Fall habe ich dann<br />

so rumgepupst. Dann kam noch ein Feuer-<br />

15


zeug dazu. Du kennst das ja bestimmt, wenn<br />

man ein Feuerzeug dranhält und so?<br />

Domian: Nein. Ich kenne das nicht. Was passiert<br />

<strong>de</strong>nn, wenn man das Feuerzeug dranhält?<br />

Katja: Ja, dann kommt eine richtige Stichflamme!<br />

Domian: Nein! Ist das wahr?<br />

Katja: Ja, das ist wahr. Ich habe mir schon Unterhosen<br />

angebrannt und solche Scherze.<br />

Domian: Wußte ich echt nicht. Es ist wahrscheinlich<br />

auch nicht so empfehlenswert, das zu<br />

machen?<br />

Katja: Ach, das ist eigentlich ganz lustig.<br />

Domian: Also nicht, daß alle Leute, die jetzt<br />

die Sendung sehen und im Bett liegen und<br />

mal pupsen müssen, gleich ihr Feuerzeug<br />

dranhalten.<br />

Katja: Ich empfehle wirklich aufzupassen.<br />

16


Domian: Also wenn, dann in <strong>de</strong>r Toilette, wo<br />

viel Wasser ist . . . Aber erzählte mal weiter<br />

mit <strong>de</strong>m Freund.<br />

Katja: Ich wollte ihn also abtörnen, und auf<br />

einmal sagt er mir: ” Hör mal, das fin<strong>de</strong> ich<br />

total toll, daß ein Mädchen pupst! Und dann<br />

auch noch so ein Mädchen wie du!“ Man<br />

re<strong>de</strong>t ja auch weniger drüber.<br />

Domian: Ja, das ist ein Tabu.<br />

Katja: Komischerweise. Über Sex wird ja auch<br />

immer gesprochen. Aber nicht über das Pupsen.<br />

Domian: Wir brechen jetzt das Tabu!<br />

Katja: Gott sei Dank!<br />

Domian: Zurück zum Freund.<br />

Katja: Ja also, wenn ich ihn anpupse . . . und er<br />

mag es beson<strong>de</strong>rs heftig! Da gibt’s übrigens<br />

auch Unterschie<strong>de</strong>: einmal die saftigen und<br />

dann gibt’s noch die trockenen. Und er mag<br />

17


mehr die saftigen. Wenn ich ihm meinen Popo<br />

vors Gesicht halte . . . das törnt ihn sexuell<br />

an.<br />

Domian: (ein wenig entrüstet) Also ein Schwein,<br />

<strong>de</strong>in Freund?<br />

Katja: Weiß ich nicht.<br />

Domian: Mich wür<strong>de</strong> das vollkommen abtörnen!<br />

Und man kann ja auch nicht immer pupsen.<br />

Katja: Doch!<br />

Domian: Wie bitte?!<br />

Katja: Ich glaube, das ist schon fast krankhaft<br />

bei mir. Wenn ich abends von <strong>de</strong>r Arbeit komme<br />

. . . <strong>de</strong>n ganzen Tag über staue ich an und<br />

abends, du glaubst es gar nicht, was da los<br />

ist. Da geht die Post ab! Aber wirklich!<br />

Domian: Macht es dir <strong>de</strong>nn auch richtig Spaß?<br />

Katja: Was heißt ” Spaß“? Mich interessiert halt<br />

nur, ob unter <strong>de</strong>inen Zuschauern vielleicht<br />

einige sind, die ähnliche Neigungen haben.<br />

18


Domian: Du kannst also ganz gut damit leben?<br />

Katja: Ich lache mich mehr o<strong>de</strong>r weniger kaputt<br />

darüber.<br />

Domian: Und dir gefällt es auch, wenn <strong>de</strong>in<br />

Freund dadurch angetörnt wird?<br />

Katja: Ja.<br />

Domian: Darf er dich <strong>de</strong>nn auch anpupsen?<br />

Katja: (entrüstet) Nein, das nicht! Es hört sich<br />

vielleicht komisch an, aber einige Pupse synchronisiere<br />

ich sogar.<br />

Domian: Wie bitte?!<br />

Katja: Wie soll ich das erklären? Wenn man<br />

einen abläßt, machen die ja manchmal so<br />

Geräusche. ” Miau“ o<strong>de</strong>r so ganz gequält.<br />

Und ich kann das halt akustisch genau wie<strong>de</strong>rgeben.<br />

Dann fin<strong>de</strong> ich es lustig! Wenn er<br />

einen fahren läßt und ich die nachsynchronisiere.<br />

19


Domian: Aber für dich hat es keine sexuelle<br />

Komponente?<br />

Katja: Nein.<br />

Domian: Du fin<strong>de</strong>st es eigentlich ekelig.<br />

Katja: Och, nein . . .<br />

Domian: (energisch) Aber es stinkt doch!<br />

Katja: Er mag es beson<strong>de</strong>rs, wenn es total riecht.<br />

Und das fin<strong>de</strong> ich halt so süß an meinem<br />

Freund. Er sagt: ” Hör mal Katja, ich fin<strong>de</strong><br />

das toll! Das ist <strong>de</strong>in individueller Geruch.“<br />

Domian: Animiert er dich <strong>de</strong>nn zu beson<strong>de</strong>ren<br />

Nahrungsmitteln, die du zu dir nehmen<br />

sollst?<br />

Katja: Bohnensuppe? Er sagt dann immer: ” Katja,<br />

das ist <strong>de</strong>in Geruch. Der gehört zu dir.“<br />

Domian: Also, du mußt jetzt immer Bohnensuppe<br />

essen?<br />

Katja: Na ja, nicht immer. Er mag zum Beispiel<br />

auch, wenn ich in frisch gewaschene<br />

20


Bettwäsche pupse. Dann kommt er so richtig<br />

angemuckelt und sagt: ” Ah, was riechst<br />

du wie<strong>de</strong>r muckelig!“ Und dann kuschelt er<br />

sich so richtig an meinen Popo.<br />

Domian: Für <strong>de</strong>inen Freund ist es also so ein<br />

Teil <strong>de</strong>s sexuellen Vorspiels?<br />

Katja: Kommt darauf an, wie ich ihn anpupse.<br />

Erregt fühlt er sich, wenn ich ihm meinen<br />

Popo direkt vors Gesicht halte.<br />

Domian: Katja, ich glaube fast — ich weiß es<br />

zwar nicht, aber ich glaube —, daß du damit<br />

in <strong>de</strong>r Welt nicht alleine steht.<br />

Katja: Das wäre schön.<br />

21


Kapitel 3<br />

Anscheißen<br />

Domian: Jennifer, wir unterhalten uns jetzt. Über<br />

was eigentlich?<br />

Jennifer: Über meinen Freund und seine Veranlagung.<br />

Domian: Was für eine Veranlagung?<br />

Jennifer: Er hat die Veranlagung, daß er sich<br />

mal gerne von mir . . . (zögert) . . . bekoten<br />

lassen wür<strong>de</strong>.<br />

Domian: Iiiihhh, äääähhhh! Wie unappetitlich!<br />

Jennifer: Das fin<strong>de</strong> ich auch.<br />

Domian: Wie lange seid ihr zusammen?<br />

Jennifer: Ein halbes Jahr?<br />

22


Domian: Wann hat er es dir das erste Mal offenbart?<br />

Jennifer: Vor ein, zwei Monaten. Zuerst gar nicht.<br />

Jetzt fängt er damit an und sagt: ” Ja, ich<br />

fin<strong>de</strong> das toll.“ Er hat das schon gemacht,<br />

und ich fühle mich jetzt auch ein bißchen<br />

unter Druck gesetzt.<br />

Domian: Was hast du da spontan gedacht o<strong>de</strong>r<br />

auch gesagt, als er das zu dir gesagt hat?<br />

Jennifer: Zuerst habe ich gedacht, daß er einen<br />

Witz macht. Dann fing er immer wie<strong>de</strong>r davon<br />

an, und da habe ich begriffen, daß er es<br />

ernst meint. Für mich ist es unvorstellbar,<br />

mich da irgendwie . . .<br />

Domian: Für mich auch! Es ist auch für mich<br />

eine sexuelle Abartigkeit! Hat sich <strong>de</strong>in Bild<br />

von ihm verän<strong>de</strong>rt?<br />

Jennifer: Ja!<br />

Domian: Deine Gefühle auch?<br />

23


Jennifer: (zögert) Die Gefühle nicht. Ich liebe<br />

ihn immer noch.<br />

Domian: Aber hat die Liebe nicht irgendwie in<br />

<strong>de</strong>r Ferne ein Fragezeichen bekommen?<br />

Jennifer: Einen Knacks hat sie dadurch auf je<strong>de</strong>n<br />

Fall bekommen.<br />

Domian: Hat er <strong>de</strong>nn schon ein bißchen <strong>aus</strong><br />

<strong>de</strong>m Nähkästchen geplau<strong>de</strong>rt? Wie o<strong>de</strong>r ob<br />

er es schon konkret mit Leuten gemacht hat?<br />

Jennifer: (zögert) Soll ich ihn dir mal geben?<br />

Dann erzählt er dir das selber.<br />

Domian: Gerne!<br />

Markus: Hallo Domian, hier ist <strong>de</strong>r Markus!<br />

Domian: Du stehst also richtig auf ankoten?<br />

Markus: Ja, ich stehe darauf!<br />

Domian: Wann hast du das <strong>de</strong>nn ent<strong>de</strong>ckt bei<br />

dir?<br />

24


Markus: Vor ungefähr drei Jahren. Da habe<br />

ich das bei einer Frau kennengelernt. Die<br />

hatte damals schon Erfahrungen.<br />

Domian: Wie lernt man das <strong>de</strong>nn einfach so<br />

kennen? Hat die gesagt, ich mache das jetzt<br />

einfach mal bei dir?<br />

Markus: So ging es ungefähr ab, ja! Wir waren<br />

zwei Jahre zusammen, und nach einem<br />

Jahr hat sie es mir erst gesagt.<br />

Domian: Und da hast du dann interessiert reagiert<br />

o<strong>de</strong>r wie?<br />

Markus: Ja, klar. Ich konnte mir das vorher<br />

gar nicht vorstellen.<br />

Domian: Und dann hat sie es irgendwann bei<br />

dir gemacht?<br />

Markus: Ja.<br />

Domian: Wie? Wohin? Auf <strong>de</strong>ine Brust o<strong>de</strong>r<br />

was?<br />

Markus: Auf <strong>de</strong>n Bauch. (P<strong>aus</strong>e)<br />

25


Domian: Also, das ist für mich so eine frem<strong>de</strong><br />

Welt. Für die meisten Leute wahrscheinlich<br />

auch. Ich muß noch mal fragen: Da kackt<br />

dir <strong>de</strong>ine Freundin auf <strong>de</strong>n Bauch? Und dann?<br />

Markus: Das macht mich einfach an.<br />

Domian: Ja, was passiert <strong>de</strong>nn dann?<br />

Markus: (zögert) Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben<br />

soll . . .<br />

Domian: Sag einfach, wie es dann weitergeht.<br />

Markus: Dabei bekomme ich eine Erektion.<br />

Domian: Und dann?<br />

Markus: Das ist eben <strong>de</strong>r Kick.<br />

Domian: Wie lange bleibt <strong>de</strong>r Kot auf <strong>de</strong>inem<br />

Bauch?<br />

Markus: Ungefähr 5 Minuten.<br />

Domian: Und dann schläfst du auch mit <strong>de</strong>r<br />

Frau, während <strong>de</strong>r Kot noch auf <strong>de</strong>inem Bauch<br />

liegt?<br />

26


Markus: Nein, Sex haben wir in diesem Moment<br />

nicht.<br />

Domian: Es ist also nur eine ungeheure Erregung<br />

für dich, wenn <strong>de</strong>r Haufen auf <strong>de</strong>m<br />

Bauch liegt?<br />

Markus: Genau.<br />

Domian: Hast du dann auch einen Orgasmus?<br />

Markus: Ja!<br />

Domian: Deine Freundin hat es dir mit <strong>de</strong>r Hand<br />

gemacht?<br />

Markus: Gen<strong>aus</strong>o war das.<br />

Domian: Die Bu<strong>de</strong> stinkt ja danach! Gehst du<br />

dann duschen, o<strong>de</strong>r nimmst du das mit einem<br />

Handtuch weg.<br />

Markus: Erst mit einem Handtuch, dann gehe<br />

ich unter die Dusche.<br />

Domian: Das ist doch eine ungeheure Sauerei!<br />

Markus: Es ist eine Sauerei . . . (überlegt) Ich<br />

weiß nicht, was ich dazu sagen soll.<br />

27


Domian: Ich fin<strong>de</strong> es ekelhaft, du fin<strong>de</strong>st es antörnend.<br />

Aber du kannst es nicht genau erklären, warum<br />

du es antörnend fin<strong>de</strong>st?<br />

Markus: Nein, kann ich nicht.<br />

Domian: Kannst du es nachvollziehen, daß sich<br />

die meisten Leute ekelnd abwen<strong>de</strong>n?<br />

Markus: Na klar, ich hätte er mir vorher ja<br />

auch nicht vorstellen können.<br />

Domian: Wir gehst du <strong>de</strong>nn jetzt damit um, daß<br />

<strong>de</strong>ine Freundin Jennifer überhaupt nichts damit<br />

am Hut hat? Und sie hat ja auch gesagt,<br />

daß sie sich unter Druck gesetzt fühlt.<br />

Markus: Wir haben in <strong>de</strong>r letzten Zeit viel darüber<br />

gere<strong>de</strong>t. Ich weiß, daß ich sie zu nichts drängen<br />

kann. Sie hat mir gesagt, daß sie absolut dagegen<br />

ist, und da wer<strong>de</strong> ich auch nichts machen<br />

können.<br />

Domian: An <strong>de</strong>iner Stelle wäre ich auch ganz<br />

hellhörig. Sie hat ja sogar gesagt, daß die<br />

Liebe einen Knacks bekommen hat. Ist <strong>de</strong>nn<br />

28


diese Lei<strong>de</strong>nschaft so stark, daß du nicht darauf<br />

verzichten kannst?<br />

Markus: Nein, wür<strong>de</strong> ich nicht sagen.<br />

Domian: Du kannst eine erfüllte Sexualität auch<br />

leben, ohne dieses zu praktizieren?<br />

Markus: Ich bin ja nun schon ein halbes Jahr<br />

mit ihr zusammen, und es hat auch ohne<br />

funktioniert. Ich kann auch ohne leben. Obwohl<br />

es mir <strong>de</strong>n absoluten Kick geben wür<strong>de</strong>.<br />

Domian: Wie wirst du dich Jennifer gegenüber<br />

jetzt weiter verhalten?<br />

Markus: Sie akzeptiert es nicht, und dagegen<br />

wer<strong>de</strong> ich auch nichts machen können. Ich<br />

möchte auf je<strong>de</strong>n Fall mit ihr zusammenbleiben.<br />

Domian: Dazu kann man wirklich nieman<strong>de</strong>n<br />

drängen. Ich möchte dich noch etwas fragen:<br />

Habt ihr das damals eigentlich öfters<br />

praktiziert?<br />

29


Markus: Es kam schon öfters vor. Zwar nicht<br />

in regelmäßigen Abstän<strong>de</strong>n . . .<br />

Domian: Auch umgekehrt, daß du es bei ihr<br />

gemacht hast?<br />

Markus: Das nicht.<br />

Domian: Wie geht das überhaupt? Man kann<br />

doch nicht immer?! Wie schafft man es, daß<br />

man in <strong>de</strong>m Moment auch wirklich kann?<br />

Markus: Man wartet eben auf <strong>de</strong>n richtigen Zeitpunkt.<br />

Es ist ja nicht täglich o<strong>de</strong>r wöchentlich<br />

passiert.<br />

Domian: Man mußt also <strong>de</strong>n Moment, wo man<br />

Stuhlgang erwartet, auch abpassen?<br />

Markus: Ja.<br />

Domian: Was hat <strong>de</strong>nn eigentlich <strong>de</strong>ine Freundin<br />

davon gehabt?<br />

Markus: Für sie war es auch ein Kick. Hat sie<br />

mir erzählt.<br />

30


Domian: Frem<strong>de</strong> Welten . . . gibst du mir Jennifer<br />

noch mal?<br />

Jennifer: Hallo.<br />

Domian: Nimmst du es ihm ab, daß er dich<br />

nicht unter Druck setzen will?<br />

Jennifer: (zögerlich und überlegend) Ja, ich <strong>de</strong>nke<br />

schon.<br />

Domian: Es ist schon seltsam, so etwas von<br />

seinem Freund zu wissen, o<strong>de</strong>r?<br />

Jennifer: Ja, ziemlich.<br />

Domian: Hat er dir das auch schon mal so <strong>de</strong>tailliert<br />

erzählt wie mir gera<strong>de</strong>.<br />

Jennifer: So genau nicht. Ich wollte es auch<br />

nicht so genau hören.<br />

Domian: Hoffen wir, daß er sich an seine Worte<br />

hält und daß eure Beziehung keinen Scha<strong>de</strong>n<br />

nimmt. Alles Gute euch bei<strong>de</strong>n.<br />

Jennifer: Dir auch.<br />

31


Kapitel 4<br />

Hackfleisch<br />

Domian: Hallo Leo!<br />

Leo: Mein Thema ist meine sexuelle Phantasie.<br />

Es ist ziemlich ungewöhnlich. Einmal<br />

im Monat überkommt es mich. Ich wer<strong>de</strong><br />

dann sexuell erregt. Ich will dann nicht mit<br />

einer Frau o<strong>de</strong>r einem Mann schlafen, son<strong>de</strong>rn<br />

mit Hackfleisch.<br />

(P<strong>aus</strong>e)<br />

Ich gehe einmal im Monat zu einem Metzger,<br />

kaufe mir kiloweise Hackfleisch und wenn<br />

ich das alles nach H<strong>aus</strong>e gebracht habe, richte<br />

ich mein Zimmer um, <strong>de</strong>cke alles ab, dann<br />

verteile ich das Hackfleisch auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n.<br />

(P<strong>aus</strong>e)<br />

32


Wenn ich das Hackfleisch in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n<br />

habe, wenn ich es berühre, stimuliert mich<br />

das sexuell. Allein dieser feuchte Brei. Das<br />

geht dann soweit, daß ich es mit <strong>de</strong>m Hackfleisch<br />

treibe. Ich forme mir dar<strong>aus</strong> — soweit<br />

möglich — meine eigene Frau. Und . . .<br />

Domian: Und?<br />

Leo: Je wil<strong>de</strong>r das wird, je mehr ich dieses glitschige<br />

Zeug auf meiner Haut spüre, <strong>de</strong>sto<br />

geiler.<br />

Domian: Ich forme mit meinen Hän<strong>de</strong>n die Brüste,<br />

<strong>de</strong>n Mund, die Arme, die Vagina. (P<strong>aus</strong>e)<br />

Leo: Dir ist ja klar, daß wir alle jetzt lachen<br />

müssen.<br />

Domian: Ja klar.<br />

Leo: Und dir ist auch klar, daß alle jetzt <strong>de</strong>nken:<br />

Will <strong>de</strong>r uns verarschen?<br />

Domian: Nein, nein. Ich verarsche dich nicht.<br />

Auf keinen Fall. Es gibt ja viele Dinge heutzutage:<br />

Gummipuppen . . .<br />

33


Leo: Ja, es gibt viele seltsame Dinge. Wir wollen<br />

jetzt ernsthaft darüber re<strong>de</strong>n?<br />

Domian: Ja!<br />

Leo: Hast du eine Freundin?<br />

Domian: Nein, seit eineinhalb Jahren nicht mehr.<br />

Leo: Aber du hattest eine ganz normale Beziehung<br />

und auch eine ganz normale Sexualität?<br />

Domian: Ja.<br />

Leo: Das ist wirklich skurril. Seit wann machst<br />

du das mit <strong>de</strong>m Hackfleisch?<br />

Domian: Seit zwei Jahren ungefähr.<br />

Leo: Wie kam es <strong>de</strong>nn zu <strong>de</strong>m Hackfleisch?<br />

Domian: Ich hatte mal einen Bekannten, <strong>de</strong>r in<br />

<strong>de</strong>r SM-Szene war. Ich war dann auch dabei,<br />

und dann hat er mir mal was davon berichtet,<br />

daß er auch solche Neigungen hat.<br />

Zwar nicht so extrem wie ich heute, aber <strong>de</strong>r<br />

hatte das auch schon mal <strong>aus</strong>probiert.<br />

34


Leo: Und da hast du das auch <strong>aus</strong>probiert?<br />

Domian: Ja. Danach ging auch meine Beziehung<br />

in die Brüche.<br />

Leo: Hing das mit <strong>de</strong>m Hackfleisch zusammen?<br />

Domian: Ich <strong>de</strong>nke ja. Ich hatte am Anfang wirklich<br />

eine ganz normale Sexualität gehabt.<br />

Ich habe das dann mal <strong>aus</strong>probiert. Daraufhin<br />

hat sie mich verlassen.<br />

Leo: Hat sie das mitbekommen?<br />

Domian: Ich habe es ihr erzählt. Sie wollte es<br />

zuerst gar nicht glaube, bis sie mich mal<br />

zufällig überrascht hat. Wir haben damals<br />

zusammen gewohnt.<br />

Leo: Das hat sie abgetörnt?<br />

Domian: Ja.<br />

Leo: Kann man auch verstehen.<br />

Domian: Ja, schon.<br />

Leo: Du kannst es nicht näher erklären, warum<br />

es gera<strong>de</strong> Hackfleisch sein muß?<br />

35


Domian: Ich weiß nicht. Es ist so unberührt, es<br />

ist so ein zarter Leib. Es ist die Wahrnehmung.<br />

Ich küsse das Hackfleisch, ich lutsche<br />

es. Das kann man kaum in Worte fassen.<br />

Es ist für mich auch eine Schönheit,<br />

wenn es da liegt. Ich lasse mich fallen.<br />

Leo: Wieviel Hackfleisch kaufst du <strong>de</strong>nn dafür?<br />

Domian: Meistens 60 Kilo.<br />

Leo: Wie bitte? 60 Kilo?<br />

Domian: Ja.<br />

Leo: 60 Kilo?<br />

Domian: Ja.<br />

Leo: Wieviel sind 60 Kilo Hackfleisch? Das kann<br />

ich mir gar nicht vorstellen. Ein ganzer Sack<br />

voll?<br />

Domian: Ja, so ungefähr.<br />

Leo: Was sagt <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Metzger zu dir?<br />

36


Domian: Solange ich bezahle, wird er wohl auch<br />

keine Fragen stellen. Ich kaufe öfter bei ihm.<br />

So für ca. 800 Mark meistens.<br />

Leo: 800 Mark? Fragt <strong>de</strong>r nicht, was du damit<br />

machst?<br />

Domian: Am Anfang wollte <strong>de</strong>r das natürlich<br />

gar nicht glauben und dachte, es wäre ein<br />

Scherz. Aber als er gemerkt hatte, daß ich<br />

es ernst meine, hat er mir das Hackfleisch<br />

besorgt.<br />

Leo: Also er fragt dich nicht weiter?<br />

Domian: Nein.<br />

Leo: Bevorzugst du Rin<strong>de</strong>r- o<strong>de</strong>r Schweinegehacktest?<br />

Domian: Schwein eigentlich.<br />

Leo: Ich stelle mir das fast wie eine Orgie vor,<br />

was du da machst. Wie lange dauert das?<br />

Domian: Eine halbe bis dreiviertel Stun<strong>de</strong>.<br />

37


Leo: Das ist nicht viel. Und was passiert dann<br />

mit <strong>de</strong>n 60 Kilo Hackfleisch?<br />

Domian: Ich schmeiße es weg.<br />

Leo: Das ist ja völlig skurril.<br />

Domian: In <strong>de</strong>n letzten Monaten hat es sich<br />

auch gesteigert.<br />

Leo: Weiß außer mir und <strong>de</strong>n Zuhörern sonst<br />

noch jemand davon?<br />

Domian: Nein, nur meine letzte Freundin.<br />

Leo: Wenn du diese Sendung verfolgst, weißt<br />

du, daß ich in Sachen Sex nun wirklich für<br />

alle Abson<strong>de</strong>rlichkeiten ein offenes Ohr und<br />

ach viel Verständnis habe. Dieses allerdings<br />

hört sich meines Erachtens ziemlich be<strong>de</strong>nklich<br />

an. Ich erahne, daß du da in eine Ecke<br />

abdriftest — wenn es <strong>de</strong>nn alles stimmt —<br />

, in <strong>de</strong>r du nicht glücklich wirst. Du hast<br />

dadurch vermutlich schon eine Beziehung<br />

verloren. Und du sagst selbst, daß sich das<br />

38


noch steigert. Das ist wirklich eine richtige<br />

Perversion, <strong>de</strong>r du da nachgehst. Es besteht<br />

die Gefahr, daß du dich vollkommen<br />

isolierst und seelischen Scha<strong>de</strong>n davonträgst.<br />

Du solltest dich in fachkundige Beratung begeben.<br />

Du mußt zu einem Therapeuten. Da<br />

stimmt irgend etwas nicht.<br />

Domian: Seit diese Beziehung been<strong>de</strong>t ist, habe<br />

ich auch keine Beziehung mehr zu einer<br />

Frau gehabt. Ich ziehe das mit <strong>de</strong>m Hackfleisch<br />

auch vor.<br />

Leo: Je<strong>de</strong> Frau wird doch das Weite suchen!<br />

Stell dir doch mal vor, du erzählst einer Frau,<br />

daß du dir einmal im Monat 60 Kilo Hackfleisch<br />

kaufst und es damit treibst. Das ist<br />

doch schrecklich!<br />

Domian: Ja, das stimmt.<br />

Leo: Das en<strong>de</strong>t irgendwann in einer vollkommenen<br />

Vereinsamung.<br />

Domian: Stimmt, ich bin zur Zeit auch nicht<br />

39


fähig für eine Beziehung.<br />

Leo: Du hast wirklich vorher eine relativ normale<br />

Sexualität gehabt? Du hattest nie son<strong>de</strong>rbare<br />

Dinge im Kopf, in <strong>de</strong>r Phantasie?<br />

Domian: Nein, eigentlich nie.<br />

Leo: Kannst du dir vorstellen, zu einem Therapeuten<br />

zu gehen?<br />

Domian: Ja, doch.<br />

Leo: Wür<strong>de</strong>st du diese Neigung auch gerne in<br />

<strong>de</strong>n Griff bekommen o<strong>de</strong>r gar loswer<strong>de</strong>n?<br />

Domian: Ich möchte das sicherlich irgendwann<br />

wie<strong>de</strong>r ablegen.<br />

Leo: Wie fühlst du dich <strong>de</strong>nn danach?<br />

Domian: Befriedigt halt. Ich komme zum Samenerguß.<br />

Leo: Das war mir schon klar.<br />

Domian: Ich fühle mich halt wohl. Das kann<br />

man schwer in Worte fassen.<br />

40


Leo: Hast das für dich nicht auch einen üblen<br />

Beigeschmack, wenn du da in <strong>de</strong>n Massen<br />

Hackfleisch sitzt?<br />

Domian: Ja, gut. Am Anfang war es erst unangenehm.<br />

Danach hatte ich mich aber daran<br />

gewöhnt. Später war es dann auch ein rasen<strong>de</strong>s<br />

Gefühl, es immer wie<strong>de</strong>r zu erleben.<br />

Leo: Also, ich halte das für <strong>aus</strong>gesprochen be<strong>de</strong>nklich,<br />

Leo. Ich wür<strong>de</strong> dich gerne noch<br />

mal zu meiner Psychologin rüberschalten.<br />

Die kann dir sicherlich, was Sexualtherapie<br />

angeht, noch ein paar Tips geben, wie du so<br />

etwas einfä<strong>de</strong>lst. Bleibst du am Telefon?<br />

Domian: Ja, klar.<br />

Leo: Alles Gute.<br />

41


Kapitel 5<br />

Schwuler Priester<br />

Domian: Hallo Werner, 38 Jahre.<br />

Werner: Ich bin ein schwuler katholischer Priester.<br />

Domian: Das kling nach großen Problemen.<br />

Werner: Eigentlich hat es mir einen langen Teil<br />

meines bisherigen Lebens keine Probleme<br />

bereitet. Ehe ich mich vor ein paar Jahren<br />

verliebt habe. Da habe ich mir selber eingestan<strong>de</strong>n,<br />

daß ich schwul bin. Bis dahin habe<br />

ich das immer verdrängt.<br />

Domian: Hast du eine Gemein<strong>de</strong>?<br />

Werner: Ja, und es wissen auch ein paar Leute<br />

in <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>. Leute, zu <strong>de</strong>nen ich ein<br />

42


großes Vertrauen habe. Aber natürlich nicht<br />

alle.<br />

Domian: Wie hast du <strong>de</strong>ine Liebe kennengelernt?<br />

Werner: Im Urlaub. Aber es war eigentlich nur<br />

eine Schwärmerei meinerseits, nicht von ihm.<br />

Aber damals habe ich mir dann das erste<br />

Mal gesagt: Junge, ich glaube, du bist doch<br />

schwul.<br />

Domian: Wie alt warst du da?<br />

Werner: Damals war ich 32.<br />

Domian: Auch eher schon ein fortgeschrittenes<br />

Alter. Wie hast du dich <strong>de</strong>nn vorher sexuell<br />

eingestuft.<br />

Werner: Ich habe das eigentlich immer erfolgreich<br />

verdrängt. Auch in meiner theologischen<br />

Ausbildung bin ich mit Sexualität konfrontiert<br />

wor<strong>de</strong>n. Weil ich aber Priester wer<strong>de</strong>n<br />

wollte, habe ich das immer schön zur<br />

Seite gestellt.<br />

43


Domian: Du hattest all die Jahre nie ein sexuelles<br />

Erlebnis.<br />

Werner: Nein.<br />

Domian: Ich habe sehr selten die Gelegenheit,<br />

mit einem Priester über solche Themen zu<br />

re<strong>de</strong>n. Hast du onaniert?<br />

Werner: Ja.<br />

Domian: Hat man da als Priester nicht auch ein<br />

schlechtes Gewissen, wenn man onaniert?<br />

Werner: Nein, das eigentlich nicht.<br />

Domian: Welche Phantasien hattest du <strong>de</strong>nn beim<br />

Onanieren? Bezog sich das nur auf Männer<br />

o<strong>de</strong>r auch auf Frauen?<br />

Werner: Gemischt eigentlich.<br />

Domian: Aber wenn man noch nie Erfahrungen<br />

gemacht hat, fehlen einem doch die Bil<strong>de</strong>r.<br />

Was waren das für Phantasien?<br />

Werner: Es war eigentlich immer schon so, daß<br />

mich Menschen sexuell angezogen haben,<br />

44


die mir fremd waren, also keine Freun<strong>de</strong>.<br />

Ich habe das halt immer auf Bil<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r<br />

hier und da mal einen Pornofilm bezogen.<br />

Domian: Ach, Pornofilme hast du dir schon besorgt?<br />

Werner: Nein, ich bin ins Kino gegangen.<br />

Domian: Das ist aber auch ein ganz schöner<br />

Schritt, als Geistlicher in ein Pornokino zu<br />

gehen. Hast du <strong>de</strong>nn nicht tierisch Angst gehabt,<br />

daß dich jemand erkennen könnte?<br />

Werner: Ich bin dafür je<strong>de</strong>smal 250 Kilometer<br />

weggefahren.<br />

Domian: War das ein heterosexuelles Pornokino?<br />

Werner: Es gibt ja diese Kabinen, wo man <strong>aus</strong>wählen<br />

kann. Wobei mir die heterosexuellen Filme<br />

nicht so gut gefielen. Man hört ja auch immer<br />

von <strong>de</strong>r Ausbeutung <strong>de</strong>r Frau in solchen<br />

Filmen. Und da bin ich halt durch die<br />

an<strong>de</strong>ren 99 Programme gedüst.<br />

45


Domian: Und in dieser Zeit hast du die Thematik,<br />

ob du nun schwul bist o<strong>de</strong>r nicht, verdrängt?<br />

Werner: Ja.<br />

Domian: Warst du nicht ständig in einer I<strong>de</strong>ntitätskrise?<br />

Du hast, was die Sexualmoral<br />

betrifft, als katholischer Priester natürlich an<strong>de</strong>re<br />

Dinge zu vertreten als ins Pornokino zu<br />

gehen.<br />

Werner: Ich habe im Laufe meiner Priesterjahre<br />

festgestellt, daß ich mich von einem<br />

stockkonservativen Mann hin zu einem sehr<br />

toleranten Mann entwickelt habe.<br />

Domian: Das heißt, du vertrittst nach außen hin<br />

nicht die teilweise sehr rigi<strong>de</strong>n Vorstellungen<br />

<strong>de</strong>r katholischen Kirche?<br />

Werner: Ich sage das von <strong>de</strong>r Kanzel <strong>aus</strong>, was<br />

ich selbst vertreten kann. Ich behaupte, die<br />

Kirche sollte sich <strong>aus</strong> <strong>de</strong>m Thema Sexualität<br />

die nächsten Jahre erst mal her<strong>aus</strong>hal-<br />

46


ten und sich auf Werte zurückziehen, wo sie<br />

auch wirklich was zu sagen hat und auch<br />

sagen kann.<br />

Domian: Mit 32 hast du dich also das erste Mal<br />

verliebt. Wie ging es dann in <strong>de</strong>iner homosexuellen<br />

Entwicklung weiter?<br />

Werner: Dann habe ich das einem befreun<strong>de</strong>ten<br />

Priester erzählt. Ich war halt verliebt<br />

und hatte das Gefühl, daß ich es irgend jeman<strong>de</strong>n<br />

erzählen mußte. Dann hat <strong>de</strong>r mir<br />

eingestan<strong>de</strong>n, daß er ähnlich fühlt. Wir haben<br />

uns dann erstaunt angeguckt und uns<br />

gefragt, warum wir nicht schon Jahre eher<br />

darüber sprechen konnten. Meine Urlaubsliebe<br />

hatte sich für mich ja nicht erfüllt. Dann<br />

habe ich einfach weitergesucht. Wenn man<br />

seinen Horizont ein wenig öffnet, fin<strong>de</strong>t man<br />

auch Leute, die einem diesbezüglich weiterhelfen.<br />

Domian: Gibt es da wirklich Gruppen von anonymen,<br />

schwulen katholischen Geistlichen?<br />

47


Werner: Ja, es gibt schwule Priestergruppen.<br />

Domian: Das muß aber wohl alles streng geheim<br />

bleiben.<br />

Werner: (zögert) Ja, ich <strong>de</strong>nke, daß wir uns<br />

natürlich um Anonymität bemühen. Aber es<br />

gibt auch in einer an<strong>de</strong>ren Gruppe einen<br />

Priester, <strong>de</strong>r sich sehr engagiert und <strong>de</strong>r durch<strong>aus</strong><br />

auch schon mit <strong>de</strong>m Bischof Kontakt hatte.<br />

Domian: Eine Seltenheit unter <strong>de</strong>n Bischöfen.<br />

Werner: Sagen wir mal so: Es ist nicht <strong>de</strong>r Bischof<br />

von Fulda.<br />

Domian: (lacht) Das habe ich mir fast gedacht.<br />

Lebst du im Augenblick auch in einer Beziehung?<br />

Werner: Nein.<br />

Domian: Und du fährst immer noch 250 Kilometer,<br />

um Sex zu erleben, um Männer kennenzulernen?<br />

48


Werner: Nein, ich traue mich jetzt schon ein<br />

wenig mehr. Es ist ja auch so, daß die homosexuelle<br />

Szene einen schützt. Ich habe in einer<br />

schwulen Gruppe in einer Nachbarstadt<br />

sogar schon Leute <strong>aus</strong> meiner Gemein<strong>de</strong> gesehen.<br />

Aber die halten dicht.<br />

Domian: Du riskierst, was <strong>de</strong>inen Job angeht,<br />

ja Kopf und Kragen.<br />

Werner: Ich <strong>de</strong>nke, daß man mich nur r<strong>aus</strong>schmeißen<br />

wür<strong>de</strong>, wenn ich jeman<strong>de</strong>n in mein<br />

Pfarrh<strong>aus</strong> holen wür<strong>de</strong> und mit einem Mann<br />

leben wür<strong>de</strong>. O<strong>de</strong>r wenn ich mit jeman<strong>de</strong>n<br />

im Bett erwischt wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Auf je<strong>de</strong>n<br />

Fall wür<strong>de</strong> man mich nicht aufgrund meiner<br />

Homosexualität allein r<strong>aus</strong>schmeißen.<br />

Domian: Also bist du einem eher toleranten Bischof<br />

zugeordnet.<br />

Werner: Ja.<br />

Domian: Hast du in <strong>de</strong>r Kirche auch schon mal<br />

über Homosexualität gepredigt?<br />

49


Werner: Ja, ich nehme das Thema ” Homosexualität“<br />

schon in <strong>de</strong>n Mund. Nicht unbedingt<br />

im Sinne <strong>de</strong>r Kirche.<br />

Domian: Ist das <strong>de</strong>nn für dich nicht ein Spagat?<br />

Der Papst hat ja klare Aussagen zum<br />

Thema Schwulsein gemacht.<br />

Werner: (zögert) Also, ich sage immer, daß es<br />

auch eine Frage <strong>de</strong>s Verhaltens <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong><br />

ist. Ich habe auf diese Predigten keine<br />

negativen Reaktionen bekommen. Das einzige<br />

Mal, wo Leute <strong>aus</strong> einer höheren Etage<br />

sich beschwert haben, war eine Predigt, in<br />

<strong>de</strong>r es um Scheidung ging.<br />

Domian: Ich glaube ja auch, daß inzwischen<br />

die Vielzahl <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>n toleranter ist<br />

als <strong>de</strong>r Papst. Was hast du für einen Eindruck?<br />

Wenn das in <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> so richtig<br />

bekannt wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>, wür<strong>de</strong>n die Leute<br />

zu dir stehen?<br />

Werner: Kann ich ganz schwer einschätzen. In<br />

meiner schwulen Priestergruppe gibt es zwei,<br />

50


drei Leute, die auch einen Freund haben.<br />

Wo <strong>de</strong>r Freund auch ins Pfarrh<strong>aus</strong> kommt,<br />

auch dort schläft. Und die Gemein<strong>de</strong> weiß<br />

davon. Aber ich wür<strong>de</strong> das Experiment heute<br />

nicht wagen wollen.<br />

Domian: Das be<strong>de</strong>utet doch, daß <strong>de</strong>ine Zukunft<br />

weiter von Heimlichkeiten geprägt sein wird.<br />

Werner: Das ist für mich halt die Frage. Ich<br />

habe vor kurzem mal mit einer Freundin darüber<br />

gesprochen, und ich habe gesagt, daß mein<br />

Tag ja sowieso so voll ist, daß ich gar keine<br />

Zeit für einen Freund hätte. Darauf sagte<br />

die Freundin, wenn du jeman<strong>de</strong>n triffst, <strong>de</strong>n<br />

du liebst, dann hast du auch die Zeit. Und<br />

dann wäre da ja auch die Frage, wenn ich<br />

jeman<strong>de</strong>n fin<strong>de</strong>, <strong>de</strong>n ich liebe, ob man dann<br />

sagt: O.K., jetzt gebe ich <strong>de</strong>n Beruf auf.<br />

Domian: Du könntest dir schon vorstellen, daß<br />

du <strong>de</strong>inen Beruf — <strong>de</strong>r dir wahrscheinlich<br />

sehr am Herzen liegt — aufgibst?<br />

Werner: Ich weiß nicht . . . (zögert) . . . ich bin<br />

51


da in mir auch ein wenig zwiegespalten.<br />

Domian: Das ist ja auch hypothetisch. Die Frage<br />

kommt ja auch erst auf dich zu, wenn die<br />

große Liebe da ist.<br />

Werner: Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite frage ich mich,<br />

ob ich mich überhaupt bereit mache für eine<br />

große Liebe.<br />

Domian: Ich fin<strong>de</strong> das sehr toll und interessant,<br />

daß du heute hier angerufen hast. Auch, weil<br />

sich bei mir immer wie<strong>de</strong>r Leute mel<strong>de</strong>n,<br />

junge Christen, die ihr Schwulsein und ihren<br />

Glauben nicht miteinan<strong>de</strong>r vereinbaren<br />

können.<br />

Werner: Die Liebe zu einem Mann kann gen<strong>aus</strong>o<br />

rein sein wie die Liebe zu einer Frau.<br />

52


Kapitel 6<br />

Spiel mit <strong>de</strong>m Tod<br />

Domian: Paul ist am Telefon, 30 Jahre alt.<br />

Paul: Hallo Domian! Also ich habe etwas Extremes:<br />

früher habe ich mich immer selbst<br />

verletzt. Das passierte meistens in Streßsituationen.<br />

Irgendwann später, in einer sehr<br />

großen Streßsituation, wollte ich mich umbringen.<br />

Da habe ich ein Gift genommen.<br />

Domian: Ein Gift hast du genommen?<br />

Paul: Ja, ein Gift.<br />

Domian: Was für ein Gift?<br />

Paul: Ach, das möchte ich jetzt eigentlich nicht<br />

sagen, weil man es frei kaufen kann.<br />

53


Domian: Okay, bitte sage es nicht!<br />

Paul: Es dauert ziemlich lange. Ist auch eine<br />

ziemliche Quälerei, das Zeug reinzuwürgen.<br />

Aber irgendwie muß ich sagen, daß es gar<br />

nicht so schlecht war. Ich lag da so ungefähr<br />

sechs Stun<strong>de</strong>n, und es passiert dann immer<br />

so in Wellen. Man <strong>de</strong>nkt immer: Bald bist du<br />

drüber. Na ja, ich fand das halt unheimlich<br />

cool.<br />

Domian: Es ist ein Gift, das man einnimmt,<br />

das man schluckt?<br />

Paul: Ja.<br />

Domian: Und es hat wirklich eine so enorme<br />

Wirkung, daß man sterben kann?<br />

Paul: Man hat nicht nur das Gefüh, es ist auch<br />

wirklich lebensgefährlich. Es kann zu Herzkammerflimmern<br />

führen und dann hilft nur<br />

Reanimation.<br />

Domian: Man ist während<strong>de</strong>ssen aber bei Bewußtsein?<br />

54


Paul: Völlig.<br />

Domian: Und dieses hat, als du das damals <strong>aus</strong>probiert<br />

hast, auch eine sehr angenehme Wirkung<br />

für dich gehabt?<br />

Paul: Für mich war das so ein Gefühl von Freiheit.<br />

Es war ein tolles Erlebnis.<br />

Domian: Es hat ein paar Stun<strong>de</strong>n gedauert, und<br />

dann hat die Wirkung nachgelassen?<br />

Paul: Ja, das ist ein wenig problematisch. Man<br />

muß danach min<strong>de</strong>stens noch einen Tag im<br />

Bett bleiben, weil man sich nicht mehr bewegen<br />

kann.<br />

Domian: Ist es etwa so, daß du das öfters machst?<br />

Paul: Inzwischen habe ich es wohl sechsmal gemacht.<br />

Domian: Du spielst also wirklich je<strong>de</strong>smal mit<br />

<strong>de</strong>inem Leben?<br />

Paul: Ja. Einmal bin ich in die Klinik eingeliefert<br />

wor<strong>de</strong>n, und da habe ich die Leute auf<br />

55


<strong>de</strong>r Intensivstation ziemlich zum Rennen gebracht.<br />

(lacht ein wenig)<br />

Domian: Mensch Paul, das fin<strong>de</strong> ich . . . ich weiß<br />

gar nicht . . . das ist ja unglaublich. Warum<br />

machst du das? Warum?<br />

Paul: Ich weiß nicht. Das ist irgendwie ein Gefühl<br />

von Freiheit.<br />

Domian: Ich will hier nun wirklich keine Drogen<br />

propagieren, aber es gibt doch Drogen,<br />

die eine ähnliche Wirkung haben, aber nicht<br />

so lebensgefährlich sind wie <strong>de</strong>in Gift. Warum<br />

muß es <strong>de</strong>nn ein Gift sein, das dich unter<br />

Umstän<strong>de</strong>n millimeternah an <strong>de</strong>n Tod katapultiert?<br />

Paul: Ich <strong>de</strong>nke, das ist auch so eine Art To<strong>de</strong>ssehnsucht.<br />

Domian: Ist dir <strong>de</strong>in Leben so wenig wert?<br />

Paul: Ja schon. Eigentlich ist es mir generell<br />

ziemlich wenig wert. Ich lebe also relativ risikofreudig.<br />

56


Domian: Und dieses Zeug kann man kaufen?<br />

Paul: Ja.<br />

Domian: Hast du das immer zu H<strong>aus</strong>e?<br />

Paul: Ich habe hier noch ein Röhrchen. Aber<br />

das wird nicht reichen.<br />

Domian: Was sind das <strong>de</strong>nn für Situationen, in<br />

<strong>de</strong>nen du das dann nimmst?<br />

Paul: Das sind meistens Streßsituationen. O<strong>de</strong>r<br />

wenn ich die Welt halt mal nicht ertragen<br />

kann. O<strong>de</strong>r wenn ich Gewissensbisse habe.<br />

Bei mir ist das ziemlich extrem.<br />

Domian: Aber du willst letztendlich nicht sterben?<br />

Paul: Eigentlich nicht.<br />

Domian: Du willst dieses Gefühl <strong>de</strong>s Übergangs<br />

haben?<br />

Paul: Genau. Ich könnte das nämlich auch injizieren.<br />

Dann wäre ich wirklich weg. (lacht)<br />

57


Domian: Du sagtest gera<strong>de</strong>, daß es auch noch<br />

die Nachwirkung hat, daß man einen Tag im<br />

Bett verbringen muß.<br />

Paul: Mann kann sich sehr schlecht bewegen<br />

und kommt nicht auf die Beine.<br />

Domian: Ist das nicht schrecklich? Ich stelle<br />

mir das gera<strong>de</strong> spontan wie einen schrecklichen<br />

Kater vor.<br />

Paul: Es ist schon ziemlich unangenehm, das<br />

stimmt. Man hat auch kaum ein Gefühl in<br />

<strong>de</strong>n Extremitäten.<br />

Domian: Bereust du das dann und sagst: ≫Scheiße,<br />

ich mache es nicht noch mal!≪?<br />

Paul: Es ist so toll, das kann wahrscheinlich<br />

keiner nachvollziehen. Es ist wie eine Wie<strong>de</strong>rgeburt.<br />

Wenn man die Sonne aufgehen<br />

sieht und man noch lebt. Wahnsinn!<br />

Domian: Wieviel Stun<strong>de</strong>n dauert dieser Vorgang?<br />

Paul: Etwa sechs Stun<strong>de</strong>n.<br />

58


Domian: Wenn die Wirkung nachläßt, wirst du<br />

dann mißmutig o<strong>de</strong>r gar <strong>de</strong>pressiv?<br />

Paul: Nein. Das ist eher ein riesiger Pusch. Dann<br />

ist die Energie wie<strong>de</strong>r da. Auch wenn man<br />

vorher <strong>de</strong>primiert war. Das ist dann wie weggeblasen.<br />

(P<strong>aus</strong>e)<br />

Domian: Ich bin sehr baff, muß ich dir sagen.<br />

So etwas habe ich noch nie gehört.<br />

Paul: Ja, extrem. (lacht)<br />

Domian: Das ist wirklich extrem. Weiß das jemand<br />

<strong>aus</strong> <strong>de</strong>inem Freun<strong>de</strong>skreis?<br />

Paul: Ich wollte das eigentlich nieman<strong>de</strong>n erzählen,<br />

weil die Leute <strong>de</strong>nken könnten, ich wolle sie<br />

unter Druck setzen. So nach <strong>de</strong>m Motto: Ich<br />

bringe mich jetzt um, wenn du dich nicht so<br />

und so verhälst.<br />

Domian: Das ist also <strong>de</strong>in Geheimnis, und außer<br />

mir und ein paar hun<strong>de</strong>rtt<strong>aus</strong>end Menschen<br />

weiß es bis jetzt niemand. (bei<strong>de</strong> lachen)<br />

Warum hast du das jetzt hier erzählt?<br />

59


Hast du nicht Angst, daß dich jemand an er<br />

Stimme erkennt?<br />

Paul: Also einmal ist das nicht mein Sen<strong>de</strong>bereich,<br />

und dann muß ich sagen, daß ich damit<br />

inzwischen auch in psychiatrischer Behandlung<br />

bin. Ich habe das inzwischen so<br />

vielen Leuten erzählt. Ich saß auch mal in<br />

einem Hörsaal und wur<strong>de</strong> von 600 Leuten<br />

angestarrt.<br />

Domian: Also es wissen keine engen Freun<strong>de</strong><br />

von dir, ansonsten ist es schon publik.<br />

Da haben sich die Psychiater wahrscheinlich<br />

auf dich gestürzt, als interessantes Forschungsphänomen.<br />

Paul: Ja, ich bin ein schwieriger Fall (lacht).<br />

Domian: Es ist ja ein schwieriger Schritt, zu<br />

einem Psychiater zu gehen. Wie kam es dazu?<br />

Warum hast du dich dafür entschie<strong>de</strong>n.<br />

Paul: Na ja, ich habe auch noch an<strong>de</strong>re Probleme.<br />

Das hängt mit meiner Persönlichkeit<br />

60


zusammen. Im Augenblick lei<strong>de</strong> ich unter starken<br />

Angstgefühlen. Das ist halt nicht gut erträglich,<br />

und dann geht man halt zum Psychiater.<br />

Domian: Hast du <strong>de</strong>m Psychiater gleich von<br />

<strong>de</strong>m Gift erzählt, o<strong>de</strong>r hat <strong>de</strong>r erst lange bei<br />

dir graben müssen?<br />

Paul: Ich war eigentlich immer sehr offen und<br />

habe das auch immer erzählt. Deswegen komme<br />

ich auch gerne auf die Geschlossene. Da<br />

kennt man mich schon (bei<strong>de</strong> lachen).<br />

Domian: Wann war <strong>de</strong>r letzt Trip? Ich nenne<br />

es mal so.<br />

Paul: Das ist eineinhalb Jahre her.<br />

Domian: Das ist dann doch schon sehr lange<br />

her.<br />

Paul: Im Augenblick glaube ich, daß mein Magen<br />

das nicht mehr mitmacht (lacht). Ich habe<br />

ihn wohl ein bißchen ruiniert.<br />

61


Domian: Und wie lange bist du jetzt <strong>de</strong>shalb in<br />

psychiatrischer Behandlung.<br />

Paul: (überlegt) Seit 1991.<br />

Domian: Das ist lange. Hast du <strong>de</strong>n Eindruck,<br />

daß die Therapie Wirkung zeigt und du nicht<br />

noch mal in Versuchung gerätst?<br />

Paul: Also ehrlich gesagt ist das eine von <strong>de</strong>n<br />

Sachen, die ich mir ungern nehmen lassen<br />

wür<strong>de</strong>.<br />

Domian: Das heißt, es ist schon fast beruhigend<br />

für dich, dieses Röhrchen zu H<strong>aus</strong>e zu<br />

haben?<br />

Paul: Ja, ja.<br />

Domian: Für <strong>de</strong>n Fall <strong>de</strong>r Fälle kannst du dann<br />

noch mal zugreifen.<br />

Paul: Genau. Das ist ganz komisch. (lacht)<br />

Domian: Sage mir doch mal, warum dir <strong>de</strong>in<br />

Leben keinen Spaß macht.<br />

62


Paul: Es ist so eine Art Min<strong>de</strong>rwertigkeitskomplex.<br />

Ich komme mir halt unheimlich nullwertig<br />

vor.<br />

Domian: Warum?<br />

Paul: Och, das ist angeboren. Was weiß ich?<br />

Frühe Kindheit kaputt, alles im Eimer . . .<br />

Domian: Du wirkst relativ selbstbewußt und durch<strong>aus</strong><br />

normal.<br />

Paul: Das mag täuschen. (lacht)<br />

Domian: Kann sein. Bist du berufstätig?<br />

Paul: Bis vor kurzem. Da bin ich r<strong>aus</strong>geschmissen<br />

wor<strong>de</strong>n. Das hat mich auch ein wenig<br />

irritiert. Mal gucken, wie es jetzt weitergeht.<br />

Domian: Was hat du gemacht?<br />

Paul: Krankenpflege.<br />

Domian: Krankenpflege? Aha.<br />

Paul: Oje, jetzt wird es heikel.<br />

63


Domian: Das vertiefen wir jetzt mal nicht. Also<br />

Paul, ich erspare dir das Angebot, mit<br />

meiner Psychologin zu sprechen. Ich glaube,<br />

du bist da in sehr guten Hän<strong>de</strong>n. Ich<br />

wünsche dir, daß du das nicht mehr machst;<br />

ich wünsche dir, daß die Psychiater Erfolg<br />

haben. Daß du Erfolg hast und daß dir das<br />

Leben wie<strong>de</strong>r Spaß macht.<br />

Paul: Das ist ein netter Wunsch.<br />

64


Gesprächsprotokolle <strong>aus</strong> <strong>de</strong>m Buch<br />

≫Extreme Leben≪<br />

65


Kapitel 7<br />

Win<strong>de</strong>lfetischist<br />

Robert: Ich stehe auf Win<strong>de</strong>l- und Gummihosen.<br />

Domian: Dich stimuliert es also selbst, wenn<br />

du zum Beispiel eine Win<strong>de</strong>l trägst.<br />

Robert: Ja.<br />

Domian: Warum ist das so?<br />

Robert: Das kann ich nicht konkret beantworten.<br />

Es ist halt so. Mir gefällt es sehr gut.<br />

Und ich gehe dieser Neigung auch nach.<br />

Domian: Wann hast du diese Neigung an dir<br />

ent<strong>de</strong>ckt?<br />

Robert: Als ich ungefähr 16 war.<br />

66


Domian: Wie hast das das ent<strong>de</strong>ckt?<br />

Robert: Ich bin damals furchtbar geil gewor<strong>de</strong>n,<br />

als ich diese Dinger in einem Schaufenster<br />

liegen sah. Und habe dann auch allen<br />

Mut zusammengerafft und habe mir Höschen<br />

und eine Packung Win<strong>de</strong>ln gekauft.<br />

Domian: Wie war das genau? Was passierte dann,<br />

als du zu H<strong>aus</strong>e warst?<br />

Robert: Ich habe mich ganz nackt <strong>aus</strong>gezogen<br />

und die Win<strong>de</strong>l angelegt. Das war ein gigantisch<br />

geiles Gefühl. Und dann habe ich<br />

mich befriedigt. Dabei habe ich die Win<strong>de</strong>l<br />

angelassen. Ich habe quasi in die Win<strong>de</strong>l<br />

onaniert, in<strong>de</strong>m ich mich auf <strong>de</strong>n Bauch gelegt<br />

habe. So mache ich das noch heute. Die<br />

Hand nehme ich selten. Der direkte Kontakt<br />

Win<strong>de</strong>l/Penis, das ist es.<br />

Domian: Wie oft machst du das so?<br />

Robert: Alle zwei, drei Tage.<br />

Domian: Magst du auch normalen Sex?<br />

67


Robert: Den hatte ich bisher kaum. Überhaupt<br />

habe ich keinen Sex mit an<strong>de</strong>ren. Die Neigung<br />

ist sehr stark — und Gleichgesinnte zu<br />

fin<strong>de</strong>n, fällt mir sehr schwer. Aber ich suche.<br />

Domian: Du bist 30 Jahre alt und hattest auch<br />

noch nie eine etwas längere sexuelle Beziehung<br />

zu einem Menschen?<br />

Robert: So ist es.<br />

Domian: Vermißt du das?<br />

Robert: Ja.<br />

Domian: Müßte es unbedingt jemand sein, <strong>de</strong>r<br />

gen<strong>aus</strong>o gestrickt ist wie du?<br />

Robert: Müßte nicht unbedingt sein.<br />

Domian: Kannst du dir einen erfüllten Orgasmus<br />

ohne Win<strong>de</strong>l o<strong>de</strong>r Gummi vorstellen?<br />

Robert: Ja, das kann ich.<br />

Domian: Dann wun<strong>de</strong>rt es mich schon, daß du<br />

noch keine Beziehung hattest.<br />

68


(Gesprächsp<strong>aus</strong>e)<br />

Wie erklärst du dir das?<br />

Robert: Ich habe mich noch nicht intensiv bemüht.<br />

Zu<strong>de</strong>m bin ich ein recht komplizierter Mensch,<br />

und sowohl ich als auch mein Partner müßte<br />

sehr viel Energie in so eine Beziehung pumpen,<br />

um sie am Leben zu erhalten.<br />

Domian: Bist du homo- o<strong>de</strong>r heterosexuell?<br />

Robert: Eher schwul.<br />

Domian: Könnte es sein, daß <strong>de</strong>ine sexuelle Neigung<br />

— also die Win<strong>de</strong>ln — dich in eine<br />

sexuelle <strong>Eins</strong>amkeit manövriert haben?<br />

Robert: Vielleicht. Aber ich glaube es nicht.<br />

Domian: Gibt es <strong>de</strong>nn noch an<strong>de</strong>re sexuelle Phantasien?<br />

Robert: Eigentlich nicht.<br />

Domian: Wie sehen <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>ine Phantasien <strong>aus</strong>,<br />

wenn die Win<strong>de</strong>ln angelegt sind?<br />

69


Robert: Ich stelle mir oft vor, daß mir dann jemand<br />

noch in die Win<strong>de</strong>ln pinkelt — o<strong>de</strong>r<br />

auf die Win<strong>de</strong>l. Das fin<strong>de</strong> ich richtig toll.<br />

Domian: Gibt es auch Vorstellungen, daß du<br />

<strong>de</strong>nkst, du bist ein Säugling, <strong>de</strong>r bemuttert,<br />

gewaschen und gecremt wird?<br />

Robert: Nein, ich weiß, daß es das gibt. Aber<br />

bei mir ist es nicht so. Ich brauche auch<br />

nicht so viele Phantasien. Ich bin ganz und<br />

gar mit <strong>de</strong>n Win<strong>de</strong>ln und Gummihöschen zufrie<strong>de</strong>n.<br />

Domian: Zelebrierst du diese Aktion so richtig?<br />

Robert: Oh ja. Und manchmal, wenn ich Zeit<br />

habe, kann es mehrere Stun<strong>de</strong>n dauern. Ich<br />

liege einfach da in meinem Höschen, lege<br />

mich auf <strong>de</strong>n Bauch, reibe so meinen Penis,<br />

lege mich wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Rücken, betrachte<br />

mich, fasse das Gummihöschen an usw. Das<br />

ist ganz herrlich.<br />

70


Domian: Hast du ein großes Höschen-Repertoire?<br />

Robert: Nein, so sehr viele sind es gar nicht.<br />

An dieser Stelle wollte ich so langsam zum En<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>s Interviews kommen. Da rückte Robert<br />

aber mit noch einer nicht so alltäglichen Vorliebe<br />

her<strong>aus</strong>:<br />

Robert: Auch Zahnspangen fin<strong>de</strong> ich äußerst<br />

geil.<br />

Domian: Zahnspangen?<br />

Robert: Ja, genau. Und ich suche Leute, <strong>de</strong>nen<br />

es ebenso geht. Vielleicht könnten die sich<br />

ja bei euch mel<strong>de</strong>n.<br />

Domian: Ja, wir reichen dann <strong>de</strong>ine Telefon-<br />

Nummer weiter. Erzähl aber mal, was es mit<br />

<strong>de</strong>r Zahnspange auf sich hat.<br />

Robert: Ich nehme sie in <strong>de</strong>n Mund. Und Zahnspange<br />

kombiniert mit Win<strong>de</strong>ln, das ist das<br />

Größte.<br />

71


Domian: Das ist ja völlig bizzar. Kanst du wahrscheinlich<br />

auch nicht näher erklären, warum<br />

das so ist!?<br />

Robert: Nein. Es ist mir auch egal. Angefangen<br />

hat es mit meiner eigenen ersten Zahnspange.<br />

Die hat mich damals tierisch angemacht.<br />

Mehr kann ich dazu nicht sagen.<br />

Ich mag es halt. Und so soll es auch bleiben.<br />

Domian: Robert, in diesem Sinne: Tschau!<br />

Lei<strong>de</strong>r hat sich bis heute kein weiterer Zahnspangen-<br />

Freund bei uns gemel<strong>de</strong>t. Ob Robert auf an<strong>de</strong>rem<br />

Wege einen Gleichgesinnten gefun<strong>de</strong>n hat<br />

wissen wir nicht.<br />

72


Kapitel 8<br />

Narzißmus<br />

Ich muß zugeben, daß auch ich ein durch<strong>aus</strong><br />

narzißtisch veranlagter Mensch bin. Wür<strong>de</strong> ich<br />

sonst Gefallen daran fin<strong>de</strong>n, meine Nase allnächtlich<br />

in eine Kamera zu halten?! Es ist allerdings<br />

schwer zu entschei<strong>de</strong>n, wo die Grenze<br />

zwischen noch vertretbarer o<strong>de</strong>r gar gesun<strong>de</strong>r<br />

Ich-Bezogenheit und extremer, vielleicht sogar<br />

krankhafter Eigenliebe verläuft.<br />

Im Mai 1996 haben wir im Talk-Radio ” Narzißmus“<br />

thematisiert. Es waren die Menschen aufgefor<strong>de</strong>rt<br />

anzurufen, die über<strong>aus</strong> eitel, egozentrisch<br />

und selbstverliebt sind. So wie es einst<br />

Narziß war, <strong>de</strong>r schöne Jüngling <strong>aus</strong> <strong>de</strong>r griechischen<br />

Mythologie, <strong>de</strong>r die Liebe <strong>de</strong>r Echo<br />

73


verschmähte, sich unstillbar in sein eigenes Spiegelbild<br />

verliebte und in eine Blume — eine Narzisse<br />

— verwan<strong>de</strong>lt wur<strong>de</strong>.<br />

Letzteres ist Udo (20) bislang erspart geblieben:<br />

Udo: Ich bin ein bekennen<strong>de</strong>r Naziß.<br />

Domian: Was macht <strong>de</strong>inen Narzißmus <strong>aus</strong>?<br />

Udo: Das Wichtigste und Schönste für mich ist<br />

<strong>de</strong>r Spiegel.<br />

Domian: Wieviele Stun<strong>de</strong>n pro Tag verbringst<br />

du vor <strong>de</strong>m Spiegel?<br />

Udo: Drei bis vier Stun<strong>de</strong>n. Spiegel und Schaufenster<br />

zusammengenommen. Das fängt morgens<br />

im Bad an, da brauche ich ungefähr eine<br />

Stun<strong>de</strong>. Und so zieht sich das durch <strong>de</strong>n<br />

Tag. In je<strong>de</strong>m Schaufenster, an <strong>de</strong>m ich vorbeigehe,<br />

spiegle ich mich.<br />

Domian: Was macht du eine Stun<strong>de</strong> im Bad?<br />

Udo: Meine Haare. Die sind zwar kurz, aber<br />

er dauert seine Zeit. Alles muß liegen. Ich<br />

74


muß föhnen und manchmal gelen. Mit meiner<br />

Haut mache ich auch ganz viel, intensive<br />

Pflege halt. Die Augenrän<strong>de</strong>r gestalte<br />

ich, und die Augenbrauen wer<strong>de</strong>n gefärbt.<br />

Make-up direkt benutze ich aber nicht.<br />

Domian: Dein Gesicht ist dir außeror<strong>de</strong>ntlich<br />

wichtig. Wie ist es mit <strong>de</strong>m Rest <strong>de</strong>s Körpers.<br />

Udo: Ich bin sehr stolz auf mich. Ich gefalle<br />

mir sehr gut. Und dafür habe ich auch hart<br />

an mir gearbeitet. Ich betreibe sehr viel Sport,<br />

täglich, zu H<strong>aus</strong>e und im Studio.<br />

Domian: Fin<strong>de</strong>st du dich selbst auch erotisch?<br />

Udo: Ja!<br />

Domian: Auch geil?<br />

Udo: Das Eigenerotische ist bei mir nicht so<br />

sehr im Mittelpunkt. Ich fin<strong>de</strong> mich schön,<br />

mehr aber nicht. Obwohl es natürlich einzelne<br />

Bereiche meines Körpers gibt, die ich<br />

beson<strong>de</strong>rs attraktiv fin<strong>de</strong>. Zum Beispiel die<br />

Beine, weil die sehr lang sind. O<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Po,<br />

75


weil <strong>de</strong>r schön fest ist. Und beson<strong>de</strong>rs stolz<br />

bin ich auf meine Füße, weil die sehr klein<br />

sind.<br />

Domian: Welche Schuhgröße hast du?<br />

Udo: Ich bin 1,79 m groß und habe Schuhgröße<br />

38 bis 39.<br />

Domian: Könntest du dir vorstellen, mit dir selbst<br />

zu schlafen.<br />

Udo: Vorstellen schon, aber es muß nicht unbedingt<br />

sein.<br />

Domian: Ein Narziß liebt es, wenn sich alles<br />

um ihn dreht. Ist das bei dir auch so?<br />

Udo: Oh ja! Wenn ich zum Beispiel auf eine<br />

Party gehe, dann will ich auch <strong>de</strong>r Mittelpunkt<br />

sein. Wenn das nicht <strong>de</strong>r Fall ist, dann<br />

ich die Sache für mich gelaufen.<br />

Domian: Bist du fähig, jeman<strong>de</strong>n zu lieben?<br />

Udo: Nein, nicht mehr. Ich will das auch nicht.<br />

Ich habe schlechte Erfahrungen gemacht, so-<br />

76


wohl im Elternh<strong>aus</strong> als auch mit Männern.<br />

Ich bin schwul, und ich bin oft enttäuscht<br />

wor<strong>de</strong>n. Ich habe es satt. Jetzt interessiere<br />

ich mich nur noch für mich. Ich bin wichtig.<br />

Und ich habe auch keine Lust mehr, wegen<br />

an<strong>de</strong>rer Menschen unglücklich zu sein.<br />

Domian: Wann bist du glücklich?<br />

Udo: Wenn ich in <strong>de</strong>n Spiegel schaue, ich mir<br />

richtig gut gefalle und dann lächle.<br />

Domian: Du brauchst keinen an<strong>de</strong>ren Menschen<br />

für <strong>de</strong>in Glück?<br />

Udo: Nein, absolut nicht.<br />

Domian: Bist du dabei nicht einsam?<br />

Udo: Nein, eben nicht. Ich habe ja mich.<br />

Domian: Hast du Freun<strong>de</strong>?<br />

Udo: Ja, das sind meist Frauen.<br />

Domian: Bist du in diesen Freundschaften so<br />

für dich auch die Nr. 1?<br />

77


Udo: Unbedingt. Aber das macht nichts, weil<br />

die Frauen so sind wie ich.<br />

Domian: Kann man sich auf dich verlassen?<br />

Udo: Ja.<br />

Domian: Wür<strong>de</strong>st du in einer Freundschaft auch<br />

gegen <strong>de</strong>ine eigenen Interessen han<strong>de</strong>ln, um<br />

z.B. jeman<strong>de</strong>m zu helfen?<br />

Udo: Das kommt darauf an. Wenn es zu viele<br />

Mühen erfor<strong>de</strong>rn wür<strong>de</strong>, dann täte ich es<br />

nicht.<br />

Domian: Hast du Angst vor Krankheiten o<strong>de</strong>r<br />

einem Unfall? Auf einen Schlag wäre <strong>de</strong>ine<br />

Hülle, <strong>de</strong>ine schöne Hülle unter Umstän<strong>de</strong>n<br />

für immer zerstört.<br />

Udo: Ja. Auch über das Alter <strong>de</strong>nke ich nach.<br />

Aber ich schiebe das alles von mir weg. Ich<br />

will das Älterwer<strong>de</strong>n nicht wahrhaben. Es<br />

wür<strong>de</strong> ja alles zusammenbrechen.<br />

Domian: Wür<strong>de</strong>st du so wie Dorian Gray <strong>de</strong>ine<br />

Seele für <strong>de</strong>ine Schönheit verkaufen?<br />

78


Udo: Da gäbe es gar nicht mehr viel zu verkaufen.<br />

Ich bin so miststückartig drauf, daß da<br />

nicht mehr viel mit Seele ist.<br />

79


Kapitel 9<br />

Masochismus<br />

Wenn wir alle wüßten, was unsere Chefs so in<br />

Sachen Sex bevorzugen und praktizieren, wahrscheinlich<br />

kämen wir vor lauter Staunen, Lachen<br />

o<strong>de</strong>r Kopftschütteln gar nicht mehr zum<br />

Arbeiten.<br />

Im Januar 1996 rief bei uns ein Chef an, <strong>de</strong>r<br />

vor <strong>de</strong>m Talk-Radio-Publikum die Hüllen fallen<br />

ließ. Da er es aber anonym tat, brauchte er<br />

wohl um die Arbeitsdisziplin in seinem Betrieb<br />

nicht zu bangen. Nennen wir ihn Hartmut (42).<br />

Hartmut: Ich fin<strong>de</strong>, die Leute sollten was Sex<br />

angeht noch viel toleranter wer<strong>de</strong>n.<br />

Domian: Ich vermute, sie sollen auch eine be-<br />

80


stimmte Vorliebe von dir tolerieren. Also r<strong>aus</strong><br />

mit <strong>de</strong>r Sprache!<br />

Hartmut: Ja, das ist so. Ich habe vor einiger<br />

Zeit in einer Kneipe ein Paar kennengelernt:<br />

Kurt und Elke. Wir haben uns gut unterhalten,<br />

viel gelacht und schließlich kamen wir<br />

auf das Thema Sex-Clubs und Swinger-Treffs.<br />

Die bei<strong>de</strong>n erzählten, daß sie in einen bestimmten<br />

regelmäßig gehen. Und das hat mich<br />

interessiert. Ich lebe zur Zeit in Scheidung<br />

und war bereit, neue Erfahrungen zu machen.<br />

Also haben wir uns für das nächste<br />

Wochenen<strong>de</strong> verabre<strong>de</strong>t — in diesem besagten<br />

Club. Es war ein ganz normaler Abend,<br />

und normal heißt: FKK und Bi.<br />

Domian: Was geschah dort?<br />

Hartmut: Es waren ca. 20, 25 Leute dort. Man<br />

trank, re<strong>de</strong>te, saß rum. An diesem Abend waren<br />

alle nackt. Na ja, und wenn sich etwas<br />

ergab, dann ging man seinen sexuellen Gefühlen<br />

nach. Vor <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren, mit mehreren o<strong>de</strong>r<br />

81


man zog sich zu zweit zurück.<br />

Domian: Du hast zum ersten Mal so was erlebt?<br />

Hartmut: Ja.<br />

Domian: Wie war das für dich?<br />

Hartmut: Ich fand es ganz beeindruckend. Als<br />

die ersten Hemmungen überwun<strong>de</strong>n waren,<br />

habe ich mich ganz toll gefühlt. Da sitzt du<br />

nackt mit Leuten zusammen, mit Rechtsanwälten,<br />

Seeleuten, Ärzten und Bauarbeitert, mit <strong>de</strong>nen<br />

man privat so nie in Kontakt käme. Alle<br />

sind gleich. Keine Klassenunterschie<strong>de</strong>.<br />

Domian: Über was habt ihr euch unterhalten?<br />

Hartmut: Über Gott und die Welt, über die Benzinpreise<br />

und natürlich über Sex.<br />

Domian: Hast du dort etwas unternommen?<br />

Hartmut: Nein, an <strong>de</strong>m Abend noch nicht. Ich<br />

bin aber drei Tage später wie<strong>de</strong>r hingegangen.<br />

Da war Lack und Le<strong>de</strong>r angesagt. Und<br />

82


nach 15 Ehejahren und noch mehr Sexjahren<br />

habe ich dort meine Neigung ent<strong>de</strong>ckt.<br />

Deshalb, weil ich das irgendwie in mir spürte,<br />

haben mich Kurt und Elke wohl auch von<br />

Anfang an interessiert.<br />

Domian: Um welche Neigung han<strong>de</strong>lt es sich?<br />

Hartmut: Also, Elke ist eine Domina. Und mir<br />

macht die <strong>de</strong>vote Rolle unheimlich Spaß. An<br />

jenem Freitag bin ich mit ihr in einen Studioraum<br />

gegangen. Und seit<strong>de</strong>m immer wie<strong>de</strong>r.<br />

Erst war mir das schon fremd. Aber dann<br />

ging’s richtig ab.<br />

Domian: Was habt ihr gemacht?<br />

Hartmut: Sie hat mich an ein Gitter angebun<strong>de</strong>n,<br />

mir die Augen verbun<strong>de</strong>n und mich erst<br />

mal gestreichelt. Und dieses Wehrlossein, das<br />

war schon richtig geil. Und dann fing sie<br />

an, mich verbal fertigzumachen, mich zu beschimpfen,<br />

mich zu erniedrigen.<br />

Domian: Erzähle es noch genauer. Wie z.B. war<br />

83


Elke angezogen?<br />

Hartmut: Sie war in Le<strong>de</strong>r, sehr dominant, mit<br />

Stiefeln und Peitsche. Ich habe meistens nur<br />

ein Höschen an und bin oft — wie schon<br />

gesagt — gefesselt. An<strong>de</strong>re Leute schauen<br />

dabei auch zu. Das gibt mir <strong>de</strong>n zusätzlichen<br />

Kick. Na ja, sie geht mich verbal sehr<br />

vulgär und aggressiv an. Was mich total anmacht.<br />

Sie zieht mir auch schon mal eine<br />

mit <strong>de</strong>r Peitsche über und gibt mir Befehle,<br />

zu wimmern o<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Kopf bestimmte<br />

Bewegungen zu machen o<strong>de</strong>r ihre Stiefel<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n zu lecken.<br />

Domian: Warum macht dich eine <strong>de</strong>rartige Erniedrigung<br />

an?<br />

Hartmut: Wohl weil ich in meinem sonstigen<br />

Leben sehr wenig Wi<strong>de</strong>rstand spüre. Vielleicht<br />

<strong>de</strong>nken viele Leute, daß ich ein Arschloch<br />

bin, aber niemand traut sich, es mir zu<br />

sagen.<br />

Domian: Was machst du beruflich?<br />

84


Hartmut: Ich bin Chef einer Putzkolonne. Ich<br />

habe etwa 200 Frauen unter mir. Ich bin <strong>de</strong>r<br />

Boß dort. Ohne Wenn und Aber.<br />

Domian: Und im Studio ist Elke <strong>de</strong>r Boß —<br />

ohne Wenn und Aber.<br />

Hartmut: Genau. Ich bin klein bei ihr und wer<strong>de</strong><br />

getreten. Und das macht mich ganz verrückt.<br />

Solche sexuelle Erregung habe ich früher<br />

noch nie empfun<strong>de</strong>n.<br />

Domian: Wie hart geht es eigentlich zur Sachen?<br />

Hartmut: Bei mir hält es sich noch in Grenzen.<br />

Gegen Ho<strong>de</strong>n-Abbin<strong>de</strong>n zum Beispiel<br />

habe ich nichts. Aber Metallklammern an<br />

<strong>de</strong>n Augen, brutale Schläge und Blut, das<br />

gibt es bei mir nicht. Und wenn es doch zu<br />

hart wird, dann gibt es das Wort ” Gna<strong>de</strong>“<br />

— und sie läßt von mir ab. So ist die Regel.<br />

Domian: Wie bekommst du einen Orgasmus?<br />

Hartmut: Entwe<strong>de</strong>r macht es Elke mit <strong>de</strong>r Hand,<br />

85


o<strong>de</strong>r ich mache es selber, o<strong>de</strong>r machmal —<br />

wenn es beson<strong>de</strong>rs hoch hergeht —, dann<br />

reichen auch ganz heftige Beschimpfungen<br />

<strong>aus</strong>.<br />

Domian: Orgasmus nur durch schmutzige Worte?<br />

Hartmut: Ja. Ohne daß ich <strong>de</strong>n Schwanz anpacke.<br />

Ohne daß sie es tut. Ich kenne so was<br />

auch nur <strong>aus</strong> meiner Jugend.<br />

Domian: Du bist <strong>de</strong>r Chef von 200 Putzfrauen.<br />

Hast du nicht Angst, daß die das irgendwann<br />

mal erfahren?<br />

Hartmut: Ja, schon. Ich könnte meine Autorität<br />

verlieren. An<strong>de</strong>rerseits wäre es auch<br />

nicht so dramatisch. Job ist Job. Und Sex<br />

ist Sex<br />

86


Kapitel 10<br />

Analphabet<br />

Domian: Am Aparat: Gerhard, 67 Jahre alt.<br />

Gerhard: Ich möchte einen Hilferuf sagen. Im<br />

Namen aller, die nicht lesen und schreiben<br />

können.<br />

Domian: Bist du Analphabet?<br />

Gerhard: Ja. Und wir haben es oft so schwer.<br />

Ich war 31 Jahre verheiratet mit einer sehr<br />

lieben Frau, die ist vor drei Jahren gestorben.<br />

Und all die Jahre hat niemand mitbekommen,<br />

daß ich nicht lesen und schreiben<br />

kann, weil sie so clever war. Ich habe mich<br />

bei ihr so wohl gefühlt.<br />

Domian: Gehard, was hast du beruflich gemacht?<br />

87


Gerhard: Ich war Bergmann.<br />

Domian: Und du hast es in all <strong>de</strong>n Jahren auch<br />

in <strong>de</strong>inem Beruf verheimlichen können?<br />

Gerhard: Ja. Es ist nieman<strong>de</strong>n aufgefallen. Außer<br />

ein paar Leuten, die das nicht an die<br />

große Glocke gehängt haben. Und in meiner<br />

Umgebung hat das auch heute noch niemand<br />

mitbekommen.<br />

Domian: Hast du Kin<strong>de</strong>r?<br />

Gerhard: Nein.<br />

Domian: Ist das Leben nicht sehr viel schwieriger<br />

gewor<strong>de</strong>n für dich, nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>ine Frau<br />

gestorben ist?<br />

Gerhard: Oh, ja! Es ist für mich eine Welt zusammengebrochen.<br />

Domian: Was ist das größte Problem?<br />

Gerhard: Ich habe immer treu und brav meine<br />

Arbeit gemacht, niemand hat mir etwas<br />

88


Schlechtes nachgesagt. Na ja, und jetzt kriege<br />

ich so wenig Rente. Es kommen immer<br />

Schreiben. Aber die kann ich ja nicht lesen.<br />

O<strong>de</strong>r ein an<strong>de</strong>res Beispiel: Früher kriegten<br />

wir je<strong>de</strong> Woche eine Zeitschrift. Die wollte<br />

ich abbestellen. Da hat <strong>de</strong>r Vertreter gesagt:<br />

≫Kein Problem≪, ich mußte etwas unterschreiben,<br />

das kann ich ja. Und wie sich<br />

dann her<strong>aus</strong>gestellt hat, habe ich einen neuen<br />

Jahresauftrag unterschrieben. Ich wußte<br />

ja nicht, was da stand. Es sind so die<br />

alltäglichen Sachen.<br />

Domian: Stehst du <strong>de</strong>nn ganz alleine da?<br />

Gerhard: Ein Mann hat mir schon mal so ein<br />

bißchen geholfen, aber <strong>de</strong>r ist nun weggezogen.<br />

Jetzt muß ich mir jemand an<strong>de</strong>ren<br />

suchen. Aber weißt du, Jürgen, das ist mir<br />

so peinlich. Hier in <strong>de</strong>r Nachbarschaft habe<br />

ich ein hohes Ansehen, und das möchte<br />

ich mir nicht versauen.<br />

Domian: Wie kommt das überhaupt, daß du nicht<br />

89


lesen und schreiben kannst?<br />

Gerhard: Ich bin als Russe in Deutschland geboren.<br />

Wir sind später Deutsche gewor<strong>de</strong>n.<br />

Ich bin auf einem Schiff großgewor<strong>de</strong>n. Und<br />

als dann das Gesetz kam, daß wir alle in die<br />

Schule gehen sollten, auch wir, die Kin<strong>de</strong>r<br />

von <strong>de</strong>m wan<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n und fahren<strong>de</strong>n Volk,<br />

da wur<strong>de</strong>n die Schulen zu Lazaretten erklärt<br />

und die Schule fiel sofort wie<strong>de</strong>r <strong>aus</strong>.<br />

Das war zwei Jahre lang. Und damit die<br />

Gr<strong>aus</strong>amkeiten von <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Kin<strong>de</strong>rn aufhörten<br />

— die haben mich ja immer gehänselt als<br />

Russen, ich war verstoßen — habe ich damals<br />

gelernt Abstand von <strong>de</strong>n Menschen zu<br />

nehmen. Also damit diese Gr<strong>aus</strong>amkeiten been<strong>de</strong>t<br />

wur<strong>de</strong>n habe ich mich freiwillig zum<br />

Wehrertüchtigungslager gemel<strong>de</strong>t. Da wur<strong>de</strong><br />

ich erstmals als Mensch anerkannt. Ja,<br />

und in diesem ganzen Hin und Her habe ich<br />

nicht lesen und schreiben gelernt.<br />

Dann war <strong>de</strong>r Krieg zu En<strong>de</strong>, und wir hatten<br />

an<strong>de</strong>re Sorgen. Man mußte ja arbeiten. Es<br />

90


waren harte Zeiten. Dann habe ich später<br />

meine Frau kennengelernt. Bis dahin habe<br />

ich mich immer durchgemogelt, irgen<strong>de</strong>ine<br />

Ausre<strong>de</strong> fiel mir immer ein, wenn’s ums Schreiben<br />

und Lesen ging. Mal hatte ich mir die<br />

Hand verletzt, mal waren es die Augen o<strong>de</strong>r<br />

ich habe so zum Scherz gesagt: ≫Vorlesen?<br />

Ich kann doch gar nicht lesen≪, dann haben<br />

alle gelacht, und ich war <strong>aus</strong> <strong>de</strong>m Schnei<strong>de</strong>r.<br />

Domian: War es dir nicht peinlich, es <strong>de</strong>iner<br />

Frau, <strong>de</strong>iner jungen Frau damals zu beichten?<br />

Gerhard: Das war so. Meine liebe Frau war<br />

schwerbehin<strong>de</strong>rt. Und sie war so froh, daß<br />

sie jeman<strong>de</strong>n gefun<strong>de</strong>n hatte, <strong>de</strong>r ihr hilft<br />

und zur Seite steht. Wir haben uns gegenseitig<br />

geholfen. Ich habe mich nur ganz kurz<br />

am Anfang vor ihr geschämt. Später nicht<br />

mehr. Ja — aber jetzt ist sie nicht mehr.<br />

Domian: Für jüngere Leute in <strong>de</strong>iner Lage bie-<br />

91


ten die Volkshochschulen Kurse. Es gibt sehr<br />

viele Analphabeten. Natürlich können dort<br />

auch ältere Leute hingehen. Aber ich glaube,<br />

für dich ist das vielleicht nicht die richtige<br />

Lösung.<br />

Gerhard: Nein, nein. Es ist ja auch nicht nur<br />

das Schreiben und Lesen. Ich habe mich ja<br />

all die Jahre um nichts gekümmert. So Sachen<br />

vom Amt, von <strong>de</strong>r Sparkasse. Manchmal<br />

ist mir <strong>de</strong>r Strick ganz nahe.<br />

Man fühlt sich so hilflos. Daß ich keinen<br />

Straßennamen lesen kann ist ja nicht so schlimm,<br />

ich merke mir zur Orientierung immer die<br />

Häuser o<strong>de</strong>r Geschäfte, aber mit <strong>de</strong>r Rente<br />

jetzt zum Beispiel . . . o<strong>de</strong>r da ist jetzt was<br />

von <strong>de</strong>r Wohnungsgesellschaft gekommen,<br />

das erkenne ich an so einem Zeichen. Wer<br />

weiß, was die wollen. Manchmal habe ich<br />

Angst um meine Wohnung.<br />

Domian: Du brauchst dringend einen Helfer.<br />

Wen<strong>de</strong> dich doch mal an eine karitative Ein-<br />

92


ichtung o<strong>de</strong>r an die Kirche.<br />

Gerhard: Ja. Aber ich wollte anrufen bei dir,<br />

nicht weil ich um Hilfe betteln wollte, son<strong>de</strong>rn<br />

ich will <strong>de</strong>n Menschen sagen, daß sie<br />

Leute wie mich nicht verachten o<strong>de</strong>r <strong>aus</strong>stoßen<br />

sollen. O<strong>de</strong>r benachteiligen. O<strong>de</strong>r gar<br />

betrügen.<br />

Deshalb wollte ich hier sprechen. Wir sind<br />

ja keine Dummköpfe.<br />

93


Kapitel 11<br />

Punker<br />

Domian: Sven, 15 Jahre alt.<br />

Sven: Ich bin Punk. Und in meiner Umgebung<br />

stoße ich oft auf Wi<strong>de</strong>rstand. Und ich bin<br />

Punk, weil es Spaß macht, an<strong>de</strong>rs zu sein.<br />

Domian: Beschreib dich erst mal!<br />

Sven: Ich habe einen Iro, also rechts und links<br />

auf <strong>de</strong>m Kopf ist eine Glatze, und in <strong>de</strong>r Mitte<br />

steht ein großer Haarstreifen.<br />

Domian: Welche Farbe?<br />

Sven: Grün, Rot und Gelb. Und alles ist verfilzt.<br />

Dann bin ich noch gepierct. Im Gesicht,<br />

Nase, Lippe, Augen. Na ja, und schwarze<br />

alte Klamotten. Ich falle schon auf.<br />

94


Domian: Da bist du auch scharf drauf?<br />

Sven: Ich find’s toll zu zeigen, daß ich an<strong>de</strong>rs<br />

bin.<br />

Domian: Warum willst du das zeigen?<br />

Sven: Es gibt viel Spaß, die Leute mit meinem<br />

Aussehen zu verarschen.<br />

Domian: Funktioniert das überhaupt noch? Ihr<br />

gehört doch mittlerweile zum normalen Straßenbild.<br />

Sven: Ja, es funktioniert noch. Beson<strong>de</strong>rs hier<br />

auf <strong>de</strong>m Dorf, wo ich lebe.<br />

Domian: Erklär doch mal, was das Punk-Lebensgefühl<br />

— über die Kleidung hin<strong>aus</strong> und <strong>de</strong>n Spaß<br />

am Provozieren — so <strong>aus</strong>macht.<br />

Sven: Na ja, ich bin unpolitisch und unbürgerlich.<br />

Politik geht mir am Arsch vorbei. Ich<br />

bin Anarchist.<br />

Domian: Dir ist also alles egal. Du bist für nichts<br />

und gegen nichts, ich meine, du greifst selbst<br />

95


nicht ein.<br />

Sven: Früher war ich mal aktiver Linker. Und<br />

ich bin gegen Nazis.<br />

Domian: Das ist keine Kunst, das sind wir alle.<br />

Sven: Dann bin ich gegen Spießer.<br />

Domian: Die dir doch wie<strong>de</strong>rum gut gefallen,<br />

wenn sie dich anmachen.<br />

Sven: Ja, schon. Aber auf blö<strong>de</strong> Sprüche stehe<br />

ich nicht.<br />

Domian: Von was lebst du?<br />

Sven: Ich habe mal ein halbes jahr auf <strong>de</strong>r Straße<br />

gelebt.<br />

Domian: Also ein Schnorrer: ≫Haste mal ’ne<br />

Mark?≪<br />

Sven: Genau!<br />

Domian: Auf solche Leute stehe ich ja.<br />

Sven: Macht aber Spaß. Und ich möchte auch<br />

nicht arbeiten gehen. Ich stehe dazu, ich bin<br />

96


ein Schmarotzer. Ich lebe jetzt übrigens wie<strong>de</strong>r<br />

zu H<strong>aus</strong>e, bei meinem Vater.<br />

Domian: Was sagt <strong>de</strong>r zu <strong>de</strong>iner Lebenseinstellung?<br />

Sven: Am Anfang hat er mich abgelehnt. Jetzt<br />

hat er kapiert, daß er nicht dagegen tun kann.<br />

Er akzeptiert mich. Im Gegensatz zu <strong>de</strong>n Jugendlichen<br />

hier im Dorf.<br />

Domian: Was ist <strong>de</strong>nn mit <strong>de</strong>r Schule?<br />

Sven: Ist Gott sei Dank in ein paar Wochen vorbei.<br />

Und dann gehe ich wie<strong>de</strong>r auf die Straße.<br />

Domian: Hast du einen Abschluß?<br />

Sven: Nein. Achte Klasse . . .<br />

Domian: Hörst sich ja alles sehr locker an . . .<br />

Sven: Ein bißchen naiv, ne?<br />

Domian: Na ja, als Phase ist das vielleicht okay.<br />

Aber willst du ewig schnorren, ewig auf <strong>de</strong>r<br />

Straße leben?<br />

97


Sven: Ich will meinen Spaß haben. Und ich möchte<br />

nicht in zehn, zwanzig Jahren so en<strong>de</strong>n, daß<br />

ich arbeiten gehen, ein normaler Spießer wer<strong>de</strong>n.<br />

Domian: Es gibt ja als Lebensform nicht nur<br />

<strong>de</strong>n Punker und <strong>de</strong>n Normalo-Spießer. Und<br />

Spaß wollen wir alle haben. Nur <strong>de</strong>n muß<br />

man ja auch finanzieren.<br />

Sven: Ich fahr’ zu <strong>de</strong>n Chaos-Tagen nach Hannover.<br />

Das brauche ich nicht zu finanzieren.<br />

Da habe ich meinen Spaß.<br />

Domian: Ja, und schlägst da die Scheiben ein.<br />

Von Geschäften, die sich vielleicht junge Leute<br />

gera<strong>de</strong> aufgebaut haben.<br />

Sven: Ja, da muß man dann auch sagen: ≫Warum<br />

und weshalb?≪<br />

Domian: Warum?<br />

Sven: Wir wollen uns ja nur treffen. Und wenn<br />

dann eine Kleinigkeit passiert, geht <strong>de</strong>r Terror<br />

von <strong>de</strong>r Polizei los.<br />

98


Domian: Ich glaube, es gäbe noch viel mehr<br />

Terror, wenn die Polizei nicht da wäre.<br />

Sven: Glaube ich nicht.<br />

Domian: Sven, wenn wir uns auf <strong>de</strong>r Straße<br />

mal sehen, mußt du damit rechnen, daß ich<br />

dir keine Mark gebe.<br />

Sven: Ist ja auch okay.<br />

Domian: Mein Lieber . . . ich hoffe, daß <strong>de</strong>in<br />

leben nicht irgendwann <strong>de</strong>n Bach runtergehen<br />

wird.<br />

Sven: Nein, nein, ich habe das schon im Griff.<br />

Nur auf Arbeiten habe ich keinen Bock. Und<br />

dann wollte ich noch sagen, <strong>de</strong>ine Sendung<br />

ist echt toll. Hau’ rein!<br />

Domian: Sagt ein Punker! Das ist ja Spitze!<br />

Tschau!<br />

99


Kapitel 12<br />

Sperma-Cocktail<br />

Silke: Wir sind eine Clique — drei Schwule und<br />

ich —, wobei ich selbst lesbisch bin. Und<br />

unsere Überlegung war folgen<strong>de</strong>: Das Leben<br />

ist ja so sehr schön, aber wir wollen<br />

doch auch Nachkommen haben.<br />

Domian: Ihr wollt euch also vermehren?<br />

Silke: Genau. Also haben wir eine Familienplanung<br />

gemacht und sie auch in die Tat<br />

umgesetzt.<br />

Domian: Moment — erst einmal: wer ist ≫wir≪?<br />

Silke: Na, die drei Schwulen und ich.<br />

Domian: Und ihr vier habt eine Familienpla-<br />

100


nung in die Tat umgesetzt? Ganz Deutschland<br />

fiebert jetzt, wie das praktisch <strong>aus</strong>sah!<br />

Silke: Das war so: wir saßen an einem Abend<br />

mal alle sehr nett zusammen, hatten auch<br />

was getrunken, und dann kam uns die I<strong>de</strong>e<br />

mit <strong>de</strong>r Cocktailglas-Metho<strong>de</strong>.<br />

Domian: Die Cocktail-Glas-Metho<strong>de</strong>?<br />

Silke: Ja, man nehme ein Cocktailglas und ein<br />

paar Männer . . . und die Männer verschwin<strong>de</strong>n<br />

dann mit <strong>de</strong>m Glas auf <strong>de</strong>r Toilette. Und<br />

dann wur<strong>de</strong> mir das zugeführt.<br />

Domian: Von wem?<br />

Silke: Von meiner Freundin. Einfach so. Aber<br />

beim ersten Mal hat es nicht geklappt —<br />

dafür beim zweiten Mal. Und jetzt bin ich<br />

im dritten Monat schwanger.<br />

Domian: Nein!<br />

Silke: Doch!<br />

Domian: Und du weißt nicht, wer <strong>de</strong>r Vater ist?<br />

101


Silke: Nein. Aber das kann man ja vielleicht<br />

später erkennen.<br />

Domian: Sind die Jungs so unterschiedlich?<br />

Silke: Ja, total. Der eine hat etwas von Dirk<br />

Bach, <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re ist unser Bodyguard, und<br />

<strong>de</strong>r dritte ist eher die Tunte.<br />

Domian: Nun stell dir vor, es wird ein Junge,<br />

<strong>de</strong>r von allem etwas hat: ein tuntiger Bodyguard<br />

mit dickem Bauch.<br />

Silke: Das wäre doch schön.<br />

Domian: Das klingt schräg und verrückt. Es klingt<br />

auch witzig. Aber irgendwann ist das vielleicht<br />

alles an<strong>de</strong>re als witzig. Es gibt zum<br />

Beispiel keinen klar erkennbaren und benennbaren<br />

Vater. Soll das wirklich so bleiben.<br />

Silke: Es soll eigentlich offen bleiben. Vorerst.<br />

Vielleicht klären wir das später, wenn das<br />

Kind es wünscht. Wir wollen es jetzt die nächste<br />

Zeit auf je<strong>de</strong>n Fall offen lassen.<br />

102


Domian: Somit haben die Jungs auch keinerlei<br />

Rechte und Pflichten.<br />

Silke: Im üblichen Sinne nicht. Aber bei uns ist<br />

das gut geregelt. Wir wohnen in einer WG,<br />

und das schon seit dreienhalb Jahre, und alles<br />

läuft extrem gut.<br />

Domian: Ja, bis jetzt. Aber es können schnell<br />

Konflikte entstehen. Beson<strong>de</strong>rs, wenn ein Kind<br />

da ist.<br />

Silke: Ich hoffe, daß wir uns immer wie<strong>de</strong>r arrangieren<br />

wer<strong>de</strong>n. Es ist auch wirklich keine<br />

Schnapsi<strong>de</strong>e gewesen. Wir haben uns sehr<br />

lange Gedanken gemacht, und für das Kind<br />

ist auch gesorgt. Die Jungs wer<strong>de</strong>n zum Beispiel<br />

alle regelmäßig für das Kind Geld zahlen.<br />

Domian: Ist das vertraglich geregelt?<br />

Silke: Nein, das haben wir so <strong>aus</strong>gemacht, mündlich.<br />

103


Domian: Hoffentlich läuft da nichts schief. Ich<br />

bin da eher skeptisch.<br />

Silke: Vielleicht sollte ich über diesen Punkt wirklich<br />

noch mal nach<strong>de</strong>nken.<br />

Domian: Wür<strong>de</strong> ich gut fin<strong>de</strong>n. Das ist ja kein<br />

kurzfristiger Spaß. Hier geht es schließlich<br />

um einen neuen Menschen. Welche Rolle<br />

spielt eigentlich <strong>de</strong>ine Freundin in <strong>de</strong>m ganzen<br />

Spiel?<br />

Silke: Eher eine Nebenrolle. Wir sind auch in<br />

einer Krise. Ich möchte das Kind. Und ich<br />

bin stolz, daß es nicht nur einen Papi hat,<br />

son<strong>de</strong>rn gleich drei.<br />

Domian: Wenn ihr euch versteht und zusammenrauft<br />

könnte das eine durch<strong>aus</strong> interessante<br />

Konstellation wer<strong>de</strong>n. Sehr unkonventionell.<br />

Soll es ein Junge o<strong>de</strong>r ein Mädchen wer<strong>de</strong>n?<br />

Silke: Mir ist das egal. Die Jungs hätten natürlich<br />

104


gerne einen Jungen. Aber eigentlich ist es<br />

allen egal. Hauptsache es ist gesund.<br />

Domian: Schön daß du angerufen hast. Und ich<br />

<strong>de</strong>nke, wir sollten in Kontakt bleiben. Mel<strong>de</strong><br />

dich doch noch mal bei uns! Vielleicht in<br />

einem halben Jahr.<br />

Silke: Wer<strong>de</strong> ich machen. Tschau!<br />

105


Kapitel 13<br />

Auto-Fellatio<br />

Es gibt nur einen Talk-Partner bis heute, auf<br />

<strong>de</strong>n ich wirklich neidisch bin . . . sein Name:<br />

Lars. Sein Alter: 25 Jahre.<br />

Lars: Mein Thema ist Autofellatio.<br />

Domian: Was wir jetzt erst einmal erklären müssen.<br />

Lars: Ja, also ich kann mich selbst mit <strong>de</strong>m<br />

Mund befriedigen.<br />

Domian: Das ist ja irre, erzähl!<br />

Lars: Irgendwann — so mit 14 — habe ich das<br />

mal versucht, <strong>aus</strong>probiert, so ein bißchen<br />

mit <strong>de</strong>r Zunge an <strong>de</strong>r Eichel zu spielen und<br />

106


halt auch daran herumzulutschen. Das hat<br />

toll gekribbelt und natürlich Laune gemacht.<br />

Es ist ein schon sehr geiles Gefühl, <strong>de</strong>n eigenen<br />

Schwanz im Mund zu haben.<br />

Domian: Wie weit kriegst du ihn in <strong>de</strong>n Mund?<br />

Lars: Ungefähr bis zur Hälfte, ein bißchen mehr<br />

sogar.<br />

Domian: Eine stramme Leistung. Mit welcher<br />

Körperhaltung schaffst du das?<br />

Lars: Ich bin sehr biegsam. Ich kann mühelos<br />

meinen Kopf auf die Knie legen. Und von da<br />

ist es ja nicht mehr so weit.<br />

Domian: Wahrscheinlich hast du dann auch noch<br />

einen großen Schwanz!?<br />

Lars: Eigentlich nicht, eher normal. Ich bin halt<br />

gelenkig. Aber ich muß sagen, daß es schon<br />

auch anstrengend ist.<br />

Domian: Eher lustvoll o<strong>de</strong>r anstrengend?<br />

107


Lars: Es hält sich so die Waage. Beim Höhepunkt<br />

ärgert es mich immer, daß es so anstrengend<br />

ist.<br />

Domian: Du hast also auch <strong>de</strong>n Orgasmus in<br />

<strong>de</strong>inem Mund?<br />

Lars: Ja, natürlich.<br />

Domian: Nun haben einige Männer — beson<strong>de</strong>rs<br />

heterosexuelle — nicht gera<strong>de</strong> das beste<br />

Verhältnis zu Sperma. Magst du <strong>de</strong>in Sperma?<br />

Lars: Es ist okay. Ich empfin<strong>de</strong> keinen Ekel, im<br />

Gegenteil, ich erfahre durch diese Art <strong>de</strong>r<br />

Selbstbefriedigung meinen Körper sehr intensiv.<br />

Das kommt mir übrigens zugute auch<br />

im Verhältnis zu Frauen: Durch meinen eigenen<br />

Oral-Sex kann ich oral auch besser<br />

mit Frauen umgehen.<br />

Domian: Wenn du vergleichst: Der Oral-Sex mit<br />

dir selbst o<strong>de</strong>r wenn eine Frau sich dort mit<br />

dir beschäftigt — was ist besser?<br />

108


Lars: Eigentlich wenn ich es mache; es ist perfekter.<br />

Eine Frau muß schon verdammt geschickt<br />

drauf sein, um es so hinzukriegen.<br />

Bisher habe ich so eine Frau noch nicht getroffen.<br />

Domian: Wie oft machst du es?<br />

Lars: Nicht so oft. Es ist eben eine Aktion. Und<br />

wenn man nicht ständig trainiert läßt auch<br />

die Biegsamkeit nach. Zu<strong>de</strong>m tut es meinem<br />

Rücken auch nicht so gut.<br />

Domian: Trotz <strong>de</strong>r Schwierigkeiten: Ist es die<br />

optimale Onaniermetho<strong>de</strong> für dich?<br />

Lars: Ganz ohne Zweifel: ja!<br />

Domian: Dann treib es nicht zu toll! Denk an<br />

<strong>de</strong>inen Rücken!<br />

Lars: Na ja, es macht mich mehr an, wenn ich<br />

an <strong>de</strong>n Rücken einer Frau <strong>de</strong>nke.<br />

109


Kapitel 14<br />

Unbemerkt Schwanger<br />

Regina: Folgen<strong>de</strong>s ist fast 18 Jahre her. Ich war<br />

schwanger . . . und habe es nicht gemerkt . . .<br />

bis zum Schluß, bis kurz vor <strong>de</strong>r Geburt.<br />

Domian: Bis kurz vor <strong>de</strong>r Geburt?<br />

Regina: Ja.<br />

Domian: Du hast neun Monate nicht bemerkt,<br />

daß du schwanger bist?<br />

Regina: So ist es. Ich hatte öfters Perio<strong>de</strong>n-Ausfälle.<br />

Und zu <strong>de</strong>r Zeit damals war ich recht dick,<br />

so daß ich es auch rein äußerlich nicht wahrgenommen<br />

habe. Zumin<strong>de</strong>st habe ich die körperlichen<br />

Verän<strong>de</strong>rungen ignoriert.<br />

Domian: Das ist ja unglaublich.<br />

110


Regina: Ja, aber so was gibt es nicht. Wenn<br />

auch ganz selten.<br />

Domian: Nun waren die neuen Monate vorüber.<br />

Was passierte dann?<br />

Regina: Wir waren gera<strong>de</strong> in eine neue Wohnung<br />

gezogen. Zwar hatten wir ein Telefon,<br />

aber es war noch nicht angeschlossen. Ich<br />

war alleine in <strong>de</strong>r Wohnung, und plötzlich<br />

spürte ich etwas im Unterleib, ich habe Wasser<br />

verloren — und genau in <strong>de</strong>m Moment<br />

ging mir ein Licht auf, und ich wußte es.<br />

Was dann geschah, war schon seltsam. Ich<br />

konnte nieman<strong>de</strong>n erreichen, und mir war<br />

klar: ≫Du kriegst ein Kind.≪ Alle an<strong>de</strong>ren<br />

Leute in <strong>de</strong>m Mietsh<strong>aus</strong> waren nicht zu H<strong>aus</strong>e,<br />

das hatte ich vorher mitbekommen. Ich<br />

war ganz alleine dort. Im vierten Stock. Dann<br />

raste mir durch meinen Kopf: ≫Was soll ich<br />

tun?≪ Wir hatten neue Matratzen gekauft,<br />

und meine Überlegung war: ≫Nein, die kannst<br />

du nicht versauen, da legst du dich nicht<br />

111


drauf.≪<br />

Domian: Das gibt es doch nicht!<br />

Regina: Doch, aber das ging alles rasend schnell<br />

durch meinen Kopf. Ich habe dann alle möglichen<br />

Decken ins Wohnzimmer auf die Er<strong>de</strong><br />

gepackt, auch Handtücher — und innerhalb<br />

von einer halben Stun<strong>de</strong> war mein Kind da.<br />

Es war eine Sturzgeburt.<br />

Domian: Du hast es ganz alleine geboren?<br />

Regina: Ja, und im Nachhinein war es gut, daß<br />

ich es im Wohnzimmer bekommen habe. Denn<br />

dort stand unser Schreibtisch, auf <strong>de</strong>m Paketschnur<br />

lag und eine Schere. Damit habe<br />

ich mein Kind abgenabelt.<br />

Domian: Das konntest du?<br />

Regina: Ja, ich komme <strong>aus</strong> <strong>de</strong>m Krankenpflegebereich.<br />

Domian: War das Kind wohlauf?<br />

112


Regina: Ja, und wir haben total Schwein gehabt.<br />

Nach<strong>de</strong>m ich es abgenabelt hatte, kam<br />

die Nachgeburt. Dann bin ich ins Bad gegangen<br />

und habe mein Kind gewaschen.<br />

Domian: Was geschah dann? Bist du danach<br />

wenigstens in Krankenh<strong>aus</strong> gefahren?<br />

Regina: Nein, nein. Warum <strong>de</strong>nn noch? Es war<br />

Freitag. Nachmittag, ca. halb vier. Und nach<br />

einer Stun<strong>de</strong>n — während dieser Zeit habe<br />

ich mich mit meinem Kind beschäftigt —<br />

kam mein Mann. Du kannst dir vorstellen,<br />

wie er <strong>aus</strong> allen Wolken gefallen ist. Und<br />

zusammen haben wir dann erst allmählich<br />

begriffen, was passiert war. Wir haben auch<br />

später keinen Arzt hinzugezogen.<br />

Domian: Warum nicht?<br />

Regina: Ich weiß nicht. Vielleicht war es <strong>de</strong>r<br />

Schock. Vielleicht habe ich mich auch geschämt.<br />

Domian: Ist das Kind gesund geblieben?<br />

113


Regina: Ja, völlig. Es gab nur am darauffolgen<strong>de</strong>n<br />

Montag ein Riesenproblem: Da kein<br />

Arzt dabei war, hatte ich ja auch keinen Geburtsschein.<br />

Mein Mann ist dann am Montag<br />

zu Rath<strong>aus</strong> gefahren und wollte das Kind<br />

anmel<strong>de</strong>n. Da haben die gesagt: ≫Na hören<br />

Sie mal, da kann ja je<strong>de</strong>r kommen, alleine<br />

schon wegen <strong>de</strong>r Steuervergünstigungen.≪ Es<br />

war nichts zu machen. Die wollten es sehen.<br />

Also bin ich noch am selben Tag mit<br />

<strong>de</strong>r Kleinen in Richtung Rath<strong>aus</strong>. Und das<br />

hat sie überzeugt. Obwohl ich auch irgen<strong>de</strong>in<br />

an<strong>de</strong>res Kind hätte vorzeigen können.<br />

Domian: Ich möchte noch einmal auf die Zeit<br />

<strong>de</strong>r Schwangerschaft zurückkommen. Du hast<br />

die Verdickungen <strong>de</strong>s Bauches als Zunahme<br />

verstan<strong>de</strong>n?<br />

Regina: Ja. Als junges Mädchen hatte ich schon<br />

einmal so eine Phase gehabt, da bekam ich<br />

einen dickeren Bauch. Deshalb habe ich das<br />

nicht ernstgenommen.<br />

114


Domian: Und das so lange Ausbleiben <strong>de</strong>r Regel.<br />

Regina: Ich habe das nicht son<strong>de</strong>rlich beachtet.<br />

Heute glaube ich, daß ich das alles auch<br />

nicht wahrhaben wollte.<br />

Domian: Hast du auch keine Bewegungen gespürt?<br />

Regina: Nein.<br />

Domian: Warum wolltest du es nicht wahrhaben?<br />

Regina: Vielleicht weil wir zu jenem Zeitpunkt<br />

auf keinen Fall ein Kind haben wollten. Es<br />

paßte nicht in unsere Lebensplanung. Aber<br />

als es dann da war, haben wir es sofort heiß<br />

und innig geliebt.<br />

Domian: Auf je<strong>de</strong>n Fall hast du unheimliches<br />

Glück gehabt.<br />

Regina: Ja. Aber es ist schon eine merkwürdige<br />

Geschichte. Es wissen auch nur ein paar<br />

115


Leute <strong>aus</strong> meinem engen Umfeld von alle<strong>de</strong>m.<br />

Meine Tochter natürlich auch. Und die<br />

Reaktionen waren damals sehr unterschiedlich.<br />

Ein Verwandter hat mal gesagt: ≫Die<br />

hat ja wie eine Sau geferkelt.≪<br />

116


Kapitel 15<br />

Der Schwanz<br />

Heißes Thema bei uns im Herbst 1995: ≫Der<br />

Schwanz≪. Wie groß sollte er sein? Welche Form<br />

wird bevorzugt? Sind beschnittene Männer die<br />

besseren Liebhaber?<br />

Wir haben uns gefreut, wie differenziert und<br />

wie wenig schlüpfrig die Anrufer und Anruferinnen<br />

sich zu diesem Thema äußerten, zum<br />

Beispiel Sandra (27), Achim (20) und Jan (23).<br />

Sandra: Ich bin <strong>de</strong>r Meinung, daß <strong>de</strong>r Penis eines<br />

Mannes durch<strong>aus</strong> groß sein sollte.<br />

Domian: Viele Frauen sagen aber: nicht die Größe<br />

macht’s, son<strong>de</strong>rn die Technik. Wie groß soll-<br />

117


te er <strong>de</strong>nn nach <strong>de</strong>inem Geschmack sein?<br />

Sandra: Min<strong>de</strong>stens 18 cm. Ich hatte mal einen<br />

Freund, <strong>de</strong>r sehr nett war und auch sehr<br />

hübsch <strong>aus</strong>sah — aber sein Schwanz war<br />

ein Schwänzchen. Wir waren eine Weile zusammen,<br />

und schon bald hatte ich keine Lust<br />

mehr, mit ihm zu schlafen. Daran — so kraß<br />

das auch sein mag — ist die Beziehung letztendlich<br />

gescheitert.<br />

Domian: Ist <strong>de</strong>nn für dich <strong>de</strong>r Schwanz das wichtigste<br />

am Manne?<br />

Sandra: Nein, nicht unbedingt. Auch <strong>de</strong>r Po muß<br />

stimmen. Er muß hart und klein sein, wie<br />

ein Apfel. Und auf Hän<strong>de</strong> und Arme achte<br />

ich auch sehr.<br />

Domian: Wenn du einen Mann kennenlernst,<br />

sch<strong>aus</strong>t du ihm zuerst auf die Hose — hinten<br />

o<strong>de</strong>r vorne?<br />

Sandra: Nein, in die Augen. Und ich habe die<br />

Erfahrung gemacht, daß ein selbstbewuß-<br />

118


ter Blick auf einen guten Schwanz hin<strong>de</strong>utet.<br />

Die Kurzen haben doch immer Komplexe.<br />

Domian: Viele Frauen kritisieren an zu langen<br />

Schwänzen, daß es ihnen beim Sex weh tut.<br />

Sandra: Ja, wenn er über 30 cm ist. Ich fin<strong>de</strong><br />

auch, daß es auf die Technik ankommt.<br />

Du glaubst gar nicht, wie geil es ist, einen<br />

großen Schwanz ganz vorsichtig, ganz tief<br />

in sich eindringen zu lassen.<br />

Domian: Ach, ich kann mir das schon vorstellen.<br />

Sandra: Natürlich muß man damit umzugehen<br />

wissen.<br />

Domian: Wie muß das Geschlechtsteil <strong>de</strong>nn sonst<br />

noch so <strong>aus</strong>sehen?<br />

Sandra: Ich liebe beschnittene Schwänze. Einmal<br />

wegen <strong>de</strong>r Hygiene, und beschnittene<br />

Männer können halt länger. Ansonsten mag<br />

119


ich eng anliegen<strong>de</strong> Ho<strong>de</strong>n, nicht dieses Geschlabber.<br />

Domian: Wie sieht es mit <strong>de</strong>m Penisumfang<br />

<strong>aus</strong>?<br />

Sandra: Er sollte nicht zu dick und nicht gera<strong>de</strong><br />

dünn sein.<br />

Domian: Hast du zur Zeit einen Freund.<br />

Sandra: Ja, und das Tolle ist: es stimmt alles<br />

bei ihm . . . bis auf <strong>de</strong>n Ho<strong>de</strong>nsack. Sehr<br />

geil.<br />

Domian: Magst du ihn auch gerne anfassen . . .<br />

<strong>de</strong>n Schwanz?<br />

Sandra: Ja, sehr.<br />

Domian: Magst du ihn gerne in <strong>de</strong>n Mund nehmen?<br />

Sandra: Ja.<br />

Domian: Machst du das <strong>de</strong>inem Freund zuliebe,<br />

o<strong>de</strong>r fin<strong>de</strong>st du das selbst auch scharf?<br />

120


Sandra: Früher habe ich das nur für die Männer<br />

getan. Aber je mehr ich meine Hemmungen<br />

und meine Erziehung losgewor<strong>de</strong>n bin, <strong>de</strong>sto<br />

mehr Spaß macht es mir auch.<br />

Domian: Du bläst also gerne?<br />

Sandra: Kann man so sagen.<br />

Domian: Viele Männer lieben es, im Mund <strong>de</strong>r<br />

Partnerin — o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Partners — einen Orgasmus<br />

zu bekommen . . .<br />

Sandra: Oh ja, mein Freund auch. Und da wir<br />

uns treu sind und wir bei<strong>de</strong> einen Aidstest<br />

gemacht haben können wir das auch so richtig<br />

genießen. Ich habe eine gute Freundin<br />

die fin<strong>de</strong>t das ekelhaft. Ich fin<strong>de</strong> das geil.<br />

Aber nur, wenn ich sehr verliebt bin.<br />

Domian: Re<strong>de</strong>st du mit an<strong>de</strong>ren Frauen — mit<br />

Freundinnen — auch über Schwänze?<br />

Sandra: Ja. Obwohl ich auch einige Freundinnen<br />

habe, <strong>de</strong>nen das peinlich ist.<br />

121


Domian: Gibt es ein Kosewort für <strong>de</strong>n Schwanz<br />

<strong>de</strong>ines Freun<strong>de</strong>s?<br />

Sandra: Ja, wir nennen ihn Gustav. Das ist uns<br />

im Jux mal so eingefallen.<br />

Domian: Meine Empfehlung an Gustav!<br />

∗<br />

Achim: Ich habe mit meinem Schwanz Probleme:<br />

Er ist ziemlich klein, erigiert mißt er<br />

nur etwa 9.5 cm.<br />

Domian: Ist nicht <strong>de</strong>r Knaller, aber es gibt noch<br />

kleinere.<br />

Achim: Ja, wie man es nimmt. Ich habe je<strong>de</strong>nfalls<br />

ziemliche Komplexe.<br />

Domian: Hast du auch schlecht Erfahrungen gemacht?<br />

122


Achim: Bei meiner ersten Freundin war das schon<br />

ein Problem: als wir zum ersten mal miteinan<strong>de</strong>r<br />

schlafen wollten, da habe ich mich<br />

sehr geschämt.<br />

Domian: Hat sie irgend etwas gesagt — o<strong>de</strong>r<br />

negativ reagiert?<br />

Achim: Gesagt hat sie nichts, aber reagiert.<br />

Domian: In welcher Weise?<br />

Achim: Sie hat komisch geschaut. Und vorher,<br />

als sie ihn im Dunkel angefaßt hatte, schreckte<br />

sie fast ein wenig zurück. Die Beziehung<br />

hat auch nicht lange gehalten.<br />

Domian: Und du meinst, das lag an <strong>de</strong>inem kleinen<br />

Schwanz?<br />

Achim: Könnte sein. Offen gere<strong>de</strong>t haben wir<br />

nie darüber. Aber ich merkte, daß ihr <strong>de</strong>r<br />

Sex keinen Spaß machte.<br />

Domian: Es gibt so viele Frauen, <strong>de</strong>nen die Größe<br />

relativ egal ist, die sogar kleinere bevorzugen.<br />

123


Achim: Ja, das habe ich auch schon gehört.<br />

Aber mir hilft das nichts. Ich bin <strong>de</strong>shalb<br />

total gehemmt in meiner Sexualität. Ich versuch’s<br />

auch immer im Dunkeln zu machen.<br />

Ich schäme mich eben so, mich vor einer<br />

Frau <strong>aus</strong>zuziehen, die Unterhose runterzulassen.<br />

Domian: Hattest du schon viele Frauen?<br />

Achim: Fünf, aber noch keine längere Beziehung.<br />

Domian: Wann ist die eigentlich zum ersten Mal<br />

aufgefallen, daß <strong>de</strong>iner kleiner ist als <strong>de</strong>r<br />

Durchschnitt.<br />

Achim: Beim Sport, da war ich 16. Dann auch<br />

durch Pornos. Heute mei<strong>de</strong> ich es, irgendwo<br />

zu duschen. Wenn ich eine Frau kennenlerne,<br />

versuche ich <strong>de</strong>n Sex so lange wie<br />

möglich hin<strong>aus</strong>zuschieben. Ich habe es sogar<br />

schon einmal einer Frau mit <strong>de</strong>m Mund<br />

gemacht und dabei meine Unterhose angelassen.<br />

≫Weil ich das geiler fin<strong>de</strong>≪, habe ich<br />

124


zu ihr gesagt. Danach bin ich auf die Toilette<br />

gegangen und habe mir einen runtergeholt.<br />

Domian: Ist <strong>de</strong>in Schwanz <strong>de</strong>nn sonst in Ordnung?<br />

Achim: Was heißt ≫in Ordnung≪?<br />

Domian: Sieht er normal <strong>aus</strong>?<br />

Achim: Na ja, das ist ja auch noch so ein Punkt.<br />

Er ist etwas krumm, nach vor gebogen, und<br />

recht dünn. Ich mag ihn selbst überhaupt<br />

nicht. Beim Wichsen gucke ich gar nicht hin.<br />

Domian: Wie haben eigentlich die an<strong>de</strong>ren Frauen<br />

auf ihn reagiert.<br />

Achim: Die eine hat ihn ja gar nicht gesehen.<br />

Die an<strong>de</strong>ren haben nichts gesagt. Aber keine<br />

hat mir einen geblasen.<br />

Domian: Wie bist du sonst gebaut?<br />

Achim: Eigentlich gut. Ich glaube, daß ich sogar<br />

gut <strong>aus</strong>sehe. Um so enttäuschter sind<br />

125


die Frauen dann wohl. Im Moment ist es so,<br />

daß ich schon gar keine Lust mehr habe, eine<br />

Frau kennenzulernen.<br />

Domian: Achim, du wirst mit <strong>de</strong>inem kleinen<br />

Schwanz leben müssen. Es gibt keine seriöse<br />

Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Penisvergrößerung. Aber<br />

es scheint ja gera<strong>de</strong>zu ein lebensbestimmen<strong>de</strong>s<br />

Problem für dich zu sein. Deshalb wür<strong>de</strong><br />

ich dir dringend raten, in eine Beratung zu<br />

gehen. Vielleicht zu Pro Familia. O<strong>de</strong>r direkt<br />

zu einem Therapeuten. Du mußt einfach<br />

lernen, dich so anzunehmen, wie du<br />

bist, und vor allem auch <strong>de</strong>ine Qualitäten zu<br />

sehen.<br />

Achim: Vielleicht hast du recht. Ich vereinsame<br />

sonst. Aber es wür<strong>de</strong> eine ganz große<br />

Überwindung kosten, dort offen darüber zu<br />

sprechen.<br />

Domian: Der Anfang ist gemacht! Du hast hier<br />

ja offen gesprochen. Alles Gute und tschüs!<br />

126


∗<br />

Jan: Ich bin schwul und stehe total auf beschnittene<br />

Schwänze.<br />

Domian: Die Größe ist dir egal?<br />

Jan: Nein, natürlich nicht — so 16 bis 18 cm<br />

fin<strong>de</strong> ich scharf.<br />

Domian: Und beschnitten?<br />

Jan: Auf je<strong>de</strong>n Fall.<br />

Domian: Warum?<br />

Jan: Ich fin<strong>de</strong> beschnittene Schwänze sehen im<br />

schlaffen und erigierten Zustand einfach erotischer<br />

<strong>aus</strong>. Selbst <strong>de</strong>r absolut schlaffe strahlt<br />

noch so eine Geilheit <strong>aus</strong>. Es wirkt auf mich<br />

auch männlicher.<br />

Domian: Aber man kann mit <strong>de</strong>m kleinen Häutchen<br />

doch so viele wun<strong>de</strong>rbare Sachen machen.<br />

127


Jan: Was <strong>de</strong>nn?<br />

Domian: Na ja, zum Beispiel hin und her schieben,<br />

hoch und runter ziehen.<br />

Jan: Ja — und dann stinkt es.<br />

Domian: Es stinkt?<br />

Jan: Weil sich unter <strong>de</strong>r Vorhaut immer etwas<br />

bil<strong>de</strong>t, Bakterien und so. Und die riechen.<br />

Domian: Erstens kann man sich da ja auch waschen.<br />

Und zweitens soll es Leute geben,<br />

die so einen leichten Schwanzgeruch auch<br />

durch<strong>aus</strong> inspirierend fin<strong>de</strong>n.<br />

Jan: Ich nicht. Ich nehme gerne einen absolut<br />

sauberen Schwanz in <strong>de</strong>n Mund. Außer<strong>de</strong>m<br />

fühlt sich — wenn man beschnitten ist —<br />

auch alles so toll und straff an.<br />

Domian: Bist du selbst auch beschnitten?<br />

Jan: Ich habe mich vor drei Jahren beschnei<strong>de</strong>n<br />

lassen.<br />

128


Domian: Das ist ja ein Ding. Nur weil es dir so<br />

gut gefällt?<br />

Jan: Ja.<br />

Domian: Ist das sehr schmerzhaft?<br />

Jan: Nicht beson<strong>de</strong>rs. Eigentlich nur die ersten<br />

Tage. Und nach ein paar Wochen war ich<br />

wie<strong>de</strong>r voll einsatzfähig.<br />

Domian: Wie war <strong>de</strong>r erste Sex oben ohne?<br />

Jan: Super. Ich habe ein ganz neues Schwanzgefühl<br />

gehabt. Früher war ich immer so auf<br />

die Eichel konzentriert. Und jetzt ist <strong>de</strong>r ganze<br />

Penis einbezogen. Alles ist empfindlich<br />

und erregbar. Auch zum Onanieren nehme<br />

ich jetzt <strong>de</strong>n ganzen Schwanz und bearbeite<br />

ihn. Es ist nicht nur so wie früher diese<br />

Fummelei oben herum.<br />

Domian: Was weg ist ist weg. Vielleicht mußt<br />

du es jetzt auch so sehen!?<br />

Jan: Nein, nein. Und ich komme auch besser<br />

an. Ich gehe oft in die Sauna, in schwule<br />

129


Häuser, du verstehst. Und die Männer gucken<br />

mir dort seit ich beschnitten bin viel interessierter<br />

zwischen die Beine als vorher.<br />

Domian: Nimmst du auch nur beschnittene Männer?<br />

Jan: Sie haben Vorrang. Auch beim Anal-Sex<br />

ist mir ein Beschnittener lieber — man kann<br />

es so toll hin<strong>aus</strong>zögern.<br />

Domian: Hast du die Erfahrung an die auch gemacht,<br />

daß du <strong>aus</strong>dauern<strong>de</strong>r gewor<strong>de</strong>n bist?<br />

Jan: Die ersten Monate war das nicht so, jetzt<br />

ist es aber ein<strong>de</strong>utig so.<br />

Domian: Du verliebst dich unsterblich in einen<br />

Traum-Burschen, die Liebe wird erwi<strong>de</strong>rt.<br />

Und in <strong>de</strong>r ersten Nacht passiert die Katastrophe:<br />

Du mußt sehen, daß er nicht beschnitten<br />

ist. Wie geht’s weiter?<br />

Jan: Könnte vielleicht ein Problem wer<strong>de</strong>n. Dauerhaften<br />

Sex fin<strong>de</strong> ich halt nur beschnitten<br />

geil.<br />

130


Domian: Fin<strong>de</strong> ich übertrieben. Die Liebe muß<br />

doch wichtiger sein als so ein Stückchen Haut<br />

— ob dran o<strong>de</strong>r nicht dran.<br />

Jan: Ich wür<strong>de</strong> ihn vielleicht bequatschen sich<br />

auch beschnei<strong>de</strong>n zu lassen.<br />

Domian: Keine schlechte I<strong>de</strong>e. Lustig wird es<br />

dann nur, wenn’s ihm hinterher nicht gefällt<br />

und er das Häutchen vermißt.<br />

Jan: Dann kann er es ja wie ich machen: ich<br />

gucke es mir manchmal an.<br />

Domian: Wie bitte?<br />

Jan: Ja, ich habe einen tollen Arzt, übrigens<br />

auch schwul. Der hat mir das Stückchen mitgegeben.<br />

Das schwimmt jetzt in einem kleinen<br />

Glas und steht in einem Regal in meinem<br />

Flur.<br />

131


Kapitel 16<br />

Telefon-Sex<br />

Das Thema Telefon-Sex ist harmlos, macht Spaß<br />

und kann <strong>aus</strong>gesprochen unterhaltsam sein. So<br />

dachte ich, bis ich im Oktober 1995 Biggi (25)<br />

am <strong>de</strong>r Strippe hatte.<br />

Biggi: Also, ich betreibe Telefon-Sex, und mittlerweile<br />

glaube ich, daß ich <strong>aus</strong> recht normalen<br />

Männern Perverse mache.<br />

Domian: Mal <strong>de</strong>r Reihe nach: du bist professionelle<br />

Telefon-Sexerin?<br />

Biggi: Ja, seit drei Jahren. Ich arbeite in einer<br />

Agentur.<br />

132


Domian: Und da sitz ihr alle in einem Raum<br />

und arbeitet?<br />

Biggi: Das ist unterschiedlich. Morgens ist meistens<br />

nur ein Mädchen da, am Nachmittag<br />

zwei und nachts drei. In <strong>de</strong>r Regel sind wir<br />

in einem Raum. Je nach Gespräch verlasse<br />

ich auch schon mal <strong>de</strong>n Raum. Wenn ich<br />

zum Beispiel sehr dominant sein soll, dann<br />

gehe ich r<strong>aus</strong>. Weil das sonst zu laut wäre.<br />

Ich muß ja schreien dabei. Manche Anrufer<br />

aber macht es gera<strong>de</strong>zu an, wenn sie im<br />

Hintergrund noch an<strong>de</strong>re Frauen hören.<br />

Domian: Nun sagtest du gera<strong>de</strong>, du machst <strong>aus</strong><br />

normalen Menschen perverse Menschen. Wie<br />

meinst du das?<br />

Biggi: Zuerst muß ich sagen, daß ich festgestellt<br />

habe: Die Leute wer<strong>de</strong>n generell immer<br />

perverser. Auch schon die ganz Jungen.<br />

Und ich in meinem Job — so glaube ich —<br />

för<strong>de</strong>re diese Entwicklung auch noch. Ich<br />

heize <strong>de</strong>n Leuten ein, mit <strong>de</strong>n oftmals wi-<br />

133


<strong>de</strong>rlichsten Vorstellungen, z.B. Anscheißen<br />

o<strong>de</strong>r schlimme SM-Praktiken.<br />

Es gibt Grenzen, an die ich gestoßen bin.<br />

Ich spiele zum Beispiel eine Frau, die bestialisch<br />

mit Stacheldraht und Werkzeugen<br />

gequält wird, nur um <strong>de</strong>n Typ aufzugeilen.<br />

Meine Überlegung ist: Vielleicht führe ich<br />

diese Leute näher an solche Praktiken heran.<br />

Irgendwann ist das für die fast normal,<br />

durch <strong>de</strong>n Telefon-Sex, die Telefongespräche,<br />

und sie machen das dann wirklich. O<strong>de</strong>r oft<br />

müssen wir kleine Mädchen spielen, Kin<strong>de</strong>r.<br />

Dann sitzt <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong> an <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />

Leitung, ich erzähle ihm, er soll sich vorstellen,<br />

wie er mein kleines Möschen leckt,<br />

und er stöhnt und wichst dabei. Wenn er das<br />

zehnmal gemacht hat, ist er so scharf darauf,<br />

daß er sich unter Umstän<strong>de</strong>n wirklich<br />

an Kin<strong>de</strong>rn vergreift.<br />

Domian: Was <strong>de</strong>nken <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>ine Kolleginnen?<br />

Biggi: Ach, die sagen, das ist unser Job, es ist<br />

134


nur Phantasie. Und solange die sich bei uns<br />

abreagieren tun sie nieman<strong>de</strong>n etwas. Außer<strong>de</strong>m<br />

verdienen wir ja auch unser Geld<br />

mit <strong>de</strong>nen. Und diese Leute sind oft Stammkun<strong>de</strong>n.<br />

Domian: Du bist die einzige, die sich darüber<br />

Gedanken macht?<br />

Biggi: Ja. Auch meine Chefin läßt sich da gar<br />

nicht auf Diskussionen ein. Sogar nicht bei<br />

folgen<strong>de</strong>m Fall: Es ging um Kin<strong>de</strong>rsex. In<br />

<strong>de</strong>r Phantasie trieben wir zusammen — ich<br />

und <strong>de</strong>r Anrufer — diverse Sex-Spielchen<br />

mit einem Kind. Dann sagte er zu mir, ich<br />

solle ich die Küche gehen und ein Messer<br />

holen und gab mir <strong>de</strong>n Befehl: ≫Schneid <strong>de</strong>m<br />

Kind <strong>de</strong>n Bauch auf.≪ Und er hat das Herz<br />

<strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s gegessen, anschließend sogar noch<br />

mal Sex gehabt mit <strong>de</strong>m leblosen Körper.<br />

Alles nur in <strong>de</strong>r Vorstellung, ja. Aber ich<br />

habe alles mitgemacht und meine Rolle in<br />

dieser Phantasie gespielt. Verstehst du jetzt,<br />

135


was ich meine. Ich trainiere solche Leute<br />

quasi.<br />

Domian: Ich kann es sehr gut verstehen. Nur:<br />

warum hörst du nicht mit <strong>de</strong>m Job auf?<br />

Biggi: Ich höre nicht auf, son<strong>de</strong>rn wer<strong>de</strong> es an<strong>de</strong>rs<br />

machen. Ich habe vor, im nächsten Jahr<br />

eine eigene Agentur zu eröffnen. Und dort<br />

wer<strong>de</strong> ich meinen Mädchen ganz klar die<br />

Anweisung geben — auch wenn wir <strong>de</strong>swegen<br />

weniger verdienen —, dass wir solche<br />

Wünsche nicht erfüllen. Und ich wer<strong>de</strong> auch<br />

mit Fangschaltungen arbeiten, für <strong>de</strong>n Fall,<br />

daß wir doch so jeman<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Leitung<br />

haben.<br />

Domian: Dann wünsche ich dir viel Erfolg —<br />

und daß du das, was du dir vorgenommen<br />

hast, auch verwirklichen kannst.<br />

136


Kapitel 17<br />

Sodomie<br />

Mirco: In Marokko ist es sehr verbreitet, Sex<br />

mit Tieren zu haben. Zum Beispiel mit Hun<strong>de</strong>n<br />

o<strong>de</strong>r auch mit Pfer<strong>de</strong>n. Es wird vielen<br />

eklig vorkommen, aber gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb rufe<br />

ich heute bei dir an.<br />

Domian: Na, dann erzähl mal! Hast du es auch<br />

schon gemacht?<br />

Mirco: Mein Vater hat hier in <strong>de</strong>r Eifel einen<br />

Bauernhof. Er züchtet Schafe. Und er hat,<br />

als ich klein war, immer Sex mit Schafen<br />

gemacht. Es fing wohl nach <strong>de</strong>m Tod meiner<br />

Mutter an. Ich fand das damals immer<br />

eklig. Ich habe ihn dabei einige Male durch<br />

Zufall beobachtet und hätte fast kotzen müssen.<br />

137


Als ich aber so ungefähr 17 war und Haschisch<br />

geraucht hatte, da habe ich es zum<br />

ersten Mal <strong>aus</strong>probiert, mit einer Ziege. Und<br />

seit<strong>de</strong>m habe ich fast keine Lust mehr, mit<br />

Frauen zu schlafen, son<strong>de</strong>rn nur noch mit<br />

Tieren. Mein Opa in Marokko macht das<br />

auch nur noch. Meine Oma ist abgemel<strong>de</strong>t<br />

— und er schläft nur noch mit seiner Lieblingsziege.<br />

Domian: Entschuldige, wenn ich da etwas lachen<br />

muß. Klingt schon sehr abgedreht.<br />

Mirco: Ja, <strong>de</strong>shalb habe ich auch angerufen. Ich<br />

möchte euch diese Kultur etwas näher bringen.<br />

Domian: (schmunzelnd) Gut, wir können über<br />

alles re<strong>de</strong>n. Mich wun<strong>de</strong>rt nur, daß dich die<br />

Ziege mehr anmacht als eine Frau.<br />

Mirco: Über die Ziege habe ich die absolute<br />

Herrschaft. Das ist es. Eine Frau will manchmal<br />

auch noch re<strong>de</strong>n.<br />

138


Domian: Als du es das erste Mal gemacht hast,<br />

war das eine Überwindung?<br />

Mirco: Ich war durch das Haschisch enthemmt.<br />

Und dann wur<strong>de</strong> es zu einem wun<strong>de</strong>rbaren<br />

Erlebnis.<br />

Domian: Und die Ziege muß das über sich ergehen<br />

lassen. Tust du ihr eigentlich nicht<br />

weh dabei?<br />

Mirco: Ich weiß es nicht. Meistens hält sie still.<br />

Mein sexueller Wille aber ist stärker als das<br />

Mitleid mit <strong>de</strong>m Tier.<br />

Domian: Quälst du es doch?<br />

Mirco: Nein, das glaube ich nicht. Außer<strong>de</strong>m<br />

habe ich einen ziemlich kleinen Schwanz.<br />

Domian: Hast du <strong>aus</strong>schließlich Sex mit <strong>de</strong>r Ziege?<br />

Mirco: Nein, ich habe auch noch eine Freundin.<br />

Mit <strong>de</strong>r schlafe ich natürlich zusätzlich.<br />

Damit keine Krankheiten übertragen wer<strong>de</strong>n<br />

nehme ich bei <strong>de</strong>r Ziege Gummis.<br />

139


Domian: Weiß <strong>de</strong>ine Freundin von ihrer Nebenbuhlerin?<br />

Mirco: Nein, ich verberge es noch.<br />

Domian: Wenn <strong>de</strong>ine Freundin auch mit einem<br />

Tier Sex hätte, zum Beispiel mit einem Hund<br />

. . .<br />

Mirco: Sie dürfte das absolut nicht. Das ist in<br />

Marokko verboten.<br />

Domian: Aber du darfst es?<br />

Mirco: Es ist in Marokko eben alter Brauch bei<br />

Männern.<br />

Domian: Ja, so seid ihr drauf. Viel Spaß noch<br />

mit <strong>de</strong>iner Ziege.<br />

140


Kapitel 18<br />

Fisten<br />

Jörg: Ich bin 31, bin schwul — und stehe auf’s<br />

Fisten.<br />

Domian: Bist du aktiv o<strong>de</strong>r passiv?<br />

Jörg: Ich mag bei<strong>de</strong>s. Das hat auch <strong>de</strong>n Vorteil,<br />

daß ich mich in die jeweils an<strong>de</strong>re Rolle<br />

gut hineinversetzen kann.<br />

Domian: Was genau passiert, wenn du aktiv bist?<br />

Jörg: Erstmal sind kurzgeschnittene und gefeilte<br />

Fingernägel wichtig. Und da wir lei<strong>de</strong>r in<br />

HIV-Zeiten leben, sollte man mit <strong>de</strong>m Partner<br />

absprechen, ob ein Gummihandschuh benutzt<br />

wird. Natürlich geht durch <strong>de</strong>n Handschuh<br />

sehr viel Gefühlsempfindlichkeit <strong>de</strong>r<br />

141


Hand verloren. Ich fiste am liebsten — ein<br />

entsprechen<strong>de</strong>s Vertrauensverhältnis vor<strong>aus</strong>gesetzt<br />

— aktiv ohne Handschuh.<br />

Domian: Also du pflegst <strong>de</strong>ine Hand vorher so<br />

perfekt wie möglich, beseitigst sicher auch<br />

solche kleinen Wi<strong>de</strong>rhaken, die man manchmal<br />

an <strong>de</strong>n Fingern hat.<br />

Jörg: Ja, genau. Gut ist es, wenn man die Finger<br />

<strong>de</strong>m passiven Partner vorher in <strong>de</strong>n Mund<br />

steckt. Die Zunge ist halt sehr empfindlich.<br />

Domian: Wie geht es dann weiter?<br />

Jörg: Wichtig ist eine gute Raumtemperatur. Am<br />

besten sollte es tropisch-warm sein. Dann<br />

gehört eine gute stimulieren<strong>de</strong> Musik dazu.<br />

Je nach Geschmack. Und ganz wichtig ist:<br />

Man muß sehr viel Zeit haben.<br />

Domian: Gut. Jetzt liegt also <strong>de</strong>in Partner nackt<br />

vor dir auf <strong>de</strong>m Bett. Wie muß er eigentlich<br />

liegen?<br />

Jörg: Es gibt mehrere Möglichkeiten. Man kann<br />

142


es so machen, daß <strong>de</strong>r Passive kniet — o<strong>de</strong>r<br />

er hängt seine Beine in so eine Art schweben<strong>de</strong>n<br />

gynäkologischen Stuhl. Das sind Ketten,<br />

die an <strong>de</strong>r Decke befestigt sind mit Schlaufen<br />

für die Beine. Dann ist noch das Schmiermittel<br />

wichtig. Da gibt es verschie<strong>de</strong>ne Sorten.<br />

Domian: Damit fettest du <strong>de</strong>ine Hand ein —<br />

und <strong>de</strong>n Po sicher auch?!<br />

Jörg: Ja, Hand und Po. Und dann beginnt man<br />

als Aktiver <strong>de</strong>n Schließmuskel vorsichtig und<br />

langsam zu <strong>de</strong>hnen und schließlich zu öffnen.<br />

Domian: Das fin<strong>de</strong> ich so wahnsinnig. Beim<br />

Fisten führt zum Beispiel ein Mann seine<br />

unter Umstän<strong>de</strong>n sehr kräftige F<strong>aus</strong>t in <strong>de</strong>n<br />

Arsch <strong>de</strong>s Partners ein. Wie ist das nur möglich?<br />

Jörg: Entschei<strong>de</strong>nd ist, daß <strong>de</strong>r Kopf <strong>de</strong>s Passiven<br />

ganz frei ist. Er muß völlig entspannt<br />

sein und sich <strong>de</strong>r Situation hingeben. Natürlich<br />

muß man das sehr, sehr vorsichtig machen,<br />

143


dieses Auf<strong>de</strong>hnen. Der Körper hilft einem<br />

auch dabei. Er schüttet während <strong>de</strong>s Vorgangs<br />

Endorphine <strong>aus</strong>. Die för<strong>de</strong>rn die Entspannung<br />

und wirken schmerzstillend.<br />

Man dringt mit <strong>de</strong>r Hand, <strong>de</strong>r F<strong>aus</strong>t, dann<br />

Zentimeter für Zentimeter in <strong>de</strong>n Darm <strong>de</strong>s<br />

Partners ein.<br />

Domian: Ist <strong>de</strong>r Passive körperlich-sexuelle erregt?<br />

Hat er einen stehen?<br />

Jörg: Das ist unterschiedlich. Das Hauptgeschehen<br />

aber fin<strong>de</strong>t im Kopf und im Arsch statt.<br />

Man ist so hochkonzentriert. Meistens spielt<br />

<strong>de</strong>r Schwanz dabei keine Rolle.<br />

Domian: Man kann also sagen, daß während<br />

<strong>de</strong>s Fistens <strong>de</strong>r Schwanz meistens schlaff<br />

ist?<br />

Jörg: Ja.<br />

Domian: Wenn die F<strong>aus</strong>t im Darm ist — wie<br />

weit schiebt man <strong>de</strong>n Arm nach?<br />

Jörg: Ich habe schon einmal jeman<strong>de</strong>n bis zum<br />

144


Ellenbogen gefistet. Also meine Hand und<br />

mein gesamter Unterarm war im Darm meines<br />

Partners. Aber das muß nicht immer so<br />

sein.<br />

Domian: Du bist dann ja ganz tief im Körper<br />

<strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren.<br />

Jörg: Ja, wobei man sagen muß, <strong>de</strong>r zweite Schließmuskel<br />

ist relativ stabil, also schwierig zu<br />

überwin<strong>de</strong>n — und danach ist das Darmgewebe<br />

sehr dünn. Das heißt, man muß äußerst<br />

vorsichtig sein, <strong>de</strong>nn dieses Gewebe ist leicht<br />

zu verletzten. Beispielsweise darf man keine<br />

ruckartigen Bewegungen machen.<br />

Domian: Generell setzt diese Praktik ein ganz<br />

großes gegenseitiges Vertrauensverhältnis vor<strong>aus</strong>,<br />

beson<strong>de</strong>rs vom Passivem zu Aktiven.<br />

Jörg: Ja, natürlich.<br />

Domian: Welche Gefahren sind mit <strong>de</strong>m Fisten<br />

verbun<strong>de</strong>n?<br />

Jörg: Die Gefahr eines Darmrisses ist gegeben.<br />

145


Aber man kann das Risiko minimieren, in<strong>de</strong>m<br />

man all das, was ich vorhin geschil<strong>de</strong>rt<br />

habe, sehr strikt einhält. Also: Entspanntsein,<br />

sehr vorsichtig sein, sich Zeit lassen,<br />

auf <strong>de</strong>m Partner eingehen usw.<br />

Und man muß <strong>de</strong>n Partner absolut respektieren.<br />

Wenn er ≫stopp≪ sagt, dann heißt<br />

das auch sofort stopp. Wenn er sagt ≫r<strong>aus</strong>≪,<br />

dann muß auch sofort Schluß sein.<br />

Domian: Ist dir schon einmal was Schlimmes<br />

passiert?<br />

Jörg: Nein, gar nichts.<br />

Domian: Was ist überhaupt an dieser Praktik<br />

toll und geil?<br />

Jörg: Es ist unheimlich geil, die Wärme <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren<br />

zu spüren. O<strong>de</strong>r du spürst, wenn du<br />

aktiv bist, zum Beispiel mit <strong>de</strong>iner Hand das<br />

Rückgrat <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren. Das ist ein unglaubliches<br />

Ergebnis. Du hast quasi die Hauptschlaga<strong>de</strong>r,<br />

die dort lang läuft, in <strong>de</strong>iner Hand.<br />

146


Domian: Ist das so was wie eine Mega-Vereinigung?<br />

Jörg: Ja, so kann man das sagen. Es gibt keine<br />

intensivere Verschmelzung zwischen zwei Menschen.<br />

Meine Hän<strong>de</strong> können beim Fisten das Innerste<br />

von meinem Partner sehen. Das ist<br />

so bewegend. Und das macht mich so glücklich.<br />

Noch Tage später gibt es dieses Gefühl<br />

in mir.<br />

Domian: Wie en<strong>de</strong>t das Ganze? Ja wohl nicht<br />

mit einem Orgasmus.<br />

Jörg: Doch, <strong>de</strong>n holt man dann noch nach. Man<br />

vögelt o<strong>de</strong>r man onaniert nach <strong>de</strong>m Fisten.<br />

Alles ist komplex zu sehen. Der Orgasmus<br />

steht am En<strong>de</strong>, ist aber nur ein kleiner Bestandteil<br />

<strong>de</strong>r ganzen Session.<br />

Domian: Wie lange dauerte die gesamte Session?<br />

Jörg: Das kann fünf, aber auch zwölf Stun<strong>de</strong>n<br />

dauern.<br />

147


Domian: Was macht man, wenn man zwischendurch<br />

mal pinkeln muß.<br />

Jörg: Man läßt es laufen. Auch das gehört dazu.<br />

So gibt man auch das Letzte von sich<br />

preis.<br />

Domian: Wie wird so eine Aktion von seiten<br />

<strong>de</strong>s Passiven vorbereitet?<br />

Jörg: Der Darm muß entleert wer<strong>de</strong>n. Durch<br />

Abführmittel o<strong>de</strong>r Einläufe. Der Darm sollte<br />

ganz sauber sein.<br />

Domian: Wenn sich jetzt jemand durch unser<br />

Gespräch fürs Fisten interessiert, es vielleicht<br />

selbst <strong>aus</strong>probieren möchte, was wür<strong>de</strong>st du<br />

raten?<br />

Jörg: Sich über diese Praktik <strong>aus</strong>führlich zu informieren.<br />

Es gibt Literatur, die man zu Beispiel<br />

in Schwulen-Buchlä<strong>de</strong>n bekommt. Auf<br />

keinen Fall einfach so als One-Night-Stand<br />

an die Sache gehen.<br />

148


Kapitel 19<br />

Schwanzfotos<br />

Domian: Hallo Melanie! Was machst du <strong>de</strong>nn<br />

beson<strong>de</strong>rs gerne in <strong>de</strong>iner Freizeit?<br />

Melanie: Schwanzfotos.<br />

Domian: Wie bitte? Schwanzfotos? Von Männern?<br />

Melanie: Ja, was <strong>de</strong>nkst du? Und die Fotos sammle<br />

ich auch.<br />

Domian: Wie bist du <strong>de</strong>nn auf die I<strong>de</strong>e gekommen?<br />

Melanie: Ich hatte mal einen Freund, das war<br />

damals eine große Liebe. Und irgendwann<br />

haben wir so herumgealbert und allen möglichen<br />

Blödsinn gemacht, bis wir dann auf<br />

149


die Foto-I<strong>de</strong>e kamen. Das heißt, ich habe es<br />

vorgeschlagen. Er hat sich anfangs noch geziert,<br />

aber dann hat das viel Spaß gemacht.<br />

Domian: Wie entstehen die Fotos heute?<br />

Melanie: Ich spreche Männer einfach an. Oftmals<br />

Bekannte, aber auch ganz Frem<strong>de</strong>.<br />

Domian: Wie reagieren die?<br />

Melanie: Manche <strong>de</strong>nken, ich wollte sie verarschen.<br />

Aber ich erkläre ihnen dann mein<br />

Hobby — und die Jungs sind begeistert dabei.<br />

Ich habe bisher nur zwei Körbe bekommen.<br />

Domian: Wie viele mußten <strong>de</strong>nn schon dran<br />

glauben?<br />

Melanie: 40 bis 50.<br />

Domian: Erzähl das doch mal etwas genauer!<br />

Wenn du in einer Kneipe zum Beispiel einen<br />

wildfrem<strong>de</strong>n Mann anspricht . . . wie läuft das<br />

ab?<br />

150


Melanie: Also, ich spreche natürlich nur die<br />

an, die ich irgendwie interessant fin<strong>de</strong>. Dann<br />

re<strong>de</strong>t man über dies und das, wobei ich schon<br />

versuche, ein gutes Gespräch aufzubauen.<br />

Das ist dann die Vertrauensgrundlage für<br />

später. Ich stecke auch klar ab, was ich will.<br />

Domian: Was willst du <strong>de</strong>nn?<br />

Melanie: Fotografieren.<br />

Domian: En<strong>de</strong>t eine solche Aktion <strong>de</strong>nn auch<br />

schon mal im Bett? Fotografieren quasi als<br />

Vorspiel?<br />

Melanie: Das gab es schon, ist aber die Ausnahme.<br />

Domian: Nach <strong>de</strong>r Fotoserie ziehen sich die Männer<br />

als wie<strong>de</strong>r an und gehen nach H<strong>aus</strong>e?<br />

Melanie: Ja, o<strong>de</strong>r man trinkt noch was zusammen<br />

und quatscht.<br />

Domian: Bekommen die Jungs Abzüge?<br />

151


Melanie: Das biete ich an, aber die meisten<br />

sind daran gar nicht interessiert. Ich glaube,<br />

die macht das einfach an, sich von einer<br />

Frau so fotografieren zu lassen.<br />

Domian: Aber es stimuliert dich doch bestimmt<br />

auch?<br />

Melanie: Ja, das will ich gar nicht bestreiten.<br />

Aber für mich ist das eben hauptsächlich eine<br />

künstlerische Her<strong>aus</strong>for<strong>de</strong>rung.<br />

Domian: Warum müssen es <strong>de</strong>nn gera<strong>de</strong> Schwänze<br />

sein?<br />

Melanie: Ich fotografiere auch sehr gerne an<strong>de</strong>re<br />

Sachen. Aber gute Schwanzfotos gibt<br />

es nicht viele. Das hat mich gereizt. Plus die<br />

erotische Komponente natürlich.<br />

Domian: Was ist für dich ein toller Schwanz?<br />

Melanie: Schwer zu sagen. Den I<strong>de</strong>al-Schwanz<br />

gibt es glaube ich nicht. Ich persönlich stehe<br />

auf etwas längere Schwänze, so aber 18<br />

152


cm aufwärts, sie sollten unbeschnitten sein<br />

und irgend etwas Beson<strong>de</strong>res haben.<br />

Domian: Was meinst du damit?<br />

Melanie: Vielleicht eine leichte Krümmung o<strong>de</strong>r<br />

ein Muttermal auf <strong>de</strong>r Haut o<strong>de</strong>r eine kleine<br />

Warze o<strong>de</strong>r einen sehr schrumpeligen Ho<strong>de</strong>nsack.<br />

Domian: Fotografierst du die Schwänze auch<br />

erigiert?<br />

Melanie: Ja, wenn die Jungs das hinbekommen.<br />

Domian: Haben die Männer keine Angst, irgendwann<br />

von dir erpreßt zu wer<strong>de</strong>n?<br />

Melanie: Es sind alles anonyme Fotos. Meistens<br />

nur Schwanz und Bauch. Einige gehen auch<br />

bis zum Hals.<br />

Domian: Gibt es eine I<strong>de</strong>aleinstellung, eine I<strong>de</strong>alposition?<br />

Melanie: Nein, alles hängt immer von <strong>de</strong>r Situation<br />

und von <strong>de</strong>m Typ ab.<br />

153


Domian: Du sammelst die Fotos. Was machst<br />

du mit ihnen? Stehen die nur rum im gol<strong>de</strong>nen<br />

Album?<br />

Melanie: Nein, nein. Ich schaue sie mir oft an.<br />

Domian: Nimmst du sie als Onaniervorlage?<br />

Melanie: So en<strong>de</strong>t das hin und wie<strong>de</strong>r, ja.<br />

Domian: Wer weiß außer <strong>de</strong>n Männern davon?<br />

Melanie: Kein Mensch. Selbst meine besten Freundinnen<br />

nicht. Ich lebe in einem kleinen Dorf.<br />

Was meinst du, was los wäre, wenn das jemand<br />

wüßte.<br />

Domian: Bleibt mir, dir noch sehr viele erotische<br />

und natürlich künstlerisch hoch anspruchsvolle<br />

Foto-Aktionen zu wünschen.<br />

Melanie: Ja, vielen Dank. Ich habe schon wie<strong>de</strong>r<br />

einen im Visier. Den wer<strong>de</strong> ich bald ansprechen<br />

154


Kapitel 20<br />

Pä<strong>de</strong>rasten<br />

Pä<strong>de</strong>rasten und Menschen mit pädophilen Neigungen<br />

sind in meiner Sendung schon mehrfach<br />

zu Wort gekommen. Sicher ist nicht je<strong>de</strong>r<br />

pädophil Veranlagte ein potentieller Mör<strong>de</strong>r<br />

und nicht je<strong>de</strong>r Betroffene bewertet seine sexuelle<br />

Orientierung ein<strong>de</strong>utig positiv. Dennoch<br />

steht mir bei diesem Thema nicht <strong>de</strong>r Sinn nach<br />

Differenzierung: Ich lehne Sexualität zwischen<br />

Kin<strong>de</strong>rn und Erwachsenen ohne Wenn und Aber<br />

ab. Im November 1995 sprach ich mit Mark<br />

(39):<br />

Mark: Es geht um meine pädophile Neigung<br />

und die Probleme, die damit verbun<strong>de</strong>n sind.<br />

Domian: Dann erzählt mal!<br />

155


Mark: Das Problem ist nicht meine Neigung,<br />

son<strong>de</strong>rn die Gesetze. Die Strafen sind ja recht<br />

hoch, die darauf stehen.<br />

Domian: Dich interessieren also kleine Jungs<br />

und Mädchen?<br />

Mark: Ja, etwa im Alter zwischen sieben und<br />

14 Jahren.<br />

Domian: Wie befriedigst du diesen Trieb?<br />

Mark: Richtig gelebt habe ich es noch nicht.<br />

Ich unterdrücke diese Neigungen. Aber sie<br />

kommen immer wie<strong>de</strong>r hoch. In letzter Zeit<br />

verstärkt. Und eigentlich möchte ich sie leben.<br />

Domian: Wie machen sich diese Empfindungen<br />

bemerkbar?<br />

Mark: Na ja, wenn ich nette Kin<strong>de</strong>r zum Beispiel<br />

auf <strong>de</strong>r Straße sehe. Es han<strong>de</strong>lt sich<br />

dabei primär nicht um sexuelles Interesse,<br />

son<strong>de</strong>rn ich möchte Zärtlichkeiten <strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>chen.<br />

Ich habe auch keine Kin<strong>de</strong>rpornos<br />

156


und bin kein Kin<strong>de</strong>rschän<strong>de</strong>r. Ich plädiere<br />

für eine einvernehmliche Sexualität.<br />

Domian: Du hast es wirklich noch nie erlebt?<br />

Mark: Nein.<br />

Domian: Aber du hast große Sehnsucht nach<br />

einem zärtlich-sexuellen Verhältnis mit einem<br />

Kind?<br />

Mark: Richtig. (P<strong>aus</strong>e)<br />

Domian: Ich fin<strong>de</strong>, daß <strong>de</strong>ine Neigung ein psychischer<br />

Defekt ist. Und du hast die Pflicht,<br />

mit dir etwas zu unternehmen, therapeutisch.<br />

Mark: Warum meinst du das?<br />

Domian: Weil die Gefahr groß ist, das Kind<br />

seelisch zu verletzten. Weil die Gefahr so<br />

groß ist, einen Scha<strong>de</strong>n anzurichten, an <strong>de</strong>m<br />

das Kind vielleicht ein Leben lang zu lei<strong>de</strong>n<br />

hat.<br />

Mark: Auf die I<strong>de</strong>e, daß das Kind so was auch<br />

haben möchte, darauf kommst du wohl nicht?<br />

157


Auch Kin<strong>de</strong>r wollen Sex.<br />

Domian: Natürlich sind Kin<strong>de</strong>r sexuelle Wesen.<br />

Ich habe gar nicht dagegen, wenn Kin<strong>de</strong>r<br />

untereinan<strong>de</strong>r Sex haben. Aber es ist ein<br />

so schrecklich ungleiches Verhältnis, wenn<br />

ein z.B. 30jähriger Mann mit einem 9jährigen<br />

Mädchen ins Bett geht.<br />

Mark: Aha, du machst es also am Alterunterschied<br />

fest. Ich erinnere mich an eine Sendung<br />

von dir, da erzählte eine 60jährige von<br />

ihrem 30jährigen Mann. Davon warst du gera<strong>de</strong>zu<br />

begeistert . . .<br />

Domian: Das kann man überhaupt nicht vergleichen.<br />

Wenn du mit einem Kind Sex hast,<br />

so herrscht immer ein ganz klares Machtverhältnis<br />

zu Lasten <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s. Ich fin<strong>de</strong><br />

so was moralisch unter aller Sau.<br />

(Mark re<strong>de</strong>t aufgeregt und empört dazwischen,<br />

protestiert.)<br />

Du mußt zu einem Fachmann, damit diese<br />

Neigung therapiert wird, wegtherapiert<br />

158


wird . . .<br />

Dieses Gespräch en<strong>de</strong>te in einer handfesten<br />

Streiterei. Der Anrufer fühlte sich extrem provoziert<br />

und versuchte massiv, seine Parolen über<br />

<strong>de</strong>n Sen<strong>de</strong>r zu bringen. Er wehrte sämtliche Be<strong>de</strong>nken<br />

und Gegenargumente ab. Tenor: Wenn<br />

keine Gewalt im Spiel ist, muß Sexualität mit<br />

Kin<strong>de</strong>rn möglich und erlaubt sein.<br />

∗<br />

Wo die Gewalt en<strong>de</strong>n kann, das erzählte zwei<br />

Tage später Petra (33).<br />

Petra: Ich lei<strong>de</strong> unter Schlafstörungen und habe<br />

<strong>de</strong>ine Sendung vorgestern gesehen. Da<br />

war dieser pädophil veranlagte Mann . . .<br />

(Gesprächsp<strong>aus</strong>e)<br />

Meine Tochter wur<strong>de</strong> vor 14 Monaten entführt,<br />

sexuell mißbraucht und ermor<strong>de</strong>t.<br />

(Gesprächsp<strong>aus</strong>e)<br />

159


Es ist eine Gewalteinwirkung passiert, die<br />

ist unvorstellbar. Ich habe Angst vor Menschen.<br />

Mein Mann, meine Söhne und ich,<br />

wir haben Angst davor, nach draußen zu gehen.<br />

Ich habe Alpträume: Was genau ist mit<br />

meiner Tochter geschehen?<br />

Der Mann hat sich Gott sei Dank selbst gerichtet.<br />

Man hat ihn eine Woche gesucht.<br />

Dann tot gefun<strong>de</strong>n — er hat Selbstmord begangen.<br />

Man hat Fragen im Kopf und bekommt keine<br />

Antwort.<br />

Domian: Wie alt war <strong>de</strong>ine Tochter?<br />

Petra: Zehn Jahre — und mir ist völlig unverständlich,<br />

wie ein erwachsener Mensch einem Kind<br />

so etwas antun kann.<br />

(Gesprächsp<strong>aus</strong>e) Und dieser Mann bei dir<br />

in <strong>de</strong>r Sendung — er klang so, als wollte er<br />

einen Freibrief für seine sexuelle Veranlagung<br />

haben.<br />

Ich kann ihm nur <strong>de</strong>n Tip geben, wenn er<br />

160


sich und <strong>de</strong>r Menschheit einen Gefallen tun<br />

will, dann soll er sich eine Kugel in <strong>de</strong>n Kopf<br />

jagen. Denn er ist wie ein gela<strong>de</strong>ner Revolver.<br />

Gen<strong>aus</strong>o soll auch <strong>de</strong>r Mör<strong>de</strong>r meiner<br />

Tochter gere<strong>de</strong>t haben.<br />

Domian: Petra, du sagtest vorhin, daß du Angst<br />

vor Menschen hast. Mit wem überhaupt hast<br />

du Kontakt?<br />

Petra: Mit fast nieman<strong>de</strong>n. Uns hat auch keiner<br />

geholfen. Nur <strong>de</strong>r ≫Weiße Ring≪ unterstützt<br />

uns.<br />

Mein Kopf ist ja damals explodiert. Wenn<br />

ich zum Beispiel an die Beerdigung <strong>de</strong>nke.<br />

Ich weiß ja nicht mal, wie meine Tochter<br />

nach <strong>de</strong>r Tat <strong>aus</strong>gesehen hat. Da lag sie nun<br />

in diesem Sarg. Und alle Leute um uns herum<br />

sind auf Distanz gegangen. Ich wollte<br />

mich umbringen damals, weil mir <strong>de</strong>r Glaube<br />

an das Menschliche so brutal <strong>aus</strong>getrieben<br />

wor<strong>de</strong>n war. Aber mein Mann und meine<br />

Söhne waren ja noch da. Die durfte ich<br />

161


ja nicht alleine lassen.<br />

Domian: Haben euch die Behör<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r die<br />

Polizei nicht geholfen?<br />

Petra: Nein. Der Staat tut alles für die Täter.<br />

Die bekommen Anwälte und Psychologen.<br />

Bei uns war bis heute kein Psychologe.<br />

Domian: Kanntest du <strong>de</strong>n Täter?<br />

Petra: Nein.<br />

Domian: Als du die schlimme Nachricht übermittelt<br />

bekamst, was ist da in dir passiert?<br />

(Gesprächsp<strong>aus</strong>e)<br />

Petra: Ich wußte es eigentlich schon vorher. Meine<br />

Tochter ist auf <strong>de</strong>m Schulweg entführt<br />

wor<strong>de</strong>n. Wir haben ihr Fahrrad gefun<strong>de</strong>n,<br />

ihre Tasche und die Sportsachen. Ihr Weg<br />

führte an einer Pfer<strong>de</strong>koppel vorbei. Dort<br />

hat er sie wohl geschnappt. Je<strong>de</strong>nfalls waren<br />

ihre Sachen dort.<br />

Und irgendwann war es wie eine Eingebung.<br />

Am Abend habe ich geweint und zu meinem<br />

162


Mann gesagt: ≫Sie ist tot.≪ Und nach <strong>de</strong>m<br />

Obduktionsbericht ist sie tatsächlich um diese<br />

Zeit ermor<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n. (Petra weint)<br />

Fast acht Stun<strong>de</strong>n hat er sie gequält. Das ist<br />

unvorstellbar. Welche Angst muß mein Kind<br />

gehabt haben. Und ich hoffe und stelle mir<br />

vor, daß sie schon vorher einen Herzanfall<br />

bekommen hat. Sie war nämlich herzkrank.<br />

Vielleicht war sie schon bewußtlos, als er<br />

sie ermor<strong>de</strong>t hat.<br />

Man hält sich ja an gewissen Sachen fest,<br />

um nicht ganz unterzugehen.<br />

Domian: Wie hat damals unmittelbar nach <strong>de</strong>r<br />

Tat <strong>de</strong>ine Umgebung reagiert?<br />

Petra: Gar nicht.<br />

Domian: Gar nicht?<br />

Petra: Meine Tochter war noch nicht ganz unter<br />

<strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>, da sagte eine Verkäuferin beim<br />

Einkaufen zu mir: ≫Hast du es <strong>de</strong>nn schon<br />

überstan<strong>de</strong>n?≪<br />

163


Domian: Wie ist die Situation in <strong>de</strong>r Familie?<br />

Petra: Wir können uns jetzt nicht mehr helfen.<br />

Es geht nicht. Je<strong>de</strong>r hat sein eigenes Gefühl.<br />

Und wir können uns gar nicht mehr mitteilen.<br />

Mein einer Junge zum Beispiel, <strong>de</strong>r war früher<br />

so ein richtiger Kasper. Heute ist er völlig<br />

düster. Er hat über ein halbes Jahr nicht mit<br />

uns gesprochen.<br />

Domian: Wie gehst du <strong>de</strong>nn ganz persönlich<br />

mit <strong>de</strong>iner Trauer um?<br />

Petra: Ich versuche das mit mir alleine zu regeln.<br />

Wenn ich mit meinem Mann anfange,<br />

über unsere Tochter zu sprechen, dann weinen<br />

wir bei<strong>de</strong> sofort. Das ist immer dasselbe.<br />

(Gesprächsp<strong>aus</strong>e)<br />

Ich vermisse mein Kind so.<br />

Wir haben zwar ihr Zimmer leergeräumt.<br />

Aber überall in <strong>de</strong>r Wohnung erinnert mich<br />

etwas an sie.<br />

164


Domian: Als Ihr das Zimmer <strong>aus</strong>geräumt habt<br />

. . .<br />

Petra: Das war so grauenhaft . . . (Petra weint)<br />

Das war so, als wür<strong>de</strong> sie einem das zweite<br />

Mal weggenommen.<br />

Domian: Was empfin<strong>de</strong>st du gegenüber <strong>de</strong>m Täter?<br />

Petra: Ich habe viele Wochen gegen einen Unsichtbaren<br />

gekämpft. Hatte große Angst, wenn<br />

mich jemand angefaßt hat, sogar manchmal<br />

wenn es mein Mann war. Heute kann ich gar<br />

nichts mehr zu <strong>de</strong>m Täter sagen.<br />

Domian: Kennst du die Familie <strong>de</strong>s Täters?<br />

Petra: Ja, ich habe mit <strong>de</strong>n Leuten telefonisch<br />

Kontakt aufgenommen. Der Vater war recht<br />

freundlich. Aber die Mutter hat mir zu verstehen<br />

gegeben, daß meine Tochter letztlich<br />

an allem selbst Schuld sei.<br />

Domian: Das hat die Frau gesagt?<br />

Petra: Ja.<br />

165


Domian: Empfin<strong>de</strong>st du Haß für diese Frau?<br />

Petra: Ja. Und hätten sie ihn an<strong>de</strong>rs erzogen,<br />

wäre es nie soweit gekommen. Er ist auch<br />

öfter nach Thailand geflogen. Sie hätten ihn<br />

doch fragen können: ≫Was machst du da?≪ Und<br />

weißt du, warum ihm unsere Kleine aufgefallen<br />

ist? Sie hatte in ihrem Gesicht etwas<br />

Asiatisches. (Gesprächsp<strong>aus</strong>e)<br />

Domian: Bist du religiös Petra?<br />

Petra: Ich weiß es nicht. Aber ich glaube, daß<br />

mein Kind irgendwo lebt, weiterlebt.<br />

166


Kapitel 21<br />

Transsexualität<br />

Kann man als normaler Mensch ermessen, was<br />

es be<strong>de</strong>utet, das falsche Geschlecht zu haben?<br />

Ich glaube nicht.<br />

Sooft ich auch schon mit transsexuellen Menschen<br />

gesprochen habe, letztlich bin ich außerstan<strong>de</strong>,<br />

mir ihre Gefühle wirklich vorzustellen.<br />

Ich weiß aber, wie ernst es ihnen ist. Und welcher<br />

Lei<strong>de</strong>nsdruck auf ihnen lastet. Es gibt Schätzungen,<br />

nach <strong>de</strong>nen in Deutschland etwa 25.000<br />

bis 30.000 Frauen und Männer im falschen Körper<br />

leben. Und viele trauen sich jahrzehntelang nicht,<br />

über ihre Empfindungen und Probleme zu re<strong>de</strong>n.<br />

Aus Angst vor Diskriminierung und Ver-<br />

167


achtung. Immer mehr jüngere Menschen mit einer<br />

Transi<strong>de</strong>ntität aber suchen die Öffentlichkeit.<br />

Was ihnen selbst sicher guttut — und zur<br />

Aufklärung und Information beiträgt. Ich sprach<br />

mit Jeanette (28):<br />

Jeannette: Ich möchte über Transsexualität sprechen.<br />

Domian: Bist du betroffen?<br />

Jeannette: Ich habe vor zwei jahren eine Geschlechtsangleichung<br />

vornehmen lassen.<br />

Domian: Das heißt, du bist umoperiert wor<strong>de</strong>n,<br />

vom Mann zur Frau.<br />

Jeannette: Ich mag das Wort ≫umoperieren≪ nicht.<br />

Aber so war es.<br />

Domian: Die Operation ist ja das En<strong>de</strong> eines<br />

sehr quälen<strong>de</strong>n Prozesses. Erzähl doch mal<br />

von vorne. Wie alt warst du, als du zum ersten<br />

mal gespürt hast, daß mit dir etwas an<strong>de</strong>rs<br />

ist?<br />

168


Jeannette: Das war schon sehr früh. Ich war<br />

so sieben Jahre ungefähr, als ich beim Pinkeln<br />

bemerkte, daß ich mein Geschlechtsteil<br />

überhaupt nicht gerne anfassen mochte.<br />

Und ich habe die Mädchen benei<strong>de</strong>t, daß<br />

die sich immer dabei hinsetzen konnten. Seit<br />

diesem Zeitpunkt habe ich mich auch immer<br />

— wenn ich alleine war — auf das WC gesetzt.<br />

Ich fühlte mich auch schon sehr früh<br />

zu Mädchen hingezogen, nicht im geschlechtlichen<br />

Sinne. Ich fand alles viel interessanter,<br />

was die machten und über was die so<br />

sprachen. Und schon als Kind habe ich mir<br />

im Kaufh<strong>aus</strong> Mädchensachen zu Anziehen<br />

angeschaut. für Autos o<strong>de</strong>r Sport habe ich<br />

mich nie interessiert.<br />

Domian: Bist du in <strong>de</strong>r Schule nicht gehänselt<br />

wor<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n Jungs?<br />

Jeannette: Es ging. Ich war ein Außenseiter.<br />

Ich hatte keine Freun<strong>de</strong>. Nur ein paar Freundinnen.<br />

Im allgemeinen haben sie mich in<br />

169


Ruhe gelassen. Nur einmal hat ein Junge<br />

gesagt: ≫Eh, du bist ja ’ne Tunte.≪ Da war<br />

ich 14, aber ich wußte gar nicht, was eine<br />

Tunte ist.<br />

Domian: Und wie war es zu H<strong>aus</strong>e?<br />

Jeannette: Mein Vater hat mich früher oft geschlagen.<br />

Noch mit 13 o<strong>de</strong>r 14, beson<strong>de</strong>rs,<br />

wenn er besoffen war. ≫Mit dir kann man<br />

sich überhaupt nicht unterhalten, du Flasche≪,<br />

hat er oft gesagt. Der Mutter war alles<br />

ziemlich egal. Die hat auch getrunken.<br />

Domian: Bist du das einzige Kind?<br />

Jeannette: Nein, ich habe noch eine kleine Schwester.<br />

Domian: Wann und durch was hast du genauer<br />

gemerkt, daß du nicht ≫normal≪ bist?<br />

Jeannette: Ich habe immer heimlich Klei<strong>de</strong>r von<br />

meiner Mutter angezogen. Als ich zum ersten<br />

Mal einen Unterrock anhatte und vor<br />

170


<strong>de</strong>m Spiegel stand, das war ein richtiges Glücksgefühl.<br />

Was mir aber auch Angst gemacht<br />

hat. Geschminkt habe ich mich auch. Manchmal<br />

nachts, wenn alle schliefen. Nachher aber<br />

habe ich mich immer elend gefühlt. Irgendwie<br />

war es falsch, so dachte ich, was ich da<br />

tue. Und so kamen Schuldgefühle.<br />

Domian: Hast du mit irgend jemand darüber<br />

gesprochen?<br />

Jeannette: Nein. Und je mehr diese Sachen in<br />

meinen Kopf kamen, <strong>de</strong>sto verschlossener<br />

war ich auch.<br />

Domian: Wie warst du in <strong>de</strong>r Schule?<br />

Jeannette: Nicht beson<strong>de</strong>rs.<br />

Domian: Hast du damals gedacht, du wärst schwul?<br />

Jeannette: Obwohl ich einige Jungs in unserer<br />

Klasse bewun<strong>de</strong>rt habe, war mir seltsamerweise<br />

ganz klar, daß ich nicht schwul war.<br />

Domian: Das ist aber sehr schwer nachzuvoll-<br />

171


ziehen. Hattest du <strong>de</strong>nn keine sexuellen Phantasien<br />

mit Jungs?<br />

Jeannette: Doch. Aber nur so, daß ich mir vorstellte,<br />

sie zu streicheln. Es war mir immer<br />

wi<strong>de</strong>rlich — so blieb es dann auch später —<br />

die Vorstellung, daß ein Mann meinen Penis<br />

berührt.<br />

Domian: Du wolltest nicht als Junge einen Jungen<br />

erregen?<br />

Jeannette: Ja, genau! Zumal ich damals von<br />

Jahr zu Jahr mehr Abneigung gegen mein<br />

Geschlechtsteil entwickelte. Ich habe es fast<br />

nie angeschaut. Selbst beim Waschen nie.<br />

Domian: Das war sicher eine schlimme Zeit!<br />

Jeannette: Ja, ich wußte überhaupt nicht, was<br />

mit mir los war. ich war oft sehr verzweifelt.<br />

Es gab nichts, worauf ich hätte hoffen<br />

können, mich freuen können. Aber dann habe<br />

ich in einer Zeitung von <strong>de</strong>r Möglichkeit<br />

<strong>de</strong>r Geschlechtsangleichung gelesen — und<br />

172


war wie elektrisiert. Da habe ich auch erstmals<br />

das Wort ≫transsexuell≪ gelesen.<br />

Domian: Kannst du sagen, was damals und auch<br />

später <strong>de</strong>ine weibliche I<strong>de</strong>ntität <strong>aus</strong>gemacht<br />

hat? Abgesehen vom Sexuellen?<br />

Jeannette: Mein ganzes Denken. Ich war ein<br />

Mädchen. Ich habe mich nur für Sachen interessiert,<br />

die Mädchen interessieren. Kosmetik,<br />

Mo<strong>de</strong>, Diäten, auch Kochen, Haare<br />

und so. Na ja, und ich wollte ein Kind bekommen.<br />

Das heißt, ich stelle mir vor, wie<br />

schön das wohl ist, schwanger zu sein.<br />

Domian: Wir re<strong>de</strong>n jetzt von <strong>de</strong>r Zeit, als du<br />

14/15 warst. Heute bist du 28, und vor zwei<br />

Jahren bist du operiert wor<strong>de</strong>n. Dazwischen<br />

liegen viele Jahre.<br />

Jeannette: Ach ja, ich glaube mit 18 habe ich<br />

alles akzeptiert. Weil ich auch viel dazu gelesen<br />

hatte. Aber das Versteckspiel hielt noch<br />

lange an. Nach draußen habe ich mich immer<br />

männlicher gegeben. Habe mir sogar<br />

173


einige Monate einen Bart stehen lassen, das<br />

war wi<strong>de</strong>rlich.<br />

Domian: Wie war <strong>de</strong>in Name eigentlich früher?<br />

Jeannette: Robert. Ich war vollkommen isoliert<br />

in dieser Zeit. Bin zur Arbeit gegangen. Ich<br />

habe eine Lehre als Einzelhan<strong>de</strong>lskaufmann<br />

gemacht. Und sonst nur zu H<strong>aus</strong>e gesessen.<br />

Bis ich mir allen Mut genommen habe und<br />

in eine Selbsthilfegruppe gegangen bin.<br />

Domian: Und irgendwann dann kam die Entscheidung<br />

zur Operation. Was geht <strong>de</strong>m vor<strong>aus</strong>?<br />

Jeannette: Viele Gespräche mit Psychologen,<br />

mit Gutachtern. Und <strong>de</strong>r Alltagstest.<br />

Domian: Erklär das mal!<br />

Jeannette: Man muß seine eigentliche I<strong>de</strong>ntität<br />

im Alltag überall leben und zeigen. Auf <strong>de</strong>r<br />

Straße, bei Behör<strong>de</strong>n, immer. Das ist <strong>de</strong>r Anfang<br />

<strong>de</strong>s Geschlechtsrollenwechsels. Ich bin<br />

174


dann auch mit Hormonen behan<strong>de</strong>lt wor<strong>de</strong>n.<br />

Ich war mir bei allem ganz sicher, und<br />

meine Entscheidung war ganz klar.<br />

Domian: Hattest du Angst vor <strong>de</strong>r Operation?<br />

Jeannette: Ja.<br />

Domian: Was passiert bei <strong>de</strong>r Operation?<br />

Jeannette: Die Ho<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n entfernt, <strong>de</strong>r Penis<br />

auch, dann wird die Vagina geformt.<br />

Domian: Was hast du empfun<strong>de</strong>n, als du <strong>aus</strong><br />

<strong>de</strong>r Narkose erwacht bist?<br />

Jeannette: Nichts beson<strong>de</strong>res. Und dann hatte<br />

ich starke Schmerzen. Und als ich alles zum<br />

ersten Mal gesehen habe, war ich total aufgeregt.<br />

Domian: Hat es dir gefallen?<br />

Jeannette: Nein, nicht beson<strong>de</strong>rs. Es sieht auch<br />

heute noch nicht so toll <strong>aus</strong>. Aber das ist mir<br />

egal.<br />

175


Domian: Kann man nach <strong>de</strong>m Eingriff Lust so<br />

wie früher empfin<strong>de</strong>n?<br />

Jeannette: Ich weiß nicht, was das ist. Ich hatte<br />

ja nie einen Partner.<br />

Domian: Aber du kanntest doch das Gefühl <strong>de</strong>s<br />

Orgasmus beim Onanieren?<br />

Jeannette: Ich habe nie onaniert.<br />

Domian: Nie?<br />

Jeannette: Nein, mir war doch alles zwischen<br />

meinen Beinen zuwi<strong>de</strong>r.<br />

Domian: Hast du jetzt einen Partner?<br />

Jeannette: Nein. Ich bin zu unsicher um auf<br />

Männer zuzugehen. Ich habe Angst vor Ablehnung.<br />

Und wür<strong>de</strong> mich auch schämen mich<br />

nackt zu zeigen.<br />

Domian: Hast du Sehnsucht nach einer Partnerschaft?<br />

Jeannette: Nein, nicht beson<strong>de</strong>rs. Aber ich wollte<br />

auch noch sagen, daß die Diskriminie-<br />

176


ung auch nach <strong>de</strong>r Operation nicht aufgehört<br />

hat. Ich wer<strong>de</strong> oft beleidigt. Nur auf<br />

<strong>de</strong>r Arbeit, da geht es.<br />

Domian: Bereust du die Operation?<br />

Jeannette: Oh, nein! Auf keinen Fall. Es war<br />

das Beste, was bisher in meinem Leben passiert<br />

ist.<br />

177


Kapitel 22<br />

Damenschuhe<br />

Edith (45) war eine forsche und resolut wirken<strong>de</strong><br />

Frau. Sie rief bei uns zum Thema ≫Fetischismus≪<br />

an. Was sie erzählte klang absolut<br />

abson<strong>de</strong>rlich, und ich mußte während <strong>de</strong>s Gesprächs<br />

einige Male herzhaft lachen. Beson<strong>de</strong>rs<br />

<strong>de</strong>shalb, weil sie alles äußerst salopp berichtete<br />

und ihr Schicksal wirklich auf die leichte<br />

Schulter zu nehmen schien.<br />

Edith: Ich bin mit meinem Mann jetzt 18 Jahre<br />

verheiratet. Und er hat in <strong>de</strong>n ersten Jahren<br />

ganz geschickt, ganz vorsichtig Interesse<br />

an Damenschuhen gezeigt. Ich habe das<br />

178


gar nicht groß registriert, auch nicht beson<strong>de</strong>rs<br />

ernstgenommen. Von Sex in all seinen<br />

Variationen wußte ich damals ohnehin fast<br />

nichts.<br />

Domian: Wie sah sein Interesse an Damenschuhen<br />

konkret <strong>aus</strong>?<br />

Edith: Na ja, er hat ab und zu welche von mir<br />

angezogen. Und er ließ die Schuhe auch während<br />

<strong>de</strong>s Geschlechtsverkehrs an. Ich war so grün<br />

hinter <strong>de</strong>n Ohren, daß ich gar nichts dabei<br />

fand.<br />

Domian: Das war <strong>de</strong>r Anfang. Wie sieht die<br />

Lage jetzt <strong>aus</strong>?<br />

Edith: Ich lebe damit, aber es stört mich mehr<br />

und mehr. Unser Intimleben läuft zum Beispiel<br />

so ab: Er trägt beim Sex Damenschuhe<br />

und wünscht, daß auch ich meine Schuhe<br />

anbehalte. Dann verlangt er von mir, daß<br />

ich ihn mit meinen Schuhen regelrecht trete.<br />

Und beson<strong>de</strong>rs macht ihn an, wenn ich vor<br />

179


<strong>de</strong>m Bett auf irgend etwas Hartes trete. Das<br />

Knackgeräusch macht ihn ganz verrückt.<br />

Domian: Was genau stört dich an dieser seiner<br />

Vorliebe?<br />

Edith: Ich fange an, allmählich eifersüchtig zu<br />

wer<strong>de</strong>n. Er sieht nicht mehr mich, er sieht<br />

in mir einen Schuh.<br />

Im übrigen befriedigt er sich mit <strong>de</strong>n Schuhen<br />

ja auch selbst. Das weiß ich. Dann schleppt<br />

er mich zum Schuhekaufen. Er muß immer<br />

die gleichen wie ich haben. Mittlerweile haben<br />

wir einen ganzen Kellerraum voll Pumps.<br />

Es sind Hun<strong>de</strong>rte. Alle gehören meinem Mann.<br />

— Was meinst du, was das kostet!<br />

Domian: Bist du sicher, daß <strong>de</strong>in Mann nicht<br />

schwul ist?<br />

Edith: Nein, sicher bin ich nicht. Er sagt ganz<br />

kategorisch, er sei heterosexuell.<br />

Domian: Lebt er seinen Trieb <strong>aus</strong>schließlich in<br />

eurer Ehe <strong>aus</strong>?<br />

180


Edith: Wenn ich das nur wüßte! Samstags und<br />

sonntags fährt er oft nach Stuttgart. Das ist<br />

die nächste Großstadt hier. Was er da macht,<br />

weiß ich nicht.<br />

Domian: Warum fragst du ihn nicht?<br />

Edith: Er sagt, er fährt nur so dorthin.<br />

Domian: Ja, ja, und das regelmäßig. Nur so.<br />

Edith: Es ist alles völlig verrückt. Er will zum<br />

Beispiel, daß ich im Sommer immer mit ihm<br />

auf <strong>de</strong>n Markt gehe. Und weißt du warum?<br />

Damit ich dort auf heruntergefallene Kirschen<br />

o<strong>de</strong>r Pflaumen treten. Weil das eben<br />

so schön knackt.<br />

Domian: Das könnte man sich für ein Filmdrehbuch<br />

nicht schräger <strong>aus</strong><strong>de</strong>nken. Aber Scherz<br />

beiseite: ist eure Ehe gefähr<strong>de</strong>t?<br />

Edith: Eigentlich nicht. Aber es nervt unglaublich.<br />

Es ist ja so, daß er fast immer — wenn<br />

er von <strong>de</strong>r Arbeit kommt — Pumps, hochhackige<br />

Pumps anzieht, zur Entspannung,<br />

181


wie er sagt, und damit stolziert er dann durch<br />

die Wohnung.<br />

Domian: Wie soll’s weitergehen?<br />

Edith: Ich weiß nicht. Erst einmal so wie bisher.<br />

Ich bin ja schon einiges gewöhnt.<br />

182


Kapitel 23<br />

Linienführung<br />

≫Zwänge und Rituale≪, so hieß eine Talk-Radio-<br />

Nacht im Frühjahr 1996. Mit vielem, was mir<br />

damals erzählt wur<strong>de</strong>, hatte ich gerechnet: zum<br />

Beispiel Putz-Zwang, Duschzwang o<strong>de</strong>r Fernsehzwang.<br />

Eine unsichtbare Linie allerdings, die<br />

man bei je<strong>de</strong>m Schritt gezwungen ist zu berücksichtigen<br />

war mir bis zum Gespräch mit Heinz<br />

(29) völlig fremd.<br />

Heinz: Ich ziehe so eine Art unsichtbare Linie<br />

hinter mir her. Und ich haben <strong>de</strong>n Zwang,<br />

diese Linie immer gera<strong>de</strong> hinter mir herlaufen<br />

zu lassen. Die darf nicht verwurstelt<br />

sein. Ich lei<strong>de</strong> nicht unter diesem Zwang, eigentlich<br />

ist das Ganze eher lustig.<br />

183


Domian: (lacht) Du spürst also hinter dir eine<br />

unsichtbare Linie?<br />

Heinz: Ja. (lacht auch) Ich muß immer so gehen,<br />

daß meine Linie nie um mich herum gewickelt<br />

ist.<br />

Zum Beispiel kann ich kein Karussell fahren,<br />

weil ich mich nicht zurückdrehen kann.<br />

O<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r Autobahn: Wenn ich in einem<br />

Kleeblatt abfahre, wo man ja fast eine 360-<br />

Grad-Schleife fährt, fühle ich mich ganz unwohl.<br />

Ich fahre dann meistens auf einen Parkplatz<br />

und drehe die entgegengesetzte Schleife.<br />

Erst so geht es mir wie<strong>de</strong>r besser.<br />

Domian: Das ist ja schräg. Ich das wirklich so<br />

lustig, wie es sich anhört?<br />

Heinz: Na ja, wenn ich die Linie nicht wie<strong>de</strong>r<br />

aufwickle, dann ist das nicht so lustig.<br />

Domian: Was wäre, wenn du sie verwurstelt<br />

lassen wür<strong>de</strong>st?<br />

Heinz: Ach, weißt du, ich habe es bis jetzt noch<br />

184


nicht darauf ankommen lassen. Ich sage mir<br />

dann immer: ≫So viele Umstän<strong>de</strong> sind das<br />

ja nicht, sich wie<strong>de</strong>r zu entwirren≪ — drehe<br />

mich also ein paarmal, und alles ist wie<strong>de</strong>r<br />

in Butter.<br />

Domian: Warum hast du diese unsichtbare Linie<br />

hinter dir?<br />

Heinz: Ich habe das schon ungefähr sehr Jahre.<br />

Und irgendwann, ich weiß gar nicht mehr<br />

genau wann, ist mir die Linie in <strong>de</strong>n Sinn<br />

gekommen. Und dann habe ich einmal probiert,<br />

um eine Litfaßsäule zu gehen — und<br />

schon hatte ich <strong>de</strong>n Salat. Die Linie war<br />

verwickelt. Also mußte ich wie<strong>de</strong>r zurückgehen.<br />

Domian: Das ist ja irre. So etwas habe ich noch<br />

nie gehört. Kennst du sonst jeman<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r<br />

auch eine Linie hat?<br />

Heinz: Nein. Und ich habe das von mir auch<br />

noch nieman<strong>de</strong>n erzählt. Es hört sich ja ziemlich<br />

lächerlich an.<br />

185


Domian: Ist dir die Linie immer präsent?<br />

Heinz: Nein, aber sobald ich mich verwurstelt<br />

habe, <strong>de</strong>nke ich an sie. Und dann entwurstle<br />

ich das rasch wie<strong>de</strong>r.<br />

Domian: Versuch doch mal eine Selbstverfahrung<br />

und unterlasse es, dich zu entwursteln.<br />

Beobachte dich, was dann in dir passiert.<br />

Heinz: So ein bißchen habe ich das schon versucht:<br />

ich habe mich einige male um mich<br />

selbst gedreht — und dann eine Stun<strong>de</strong> vergehen<br />

lassen. Na ja, aber ich mußte während<br />

dieser Stun<strong>de</strong> immer wie<strong>de</strong>r an die verwickelte<br />

Linie <strong>de</strong>nken. Sie hat mir keine Ruhe gelassen.<br />

Und dann habe ich gedacht: ≫Ach,<br />

was soll’s, entwurstel dich rasch und die Sache<br />

ist vom Tisch.≪ Und so kam es dann<br />

auch.<br />

Domian: Entwurstelst du dich normalerweise<br />

immer sofort?<br />

Heinz: Das kommt darauf an. Immer geht das<br />

186


ja nicht. Wenn ich z.B. morgens zur Arbeit<br />

fahre, dann versuche ich abends exakt <strong>de</strong>nselben<br />

Weg zurückzufahren, um die Linie wie<strong>de</strong>r<br />

aufzusammeln. O<strong>de</strong>r auch während <strong>de</strong>r<br />

Arbeit muß ich manchmal warten, bis ich<br />

wie<strong>de</strong>r alles entwirrt habe.<br />

Domian: Wenn du ganz allgemein an diese Linie<br />

<strong>de</strong>nkst, was assoziierst du damit?<br />

Heinz: Ich <strong>de</strong>nke an einen Weg. Eine eingeschlagene<br />

Richtung. Es ist ein gera<strong>de</strong>r Weg, an<br />

<strong>de</strong>n ich <strong>de</strong>nke. Und alles wird abgebremst,<br />

wenn sich <strong>de</strong>r Weg verwickelt hat.<br />

Domian: Nervt die Linie bisweilen?<br />

Heinz: Eigentlich stellt sie kein großes Problem<br />

dar. Es braucht nur etwas Zeit, sich mit ihr<br />

zu beschäftigen.<br />

Domian: Dann achte weiter auf <strong>de</strong>ine unsichtbare<br />

Linie!<br />

Heinz: (lacht) Das wer<strong>de</strong> ich tun.<br />

187


Kapitel 24<br />

Prostitution<br />

Es gibt für mich interessante und weniger interessante<br />

Talk-Gäste am Telefon. Ich versuche<br />

alle gleichermaßen ernst zu nehmen, soweit ihr<br />

Anliegen ernst ist. Und dann tauchen noch —<br />

Gott sei Dank — in schöner Regelmäßigkeit<br />

die wirklich außeror<strong>de</strong>ntlich interessanten Gesprächspartner<br />

auf, mit <strong>de</strong>nen die Zeit wie im<br />

Fluge vergeht. Die mir Einblicke in bisher nicht<br />

gekannte Welten verschaffen. Und <strong>de</strong>ren Auftritt<br />

im Talk-Radio schon so manch ein Klischee<br />

erledigt hat. Eine dieser beson<strong>de</strong>rs interessanten<br />

Gesprächspartnerinnen war Joy (39):<br />

Joy: Ich bin eine Hure. Und ich habe schon<br />

sehr früh angefangen, so mit 16 Jahren.<br />

188


Domian: Wie bist du in diese Szene gekommen?<br />

Joy: Durch meine Mutter. Sie war auch eine<br />

Hure. Und sie hat die Freier oft mit nach<br />

H<strong>aus</strong>e gebracht. So konnte ich mich <strong>de</strong>r Sache<br />

gar nicht entziehen. Das mache ich ihr<br />

auch zum Vorwurf.<br />

Domian: hast du mit mit <strong>de</strong>iner Mutter alleine<br />

gelebt?<br />

Joy: Nein. Aber mein Vater war in <strong>de</strong>r Musikbranche<br />

und war auch sehr viel unterwegs.<br />

Er hat es anfangs auch gar nicht gewußt.<br />

Später hat es es hingenommen und ist sogar<br />

in <strong>de</strong>n Keller <strong>aus</strong>gewichen, wo wir extra<br />

eine Couch aufgestellt hatten für <strong>de</strong>n Fall,<br />

daß er nach H<strong>aus</strong>e kam und meine Mutter<br />

nicht alleine war.<br />

Domian: Hat <strong>de</strong>ine Mutter dir von ihrem Gewerbe<br />

erzählt.<br />

Joy: Nein. Mit acht habe ich durchs Schlüssel-<br />

189


loch geguckt und habe es kapiert.<br />

Domian: War das für dich schlimm?<br />

Joy: Nein, nicht direkt. Ich war neugierig. Aber<br />

ich hatte auch Angst. Angst um meine Mutter.<br />

Ich weiß noch, es gab eine Phase, da<br />

habe ich vorsichtshalber alle Autonummern<br />

aufgeschrieben von <strong>de</strong>n Autos, <strong>de</strong>ren Fahrer<br />

bei meiner Mutter waren. Ich dachte damals:<br />

≫Wenn jemand meine Mutti umbringt,<br />

dann weiß ich wenigstens die Autonummer.≪<br />

Domian: Wußten es <strong>de</strong>ine Freun<strong>de</strong> und Mitschüler<br />

auch?<br />

Joy: Es sickerte so im Laufe <strong>de</strong>r Jahre durch.<br />

Domian: Bist du gehänselt wor<strong>de</strong>n?<br />

Joy: Gehänselt eigentlich nicht. Aber ich bin<br />

<strong>aus</strong>geschlossen wor<strong>de</strong>n. Das hatte zur Folge,<br />

daß meine Leistungen in <strong>de</strong>r Schule immer<br />

weiter absackten. Hinzu kam, daß meine<br />

Mutter mich sehr viel geprügelt hat. So<br />

war meine Jugend nicht son<strong>de</strong>rlich schön.<br />

190


Domian: Wie kam es dann schließlich, daß du<br />

ins Hurengewerbe eingestiegen bist?<br />

Joy: Meine Mutter sagte irgendwann: ≫Du machst<br />

es doch sowieso, dann kannst du es auch für<br />

Geld machen.≪ Und dann hat mich irgen<strong>de</strong>iner<br />

von ihren damaligen Freun<strong>de</strong>n erspäht<br />

— und ich habe es gemacht. Das ist schon<br />

erstaunlich für mich so im nachhinein, daß<br />

ich das einfach so mitgemacht habe.<br />

Domian: Wirfst du ihr das alles vor?<br />

Joy: Ich werfe ich nicht vor, daß sie dieses Gewerbe<br />

betrieben hat. Aber ich werfe ihr vor,<br />

daß sie ihr Leben und ihren Beruf nicht getrennt<br />

hat. Ich trenne es ja auch. Ich bin<br />

auch Mutter. Habe übrigens — Gott sei Dank<br />

— keinen Jungen bekommen. Vielleicht reicht<br />

die Macht <strong>de</strong>r Psyche so weit, das selbst zu<br />

beeinflussen.<br />

Domian: Warum wolltest du keinen Jungen?<br />

Joy: Weißt du, seit meinem 15./16. Lebensjahr<br />

191


habe ich dieses Geschlechtsteil im Hinterkopf.<br />

Ich wollte es an meinem Kind nicht<br />

ständig vor Augen haben.<br />

Als ich angefangen habe, war ja mehr Zwang<br />

dabei als sonstwas. Auf keinen Fall Lei<strong>de</strong>nschaft.<br />

Meine Mutter hat mich oft zur Arbeit<br />

geprügelt. An<strong>de</strong>rerseits war ich natürlich auch<br />

froh und stolz auf das Geld. Ich konnte mir<br />

viele schöne Klei<strong>de</strong>r kaufen. Als ich dann<br />

wußte, daß ich schwanger bin. . .<br />

Domian: Von wem bist du schwanger gewor<strong>de</strong>n?<br />

Joy: Von einem ganz soli<strong>de</strong>n, lieben Mann <strong>aus</strong><br />

sehr guten Kreisen. Aber er konnte mein Leben<br />

nicht verkraften, hatte auch Angst vor<br />

seinem Umfeld und seinen Freun<strong>de</strong>n. Ich habe<br />

<strong>de</strong>n Fehler gemacht zu sagen: ≫Ich möchte<br />

<strong>de</strong>ine Eltern nicht anlügen, ich muß die Karten<br />

auf <strong>de</strong>n Tisch legen.≪ Und das war o<strong>de</strong>r<br />

wäre für ihn sehr dramatisch gewesen. Also<br />

haben wir uns getrennt.<br />

192


Domian: War er ein Kun<strong>de</strong> von dir?<br />

Joy: Nein! Nein! Ich habe ihn beim Tennis kennengelernt.<br />

Nach 14 Tagen habe ich ihm alles<br />

von mir erzählt. Was sehr furchtbar für<br />

ihn war. Aber er hing sehr an mir. Und so<br />

haben wir es miteinan<strong>de</strong>r versucht.<br />

Domian: Hast du diesen Mann geliebt?<br />

Joy: Ich liebe ihn immer noch.<br />

Domian: Aber ihr habt keinen Kontakt mehr?<br />

Joy: Nein. Aber er unterstützt uns sehr gut.<br />

Domian: Wie alt ist <strong>de</strong>ine Tochter?<br />

Joy: Sieben Jahre. Und sie ist ein wun<strong>de</strong>rbares<br />

und ganz liebes Mädchen. Und ich bin auch<br />

seit sechs Jahren nicht mehr in meinem Job.<br />

Domian: Warum?<br />

Joy: Es ging nicht mehr damals. Wegen <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s.<br />

Ich hatte mir das so einfach vorgestellt.<br />

Aber es funktionierte nicht. Ein Jahr habe<br />

193


ich es gemacht. Da merkte ich, daß ich bei<strong>de</strong><br />

Leben nicht <strong>aus</strong>einan<strong>de</strong>rhalten konnte.<br />

Domian: Hattest du nach <strong>de</strong>inem Ausstieg finanzielle<br />

Probleme?<br />

Joy: Ja, das war schon ein herber Einbruch.<br />

Aber ich hatte gute Rücklagen.<br />

Domian: Was hast du als Hure so im Durchschnitt<br />

pro Monat verdient?<br />

Joy: Ist schwer zu sagen. Es gab Tage, an <strong>de</strong>nen<br />

ich 500 bis 1000 DM verdient habe. Das<br />

war aber nicht regelmäßig so. Durststrecken<br />

kamen immer wie<strong>de</strong>r vor. Aber im ganzen<br />

war es schon sehr viel Geld.<br />

Domian: Als du r<strong>aus</strong> warst, hast du dann irgend<br />

etwas an<strong>de</strong>res gearbeitet?<br />

Joy: Ich habe von <strong>de</strong>n Reserven gelebt und ein<br />

Studium absolviert.<br />

Domian: Was hast du studiert?<br />

194


Joy: Germanistik, Politik und Geschichte. Abgeschlossen.<br />

Na ja, und jetzt wirst du dich<br />

wun<strong>de</strong>rn. Ich möchte wie<strong>de</strong>r in meinen alten<br />

Job.<br />

Domian: Mit <strong>de</strong>m ≫F<strong>aus</strong>t≪ unterm Arm zum<br />

Freier? Im Ernst — warum willst du das?<br />

Joy: Es zieht mich in dieses Milieu. Es hatte<br />

auch tolle Seiten. Der Verdienst eben, aber<br />

ich habe in dieser Szene auch ganz tolle Frauen<br />

getroffen. Es gibt viele dumme Frauen,<br />

die dort arbeiten. Aber eben auch diese Ausnahmen.<br />

Solche Frauen habe ich sonst noch<br />

nie kennengelernt. Das Bor<strong>de</strong>ll ist für mich<br />

auch irgendwie Heimat.<br />

Domian: Wie gelingt es dir, <strong>de</strong>ine private Sexualität<br />

von <strong>de</strong>r professionellen Sexualität<br />

zu trennen?<br />

Joy: Ganz einfach: Es ist wie bei <strong>de</strong>r Sch<strong>aus</strong>pielerei.<br />

Mein Hure-Sein ist eine Rolle. Wenn<br />

ich <strong>aus</strong> <strong>de</strong>m Bor<strong>de</strong>ll nach H<strong>aus</strong>e kam, habe<br />

ich mich abgeschminkt, die Pumps in die<br />

195


Ecke geschmissen, und sofort war ich nicht<br />

mehr Joy, son<strong>de</strong>rn ich.<br />

Domian: Hast du bei <strong>de</strong>iner Arbeit Orgasmen<br />

gehabt?<br />

Joy: Ich glaube, das ist mir anfänglich passiert.<br />

Da muß man ja erst einmal reinwachsen.<br />

Domian: Es ist also ehrenrührig?<br />

Joy: Ja, wenn die Kollegen das erfahren, dann<br />

ist das Geschrei groß: ≫Wie furchtbar! Wie<br />

unprofessionell!≪<br />

Domian: Wobei so ein kleiner Orgasmus ab und<br />

zu die Arbeit doch sicher versüßt?!?<br />

Joy: Da hast du recht. Es kommt aber auf <strong>de</strong>n<br />

Freier an.<br />

Domian: Na klar. Hast du nach einem Arbeitstag<br />

überhaupt noch Lust gehabt auf privaten<br />

Sex?<br />

Joy: So groß ist die Lust nicht gewesen. Und,<br />

obwohl ich nicht mehr arbeite, habe ich seit<br />

196


<strong>de</strong>r Zeugung meiner Tochter keinen Sex mehr<br />

gehabt.<br />

Domian: Seit sieben Jahren?<br />

Joy: So ist es.<br />

Domian: Vermißt du es?<br />

Joy: Ich vermisse die Liebe.<br />

Domian: Hast du <strong>de</strong>inem Kind schon <strong>aus</strong> <strong>de</strong>iner<br />

Vergangenheit erzählt?<br />

Joy: Nein.<br />

Domian: Wann wirst du es machen?<br />

Joy: Also, wenn ich jetzt wie<strong>de</strong>r einsteige, wer<strong>de</strong><br />

ich erst einmal lügen. Als Vorbereitung<br />

für die Wahrheit dient meine Erziehung. Ich<br />

vermittle ihr als ganz hohen Wert die Toleranz.<br />

Vielleicht versuche ich ihr es beizubringen,<br />

wenn sie 15 Jahre ist.<br />

Domian: Wür<strong>de</strong>st du es befürworten, wenn <strong>de</strong>ine<br />

Tochter auch in <strong>de</strong>in Gewerbe ginge?<br />

197


Joy: Nein. Ich habe soviel aufgebaut und habe<br />

ihr soviel Liebe gegeben, die ich nie bekommen<br />

habe. Sie hat nie, so wie ich, schlimmste<br />

Streitereien mitbekommen, sie kennt keine<br />

Vulgärgespräche — und sie kennt keine<br />

Gewalt. Ich möchte, daß das so bleibt.<br />

Ich möchte, daß sie ihr Leben führt. Weit<br />

ab von alle<strong>de</strong>m. Trotz<strong>de</strong>m, auch wenn sich<br />

das jetzt kritisch angehört hat, möchte ich<br />

zum Schluß noch sagen: Dieser Beruf, <strong>de</strong>r<br />

Huren-Beruf, sollte von <strong>de</strong>r Gesellschaft mehr<br />

anerkannt wer<strong>de</strong>n. Ich habe schon so viel<br />

Abweisung erfahren. Und ich möchte, daß<br />

sich das für mich und meine Kolleginnen<br />

än<strong>de</strong>rt.<br />

Domian: Liebe Joy, ich danke dir recht herzlich,<br />

daß du dich bei uns gemel<strong>de</strong>t hast. Dir<br />

und <strong>de</strong>iner Tochter alles Gute.<br />

198


Kapitel 25<br />

Inzest<br />

Durch meine Arbeit als Talk-Radio-Mo<strong>de</strong>rator<br />

ist mir klar gewor<strong>de</strong>n, wie erschreckend hoch<br />

die Zahl <strong>de</strong>r sexuell mißbrauchten Menschen in<br />

unserer Gesellschaft ist. Dazu zählen die furchtbaren<br />

Vergehen an Mädchen und Jungen, die<br />

Vergewaltigungen in und außerhalb <strong>de</strong>r Ehe und<br />

die noch weitgehend tabuisierten sexuellen Gewalttaten<br />

von Männern an Männern.<br />

Immer wie<strong>de</strong>r wur<strong>de</strong>n mir Tragödien berichtet,<br />

die sich im abgeschotteten Refugium <strong>de</strong>r<br />

Familie abgespielt haben. Die Geschichte <strong>de</strong>r<br />

38jährigen Rosa ist so ein Fall. Das Thema <strong>de</strong>r<br />

Sendung hieß ≫Sex in verschie<strong>de</strong>nen Altersphasen≪.<br />

Ich hatte mich auf eher lockere Gespräche<br />

199


eingestellt und war um so berührter, als Rosa —<br />

sie war die erste Anruferin in dieser Nacht —<br />

zu erzählen begann.<br />

Rosa: Ich lebe seit 20 Jahren ohne Sex. Genauer<br />

gesagt: meinen letzten Sex hatte ich mit<br />

16.<br />

Domian: Wie kommt das?<br />

Rosa: Ich bin mit 8 Jahren mißbraucht wor<strong>de</strong>n.<br />

Und dann immer wie<strong>de</strong>r, bis 15, von meinem<br />

Großvater. Dann bin ich schwanger gewor<strong>de</strong>n.<br />

Domian: Von <strong>de</strong>m Großvater?<br />

Rosa: Ja. Dadurch ist die Sache ins Rollen gekommen.<br />

Das heißt, ich habe es meiner Familie<br />

erzählt, und ich habe meinen Großvater<br />

angezeigt. Gott sei Dank war ich stark<br />

genug es durchzustehen. Ich mußte ja vor<br />

Gericht <strong>aus</strong>sagen. Er ist dann verurteilt wor<strong>de</strong>n.<br />

Danach wur<strong>de</strong> ich <strong>de</strong>r Familie entzogen<br />

und habe meine Tochter geboren.<br />

200


(Gesprächsp<strong>aus</strong>e) Ich wollte das Kind. Das<br />

Kind war meine Rettung.<br />

Domian: Warum <strong>de</strong>ine Rettung?<br />

Rosa: Die Tochter war meine einzige Chance,<br />

<strong>aus</strong> dieser Misere her<strong>aus</strong>zukommen.<br />

Domian: Wur<strong>de</strong>st du nicht du die Tochter an<br />

die vermutlich für dich so schrecklichen Jahre<br />

ständig erinnert? (Gesprächsp<strong>aus</strong>e)<br />

Rosa: Eigentlich nie.<br />

Domian: Hast du dieses Kind mit ganzem Herzen<br />

angenommen?<br />

Rosa: Eigentlich schon. Mein Leben hat sich<br />

immer um meine Tochter gedreht.<br />

Domian: Gab es wirklich nie einen üblen Beigeschmack?<br />

Mußtest du nicht hin und wie<strong>de</strong>r<br />

an <strong>de</strong>n Großvater <strong>de</strong>nken?<br />

Rosa: Na ja — doch. Und hinzu kam, meine<br />

Familie hat mich nie mehr akzeptiert.<br />

201


Domian: Dich hat die Familie nicht mehr akzeptiert?<br />

Rosa: Nein, nie mehr.<br />

Domian: Wie erklärst du dir das, daß die Familie<br />

dich verurteilt und nicht <strong>de</strong>n Großvater?<br />

Rosa: Ich habe Schan<strong>de</strong> über die Familie gebracht.<br />

Weil ich damals alles erzählt habe,<br />

weil ich Großvater angezeigt habe.<br />

Domian: Hast du nicht einen unglaublichen Zorn?<br />

Rosa: Oh, doch. Schrecklich viel Zorn.<br />

Meine Tochter hat mit 20 Jahren versucht,<br />

<strong>de</strong>n Kontakt wie<strong>de</strong>r aufzubauen, zwischen<br />

meinen Eltern und mir. Und mein Vater hat<br />

nur zu ihr gesagt: Wie soll ich dich ansprechen?<br />

Bist du nun meine Enkelin o<strong>de</strong>r meine<br />

Schwester? Was bist du? Darauf hat meine<br />

Tochter gesagt: Du kannst mich mal.<br />

Domian: War es für dich sehr schwer, als du<br />

zum ersten Mal alles <strong>de</strong>iner Tochter erzählt<br />

hast?<br />

202


Rosa: Meine Tochter hat es seit ihrem fünftem<br />

Lebensjahr gewußt.<br />

Domian: Wie kam das?<br />

Rosa: Mein Mann hat es immer mir ihr besprochen.<br />

Domian: Dein Mann?<br />

Rosa: Ja, ich bin seit 20 Jahren verheiratet. Mit<br />

einem Homosexuellen.<br />

Domian: Warum bist du mit einem Homosexuellen<br />

verheiratet?<br />

Rosa: Der Homosexuelle war damals mein Gynäkologe.<br />

Er hat mich psychisch aufgebaut. Er<br />

hat mir alles gegeben, war ich brauchte. Sex<br />

natürlich nicht. Aber <strong>de</strong>n habe ich damals<br />

auch nicht gebraucht.<br />

Domian: Hast du heute sexuelle Bedürfnisse?<br />

Rosa: Seit meine Tochter <strong>aus</strong>gezogen ist, habe<br />

ich solche Bedürfnisse. Obwohl ich nicht<br />

203


weiß, was Sexualität ist. Ich kenne ja nur<br />

<strong>de</strong>n Mißbrauch.<br />

Domian: Hast du irgendwann professionelle Hilfe<br />

gesucht, um das alles zu verarbeiten?<br />

Rosa: Ja, ich war damals drei Jahre bei einem<br />

Therapeuten. Dieser Therapeut war <strong>de</strong>r Partner<br />

meines Mannes.<br />

Domian: Hat dir die Therapie geholfen?<br />

Rosa: Damals hat es ganz gut getan. Aber eigentlich<br />

weiß ich es nicht. Am meisten tut<br />

mir noch heute weh, daß sich meine Familie<br />

so verhalten hat.<br />

Domian: Wür<strong>de</strong>st du gerne wie<strong>de</strong>r Kontakt zu<br />

<strong>de</strong>iner Familie haben?<br />

Rosa: (Weint) Zu meinen Eltern ja. Aber es ist<br />

<strong>aus</strong>sichtslos. Ich habe es zweimal versucht<br />

— und eben meine Tochter.<br />

Domian: Rosa, du lebst mit einem homosexuellen<br />

Mann zusammen. Ist das eine gute Freundschaft,<br />

die euch verbin<strong>de</strong>t?<br />

204


Rosa: Das ist eine ganz große Freundschaft. Und<br />

er hat auch einen Partner. Immer noch <strong>de</strong>n<br />

Therapeuten.<br />

Domian: Lebt ihr zu dritt zusammen?<br />

Rosa: Nein, ich lebe mit meinem Mann zusammen.<br />

Das ist für ihn auch ein gutes Alibi. Er<br />

ist in einer Führungsposition.<br />

Domian: Du sagtest vorhin, daß du mittlerweile<br />

sexuelle Bedürfnisse hast . . .<br />

Rosa: Die ersten Jahre nach <strong>de</strong>m Mißbrauch<br />

hatte ich überhaupt kein Verlangen. Dann<br />

die darauffolgen<strong>de</strong>n Jahre . . . na ja, da habe<br />

ich mich sehr um meine Tochter gekümmert.<br />

Domian: Wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>in Mann es tolerieren, wenn<br />

du jetzt vielleicht ein Verhältnis hättest?<br />

Rosa: Ja, natürlich.<br />

Domian: Unternimmst du etwas, einen Mann<br />

kennenzulernen?<br />

205


Rosa: Ich habe wahnsinnige Angst vor Sex. Ich<br />

habe wahnsinnige Angst, irgend etwas von<br />

mir zu geben.<br />

Domian: Ich könnte mir vorstellen, daß die drei<br />

Jahre Therapie, die du gemacht hast — zumal<br />

es auch schon so lange zurückliegt —<br />

nicht <strong>aus</strong>reichen. Hast du darüber nachgedacht,<br />

jetzt noch mal in eine Behandlung zu<br />

gehen?<br />

Rosa: Ja.<br />

Domian: Ich glaube, das wäre sicher richtig.<br />

Rosa: Das müßte dann aber jemand an<strong>de</strong>res<br />

sein als <strong>de</strong>r Partner meines Mannes.<br />

Domian: Das <strong>de</strong>nke ich auch. Weißt du, wie<br />

man so Vorhaben angeht und organisiert?<br />

Rosa: Na ja . . .<br />

Domian: Dann bleib doch mal am Telefon. Unsere<br />

Psychologin kann dir sicher ein paar<br />

Tips geben.<br />

206


Rosa: Ja, das wäre sehr gut.<br />

Domian: Ich danke dir für <strong>de</strong>in Vertrauen und<br />

wünsche dir viel Glück.<br />

207


Kapitel 26<br />

Übersinnliches<br />

Daniela: Ich habe oft Träume von Unglücksfällen,<br />

die dann wirklich eintreffen.<br />

Domian: Kannst du mal ein Beispiel nennen?<br />

Daniela: Vor ein paar Jahren habe ich geträumt,<br />

daß eine männliche Person auf einer Couch<br />

sitzt, sich an die Brust greift und ein schmerzverzerrtes<br />

Gesicht hat. Diese Person ist dann<br />

aufgestan<strong>de</strong>n und zu Bo<strong>de</strong>n gestürzt. Der<br />

Kragen war blutig. Und <strong>de</strong>r Mann ist nach<br />

einer kurzen Zeit gestorben. Dann kam meine<br />

Mutter in das Zimmer, sah <strong>de</strong>n Mann,<br />

stellte fest, daß er tot war, und zog ihm die<br />

Schuhe <strong>aus</strong>. Soweit <strong>de</strong>r Traum.<br />

Einige Tage später hat dann meine Mutter<br />

208


angerufen und mir erzählt, daß mein Onkel<br />

gestorben ist. Und sie hat mir haargenau alles<br />

so erzählt, wie ich es geträumt hatte. Sie<br />

hatte ihn gefun<strong>de</strong>n und ihm die Schuhe <strong>aus</strong>gezogen.<br />

Sein Kragen war blutverschmiert,<br />

und er lag auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n.<br />

Domian: Hast du <strong>de</strong>ine Mutter nach <strong>de</strong>n Einzelheiten<br />

gefragt?<br />

Daniela: Nein, ich habe sie erzählen lassen. Ich<br />

bat sie alles ganz genau zu schil<strong>de</strong>rn. Zuerst<br />

sagte sie nur: ≫Dein Onkel ist tot, es<br />

war das Herz.≪ Mir kam bei <strong>de</strong>m Stichwort<br />

Herz sofort mein Traum in Erinnerung. Na<br />

ja, und dann berichtete sie. Und alles stimmte<br />

mit <strong>de</strong>m Traum überein. Auch zum Beispiel<br />

die Kleinigkeit — das habe ich gera<strong>de</strong><br />

gar nicht erzähl — dass die Tisch<strong>de</strong>cke<br />

auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n lag. Der Mann in meinem<br />

Traum hatte sich vor Schmerzen am Tisch<br />

festhalten wollen und riß somit das Tischtuch<br />

zu Bo<strong>de</strong>n.<br />

209


Domian: Kannst du noch ein Beispiel nennen?<br />

Daniela: Ich hab eim Traum ein brennen<strong>de</strong>s H<strong>aus</strong><br />

gesehen — und verbrennen<strong>de</strong> Kin<strong>de</strong>r. Und<br />

im Traum habe ich gedacht: ≫Mein Gott,<br />

warum träumst du nur sowas?≪ Ich habe<br />

die Szene so real geträumt. Ich habe noch<br />

heute die Gerüche im Kopf. Auch <strong>de</strong>n Geruch<br />

von <strong>de</strong>m brennen<strong>de</strong>n Fleisch. Ich wollte<br />

etwas tun, im Traum, aber ich war völlig<br />

machtlos. Ich mußte alles mitansehen. Dann<br />

war <strong>de</strong>r Traum zu En<strong>de</strong>.<br />

Wie<strong>de</strong>r ein paar Tage später habe ich erfahren,<br />

daß zwei Kin<strong>de</strong>r von einer befreun<strong>de</strong>ten<br />

Familie in ihrem H<strong>aus</strong> verbrannt sind.<br />

Und wie<strong>de</strong>r stimmten viele Details <strong>aus</strong> <strong>de</strong>r<br />

Realität überein mit meinem Traum. Das ist<br />

schrecklich.<br />

Domian: Sind es immer nur negative Dinge,<br />

die du vorweg träumst?<br />

Daniela: Ja. Und <strong>de</strong>shalb habe ich häufig große<br />

Angst am Abend, wenn ich im Bett liege, vor<br />

210


<strong>de</strong>m <strong>Eins</strong>chlafen. Es ist ein so furchtbares<br />

Gefühl, wenn ein solcher Traum dann Wirklichkeit<br />

wird.<br />

Domian: Seit wann hast du diese Träume?<br />

Daniela: Ach, beim ersten Mal, da war ich ein<br />

junges Mädchen. Damals habe ich vom Tod<br />

eines unkonkreten Bekannten geträumt, diesen<br />

Traum aber nicht son<strong>de</strong>rlich ernstgenommen.<br />

Er kam mir erst wie<strong>de</strong>r ganz klar<br />

in <strong>de</strong>n Sinn, als kurz darauf ein Bekannter<br />

wirklich gestorben ist. Ab diesem Zeitpunkt<br />

begann ich, mich genauer zu beobachten,<br />

meine Träume quasi im Auge zu behalten.<br />

Domian: Wie oft träumst du solche Sachen?<br />

Daniela: Manchmal gibt es über Monate keinen<br />

einzigen Traum dieser Art, aber dann<br />

ist plötzlich wie<strong>de</strong>r einer da. Dabei han<strong>de</strong>lt<br />

es sich nicht <strong>aus</strong>schließlich um To<strong>de</strong>sträume,<br />

son<strong>de</strong>rn ich sehe im Traum Krankheiten, kleine<br />

o<strong>de</strong>r schlimme Unfälle, auch schwere Konflikte<br />

vor<strong>aus</strong>.<br />

211


Domian: Wie siehst du selbst dieses Phänomen?<br />

Daniela: Als einen Fluch. Weil ich nichts tun<br />

kann. Ich kann ja nie warnen, weil ich nie<br />

genau weiß, wen es trifft. Und wenn ich dann<br />

die Bestätigung erfahre, fühle ich mich mies<br />

und dreckig.<br />

Domian: Mies und dreckig?<br />

Daniela: Ja, schuldig?<br />

Domian: Mit wem re<strong>de</strong>st du über die Sache?<br />

Daniela: Hauptsächlich mit meinem Mann.<br />

Domian: Bist du religiös?<br />

Daniela: Ich bin Katholikin.<br />

Domian: Hast du wegen dieser Sache schon mit<br />

<strong>de</strong>inem Pfarrer gesprochen?<br />

Daniela: Ich halte nicht viel von <strong>de</strong>r Kirche.<br />

Domian: Es wäre vielleicht gut, wenn du —<br />

ich sage es mal so — einen kompetenten<br />

212


Gesprächspartner fin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>st, zum Beispiel<br />

einen renommierten Parapsychologen.<br />

In Freiburg gibt es an <strong>de</strong>r Universität ein Institut,<br />

das sich mit solchen Vorfällen beschäftigt.<br />

Daniela: Ja, das wäre unter Umstän<strong>de</strong>n eine<br />

I<strong>de</strong>e. Ich möchte gerne lernen, damit umzugehen.<br />

Wenn das überhaupt geht.<br />

213


Gesprächsprotokolle mp3-Dateien von<br />

www.nachlager.<strong>de</strong><br />

214


Kapitel 27<br />

Sozialhilfe<br />

Domian: Nicole, 31 Jahre alt. Guten Morgen!<br />

Nicole: Ja hallo, hier ist Nicole.<br />

Domian: Hallo Nicole. Du schämst dich?<br />

Nicole: Nein. Ich rufe an, weil ich mich nicht<br />

schäme, aber ständig alle Leute zu mir sagen<br />

≫Du solltest dich schämen≪, aber ich<br />

tue es nicht.<br />

Domian: Jetzt bin ich gespannt.<br />

Nicole: Und zwar bekomme ich seit meinem 17.<br />

Lebensjahr Sozialhilfe, obwohl ich eigentlich<br />

arbeiten könnte, ich will das aber nicht,<br />

weil das Geld reicht, und das will ich in Zukunft<br />

auch weiterhin so machen.<br />

215


Domian: Aha, auf <strong>de</strong>m Standpunkt stehst so du<br />

also.<br />

Nicole: Ja, und dieser Stoiber das ist mein größter<br />

Feind, ich wähle natürlich die GAL, die Grünen,<br />

und hoffe dass es noch ein bißchen mehr Sozialhilfe<br />

wird.<br />

Domian: Ach so. Du meinst, die Grünen wer<strong>de</strong>n<br />

das bewerkstelligen. Wenn überhaupt,<br />

dann die Grünen.<br />

Nicole: Ja. Ist in <strong>de</strong>r Vergangenheit ja auch schon<br />

so gewesen.<br />

Domian: Dürfte man dich auch Schmarotzer nennen?<br />

Nicole: (zögert) Ja.<br />

Domian: Du hast noch nie in <strong>de</strong>inem Leben<br />

gearbeitet?<br />

Nicole: Also ich habe schon mal ein bißchen<br />

gearbeitet, insgesamt vielleicht ein Jahr.<br />

Domian: Ein Jahr?<br />

216


Nicole: Ja.<br />

Domian: Du hast aber keine Ausbildung gemacht<br />

und nichts?<br />

Nicole: Keine Ausbildung, kein Schulabschluß<br />

. . .<br />

Domian: Und hast mit 17 dann so mitgekriegt,<br />

dass man Sozialhilfe beantragen kann und<br />

da ganz gut Kohle kriegt, ohne dass man<br />

sich die Finger schmutzig machen muß.<br />

Nicole: Ja, ich habe mich gewun<strong>de</strong>rt, wieviel<br />

Geld das ist.<br />

Domian: Wieviel kriegst du <strong>de</strong>nn im Monat?<br />

Nicole: Also im Moment sind das — noch in<br />

DM gerechnet — 530 o<strong>de</strong>r so, plus Miete<br />

und Krankenversicherung. Dann bekommt<br />

man zweimal im Jahr Klei<strong>de</strong>rgeld, das sind<br />

380 DM . . .<br />

Domian: Sag mal auf <strong>de</strong>n Monat bezogen, mit<br />

allem drum und dran, mit Mietzuschuß und<br />

217


alles was es da so gibt, wieviel — sag es<br />

ruhig in DM, das können wir uns alle am<br />

besten vorstellen — bekommst du <strong>de</strong>nn im<br />

Monat?<br />

Nicole: 1300.<br />

Domian: 1300 Mark?<br />

Nicole: Mit Zusatzanträgen plus Versicherung.<br />

Domian: Netto auf die Hand?<br />

Nicole: Ja.<br />

Domian: . . . mehr o<strong>de</strong>r weniger.<br />

Nicole: Ja.<br />

Domian: Und dann gibt’s im Jahr noch so Schmankerln,<br />

nämlich Klei<strong>de</strong>rgeld . . .<br />

Nicole: Genau. Ja.<br />

Domian: Kriegt man <strong>de</strong>nn auch Geld wenn man<br />

irgendwie ’nen neuen Kühlschrank braucht<br />

o<strong>de</strong>r ’nen neuen Fernseher?<br />

218


Nicole: Ja. Also ich habe auch schon mal gesagt<br />

dass mein Fernseher kaputtgegangen<br />

ist, dabei war er gar nicht kaputt. Da habe<br />

ich 300 Mark gekriegt.<br />

Domian: Ach so, das kontrollieren die gar nicht<br />

nach auf <strong>de</strong>m Sozialamt.<br />

Nicole: Nein.<br />

Domian: Du geht zum Sozialamt und sagst . . .<br />

Nicole: . . . ich habe CDs gekauft. (lacht)<br />

Domian: Ja, ich muß jetzt sehr tapfer sein im<br />

Moment, bei <strong>de</strong>m was du so erzählst. Kannst<br />

du dir vorstellen? Ich bin ganz fassungslos!<br />

Du gehst zum Sozialamt und sagst ≫Mein<br />

Fernseher ist kaputt≪, da sagen die ≫Prima!<br />

Ihr Fernseher ist kaputt. Hier haben sie 200<br />

Mark.≪<br />

Nicole: 300!<br />

Domian: 300 Mark! Die prüfen das überhaupt<br />

nicht nach, und dann gehst du mit <strong>de</strong>n 300<br />

Mark dir schöne CDs kaufen.<br />

219


Nicole: Genau.<br />

Domian: Man sollte es nicht glauben.<br />

Nicole: Ja.<br />

Domian: Die kontrollieren es nicht nach? Ich<br />

muß es nochmal fragen.<br />

Nicole: Also das liegt dann einfach an <strong>de</strong>n Mitarbeitern,<br />

<strong>de</strong>nk ich mal . . . o<strong>de</strong>r eine Detektei<br />

o<strong>de</strong>r was weiß ich was die da bräuchten.<br />

Domian: So. Eine 31jährige junge Frau bist du,<br />

eine selbstbewußte junge Frau, wie wir alle<br />

hören können . . .<br />

Nicole: Ja.<br />

Domian: . . . die gesund ist, die eigentlich voll<br />

im Job stehen könnte . . .<br />

Nicole: Ja.<br />

Domian: Was macht <strong>de</strong>nn Nicole <strong>de</strong>n ganzen<br />

Tag lang?<br />

220


Nicole: Also ich guck Fernsehen, dann höre ich<br />

Musik, dann — also ich komme <strong>aus</strong> Kiel —<br />

gehe hier schön an <strong>de</strong>r Ostsee spazieren,<br />

botanischer Garten, treffe mich mit Freun<strong>de</strong>n<br />

. . . ich habe eigentlich immer viel zu tun.<br />

Also ich kann nicht sagen dass ich Langeweile<br />

habe.<br />

Domian: Und die Freun<strong>de</strong> wissen das natürlich<br />

irgendwie alle. Die kriegen ja mit das du<br />

nicht arbeitest.<br />

Nicole: Also meine beste Freundin in Prostituierte<br />

— was mir ziemlich egal ist, es ist ihre<br />

Sache, ich mache es nicht — und sie hat halt<br />

nicht soviele Freun<strong>de</strong> und Umgang. Und sie<br />

hat eben Geld, und ich treff mich dann mit<br />

ihr und dann bezahlt sie das Essen ... und<br />

dann sage ich ≫Die und die CD bräuchte<br />

ich noch≪ o<strong>de</strong>r ≫ich möchte auch so gerne<br />

mal wie<strong>de</strong>r ein schönes Parfüm haben≪ . . .<br />

Domian: Und auf die Tour kriegst du das dann<br />

auch noch.<br />

221


Nicole: Ja.<br />

Domian: Wie ist es <strong>de</strong>nn so mit Urlaub? Fährst<br />

du auch in Urlaub?<br />

Nicole: Ne, dafür langt es dann doch nicht.<br />

Domian: Also man kann nicht zum Sozialamt<br />

gehen und sagen: ≫Ich möchte gerne mal<br />

für eine Woche auf die Malediven, weil ich<br />

mit <strong>de</strong>n Nerven so fertig bin≪. Und ich könnte<br />

mir dann vorstellen dass das Sozialamt<br />

dann auch sagt: ≫Natürlich, fahren sie auf<br />

die Malediven, damit sie wie<strong>de</strong>r fit wer<strong>de</strong>n.≪<br />

Nicole: Das ist das einzige was nicht klappt.<br />

Domian: Nicole, weißt du dass ich wirklich so<br />

einen Hals habe? Das ist dir jetzt wahrscheinlich<br />

klar, dass diese Reaktion jetzt kommt.<br />

Weil du lebst u.a. auch von meinem Geld.<br />

Nicole: Ja.<br />

Domian: Und von all <strong>de</strong>n Menschen, die richtig<br />

ackern, an Fließbän<strong>de</strong>rn . . .<br />

222


Nicole: Ja, die sind doof. Also die sind echt doof.<br />

Domian: Das fin<strong>de</strong>st du also doof? Wenn aber<br />

alle so <strong>de</strong>nken wür<strong>de</strong>n wie du, dann wäre<br />

diese Land am Bo<strong>de</strong>n.<br />

Nicole: Dann wür<strong>de</strong> ich mir ein an<strong>de</strong>res Land<br />

<strong>aus</strong>suchen.<br />

Domian: Ein an<strong>de</strong>res dummes Land?<br />

Nicole: Ja — man muß es auch mal so sehen.<br />

Domian: Ne, so darf man es aber nicht sehen,<br />

weil du wirklich ganz massiv an<strong>de</strong>re Menschen<br />

<strong>aus</strong>nutzt . . . . . . die für ihren Lebensunterhalt<br />

gera<strong>de</strong> stehen . . . und wir zahlen ja<br />

nun wirklich alle fett Steuern — wenn wir<br />

uns unsere Lohnabrechnung ansehen, dann<br />

<strong>de</strong>nken wir ja oft ≫Mein Gott, soviel Steuern≪<br />

—<br />

Nicole: . . . Ja. . . .<br />

Domian: — und die Steuern gehen . . .<br />

Nicole: Und ich <strong>de</strong>nke wie doof die doch sind.<br />

223


Domian: . . . u.a. auch dafür drauf dass wir Leute<br />

wie dich mit durchfüttern.<br />

Nicole: Ja.<br />

Domian: So, jetzt sage ich dir aber nochmal:<br />

Wenn aber alle so <strong>de</strong>nken wür<strong>de</strong>n wie du<br />

. . .<br />

Nicole: Tun sie ja nicht.<br />

Domian: Aber so muß man es dann doch mal<br />

durchspielen in Gedanken.<br />

Nicole: Ja.<br />

Domian: . . . dann wür<strong>de</strong> es keinen Wohlfahrts-<br />

Staat geben, dann wür<strong>de</strong> es nichts geben,<br />

wir wür<strong>de</strong>n hier sozusagen h<strong>aus</strong>en . . . ist dir<br />

alles scheißegal.<br />

Nicole: Ja.<br />

Domian: Dann wünsche ich — ich bin ja nun<br />

kein CSU-Mann — aber dann wünsche ich<br />

mir wirklich einen Politiker — wenn ich so-<br />

224


was höre! — <strong>de</strong>r rigoros aufräumt. Ich sage<br />

es wirklich auch so provokant.<br />

Nicole: Ja, unser Nachbarland Hamburg hat ja<br />

<strong>de</strong>n Schill . . .<br />

Domian: Ich will jetzt keine Werbung für Herrn<br />

Schill machen, aber ich wünsche mir einfach<br />

nur eine politische Haltung, die solche<br />

Leute wirklich her<strong>aus</strong>filtert <strong>aus</strong> <strong>de</strong>m sozialen<br />

System, weil du bringst auch jene in ein<br />

schlechtes Licht, die es wirklich nötig haben.<br />

Und es gibt Menschen die Sozialhilfe<br />

verdammt nötig haben. Und ich möchte<br />

nicht, dass alle Sozialhilfeempfänger in ein<br />

schlechtes Licht gerückt wer<strong>de</strong>n, durch Leute<br />

wie dich. Ist dir auch egal?<br />

Nicole: Ja.<br />

Domian: Na, ich gehe über Leichen, so bist du<br />

drauf.<br />

Nicole: Ja. Also ich habe auch für alles Ausre<strong>de</strong>n:<br />

ich hatte mal einen Bandscheiben-<br />

225


Vorfall, <strong>de</strong>swegen kann ich jetzt angeblich<br />

nicht putzen, obwohl das wie<strong>de</strong>r okay ist mit<br />

meiner Bandscheibe — dann bin ich vorbestraft,<br />

da war ich auch auf Staatskosten, das<br />

war noch teurer für <strong>de</strong>n Staat . . .<br />

Domian: Was hast du gemacht?<br />

Nicole: Körperverletztung.<br />

Domian: Du hast jeman<strong>de</strong>n zusammengeschlagen?<br />

Nicole: Ne, mit einem Messer ein bißchen angeschlitzt,<br />

ist schon lange her. Und dadurch<br />

kann ich z.B. nicht Spielhallenaufsicht wer<strong>de</strong>n.<br />

Und dadurch dass ich keinen Abschluß,<br />

keine Ausbildung habe gibt es auch viele<br />

viele Arbeiten, die ich nicht machen kann<br />

. . .<br />

Domian: Nicole, wenn jetzt . . .<br />

Nicole: . . . für Computer bin ich zu doof, angeblich<br />

. . .<br />

226


Domian: Ich glaube das nicht. Du bist ziemlich<br />

pfiffig sogar.<br />

Nicole: . . . ja, und ich habe da immer so meine<br />

Ausre<strong>de</strong>n . . .<br />

Domian: So, Nicole, jetzt nehmen wir mal an:<br />

Politiker X — wir nennen keinen Namen —<br />

wird Bun<strong>de</strong>skanzler.<br />

Nicole: Oha!<br />

Domian: Und Politiker X sagt — sagen wir mal,<br />

<strong>de</strong>r Domian wird Bun<strong>de</strong>skanzler. Und <strong>de</strong>r<br />

Domian — ich weiß gar nicht, ob man da<br />

soviel Macht so schnell bekommt — sagt:<br />

≫Forstet all diese Sozialhilfe-Empfänger durch<br />

und geht wirklich knallhart mit Leuten um,<br />

die nur schmarotzen.≪ So, damit wärst auch<br />

du betroffen. Und <strong>de</strong>nen wird das Geld um<br />

80 Prozent runtergekürzt.<br />

Nicole: Oh Gott!<br />

Domian: Was wür<strong>de</strong>st du dann machen?<br />

Nicole: <strong>Eins</strong>pruch!<br />

227


Domian: Nix! <strong>Eins</strong>pruch gibt es nicht. Ist ein<br />

Gesetzt, ist erlassen.<br />

Nicole: Oha!<br />

Domian: Was wäre dann?<br />

Nicole: Dann müßte ich noch mehr betteln, und<br />

noch ein bißchen mehr schmarotzen . . . also<br />

meine Eltern geben mir auch immer Geld,<br />

hatte ich auch noch nicht erwähnt.<br />

Domian: Die geben dir sogar noch Geld, obwohl<br />

die mitkriegen, dass du so faul bist.<br />

Nicole: Ja, aber ich sage einfach am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />

Monats: ≫Ich habe nichts mehr zu essen.≪<br />

Domian: Sind die <strong>de</strong>nn wohlhabend?<br />

Nicole: Sagen wir mal so: guter Durchschnitt.<br />

Domian: Aber <strong>de</strong>r Vater geht arbeiten . . .<br />

Nicole: Ja, bei<strong>de</strong>.<br />

Domian: Bei<strong>de</strong> gehen arbeiten? Aber schämen<br />

die sich <strong>de</strong>nn nicht irrsinnig für ihre Tochter.<br />

228


Nicole: Ne, die sehen das nicht so eng. Also<br />

meine Mutter sagt gar nichts, mein Vater<br />

pöpelt mal, aber eine halbe Stun<strong>de</strong> später<br />

gibt er mir dann doch Geld.<br />

Domian: Was macht <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>in Vater von Beruf?<br />

Nicole: Also erstens arbeitet er als Maler, und<br />

dann arbeitet er nebenbei noch in einer Telefongesellschaft.<br />

Domian: So, das ist jetzt ja auch eine harte Arbeit,<br />

wenn er als Maler und Lackierer arbeitet,<br />

ist ja auch ein harter Job . . .<br />

Nicole: Er ist sogar Vorarbeiter.<br />

Domian: Da ist das Geld aber auch nicht so<br />

leicht verdient.<br />

Nicole: Ja.<br />

Domian: Und du sitzt fett in <strong>de</strong>inem Sofa und<br />

zockst von <strong>de</strong>inem Papa ab.<br />

229


Nicole: . . . und meine Mutter geht am Wochenen<strong>de</strong><br />

noch servieren, noch nebenbei . . .<br />

Domian: So, und die verdienen auch nicht viel<br />

die Servierer und die Kellner, die müssen<br />

wirklich auf <strong>de</strong>n Pfennig gucken.<br />

Nicole: Ja.<br />

Domian: Hast du auch kein schlechtes Gewissen,<br />

selbst wenn es um <strong>de</strong>inen Mama und<br />

<strong>de</strong>inen Papa geht.<br />

Nicole: Ne, eigentlich nicht. Sie haben ja auch<br />

nur ein Kind und dann können sie das ja<br />

auch geben.<br />

Domian: Oh Nicole, ich will es nicht hören . . .<br />

wenn du jetzt gleich sagen wür<strong>de</strong>st: ≫Domian,<br />

ich habe dich verarscht, das stimmt<br />

alles gar nicht.≪<br />

Nicole: (lacht)<br />

Domian: Aber es ist lei<strong>de</strong>r nicht so? Es ist unglaublich!<br />

Ich bin fassungslos. Mit welcher<br />

Coolheit du das auch so erzählst.<br />

230


Nicole: Ja, aber es steht doch schon in <strong>de</strong>r Bibel<br />

geschrieben, dass die Leute, die viel haben,<br />

es <strong>de</strong>n Ärmeren . . .<br />

Domian: Ach, hör mir doch auf mit so blö<strong>de</strong>n<br />

Sprüchen!<br />

Nicole: Doch!<br />

Domian: Das ist doch dusselig. Ich laß mich<br />

doch nicht auf irgendwelche Bibelsprüche<br />

ein . . . also selbst wenn die Sozialhilfe radikal<br />

gekürzt wür<strong>de</strong>, wür<strong>de</strong> das dich nicht<br />

animieren arbeiten zu gehen.<br />

Nicole: Ne. Also mehr betteln . . . ich habe auch<br />

schon mal von einem Musiker — ich sage<br />

keinen Namen — da habe ich so ein paar<br />

Bettelbriefe geschrieben, mit einer Kopie bei,<br />

dass ich Sozialhilfe-Empfänger bin, so im<br />

Dezember, zu Weihnachten — und einer hat<br />

mir was geschickt.<br />

Domian: Weißt du, was ich so schlimm daran<br />

fin<strong>de</strong> ist, dass — ich sage es mal jetzt so sa-<br />

231


lopp — du <strong>de</strong>n Leuten, die es wirklich nötig<br />

haben das Geschäft kaputt machst. Die wirklich<br />

krank sind, die alt sind, die wirklich<br />

nicht mehr krank sind.<br />

Nicole: Aber die kriegen doch auch was.<br />

Domian: ja, aber die Stimmung schlägt ja immer<br />

auch mehr um im Moment. Eben weil<br />

auch solche Fälle immer mehr bekannt wer<strong>de</strong>n,<br />

wie jetzt auch <strong>de</strong>in Fall. Und das geht<br />

eben zu Lasten <strong>de</strong>r Bedürftigen und Betroffenen.<br />

Nicole: Ja.<br />

Domian: Hast du <strong>de</strong>nn — ich versuche mich<br />

jetzt auch in <strong>de</strong>ine Seele reinzu<strong>de</strong>nken, in<br />

<strong>de</strong>in Selbstverständnis — auch Erfolgerlebnisse?<br />

Nicole: Erfolgserlebnisse?<br />

Domian: Wenn man nur so nimmt . . . die Eigenwertigkeit.<br />

232


Nicole: . . . wenn ich mal wie<strong>de</strong>r was gekriegt<br />

habe, wenn ich ein Parfüm von dieser Freundin<br />

abgezockt habe . . .<br />

Domian: Fin<strong>de</strong>st du dass du ein toller Typ bist?<br />

Nicole: Hmmm . . . Unwi<strong>de</strong>rstehlich.<br />

Domian: Hast du eigentlich einen Freund?<br />

Nicole: Seit Oktober nicht mehr.<br />

Domian: Aber vorher schon?<br />

Nicole: Also ich hatte insgesamt drei.<br />

Domian: Waren das auch Leute die so drauf<br />

sind wie du, o<strong>de</strong>r haben die gearbeitet?<br />

Nicole: Also <strong>de</strong>r eine hatte sehr viel Geld, hat<br />

aber keine Mark abgegeben, ganz fürchterlich.<br />

Der an<strong>de</strong>re hatte einigermaßen Geld,<br />

<strong>de</strong>r hat auch was abgegeben. Und <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />

war verheiratet, dass war nur mal so für<br />

zwischendurch, <strong>de</strong>n hat das nicht so weiter<br />

interessiert.<br />

233


Domian: So, Nicole. Jetzt been<strong>de</strong>n wir dieses<br />

Gespräch. Ich wünsche von ganzem Herzen,<br />

dass dir <strong>de</strong>r Geldhahn abgedreht wird.<br />

Nicole: Ach was.<br />

Domian: Und das Leute wie du es wirklich mal<br />

am eigenen Leib erfahren für ihre eigene<br />

Existenz gera<strong>de</strong>zustehen.<br />

Nicole: (legt auf)<br />

Domian: Jetzt war es wahrscheinlich zu hart<br />

für Nicole und sie hat aufgelegt. Aber das<br />

muß man doch so sagen.<br />

234


Kapitel 28<br />

Goldfische<br />

Domian: Hardy, 30.<br />

Hardy: Jo!<br />

Domian: Jo! Heimliche Vorlieben: auch Schnuller?<br />

Hardy: Ne, nicht Schnuller.<br />

Domian: Son<strong>de</strong>rn?<br />

Hardy: Ich habe Fische zuh<strong>aus</strong>e, Aquarien. Ich<br />

bin lei<strong>de</strong>nschaftlicher Aquarianer.<br />

Domian: Du bist lei<strong>de</strong>nschaftlicher Aquarianer?<br />

Hardy: Ja!<br />

Domian: Habe ich auch noch nie gehört das<br />

Wort.<br />

235


Hardy: Vorzugsweise Goldfische. Zuchtform mit<br />

Teleskopaugen.<br />

Domian: Wie groß ist das Aquarium?<br />

Hardy: Also ich habe mehrere Aquarien. Das<br />

größte das ich habe ist an die 400 Liter.<br />

Domian: Kann ich mir jetzt garnicht vorstellen.<br />

400 Liter? Sag mal wie lang! 1 Meter?<br />

2 Meter?<br />

Hardy: Nö, das ist ungefähr 1,50 Meter und<br />

und 50 cm breit.<br />

Domian: Aber du züchtest ja nicht?<br />

Hardy: Doch!<br />

Domian: Aber du züchtest sie doch sicher nicht<br />

heimlich?<br />

Hardy: Nö, heimlich nicht.<br />

Domian: Warum hast du dich dann zu unserem<br />

Thema gemel<strong>de</strong>t?<br />

Hardy: Ja, ganz einfach: weil ich eine bestimmte<br />

Vorliebe habe.<br />

236


Domian: Mit <strong>de</strong>n Fischen?<br />

Hardy: Ja!<br />

Domian: Was kommt <strong>de</strong>n jetzt für eine Sauerei?<br />

Hardy: Äh ja, Sauerei.<br />

Domian: Ich bin schon ganz gewappnet.<br />

Hardy: Weißt du, ich schaue in die Becken rein,<br />

und ich schaue mir meine Fische an, und<br />

ich habe die Fische gern, und ich habe die<br />

Fische schon recht lange, und ich hole mir<br />

dabei einen runter.<br />

Domian: Nein, das glaube ich nicht.<br />

Hardy: Doch!<br />

Domian: Das gibt’s nicht! Du kriegst doch keinen<br />

hoch von einem Goldfisch.<br />

Hardy: Doch!<br />

Domian: Ach Hardy! Wenn das <strong>de</strong>r Fall ist bist<br />

du völlig pervers.<br />

237


Hardy: Nein, das bin ich nicht.<br />

Domian: Du sitzt vor einem Aquarium — nackt<br />

o<strong>de</strong>r auch nicht nackt — und du kriegst eine<br />

Erektion wenn da fünf Goldfische entlangschwimmen?<br />

Hardy: Nein, weißt . . . du stellst dir das total<br />

falsch vor. Weißt, die Tiere kennen einen<br />

doch. So wie du da reinguckst in das Becken<br />

so gucken die Tiere auch wie<strong>de</strong>r r<strong>aus</strong>. Die<br />

schwimmen her ans Becken wenn du ranläufst<br />

. . .<br />

Domian: Halt, halt!<br />

Hardy: . . . und ich fin<strong>de</strong> sie total geil.<br />

Domian: Es erregt dich, wenn <strong>de</strong>r Goldfisch<br />

<strong>aus</strong> <strong>de</strong>m Aquarium auf <strong>de</strong>ine H<strong>aus</strong>e schaut?<br />

Hardy: Was heißt das meine Hose? Die gucken<br />

halt r<strong>aus</strong> <strong>aus</strong> <strong>de</strong>m Becken.<br />

Domian: Das erregt dich?<br />

238


Hardy: . . . die Glubschaugen . . . ich zieh mir<br />

halt einen ab dabei.<br />

Domian: Und das erregt dich sexuell wenn die<br />

Fische dich angucken.<br />

Hardy: Ja.<br />

Domian: Ich habe hier schon soviel gehört. Ich<br />

<strong>de</strong>nke immer, es ist nicht mehr zu toppen,<br />

aber das habe ich noch nie gehört: Jemand<br />

<strong>de</strong>r sich erregt fühlt, wenn Fische ihn anschauen.<br />

Hardy: Ja, ich fin<strong>de</strong> das total gut.<br />

Domian: Ich weiß jetzt nicht ob ich das glauben<br />

soll. Vielleicht bin<strong>de</strong>st du mir jetzt <strong>de</strong>n<br />

Mega-Bären auf.<br />

Hardy: Nein, das tue ich nicht. Ich weiß, es<br />

hört sich verrückt an . . . ich habe das auch<br />

noch von nieman<strong>de</strong>n gehört.<br />

Domian: Hast du das <strong>de</strong>nn jeman<strong>de</strong>n schon mal<br />

erzählt?<br />

239


Hardy: So direkt noch nicht. Weil es kommt ja<br />

irgendwo schon doof, wenn ich meinen Kumpels<br />

erzählte: ≫Hey Jungs, jetzt hört mal her,<br />

wenn ich ins Aquarium reingucke, und mir<br />

meine Fische angucke und ich wichs mir nebenher<br />

einen.≪ Ich meine, das kommt ja irgendwo<br />

schon doof.<br />

Domian: Hast du eine Freundin?<br />

Hardy: Im Augenblick nicht, nein.<br />

Domian: Aber du hattest sicher mal eine?<br />

Hardy: Na klar.<br />

Domian: Und hat die auch bei dir gewohnt?<br />

Hardy: Ja, fünf Jahre lang.<br />

Domian: Fünf Jahre lang? Hat die das mal mitbekommen?<br />

Hardy: Nein.<br />

Domian: Aber das war während dieser Zeit auch?<br />

Hardy: Auch während dieser Zeit, ja.<br />

240


Domian: Gehst du dann extra leicht beklei<strong>de</strong>t<br />

vor das Aquarium?<br />

Hardy: (lacht)<br />

Domian: Ja, ich muß dich jetzt so fragen.<br />

Hardy: Ja, mit Sicherheit. Wie man halt so zu<br />

H<strong>aus</strong>e rumläuft. Ich mein so mit Shorts und<br />

im Unterhemd.<br />

Domian: Wie gucken eigentlich die Fische wenn<br />

du gekommen bist? Wen<strong>de</strong>n die sich angewi<strong>de</strong>rt<br />

ab?<br />

Hardy: Wenn ich ans Becken ran laufe dann<br />

kommen die Fische schon automatisch hergeschwommen,<br />

weil sie davon <strong>aus</strong>gehen daß<br />

es was zum Fressen gibt.<br />

Domian: Ich meinte das gekommen in einem<br />

an<strong>de</strong>ren, einem übertragenen Sinne . . . wenn<br />

du einen Orgasmus hattest — was machen<br />

die Fische dann? Gucken die dich dann weiter<br />

an o<strong>de</strong>r Wusch sind sie weg?<br />

241


Hardy: (lacht) Ja, ich <strong>de</strong>nk schon. Weißt, ich<br />

hocke halt da davor . . .<br />

Domian: (Seufzt) Hier mache ich was mit! Glaubst<br />

du im Ernst, dass die Fische dich wahrnehmen?<br />

Hardy: Ja, also was meine Goldfische angeht<br />

mit Sicherheit Ja.<br />

Domian: Also die Goldfische machen dich am<br />

meisten geil.<br />

Hardy: Ich habe eigentlich mehrere Fische, aber<br />

ich bin mir sicher: die Goldfische — die leben<br />

auch recht lange und ich habe sie auch<br />

schon recht lange, bestimmt schon seit 6 o<strong>de</strong>r<br />

7 Jahren, die können recht alt wer<strong>de</strong>n die<br />

Tiere —<br />

Domian: Wie ist es <strong>de</strong>nn wenn du im Meer ba<strong>de</strong>st<br />

und du siehst da Fische. Geht es dann<br />

auch rund bei dir?<br />

Hardy: Also nö, im Meer ba<strong>de</strong>n tu ich nicht.<br />

Ich habe schon öfters so in <strong>de</strong>r Karibik Ur-<br />

242


laub gemacht, aber da halte ich mich dann<br />

am Pool auf.<br />

Domian: Was Hardy immer schon so? Sind das<br />

frühkindliche Erfahrungen mit einem Goldfischglas<br />

vielleicht? Wann hast du das zum<br />

ersten Mal bemerkt, daß <strong>de</strong>r Fisch dich anmacht?<br />

Hardy: (zögert) Mit 16, 17?<br />

Domian: Aber sonst ist bei dir alles auch in<br />

Ordnung?<br />

Hardy: Ich <strong>de</strong>nke schon, ja. Also mit meiner<br />

Freundin habe ich bisher schon normalen<br />

Geschlechtsverkehr gehabt. Ich weiß schon,<br />

daß es pervers ist . . .<br />

Domian: Na ja, es ist schon sehr schräg. Aber<br />

du scha<strong>de</strong>st ja nieman<strong>de</strong>n, selbst <strong>de</strong>m Fisch<br />

scha<strong>de</strong>st du nicht.<br />

Hardy: Ja, ich weiß schon daß es etwas neben<br />

<strong>de</strong>r Kappe ist . . .<br />

243


Domian: Wenn du mit einer Frau schläfst o<strong>de</strong>r<br />

mit <strong>de</strong>iner Freundin, mit <strong>de</strong>r du fünf Jahre<br />

zusammen warst — ich hoffe nicht, dass du<br />

dann auch an <strong>de</strong>n Fisch gedacht hast!<br />

Hardy: (lacht) Ne, in <strong>de</strong>m Augenblick habe ich<br />

mit Sicherheit nicht an <strong>de</strong>n Fisch gedacht.<br />

Ich trenne das irgendwo, das hat jetzt nichts<br />

mit Frauen zu tun. Wenn ich jetzt mit einer<br />

Frau im Bett bin, dann <strong>de</strong>nke ich mit Sicherheit<br />

nicht an Fische . . . aber ich mache es<br />

halt gern. Verstehe mich bitte richtig.<br />

Domian: Ich bin ja schon beruhigt.<br />

Hardy: Ich habe ein ganzes Zimmer, das ist eingerichtet<br />

mit lauter Aquarien in verschie<strong>de</strong>nen<br />

Größen.<br />

Domian: Weißt du was du bist? Du bist ein Exhibitionist<br />

vor Fischen. So könnte man es<br />

sagen. Ich glaube das ist die richtige Bezeichnung<br />

. . . Hardy, das ist die ungewöhnlichste<br />

heimliche Vorliebe, die ich bisher gehört<br />

244


habe, neben meinem berühmten Hackfleisch-<br />

Män, aber das ist ja wie<strong>de</strong>r eine an<strong>de</strong>re Story,<br />

das ist auch eine Nummer härter. . . . Ich<br />

danke dir für <strong>de</strong>in Vertrauen — o<strong>de</strong>r für die<br />

schöne Geschichte, sagen wir es mal so.<br />

Hardy: Ich bedanke mich, daß du zugehört hast.<br />

Domian: Ja klar, tue ich gerne, bei solchen Sachen<br />

immer. Alles Gute!<br />

Hardy: Ja, wünsche ich dir auch. Mach weiter<br />

so.<br />

Domian: Tschüß!<br />

245


Kapitel 29<br />

Sex-Shop<br />

Domian: Pia ist jetzt dran, sie ist 38. Guten morgen!<br />

Pia: Ja, hallo Domian, hier ist die Pia. Mir geht<br />

es also so ähnlich wie dir, ich bin auch sehr<br />

neugierig wenn es so um Sex geht, und habe<br />

dann kurzer Hand diese Neugier<strong>de</strong> zu meinem<br />

Beruf gemacht und arbeite jetzt in einem<br />

Sex-Shop.<br />

Domian: Im Sex-Shop?<br />

Pia: In einem Sex-Shop. Und ich muß dazu sagen,<br />

dass ich eine Dorf-Pomeranze bin . . .<br />

in unserem H<strong>aus</strong> wur<strong>de</strong> we<strong>de</strong>r über Sex gesprochen<br />

noch wur<strong>de</strong> er praktiziert . . .<br />

246


Domian: Na, ein bißchen vielleicht schon, sonst<br />

wärst du ja nicht entstan<strong>de</strong>n.<br />

Pia: (lacht) Ne, ich bin adoptiert. Ich habe auch<br />

aufgeschlossene Erlebnisse gehabt mit Männern,<br />

und das ist also auch ganz Prima und positiv<br />

verlaufen — ja, und jetzt in diesem Shop,<br />

da tun sich einem ganz neue Welten auf.<br />

Domian: Du bist Vollzeit-Angestellte in diesem<br />

Sex-Shop?<br />

Pia: Ich leite <strong>de</strong>n Shop. Ich bin für alles zuständig,<br />

auch für <strong>de</strong>n Einkauf und diese ganzen Geschichten.<br />

Domian: Du stehst aber auch im La<strong>de</strong>n und bedienst<br />

die Leute?<br />

Pia: Ja, natürlich, ja.<br />

Domian: Ja, da bist du ja an <strong>de</strong>n Lustobjekten<br />

hautnah dran.<br />

Pia: Hautnah dran, ja.<br />

247


Domian: An <strong>de</strong>n Sexspielzeugen, an <strong>de</strong>n Toys<br />

— an <strong>de</strong>n Sex-Toys.<br />

Pia: Ja.<br />

Domian: Was ist <strong>de</strong>nn das Sexspielzeug, das<br />

am besten geht?<br />

Pia: Ja Sexspielzeug . . . natürlich <strong>de</strong>r Vibrator<br />

in all seinen Variationen und Ausbaumöglichkeiten.<br />

Domian: Wird <strong>de</strong>r Vibrator hauptsächlich von<br />

Frauen gekauft?<br />

Pia: Ähm, nun muß ich lei<strong>de</strong>r sagen, dass <strong>de</strong>r<br />

Kun<strong>de</strong>nzulauf von <strong>de</strong>n Frauen noch nicht so<br />

hoch ist, wie ich ihn gerne erreichen möchte.<br />

Domian: Ja, stimmt, ja.<br />

Pia: Aber es ist so, dass die Männer die auch<br />

kaufen und sich da auch <strong>aus</strong>führlich beraten<br />

lassen.<br />

Domian: Also es ist ein heterosexueller Sex-<br />

Shop? Gemixt?<br />

248


Pia: Gemixt, absolut gemixt. Ich habe sämtliche<br />

Fetischbereiche, ich habe sämtlich — in<br />

Anführungszeichen — abartigen Wünschen,<br />

die ich da erfülle . . . Klinik-Sex und Klistier-<br />

Geschichten . . . und SM-Geschichten . . . Meine<br />

Kun<strong>de</strong>n fangen bei 17-18 an — ich muß<br />

wirklich nach <strong>de</strong>m Ausweiß fragen — und<br />

es ist <strong>de</strong>r Opa <strong>de</strong>m ich reinhelfe, <strong>de</strong>r von<br />

seinem Potenz-Problemen erzählt, <strong>de</strong>m ich<br />

weiterhelfen möchte.<br />

Domian: Aber du kannst doch keine Viagra verkaufen<br />

im Sex-Shop, das geht ja nicht.<br />

Pia: Nein, das geht natürlich nicht.<br />

Domian: Lass uns mal die Hitliste ein wenig<br />

vervollständigen: also, ganz ober steht <strong>de</strong>r<br />

Vibrator, <strong>de</strong>n kaufen die Männer wahrscheinlich<br />

hauptsächlich für ihre Frauen . . . o<strong>de</strong>r<br />

auch für sich selbst<br />

Pia: Ja, für sich selbst auch, natürlich.<br />

Domian: Was ist an zweiter Stelle?<br />

249


Pia: Ja, an zweiter Stelle sind die Magazine und<br />

Vi<strong>de</strong>os — das ist also <strong>de</strong>r Hauptschlager<br />

— dann die frei verkäuflichen Arztneimittel/Hilfsmittel<br />

wie Cremes, Tropfen und diese<br />

ganzen Geschichten.<br />

Domian: Was ist so mit Liebeskugeln zum Beispiel?<br />

Pia: Ja, das sind alles sehr gängige Artikel, die<br />

ich <strong>de</strong>n Frauen und auch <strong>de</strong>n Männern immer<br />

sehr <strong>aus</strong>führlich erkläre, die dann auch<br />

gerne gekauft wer<strong>de</strong>n, weil das ist für die<br />

Frau überhaupt <strong>de</strong>r Artikel schlechthin.<br />

Domian: Liebeskugeln?<br />

Pia: Ja!<br />

Domian: Wie machen dass die Frauen <strong>de</strong>nn?<br />

Pia: Die Frauen tragen die Kugeln wenn möglichst<br />

<strong>de</strong>n ganzen Tag über – also einfach mit Gleitcreme<br />

einführen.<br />

Domian: Wieviel Kugeln sind das in <strong>de</strong>r Regel?<br />

250


Pia: In <strong>de</strong>r Regel nimmt man zwei Kugeln.<br />

Domian: Die hängen aneinan<strong>de</strong>r.<br />

Pia: Richtig, genau. Können auch bis zu vier<br />

Kugeln sein. Es gibt auch Kugeln mit Vibration.<br />

Aber von <strong>de</strong>n Kugeln allein ist es<br />

so, dass natürlich <strong>de</strong>r Vagina-Muskel versucht<br />

es zu halten, bei je<strong>de</strong>r Bewegung, und<br />

dass natürlich die ganze Bo<strong>de</strong>nbeckenmuskulatur<br />

super entwickelt wird dadurch, und<br />

die Frau ist dann halt auch in <strong>de</strong>r Lage, mit<br />

diesen Muskeln zu arbeiten, auch beim Sex<br />

zu arbeiten.<br />

Domian: Das heißt es ist ein hervorragen<strong>de</strong>s<br />

Training für Frauen für <strong>de</strong>n Koitus.<br />

Pia: Ja natürlich, weil die Frau wird viel Orgasmusfähiger.<br />

Domian: Was kosten <strong>de</strong>nn so gute Liebeskugeln,<br />

so normale gute Liebeskugeln?<br />

Pia: Oh, ’ne gute Latex-Kugel kostet 20 Mark.<br />

251


Domian: Und da gibt es auch Kugeln die noch<br />

einen kleinen Motor eingebaut haben?<br />

Pia: Mit Vibration, ja.<br />

Domian: Das ist ja ganz schräg: du hast dann<br />

die Kugeln in dir und die vibrieren auch noch.<br />

Pia: Ja, richtig.<br />

Domian: Und die tragen die Frauen dann oftmals<br />

<strong>de</strong>n ganzen Tag.<br />

Pia: Ja, richtig.<br />

Domian: Das heißt: immer wenn ich eine Frau<br />

treffe könnte ich mich fragen: hat sich jetzt<br />

Kugeln drin o<strong>de</strong>r hat sie keine.<br />

Pia: Ja, Selbstverständlich.<br />

Domian: Und das ist dann für die Frau — könnte<br />

ich mir vorstellen — für die Frau eine<br />

permanente leicht erotisierte Stimmung.<br />

Pia: Selbst wenn du die Kugeln ohne Vibration<br />

trägst kommst du permanent in Stimmung.<br />

252


Im Prinzip bist du als Frau ständig in Erregung.<br />

Domian: Das sollte also letztendlich je<strong>de</strong>r Arbeitgeber<br />

finanzieren, damit die Sekretärin<br />

— o<strong>de</strong>r wer auch immer — stets in guter<br />

Stimmung ist.<br />

Pia: Klar, man hat immer ein lächeln im Gesicht.<br />

Domian: Also die gehen gut, sagst du.<br />

Du hast gera<strong>de</strong> am Anfang gesagt, dass die<br />

sehr viele seltsame Dinge passieren in diesem<br />

Sex-Shop.<br />

Pia: Ja!<br />

Domian: Was zum Beispiel? Erzähl mal!<br />

Pia: Ja, da war ein Kun<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r wohl über einen<br />

Riesenschwanz verfügte. Der kaufte im Laufe<br />

mehrerer Wochen alle großen Kondomsorten<br />

durch. Und irgendwann kam er dann<br />

ganz verlegen an: ob es <strong>de</strong>nn da noch was<br />

größeres gebe. ≫Na≪, sage ich, ≫kommen<br />

253


sie mal mit zu <strong>de</strong>m Regal mit <strong>de</strong>n ganzen<br />

Dildos — von welcher Größe sprechen wir<br />

<strong>de</strong>nn jetzt?≪ Da zeigt er mir auf die 30 cm.<br />

Ja, da bin ich natürlich zusammengezuckt<br />

und habe <strong>de</strong>n Reflex unterdrückt ihm auf die<br />

Hose zu schauen. Ich habe ihm dann angeboten<br />

mal rumzutelefonieren, ob ich irgendwas<br />

für sie tun kann.<br />

Domian: Und, konntest du was für ihn tun?<br />

Pia: Außer einem riesen Gelächter ≫Ha, ha, han<strong>de</strong>lt<br />

es sich um ein Pferd?≪ war natürlich<br />

nichts zu bekommen in dieser Größe.<br />

Domian: Aber gibt es <strong>de</strong>nn mittlerweile nicht<br />

auch Kondome für sehr gut gewachsene Männer?<br />

Pia: Ja, selbstverständlich.<br />

Domian: Aber nicht für 30 cm?<br />

Pia: Nein. Es ging ihn auch um <strong>de</strong>n Schutz, und<br />

er sprach auch darüber — die Kun<strong>de</strong>n vertrauen<br />

sich mir dann an — dass es ein riesen<br />

Problem ist eine Frau zu fin<strong>de</strong>n, die mit<br />

254


<strong>de</strong>n 30 cm was anfangen kann.<br />

Domian: Also sind das dann manchmal auch<br />

ganz intime Gespräche die du da führst? Ganz<br />

persönliche Dinge wer<strong>de</strong>n da besprochen.<br />

Pia: Ja. Da mußt man sich auch sehr viel einlesen<br />

in die ganzen Themen. Da gibt es aber<br />

gute Literatur um zu verstehen, was <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong><br />

da rüberbringt.<br />

Domian: Also ich könnte mir vorstellen, dass<br />

die meisten Leute die Nase rümpfen: ≫Ach,<br />

das ist ja eine Verkäuferin im Sex-Shop.≪ Aber<br />

das ist dann doch ein sehr anspruchsvoller<br />

Beruf.<br />

Pia: Selbstverständlich.<br />

Domian: Der sehr an das Substantielle bei manchen<br />

Menschen geht.<br />

Pia: Ja natürlich, man muß sehr empfindsam<br />

sein, auf die Kun<strong>de</strong>n eingehen können, man<br />

muß versuchen, dieses Vertrauen auch zu<br />

255


wecken, damit sich <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong> auch anvertrauen<br />

kann.<br />

Domian: Aber diesen 30-cm-Mann konntest du<br />

nicht gut bedienen.<br />

Pia: Nein, nein . . .<br />

Domian: Und <strong>de</strong>r Arme mußte von dannen gehen.<br />

Pia: Ja.<br />

Domian: Er wird wahrscheinlich von all <strong>de</strong>n<br />

Männern benei<strong>de</strong>t, aber letztendlich ist er<br />

nicht benei<strong>de</strong>nswert, weil er immer Probleme<br />

hatte.<br />

Pia: Ja, richtig.<br />

Domian: Sah man es ihm <strong>de</strong>nn an? War es so<br />

ein Tier von Mann?<br />

Pia: Nein, daß war ein ganz schüchterner im<br />

m<strong>aus</strong>grauen Anzug mit Aktenköfferchen. Und<br />

es war ihm furchtbar peinlich, bis er mit <strong>de</strong>r<br />

Sprache überhaupt r<strong>aus</strong>rückte.<br />

256


Domian: Und du glaubst ihm auch, er hat da<br />

nicht aufgeschnitten?<br />

Pia: Nein. Als er dann nochmal kam habe ich<br />

schon mal hingeguckt, das habe ich mir nicht<br />

verkneifen können.<br />

Domian: Das Thema heißt ≫Lustobjekte≪. Du<br />

bist <strong>de</strong>n ganzen Tag von Lustobjekten umgeben<br />

in <strong>de</strong>inem Shop. Ich könnte mir vorstellen,<br />

dass wenn man da als Frau arbeitet,<br />

dass man dann manchmal blöd angebaggert<br />

wird und selbst zum Lustobjekt wird. Ist das<br />

so?<br />

Pia: Es ist meinen Mitarbeiterinnen schon durch<br />

die Bank weg passiert. Die jungen Mädchen<br />

im Shop wer<strong>de</strong>n nicht ernst genommen. Also<br />

die Erfahrung war jetzt nicht so gut, wenn<br />

zu junge Frauen drinstehen. Es ist zwar was<br />

für’s Auge, aber die sind wirklich in Gefahr,<br />

weil da gibt’s dann Übergriffe.<br />

Bei mir ist es so: ich mache ganz auf konservativ.<br />

D.h. ich habe grundsätzlich keinen<br />

257


Rock und keinen Ausschnitt.<br />

Domian: Ach so, also mit Hosen und . . .<br />

Pia: Anzug, Bluse, . . .<br />

Domian: Rollkragenpulli . . .<br />

Pia: . . . schon schick also, und auch eine gewisse<br />

Distanz. Traut sich nicht gleich je<strong>de</strong>r<br />

mich anzusprechen. Aber ich gehe dann offen<br />

auf die Kun<strong>de</strong>n zu, dass die dann schon<br />

wissen, dass sie sich in diesen . . .<br />

Domian: Meinst Du die Männer haben weniger<br />

Scheu zu fragen nach gewissen Einzelheiten<br />

wenn da eine Frau ist o<strong>de</strong>r re<strong>de</strong>n die<br />

dann doch lieber mit einem Verkäufer.<br />

Pia: Ja, das ist eigentlich gemischt. Grundsätzlich<br />

wür<strong>de</strong> ich sagen ist es schon gut, dass<br />

Frauen in so einem Geschäft arbeiten, und<br />

Männer können damit auch umgehen, weil<br />

man auch flirten kann, das lockert es ja auf.<br />

Aber ich habe auch einen Piercer mit drin<br />

<strong>de</strong>r da schon mal mit <strong>aus</strong>hilft, und das ist<br />

258


auch ein Typ <strong>de</strong>r so re<strong>de</strong>t wie ihm das Maul<br />

gewachsen ist, da führen die so richtige Männergespräche,<br />

da ziehe ich mich dann auch ganz<br />

zurück.<br />

Domian: Dann ist das ja i<strong>de</strong>al besetzt. Ihr habt<br />

doch sicherlich im Sortiment diese aufblasbaren<br />

Puppen . . .<br />

Pia: Ja.<br />

Domian: Ich könnte mir vorstellen, dass man<br />

da auch sehr eingehen<strong>de</strong> Verkaufsgespräche<br />

führen muß. Ich habe mir das mal angeguckt,<br />

die sind ja irre teuer die Dinger.<br />

Pia: Ja, also bei <strong>de</strong>n einfachen Puppen so bis<br />

200 Mark fragt kein Kun<strong>de</strong>, die gucken sich<br />

eine Schachtel <strong>aus</strong> und nehmen das mit.<br />

Domian: Und wie teuer sind die teueren?<br />

Pia: Die hochwertigen so zwischen 800 und 1000<br />

Mark.<br />

Domian: Soviel? Warum sind die so teuer? Die<br />

259


läst man auf, die fühlen sich dann wahrscheinlich<br />

schön an, wie normale Haut . . .<br />

Pia: Die sind dann halt <strong>aus</strong> Latex . . .<br />

Domian: . . . und die Vagina ist elektrisch?<br />

Pia: Ja, die haben also Vagina, Anus und mit<br />

Vibration und dann auch richtige Hän<strong>de</strong>, die<br />

teilweise auch mit Vibration <strong>aus</strong>gestattet sind,<br />

die Köpfe sind auch an<strong>de</strong>rs gearbeitet —<br />

sieht schon toll <strong>aus</strong>.<br />

Domian: Wird da oft gekauft, auch gera<strong>de</strong> in<br />

<strong>de</strong>r hohen Preisklasse?<br />

Pia: In <strong>de</strong>r hohen Preisklasse seltener, aber in<br />

<strong>de</strong>r bis 200 Mark ist es ein sehr gängiger<br />

Artikel.<br />

Domian: Ein gängiger Artikel — sind das eher<br />

junge Männer die das kaufen?<br />

Pia: Hmm, mittleres Alter.<br />

Domian: Mittleres Alters — ist ja sehr kurios,<br />

wenn man da so eine aufblasbare Puppe im<br />

260


Bett liegen hat . . .<br />

Pia: Auch diese Vaginas die es da zu kaufen<br />

gibt . . .<br />

Domian: Es gibt auch nur Vaginas zu kaufen?<br />

Pia: Richtig, Seemannsbräute nennt man das.<br />

Domian: Das ist ja schräg.<br />

Pia: Das ist äußerst schräg. Aber die sind teilweise<br />

so hochwertig und realistisch, dass<br />

man oft als Frau davorsteht und sagt: ≫Ho,<br />

na ja!≪<br />

Domian: Ich stelle mir dieses Bild vor, wenn<br />

die Männer dann nach H<strong>aus</strong>e kommen und<br />

sich mit diesem kleinen Kästchen beschäftigen<br />

und ihren Bimmel da reinstecken — das<br />

ist doch völlig schräg.<br />

Pia: Ja, aber guck doch mal, wenn ich mich<br />

jetzt als Frau mit einem Vibrator verwöhne,<br />

und ich nehme als Variante jetzt einen, <strong>de</strong>r<br />

wirklich <strong>aus</strong>sieht wie ein echter, dann habe<br />

ich da auch keinen Mann.<br />

261


Domian: Nun bist du <strong>de</strong>n ganzen Tag mit soviel<br />

Dingen umgeben, gibt es da auch irgen<strong>de</strong>inen<br />

Gegenstand, <strong>de</strong>r dich auch erotisch<br />

interessiert und scharf macht?<br />

Pia: Ja, eine Menge, natürlich.<br />

Domian: Was <strong>de</strong>nn?<br />

Pia: Ja, diese ganzen Dildos und Vibratoren.<br />

Domian: Da sch<strong>aus</strong>t du gerne hin, obwohl du<br />

es <strong>de</strong>n ganzen Tag siehst?<br />

Pia: Ja. Ich bin schon oft gefragt wor<strong>de</strong>n, ob<br />

mich das abstumpft, das ist aber sicherlich<br />

nicht <strong>de</strong>r Fall. Ich bin dann auch mehr o<strong>de</strong>r<br />

weniger eine Dauererektion.<br />

Domian: Das heißt es kann auch schon mal sein,<br />

dass du das neueste Mo<strong>de</strong>ll das gera<strong>de</strong> reingekommen<br />

ist, du dir mit nach H<strong>aus</strong>e nimmst?<br />

Pia: Selbstverständlich.<br />

Domian: . . . es dann auch <strong>aus</strong>probierst, um richtig<br />

beraten zu können.<br />

262


Pia: Ja, richtig.<br />

Domian: Trägst du <strong>de</strong>nn je<strong>de</strong>n Tag auch Liebeskugeln?<br />

Pia: Ja.<br />

Domian: Je<strong>de</strong>n Tag?<br />

Pia: Ja!<br />

Domian: Also das sind ja die optimalen Vor<strong>aus</strong>setzungen<br />

für die Verkäuferin — o<strong>de</strong>r<br />

die Leiterin — eines Sex-Shops.<br />

Pia: Ja, selbstverständlich.<br />

Domian: Also keine Abstumpfung? Dich interessiert<br />

es nach wie vor. — Hast du einen<br />

festen Partner?<br />

Pia: Nö.<br />

Domian: Hast du schon mal jeman<strong>de</strong>n kennengelernt,<br />

mit <strong>de</strong>m du . . . — du hättest doch<br />

diesen 30-cm-Mann anbaggern können.<br />

263


Pia: Ja, er hat mich auf einen Kaffee eingela<strong>de</strong>n,<br />

aber ich habe dann die Standard-Aussage<br />

gewählt: ≫Mit Kun<strong>de</strong>n nie.≪<br />

Domian: Na ja, aber das ist doch ein interessantes<br />

Erlebnis gewesen.<br />

Pia: Na ja, ich weiß nicht ob ich 30 cm haben<br />

muß.<br />

Domian: Dann hättest du keinen Vibrator mehr<br />

gebraucht . . . Pia, das war die Frau, die ganz<br />

nah dran ist an <strong>de</strong>n gängigen Lustobjekten<br />

unserer Welt, sie arbeitet in einem Sex-Shop.<br />

Ich danke für <strong>de</strong>n Anruf, alles gute.<br />

Pia: Tschüß!<br />

264


Quellenangaben<br />

• ≫Jenseits <strong>de</strong>r Scham≪, ISBN 3-8025-1379-<br />

7, vgs, 1998<br />

• ≫Extreme Leben≪, ISBN 3-8025-1327-4, vgs,<br />

1996<br />

Die Protokolle <strong>aus</strong> <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Büchern sind<br />

offensichtlich stark gekürzte Gespräche.<br />

265


266


About<br />

Scan: Book-Keeper<br />

K-Leser: Klr<br />

Datum: 15. Juni 2003<br />

Dieses eBook ist eine nicht-kommerzielle<br />

Raubkopie. Wenn du dafür bezahlen<br />

mußtest — etwa bei eBay — dann hat man<br />

dich gelinkt.<br />

GREETINGS TO<br />

DOCGONZO-EBOOK-COMMUNITY<br />

267

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!