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Betriebsverlagerungen – Herausforderungen und Chancen

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Europäischer Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialausschuss<br />

<strong>Betriebsverlagerungen</strong> <strong>–</strong><br />

<strong>Herausforderungen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Chancen</strong><br />

EWSA-Spezial


- 3 -<br />

INHALT Seite<br />

Vorwort 5<br />

Beratende Kommission für den industriellen Wandel (CCMI): 7<br />

Die Rolle des Europäischen Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialausschusses als Förderer eines<br />

strukturierten Dialogs über den industriellen Wandel in der EU<br />

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialausschusses (EWSA) zu dem 11<br />

Thema "Ausmaß <strong>und</strong> Auswirkungen von <strong>Betriebsverlagerungen</strong>"<br />

Informationsbericht der CCMI zu dem Thema 31<br />

"Eine branchenspezifische Untersuchung von <strong>Betriebsverlagerungen</strong>"<br />

Eine branchenspezifische Untersuchung von <strong>Betriebsverlagerungen</strong>: 43<br />

Hintergr<strong>und</strong>fakten <strong>–</strong> Abschlussbericht<br />

Gesamtstudie online: http://eesc.europa.eu/sections/ccmi/docs/index_en.asp<br />

Programm / Bericht über die Konferenz 75<br />

"<strong>Betriebsverlagerungen</strong> <strong>–</strong> <strong>Herausforderungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Chancen</strong>"<br />

Download: http://eesc.europa.eu/sections/ccmi/events/index_en.asp?id=1470001ccmien<br />

*<br />

* *


Vorwort<br />

- 5 -<br />

<strong>Betriebsverlagerungen</strong> sind ein äußerst problematisches <strong>und</strong> oft auch emotional aufgeladenes Phänomen.<br />

Sie stehen im Mittelpunkt intensiver politischer Debatten, werden häufig in der Medienberichterstattung<br />

aufgegriffen <strong>und</strong> zählen zu den wichtigsten Anliegen der Bürger. Trotz ihrer Bedeutung auf<br />

politischer <strong>und</strong> gesellschaftlicher Ebene ist die Diskussion über <strong>Betriebsverlagerungen</strong> oder ganz allgemein<br />

die Übertragung von Unternehmenstätigkeiten auf Standorte im Ausland allerdings von Missverständnissen,<br />

Meinungsverschiedenheiten <strong>und</strong> Verunsicherung geprägt. Es gibt weder eine einheitliche<br />

<strong>und</strong> allgemein anerkannte Definition dieses Prozesses noch eine einheitliche <strong>und</strong> allgemein anerkannte<br />

Methode, um ihr Ausmaß <strong>und</strong> ihre Tragweite zu messen. Es gilt, mehr Klarheit zu schaffen,<br />

ohne die es keinen zielführenden Ausgangspunkt für die Ausarbeitung von Maßnahmen geben kann.<br />

Eines ist jedoch sicher: <strong>Betriebsverlagerungen</strong> finden statt <strong>und</strong> sind unverrückbar mit den übrigen<br />

Ausprägungen des Strukturwandels verb<strong>und</strong>en. Es ist fast unmöglich, <strong>Betriebsverlagerungen</strong>, selbst<br />

im engsten Sinne des Wortes, von anderen wirtschaftlichen Entwicklungen auf europäischer Ebene zu<br />

trennen, insbesondere der Umverteilung von Ressourcen, der Rationalisierung, der Unternehmensexpansion<br />

sowie dem natürlichen Aufschwung <strong>und</strong> Niedergang bestimmter Wirtschaftszweige aufgr<strong>und</strong><br />

der jeweils vorherrschenden Marktdynamik.<br />

Und noch eine zweiter Punkt ist nicht zu leugnen: <strong>Betriebsverlagerungen</strong> müssen trotz ihrer komplexen<br />

Wesensmerkmale <strong>und</strong> ihrer Verbindung mit anderen Phänomenen auch Gegenstand einer wirtschaftlich<br />

wettbewerbsfähigen <strong>und</strong> sozial tragfähigen Kontrolle <strong>und</strong> Umsetzung sein, die außerdem<br />

ökologischen <strong>und</strong> territorialen Aspekten Rechnung tragen. Die verschiedenen betroffenen Akteure<br />

haben alle ihre Verantwortung wahrzunehmen, um sicherzustellen, dass <strong>Betriebsverlagerungen</strong> zur<br />

Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit beitragen, ohne jedoch gleichzeitig einen drastischen sozialen<br />

Rückschritt <strong>und</strong> den Verlust an wirtschaftlicher Substanz zu bewirken. Es kann gar nicht oft genug<br />

betont werden, dass in den <strong>Betriebsverlagerungen</strong> auch <strong>Chancen</strong> liegen, <strong>und</strong> zwar Möglichkeiten zur<br />

Umstrukturierung <strong>und</strong> Verbesserung der Lieferketten sowie der Herstellungsverfahren <strong>und</strong> Vertriebsstrukturen<br />

oder ganz einfach auch zur Sicherstellung des Überlebens eines bestimmten Unternehmens,<br />

das sich einem immer stärkeren Wettbewerb auf internationaler Ebene stellen muss.


- 6 -<br />

Der Europäische Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialausschuss (EWSA) hat im Rahmen seiner Beratenden Kommission<br />

für den industriellen Wandel (CCMI) in jüngster Vergangenheit mehrere Arbeiten zum<br />

Thema <strong>Betriebsverlagerungen</strong> durchgeführt. Die aktuellsten dieser Arbeiten sind in dieser Broschüre<br />

zusammengefasst, die Folgendes enthält:<br />

Josly Piette<br />

− eine kurze Einleitung mit einer Präsentation der CCMI, ihrer Aufgaben <strong>und</strong> ihrer Arbeiten;<br />

− die Stellungnahme zum Thema "Ausmaß <strong>und</strong> Auswirkungen von <strong>Betriebsverlagerungen</strong>"<br />

(Berichterstatter: Herr Rodríguez García-Caro);<br />

− den von Herrn van Iersel koordinierten Informationsbericht zum Thema "Eine branchenspezifische<br />

Untersuchung von <strong>Betriebsverlagerungen</strong>", in dem die mangelnde Verfügbarkeit<br />

von verlässlichen statistischen Daten zur Bewertung des Ausmaßes dieses Phänomens<br />

untersucht wird;<br />

− die Schlussfolgerungen, einen Vermerk zur Methodologie <strong>und</strong> die Bibliografie der externen<br />

Studie, auf die sich dieser Informationsbericht u.a. stützt;<br />

− die Zusammenfassung einer wichtigen Konferenz zu diesem Thema am 28./29. Juni 2006<br />

im Ausschussgebäude.<br />

Vorsitzender der CCMI 2002-2006


- 7 -<br />

Beratende Kommission für den industriellen Wandel (CCMI)<br />

Die Rolle des Europäischen Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialausschusses als Förderer eines<br />

strukturierten Dialogs über den industriellen Wandel in der EU<br />

Die Beratende Kommission für den industriellen Wandel (CCMI) des Europäischen Wirtschafts- <strong>und</strong><br />

Sozialausschusses, in der sich die über 50-jährige Erfahrung des Beratenden Ausschusses der<br />

Europäischen Gemeinschaft für Kohle <strong>und</strong> Stahl im Bereich des konsultativ angelegten Dialogs mit<br />

einer breit gefächerten Zusammensetzung <strong>und</strong> einer vielfältigen Aufgabenstellung verbindet, ist ein<br />

ganz besonderes Gremium unter den europäischen Institutionen. Es handelt sich hier um ein neues<br />

Modell für die Diskussion bzw. den Dialog über politische Themen zwischen verschiedenen Akteuren<br />

im Bereich des industriellen Wandels.<br />

Die CCMI beschäftigt sich mit den verschiedenen Aspekten des industriellen Wandels in einem<br />

breiten Spektrum von Sektoren <strong>und</strong> steuert insofern einen Mehrwert zur Arbeit des EWSA insgesamt<br />

bei. Von besonderem Nutzen ist sie für diejenigen unter den neuen Mitgliedstaaten, die derzeit den<br />

Prozess des industriellen Wandels erleben, was sich Ende 2004 auch bei der Neubesetzung dieses<br />

Gremiums durch eine stärkere Präsenz dieser Länder niedergeschlagen hat.<br />

Die CCMI bietet jedoch mehr als nur eine museale Sammlung von Erfahrungsschätzen aus der<br />

Vergangenheit. Durch die Themen, mit denen sie sich befasst, ist ihr Blick in die Zukunft gerichtet.<br />

Der Schwerpunkt liegt auf Vorausschau, Prioritätensetzung <strong>und</strong> Analyse, um konkrete gemeinsame<br />

Ansätze für die Bewältigung des industriellen Wandels unter wirtschaftlichen, sozialen, territorialen<br />

<strong>und</strong> ökologischen Gesichtspunkten zu gewährleisten. Die CCMI fördert die Koordination <strong>und</strong><br />

Kohärenz von Gemeinschaftsaktivitäten in Bezug auf die wichtigsten industriellen Veränderungen im<br />

Kontext der erweiterten EU <strong>und</strong> sorgt für Ausgewogenheit zwischen der Notwendigkeit eines sozial<br />

vertretbaren Wandels <strong>und</strong> der Erhaltung von Wettbewerbsvorteilen für die europäische Industrie.<br />

Hintergr<strong>und</strong><br />

Mit Blick auf das Auslaufen des EGKS-Vertrags zum 23. Juli 2002 forderte der Rat Industrie am<br />

18. Mai 2002 die Europäische Kommission auf, ihre Vorstellungen bezüglich der Zukunft des<br />

strukturierten Dialogs in den vom EGKS-Vertrag erfassten Bereichen k<strong>und</strong>zutun.<br />

In ihrer in enger Zusammenarbeit mit dem EWSA erarbeiteten Mitteilung vom 27. September 2000<br />

(KOM(2000) 588 endg.) schlug die Europäische Kommission die Einsetzung eines spezifischen<br />

Gremiums innerhalb des Ausschusses vor, das es zum einen ermöglichen sollte, weiter aus dem in den<br />

EGKS-Jahren zusammengetragenen Sachwissen zu schöpfen <strong>und</strong> den strukturierten Dialog im Kohle-<br />

<strong>und</strong> Stahlsektor fortzusetzen, <strong>und</strong> dessen Tätigkeit zum anderen schrittweise auf alle Aspekte im<br />

Zusammenhang mit dem industriellen Wandel in der erweiterten EU ausgedehnt werden sollte.


- 8 -<br />

Einsetzung<br />

Was den Auftrag dieser neuen beratenden Funktion des EWSA anbelangt, so zeigte sich die<br />

Kommission "entschlossen, sich mit der Zukunft des strukturierten Dialogs zu beschäftigen". Die<br />

einzigartigen Erfahrungen der EGKS "<strong>–</strong> insbesondere in den Bereichen sozialer Konsens, Unternehmensumstrukturierungen,<br />

Forschung <strong>–</strong> werden dazu beitragen, dass sich der EWSA aktiv an der<br />

Modernisierung <strong>und</strong> am Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft beteiligen<br />

kann" 1 .<br />

Die anderen EU-Organe haben diese Vorschläge unterstützt <strong>und</strong> dem EWSA die entsprechenden<br />

Mittel zur Verfügung gestellt, um die Funktionsfähigkeit dieses neuen Gremiums, das am 24. Oktober<br />

2002 vom Plenum des Europäischen Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialausschusses eingesetzt wurde, zu<br />

gewährleisten.<br />

Zusammensetzung<br />

Die CCMI setzt sich aus 45 Mitgliedern des EWSA <strong>und</strong> 45 externen Delegierten zusammen, die auf<br />

ein breites Spektrum an Sachkompetenz <strong>und</strong> Know-how der Verbände der verschiedenen, vom<br />

Strukturwandel betroffenen Sektoren zurückgreifen können. Der Vorsitzende der CCMI ist ein<br />

Mitglied des EWSA, der Ko-Vorsitzende ein Delegierter. In Anlehnung an die drei Gruppen des<br />

EWSA verteilen sich die Delegierten auf drei Kategorien (Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Verschiedene<br />

Interessen). Infolge der EU-Erweiterung auf 25 Mitgliedstaaten <strong>und</strong> in Anbetracht des besonderen<br />

Werts des Know-hows der CCMI für die neuen Mitgliedstaaten stammt ein hoher Anteil der<br />

Mitglieder <strong>und</strong> Delegierten der CCMI seit ihrer Neubesetzung aus diesen Staaten.<br />

Aufgabe<br />

Mit der Einsetzung der CCMI eröffneten sich neue Perspektiven. Der EWSA wurde damit nämlich<br />

erstmals in die Lage versetzt, Stellungnahmen im direkten strukturierten Dialog zwischen seinen Mitgliedern<br />

<strong>und</strong> den Vertretern der vom industriellen Wandel betroffenen Sektoren <strong>und</strong> Interessengruppen<br />

zu erarbeiten. Die Probleme lassen sich so in ihrer ganzen Komplexität sowohl vom<br />

wirtschaftlichen <strong>und</strong> sozialen Standpunkt aus als auch unter dem Gesichtspunkt des Umweltschutzes<br />

<strong>und</strong> der nachhaltigen Entwicklung betrachten. Sie werden im Rahmen des<br />

Entscheidungsfindungsprozesses der Europäischen Union entweder im Wege einer Konsultation<br />

durch die EU-Organe (eventuell mit Sondierungscharakter) oder aber über Initiativstellungnahmen<br />

behandelt, wenn der EWSA es als notwendig erachtet, Entwicklungen in der EU zu beeinflussen.<br />

1 KOM(2000) 588 endg.


Das Betätigungsfeld der CCMI<br />

- 9 -<br />

Betätigungsfeld <strong>und</strong> Ausdrucksmöglichkeiten<br />

• erstreckt sich auch weiterhin auf sämtliche Bereiche der Kohle- <strong>und</strong> Stahlindustrie <strong>und</strong> deren<br />

Produktions- <strong>und</strong> Verbrauchskanäle, bezüglich derer gemeinschaftliche Maßnahmen getroffen<br />

werden;<br />

• ist stufenweise auf die Bewältigung der industriellen Veränderungen in anderen Wirtschaftssektoren<br />

<strong>und</strong> auf deren Auswirkungen (zumal im Bereich der Beschäftigung, sozial- <strong>und</strong><br />

strukturpolitischer Maßnahmen sowie der Beihilfe- <strong>und</strong> Wettbewerbspolitik, der technologischen<br />

Forschung <strong>und</strong> Entwicklung, der Umweltpolitik <strong>und</strong> der nachhaltigen Entwicklung, der Energie<strong>und</strong><br />

Handelspolitik) ausgedehnt worden;<br />

• beinhaltet als besonderen Schwerpunkt die Probleme des industriellen Wandels in den neuen<br />

Mitgliedstaaten.<br />

Zu den Ausdrucksmöglichkeiten der CCMI gehören obligatorische Stellungnahmen im Sinne des<br />

Vertrages, fakultative <strong>und</strong> Sondierungsstellungnahmen auf Ersuchen des Europäischen Parlaments,<br />

des Rates <strong>und</strong> der Kommission, Initiativstellungnahmen <strong>und</strong> Informationsberichte sowie die<br />

Veranstaltung von Konferenzen <strong>und</strong> Anhörungen.<br />

Die CCMI unterhält enge Arbeitsbeziehungen zu den EU-Institutionen <strong>und</strong> -Agenturen <strong>und</strong> zu<br />

Organisationen, die in irgendeiner Weise mit den Problemen des industriellen Wandels zu tun haben.<br />

____________


José Isaías<br />

Rodríguez García-Caro<br />

Mitglied des EWSA<br />

Gruppe I — ES<br />

Berichterstatter<br />

- 11 -<br />

CCMI/014<br />

"<strong>Betriebsverlagerungen</strong>"<br />

STELLUNGNAHME<br />

des Europäischen Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialausschusses<br />

zum Thema<br />

"Ausmaß <strong>und</strong> Auswirkungen von <strong>Betriebsverlagerungen</strong>"<br />

(Initiativstellungnahme)<br />

_____________<br />

Jürgen Nusser<br />

CCMI Delegierte<br />

Kategorie 3 — DE<br />

Mitberichterstatter<br />

Brüssel, den 14. Juli 2005


- 13 -<br />

Der Europäische Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialausschuss beschloss am 29. Januar 2004 gemäß Artikel 29<br />

Absatz 2 der Geschäftsordnung, eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:<br />

"Ausmaß <strong>und</strong> Auswirkungen von <strong>Betriebsverlagerungen</strong>".<br />

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Beratende Kommission für den industriellen Wandel nahm ihre<br />

Stellungnahme am 13. Juni 2005 an. Berichterstatter war Herr RODRÍGUEZ GARCÍA CARO, Mitberichterstatter<br />

Herr NUSSER.<br />

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 419. Plenartagung am 13./14. Juli 2005 (Sitzung vom<br />

14. Juli) mit 128 gegen 15 Stimmen bei 6 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:<br />

1. Einleitung<br />

*<br />

* *<br />

1.1 Unsere Welt unterliegt einem Globalisierungsprozess, der durch durchlässigere Grenzen, eine<br />

Internationalisierung des Handels <strong>und</strong> eine rasante technische Fortentwicklung gekennzeichnet<br />

ist 1 . Die Zunahmen institutioneller Anleger 2 , die immer größere investive Verflechtung<br />

über Grenzen hinweg, die Auslagerung von Tätigkeitsbereichen, die raschen Änderungen der<br />

Eigentumsverhältnisse <strong>und</strong> ein verstärkter Einsatz der Informations- <strong>und</strong> Kommunikationstechnik<br />

führen dazu, dass die geografische Identität an Bedeutung verliert <strong>und</strong> gleichzeitig die<br />

Wettbewerbsfähigkeit eine globale Dimension erhält. Deshalb ist die Wettbewerbsfähigkeit<br />

das übergeordnete Ziel unter wirtschaftlichen Aspekten, die in Verbindung mit sozialen,<br />

ökologischen, politischen <strong>und</strong> institutionellen Aspekten in einen Prozess der nachhaltigen<br />

Entwicklung münden sollen.<br />

1.2 Die Europäische Union ist heute ein wichtiges Integrationszentrum innerhalb des Globalisierungsprozesses<br />

- mit ihrem Binnenmarkt, ihrer Wirtschafts- <strong>und</strong> Währungsunion sowie ihren<br />

merklichen Fortschritten in den Bereichen "Gemeinsame Außen- <strong>und</strong> Sicherheitspolitik" <strong>und</strong><br />

"Justiz <strong>und</strong> Inneres".<br />

1 <strong>Betriebsverlagerungen</strong> sind ausschließliches Thema einer Sonderausgabe des französischen Magazins Problèmes économiques<br />

vom September 2004 (Nr. 2.859). In einem Artikel dieser Ausgabe wird erklärt, dass globalisation ein Anglizismus zur<br />

Bezeichnung eines Phänomens ist, für das im Französischen mondialisation verwendet wird. Gemeint ist damit der Übergang<br />

von einem internationalen Wirtschaftssystem, in dem politisch unabhängige Nationen ihre eigenen Wirtschaftsräume verwalten<br />

<strong>und</strong> ein wirtschaftlicher Austausch von geringerer oder größerer Bedeutung stattfindet, hin zu einem globalen Wirtschaftssystem,<br />

das über einzelstaatliche Regelungen hinausgeht.<br />

2 Der Begriff "institutionelle Anleger" bezeichnet Institutionen, die Investitionen durch umfangreichen Eigenmittel oder Reserven<br />

tätigen, z.B. durch Investmentfonds, Banken, Versicherungsgesellschaften oder Pensionsfonds.


- 14 -<br />

1.3 Eine Gesellschaft muss als Ganzes wettbewerbsfähig sein. Unter Wettbewerbsfähigkeit ist<br />

somit die Fähigkeit einer Gesellschaft zu verstehen, sich auf kommende Veränderungen des<br />

sie umgebenden Umfeldes einzustellen, sich ihnen anzupassen <strong>und</strong> sie zu beeinflussen 3 . In<br />

ihrer Mitteilung vom 11. Dezember 2002 zur "Industriepolitik in einem erweiterten Europa" 4<br />

definiert die Europäische Kommission Wettbewerbsfähigkeit als "die Fähigkeit der Wirtschaft,<br />

der Bevölkerung nachhaltig einen hohen <strong>und</strong> wachsenden Lebensstandard <strong>und</strong> eine<br />

hohe Beschäftigung zu sichern". Darüber hinaus wird die Bedeutung einer allgemeinen Wettbewerbsfähigkeit<br />

in den europäischen Wettbewerbsberichten herausgestellt, die die Europäi-<br />

sche Kommission seit 1994 regelmäßig veröffentlicht 5 .<br />

1.4 Für ein Unternehmen bedeutet Wettbewerbsfähigkeit die Fähigkeit, seine K<strong>und</strong>en nachhaltig<br />

<strong>und</strong> besser als die Konkurrenten durch ein interessanteres (preiswerteres usw. 6 ) Waren- <strong>und</strong><br />

Dienstleistungsangebot zufrieden zu stellen. Die Wettbewerbsfähigkeit einer Organisation<br />

kann als ihre Fähigkeit definiert werden, hochwertige Waren <strong>und</strong> Dienstleistungen zu erzeugen,<br />

die auf dem Weltmarkt anerkannt <strong>und</strong> erfolgreich sind, wobei die Ressourcen zweckmäßig<br />

eingesetzt, die Ziele wirkungsvoll erreicht <strong>und</strong> das Umfeld wirksam beeinflusst werden<br />

müssen 7 .<br />

1.5 Der Faktor Mensch ist für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen von gr<strong>und</strong>legender<br />

Bedeutung. Entsprechend wichtig sind Motivation, Weiterbildung, Förderung <strong>und</strong> Beteiligung<br />

von Arbeitnehmern im Rahmen eines sozialen Dialogs.<br />

1.6 Heute befindet sich das Umfeld der Unternehmen in ständigem Umbruch. Die zunehmende<br />

Öffnung der Märkte, die Weiterentwicklung der Infrastruktur, der Kommunikationsmedien<br />

<strong>und</strong> des Verkehrs, der konstante Innovationsprozess bei Technologien <strong>und</strong> technischen Anwendungen<br />

sowie der wachsende Wettbewerbsdruck bilden den Rahmen für das Alltagsgeschäft<br />

der Unternehmen.<br />

1.7 Für die Europäische Union bedeutet der Beitritt zehn neuer Mitgliedstaaten am 1. Mai 2004<br />

einen Meilenstein in ihrer Geschichte, wie auch in der einschlägigen Stellungnahme des<br />

EWSA 8 festgestellt wird: "Der erweiterte Binnenmarkt wird zahlreiche Vorteile in wirtschaftlicher<br />

Hinsicht bringen <strong>und</strong> die Wettbewerbsfähigkeit Europas in der globalen Wirtschaft<br />

stärken, wenn es gelingt, die vorhandenen Potenziale nicht brachliegen zu lassen, sondern zu<br />

nutzen. Allerdings ist auch festzuhalten, dass die Wirtschaftsstrukturen dieser Staaten noch<br />

nicht die Standards der EU-15 erreicht haben. Dem europäischen Wettbewerbsbericht 2003<br />

3<br />

Siehe die Stellungnahme des EWSA vom 19. März 1997 zum Thema "Beschäftigung, Wettbewerbsfähigkeit <strong>und</strong> Globalisierung<br />

der Wirtschaft" (CESE 325/1997; Berichterstatterin: Frau KONITZER (Gruppe II/Deutschland)).<br />

4<br />

KOM(2002) 714 endg.; siehe die Stellungnahme des EWSA vom 17. Juli 2003 (CESE 935/2003; Berichterstatter:<br />

Herr SIMPSON).<br />

5<br />

Siehe die siebte, 2003 erschienene Ausgabe (SEK(2003) 1299).<br />

6 Siehe die in Fußnote 2 genannte Stellungnahme des EWSA.<br />

7 John M. Ivancevich: "Management: Quality and Competitiveness" (1996).<br />

8 Siehe die Stellungnahme des EWSA vom 12. Dezember 2002 zum Thema "Die Auswirkungen der Erweiterung der Union auf<br />

den Binnenmarkt" (CESE 1371/2002; Berichterstatterin: Frau BELABED (Gruppe II/Österreich)).


- 15 -<br />

zufolge haben die MOEL-10 9 gegenüber der EU-15 Vorteile in arbeits-, ressourcen- oder<br />

energieintensiven Industriezweigen <strong>und</strong> Nachteile hauptsächlich in kapital- oder technologieintensiven<br />

Industrien. Diese Konstellation führt zu Wettbewerbsvorteilen der MOEL-10 bei<br />

(vorgelagerten) Primärerzeugnissen <strong>und</strong> (nachgelagerten) Konsumgütern, aber zu Wettbewerbsnachteilen<br />

bei Halbfertigprodukten <strong>und</strong> Investitionsgütern.<br />

1.8 Ein Binnenmarkt mit fast 455 Millionen Einwohnern <strong>und</strong> einem gemeinsamen Rahmen für<br />

Unternehmen, der beständige makroökonomische Bedingungen sowie ein Umfeld des Friedens,<br />

der Stabilität <strong>und</strong> der Sicherheit gewährleisten kann, ist der größte Vorzug der Erweiterung<br />

am 1. Mai 2004. Zwar sind nach der Erweiterung die Zahl der EU-Bürger um 20% <strong>und</strong><br />

das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 5% angestiegen, St<strong>und</strong>enlöhne <strong>und</strong> Arbeitsproduktivität<br />

liegen jedoch bezogen auf den gesamten Raum der EU-25 im Durchschnitt niedriger.<br />

1.9 Die Erweiterung der Europäischen Union sollte jedoch nicht per se als Bedrohung für die<br />

"alten" Mitgliedstaaten empf<strong>und</strong>en werden. Frühere EU-Erweiterungen zeigen, dass sich das<br />

BIP <strong>und</strong> der Lebensstandard in den der EU beigetretenen Ländern verbessern. Ein Beispiel<br />

hierfür ist der Anstieg des BIP in Irland 10 , Spanien 11 <strong>und</strong> Portugal 12 seit ihrem Beitritt. Außerdem<br />

ist zu bedenken, dass die Zukunft der Europäischen Union seit dem 1. Mai 2004 die<br />

Zukunft ihrer 25 Mitgliedstaaten ist.<br />

1.10 Andererseits bietet die Erweiterung den europäischen Unternehmen die Möglichkeit, die Vorteile<br />

zu nutzen, die ihnen die neuen Mitgliedstaaten bieten, <strong>und</strong> zwar nicht nur was Kosten<br />

oder Bildung angeht, sondern auch wegen ihrer geografischen Nähe <strong>und</strong> kultureller <strong>und</strong><br />

sprachlicher Ähnlichkeiten, die größer sind als diejenigen, die andere in Frage kommende<br />

Standorte zu bieten haben.<br />

1.11 Das Phänomen der <strong>Betriebsverlagerungen</strong> stellt die europäische Gesellschaft vor eine große<br />

Herausforderung, die im Prinzip unter zweierlei Gesichtspunkten angegangen werden kann:<br />

einerseits <strong>Betriebsverlagerungen</strong> in andere Mitgliedstaaten auf der Suche nach besseren Konditionen;<br />

andererseits <strong>Betriebsverlagerungen</strong> in Drittstaaten (z.B. in die Länder Südostasiens 13<br />

oder in Schwellenländer 14 , insbesondere China). Letztere sind nicht nur in den günstigeren<br />

Produktionsbedingungen begründet, sondern auch in den <strong>Chancen</strong>, die durch die Erschließung<br />

von Märkten mit sehr großem Wachstumspotenzial eröffnet werden.<br />

9<br />

Diese Abkürzung bezieht sich auf die zehn folgenden mittel- <strong>und</strong> osteuropäischen Länder: Estland, Lettland, Litauen, Polen,<br />

Slowakei, Slowenien, Ungarn <strong>und</strong> Tschechische Republik sowie Bulgarien <strong>und</strong> Rumänien.<br />

10<br />

Das BIP stieg um 63,3% des EU-Durchschnitts der EU im Jahr 1970 auf 123,4% im Jahr 2004 an. Quelle: Statistischer Anhang<br />

der Europäischen Wirtschaft - Frühjahr 2005 (ECFIN/REP/50886/2005).<br />

11<br />

Das BIP stieg um 71,9% des EU-Durchschnitts im Jahr 1986 auf 89,7% im Jahr 2004 an. Quelle: Statistischer Anhang der<br />

Europäischen Wirtschaft - Frühjahr 2005 (ECFIN/REP/50886/2005).<br />

12<br />

Das BIP stieg um 55,8% des EU-Durchschnitts im Jahr 1986 auf 67,4% im Jahr 2004 an. Quelle: Statistischer Anhang der<br />

Europäischen Wirtschaft - Frühjahr 2005 (ECFIN/REP/50886/2005).<br />

13<br />

Brunei Darussalam, Myanmar, Kambodscha, Indonesien, Laos, Malaysia, Philippinen, Singapur, Thailand, Vietnam, Osttimor<br />

(Quelle: Europäische Kommission).<br />

14<br />

Dieser Terminus bezeichnet Länder mit mittlerem oder niedrigem Pro-Kopf-Einkommen, die sich in einer Phase des Übergangs<br />

von einer geschlossenen Wirtschaft zu einer Marktwirtschaft befinden (was mit einer Reihe wirtschaftlicher Strukturreformen<br />

einhergeht) <strong>und</strong> die umfangreiche Auslandsinvestitionen erhalten (vgl. Antoine W. Agtmael; Weltbank 1981). Beispiele für<br />

Schwellenländer sind China, Indien, Brasilien <strong>und</strong> Mexiko.


- 16 -<br />

1.12 Das Phänomen der <strong>Betriebsverlagerungen</strong> könnte nicht nur unmittelbar einen Abbau von<br />

Arbeitsplätzen zur Folge haben, sondern auch Probleme mit sich bringen, wie etwa einen Anstieg<br />

der Sozialkosten für die betroffenen Mitgliedstaaten, eine Verstärkung der sozialen<br />

Ausgrenzung <strong>und</strong> eine insgesamt schwächer wachsende Wirtschaft (unter anderem bedingt<br />

durch weitreichende Nachfrageausfälle). Darüber hinaus kann die Verlagerung der industriellen<br />

Produktion im günstigsten Fall zur Förderung der sozialen Rechte in den Empfängerländern<br />

der Investitionen beitragen <strong>und</strong> geht normaler- <strong>und</strong> notwendigerweise mit einem<br />

Wissenstransfer einher; folglich kann sie insofern erhebliche Auswirkungen haben, als sie die<br />

jeweiligen unter Ziffer 1.7 dargestellten komparativen Vorteile nivelliert <strong>und</strong> die Wettbewerbsfähigkeit<br />

der verlagerten Betriebe weiter erhöht.<br />

1.13 Trotz der genannten Folgen gelangt die Europäische Kommission selbst in ihrer Mitteilung<br />

"Umstrukturierung <strong>und</strong> Beschäftigung" vom 31. März 2005 15 zu dem Schluss, dass Umstrukturierung<br />

nicht mit sozialem Rückschritt <strong>und</strong> Einbuße an wirtschaftlicher Substanz gleichlautend<br />

sein darf. Ferner heißt es in der Mitteilung, dass Umstrukturierungen vielfach für das<br />

Fortbestehen <strong>und</strong> die Entwicklung von Unternehmen erforderlich sind, dass diese Entwicklung<br />

jedoch in einer Weise begleitet werden muss, dass ihre Auswirkungen auf Beschäftigung<br />

<strong>und</strong> Arbeitsbedingungen möglichst vorübergehender Natur <strong>und</strong> möglichst begrenzt bleiben.<br />

1.14 Gegenwärtig sind Auslandsinvestitionen nicht mehr nur ein Thema für Großunternehmen,<br />

sondern auch für kleine <strong>und</strong> mittlere Unternehmen, vor allem solche mit hohem technologischen<br />

Mehrwert, die bereits im Begriff sind, sich in anderen Ländern niederzulassen oder<br />

dorthin einen Teil ihrer Tätigkeit zu verlagern.<br />

1.15 Die Einführung modernerer technischer Verfahren in Hochkostenländern gehört zwar zu den<br />

Faktoren, die den Prozess der <strong>Betriebsverlagerungen</strong> bremsen, neue Tätigkeitsbereiche schaffen<br />

sowie die Personalausbildung <strong>und</strong> das Unternehmens-Know-how verbessern. Andererseits<br />

bieten wirtschaftliche Schwellenländer <strong>und</strong> die Länder Südostasiens Märkte, die sich durch<br />

ein großes Wachstumspotenzial sowie Steuersysteme <strong>und</strong> Energiepreise auszeichnen, die u.a.<br />

häufig günstiger sind als in der EU; auch sind die Arbeitskosten - teilweise bedingt durch<br />

weniger ausgestaltete <strong>und</strong> in einigen Fällen überhaupt nicht vorhandene Sozialrechte im Sinne<br />

der Gr<strong>und</strong>normen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) <strong>und</strong> geringere Lebenshaltungskosten<br />

- viel niedriger. Dadurch können dort angesiedelte Unternehmen im globalen<br />

Wettbewerb mit niedrigeren Preisen antreten. Diese Länder fördern Auslandsinvestitionen, in<br />

manchen Fällen auch durch Sonderwirtschaftszonen, in denen die arbeitsrechtlichen<br />

Bestimmungen weniger streng <strong>und</strong> die sozialen Bedingungen schlechter sind als in anderen<br />

Landesteilen, weil ihnen klar ist, dass sie ihrer Wirtschaft wichtige Einnahmen bescheren.<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong> nehmen immer mehr Unternehmen die Möglichkeit wahr, in diese Gebiete<br />

den Teil ihrer Tätigkeit zu verlagern, der den geringsten Mehrwert erbringt, was gewöhnlich<br />

mit der Schaffung von gering qualifizierten, schlecht bezahlten Arbeitsplätzen einhergeht.<br />

1.16 Der wirtschaftliche Aufschwung der Schwellenländer <strong>und</strong> der Länder Südostasiens lässt sich<br />

an der Zunahme der ausländischen Direktinvestitionen (ADI) in diesen Ländern <strong>und</strong> des<br />

15 KOM(2005) 120 endg.


- 17 -<br />

Handelsaustauschs der EU mit ihnen ablesen. Zwar belegen die Zahlen, dass Europa einen<br />

wichtigen Anteil an der kontinuierlichen Zunahme der ausländischen Direktinvestitionen aufrechterhalten<br />

konnte; der globale Investitionsfluss hat jedoch einen neuen Weg eingeschlagen<br />

<strong>und</strong> verläuft zunehmend in Richtung Asien.<br />

1.17 Folglich bestätigen die aktuellen Daten die Neuausrichtung des Außenhandels der Europäischen<br />

Union, auch wenn die Vereinigten Staaten weiterhin der bei weitem wichtigste<br />

Handelspartner bleiben. Es zeigt sich allerdings auch, dass diese Länder zugunsten anderer<br />

Länder (z.B. China) an Bedeutung einbüßen 16 .<br />

1.18 An dieser Stelle erscheint es angezeigt, die Begriffe "Verlagerung" <strong>und</strong> "Deindustrialisierung"<br />

soweit möglich zu definieren:<br />

• Verlagerung ist die völlige oder teilweise Einstellung einer Tätigkeit <strong>und</strong> ihre Wiederaufnahme<br />

im Ausland im Rahmen einer Direktinvestition. In Bezug auf die Europäische<br />

Union können zwei Arten der Verlagerung unterschieden werden:<br />

a) interne Verlagerung: völlige oder teilweise Verlegung der Tätigkeit in einen anderen<br />

Mitgliedstaat;<br />

b) externe Verlagerung: völlige oder teilweise Verlegung der Tätigkeit in einen Drittstaat.<br />

• Deindustrialisierung: Es können zwei Arten der Deindustrialisierung unterschieden<br />

werden:<br />

a) absolute Deindustrialisierung: Dieser Prozess beinhaltet eine Abnahme der Beschäftigung,<br />

der Produktion, der Rentabilität <strong>und</strong> der Kapitalmasse in der Industrie sowie<br />

einen Rückgang der Ausfuhren industrieller Produkte <strong>und</strong> das Entstehen dauerhafter<br />

Handelsdefizite in diesem Sektor;<br />

b) relative Deindustrialisierung: Dieser Prozess besteht in der Abnahme des Anteils der<br />

Industrie an der Volkswirtschaft. Dabei spiegelt er den Prozess des Strukturwandels<br />

hinsichtlich der Entwicklung der Leistungsfähigkeit der Industrie <strong>und</strong> des Dienstleistungssektors<br />

wider 17 .<br />

16<br />

Die von Eurostat am 22. Februar 2005 veröffentlichten Daten betreffend den Handelsaustausch der EU mit Drittstaaten im<br />

Bezugszeitraum Januar-November 2004 zeigen eine erhebliche Zunahme der Einfuhren aus China (+21%), Russland, der Türkei<br />

<strong>und</strong> Südkorea (jeweils +18%) <strong>und</strong> nur im Falle der Vereinigten Staaten einen Rückgang (-14%). Bei den Ausfuhren aus der EU<br />

gab es die größten Zuwächse im Handel mit der Türkei (+30%), Russland (+22%), China (+17%) <strong>und</strong> Taiwan (16%).<br />

Demzufolge zeichnet sich die Bilanz der EU-25 im Bezugszeitraum durch eine Zunahme des Defizits im Handel mit China,<br />

Russland <strong>und</strong> Norwegen einerseits <strong>und</strong> eine Zunahme des Überschusses im Handel mit den USA, der Schweiz <strong>und</strong> der Türkei<br />

aus.<br />

17<br />

Siehe dazu die Studie "Die Bedeutung einer wettbewerbsfähigen Industrie für die Entwicklung des Dienstleistungssektors" (Bremen,<br />

Dezember 2003), die auch auf folgender Internetseite eingesehen werden kann:<br />

http://www.bmwi.de/Navigation/Service/bestellservice,did=31812,render=renderPrint.html<br />

Die Hauptaussagen dieser Studie lauten:<br />

• Ein geringerer Anteil der verarbeitenden Industrie am BIP bedeutet nicht, dass diese weniger wichtig ist.<br />

• Die verarbeitende Industrie <strong>und</strong> der Dienstleistungssektor sind immer stärker miteinander verflochten.<br />

• Dynamisch wachsende, unternehmensorientierte Dienstleistungen hängen unmittelbar von der Nachfrage der Industrie ab.<br />

• Die Industrie ist ein wichtiger Technologiegeber für Produkt- <strong>und</strong> Prozessinnovationen im Dienstleistungssektor.


- 18 -<br />

Neben den internen <strong>und</strong> externen Verlagerungen ist ferner auf ein Phänomen hinzuweisen,<br />

das sich in jüngster Zeit in einigen Betriebsstätten gezeigt hat: die "angekündigte Verlagerung".<br />

Diese besteht darin, dass der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer unter Hinweis auf eine<br />

drohende Verlagerung dazu bringt, schlechtere Arbeitsbedingungen zu akzeptieren. Dieses<br />

Phänomen ist besonders gefährlich, da es einen Konkurrenzkampf unter den Arbeitnehmern<br />

schürt <strong>und</strong> einen 'Schneeballeffekt' auslösen kann.<br />

2. Ursachen <strong>und</strong> Folgen<br />

2.1 Es liegt auf der Hand, dass wirtschaftliche <strong>und</strong> soziale Maßnahmen zur Förderung von Einkommen,<br />

des Wohlstands <strong>und</strong> der Beschäftigung getroffen werden müssen, um die negativen<br />

Folgen von <strong>Betriebsverlagerungen</strong> abzuschwächen. Besondere Aufmerksamkeit verdienen<br />

dabei die kleinen <strong>und</strong> mittleren Unternehmen, die einen wichtigen Beitrag zur Beschäftigung<br />

in der EU leisten, sowie die (kleinen, mittleren <strong>und</strong> großen) sozialwirtschaftlichen Unternehmen,<br />

die unaufhörlich Beschäftigung schaffen, wobei diese Arbeitsplätze zudem satzungsgemäß<br />

eigentlich kaum verlagerbar sind. In diesem Zusammenhang unterstützt der Ausschuss<br />

die Europäische Kommission in ihrem Vorschlag für einen Beschluss zur Einrichtung eines<br />

Rahmenprogramms für Wettbewerbsfähigkeit <strong>und</strong> Innovation 18 , in dem sie die Schaffung von<br />

drei Unterprogrammen zur Förderung der Produktivität, der Innovationskapazität <strong>und</strong> des<br />

nachhaltigen Wachstums vorschlägt. Das erste dieser Unterprogramme mit dem Titel "Programm<br />

für unternehmerische Initiative <strong>und</strong> Innovation" soll u.a. den Zugang zu Finanzierung<br />

für die Gründung <strong>und</strong> das Wachstum kleiner <strong>und</strong> mittlerer Unternehmen verbessern, voranbringen<br />

<strong>und</strong> fördern <strong>und</strong> sich auf die sektorspezifische Innovationsförderung, die Förderung<br />

von Clustern <strong>und</strong> Aktionen in Bezug auf unternehmerische Initiative sowie die Schaffung<br />

eines günstigen Umfelds für die Zusammenarbeit von kleinen <strong>und</strong> mittleren Unternehmen<br />

konzentrieren. Als Anreiz für die Schaffung von regionalen Clustern muss erreicht werden,<br />

dass die multinationalen Konzerne keine <strong>Betriebsverlagerungen</strong> vornehmen <strong>und</strong> sich stärker<br />

auf kleine <strong>und</strong> mittlere Unternehmen in ihrem Umfeld stützen.<br />

2.2 Darüber hinaus müssen auch die indirekten Auswirkungen berücksichtigt werden, die drohende<br />

<strong>Betriebsverlagerungen</strong> auf Löhne <strong>und</strong> Arbeitsbedingungen haben können. Die Sozialpartner<br />

sollten diese Gefahr durch Kollektivverhandlungen sowie durch die Einsetzung <strong>und</strong><br />

die stärkere Nutzung Europäischer Betriebsräte dort, wo sie gesetzlich vorgesehen sind,<br />

verringern <strong>und</strong> sowohl die Zukunft des Unternehmens als auch die Qualität der Arbeitsbedingungen<br />

sichern.<br />

2.3 Die EU-15 hat sich stets durch regionale Disparitäten in Bezug auf Einkommen, Beschäftigung<br />

<strong>und</strong> Produktivität ausgezeichnet, die wiederum Unterschiede in Bezug auf die<br />

18 KOM(2005) 121 endg. vom 6. April 2005: Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments <strong>und</strong> des Rates zur<br />

Einrichtung eines Rahmenprogramms für Wettbewerbsfähigkeit <strong>und</strong> Innovation (2007-2013).


- 19 -<br />

Verschuldungshöhe, die Steuervorteile <strong>und</strong> die Innovationsfreudigkeit widerspiegeln. Mit der<br />

Erweiterung am 1. Mai 2004 hat die regionale Vielfalt noch erheblich zugenommen 19 .<br />

2.4 Auf regionaler Ebene kann eine Betriebsverlagerung erhebliche Folgen haben, insbesondere<br />

wenn die betroffene Region auf einen einzigen Wirtschaftssektor spezialisiert ist. Aus diesem<br />

Gr<strong>und</strong>e können massenhafte <strong>Betriebsverlagerungen</strong> in einem Sektor beträchtliche negative<br />

Auswirkungen haben, wie z.B. eine sinkende Beschäftigungsquote, einen spürbaren Nachfrageausfall,<br />

ein vermindertes Wirtschaftswachstum <strong>und</strong> eine verstärkte soziale Ausgrenzung,<br />

mit allen unerfreulichen Folgen, die dies mit sich bringt. Um dies zu vermeiden, hebt die<br />

Europäische Kommission in ihrem Dritten Kohäsionsbericht 20 hervor, wie wichtig es ist, ihre<br />

Kohäsionsmaßnahmen auf die Verbesserung der Effizienz <strong>und</strong> der Wettbewerbsfähigkeit der<br />

europäischen Wirtschaft auszurichten, womit die Mobilisierung all ihrer Ressourcen <strong>und</strong><br />

Regionen einhergeht 21 .<br />

2.5 Von entscheidender Bedeutung sind Maßnahmen, die auf die Qualifizierung von Arbeitskräften,<br />

die Ankurbelung von Investitionen in Innovation <strong>und</strong> Forschung sowie die Schaffung<br />

von Anreizen zur Förderung des Unternehmergeistes in der Europäischen Union abzielen.<br />

2.6 Laut Daten der Europäischen Stelle zur Beobachtung des Wandels (Dublin) sind einige Sektoren<br />

stärker von <strong>Betriebsverlagerungen</strong> betroffen als andere 22 . Die Haltung eines Unternehmens<br />

zu einer etwaigen Betriebsverlagerung hängt auch von seiner Unabhängigkeit in Bezug<br />

auf seine betriebliche <strong>und</strong> technische Struktur ab. Am stärksten betroffen sein werden die<br />

Arbeitnehmer von Tochterunternehmen multinationaler Konzerne mit Sitz im Ausland oder<br />

von Unternehmen, die nicht selbst im Besitz der von ihnen benutzten Produktions- <strong>und</strong> Verfahrenstechnik<br />

sind.<br />

2.7 Das niedrige Forschungs- <strong>und</strong> Innovationsniveau in Europa ist besorgniserregend, da <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

offenbar nicht länger auf arbeitsintensive Sektoren beschränkt sind. <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

treten jetzt zunehmend in Zwischensektoren <strong>und</strong> sogar in manchen High-<br />

Tech-Branchen zu Tage, in denen die Tendenz besteht, Tätigkeiten wie Forschung <strong>und</strong><br />

19 Laut Eurostat-Daten vom 7. April 2005 lag das Pro-Kopf-BIP der Europäischen Union (EU-25) 2002 zwischen 32% des<br />

Durchschnitts der EU-25 in der Region Lubelskie (Polen) <strong>und</strong> 315% in der Region Zentrallondon (Vereinigtes Königreich). Von<br />

den 37 Regionen mit einem Pro-Kopf-BIP mehr als 125% des europäischen Durchschnitts lagen sieben im Vereinigten<br />

Königreich <strong>und</strong> Italien, sechs in Deutschland, vier in den Niederlanden, drei in Österreich, zwei in Belgien <strong>und</strong> Finnland <strong>und</strong><br />

jeweils eine in der Tschechischen Republik, Spanien, Frankreich, Irland, Schweden <strong>und</strong> Luxemburg. In den neuen<br />

Mitgliedstaaten war die einzige Region, deren Wert 125% überstieg, Prag (Tschechische Republik) mit 153%. Andererseits lagen<br />

von den 64 Regionen mit einem Pro-Kopf-BIP von weniger als 75% des Gemeinschaftsdurchschnitts 16 in Polen, sieben in der<br />

Tschechischen Republik, sechs in Ungarn <strong>und</strong> Deutschland, fünf in Griechenland, vier in Frankreich, Italien <strong>und</strong> Portugal, drei in<br />

der Slowakischen Republik <strong>und</strong> Spanien <strong>und</strong> jeweils eine in Belgien, dem Vereinigten Königreich, Estland, Lettland, Litauen<br />

<strong>und</strong> Malta.<br />

20 KOM(2004) 107 endg. vom 18. Februar 2004; siehe auch die diesbezügliche EWSA-Stellungnahme (ECO/129).<br />

21 Der Ausschuss hat eine Initiativstellungnahme zum Thema "Der industrielle Wandel <strong>und</strong> der wirtschaftliche, soziale <strong>und</strong><br />

territoriale Zusammenhalt" verabschiedet (CESE 959/2004 vom 30. Juni 2004; Berichterstatter: Herr LEIRIÃO (Gruppe III/Portugal;<br />

Mitberichterstatter: Herr CUÉ (Kategorie 2 der CCMI/Belgien).<br />

22 Nach Angaben der Europäischen Stelle zur Beobachtung des Wandels (www.eurofo<strong>und</strong>.eu.int) sind die Sektoren, die seit 2000<br />

am stärksten von <strong>Betriebsverlagerungen</strong> betroffen sind, die Metall-, Telekommunikations-, Automobil-, Elektrizitäts-, Textil-,<br />

Lebensmittel- <strong>und</strong> Chemiebranche.


- 20 -<br />

Dienstleistung ins Ausland zu verlagern, wobei China <strong>und</strong> Indien die größten Nutznießer<br />

dieser Entwicklung sind.<br />

2.8 Andererseits ist festzustellen, dass Unternehmen ihre Produktion wieder zurück verlagern,<br />

weil ihnen die EU gute Voraussetzungen für die Herstellung moderner Güter <strong>und</strong> Dienstleistungen<br />

bietet. Auch wenn weiterhin Produktionsbereiche in Niedrigkostenländer verlagert<br />

werden, müssen sich die Bestrebungen darauf richten, dass gute Voraussetzungen für die<br />

Herstellung moderner Güter <strong>und</strong> Dienstleistungen bestehen bleiben <strong>und</strong> geschaffen werden,<br />

um für Tätigkeiten mit hohem Veredelungswert attraktiv zu sein.<br />

2.9 Die Vereinigten Staaten sind die größte Wirtschaftsmacht der Welt <strong>und</strong> der wichtigste Handelspartner<br />

der EU. In den 90er Jahren kam es in verschiedenen Ländern - vor allem in den<br />

USA <strong>–</strong> zu einer Reihe von Veränderungen, die unter dem Begriff "New Economy" zusammengefasst<br />

wurden. Die schnelle Weiterentwicklung der Informations- <strong>und</strong> Kommunikationstechnik<br />

(IKT) <strong>und</strong> ihre Anwendung in den Unternehmen führten zu einem beschleunigten<br />

Anstieg der Wachstumsrate des BIP <strong>und</strong> einer deutlichen Abnahme der Arbeitslosenquote.<br />

Auf diese Weise haben sich die Umwälzungen im Bereich der Telekommunikation auf die<br />

Gesellschaft <strong>und</strong> die Wirtschaft als Ganzes ausgewirkt.<br />

2.10 Obwohl die Forschungsförderung äußerst wichtig ist, um den Verlagerungsprozess, der in<br />

einigen europäischen Regionen bereits besorgniserregende Ausmaße angenommen hat, zu<br />

verlangsamen, ist die Umsetzung der Forschungsergebnisse das eigentlich Entscheidende. Es<br />

ist die Implementierung der Ergebnisse wissenschaftlicher <strong>und</strong> technologischer Forschung,<br />

die die eigentliche Wirtschaftsentwicklung <strong>und</strong> das Wirtschaftswachstum herbeiführt. Das<br />

bedeutet, dass der Schlüsselfaktor nicht die Technologie selbst ist, sondern ihre Nutzanwendung,<br />

d.h. die Innovation.<br />

2.11 Es ist jedoch klar erkennbar, dass Innovation allein die Verlagerung traditioneller industrieller<br />

Tätigkeiten, die am bisherigen Standort nicht mehr wettbewerbsfähig sind, nicht verhindern<br />

kann. Innovation kann aber durchaus den Ersatz ausgelagerter Aktivitäten durch alternative<br />

Produkte, Verfahren <strong>und</strong> Dienstleistungen an diesen Standorten vorantreiben.<br />

2.12 Eine Wirtschaft, die auf der Überführung des technischen Fortschritts in die Herstellungsprozesse<br />

beruht, erzeugt eine breite Palette neuer Erzeugnisse <strong>und</strong> Verfahren mit hohem<br />

Mehrwert, sowohl in der Produktion als auch im Konsum. In dieser Hinsicht sind die Länder,<br />

die der EU am 1. Mai 2004 beigetreten sind, als Quelle neuer Möglichkeiten zu betrachten, da<br />

die europäischen Unternehmen - gestützt von einer angemessenen Industriepolitik - eine neue<br />

gemeinschaftsweite Strategie aufstellen <strong>und</strong> dabei die durch die Erweiterung eröffneten<br />

<strong>Chancen</strong> bestmöglich nutzen können.<br />

2.13 "Verlagerung" ist die Verlegung der Gesamtheit oder eines Teils der Unternehmenstätigkeit<br />

an einen anderen Standort. Unternehmen verlassen - wie Menschen - ihren Ursprungsort nur<br />

aus einem einzigen Gr<strong>und</strong>: um eine Verbesserung zu erreichen. In hoch entwickelten Wirtschaftsräumen<br />

stößt das Wachstumspotenzial der Volkswirtschaften auf den Heimatmärkten<br />

allmählich an seine natürlichen Grenzen. Deshalb müssen ganze Industriesektoren nach neuen<br />

<strong>Chancen</strong> in anderen Wirtschaftsräumen suchen. Darüber hinaus sind die Unternehmen im


- 21 -<br />

Zeitalter der Globalisierung einem hohen internationalen Wettbewerbsdruck sowohl auf dem<br />

Inlandsmarkt als auch auf den Exportmärkten ausgesetzt. In diesem Sinne hängt die<br />

Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen nicht nur von der Qualität ihrer Produkte oder<br />

Dienstleistungen <strong>und</strong> der Qualität ihrer Zulieferer ab, sondern auch von den Preisen, den<br />

relativen Devisenströmen <strong>und</strong> der Gewährleistung weltweiter, offener Wettbewerbsmärkte,<br />

deren Standards von allen eingehalten werden.<br />

2.14 Die Standortwahl ist eine strategische Frage für Unternehmen, die dabei eine ganze Reihe<br />

sehr verschiedenartiger Aspekte berücksichtigen müssen. Unternehmen treffen ihre Entscheidung<br />

u.a. auf der Gr<strong>und</strong>lage von Kriterien wie einem hohen Niveau der Ausbildung, gut<br />

funktionierenden öffentlichen Diensten, mäßigen Kosten, politischer Stabilität <strong>und</strong> institutionellen<br />

Garantien für ein Mindestmaß an Zuverlässigkeit, räumlicher Nähe neuer Märkte <strong>und</strong><br />

Verfügbarkeit von Produktionsmitteln sowie vernünftiger Besteuerung. Zudem hängt die<br />

Haltung eines Unternehmens zu einer etwaigen Betriebsverlagerung von Infrastruktur <strong>und</strong><br />

Transaktionskosten sowie vom Grad seiner Unabhängigkeit hinsichtlich seiner betrieblichen<br />

<strong>und</strong> technischen Struktur <strong>und</strong> der Effizienz der öffentlichen Verwaltung ab. Mithin sind die<br />

Arbeitskosten nicht der einzige Faktor bei Entscheidungen für oder gegen Verlagerungen <strong>und</strong><br />

müssen außerdem gegen die Produktivität abgewogen werden, da das Kosten-/Produktivitäts-<br />

Verhältnis für die Wettbewerbsfähigkeit ausschlaggebend ist.<br />

2.15 Die relativen Kosten der Unternehmenstätigkeit werden weitgehend durch nationale bzw.<br />

regionale Gegebenheiten bestimmt. Das Land, in das ein Unternehmen investiert, muss ein<br />

Mindestmaß an Infrastruktur, Volksbildung <strong>und</strong> Sicherheit aufweisen. Das Eingehen unternehmerischer<br />

Risiken folgt folgendem Muster: zuerst kommt Stabilität, dann Vertrauen <strong>und</strong><br />

dann die Investition. Ereignisse, die zu Instabilität führen oder mit Zukunftsrisiken verb<strong>und</strong>en<br />

sind, haben zweifellos ebenfalls Einfluss auf die Entscheidung von Investoren. Die politischen<br />

Entscheidungsträger müssen sich vollkommen darüber im Klaren sein, wie wichtig es ist,<br />

Investitionen anzuziehen, die hochwertige Arbeitsplätze schaffen, die technische Entwicklung<br />

fördern <strong>und</strong> das Wirtschaftswachstum ankurbeln. Andererseits sollte im Rahmen der<br />

Gestaltung der Entwicklungshilfe auch auf Verbesserungen bei den politischen, den Bürger<strong>und</strong><br />

den sozialen Rechten in den Empfängerländern dieser Hilfe geachtet werden. Die<br />

Unternehmen müssen ihren Beitrag leisten, indem sie die Prinzipien der sozialen Verantwortung<br />

anwenden 23 .<br />

2.16 Die Sozialpartner tragen eine besondere Verantwortung dafür, dass auf dem Arbeitsmarkt<br />

stabile Spielregeln gelten. Tarifvereinbarungen sorgen für gleiche Wettbewerbsbedingungen<br />

der Unternehmen <strong>und</strong> schaffen einen Ausgleich zwischen Markt <strong>und</strong> Arbeitnehmerrechten,<br />

was ein hohes Wachstum, Sicherheit <strong>und</strong> Entwicklungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer <strong>und</strong><br />

Unternehmen zur Folge hat.<br />

2.17 Es gibt weitere Schlüsselfaktoren: Einerseits machen es Art <strong>und</strong> Umfang der Produkte <strong>und</strong><br />

Dienstleistungen vielfach erforderlich, dass sie in den Zielmärkten oder zumindest in ihrer<br />

23 Siehe die Stellungnahme des EWSA zum Thema "Grünbuch: Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung<br />

der Unternehmen" (CESE 355/2002; Berichterstatterin: Frau HORNUNG-DRAUS (Gruppe I/Deutschland), Mitberichterstatter:<br />

Frau ENGELEN-KEFER (Gruppe II/Deutschland) <strong>und</strong> Herr HOFFELT (Gruppe III/Belgien)); darin wird festgestellt, dass "die<br />

Freiwilligkeit ein Gr<strong>und</strong>prinzip für CSR" ist.


- 22 -<br />

Nähe hergestellt bzw. erbracht werden; andererseits müssen Unternehmen (insbesondere in<br />

der Zulieferindustrie) ihren Geschäftsk<strong>und</strong>en an die Orte folgen, die diese ausgewählt haben.<br />

Und schließlich können Märkte in vielen Fällen nur dann erschlossen werden, wenn die<br />

betreffenden Unternehmen gewährleisten, dass ihre Waren <strong>und</strong> Dienstleistungen ein Mindestmaß<br />

an lokal erbrachtem Mehrwert aufweisen.<br />

2.18 Da die Verbraucher sehr preisbewusst sind <strong>und</strong> die Nachfrage der Verbraucher auch das Angebot<br />

beeinflusst, geraten Lieferanten massiv unter Druck, ihre Preise zu senken. Durch ihre<br />

Entschlossenheit, den K<strong>und</strong>en niedrige Preise zu bieten, setzen die Einzelhandelsunternehmen<br />

ihre Lieferanten unter Druck, ihre Preise zu senken. Häufig verfügen aber insbesondere<br />

kleinere Lieferanten nicht über die wirtschaftliche Kraft, um die Ansprüche der großen<br />

Einzelhandelsunternehmen zu erfüllen 24 .<br />

2.19 Im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsgefälle zwischen den EU-Mitgliedstaaten einerseits<br />

<strong>und</strong> zwischen der EU als Ganzem <strong>und</strong> den Ländern Asiens andererseits werden <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

u.a. durch folgende Faktoren begünstigt:<br />

• preiswertere Gr<strong>und</strong>stoffe,<br />

• Steuervorteile,<br />

• Möglichkeit des Zugangs zu neuen Märkten,<br />

• Technologie,<br />

• niedrigere Arbeitskosten.<br />

2.20 Die Abwanderung von Unternehmen, vor allem außerhalb der EU, könnte eine Reihe von<br />

Problemen zur Folge haben. Dazu zählen insbesondere:<br />

• Verlust an Wettbewerbsfähigkeit: Die in der EU verbleibenden Unternehmen müssten<br />

Kosten bewältigen, die höher sind als die ihrer Konkurrenten. Dies wird wahrscheinlich<br />

zu einem Rückgang des Marktanteils im Welthandel führen <strong>und</strong> ist somit ein äußerst<br />

negativer Faktor bei der Verwirklichung der Ziele der Lissabon-Strategie (nachhaltiges<br />

Wirtschaftswachstum mit mehr <strong>und</strong> besseren Arbeitsplätzen, stärkerer sozialer Zusammenhalt<br />

<strong>und</strong> Umweltschutz).<br />

• Technologischer Rückstand: Die europäischen Unternehmen, die mit anderen Unternehmen<br />

mit geringeren Kosten konkurrieren müssen, könnten sich letztendlich gezwungen<br />

sehen, immer weniger in die Forschung zu investieren. Dies würde einen Verlust an<br />

Innovationskraft bewirken, die besonders wichtig ist, um sich am heutigen Markt behaupten<br />

zu können.<br />

• Verlust an Arbeitsplätzen <strong>und</strong> Verschlechterung der Arbeitsmarktchancen für<br />

immer größere Teile der Beschäftigten in den betroffenen Regionen <strong>und</strong> Sektoren. Damit<br />

geht eine Verstärkung der sozialen Ausgrenzung einher, gegen die der Staat mit zusätzlichen<br />

Ausgaben für Sozialleistungen angehen muss. Am stärksten betroffen sein werden<br />

die Arbeitnehmer von Tochterunternehmen multinationaler Konzerne mit Sitz im Aus-<br />

24 Siehe die Stellungnahme des EWSA zum Thema "Große Einzelhandelsunternehmen - Tendenzen <strong>und</strong> Auswirkungen auf<br />

Landwirte <strong>und</strong> Verbraucher" (CESE 381/2005); Berichterstatter: Herr ALLEN (Gr. III/Irland).


- 23 -<br />

land oder von Unternehmen, die nicht selbst im Besitz der von ihnen benutzten Produktions-<br />

<strong>und</strong> Verfahrenstechnik sind.<br />

• Geringeres Wirtschaftswachstum: Dieses ist teilweise auf einen Einbruch der Inlandsnachfrage<br />

zurückzuführen, die wiederum eine Konsequenz der Auswirkungen von Lohnzurückhaltung,<br />

Arbeitsplatzverlusten <strong>und</strong> der Verschlechterung der Arbeitsmarktchancen<br />

auf die Bevölkerung ist.<br />

3. Schlussfolgerungen<br />

3.1 In Antwort auf die vom Europäischen Rat formulierten Bedenken 25 sowie eingedenk der<br />

Besorgnis, die die Gefahr der Deindustrialisierung auslöst, <strong>und</strong> der Möglichkeiten der Vorbereitung<br />

<strong>und</strong> der Bewältigung des derzeitigen Strukturwandels der europäischen Industrie verabschiedete<br />

die Europäische Kommission am 20. April 2004 die Mitteilung "Den Strukturwandel<br />

begleiten: Eine Industriepolitik für die erweiterte Union" 26 , in der sie die Gr<strong>und</strong>linien<br />

einer Industriepolitik nach der Erweiterung der EU skizziert. Der Ausschuss behandelt diese<br />

Mitteilung in einer gesonderten Stellungnahme 27 , in der er die vorgenannte Initiative der<br />

Europäischen Kommission begrüßt.<br />

3.2 In dieser Mitteilung weist die Europäische Kommission darauf hin, dass - obwohl die meisten<br />

Sektoren ihre Produktion erhöhen <strong>und</strong> die Deindustrialisierung kein allgemein verbreitetes<br />

Phänomen darstellt - Europa einem Umstrukturierungsprozess unterliegt, der die Verlagerung<br />

von Ressourcen <strong>und</strong> Arbeitsplätzen in Tätigkeiten mit hohem Wissensgehalt beinhaltet. In der<br />

Mitteilung wird auch darauf hingewiesen, dass die Zahl der Industriearbeitsplätze in allen<br />

Mitgliedstaaten von 1995 bis 1998 abgenommen hat.<br />

3.3 Die Kommission weist auch darauf hin, dass die Erweiterung zahlreiche <strong>Chancen</strong> für die Industrie<br />

eröffnet <strong>und</strong> dass sie in einigen Fällen dazu beitragen kann, Produktionsstätten in der<br />

EU zu halten, die andernfalls nach Asien verlagert würden. Die Kommission sieht zur Einstellung<br />

auf Veränderungen <strong>und</strong> zur Fortsetzung von Flankierungsmaßnahmen im Rahmen<br />

der neuen Finanziellen Vorausschau für den Zeitraum bis 2013 Handlungsbedarf in folgenden<br />

drei Bereichen:<br />

i. Verbesserung des Rechtsrahmens für Unternehmen auf Ebene der Mitgliedstaaten<br />

<strong>und</strong> der EU, d.h. nicht nur weniger, sondern vor allem eindeutigere, in der gesamten EU<br />

einheitlich umgesetzte Rechtsvorschriften.;<br />

ii. Verbesserung des Zusammenspiels aller Gemeinschaftspolitiken zur Förderung des<br />

Wettbewerbs, insbesondere in Bereichen wie Forschung, Bildung, Wettbewerbsrecht <strong>und</strong><br />

Regionalförderung;<br />

25<br />

Auf seiner Tagung im Oktober 2003 unter italienischem Vorsitz.<br />

26<br />

KOM(2004) 274 endg. vom 20. April 2004.<br />

27<br />

CESE 1640/2004 (Berichterstatter: Herr VAN IERSEL (Gruppe I/Niederlande), Mitberichterstatter: Herr LEGELIUS<br />

(Kategorie I der CCMI/Schweden)).


- 24 -<br />

iii. sektorspezifische Maßnahmen, um den speziellen Anforderungen mit politischen Mitteln<br />

gerecht zu werden, im oberen Teil der Wertschöpfungskette anzusetzen sowie<br />

strukturelle Veränderungen zu antizipieren <strong>und</strong> zu flankieren.<br />

3.4 Zweifellos ist die Industrie ein Motor der Wirtschaft; folglich kann eine ges<strong>und</strong>e <strong>und</strong> dynamische<br />

Industrie die Wirtschaft als Ganzes antreiben, während eine geringe industrielle Wettbewerbsfähigkeit<br />

<strong>und</strong> eine stockende industrielle Produktion zur allgemeinen Stagnation der<br />

Wirtschaftstätigkeit führen können. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist eine Industriepolitik 28 von<br />

gr<strong>und</strong>legender Bedeutung, die die Gründung <strong>und</strong> das Wachstum der Firmen in der Union fördert,<br />

die viel in Innovation <strong>und</strong> Entwicklung investieren, statt mit niedrigen Kosten zu konkurrieren.<br />

Nur durch den Ausbau der Vorteile, über die Europa verfügt (wie die moderne<br />

Infrastruktur der Informationsgesellschaft, das hohe Niveau von Investitionen in Forschung<br />

<strong>und</strong> neue Technologien <strong>und</strong> deren Nutzanwendung in der Wirtschaft, die Förderung der Aus<strong>und</strong><br />

Fortbildung von Arbeitnehmern, der soziale Dialog sowie sämtliche Vorteile des Binnenmarktes),<br />

wird es möglich sein, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu<br />

erhalten <strong>und</strong> zu verbessern. Auf diese Weise wäre es möglich, das Wirtschaftswachstum zu<br />

fördern <strong>und</strong> Fortschritte hin zu Vollbeschäftigung <strong>und</strong> nachhaltiger Entwicklung zu erzielen.<br />

3.5 In dem Bestreben, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in der EU zu erhöhen <strong>und</strong> zu<br />

erhalten, fordert der Ausschuss einen verstärkten Schutz der Rechte am geistigen Eigentum<br />

<strong>und</strong> deren Durchsetzung in Drittländern.<br />

3.6 Es muss ein Produktionsmodell gefördert werden, in dem andere Faktoren als die<br />

Produktpreise eine wichtige Rolle spielen. Es ist zu betonen, dass die Wettbewerbsfähigkeit<br />

nicht allein auf Kosten oder Steuerermäßigungen beruht, sondern dass gerade auch die Menschen<br />

ein wichtiges Element der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen sind. Die Erforschung<br />

<strong>und</strong> die Entwicklung neuer Technologien, die die Reduzierung der Produktionskosten<br />

<strong>und</strong> die Verbesserung der Produktionskapazität ermöglichen, sind unerlässlich; es darf aber<br />

nicht übersehen werden, dass der eigentliche Wert dieser Fortschritte in ihrer praktischen<br />

Umsetzung liegt. Es ist deshalb entscheidend, über das Wissen zu verfügen, das für die<br />

Anwendung der betreffenden Verfahren erforderlich ist, deren beträchtliches Potenzial für<br />

Verbesserungen auszuschöpfen sowie den Unternehmen die Risiken <strong>und</strong> gleichzeitig die<br />

Notwendigkeit der Suche neuer Einsatzmöglichkeiten für bereits vorhandene Technologien<br />

vor Augen zu führen, d.h. eine innovationsfre<strong>und</strong>liche Einstellung zu fördern. Dabei spielen<br />

Unternehmer <strong>und</strong> Arbeitnehmer zweifellos eine entscheidende Rolle, denn letztlich sollen<br />

europäische Betriebe darin bestärkt werden, den Großteil ihres Mehrwerts <strong>und</strong> ihres Wettbewerbsvorteils<br />

auf das Humankapital zu gründen. Deshalb sind Maßnahmen von entscheidender<br />

Bedeutung, die auf die Weiterbildung von Arbeitnehmern sowie die Ankurbelung der<br />

Investitionen in Innovation <strong>und</strong> Forschung abzielen. Auch hier kommt den europäischen<br />

Sozialpartnern über ihr gemeinsames Arbeitsprogramm 29 eine besondere Bedeutung zu.<br />

28<br />

Die Notwendigkeit einer aktiven Industriepolitik wurde auf dem Frühjahrsgipfel des Europäischen Rates am 22./23. März 2005<br />

in Brüssel anerkannt.<br />

29<br />

Siehe die "Gemeinsame Erklärung zur Halbzeitüberprüfung der Lissabon-Strategie" des Dreigliedrigen Sozialgipfels für<br />

Wachstum <strong>und</strong> Beschäftigung am 22. März 2005.


- 25 -<br />

3.7 Gleichwohl erscheinen einige Maßnahmen nur im Falle von <strong>Betriebsverlagerungen</strong> innerhalb<br />

der EU angezeigt.<br />

3.7.1 Die Erweiterung der EU <strong>und</strong> der damit entstehende größere Binnenmarkt verbieten jede Überlegung,<br />

<strong>Betriebsverlagerungen</strong> von Westeuropa nach Mittel- <strong>und</strong> Osteuropa in irgendeiner<br />

Weise zu beschränken. Es könnte erwogen werden, EU-Förderkriterien einzuführen, die<br />

sicherstellen, dass jene Unternehmen gefördert werden, die eine neue Geschäftstätigkeit<br />

oder -sparte entwickeln, nicht aber solche, die bestehende Produktionen oder Dienstleistungen<br />

aus anderen Teilen der EU transferieren. Deshalb sollten Anstrengungen gefördert werden, die<br />

geeignet sind, das enorme West-Ost-Gefälle hinsichtlich der Produktionsbedingungen im<br />

Allgemeinen <strong>und</strong> der Produktionskosten im Besonderen möglichst rasch zu nivellieren.<br />

3.7.2 Die wichtigste Schlussfolgerung lautet, dass es einen kontinuierlichen Prozess der Verbesserung<br />

der Wettbewerbsfähigkeit in der EU geben muss, der im Einklang mit der Lissabon-<br />

Strategie steht <strong>und</strong> von den Unternehmen angeführt wird (Entwicklung besserer Produkte,<br />

Schaffung innovativer Unternehmensmodelle, effizientere Produktionsverfahren usw.). Es<br />

bedarf gleichzeitig einfacherer Rechtsvorschriften auf europäischer <strong>und</strong> nationaler Ebene, um<br />

einen solchen Prozess zu erleichtern.<br />

3.7.3 Investitionen in Humankapital <strong>und</strong> Infrastruktur sollten verstärkt unterstützt werden. Die<br />

Europäische Union braucht eine starke industrielle Basis mit hohem Innovationsvermögen<br />

<strong>und</strong> hoher High-Tech-Ausrichtung. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die derzeitige Situation<br />

in sämtlichen Wirtschaftssektoren sowohl auf regionaler als auch auf nationaler Ebene eingehend<br />

untersucht werden, damit die auf lokaler Ebene bestehenden spezifischen Vorteile<br />

optimal genutzt werden können.<br />

3.7.3.1 Um Unternehmen an ihren ursprünglichen Standorten zu halten, müssen mehr regionale<br />

Anreize in der beruflichen Bildung geschaffen werden. Auch sollten weitere Initiativen wie<br />

der Austausch mit Hochschulen im Bereich der Forschung oder die Beteiligung der lokalen<br />

Behörden an der Entwicklung regionaler Cluster zur Unterstützung von Unternehmen gefördert<br />

werden 30 .<br />

3.7.3.2 Der Ausschuss unterstützt den Vorschlag der Kommission, den Zeitraum nach Erhalt der<br />

Finanzbeihilfen, während dessen ein Unternehmen die Investition, für die die Beihilfe beantragt<br />

wurde, beibehalten muss, von fünf auf sieben Jahre zu erhöhen 31 . Auf diese Weise wird<br />

die Verwurzelung der Unternehmen gefördert, die, sollten sie diese Anforderungen nicht erfüllen,<br />

die erhaltenen Finanzbeihilfen zurückzahlen müssen.<br />

3.7.4 Angesichts der Relevanz <strong>und</strong> des Interesses an dieser Frage wird der Ausschuss die Entwicklung<br />

der <strong>Betriebsverlagerungen</strong> in Europa weiter verfolgen 32 .<br />

30<br />

Das bereits in Ziffer 2.1 erwähnte "Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit <strong>und</strong> Innovation" (KOM(2005) 121 endg. vom<br />

6. April 2005) sieht Schritte in diese Richtung vor.<br />

31<br />

Vgl. die Vorschläge der Europäischen Kommission für die Strukturfonds.<br />

32<br />

Diesbezüglich müssen u.a. die quantitativen <strong>und</strong> qualitativen Analysen der Europäischen Stelle zur Beobachtung des Wandels<br />

(Dublin) berücksichtigt werden.


4. Empfehlungen<br />

- 26 -<br />

4.1 Wie es in der Mitteilung der Europäischen Kommission über die integrierten Leitlinien für<br />

Wachstum <strong>und</strong> Beschäftigung (2005-2008) 33 heißt, muss die EU einerseits die <strong>Chancen</strong><br />

wahrnehmen, die sich durch die Öffnung rasch wachsender Märkte, z.B. in China <strong>und</strong> in<br />

Indien, bieten, <strong>und</strong> hat andererseits das Potenzial, ihre Wettbewerbsvorteile auszubauen. Sie<br />

muss nur entschieden vorgehen, um dieses Potenzial auszuschöpfen.<br />

4.2 Der Ausschuss ist der Auffassung, dass es zur Steigerung des Wachstumspotenzials <strong>und</strong> zur<br />

Bewältigung der künftigen <strong>Herausforderungen</strong> unerlässlich ist, eine Wissensgesellschaft mit<br />

den sie tragenden Säulen Humankapital, Bildung, Forschung <strong>und</strong> Innovation zu verwirklichen.<br />

Der Ausschuss ist ferner der Meinung, dass nachhaltiges Wachstum eine stärkere<br />

demografische Dynamik, eine bessere soziale Integration <strong>und</strong> - wie vom Europäischen Rat<br />

mit der Verabschiedung des Europäischen Pakts für die Jugend am 22./23. März 2005 zum<br />

Ausdruck gebracht - eine umfassendere Nutzung des Potenzials, das in der europäischen<br />

Jugend steckt, erfordert.<br />

4.3 Der Ausschuss hält eine größere Konvergenz <strong>und</strong> Synergie zwischen den verschiedenen<br />

internen Strategien, Aktionen <strong>und</strong> Zielen der EU für notwendig. Dies erfordert nicht nur eine<br />

starke interne Koordinierung innerhalb der Kommission, sondern auch eine Vertiefung ihres<br />

Dialogs mit dem Europäischen Parlament <strong>und</strong> dem Rat.<br />

4.4 Der Ausschuss empfiehlt der Kommission, in der Industriepolitik der EU nicht nur einen<br />

horizontalen, sondern auch einen sektorbezogenen Ansatz zu verfolgen, denn die<br />

Empfehlungen der hochrangigen Gruppen für die Industriezweige Pharmazeutika, Textilien<br />

<strong>und</strong> Bekleidung, Schiffbau <strong>und</strong> Automobilbau belegen, dass jeder dieser Sektoren vor<br />

spezifischen Problemen steht, die eine auf ihn zugeschnittene Lösung <strong>und</strong> eine individuelle<br />

Betrachtungsweise notwendig machen 34 . Diese Probleme können durch einen horizontalen<br />

Ansatz nicht gelöst werden.<br />

4.5 Um die negativen Auswirkungen von <strong>Betriebsverlagerungen</strong> in Europa so weit wie möglich<br />

zu vermeiden, sollten u.a. folgende Aspekte berücksichtigt werden:<br />

33 KOM(2005) 141 endg. vom 12. April 2005.<br />

34 Das Hauptziel dieser vier hochrangigen Gruppen, die von der Europäischen Kommission zwischen 2001 <strong>und</strong> 2005 eingesetzt<br />

wurden, ist die Anregung einer Debatte über Initiativen, die es den betreffenden Sektoren erleichtern sollen, sich auf die großen<br />

<strong>Herausforderungen</strong> einzustellen <strong>und</strong> die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu verbessern. Folgende drei<br />

hochrangige Gruppen haben ihren Bericht bereits veröffentlicht: "Pharmazeutika" im Mai 2002, "Textilien" <strong>und</strong> "Bekleidung" im<br />

Juni 2004 (diese Gruppe hat ihre Arbeit jedoch auf Arbeitsgruppenebene wiederaufgenommen, um die Diskussion über noch<br />

offene Fragen fortzusetzen <strong>und</strong> die Situation des Sektors im Jahr 2005 zu beurteilen), "Schiffbau" im Oktober 2003. Der Bericht<br />

der hochrangigen Gruppe CARS21 soll vor Ende 2005 veröffentlicht werden.


- 27 -<br />

4.5.1 Bildung, Ausbildung <strong>und</strong> Qualifikation: Humankapital ist ein sehr wichtiger Faktor für die<br />

industrielle Wettbewerbsfähigkeit - <strong>und</strong> in Zukunft wird seine Bedeutung wahrscheinlich<br />

noch zunehmen (dies zeigt sich schon daran, dass der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften<br />

das Haupthindernis für die Entwicklung der KMU darstellt). In den nächsten Jahren wird sich<br />

zeigen, dass die Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte entscheidend für die langfristige<br />

internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie ist. Damit gewinnen auch die<br />

Ausbildung <strong>und</strong> die Zuwanderung im Rahmen der Rechtsvorschriften <strong>und</strong> der Gemeinschaftspolitik<br />

an Bedeutung. Im Mittelpunkt der europäischen Industriepolitik sollten deshalb die<br />

schulische <strong>und</strong> berufliche Bildung - vor allem die berufliche Weiterbildung - sowie die<br />

Qualifizierung stehen.<br />

Humankapital <strong>und</strong> Know-how sind Wettbewerbsvorteile<br />

4.5.2 Forschung <strong>und</strong> Innovation - Schlüsselfaktoren der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen<br />

Industrie. Europa muss sich bemühen, das Ziel einer Erhöhung der Forschungsausgaben auf<br />

3% seines BIP zu erreichen <strong>und</strong> seine Anstrengungen zur Förderung der öffentlichen <strong>und</strong> privaten<br />

Forschung zu verdoppeln. Dafür ist die Errichtung eines europäischen Forschungsraums<br />

entscheidend, um die notwendigen Gr<strong>und</strong>lagen für den wissenschaftlichen <strong>und</strong> technologischen<br />

Fortschritt in der EU zu schaffen.<br />

Darüber hinaus ist es wichtig, dass die Forschung in industrielle Innovation überführt wird<br />

<strong>und</strong> dass private Investitionen in solche Kapitalgüter verstärkt werden, die den technischen<br />

Wandel eigentlich bewirken.<br />

Wissenschaftlich- technische Innovation ist ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal<br />

4.5.3 Wettbewerbspolitik: Auch wenn die Interaktion zwischen Industriepolitik <strong>und</strong> Wettbewerbspolitik<br />

mehr <strong>und</strong> mehr an Bedeutung gewinnt, sind diese beiden Politikbereiche derzeit<br />

noch zu isoliert. Es wäre erforderlich, sie stärker miteinander zu verknüpfen, denn die geeignete<br />

Anwendung der mit den Zielen der Industriepolitik verknüpften Wettbewerbsregeln wird<br />

langfristig erheblich zu Wachstum <strong>und</strong> Beschäftigung beitragen.<br />

Es ist notwendig, die Märkte stärker zu überwachen sowie in die neuen Richtlinien <strong>und</strong> die<br />

überarbeiteten geltenden Richtlinien Bedingungen für ihre einheitliche Umsetzung in allen<br />

Mitgliedstaaten aufzunehmen.<br />

Wettbewerbspolitik <strong>und</strong> Industriepolitik miteinander verknüpfen<br />

4.5.4 Sensibilisierung: Angesichts der Rolle des derzeitigen Verbraucherverhaltens, bei dem der<br />

Preis eine entscheidende Rolle spielt, wäre es angebracht, die Verbraucher für die Auswirkungen<br />

dieses Verhaltens zu sensibilisieren. Die Unternehmen können durch Soziallabels, Qualitätskennzeichen<br />

etc. 35 zur Verbesserung des öffentlichen Bewusstseins beitragen. Weiterhin<br />

denkbar wäre, dass sie die Verbraucher genauer über die Herkunft ihrer Produkte informieren.<br />

Die Verbraucher für die Auswirkungen ihres Verhaltens sensibilisieren<br />

35 Siehe Stellungnahme "Informations- <strong>und</strong> Messinstrumente für die soziale Verantwortung der Unternehmen in einer globalisierten<br />

Wirtschaft" (CESE 629/2005; Berichterstatterin: Frau Pichenot), verabschiedet am 8. Juni 2005.


- 28 -<br />

4.5.5 Schlüsselsektoren: Es bedarf einer aktiveren, insbesondere sektorbezogenen Industriepolitik,<br />

die die öffentlich-private Zusammenarbeit fördert. Nach Ansicht des Ausschusses sollten<br />

daher u.a. die quantitativen <strong>und</strong> qualitativen Analysen der Europäischen Stelle zur Beobachtung<br />

des Wandels (Dublin) berücksichtigt werden, um die öffentliche Debatte über <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

auf eine festere Gr<strong>und</strong>lage zu stützen.<br />

Eine verstärkte öffentlich-private Zusammenarbeit in Schlüsselsektoren beschleunigt<br />

die Entwicklung<br />

4.5.6 Reaktion auf unvorhergesehene Schocks: Im Einklang mit der Mitteilung über Umstrukturierung<br />

<strong>und</strong> Beschäftigung 36 ist für alle Sektoren die Einrichtung von "gemeinschaftlichen<br />

Finanzinstrumenten für bessere Antizipation <strong>und</strong> besseres Management von Umstrukturierungen"<br />

angebracht, wobei die jeweiligen Haushaltsmittel unter Berücksichtigung der sozialen<br />

Folgen angepasst werden müssen. Ferner wäre ein Handeln der Behörden bei "unvorhergesehenen<br />

Ereignissen oder Ereignisse[n] mit starken regionalen oder sektoralen Auswirkungen"<br />

zu begrüßen. Daher unterstützt der EWSA die Bildung einer "Reserve für unvorhergesehene<br />

Ereignisse" im Rahmen der Strukturfonds.<br />

Die EU muss mit ausreichend flexiblen Finanzinstrumenten auf unvorhergesehene Schocks<br />

reagieren können<br />

4.5.7 Infrastruktur: Die Verkehrs-, Telekommunikations- <strong>und</strong> Energienetze müssen verbessert<br />

werden, <strong>und</strong> zwar auf nationaler <strong>und</strong> innergemeinschaftlicher Ebene wie auch mit den Nachbarländern.<br />

Die Infrastrukturen sind ein Haupterfordernis der Wettbewerbsfähigkeit <strong>und</strong> müssen<br />

daher den Unternehmen zu konkurrenzfähigen Preisen zur Verfügung gestellt werden.<br />

Gut funktionierende öffentliche Dienste sind attraktiv <strong>und</strong> für die Entwicklung der<br />

Unternehmen, insbesondere der KMU, notwendig.<br />

Eine bedarfsgerechte Infrastruktur ist für die Unternehmen ein Gr<strong>und</strong>, in Europa zu bleiben<br />

4.5.8 Förderung des Unternehmergeistes <strong>und</strong> Schaffung von Anreizen für Unternehmenstätigkeiten:<br />

Zur Sicherung der Zukunft der europäischen Industrie ist es entscheidend, für ein<br />

Umfeld zu sorgen, das die Entwicklung <strong>und</strong> den Ausbau der Unternehmenstätigkeit unter<br />

besonderer Berücksichtigung der kleinen <strong>und</strong> mittleren Unternehmen fördert. Der Zugang zur<br />

Finanzierung in einer frühen <strong>und</strong> mittleren Phase der Unternehmensentwicklung muss<br />

verbessert werden. Auch sollten die Verfahren für die Unternehmensgründung <strong>und</strong> führung so<br />

weit wie möglich vereinfacht werden. Es wird auch erforderlich sein, einen Mentalitätswandel<br />

herbeizuführen <strong>und</strong> das Eingehen unternehmerischer Risiken zu fördern. Andererseits muss<br />

die Einbeziehung der Arbeitnehmer in die Verwirklichung der Unternehmensziele erwogen<br />

werden.<br />

Die Förderung von Unternehmensgründungen zur Wachstumssicherung ist unerlässlich<br />

36 KOM(2005) 120 endg.


- 29 -<br />

4.5.9 Sozialpolitische Maßnahmen: Die beste Möglichkeit, den verständlichen Befürchtungen vor<br />

den negativen Auswirkungen von <strong>Betriebsverlagerungen</strong> zu begegnen, ist die Erarbeitung <strong>und</strong><br />

angemessene Anwendung sozialpolitischer Maßnahmen, die eine positive Haltung gegenüber<br />

dem Wandel fördern, es ermöglichen, dass sich die Arbeitnehmer anpassen <strong>und</strong> ihre Fähigkeiten<br />

verbessern, <strong>und</strong> die die Schaffung von Arbeitsplätzen fördern.<br />

Sozialpolitische Maßnahmen zur Minderung der möglichen negativen Auswirkungen von<br />

<strong>Betriebsverlagerungen</strong> sind zu konzipieren <strong>und</strong> anzuwenden<br />

4.5.10 Sozialer Dialog: Auf Ebene der Unternehmen, der Branchen <strong>und</strong> der Berufsgruppen muss die<br />

europäische Industriepolitik gestaltet <strong>und</strong> unter Einbeziehung der Sozialpartner in die Praxis<br />

umgesetzt werden, deren Sachkenntnis als hauptsächlich betroffene Akteure von f<strong>und</strong>amentaler<br />

Bedeutung ist. Dies setzt voraus, dass Unternehmen ihre Ziele frühzeitig offen legen, damit<br />

andere Betroffene geeignete Maßnahmen ergreifen können. Die europäischen Sozialpartner<br />

sollten diese Frage im Rahmen der Umstrukturierungen <strong>und</strong> vor dem Hintergr<strong>und</strong> der<br />

neuen Agenda des europäischen sozialen Dialogs auch auf sektorieller Ebene angehen.<br />

Tarifvereinbarungen sind im Rahmen des sozialen Dialogs ein wichtiger Faktor für die<br />

Schaffung gleichwertiger Wettbewerbsbedingungen zwischen verschiedenen Unternehmen.<br />

Ein konstruktiver, kreativer Interessenausgleich zwischen allen Beteiligten ist eine Daueraufgabe<br />

4.5.11 Wettbewerbsfähigkeit <strong>und</strong> Spielregeln: Auch wenn <strong>Betriebsverlagerungen</strong> eine Erscheinungsform<br />

des Strukturwandels sind, so ist doch nicht hinnehmbar, dass den Veränderungen<br />

durch eine Politik der EU - selbst in nur geringem Maße - Vorschub geleistet wird, die bei der<br />

Aushandlung <strong>und</strong> der späteren Auslegung der gr<strong>und</strong>legenden internationalen Standards allzu<br />

viel Spielraum lässt. Um die Zusammenarbeit zwischen der WTO <strong>und</strong> der ILO zu fördern,<br />

muss die soziale Dimension der Globalisierung berücksichtigt <strong>und</strong> eine geeignete Interaktion<br />

zwischen den Politiken der EU gef<strong>und</strong>en werden. Daher muss die EU in diesen internationalen<br />

Gremien darauf hinwirken, dass die entsprechenden Normen eingehalten bzw. andernfalls<br />

die einschlägigen Mechanismen möglichst wirkungsvoll angewandt werden.<br />

Es muss offene <strong>und</strong> Konkurrenz erlaubende Weltmärkte geben,<br />

deren Standards von allen eingehalten werden<br />

4.6 Ziel muss es sein, neue Investitionen in Europa zu fördern, bestehende Investitionen beizubehalten<br />

<strong>und</strong> europäische Investitionen in Drittstaaten fortzusetzen.<br />

Brüssel, den 14. Juli 2005<br />

Die Präsidentin<br />

des Europäischen Wirtschafts- <strong>und</strong><br />

Sozialausschusses<br />

Anne-Marie SIGMUND<br />

_____________<br />

Der Generalsekretär<br />

des Europäischen Wirtschafts- <strong>und</strong><br />

Sozialausschusses<br />

Patrick VENTURINI


Joost van Iersel<br />

Mitglied des EWSA<br />

Gruppe I — NL<br />

Berichterstatter<br />

- 31 -<br />

CCMI/030<br />

"Branchenspezifische<br />

Untersuchung von<br />

<strong>Betriebsverlagerungen</strong>" Enrique Calvet Chambon<br />

CCMI Delegierte<br />

Kategorie 1 — ES<br />

Mitberichterstatter<br />

INFORMATIONSBERICHT<br />

Brüssel, den 6. September 2006<br />

der Beratenden Kommission für den industriellen Wandel<br />

zu dem Thema<br />

"Eine branchenspezifische Untersuchung von <strong>Betriebsverlagerungen</strong>"<br />

_____________<br />

Berichterstatter: Herr van IERSEL<br />

Mitberichterstatter: Herr CALVET CHAMBON<br />

_____________


- 33 -<br />

Der Europäische Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialausschuss (EWSA) beschloss am 14. Juli 2005, die Beratende<br />

Kommission für den industriellen Wandel (CCMI) gemäß Artikel 31 der Geschäftsordnung mit<br />

der Erarbeitung eines Informationsberichts zu folgendem Thema zu beauftragen:<br />

"Eine branchenspezifische Untersuchung von <strong>Betriebsverlagerungen</strong>".<br />

Die vorbereitenden Arbeiten wurden von den folgenden Mitgliedern <strong>und</strong> Delegierten durchgeführt:<br />

Vorsitzende: Frau FUSCO (III-IT) (für ROSSITTO, Art. 62 GO)<br />

Berichterstatter: Herr van IERSEL (I-NL)<br />

Mitberichterstatter: Herr CALVET CHAMBON (Kat. 1-ES)<br />

Mitglieder: die Herren<br />

FERNÁNDEZ (Kat. 2-ES)<br />

GLORIEUX (Kat. 3-BE)<br />

LASIAUSKAS (I-LT) (für LEVAUX, Art. 62 GO)<br />

NOLLET (II-BE)<br />

HOSMAN (Kat. 1-UK)<br />

PÁLENÍK (III-SK)<br />

PASSLEY (Kat. 3-UK)<br />

SZEREMENT (Kat. 2-PL)<br />

ZÖHRER (II-AT)<br />

*<br />

* *<br />

1. Einleitung: CCMI <strong>und</strong> <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

1.1 Dieser Informationsbericht ist eine unmittelbare Weiterführung der am 14. Juli 2005 vom<br />

Ausschuss verabschiedeten Stellungnahme der CCMI zum Thema "Ausmaß <strong>und</strong> Auswirkungen<br />

von <strong>Betriebsverlagerungen</strong>" 1 .<br />

1.2 Der Stellungnahme zufolge sind <strong>Betriebsverlagerungen</strong> - sowohl aus den alten in die neuen<br />

Mitgliedstaaten, als auch aus der EU in Drittländer (insbesondere in Asien) - ein unvermeidbarer<br />

Prozess, der von der erweiterten EU begleitet <strong>und</strong> überwacht werden muss.<br />

1.3 In der Stellungnahme wird deutlicht gemacht, dass <strong>Betriebsverlagerungen</strong> in den von Unternehmensweggang<br />

betroffenen Regionen zu Arbeitsplatzabbau <strong>und</strong> anderen damit einherge-<br />

1<br />

Der Volltext der Stellungnahme (CESE 851/2005, Berichterstatter: Herr Rodríguez GARCÍA-CARO, Gruppe I, Arbeitgeber,<br />

Spanien; Mitberichterstatter: Herr NUSSER, Delegierter der CCMI, Deutschland) ist auf der Website des Ausschusses unter folgender<br />

Adresse abzurufen:<br />

http://eescopinions.esc.eu.int/EESCopinionDocument.aspx?identifier=ces\ccmi\ccmi014\ces851-2005_ac.doc&language=DE


- 34 -<br />

henden Problemen wie höheren Sozialkosten, stärkerer sozialer Ausgrenzung <strong>und</strong> geringerem<br />

Wirtschaftswachstum führen können.<br />

1.4 In der Stellungnahme wird dargelegt, dass <strong>Betriebsverlagerungen</strong> trotz dieser Auswirkungen<br />

nicht zwangsläufig sozialen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Rückschritt bedeuten müssen. Vielmehr<br />

sind sie für das Fortbestehen <strong>und</strong> die Entwicklung von Unternehmen sehr häufig von<br />

zentraler Bedeutung. Außerdem reagieren zahlreiche Unternehmen auf kreative Art <strong>und</strong><br />

Weise, indem sie entweder neue Cluster bilden <strong>und</strong> ihr Aktionsfeld ausweiten - was<br />

insbesondere für KMU zutrifft -, oder aber Verarbeitungsverfahren <strong>und</strong> Produktdesign<br />

anpassen.<br />

1.5 In dem Dokument wird die Standortwahl als eine strategische Frage erkannt, bei der eine<br />

Vielzahl von wirtschaftlichen <strong>und</strong> industriellen Aspekten berücksichtigt werden muss.<br />

Abschließend wird unterstrichen, dass bestimmte zentrale Aspekte der Industriepolitik<br />

stärker zu entwickeln sind, wenn weitere indirekte <strong>Betriebsverlagerungen</strong> verhindert werden<br />

sollen, außerdem werden einige diesbezügliche Maßnahmen vorgeschlagen.<br />

1.6 In der Stellungnahme werden die zentralen Themen, die für <strong>Betriebsverlagerungen</strong> allgemein<br />

von Belang sind erörtert <strong>und</strong> Schlussfolgerungen gezogen. Wie in der Stellungnahme jedoch<br />

zum Ausdruck kommt, "sind einige Sektoren stärker von <strong>Betriebsverlagerungen</strong> betroffen als<br />

andere" ( Ziffer 2.6). Derzeit gibt es keine klaren Vorstellungen über die branchenspezifischen<br />

Auswirkungen des Phänomens.<br />

2. Bericht über Fakten <strong>und</strong> Zahlen<br />

2.1 Die CCMI legt neben der genannten Stellungnahme einen Bericht über Fakten <strong>und</strong> Zahlen<br />

bezüglich der <strong>Betriebsverlagerungen</strong> vor. Die CCMI zieht aus dem statistischen Material<br />

Schlussfolgerungen <strong>und</strong> befasst sich mit der angewandten Methode sowie der Verfügbarkeit<br />

der Quellen.<br />

2.2 Dieser Bericht soll mittels Verwendung der einschlägigen Indikatoren einen Überblick über<br />

die <strong>Betriebsverlagerungen</strong> in einer Reihe von Branchen geben. Diese Branchen wurden - wie<br />

in Kapitel 3 dieses Dokuments erläutert - anhand verschiedener Kriterien <strong>und</strong> Zielsetzungen<br />

ausgewählt <strong>und</strong> sollen vor allem ein möglichst umfassendes Bild dieses Phänomens vermitteln.<br />

In dem auf der Website der CCMI zugänglichen Überblick 2 werden deshalb 19 ausgewählte<br />

Branchen untersucht, indem das vorhandene statistische <strong>und</strong> sonstige Datenmaterial<br />

für die betreffende Branche zusammengestellt wird, um eine exakte Zustandsbeschreibung<br />

bezüglich der <strong>Betriebsverlagerungen</strong> in diesen Sektoren geben zu können. Dieser Überblick<br />

wurde von der externen Beratungsfirma Reckon LLP unter enger Aufsicht <strong>und</strong> Anleitung<br />

durch eine Studiengruppe der CCMI durchgeführt.<br />

2.3 Ziel des vorliegenden Dokuments ist es folglich, den von der Beratungsfirma in enger<br />

Zusammenarbeit mit der Studiengruppe der CCMI gewählten Ansatz zu umreißen, kurz auf<br />

2 http://eesc.europa.eu/sections/ccmi/docs/index_en.asp


- 35 -<br />

die wichtigsten, im Überblick enthaltenen Ergebnisse einzugehen, diese im<br />

Gesamtzusammenhang zu sehen <strong>und</strong> gegebenenfalls einige Empfehlungen auszusprechen.<br />

3. Beschreibung des Ansatzes<br />

3.1 Der Auftragnehmer wurde im Rahmen des Follow-up zur Stellungnahme des Ausschusses<br />

vom 14. Juli 2005 gebeten, sämtliches zum Phänomen der Betriebsverlagerung vorhandenes<br />

Datenmaterial zu sammeln, zu vergleichen, einer Querverweisbildung zu unterziehen, zu systematisieren<br />

<strong>und</strong> zu interpretieren. Wenngleich diese Arbeiten sorgfältig ausgeführt wurden,<br />

traten doch Schwierigkeiten auf.<br />

3.2 Es ist festzuhalten, dass es weder eine allgemein anerkannte Definition noch eine einheitliche<br />

Messgröße für <strong>Betriebsverlagerungen</strong> gibt, wodurch die Wahl des Ansatzes beeinflusst wird.<br />

3.3 Die Studiengruppe kam überein, die Definition des Ausschusses 3 als Ausgangspunkt für ihre<br />

Untersuchungen <strong>und</strong> als Bezugspunkt für die Wahl <strong>und</strong> Interpretation des Indikatorensatzes<br />

zu verwenden. Sie beschloss sodann, die Untersuchung hauptsächlich auf externe Verlagerungen<br />

("völlige oder teilweise Verlegung der Tätigkeit in einen Drittstaat") zu<br />

konzentrieren, um dem Besitzstand des EU-Binnenmarkts besser gerecht zu werden, ohne<br />

gleichwohl Verweise auf maßgebliche Tatbestände interner Verlagerung (zwischen<br />

Mitgliedstaaten) vollkommen auszuschließen, wenn diese offensichtlich ein erhebliches<br />

Ausmaß <strong>und</strong> gravierende Auswirkungen haben.<br />

3.4 Betriebsverlagerung, Deindustrialisierung, "Offshoring", "Outsourcing", Ströme der<br />

ausländischen Direktinvestitionen (ADI) sowie der Strukturwandel im Allgemeinen lassen<br />

sich nicht scharf voneinander abgrenzen. Folglich kann es kein perfektes System zur<br />

Messung eines Phänomens geben, das weder eindeutig noch klar umrissen ist. Die<br />

Beratungsfirma hat sich darum bemüht, einen Satz einschlägiger Indikatoren zu verwenden,<br />

der ein möglichst genaues Gesamtbild der zu untersuchenden Prozesse gibt. Die CCMI hält<br />

es für sehr sinnvoll, dass der Bericht eine detaillierte Beschreibung der verwendeten<br />

Indikatoren enthält <strong>und</strong> dass auf deren Leistungsfähigkeit als Indikatoren für<br />

<strong>Betriebsverlagerungen</strong> eingegangen wird. Um zwei Beispiele herauszugreifen, hält die<br />

Beratungsfirma die Indikatoren des ERM (European Restructuring Monitor) <strong>und</strong> des ADI für<br />

besonders fragwürdig. Diese Quellen sind tatsächlich von derart fragwürdiger Natur, dass<br />

Zahlen aus diesen Datensätzen zwar im Überblick aufgeführt werden, in den<br />

Schlussfolgerungen der externen Beratungsfirma aber nicht berücksichtigt werden.<br />

3 Vgl. CESE 851/2005. In Ziffer 1.18 wird der Begriff der "Verlagerung" folgendermaßen definiert (NB: in der englischen Fas-<br />

sung werden die Termini "delocalisation" and "relocation" synonym gebraucht):<br />

"Verlagerung ist die völlige oder teilweise Einstellung einer Tätigkeit <strong>und</strong> ihre Wiederaufnahme im Ausland im Rahmen einer<br />

Direktinvestition. In Bezug auf die Europäische Union können zwei Arten der Verlagerung unterschieden werden:<br />

a) interne Verlagerung: völlige oder teilweise Verlegung der Tätigkeit in einen anderen Mitgliedstaat;<br />

b) externe Verlagerung: völlige oder teilweise Verlegung der Tätigkeit in einen Drittstaat."


- 36 -<br />

3.5 Die Untersuchung lässt sich nur durchführen, wenn die Branchen in den Mittelpunkt gestellt<br />

werden. Die Studiengruppe der CCMI hat auf der Gr<strong>und</strong>lage der folgenden Kriterien 19<br />

Branchen ausgewählt:<br />

• Bedeutung der Branche nach Anteil am BIP der EU;<br />

• technologische Entwicklung <strong>und</strong> Mehrwert;<br />

• strategische Bedeutung für die EU;<br />

• Beschäftigungszahlen;<br />

• das empf<strong>und</strong>ene Risiko von Verlagerungen.<br />

3.6 In dem Überblick mussten trotzdem erhebliche, mitunter widersprüchliche Lücken <strong>und</strong> Überlappungen<br />

bezüglich der gebräuchlichen Branchendefinitionen sowie der verbreitetsten,<br />

trotzdem gelegentlich unterschiedlichen statistischen Einheiten bewältigt werden.<br />

3.7 Selbst wenn die Definition einer Branche klar <strong>und</strong> eindeutig zu sein scheint, kann die statistische<br />

Analyse zu anscheinend willkürlichen Ergebnissen führen. Dies ist zum einen auf Überlappungen<br />

bei den Beziehungen zwischen verarbeitendem Gewerbe <strong>und</strong> Dienstleistungen im<br />

Allgemeinen <strong>und</strong> zum anderen auf die Komplexität der vertikalen <strong>und</strong> horizontalen<br />

Lieferketten zurückzuführen.<br />

3.8 Die Branchen werden in den statistischen Quellen nicht auf einheitliche Art <strong>und</strong> Weise<br />

berücksichtigt. Gewisse Branchen werden in den einschlägigen Datensätzen überhaupt nicht<br />

zufriedenstellend berücksichtigt. Das zur Verfügung stehende Datenmaterial weist außerdem<br />

von Land zu Land erhebliche Unterschiede auf. Die Erfassungszeiträume sind je nach Branche<br />

<strong>und</strong> Land unterschiedlich. Selbst in bestimmten Einzelsparten (z.B. Aluminium) kann<br />

das typische Problem der Verwendung wertbezogener anstatt mengenbezogener Daten zu<br />

Verwirrung <strong>und</strong> Fehldeutungen führen.<br />

Ferner ist festzustellen, dass selbst viele im Rahmen des Überblicks konsultierte Branchenverbände<br />

über keine Daten verfügen (oder diese uns nicht zur Verfügung gestellt wurden).<br />

Bestimmte andere Verbände waren hingegen sehr kooperativ <strong>und</strong> haben bewiesen, dass sie<br />

über sehr viel umfassendere <strong>und</strong> präzisere Kenntnisse ihrer Branche verfügen, als den allgemeinen<br />

statistischen Hilfsmitteln zu entnehmen war.<br />

3.9 Der Überblick ist trotz all dieser Schwierigkeiten gut strukturiert <strong>und</strong> wurde auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />

eines kohärenten, von der Beratungsfirma gewählten Ansatzes realisiert, was eine Reihe<br />

von (in Ziffer 4 erläuterten) Ergebnissen ermöglichte. Es ist zu bemerken, dass trotz der<br />

Kohärenz des verwandten Ansatzes für Flexibilität ausreichend Raum bestand, um<br />

Anpassungen an die Besonderheiten spezifischer Branchen zu ermöglichen. Anders<br />

ausgedrückt: An alle Branchen wurde das gleiche Muster angelegt, aber im Einzelfall<br />

wurden, falls erforderlich <strong>und</strong> machbar, zusätzliche Abstufungen vorgenommen.<br />

3.10 Dem Überblick kommt ferner das Verdienst zu, das Bild, das sich aus der statistischen<br />

Datenlage ergibt, nicht nur durch Kontakte zu den jeweiligen Branchenverbänden (beider<br />

Sozialpartner), sondern auch mittels eines umfassenden Überblicks über die zum Thema


- 37 -<br />

vorhandene Literatur ergänzt zu haben. Darüber hinaus wurden unterschiedliche<br />

Auffassungen bezüglich folgender Aspekte verdeutlicht:<br />

• Definition der mit <strong>Betriebsverlagerungen</strong> verb<strong>und</strong>enen Begriffe;<br />

• Messung von <strong>Betriebsverlagerungen</strong>;<br />

• Faktoren, die die Entscheidung für die Betriebsverlagerung beeinflussen;<br />

• Trendprognosen;<br />

• Auswirkungen der <strong>Betriebsverlagerungen</strong>.<br />

4. Schlussfolgerungen des Überblicks<br />

4.1 Wie im vorangegangenen Absatz verdeutlicht, hat sich der branchenspezifische Ansatz als<br />

der einzig gangbare Weg zur Untergliederung der verschiedenen zu untersuchenden Themenbereiche<br />

erwiesen. Somit bleiben Schwierigkeiten in einem Sektor - z.B. bei der Datenbeschaffung<br />

- eben auf diesen begrenzt, ohne dass dadurch die Problematik anderer Sektoren<br />

beeinträchtigt würde.<br />

4.2 Infolge der in Kapitel 3 erwähnten Einschränkungen weist das aus dem Überblick hervorgehende<br />

Gesamtbild der <strong>Betriebsverlagerungen</strong> Lücken <strong>und</strong> Unzulänglichkeiten auf.<br />

4.3 Einige Branchen konnten aufgr<strong>und</strong> mangelnder einschlägiger <strong>und</strong> vergleichbarer Daten nur<br />

in geringem Maße untersucht werden.<br />

4.4 Die zwei Branchen im Bereich der Unternehmensdienstleistungen (wissensintensive Dienstleistungen<br />

für Unternehmen <strong>und</strong> Finanzdienstleistungen) weisen diesbezüglich besondere<br />

Probleme auf. Zu dem Zeitpunkt, als diese beiden Branchen in die Liste der zu untersuchenden<br />

Sektoren aufgenommen wurden, vermutete die Studiengruppe, dass - so erstaunlich dies<br />

auch erscheinen mag - in diesen Bereichen ein Informationsmangel bestehen könnte. Trotzdem<br />

hielt man aufgr<strong>und</strong> der Wichtigkeit <strong>und</strong> Bedeutung von Unternehmensdienstleistungen<br />

zunächst an diesen Branchen fest, um zu sehen, ob sich die ursprünglichen Zweifel erhärten<br />

oder nicht.<br />

4.4.1 Aufgr<strong>und</strong> der durchgeführten Arbeiten kann die CCMI nun den Datenmangel bezüglich des<br />

Phänomens von <strong>Betriebsverlagerungen</strong> in der Branche der Finanzdienstleistungen bestätigen,<br />

weshalb in diesem Bereich keine Bewertung vorgenommen werden kann.<br />

4.4.2 Nur geringfügig besser ist die Lage in puncto Verfügbarkeit von zuverlässigem<br />

Datenmaterial im - durch äußert große Unterschiede gekennzeichneten - Bereich der<br />

wissensintensiven Unternehmensdienstleistungen. Das wenige zur Verfügung stehende


- 38 -<br />

Datenmaterial legt den Schluss nahe, dass <strong>Betriebsverlagerungen</strong> in dieser Branche im Allge-<br />

meinen keine große Rolle spielen 4 .<br />

4.4.3 Die CCMI begrüßt die Untersuchung von Offshoring <strong>und</strong> FuE-Aktivitäten, die zur Zeit von<br />

der GD Unternehmen <strong>und</strong> Industrie der Europäischen Kommission durchgeführt wird. Die<br />

Wirkungskraft <strong>und</strong> Bedeutung dieser Untersuchung kann durch einen stärker branchenorientierten<br />

Ansatz noch gesteigert werden.<br />

4.5 Ein Beispiel dafür, wie schwierig es sein kann, allein auf der Gr<strong>und</strong>lage des verfügbaren<br />

Datenmaterials eindeutige Schlussfolgerungen zu ziehen, bietet die Branche der Elektromechanik<br />

5 . In Absatz 34 der Zusammenfassung des Abschlussberichts des Beratungsunternehmens<br />

wird auf einen leichten Rückgang der Produktion <strong>und</strong> einen etwas ausgeprägteren<br />

Rückgang der Beschäftigung verwiesen, die im Gegensatz zu einer generellen Verbesserung<br />

der Handelsbilanz Europas in dieser Branche zwischen 1999 <strong>und</strong> 2003 steht. Die Beratungsfirma<br />

bietet zwei unterschiedliche Erklärungsmöglichkeiten für diese Phänomene: 1.) Zunahme<br />

der Arbeitsproduktivität <strong>und</strong> verbesserte Exportleistung; 2.) ein gewisses Aufkommen<br />

von <strong>Betriebsverlagerungen</strong>. Aktuelleren Daten zufolge, die von ORGALIME seit 2004 erhoben<br />

<strong>und</strong> anlässlich einer Anhörung 6 vorgestellt wurden, stieg die Produktion bei leichtem<br />

Rückgang der Beschäftigung. Nur dank des Beitrags des einschlägigen Branchenverbands<br />

wurde deutlich, dass die erste Hypothese der Beratungsfirma (d.h. Zunahme der Arbeitsproduktivität)<br />

zutrifft.<br />

4.6 Was die Branchen betrifft, in denen - unter Berücksichtigung der im vorhergehenden Kapitel<br />

dargestellten aufgetretenen Schwierigkeiten - eine relativ gründliche Untersuchung durchgeführt<br />

werden konnte, scheinen die vorläufigen allgemeinen Schlussfolgerungen darauf hinzuweisen,<br />

dass folgende Branchen tatsächlich von <strong>Betriebsverlagerungen</strong> im eigentlichen Sinne<br />

betroffen sind: zum einen Textilien, zum anderen Leder, Bekleidung <strong>und</strong> Schuhe. Wie im<br />

Bericht ganz richtig hervorgehoben wird, sind die beiden Branchen eng miteinander verb<strong>und</strong>en.<br />

Ferner ist zu beachten, dass die der Beratungsfirma zur Verfügung stehenden Statistiken<br />

die Auswirkungen des Auslaufens des WTO-Abkommens über Textilien <strong>und</strong> Bekleidung<br />

(ATC) am 1. Januar 2005 nicht widerspiegeln.<br />

4 Nach Auffassung der CCMI kommen die inhaltlich gut gewählten, laufenden Arbeiten ihrer Studiengruppe zum Thema "Wech-<br />

selwirkungen zwischen Dienstleistungen <strong>und</strong> Industrie in Europa sowie Auswirkungen auf Beschäftigung, Wettbewerbsfähigkeit<br />

<strong>und</strong> Produktivität" (Initiativstellungnahme CCMI/035. Berichterstatter: Herr CALLEJA, Gruppe I, MT, Mitberichterstatter:<br />

Herr ROHDE, CCMI-Deligierter, DE) genau zum richtigen Zeitpunkt, denn in der Stellungnahme CCMI/035 werden die<br />

Auswirkungen der Unternehmensdienstleistungen (zu denen die wissensintensiven Unternehmensdienstleistungen gehören) auf<br />

Beschäftigung, Wettbewerbsfähigkeit <strong>und</strong> Produktivität der Industrie in Europa untersucht. U.a. wird den Auswirkungen von<br />

Externalisierung/Auslagerung von Unternehmensdienstleistungen besondere Beachtung geschenkt.<br />

5 Siehe die Initiativstellungnahme des EWSA zum Thema "Der industrielle Wandel im Maschinenbausektor" (CESE 526/2005,<br />

verabschiedet am 11. Mai 2005; Berichterstatter: Herr van IERSEL, Gruppe I, Arbeitgeber, NL; Mitberichterstatter:<br />

Herr CASTAÑEDA, Delegierter der CCMI, Spanien):<br />

http://eescopinions.esc.eu.int/EESCopinionDocument.aspx?identifier=ces\ccmi\ccmi020\ces526-2005_ac.doc&language=DE<br />

6<br />

Am 4. Mai 2006 wurde im Sitz des EWSA im Rahmen der Arbeiten der CCMI-Studiengruppe eine Anhörung veranstaltet, an der<br />

Vertreter von sieben Branchenverbänden <strong>und</strong> Gewerkschaften beteiligt waren.


- 39 -<br />

4.7 Für die übrigen Branchen lässt sich schwerlich festlegen, ob die eigentlichen<br />

<strong>Betriebsverlagerungen</strong> getrennt werden können von weitergehenden wirtschaftlichen <strong>und</strong><br />

sozialen Phänomenen, die dem "Strukturwandel" als einem umfassenderen Prozess, in dem<br />

Globalisierung, Rationalisierung, Produktivitätsgewinne <strong>und</strong> Modernisierung unauflöslich<br />

miteinander verb<strong>und</strong>en sind, zugr<strong>und</strong>e liegen. In diesem Zusammenhang scheinen<br />

verschiedene konvergierende Trends aufzutreten:<br />

• Gleichbleibende oder sinkende Beschäftigungsquoten;<br />

• Aufstieg neuer Technologien mit entsprechend steigendem Bedarf an mehr hoch- <strong>und</strong><br />

häufig höchstqualifizierten Arbeitskräften;<br />

• steigende Produktivität;<br />

• insgesamt erzielte Handelsbilanzüberschüsse, insbesondere gegenüber Entwicklungsländern,<br />

die im Prinzip vom Trend der <strong>Betriebsverlagerungen</strong> profitieren müssten;<br />

• verstärkter Druck, dass Investitionen rasch zu Erträgen führen müssen.<br />

4.8 Schließlich sollte besonders hervorgehoben werden, dass verschiedene Organisationen bei<br />

der Anhörung am 4. Mai darauf hingewiesen haben, dass der Hauptgr<strong>und</strong> für die Verlagerung<br />

in einigen Fällen <strong>und</strong> in bestimmten Sektoren mit großem Flächenbedarf für die Produktion<br />

in der Immobilienspekulation zu suchen sein könnte.<br />

5. Schlussfolgerungen der CCMI<br />

5.1 Die Erarbeitung dieses Informationsberichts stellt für den EWSA eine innovative Arbeitsweise<br />

dar, da das Sachwissen <strong>und</strong> das Know-how der Mitglieder <strong>und</strong> Delegierten der CCMI<br />

mit den Ergebnissen eines Berichts gekoppelt wurde, der von einer externen, wenngleich<br />

unter enger Aufsicht der entsprechenden Studiengruppe der CCMI operierenden Beratungsfirma<br />

erstellt wurde.<br />

5.2 Die daraus hervorgegangene Arbeit erbringt einen hohen Mehrwert - angesichts der durch die<br />

Literaturhinweise der externen Studie untermauerten Tatsache, dass bislang weder<br />

öffentliche noch private Einrichtungen versucht haben, einen umfassenden Überblick über<br />

<strong>Betriebsverlagerungen</strong> auf der Gr<strong>und</strong>lage allen zur Verfügung stehenden Materials <strong>und</strong> mit<br />

einem branchenspezifischen Ansatz zu erstellen.<br />

5.3 Informelle Kontakte mit der Kommission haben gezeigt, dass die EU-Institutionen ähnlichen<br />

Schwierigkeiten begegnen. Im Gegensatz zu anderen Studien deckt der Überblick ein breites<br />

Indikatorenspektrum ab.<br />

5.4 Trotzdem wurde aufgr<strong>und</strong> der in Kapitel 3 dargelegten Ursachen (detaillierte Informationen<br />

über die aufgetretenen methodischen Probleme) das Ziel, den Umfang der <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

auf sektoraler Basis in der EU zu erfassen, nur teilweise erreicht.<br />

5.5 In einigen Fällen scheint ein erheblicher Unterschied zwischen dem aus dem verfügbaren<br />

Datenmaterial hervorgehenden Bild <strong>und</strong> der Art <strong>und</strong> Weise, wie die einschlägigen Akteure<br />

die Dynamik in einer bestimmten Branche subjektiv empfinden, zu bestehen. Dies wurde in


- 40 -<br />

der von der Studiengruppe der CCMI am 4. Mai veranstalteten Anhörung bestens<br />

veranschaulicht 7 .<br />

5.5.1 Nur zuverlässige Daten <strong>und</strong> Statistiken können dazu beitragen, die Lücke zwischen der "statistischen"<br />

<strong>und</strong> der "empf<strong>und</strong>enen" Realität zu schließen. Ferner muss das vorhandene Datenmaterial<br />

häufig von Sachverständigen (spezialisierte Beratungsfirmen, Branchenverbände<br />

u.a.) ausführlich interpretiert werden, wobei die Vielschichtigkeit, Komplexität <strong>und</strong> Dynamik<br />

industrieller Entwicklungsprozesse <strong>und</strong> des industriellen Wandels im Allgemeinen zu berücksichtigen<br />

sind. Gelegentlich haben statistische Fehler nicht nur quantitative<br />

Auswirkungen, sondern sie wirken sich häufig auch auf die Konzeption der<br />

Branchenunterteilung aus. Dies ist schwerwiegend, da alle eventuellen Maßnahmen, die auf<br />

falschen Konzeptionen basieren, große Schäden verursachen können. Deshalb sollte die<br />

Forschung über diese konkreten Punkte unbedingt intensiviert werden.<br />

5.6 Außerdem müssen zusätzliche Arbeiten durchgeführt werden. Die Problematik der Zielländer<br />

einerseits <strong>und</strong> die genaue Untersuchung einzelner Produktsparten innerhalb jeder Branche<br />

bedürfen weiterer Nachforschungen.<br />

5.7 Es wird, wie in Ziffer 4.7 bereits erwähnt, sehr schwierig werden, die eigentlichen <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

von den anderen, mit dem Strukturwandel einhergehenden Phänomenen - als<br />

Ausdruck eines komplexeren <strong>und</strong> dynamischen Prozesses - zu trennen. Eine ausschließliche<br />

Behandlung der <strong>Betriebsverlagerungen</strong> wäre zu einseitig. Dies erklärt auch, wieso es praktisch<br />

unmöglich ist, Statistiken zu erstellen, die nur <strong>Betriebsverlagerungen</strong> betreffen.<br />

5.7.1 Voraussetzung für solche Statistiken wäre sowohl eine Definition der Begriffe als auch die<br />

Festlegung geeigneter Indikatoren, was nahezu unmöglich ist. Ebenfalls müsste man die<br />

Gründe erforschen, die jeder einzelnen Produktionsverlagerung zugr<strong>und</strong>e liegen - ein offensichtlich<br />

unrealistisches Unterfangen.<br />

5.8 Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es keine solide Gr<strong>und</strong>lage für öffentliche Politik in<br />

diesem Bereich 8 , wenngleich gewisse Fortschritte zu verzeichnen sind, wie z.B. die<br />

gründliche Untersuchung von 27 Einzelbranchen des verarbeitenden Gewerbes <strong>und</strong> des<br />

Baugewerbes ("Europäische Industrie: Sektorenüberblick") 9 , die der Kommissionsmitteilung<br />

"Umsetzung des Lissabon-Programms der Gemeinschaft: Ein politischer Rahmen zur<br />

Stärkung des Verarbeitenden Gewerbes in der EU - Auf dem Weg zu einem stärker<br />

integrierten Konzept für die Industriepolitik" 10 angefügt wurde.<br />

5.9 Dies ist angesichts des in hohem Maße politischen Charakters dieses Themas <strong>und</strong> des<br />

entsprechenden, ihm in den Medien zuteil werdenden Gewichts umso bemerkenswerter.<br />

7 Siehe Fußnote 4.<br />

8 Siehe z.B. "EU competitiveness and industrial location", (BEPA(2005), 26. Oktober), Ziffer 2.4.<br />

9 SEK(2005) 1216 endg. vom 5.10. 2006.<br />

10 KOM(2005) 474 endg. vom 5.10.2005.


- 41 -<br />

<strong>Betriebsverlagerungen</strong> stehen ganz oben auf der Liste der Themen, die die Öffentlichkeit<br />

beschäftigen 11 - auch aufgr<strong>und</strong> der Tatsache, dass häufig bestimmte Gebiete oder Branchen<br />

von den negativen Auswirkungen der Verlagerungen besonders stark betroffen sind, weshalb<br />

mögliche positive Auswirkungen von Verlagerungen nicht so gut wahrgenommen werden<br />

können.<br />

5.10 Ein prof<strong>und</strong>er statistischer Ansatz, insbesondere auf europäischer Ebene, ist eine gr<strong>und</strong>legende<br />

Voraussetzung für eine angemessene Politik. Dies ist keinesfalls eine rein technische<br />

Frage. Die Daten sollten nicht nur die <strong>Betriebsverlagerungen</strong> im eigentlichen Sinne betreffen<br />

(siehe Ziffer 5.7), sondern auch andere, wie die in den Ziffern 3.3 <strong>und</strong> 4.7 erwähnten Aspekte<br />

des industriellen Wandels umfassen.<br />

5.11 Die Globalisierung macht gr<strong>und</strong>legende Verbesserungen der Datenlage erforderlich. Die EU<br />

braucht dringend objektive <strong>und</strong> gut f<strong>und</strong>ierte Datensätze. Von zentraler Bedeutung in dieser<br />

Hinsicht ist ein branchenspezifischer Ansatz, der den besten Ausgangspunkt für die Definition<br />

vorausschauender Maßnahmen zur Bewältigung des Wandels bietet. Dies käme auch<br />

einer neuen Industriepolitik zugute.<br />

5.12 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Konzentration auf den branchenspezifischen<br />

Ansatz keinesfalls davon ablenken sollte, dass Industriebranchen einem natürlichen Lebenszyklus<br />

unterliegen. Anders ausgedrückt: dieser Ansatz darf keinen Vorwand dafür bieten, den<br />

natürlichen Aufstieg <strong>und</strong> Fall von Branchen - als Ausdruck einer laufenden marktgesteuerten<br />

Entwicklung - zu beeinflussen.<br />

5.13 Je besser die statistische Datenlage, desto eher wird es möglich sein, auf Ebene der Regionen,<br />

der Mitgliedstaaten <strong>und</strong> der Europäischen Union geeignete präventive Maßnahmen zu entwickeln.<br />

5.14 Ein Absehen künftiger Branchenentwicklungen kann vielmehr dabei behilflich sein, spezifische<br />

Erfordernisse auf regionaler Ebene auszumachen. Dies ist besonders für Regionen mit<br />

vorherrschender Stellung einer Industriebranche (monostrukturierte Industrieregionen) von<br />

Bedeutung.<br />

5.15 Ein angemessener statistischer Ansatz, der der Realität so gut wie möglich gerecht wird - was<br />

gegenwärtig nicht der Fall ist - sollte auch dabei helfen, <strong>Betriebsverlagerungen</strong> - ein Prozess,<br />

der zu Befürchtungen in der Bevölkerung führen kann - im richtigen Licht zu sehen.<br />

11<br />

Siehe die Entschließung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (Nr. 1484) betreffend die "Verlagerung von Wirtschaftsaktivitäten<br />

ins Ausland <strong>und</strong> die europäische wirtschaftliche Entwicklung" (7. Dezember 2005), Ziffer 4.


- 42 -<br />

5.16 Die Datenlage im Umfeld der relevanten Fragen muss jedenfalls verbessert werden. Die<br />

CCMI empfiehlt, zu diesem Zweck eine Struktur zu schaffen, deren vordringliches Ziel darin<br />

besteht, eine koordinierte Antwort auf all diese, bereits dargestellten Schwierigkeiten in<br />

puncto Methode <strong>und</strong> Umstände zu finden. Die CCMI erklärt sich bereit, einen diesbezüglichen<br />

Beitrag zu leisten.<br />

Brüssel, den 31. August 2006<br />

Der Vorsitzende<br />

der Beratenden Kommission<br />

für den industriellen Wandel<br />

Josly PIETTE<br />

_____________<br />

Der Generalsekretär<br />

des Europäischen Wirtschafts- <strong>und</strong><br />

Sozialausschusses<br />

Patrick VENTURINI


- 43 -<br />

Eine branchenspezifische Untersuchung von<br />

<strong>Betriebsverlagerungen</strong>: Hintergr<strong>und</strong>fakten<br />

Abschlussbericht<br />

Reckon LLP<br />

Regulation & Competition Economics<br />

Gesamtstudie online (EN) <strong>und</strong> Zusammenfassung auf FR/EN/DE/ES/IT/PL<br />

PORTAL DER BKIW: http://www.eesc.europa.eu/sections/ccmi/docs/index_en.asp


- 45 -<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

1. EINLEITUNG<br />

Arbeitsdefinition von <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

Methodischer Ansatz<br />

Untersuchte Branchen<br />

Erkenntnisse bezüglich des Vorliegens relevanter Daten<br />

Erkenntnisse über <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

Aufbau des Berichts<br />

2. BESCHREIBUNG DER DATEN UND INDIKATOREN<br />

Außenhandelsstatistiken<br />

Die OECD STAN-Datenbank für Industrieanalysen<br />

Strukturelle Unternehmensstatistik (SUS)<br />

Symmetrische Input-Output-Tabellen<br />

European Restructuring Monitor (ERM) (Europäisches Beobachtungsinstrument für<br />

Umstrukturierungen)<br />

Ausländische Direktinvestitionen (ADI) <strong>und</strong> Binnenanlageinvestitionen<br />

Europäische Industrie- <strong>und</strong> Handelsverbände<br />

3. BRANCHENSPEZIFISCHE UNTERSUCHUNG<br />

Aufbau der branchenspezifischen Untersuchungen<br />

Luft- <strong>und</strong> Raumfahrt<br />

Kfz<br />

Zement<br />

Chemikalien<br />

Elektromechanik<br />

Finanzdienstleistungen<br />

Nahrungsmittel <strong>und</strong> Getränke<br />

Glas<br />

Eisen <strong>und</strong> Stahl<br />

Wissensintensive Unternehmensdienstleistungen<br />

Leder, Bekleidung <strong>und</strong> Schuhe<br />

Nichteisenmetalle<br />

Papier <strong>und</strong> Zellstoff<br />

Arzneimittel<br />

Kunststoffe<br />

Eisenbahnausrüstungen<br />

Schiffbau<br />

Textilien<br />

Holz<br />

ANHANG 1: ÜBERBLICK ÜBER DIE LITERATUR<br />

ANHANG 2: MAPPING OF SECTORS ACROSS DATASETS


1. Zusammenfassung<br />

- 46 -<br />

1 Der Europäische Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialausschuss (EWSA) verabschiedete am 14. Juli 2005 eine<br />

Stellungnahme zum Thema "Ausmaß <strong>und</strong> Auswirkungen von <strong>Betriebsverlagerungen</strong>" 1 . In Ziffer 2.6<br />

dieser Stellungnahme wird bemerkt, dass "einige Sektoren stärker von <strong>Betriebsverlagerungen</strong> betroffen<br />

sind als andere". Das EWSA-Präsidium genehmigte in seiner Sitzung am 12. Juli 2005 der Beratenden<br />

Kommission für den industriellen Wandel (CCMI) die Ausarbeitung eines Informationsberichts<br />

zum Thema "Eine branchenspezifische Untersuchung von <strong>Betriebsverlagerungen</strong>", um näher<br />

auf diese Bemerkung einzugehen <strong>und</strong> eine branchenspezifische Bewertung von <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

vorzunehmen.<br />

2 Diese Untersuchung soll bei der Erstellung des Informationsberichts helfen, indem empirische<br />

Nachweise für <strong>Betriebsverlagerungen</strong> in 19 Branchen der Europäischen Union untersucht werden.<br />

Hauptsächlich sollen in dieser Untersuchung die veröffentlichten einschlägigen Daten zusammengetragen<br />

<strong>und</strong> aufgezeichnet werden <strong>und</strong> für die Branchen, für die relevante Daten vorliegen, eine<br />

zusammenfassende Auswertung von <strong>Betriebsverlagerungen</strong> aufgestellt werden. Die Auswertung soll<br />

sich auf die Ebene der Europäischen Union (EU) sowie auf einzelne Mitgliedstaaten beziehen.<br />

3 Aus den von der CCMI aufgestellten Vorgaben für diese Untersuchung geht eindeutig hervor, was<br />

nicht in den Rahmen der Untersuchung fällt: Es sollen keine Primärdaten zusammengetragen werden,<br />

sondern ein Überblick über die vorliegenden <strong>und</strong> veröffentlichten Daten erstellt werden. Ferner sollen<br />

keine Vorschläge für mögliche politische Maßnahmen gemacht werden.<br />

Arbeitsdefinition von <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

4 Für den Begriff "<strong>Betriebsverlagerungen</strong>" gibt es keine eindeutige <strong>und</strong> einheitliche Definition, wie<br />

das Studium der politischen <strong>und</strong> wissenschaftlichen Literatur <strong>und</strong> Debatten mit den Beteiligten<br />

zeigen. Diese Debatte soll hier weder neu angestoßen 2 noch bereichert werden, da sich diese<br />

Untersuchung auf die in der am 14. Juli 2005 vom EWSA verabschiedeten Stellungnahme enthaltene<br />

Definition stützen soll. In der englischen Fassung der Stellungnahme werden die Begriffe<br />

"delocalisation" <strong>und</strong> "relocation" abwechselnd verwendet, in Ziffer 1.18 wird "[Betriebs-<br />

]Verlagerung" wie folgt definiert:<br />

"[Betriebs-]Verlagerung ist die völlige oder teilweise Einstellung einer Tätigkeit <strong>und</strong> ihre<br />

Wiederaufnahme im Ausland im Rahmen einer Direktinvestition."<br />

5 In der Stellungnahme wird ferner zwischen interner <strong>und</strong> externer Verlagerung unterschieden;<br />

interne Verlagerung ist die völlige oder teilweise Verlegung der Tätigkeit in einen anderen Mitgliedstaat;<br />

die externe Verlagerung die völlige oder teilweise Verlegung der Tätigkeit in einen<br />

Drittstaat.<br />

1<br />

Europäischer Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialausschuss (2005): "Ausmaß <strong>und</strong> Auswirkungen von <strong>Betriebsverlagerungen</strong>", CCMI/014 <strong>–</strong> CESE<br />

851/2005.<br />

2<br />

Anhang 1 enthält einen kurzen Überblick über die in der einschlägigen Literatur gef<strong>und</strong>enen Definitionen von <strong>Betriebsverlagerungen</strong>.


- 47 -<br />

6 In diesem Bericht geht es um die externe Verlagerung. Es wird jedoch darauf hingewiesen, wenn<br />

die Daten Aufschluss darüber geben, dass die Verlagerung aus den alten Mitgliedstaaten (EU-15) in<br />

die neuen Mitgliedstaaten (EU-10) bzw. umgekehrt erfolgt.<br />

Methodischer Ansatz<br />

7 Daten über das Ausmaß oder den Wert von Tätigkeiten, die in einem Mitgliedstaat eingestellt <strong>und</strong><br />

über Direktinvestitionen an einem anderen Ort wieder aufgenommen werden, werden weder für die<br />

einzelnen Branchen noch für die gesamte EU zusammenhängend <strong>und</strong> umfassend gesammelt. Daher<br />

liegen keine Angaben vor, anhand derer <strong>Betriebsverlagerungen</strong> im obigen Sinne direkt bewertet<br />

werden könnten.<br />

8 Aus diesem Gr<strong>und</strong> wurden Indikatoren ausgewählt, die <strong>Betriebsverlagerungen</strong> zwar nicht vollkommen<br />

messen können, die aber doch mit ihnen in Verbindung stehen. Das Studium der<br />

einschlägigen Literatur diente als Gr<strong>und</strong>lage für die Aufstellung der relevanten Indikatoren. Die<br />

ausgewählten Indikatoren sind in Tabelle 1.1 auf der nächsten Seite aufgeführt.<br />

9 Die übergreifende Voraussetzung für die Auswahl dieser Indikatoren war, dass sie auf der<br />

Gr<strong>und</strong>lage aussagekräftiger <strong>und</strong> in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehender veröffentlichter<br />

Daten berechnet werden können müssen.<br />

10 Zwischen den einzelnen in Tabelle 1.1 aufgeführten Indikatoren <strong>und</strong> <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

besteht kein direkter Zusammenhang. Das Ausmaß der Verlagerung von produktiven Tätigkeiten ins<br />

Ausland kann z.B. nicht aus Tendenzen in der Binnenproduktion abgeleitet werden. Zwar werden sich<br />

<strong>Betriebsverlagerungen</strong> auf die Binnenproduktion auswirken, doch wird sie sicherlich auch noch durch<br />

viele weitere Faktoren beeinflusst, die nichts mit der Entscheidung von Betrieben für eine<br />

Verlagerung ins Ausland zu tun haben. Gleiches gilt für Tendenzen bei der Handelsbilanz., bei der<br />

Beschäftigungsquote, beim Anteil der Binnenproduktion am OECD-Verbrauch (der die Position der<br />

Branche auf dem Weltmarkt widerspiegelt) <strong>und</strong> eben für alle betrachteten Indikatoren.<br />

11 Da die ausgewählten Indikatoren nur unvollkommene Messgrößen für <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

sind, müssen die einzelnen Messgrößen trianguliert werden, um eine solide Bewertung von <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

vornehmen zu können.<br />

12 Die Notwendigkeit, mehrere Indikatoren <strong>und</strong> nicht nur einen einzigen Indikator zu betrachten,<br />

wird ferner dadurch erhärtet, dass die Datensätze, auf denen die Indikatoren basieren, selbst nicht<br />

vollkommen sind. Abgesehen von eventuellen methodischen Mängeln deckt kein Datensatz alle<br />

Branchen in allen Mitgliedstaaten über einen ausreichend langen Zeitraum ab.<br />

13 Kapitel 2 enthält eine ausführliche Beschreibung der Indikatoren <strong>und</strong> Datensätze, die<br />

herangezogen wurden.


- 48 -<br />

Tabelle 1.1: Ausgewählte Indikatoren für die Verlagerung<br />

Indikator Definition Quelle<br />

Binnenproduktion Binnenproduktion, nach Wert <strong>und</strong> als Anteil am BIP Strukturelle<br />

Unternehmensstatistik<br />

(SUS) (Eurostat)<br />

Beschäftigung Beschäftigung in absoluten Zahlen <strong>und</strong> als Anteil an der<br />

Gesamtinlandsbeschäftigung<br />

Anteil am OECD-<br />

Verbrauch<br />

Binnenproduktion als Anteil am Verbrauch der OECD-<br />

Länder<br />

SUS (Eurostat)<br />

SUS (Eurostat), STAN<br />

(OECD)<br />

Importdurchdringung Verhältnis zwischen Importen <strong>und</strong> Binnenverbrauch SUS, COMEXT<br />

(Eurostat)<br />

Selbstversorgungsquote<br />

Enge Input-Output-<br />

Messgröße<br />

Weite Input-Output-<br />

Messgröße<br />

Verhältnis zwischen Binnenproduktion <strong>und</strong> Binnenverbrauch SUS, COMEXT<br />

(Eurostat)<br />

Verhältnis zwischen importierten Zwischenprodukten aus<br />

dem ausländischen Sektor X <strong>und</strong> dem Wert des gesamten<br />

Outputs des einheimischen Sektors X<br />

Verhältnis zwischen importierten Zwischenprodukten <strong>und</strong><br />

dem Wert des gesamten Outputs des einheimischen Sektors<br />

X<br />

Handelsbilanz Handelsbilanz (Nettoexporte), Unterscheidung zwischen<br />

vier Gruppen von Partnerländern: alle Länder, EU-15, EU-<br />

10 <strong>und</strong> Entwicklungsländer<br />

Ausländische<br />

Direktinvestitionen<br />

(ADI)<br />

Binnenanlageinvestitionen<br />

Arbeitsplatzverluste<br />

ERM<br />

Ausländische Direktinvestitionen, wobei unterschieden wird<br />

zwischen ADI innerhalb <strong>und</strong> außerhalb der EU-15, innerhalb<br />

<strong>und</strong> außerhalb der EU-25 <strong>und</strong> ADI innerhalb der EU-10.<br />

Eurostat<br />

Eurostat<br />

COMEXT (Eurostat)<br />

Statistischer<br />

Themenkreis<br />

"Wirtschaft <strong>und</strong><br />

Finanzen - Leistungsbilanz"<br />

(Eurostat)<br />

Investitionen in einheimische Sachanlagen Jährliche Statistiken,<br />

volkswirtschaftliche<br />

Gesamtrechnungen<br />

(Eurostat)<br />

Zahl der in der ERM-Datenbank gemeldeten, aufgr<strong>und</strong> von<br />

<strong>Betriebsverlagerungen</strong> verlorenen Arbeitsplätze;<br />

Unterscheidung nach Zielländern der <strong>Betriebsverlagerungen</strong>,<br />

in die EU-10, in die EU-15, in OECD-Länder <strong>und</strong> Nicht-<br />

EU-Mitgliedstaaten <strong>und</strong> in Entwicklungsländer<br />

ERM - European<br />

Restructuring Monitor<br />

(Europäisches Beobachtungsinstrument<br />

für<br />

Umstrukturierungen)<br />

(EMCC)<br />

Anmerkung: "SUS" steht für Strukturelle Unternehmensstatistik, "STAN" für Structural Analysis, "COMEXT"<br />

für Commerce Extérieur (Außenhandel). Kapitel 2 enthält nähere Erläuterungen.


Untersuchte Branchen<br />

- 49 -<br />

14 Diese Untersuchung konzentriert sich auf 19 Branchen, die von der Lenkungsgruppe der CCMI<br />

ausgewählt wurden:<br />

a) Luft- <strong>und</strong> Raumfahrt<br />

b) Kfz<br />

c) Zement<br />

d) Chemikalien<br />

e) Elektromechanik<br />

f) Finanzdienstleistungen<br />

g) Nahrungsmittel <strong>und</strong> Getränke<br />

h) Glas<br />

i) Eisen <strong>und</strong> Stahl<br />

j) Wissensintensive<br />

Unternehmensdienstleistungen<br />

k) Leder, Bekleidung <strong>und</strong> Schuhe<br />

l) Nichteisenmetalle<br />

m) Papier <strong>und</strong> Zellstoff<br />

n) Arzneimittel<br />

o) Kunststoff<br />

p) Eisenbahnausrüstungen<br />

q) Schiffbau<br />

r) Textilien<br />

s) Holz<br />

15 17 der 19 untersuchten Branchen fallen in den Bereich der verarbeitenden Industrie. 2003 waren<br />

ca. 25 Millionen Menschen in diesen 17 Branchen beschäftigt, was 80% aller Arbeitsplätze in der<br />

verarbeitenden Industrie in der EU-25 ausmacht. 1 Die beiden Branchen, die nicht zur verarbeitenden<br />

Industrie zählen, sind die Finanzdienstleistungen <strong>und</strong> die wissensintensiven Unternehmensdienstleistungen.<br />

16 Die einzelnen Branchen werden unterschiedlich weit gefasst definiert. Der Luft- <strong>und</strong> Raumfahrtsektor<br />

ist beispielsweise relativ eng gefasst: er umfasst die Herstellung von Flugzeugen <strong>und</strong><br />

Weltraumfahrzeugen sowie die Wartung <strong>und</strong> Reparatur von Flugzeugtriebwerken <strong>und</strong> die Überholung<br />

von Flugzeugen. Wissensintensive Unternehmensdienstleistungen hingegen decken eine breitere<br />

Tätigkeitspalette ab: Tätigkeiten im Zusammenhang mit Immobilien, der Vermietung beweglicher<br />

Sachen ohne Bedienungspersonal, der Datenverarbeitung, Rechtsberatung, Beratung im Bereich des<br />

Rechnungs- <strong>und</strong> Prüfungswesens, der Bauplanung <strong>und</strong> dem Ingenieurwesen, Werbung <strong>und</strong><br />

industrieller Reinigung. In den einschlägigen Absätzen in Kapitel 3 werden die Tätigkeiten der<br />

einzelnen Branchen beschrieben.<br />

Erkenntnisse bezüglich des Vorliegens relevanter Daten<br />

17 Die von Eurostat veröffentlichte Datenbank der Strukturellen Unternehmensstatistik (SUS) eignet<br />

sich als verfügbare Datenquelle am besten zur Aufstellung von Messgrößen für die Tätigkeit. Der<br />

Datensatz enthält Daten zum Wert der Produktion sowie zu Beschäftigungsquoten für die meisten der<br />

in dieser Untersuchung betrachteten Branchen. Der SUS-Datensatz umfasst alle 25 EU-<br />

Mitgliedstaaten für den Zeitraum 1995-2003.<br />

18 Die SUS weist jedoch einige entscheidende Lücken auf. Beispielsweise werden viele Branchen<br />

bestimmter Mitgliedstaaten, insbesondere Griechenland, Malta, Zypern <strong>und</strong> Schweden, nur relativ<br />

1 Quelle: Unsere Analyse der Strukturellen Unternehmensstatistik von Eurostat.


- 50 -<br />

unvollständig abgedeckt. Für Deutschland <strong>und</strong> einige Länder der EU-10 liegen nur Daten für den<br />

Zeitraum 1999-2003 vor. Für die Finanzdienstleistungsbranche stehen keine Angaben zur Verfügung.<br />

Nur wenig Angaben liegen zur Schiffbaubranche vor. Trotz dieser Lücken sind wir der Ansicht, dass<br />

die SUS die besten <strong>und</strong> vollständigsten Daten für die gesamte EU liefert <strong>und</strong> sie aufgr<strong>und</strong> des<br />

größeren abgedeckten Bereichs der Datenbank Europroms vorzuziehen ist, die auch von Eurostat<br />

veröffentlicht wird <strong>und</strong> ebenfalls Angaben zur Produktion enthält.<br />

19 Die von Eurostat veröffentlichte Datenbank COMEXT enthält Daten zum Intra- <strong>und</strong> Extrahandel<br />

der EU. Für die Länder der EU-15 liegen Daten für den Zeitraum 1995-2004 vor, für die Länder der<br />

EU-10 für den Zeitraum 1999-2004.<br />

20 COMEXT weist jedoch einige Lücken auf. Die Datenbank deckt nur den Handel mit Sachgütern<br />

ab <strong>und</strong> somit nicht die Tätigkeiten, die in den Bereich der wissensintensiven<br />

Unternehmensdienstleistungen <strong>und</strong> der Finanzdienstleistungen fallen. Für die Slowakische Republik<br />

<strong>und</strong> Polen liegen nur Daten für das Jahr 2004 vor.<br />

21 Trotz dieser Schwierigkeiten ist die Datenbank COMEXT so vollständig, dass sie einen<br />

wertvollen Beitrag zu dieser Untersuchung liefern kann.<br />

22 Die von Eurostat veröffentlichten Input-Output-Tabellen sind eine nützliche Informationsquelle<br />

zur Beschreibung des "Offshore-Outsourcing". Die Tabellen ermöglichen die Entwicklung von Messgrößen,<br />

mit denen sich der Verbreitungsgrad von importierten Zwischenprodukten im binnenländischen<br />

Produktionsprozess bestimmen lässt. Wenngleich die Darstellung der Verbreitung importierter<br />

Zwischenprodukte in einem bestimmten Jahr bereits Rückschlüsse ermöglicht, so ist die Beobachtung<br />

von Veränderungen im Zeitablauf besonders interessant. Leider werden diese Tabellen nicht regelmäßig<br />

erstellt, in den meisten Mitgliedstaaten nur alle fünf Jahre. Wo dies der Fall ist, können wir<br />

zwei Jahre heranziehen, d.h. 1995 <strong>und</strong> 2000. Einige Mitgliedstaaten erstellten in unserem Untersuchungszeitraum<br />

diese Tabelle lediglich einmal. Daraus ergibt sich, dass nur für zehn Mitgliedstaaten<br />

aus diesen Tabellen sinnvolle Rückschlüsse gezogen werden können.<br />

23 Ein weiteres Problem bei der Verwendung der Input-Output-Tabellen liegt in der Aggregationsebene<br />

der Produktkategorien, da in einigen Branchen die Kategorisierung der Wirtschaftszweige auf<br />

einer Ebene erfolgt, die nicht mit den zu untersuchenden Branchen übereinstimmt. So liegen z.B.<br />

Input-Output-Tabellen für eine Sparte von Wirtschaftszweigen vor, die als "Sonstiger Fahrzeugbau"<br />

bezeichnet werden <strong>und</strong> in der Schienenfahrzeuge, Luftfahrt <strong>und</strong> Schifffahrt zusammengefasst werden.<br />

24 Die Datenbank des Europäischen Beobachtungsinstituts für Umstrukturierungen (ERM), die von<br />

der Europäischen Beobachtungsstelle für den industriellen Wandel (EMCC) herausgegeben wird, gibt<br />

Aufschluss über die Umstrukturierungen in der Europäischen Union. Die Datenbank enthält<br />

detaillierte Angaben zu der Art der Umstrukturierung einschließlich "Offshoring/Verlagerung", den<br />

betroffenen Branchen <strong>und</strong> abgebauten/neu geschaffenen Arbeitsplätzen.<br />

25 Wenngleich eine nützliche Informationsquelle, sind die Verwendungsmöglichkeiten der ERM-<br />

Datenbank aufgr<strong>und</strong> der Vorgehensweise bei der Datenerhebung begrenzt. Die Daten werden<br />

erhoben, indem ausgewählte Zeitungen in der gesamten EU mit Blick auf Arbeitsplatzverluste infolge<br />

von Umstrukturierungen ausgewertet werden. Daher werden Arbeitsplatzverluste in der Datenbank


- 51 -<br />

auch dann verzeichnet, wenn diese Angaben nur auf reinen Absichtserklärungen von Unternehmensverantwortlichen<br />

beruhen. Die tatsächlichen Arbeitsplatzverluste im Zuge einer Betriebsverlagerung<br />

können sehr stark von den ursprünglichen Schätzungen abweichen. Derartige Ex-Post-Korrekturen<br />

sind nicht leicht zu verfolgen <strong>und</strong> fließen daher nicht in die Datenbank ein. Die relevanten Angaben<br />

aus diesem Datensatz werden hier in die Tabellen im Rahmen der Erörterung der einzelnen Branchen<br />

aufgenommen, doch werden sie nicht als Gr<strong>und</strong>lage für eine Einschätzung von <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

herangezogen.<br />

26 Ferner ist die Branchenuntergliederung des ERM - wie im Falle der Input-Output-Tabellen - mit<br />

zahlreichen Branchen, wie sie in dieser Studie definiert wurden, nicht deckungsgleich. So werden z.B.<br />

in der ERM-Datenbank Arbeitsplatzverluste in einer als "Metallerzeugnisse" bezeichneten Kategorie<br />

aufgeführt, die Wirtschaftszweige der Eisen- <strong>und</strong> Stahlbranche sowie der Branche der Nichteisenmetalle<br />

umfasst. Dieses Problem wurde durch eine Änderung der Kategorisierung der Einträge<br />

der ERM-Datenbank im Sinne der hier berücksichtigten Branchen gelöst. Als Gr<strong>und</strong>lage hierfür<br />

dienten die zusätzlichen, ausführlicheren Informationen zu den einzelnen Einträgen.<br />

27 Daten zu ausländischen Direktinvestitionen (ADI) <strong>und</strong> Binneninvestitionen werden von Eurostat<br />

veröffentlicht. Die Daten sind nach Wirtschaftszweigen <strong>und</strong> Zielregionen aufgeschlüsselt.<br />

28 Wir sind der Auffassung, dass das Verhältnis zwischen den ADI-Daten <strong>und</strong> <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

besonders unscharf ist. Jede Investition eines einheimischen Wirtschaftsakteurs in ein<br />

ausländisches Unternehmen, mit der mehr als 10% der Anteile der Empfängerfirma erworben werden,<br />

wird als ADI definiert <strong>und</strong> in den Daten erfasst. Nicht alle ausländischen Investitionen werden jedoch<br />

aus Gründen der Betriebsverlagerung getätigt <strong>und</strong> nicht alle <strong>Betriebsverlagerungen</strong> werden mittels<br />

ADI durchgeführt. Ferner umfassen ADI auch die Desinvestitionen eines einheimischen Wirtschaftsakteurs<br />

in der entsprechenden Branche im Ausland.<br />

29 Die Zuverlässigkeit von ADI-Daten wird außerdem durch die relativ große Zahl von Lücken in<br />

den Eurostat-Daten sowie dadurch infrage gestellt, dass es im Allgemeinen nicht möglich ist, aus den<br />

Daten die ADI-Ströme von Wirtschaftseinheiten in einer bestimmten Branche in einem bestimmten<br />

Mitgliedstaat abzuleiten, die in ein bestimmtes Zielland (z.B. China, Indien oder Brasilien) bzw., auf<br />

einer höheren Aggregationsebene, in ein bestimmtes Cluster von "Entwicklungsländern" fließen.<br />

Stattdessen müssen die Zielländer in der Ebene "außerhalb EU-25" zusammengefasst werden, um<br />

Lücken weitestgehend zu vermeiden.<br />

30 Wie im Falle der Input-Output-Tabellen wird die Anwendbarkeit der ADI-Daten für die Untersuchung<br />

der oben genannten Branchen auch dadurch beeinträchtigt, dass sich die Klassifizierungen der<br />

ADI-Daten - im Vergleich zu den Branchendefinitionen dieser Studie - auf eine höhere<br />

Aggregationsebene beziehen. Die Branchenklassifizierung des ADI-Datensatzes von Eurostat entspricht<br />

nur vier der für uns interessanten Branchen: Nahrungsmittel, Elektromechanik,<br />

wissensintensive Unternehmensdienstleistungen <strong>und</strong> Finanzdienstleistungen. In dieser Untersuchung<br />

werden die einschlägigen ADI-Daten für diese Branchen genannt. Aus den oben kurz beschriebenen<br />

Gründen halten wir die Daten für nur beschränkt aussagekräftig <strong>und</strong> als Indikatoren für <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

für nur bedingt geeignet. Sie werden daher nicht für die Erörterung von <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

in diesen Branchen herangezogen. In Anhang 1 werden die Beschränkungen der ADI-<br />

Daten näher erläutert.


- 52 -<br />

31 Bei einigen Branchen wurde auf die von den einschlägigen Branchenverbänden veröffentlichten<br />

Daten zurückgegriffen. In den meisten Fällen ergänzen diese Daten die aus den bereits erörterten<br />

Datenbanken gewonnenen Informationen. Im Falle der Schiffbaubranche wurde dennoch entschieden,<br />

die Daten zu Produktion <strong>und</strong> Beschäftigung des Komitees der Schiffbauverbände der Europäischen<br />

Gemeinschaften (CESA) <strong>und</strong> nicht die der SUS-Datenbank zu verwenden. Die CESA-Daten entsprechen<br />

den für die Zwecke dieser Studie festgelegten Wirtschaftszweigen besser als die SUS-<br />

Datensätze von Eurostat. Ferner weisen die CESA-Daten weniger Lücken in der Datenerfassung auf,<br />

wenngleich ausschließlich Mitgliedstaaten der CESA berücksichtigt werden <strong>und</strong> nur 14 EU-<br />

Mitgliedstaaten der CESA angehören.<br />

Erkenntnisse über <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

32 Die branchenspezifischen Untersuchungen in Bezug auf <strong>Betriebsverlagerungen</strong> werden in Kapitel<br />

3 wiedergegeben. Auf der Gr<strong>und</strong>lage dieser Untersuchungen können folgende allgemeinen Schlussfolgerungen<br />

gezogen werden.<br />

33 In keiner - bis auf zwei - der untersuchten Branchen geht aus den Daten ein klares Bild von den<br />

<strong>Betriebsverlagerungen</strong> in der EU hervor. Zwei Branchen sind den Daten zufolge von <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

betroffen: "Textilien" sowie "Leder, Bekleidung <strong>und</strong> Schuhe". Diese Branchen sind dadurch<br />

eng miteinander verb<strong>und</strong>en, dass die Produktion der Textilindustrie einen wichtigen<br />

Produktionsfaktor der Bekleidungs- <strong>und</strong> Konfektionsindustrie darstellt.<br />

34 Die Daten vermitteln kein klares Bild für die Branche der Elektromechanik. Die europäische<br />

Produktion in dieser Branche ist leicht zurückgegangen, wobei die Beschäftigung etwas stärker<br />

abgenommen hat; der gesamtwirtschaftliche Anteil der Branche ist zwischen 1999 <strong>und</strong> 2003 zurückgegangen.<br />

Im Gegensatz dazu hat sich die Handelsbilanz Europas in dieser Branche, insbesondere im<br />

Handel mit den Entwicklungsländern, verbessert. Zusammen betrachtet könnte dies nahe legen, dass<br />

die Arbeitsproduktivität in der EU zugenommen hat, was zur Verringerung der Beschäftigungsziffern<br />

<strong>und</strong> zu einer verbesserten Exportleistung führt. Andererseits könnte die Faktenlage auch so<br />

interpretiert werden, dass einige Produktionsbereiche aus Europa in Entwicklungsländer verlagert<br />

werden, dies aber in den Handelsdaten durch erhöhte Exporte in die selbe Gruppe von Ländern<br />

verschleiert wird.<br />

35 Die Daten sprechen nicht dafür, dass Wirtschaftsaktivitäten aus bestimmten Mitgliedstaaten im<br />

Allgemeinen verlagert wurden. Sie lassen auch nicht erkennen, dass bestimmte Mitgliedstaaten<br />

generell Zielland von <strong>Betriebsverlagerungen</strong> sind.<br />

36 Neben dem Bef<strong>und</strong>, dass die Branchen "Textilien" sowie "Leder, Bekleidung <strong>und</strong> Schuhe" in der<br />

EU allgemein von <strong>Betriebsverlagerungen</strong> betroffen sind, konnten in dieser Untersuchung nur drei<br />

weitere Branchen ausgemacht werden, in denen die Daten <strong>Betriebsverlagerungen</strong> belegen. In der Chemikalienbranche<br />

sprechen die Daten für <strong>Betriebsverlagerungen</strong> aus dem Vereinigten Königreich <strong>und</strong><br />

aus der Slowakei. Im Bereich der Eisenbahnausrüstungen deuten die Daten auf <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

aus Deutschland hin. In der Schiffbaubranche lassen die Daten auf eine Betriebsverlagerung aus<br />

Deutschland <strong>und</strong> Dänemark schließen.


- 53 -<br />

37 Die Daten sprechen nicht dafür, dass bedeutende interne Verlagerungen in die Mitgliedstaaten der<br />

EU-10 stattgef<strong>und</strong>en haben. In den beiden Branchen, in denen die Daten umfangreiche <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

belegen, nämlich "Textilien" sowie "Leder, Bekleidung <strong>und</strong> Schuhe", scheinen wirtschaftliche<br />

Aktivitäten in Entwicklungsländer verlegt worden zu sein. Denn tatsächlich hat sich die<br />

Handelsbilanz zwischen der EU-10 <strong>und</strong> der EU-15 - betrachtet man ausschließlich die Handelsdaten -<br />

zugunsten der EU-15 entwickelt.<br />

38 Wir haben keine Anhaltspunkte dafür gef<strong>und</strong>en, dass die Neigung einer Branche zu <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

mit dem Grad ihrer relativen Reife verb<strong>und</strong>en sein könnte.<br />

Aufbau des Berichts<br />

39 Der Abschlussbericht ist im Weiteren wie folgt gegliedert:<br />

a) In Kapitel 2 werden die verwendeten Datensätze beschrieben <strong>und</strong> die Definition der eingesetzten<br />

Indikatoren erläutert;<br />

b) Kapitel 3 enthält die branchenspezifischen Untersuchungen;<br />

c) Anhang 1 gibt einen Überblick über die einschlägige Literatur <strong>und</strong> enthält eine Liste von<br />

Verweisen;<br />

d) In Anhang 2 wird dargestellt, inwiefern sich die in diesem Bericht untersuchten Branchen <strong>und</strong> die<br />

Datenkategorisierungen in den von uns verwendeten Datensätzen entsprechen.<br />

e) Eine beigelegte Excel-Datei enthält die Daten, die diesem Bericht zugr<strong>und</strong>e liegen.


- 54 -<br />

2. Beschreibung der Daten <strong>und</strong> Indikatoren<br />

1 In diesem Kapitel werden die Quellen der Daten, die in dem vorliegenden Bericht verwendet<br />

werden, detailliert beschrieben <strong>und</strong> die zur Kennzeichnung der <strong>Betriebsverlagerungen</strong> eingesetzten<br />

Indikatoren erläutert. Zahlreiche Informationen zu den ausgewerteten Datenbanken sind den<br />

einschlägigen, von Eurostat veröffentlichten Metadaten entnommen.<br />

Außenhandelsstatistiken<br />

2 Die Außenhandelsdaten wurden der von Eurostat veröffentlichten COMEXT-Datenbank<br />

entnommen. Diese Datenbank beschäftigt sich mit den grenzüberschreitenden Güterströmen der EU-<br />

Mitgliedstaaten.<br />

3 Statistiken über den Extra-EU-Handel beruhen auf dem statistischen Exemplar der Zollanmeldung.<br />

Informationen für Statistiken über den Intra-EU-Handel werden direkt bei den Handel treibenden<br />

Unternehmen eingeholt. Jedenfalls muss jeder Wirtschaftsakteur, der als mehrwertsteuerpflichtig<br />

registriert ist, innergemeinschaftlichen Handel treibt <strong>und</strong> dessen Handelsvolumen über einem<br />

bestimmten Schwellenwert liegt, den einzelstaatlichen statistischen Ämtern über seinen Handel<br />

Bericht erstatten.<br />

4 Die wesentlichen in dieser Datenbank veröffentlichten Indikatoren sind Wert <strong>und</strong> Menge der<br />

Importe <strong>und</strong> Exporte, aufgeschlüsselt nach Meldeländern, Partnerländern <strong>und</strong> Warengruppen. Für<br />

diese Untersuchung wurde der Wert des Außenhandels (in Mio. EUR) verwendet.<br />

5 In der Datenbank wird der Außenhandel eines jeden Meldelands mit Nicht-EU-Staaten <strong>und</strong> anderen<br />

EU-Mitgliedstaaten erfasst.<br />

6 In der Außenhandelsstatistik enthaltene Produkte sind alle beweglichen <strong>und</strong> körperlichen Güter,<br />

Dienstleistungen werden nicht berücksichtigt Es werden über 10.000 verschiedene Produkte gemäß<br />

der Kombinierten Nomenklatur für die Außenhandelsstatistik klassifiziert.<br />

7 Die Datenbank umfasst alle 25 Mitgliedstaaten der EU. Für die EU-15 wird der Zeitraum von<br />

1995-2004 abgedeckt. Für die neuen Mitgliedstaaten, die EU-10, beziehen sich die Daten auf den<br />

Zeitraum von 1999-2004.<br />

8 Der in dieser Studie verwendete Indikator Handelsbilanz wird aus den Daten zu Einfuhr <strong>und</strong><br />

Ausfuhr der Außenhandelsstatistik gewonnen. Die Import- <strong>und</strong> Export-Daten werden zu Warengruppen<br />

aggregiert, die den für den Zweck dieser Studie definierten Branchen am besten entsprechen.<br />

Diese Daten werden in einem weiteren Schritt für Gruppen von Partnerländern aggregiert, um Zahlen<br />

für den Handel mit Drittstaaten, den innergemeinschaftlichen Handel <strong>und</strong> den Handel mit Entwicklungsländern<br />

zu gewinnen. Für diese Studie werden Entwicklungsländer als Länder, die weder EU-<br />

Mitgliedstaaten noch Mitglieder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit <strong>und</strong><br />

Entwicklung (OECD) sind, definiert. Die Handelsbilanz (oder Nettoexporte) wird auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />

Exporte abzüglich Importe berechnet. Aggregate auf EU-Ebene für den Extra-EU-Handel werden


- 55 -<br />

durch die Summierung der Werte für Extra-EU-Exporte <strong>und</strong> -Importe eines jeden Mitgliedstaats<br />

berechnet.<br />

Die OECD STAN-Datenbank für Industrieanalysen<br />

9 Die Datenbank STAN (Structural Analysis) wird von der OECD bereitgestellt <strong>und</strong> enthält Daten<br />

über den Output, den Arbeitsinput <strong>und</strong> den internationalen Handel für verschiedene Wirtschaftszweige.<br />

10 In der Datenbank sind alle OECD-Mitgliedstaaten <strong>und</strong> durchgängig alle Jahre von 1995 bis 2003<br />

abgedeckt. Sie enthält die aus den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen der Mitgliedstaaten<br />

zusammengestellten Daten.<br />

11 Die in dieser Datenbank erfassten Wirtschaftszweige sind nach der "International Standard Industrial<br />

Classification of all Economic Activities" rev. 3 (ISIC, internationale Systematik der Wirtschaftszweige)<br />

klassifiziert.<br />

12 Die Datenbank STAN wird für die Berechnung der OECD-Verbrauchsvariablen als Summe der<br />

Produktion <strong>und</strong> der Importe abzüglich der Exporte in die OECD-Länder verwendet. Hier wird diese<br />

Variable als Stellvertreterwert für den globalen Verbrauch verwendet.<br />

Strukturelle Unternehmensstatistik (SUS)<br />

13 Der Datensatz der Strukturellen Unternehmensstatistik wird von Eurostat veröffentlicht <strong>und</strong> liefert<br />

verschiedene Indikatoren bezüglich Art <strong>und</strong> Umfang der Wirtschaftstätigkeit innerhalb der EU.<br />

14 Die Datenbank erfasst die Wirtschaftstätigkeit in sämtlichen Mitgliedstaaten. Sie wird von<br />

Eurostat auf der Gr<strong>und</strong>lage der von den nationalen statistischen Instituten der einzelnen Mitgliedstaaten<br />

übermittelten Informationen zusammengestellt.<br />

15 Die statistischen Institute erfassen die Daten aus statistischen Erhebungen, administrativen<br />

Quellen sowie dem Unternehmensregister. Die Stichprobeneinheit hierbei ist das Unternehmen, das<br />

gemäß Verordnung (EWG) Nr. 696/93 des Rates folgendermaßen definiert ist:<br />

"Das Unternehmen entspricht der kleinsten Kombination rechtlicher Einheiten, die eine<br />

organisatorische Einheit zur Erzeugung von Waren <strong>und</strong> Dienstleistungen bildet <strong>und</strong> insbesondere<br />

in bezug auf die Verwendung der ihr zufließenden laufenden Mittel über eine gewisse<br />

Entscheidungsfreiheit verfügt." 2<br />

16 Die Daten werden nach Produktgruppen gemäß NACE rev. 1 (Allgemeine Systematik der Wirtschaftszweige<br />

in den Europäischen Gemeinschaften) aufgeschlüsselt.<br />

17 Die Datenbank wurde 1995 eingerichtet. Da es sich bei dem Zeitraum zwischen 1995 <strong>und</strong> 1998<br />

um eine Übergangsphase handelte, sind die Daten für diesen Zeitraum zum Teil unvollständig. Für die<br />

2 Strukturelle Unternehmensstatistik, Eurostat Metadaten im SDDS Format: Die Methodik im Überblick.


- 56 -<br />

Zeit zwischen 1999 <strong>und</strong> 2003 liegen jedoch vollständigere Daten vor. Zum Zeitpunkt der Erstellung<br />

dieses Berichts waren für 2004 keine Daten verfügbar.<br />

18 Der Produktionswert gibt den tatsächlichen Wert der Güter <strong>und</strong> Dienstleistungen in Euro an, die<br />

von dem betreffenden Unternehmen während des Referenzjahres verkauft wurden. Diese Variable<br />

wird in dieser Untersuchung als Maßeinheit für die Produktion verwendet.<br />

19 Die Beschäftigung ist als die Zahl der Beschäftigten definiert, d.h. als die Anzahl der Personen,<br />

die mit dem betreffenden Unternehmen einen Arbeitsvertrag geschlossen haben <strong>und</strong> von dem<br />

Unternehmen Lohn oder Gehalt beziehen. Diese Variable umfasst nicht Vertragsarbeitnehmer, die<br />

nicht direkt vom Unternehmen beschäftigt werden.<br />

20 Der sichtbare Verbrauch wird für die einzelnen Produktgruppen durch Addition der Produktion<br />

<strong>und</strong> der Importe <strong>und</strong> Subtraktion der Exporte berechnet. Der Produktionswert stammt aus der SUS-<br />

Datenbank, die Import-/Exportdaten aus COMEXT.<br />

21 Der Output als BIP-Anteil in Prozent gibt das Verhältnis zwischen der Gesamtproduktion einer<br />

Branche <strong>und</strong> dem BIP des jeweiligen Mitgliedstaats an.<br />

22 Der Output als Anteil am OECD-Verbrauch in Prozent gibt das Verhältnis zwischen der Gesamtproduktion<br />

einer Branche <strong>und</strong> dem gesamten sichtbaren Verbrauch der Produkte der betreffenden<br />

Branche in allen OECD-Ländern an. Dieser Indikator ist als Ersatzwert für den Anteil am Output im<br />

Verhältnis zur weltweiten Produktion anzusehen, d.h. als Ersatzindikator für den Anteil am Weltmarkt.<br />

23 Die Selbstversorgungsquote gibt das Verhältnis zwischen der Produktion einer bestimmten<br />

Branche in einem Mitgliedstaat <strong>und</strong> dem sichtbaren Verbrauch der Produkte derselben Branche im<br />

selben Mitgliedstaat an.<br />

24 Die Importdurchdringung gibt das Verhältnis zwischen den Importen in einer Branche <strong>und</strong> dem<br />

sichtbaren Verbrauch der Produkte derselben Branche für die einzelnen Mitgliedstaaten an.<br />

25 Der Gesamtbeschäftigungsanteil in Prozent gibt das Verhältnis zwischen der Anzahl der in der<br />

betreffenden Branche Beschäftigten zur Gesamtbeschäftigung in sämtlichen Branchen in dem<br />

betreffenden Mitgliedstaat an.<br />

26 Die EU-Gesamtwerte - Aggregate - für Produktion, Beschäftigung <strong>und</strong> den sichtbaren Verbrauch<br />

werden durch Summierung der betreffenden Werte aller Mitgliedstaaten errechnet. Der EU-Gesamtwert<br />

für den Output als BIP-Anteil wird als das Verhältnis zwischen der Gesamtproduktion der EU<br />

<strong>und</strong> dem Gesamt-BIP der EU errechnet. Der EU-Gesamtwert für den Output als Anteil am OECD-<br />

Verbrauch wird als das Verhältnis zwischen der Gesamtproduktion der EU <strong>und</strong> dem Gesamtverbrauch<br />

der OECD-Länder errechnet.<br />

27 Wo für einen bestimmten Mitgliedstaat keine Daten über die Produktion oder die Beschäftigung<br />

für das Jahr 2003 vorliegen, wird bei der Errechnung der europäischen Aggregate statt dessen der


- 57 -<br />

Wert für 2002 verwendet. Wo für ein Jahr zwischen 1995 <strong>und</strong> 2003 keine Daten vorlagen, wurde die<br />

Lücke durch lineare Interpolation geschlossen.<br />

Symmetrische Input-Output-Tabellen<br />

28 Nach Übermittlung der entsprechenden Daten durch die Abteilungen der nationalen statistischen<br />

Institute veröffentlicht Eurostat symmetrische Input-Output-Tabellen. Diese symmetrischen Input-<br />

Output-Tabellen werden durch Konvertierung der Aufkommens- <strong>und</strong> Verwendungstabellen zu konstanten<br />

Preisen gebildet. Von diesen Tabellen sind im Zusammenhang mit dieser Studie die symmetrischen<br />

Input-Output-Tabellen für die Importe sowie diejenigen für den Inlandsoutput von Belang.<br />

29 Symmetrische Input-Output-Tabellen werden nicht jährlich, sondern im Fünfjahresabstand<br />

veröffentlicht. Aber auch dann legt Eurostat diese Tabellen nur für einige wenige Mitgliedstaaten vor.<br />

Wir haben Daten aus diesen Tabellen nur dann verwendet, wenn sie für mindestens zwei aufeinander<br />

folgende Zeiträume verfügbar waren.<br />

30 In den symmetrischen Input-Output-Tabellen werden die Wirtschaftszweige auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />

der NACE-rev. 1-Systematik in 60 Gruppen eingeteilt.<br />

31 Aus den Input-Output-Tabellen ist der Gesamtwert eines importierten Zwischenprodukts ersichtlich,<br />

aufgeschlüsselt nach den einheimischen Wirtschaftszweigen, die das Zwischenprodukt verbrauchen.<br />

Input-Output-Tabellen für den Binnenmarkt geben den kumulierten Wert aller importierten<br />

Zwischenprodukte an, aufgeschlüsselt nach den einheimischen Wirtschaftszweigen, die die einzelnen<br />

Zwischenprodukte verbrauchen. Den Tabellen ist auch die durch jeden einzelnen einheimischen<br />

Wirtschaftszweig erzielte Wertschöpfung zu entnehmen.<br />

32 Die enge Messgröße des Offshore-Outsourcing wird bestimmt als das Verhältnis zwischen dem<br />

Wert aller einer bestimmten Wirtschaftszweigklassifikation zugeordneten importierten Zwischenprodukte<br />

<strong>und</strong> der durch die derselben Wirtschaftszweigklassifikation zugehörigen inländischen Endverbraucherunternehmen<br />

erzielten Wertschöpfung.<br />

33 Die weite Messgröße des Offshore-Outsourcing für eine bestimmte Wirtschaftszweigklassifikation<br />

wird bestimmt als das Verhältnis zwischen dem Wert aller importierten Zwischenprodukte <strong>und</strong> der<br />

durch die inländischen Endverbraucherunternehmen innerhalb der betreffenden<br />

Wirtschaftszweigklassifikation erzielten Wertschöpfung.<br />

34 Da die Wirtschaftszweigklassifikationen mitunter einer höheren Aggregationsebene als die untersuchten<br />

Branchen entsprechen, werden die gleichen Daten für einige Branchen verwendet, die in die<br />

betreffende Wirtschaftszweigklassifikation fallen. So sind z.B. Input-Output-Tabellen für NACE-Abteilung<br />

26 verfügbar, die sonstige nichtmetallische mineralische Produkte einschließlich Glas <strong>und</strong><br />

Zement umfasst. In der Untersuchung werden daher für beide Branchen die gleichen Daten angegeben.<br />

Dies ist nicht in allen Fällen möglich. Beispielsweise stehen Input-Output-Tabellen für NACE-<br />

Abteilung 24 zur Verfügung, die chemische <strong>und</strong> pharmazeutische Produkte umfasst. Die Tendenzen<br />

in diesen beiden Branchen sind so stark divergierend, dass die Verwendung der kombinierten Daten<br />

problematisch ist. Dies ist ein inhärenter Schwachpunkt dieses Datensatzes im Hinblick auf den<br />

Zweck dieser Studie.


- 58 -<br />

35 Für diese Messgrößen können keine europäischen Aggregate errechnet werden, da die<br />

importierten Zwischenprodukte nicht weiter nach innereuropäischen <strong>und</strong> außereuropäischen Importen<br />

aufgeschlüsselt sind.<br />

European Restructuring Monitor (ERM) (Europäisches Beobachtungsinstrument für<br />

Umstrukturierungen)<br />

36 Das Europäische Beobachtungsinstrument für Umstrukturierungen (ERM) wird regelmäßig von<br />

der in Dublin ansässigen Europäischen Stelle zur Beobachtung des Wandels (EMCC) veröffentlicht.<br />

37 Im ERM werden alle Umstrukturierungen erfasst,<br />

a) die mindestens einen EU-Mitgliedstaat betreffen;<br />

b) die einen voraussichtlichen oder tatsächlichen Verlust von mindestens 100 Arbeitsplätzen verursachen;<br />

oder<br />

c) die an Unternehmensstandorten mit mindestens 250 Beschäftigten stattfinden, von denen mindestens<br />

10 Prozent betroffen sind; oder<br />

d) in deren Zuge mindestens 100 Arbeitsplätze entstehen.<br />

38 Die EMCC trägt diese Informationen zusammen, indem sie ausgewählte Tageszeitungen aus allen<br />

25 Mitgliedstaaten auswertet.<br />

39 Die Daten werden nach der Art der Umstrukturierung sortiert. In der Datenbank wird zwischen<br />

acht Typen der Umstrukturierung unterschieden, einer davon ist "Offshoring/Betriebsverlagerung".<br />

40 Bei jeder Umstrukturierung führt die ERM-Datenbank Folgendes auf:<br />

a) das betreffende Unternehmen;<br />

b) die Branche;<br />

c) den Umstrukturierungstyp;<br />

d) das Datum der Bekanntgabe;<br />

e) die Anzahl der abgebauten oder entstandenen Arbeitsplätze;<br />

f) den Zielort der Verlagerung (sofern angegeben);<br />

g) eine Zusammenfassung des Zeitungsartikels.<br />

41 In der laufend aktualisierten Datenbank sind Umstrukturierungen seit Januar 2002 erfasst.<br />

42 Die Größe Arbeitsplatzverluste setzt sich zusammen aus der Summe der bei den einzelnen Umstrukturierungen<br />

abgebauten Arbeitsplätze, aufgeschlüsselt nach Branche <strong>und</strong> Mitgliedstaaten.<br />

43 Wie auch bei den Input-Output-Tabellen liegen die Daten zu den im Sinne des ERM definierten<br />

Branchen häufig auf einer höheren Aggregationsebene vor als für diese Studie erforderlich ist. In<br />

diesen Fällen werden die entsprechenden Zusammenfassungen herangezogen, um die einzelnen Fälle<br />

für unsere Branchen zu klassifizieren.


- 59 -<br />

Ausländische Direktinvestitionen (ADI) <strong>und</strong> Binnenanlageinvestitionen<br />

44 Eurostat erfasst ADI-Daten im statistischen Themenkreis 'Wirtschaft <strong>und</strong> Finanzen -<br />

Leistungsbilanz'.<br />

45 Eurostat definiert ADI als<br />

"internationale Investitionen, die eine in einem Wirtschaftsgebiet ansässige Körperschaft<br />

(Direktinvestor) tätigt, um einen dauerhaften Einfluss auf ein in einem anderen Wirtschaftsgebiet<br />

tätiges Unternehmen (Unternehmen, das Gegenstand einer ADI ist) zu gewinnen. Von einem<br />

dauerhaften Einfluss wird ausgegangen, wenn der Direktinvestor mindestens 10 Prozent des<br />

Eigenkapitals des Unternehmens erwirbt, in das investiert wird."<br />

46 Die Daten werden aufgeschlüsselt nach Berichtsland, Branchenzugehörigkeit des Direktinvestors,<br />

Zielgebiet <strong>und</strong> Investitionsjahr. Erfasst sind alle 25 EU-Mitgliedstaaten.<br />

47 Die ADI-Datenbank dient dazu, Erkenntnisse über die Höhe der von dem Berichtsland aus<br />

getätigten ADI innerhalb <strong>und</strong> außerhalb der EU-15, innerhalb <strong>und</strong> außerhalb der EU-25 sowie<br />

innerhalb der EU-10 zu gewinnen. Die ADI werden nach der Branchenzugehörigkeit des Investors<br />

unabhängig vom Zielort untergliedert.<br />

48 Die Binnenanlageinvestitionen werden von Eurostat im Zuge der Erstellung der Volkswirtschaftlichen<br />

Gesamtrechnungen veröffentlicht.<br />

49 Binnenanlageinvestitionen umfassen demzufolge<br />

"den Erwerb abzüglich der Veräußerungen von Anlagegütern durch gebietsansässige Produzenten<br />

zuzüglich gewisser Werterhöhungen an nichtproduzierten (i.d.R. natürlichen) Vermögensgütern<br />

durch produktive Tätigkeiten".<br />

50 Die Daten werden aufgeschlüsselt nach Berichtsland, Branche, Zielgebiet <strong>und</strong> Investitionsjahr. Erfasst<br />

sind alle 25 EU-Mitgliedstaaten.<br />

51 Aus den Binnenanlageinvestitionen eines Mitgliedstaats innerhalb eines Wirtschaftszweigs lässt<br />

sich der Umfang der Investitionen in die einheimische Wirtschaft ersehen.<br />

Europäische Industrie- <strong>und</strong> Handelsverbände<br />

52 Wir haben uns bei unserer Analyse auf die größtenteils aus Veröffentlichungen stammenden<br />

Daten verschiedener Industrie- <strong>und</strong> Handelsverbände gestützt. Die Angaben zur Schiffbaubranche<br />

erhielten wir allerdings unmittelbar bei der zuständigen Vereinigung.<br />

53 Das Komitee der Schiffbauverbände der Europäischen Gemeinschaften (CESA) stellte die<br />

Informationen zum Schiffbau zur Verfügung, die die Beschäftigungs-Daten für den Zeitraum 1995-<br />

2004 <strong>und</strong> die Produktions-Daten für den Zeitraum 1997-2004 für alle CESA-Mitgliedstaaten<br />

umfassen. Nur 14 der CESA-Mitgliedstaaten sind auch EU-Mitgliedstaaten <strong>und</strong> demnach in dieser<br />

Analyse erfasst.


- 60 -<br />

54 Weitere nützliche Informationen konnten verschiedenen Veröffentlichungen der folgenden Organisationen<br />

entnommen werden:<br />

a) Europäischer Rat der Verbände der Chemischen Industrie (CEFIC)<br />

b) Vereinigung der Ernährungsindustrien der EU (CIAA)<br />

c) Verband der europäischen Bekleidungs- <strong>und</strong> Textilindustrie (EURATEX)<br />

d) Union der Europäischen Eisenbahn-Industrien (UNIFE)<br />

e) Vereinigung der nationalen Gerberverbände der Europäischen Gemeinschaften (COTANCE)<br />

f) Europäische Vereinigung der Holzindustrien (CEI-Bois)<br />

g) Ständiger Ausschuss der Glasindustrien in der EWG (CPIV)<br />

h) Europäischer Verband der Papierindustrie (CEPI)<br />

i) Europäischer Verband der Luftfahrt-, Raumfahrt- <strong>und</strong> Verteidigungsindustrie (ASD)<br />

j) Europäische Vereinigung der Luft- <strong>und</strong> Raumfahrtindustrie (AECMA)<br />

k) Europäischer Zementverband (CEMBUREAU


- 61 -<br />

Anhang 1: Überblick über die Literatur<br />

1 Mithilfe der Fachliteratur zum Thema "Betriebsverlagerung" sollen folgende Aspekte geklärt werden:<br />

a) Definition verschiedener Fachtermini im Zusammenhang mit <strong>Betriebsverlagerungen</strong> <strong>und</strong> Bedeutung des<br />

Begriffs "Betriebsverlagerung";<br />

b) Messverfahren für <strong>Betriebsverlagerungen</strong> <strong>und</strong> diesbezügliche Datenerhebung;<br />

c) unternehmens- <strong>und</strong> sektorspezifische Faktoren, die die Tendenz zur Betriebsverlagerung begünstigen;<br />

d) künftige Betriebsverlagerungstendenzen;<br />

e) Folgen von <strong>Betriebsverlagerungen</strong>.<br />

2 Jeder dieser Aspekte wird im Folgenden gesondert behandelt. Ein Quellenverzeichnis befindet sich am Ende<br />

dieses Anhangs.<br />

Definition von Fachbegriffen im Zusammenhang mit <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

3 Die Fachliteratur bietet keine allgemein verbindliche Definition des Begriffs "relocation/Betriebsverlagerung".<br />

Tatsächlich taucht dieser Begriff in vielen Sek<strong>und</strong>ärwerken überhaupt nicht auf. Stattdessen<br />

werden zur Diskussion der einschlägigen Fragen Termini wie "outsourcing/Auslagerung",<br />

"offshoring/ Auslandsverlagerung", "deindustrialisation/Deindustrialisierung" <strong>und</strong> "delocalisation/<br />

Verlagerung" verwandt. Allerdings werden diese Termini nicht immer in derselben Bedeutung<br />

gebraucht.<br />

4 Zunächst ist festzustellen, dass der englische Begriff "relocation" häufig mit "delocation" assoziiert<br />

wird, welcher sich auf die Einstellung einer Unternehmenstätigkeit <strong>und</strong> die anschließende<br />

Wiederaufnahme dieser Tätigkeit im Ausland bzw. die Vergabe dieser Tätigkeit an ein Subunternehmen<br />

im Ausland bezieht (s. z.B. Aubert/Sillard, 2005). Dies stimmt mit der Definition des deutschen<br />

Begriffs "Betriebsverlagerung" in der vom Europäischen Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialausschuss<br />

(EWSA) 2005 verabschiedeten Stellungnahme überein 1 . In der Literatur herrscht jedoch die Auffassung<br />

vor, dass eine solche Begriffsbestimmung zu eng ist; so entspricht sie nach Ansicht von<br />

Boulhol/Fontagné (2005) kaum einer statistischen Kategorie oder einem quantifizierbaren Phänomen.<br />

5 Zahlreiche Autoren definieren "Betriebsverlagerung" hingegen als Situation, in der eine Firma<br />

organisatorische Entscheidungen bezüglich der Gestaltung eines bestimmten Produktionsprozesses<br />

treffen muss. Diese organisatorischen Entscheidungen betreffen den Einsatz von outsourcing <strong>und</strong><br />

offshoring. Diese beiden Termini finden sich wiederum in den meisten Darstellungen zur Betriebsverlagerung.<br />

6 Die in der Literatur verwandten Termini outsourcing <strong>und</strong> offshoring sind nicht normiert. Die<br />

gebräuchlichsten Definitionen stammen von UNCTAD (2004) <strong>und</strong> Pujals (2005). Diesen Definitionen<br />

zufolge bedeutet outsourcing die Externalisierung des Produktionsprozesses für Zwischenprodukte<br />

1<br />

Europäischer Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialausschuss (2005) "Ausmaß <strong>und</strong> Auswirkungen von <strong>Betriebsverlagerungen</strong>", CCMI/014 <strong>–</strong> CESE<br />

851/2005, Ziffer 1.18.


- 62 -<br />

(im Gegensatz zur Internalisierung/In-house-Produktion), während sich offshoring auf Fälle bezieht,<br />

in denen der Produktionsprozess im Ausland stattfindet.<br />

7 Obige Tabelle A1.1 verdeutlicht die Dimensionen dieser beiden Termini.<br />

Tabelle A1.1: Outsourcing <strong>und</strong> Offshoring<br />

Betriebsinterne <strong>und</strong> -externe Produktion<br />

Produktionsstandort Intern Extern (ausgelagert)<br />

Inland Insourcing Outsourcing<br />

Ausland (Offshoring) Captive Offshoring Offshore<br />

Outsourcing<br />

Quelle: nach Informationen von UNCTAD (2004) <strong>und</strong> Pujals (2005)<br />

8 Die beiden oben dargestellten Formen des offshoring beziehen sich auf die Verlagerung eines Teils<br />

der Wertschöpfungskette ins Ausland <strong>und</strong> stehen im Mittelpunkt der Literatur zu <strong>Betriebsverlagerungen</strong>.<br />

Demzufolge müssen ausgelagerte (offshored) Tätigkeiten aber nicht zunächst im<br />

Inland stattgef<strong>und</strong>en haben, damit sie als Teil des Phänomens "Betriebsverlagerung" betrachtet werden.<br />

9 Bei dieser Diskussion werden outsourcing <strong>und</strong> offshoring in Bezug auf Zwischenprodukte - d.h.<br />

nicht Rohstoffe oder Endprodukte - verwandt. In einigen Abhandlungen wird aber keine solche<br />

Unterscheidung getroffen. Drumetz (2005) definiert offshoring einfach als Verlagerung einer inländischen<br />

Unternehmenstätigkeit ins Ausland, ohne Bezug auf Zwischenprodukte zu nehmen. Ein<br />

Messverfahren für <strong>Betriebsverlagerungen</strong>, das auf Zwischenprodukte konzentriert ist, betrifft im<br />

Wesentlichen nur Bereiche, in denen die Endfertigung im Inland stattfindet. Z.B.: Wenn ein<br />

inländischer Autohersteller die Motorenproduktion ins Ausland verlagert, wäre dies themenrelevant,<br />

da Motoren Zwischenprodukte darstellen; wenn der inländische Hersteller jedoch seine Tätigkeit einstellt<br />

<strong>und</strong> die Nachfrage durch Importe befriedigt wird, wäre dies nicht themenrelevant, da keine<br />

Zwischenprodukte importiert werden.<br />

10 Einige Autoren verwenden eine leicht abweichende Terminologie für die zuvor beschriebenen<br />

Methoden. Beispielsweise gebrauchen Geishecker (2005) <strong>und</strong> Amiti/Wei (2005) den Ausdruck<br />

international outsourcing im Sinne von offshoring in Tabelle A1.1. Andere Autoren benutzen die<br />

Termini outsourcing <strong>und</strong> offshoring unterschiedslos, aber meist auch in der Bedeutung von offshoring<br />

in obiger Tabelle.<br />

11 Ein mit den bisher genannten Begriffen verwandter Terminus lautet "Deindustralisierung". Dieser<br />

bezeichnet den Wandel eines Landes oder einer Region von einer industriell geprägten Wirtschaft zu<br />

einer Dienstleistungswirtschaft. Die Stellungnahme des EWSA (2005) enthält eine präzise<br />

Unterscheidung zwischen "absoluter" <strong>und</strong> "relativer Deindustrialisierung" 2 . Die erste Art der Deindustrialisierung<br />

ist wie folgt definiert: "Dieser Prozess beinhaltet eine Abnahme der Beschäftigung, der<br />

Produktion, der Rentabilität <strong>und</strong> des Kapitalstocks in der Industrie sowie einen Rückgang der<br />

2<br />

Europäischer Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialausschuss (2005) "Ausmaß <strong>und</strong> Auswirkungen von <strong>Betriebsverlagerungen</strong>", CCMI/014 <strong>–</strong> CESE<br />

851/2005, Ziffer 1.18.


- 63 -<br />

Ausfuhren industrieller Produkte <strong>und</strong> das Entstehen dauerhafter Handelsdefizite in diesem Sektor";<br />

die zweite Art ist wie folgt definiert: "Dieser Prozess besteht in der Abnahme des Anteils der Industrie<br />

an der Volkswirtschaft. Dabei spiegelt er den Prozess des Strukturwandels hinsichtlich der<br />

Entwicklung der Leistungsfähigkeit der Industrie <strong>und</strong> des Dienstleistungssektors wider."<br />

Messverfahren für <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

12 Wie die WTO (2005) feststellt, besteht ein Hauptproblem im Zusammenhang mit den vorgenannten<br />

Definitionen von outsourcing <strong>und</strong> offshoring darin, dass sie sich nicht leicht mit offiziellen<br />

Wirtschaftsdaten in Einklang bringen lassen. Normalerweise werden die Daten auf Sektorebene<br />

ermittelt, während Verlagerungsentscheidungen auf Unternehmensebene getroffen werden. Es ist<br />

schwierig, Importstatistiken <strong>und</strong> die Entscheidung einer Unternehmensleitung, inländische Produkte<br />

durch Importe zu ersetzen, in Relation zu setzen. Ein weiteres mögliches Problem, auf das Amiti/Wei<br />

(2005) hinweisen, besteht darin, dass offshoring in den Daten möglicherweise unterbewertet wird, da<br />

die Kosten für die importierten Produkte niedriger sein dürften als die Kosten für ihren Erwerb im<br />

Inland. Quantitative Daten mögen zwar besser geeignet erscheinen, sie können aber nicht über<br />

einzelne Produkte hinaus aggregiert werden, um ein sinnvolles Bild auf Sektorebene zu ergeben; <strong>und</strong><br />

in vielen Fällen sind solche Daten nicht verfügbar.<br />

13 Da direkte Daten zu diesem Thema fehlen, werden in Untersuchungen Ersatzgrößen verwandt, um<br />

einen Eindruck vom Ausmaß der betreffenden Betriebsverlagerung zu gewinnen. Dabei kommen<br />

unterschiedliche Ersatzgrößen zum Einsatz. Angesichts der mangelnden Übereinstimmung bei der<br />

Begriffsbestimmung dürfte dies kaum überraschen.<br />

14 Im Folgenden werden die in der Literatur verwandten Indikatoren für die Betriebsverlagerung<br />

dargestellt.<br />

Input-/Output-Tabellen<br />

15 Outsourcing wird üblicherweise unter Bezug auf Zwischenprodukte definiert. Deshalb werden für<br />

Messverfahren häufig Input-Output-Tabellen verwandt. Die zuverlässigste Quelle für die Messung<br />

von Offshore-Outsourcing dürfte die Verwendung von Import-Input-Output-Tabellen <strong>und</strong> Inlands-<br />

Input-Output-Tabellen sein. Import-Input-Output-Tabellen stellen die Einfuhren jedes Wirtschaftszweigs<br />

aus anderen ausländischen Wirtschaftszweigen dar, während Inlands-Input-Output-Tabellen<br />

die Wertschöpfung durch jeden inländischen Wirtschaftszweig wiedergeben.<br />

16 Mittels dieser Daten können enge <strong>und</strong> weite Messgrößen für Outsourcing bestimmt werden. Nach<br />

einzelnen Wirtschaftszweigen aufgeschlüsselt, bezieht sich die enge Messgröße nur auf die Importe<br />

aus dem gleichen Wirtschaftszweig im Ausland <strong>und</strong> betrifft somit nur die Auslagerung der zentralen<br />

Wirtschaftstätigkeiten; die weite Messgröße bezieht sich hingegen auf Importe aus allen<br />

ausländischen Wirtschaftszweigen. Hijzen et al. (2005) berechnen diese engen <strong>und</strong> weiten<br />

Messgrößen wie folgt:<br />

a) Enges Outsourcing von Wirtschaftszweig I ist das Verhältnis der importierten Input-Käufe aus<br />

Wirtschaftszweig I durch Wirtschaftzweig I zum Mehrwert von Wirtschaftszweig I.


- 64 -<br />

b) Weites Outsourcing von Wirtschaftszweig I ist das Verhältnis der Summe aller Input-Käufe durch<br />

Wirtschaftszweig I zum Mehrwert von Wirtschaftszweig I.<br />

17 Die größte Unzulänglichkeit solcher Messgrößen besteht darin, dass die ihnen zugr<strong>und</strong>e liegenden<br />

Daten (Import- <strong>und</strong> Inlands-Input-Output-Tabellen) nur in großen zeitlichen Abständen<br />

(normalerweise alle fünf Jahre) ermittelt werden. Um diesen Mangel auszugleichen <strong>und</strong><br />

aussagekräftigere Analysen zu ermöglichen, machen zahlreiche Autoren (einschließlich Amiti/Wei<br />

(2005)) Annäherungen an diese Messgrößen, indem sie Input-Output-Tabellen in Kombination mit<br />

Handelsdaten verwenden. Die üblichen Input-Output-Tabellen enthalten nur die Inputs jedes<br />

Wirtschaftszweigs, ohne sie in inländische oder ausländische Inputs aufzugliedern. Diese Autoren<br />

verwenden die Standardtabellen unter der Annahme, dass das Verhältnis von importierten<br />

Zwischenprodukten zu inländischen Zwischenprodukten mit dem Verhältnis von allen Importen des<br />

Sektors zum Gesamtverbrauch im Sektor gleich ist.<br />

18 "Verbrauch" - vielleicht angemessener als "sichtbarer Verbrauch" bezeichnet - wird als Inlandsproduktion<br />

plus Importe minus Exporte des betreffenden Wirtschaftszweigs definiert. Die beiden<br />

unterschiedlichen Verfahren sind äquivalent, wenn der Anteil importierter Zwischenprodukte mit dem<br />

Anteil aller importierten Produkte gleich ist.<br />

19 Andere Autoren wie Geishecker (2005) <strong>und</strong> Falk/Wolfmayr (2005) entwickeln diese Messgrößen<br />

weiter, indem sie sie nach Partnerländern aufschlüsseln, d.h. nur Importe aus bestimmten relevanten<br />

Ländern berücksichtigen.<br />

Daten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung<br />

20 Andere Messverfahren für <strong>Betriebsverlagerungen</strong> sind nicht nur auf den Handel von Zwischenprodukten<br />

konzentriert, sondern berücksichtigen auch (in erster Linie auf Importe <strong>und</strong> Exporte bezügliche)<br />

Daten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung.<br />

21 Beispielsweise berechnet Drumetz (2005) eine Quote der Importdurchdringung <strong>und</strong> eine Quote<br />

des Zahlungsbilanzdefizits, wodurch indirekt gemessen wird, wie sehr der Inlandsverbrauch von der<br />

Inlandsproduktion abhängt. Diese Messverfahren beruhen auf folgenden Formeln:<br />

a) Die Quote der Importdurchdringung ist das Verhältnis der Importe zur Summe des Inlands-<br />

Outputs <strong>und</strong> der Nettoimporte.<br />

b) Die Quote des Zahlungsbilanzdefizits ist das Verhältnis der Nettoexporte zur Summe des Inlands-<br />

Outputs <strong>und</strong> der Nettoimporte.<br />

22 Der Autor stellt die These auf, dass Offshoring in Sektoren stattfindet, in denen die Quote der<br />

Importdurchdringung stark zunimmt, die Quote des Zahlungsbilanzdefizits schnell abnimmt <strong>und</strong> der<br />

Anteil der Beschäftigung des Sektors an der Gesamtbeschäftigung sinkt. Die Quote der Importdurchdringung<br />

wird auch von anderen Autoren verwandt, z.B. Anderton/Brenton (1999) <strong>und</strong> Campa/<br />

Goldberg (1997).


- 65 -<br />

23 Weitere Autoren wie Amiti/Wei richten den Blick auch unmittelbar auf die Handelsbilanz<br />

(Exporte minus Importe), wobei sie Importe als Ersatzgröße für Outsourcing <strong>und</strong> Exporte als<br />

Messgröße für "Insourcing" verwenden.<br />

24 Rowthorn/Ramaswamy (1999) u.a. betrachten den Anteil des Gesamt-Outputs eines bestimmten<br />

Wirtschaftszweigs. Allerdings dient dies üblicherweise als Messverfahren für Deindustrialisierung.<br />

Darüber hinaus wird der Einfluss weiterer Faktoren (z.B. der Handelsbilanz) untersucht.<br />

Beschäftigung<br />

25 In vergleichbarer Weise wie Rowthorn/ Ramaswamy (1999) den Output-Anteil eines Wirtschaftszweigs<br />

als Messgröße für Deindustrialisierung verwenden, benutzen sie auch den Anteil dieser<br />

Branche an der Gesamtbeschäftigung als weiteren Ersatzwert. Boulhol/Fontagné (2005) benutzen<br />

ebenfalls dieses Messverfahren für denselben Sachverhalt<br />

26 Geishecker (2005) betrachtet nicht Beschäftigungszahlen, sondern den Lohnanteil verschiedener<br />

Wirtschaftszweige <strong>und</strong> untersucht, inwiefern diese von internationalem Outsourcing betroffen sind.<br />

27 Aubert/Sillard (2005) weisen darauf hin, dass Beschäftigungstendenzen nur eingeschränkt dazu<br />

verwandt werden können, um den Prozess der Betriebsverlagerung zu verstehen - vor allem weil die<br />

Schwankungen des Beschäftigungsniveaus auch Faktoren widerspiegeln, die in keinem Zusammenhang<br />

zu <strong>Betriebsverlagerungen</strong> stehen. Zu diesen Faktoren zählen Änderungen des Konkurrenzdrucks<br />

(intern wie auch extern), Produktivitätssteigerungen oder die Substitution Kapital/Arbeitskräfte.<br />

28 Daten der Europäischen Stelle zur Beobachtung des Wandels (EMCC) über das Europäische<br />

Beobachtungsinstrument für Umstrukturierungen (ERM) können auch als Messgrößen für<br />

<strong>Betriebsverlagerungen</strong> dienen. Die EMCC wertet seit 2002 Presseartikel in der EU hinsichtlich des<br />

Stellenverlusts <strong>und</strong> -gewinns aufgr<strong>und</strong> von Unternehmensumstrukturierungen aus. Für diese Studie ist<br />

die Tatsache von besonderem Interesse, dass die EMCC die Anzahl an Arbeitsplatzverlusten<br />

verzeichnet, wenn die Tätigkeit zwar innerhalb desselben Unternehmens verbleibt, aber an eine<br />

andere Produktionsstätte innerhalb desselben Landes verlagert wird. Autoren wie Daudin/Levasseur<br />

(2005) <strong>und</strong> Pujals (2005) ziehen diese Daten als Indikatoren für die Beschäftigungsfolgen von<br />

<strong>Betriebsverlagerungen</strong> heran. Galgoczi (2006) vertritt - ebenso wie wir - die Auffassung, dass die<br />

ERM-Datenbank nur zeitlich begrenzte, nicht repräsentative Ergebnisse liefert. Sie ermöglicht somit<br />

keine soliden Schlüsse bezüglich <strong>Betriebsverlagerungen</strong>.<br />

Ausländische Direktinvestitionen (ADI)<br />

29 Ausländische Direktinvestitionen (ADI) sind Investitionen in ausländische Vermögenswerte <strong>und</strong><br />

können in zwei Typen unterteilt werden. Der erste Typ umfasst Investitionen in bestehende ausländische<br />

Unternehmen (womit lediglich eine Änderung der Eigentumsverhältnisse einhergeht); dadurch<br />

wird nur selten die Vorgehensweise des die ADI erhaltenden Unternehmens dahingehend verändert,<br />

dass es die Exporte in das die ADI bereitstellende Land erhöht. Der zweite Typ umfasst Investitionen<br />

zur Gründung eines neuen Unternehmens oder einer neuen Produktionsanlage. Dieser Typ ist mit dem<br />

Begriff "Betriebsverlagerung" enger verwandt.


- 66 -<br />

30 Bei der Untersuchung des Einsatzes von ADI-Daten für Informationen über <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

greift die Parlamentarische Versammlung des Europarates (PACE) auf weitere Kategorien<br />

zurück: vertikale <strong>und</strong> horizontale ADI. Der Begriff "vertikale ADI" bezieht sich auf die<br />

Aufgliederung des Produktionsprozesses durch einen multinationalen Konzern mit dem Ziel, jeden<br />

Produktionsabschnitt in das Land zu verlagern, in dem er am kosteneffektivsten ist. Der Ausdruck<br />

"horizontale ADI" bezeichnet die Tatsache, dass der multinationale Konzern dieselbe Tätigkeit in<br />

einer Reihe von Ländern ausübt, um die lokalen Märkte zu bedienen - <strong>und</strong> zwar nicht im Rahmen<br />

einer Betriebsverlagerung. Auf disaggregierter Ebene liegen keine ADI-Daten vor, um zwischen<br />

horizontalen <strong>und</strong> vertikalen ADI zu unterscheiden (allerdings besteht die bisher nur selten genutzte<br />

Möglichkeit von Umfragen). PACE (2005) zufolge wird in nahezu allen empirischen Studien<br />

festgestellt, dass die vertikalen ADI nur einen geringen Anteil an den Gesamt-ADI haben. Weiter<br />

heißt es, dass es schwierig ist, hinsichtlich der wirtschaftlichen Auswirkungen der Gesamt-ADI auf<br />

das Ursprungsland einfache Schlüsse zu ziehen.<br />

31 In einer Reihe von Studien werden ADI-Daten zur Diskussion des Phänomens "Betriebsverlagerung"<br />

verwandt. Wir sind jedoch von der Zweckmäßigkeit der Verwendung dieser Daten nicht<br />

überzeugt, zumal die Verwendung selbst meist nur damit begründet wird, dass diese Daten zur<br />

Verfügung stehen. Andererseits hat uns die kritische Beurteilung der Verwendung von ADI-Daten in<br />

der Überzeugung bestärkt, dass ein erheblicher Teil der ADI aus der EU nicht im Zusammenhang mit<br />

<strong>Betriebsverlagerungen</strong> steht <strong>und</strong> deshalb einen unzureichenden Ersatzwert darstellt.<br />

32 In diesem Zusammenhang ist die Feststellung von Drumetz (2005) hervorzuheben, dass ADI-<br />

Statistiken nicht im Hinblick auf die Messung von Offshoring angelegt sind <strong>und</strong> ihre diesbezügliche<br />

Verwendung problematisch ist. ADI werden auch getätigt, wenn keine einheimische Produktionsanlage<br />

stillgelegt wird. Aubert/Sillard (2005) halten es darüber hinaus für unzutreffend, dass aus<br />

bestimmten ADI resultierende Produkte zurück ins Ursprungsland importiert werden oder sogar <strong>–</strong><br />

allgemeiner - die einheimischen Produkte "ersetzen". ADI werden möglicherweise mit dem Ziel<br />

getätigt, einen Markt, der in der Nähe des Ziellandes liegt, auszuweiten. Zudem können die<br />

betreffenden Investitionen einen rein finanziellen Zweck verfolgen (d.h. den Erwerb von Aktien an<br />

der Börse des Ziellandes) <strong>und</strong> somit nichts oder nur wenig mit Produktionsentscheidungen zu tun<br />

haben.<br />

33 Auch das Bureau fédéral du Plan (2005), das belgische Föderale Planungsbüro, weist auf<br />

Schwierigkeiten bei der Beurteilung von <strong>Betriebsverlagerungen</strong> auf der Gr<strong>und</strong>lage von ADI-Daten<br />

hin.<br />

Faktoren, die bei der Entscheidung für <strong>Betriebsverlagerungen</strong> mitspielen<br />

34 Verschiedene Studien zu <strong>Betriebsverlagerungen</strong> versuchten darüber Aufschluss zu geben, welche<br />

Faktoren bei der Entscheidung der Unternehmen für <strong>Betriebsverlagerungen</strong> mitspielen <strong>und</strong> welche<br />

spezifischen Merkmale die Unternehmen/Wirtschaftszweige generell aufweisen, bei denen mit hoher<br />

Wahrscheinlichkeit mit <strong>Betriebsverlagerungen</strong> zu rechnen ist.


- 67 -<br />

35 Die Studie der UNCTAD (Handels- <strong>und</strong> Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen) aus dem<br />

Jahr 2004 ist diesbezüglich besonders informativ. In der Studie werden folgende Merkmale für<br />

Dienstleistungen mit einer hohen Offshoring-Wahrscheinlichkeit angeführt:<br />

a) kein persönlicher K<strong>und</strong>enkontakt erforderlich;<br />

b) hoher Informationsinhalt;<br />

c) der Arbeitsvorgang kann über Telekommunikation <strong>und</strong> Internet abgewickelt werden;<br />

d) hohe Lohnunterschiede gegenüber vergleichbaren Arbeitsplätzen im Zielland;<br />

e) geringe Niederlassungshemmnisse;<br />

f) niedrige Anforderungen an eine soziale Verankerung.<br />

36 In einem zweiten Bericht (2005) gibt die WTO als hauptausschlaggebende Faktoren bei der Entscheidung<br />

über das Outsourcing einer Tätigkeit folgende an:<br />

a) "Trennbarkeit von technischer <strong>und</strong> organisatorischer Seite;<br />

b) Ausmaß der Standardisierung der Aufgabe;<br />

c) Transaktions- <strong>und</strong> Managementkosten innerhalb des Unternehmens im Verhältnis zu externen<br />

Anbietern;<br />

d) Produktionskosten;<br />

e) Größe des Marktes."<br />

37 Bei der Entscheidung über das Offshoring einer Tätigkeit kommen noch weitere relevante<br />

Faktoren mit ins Spiel, da im Zusammenhang mit dem Offshoring zusätzliche variable<br />

Managementkosten zu berücksichtigen sind, die u.U. aufgr<strong>und</strong> von Unterschieden zwischen den<br />

beiden betreffenden Ländern - Sprache, Gesetze, Regierungserlasse, rung oder geographische<br />

Entfernung - anfallen können.<br />

38 Girma <strong>und</strong> Görg untersuchen in ihrer Studie (2004) anhand von Daten britischer Unternehmen aus<br />

drei Industriezweigen (Chemieerzeugnisse, Maschinen- <strong>und</strong> Werkzeugbau, Elektronik), wie<br />

verschiedene Faktoren die Outsourcing-Neigung von Unternehmen beeinflussen. In dieser Studie wird<br />

anscheinend nicht zwischen Offshore-Outsourcing <strong>und</strong> Outsourcing an heimische Produzenten unterschieden.<br />

Es wird festgestellt, dass in ausländischem Besitz befindliche Unternehmen bei Controlling-<br />

Maßnahmen für verschiedene Faktoren (Größe <strong>und</strong> Arbeitskosten) stärker auf Outsourcing<br />

zurückgreifen als heimische Unternehmen. Diese Feststellung hielt unter verschiedenen Parametrisierungen<br />

ihres Modells stand.<br />

39 Kakabadse <strong>und</strong> Kakabadse haben in ihrer Studie (2002) die Outsourcing-Trends auf der<br />

Gr<strong>und</strong>lage einer Befragung von 747 europäischen <strong>und</strong> amerikanischen Unternehmen untersucht. In<br />

dieser Studie scheint nicht zwischen Offshore-Outsourcing <strong>und</strong> Outsourcing an heimische<br />

Produzenten unterschieden zu werden. In der nachstehenden Tabelle A1 2 sind detailliert die<br />

wichtigsten Gründe aufgeführt, die europäische Unternehmen für das Outsourcing von Tätigkeiten<br />

nennen.<br />

40 Rowthorn <strong>und</strong> Ramaswamy untersuchen in ihrer Studie (1997) die Ursachen <strong>und</strong> Wirkungen der<br />

Deindustrialisierung <strong>und</strong> gelangen zu dem Schluss, dass die Deindustrialisierung kein negatives


- 68 -<br />

Phänomenon ist, sondern eine natürliche Folge des anhaltenden Wachstums in entwickelten Volkswirtschaften.<br />

Als Hauptgr<strong>und</strong> für Deindustrialisierung wird angeführt, dass die Produktivität im Fertigungssektor<br />

schneller wächst als im Dienstleistungssektor. Außerdem wird die Schlussfolgerung<br />

gezogen, dass der Nord-Süd-Handel bei der Deindustrialisierung nur eine sehr geringe Rolle gespielt<br />

hat.<br />

Tabelle A1.2: Gründe für <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

Gr<strong>und</strong> % der Befragten, die diese<br />

Antwort gewählt haben<br />

Kosteneindämmung 59<br />

Bemühen um beispielhafte Praktiken 56<br />

Verbesserung der Dienstleistungsqualität 41<br />

Konzentration auf Kernkompetenzen 39<br />

Verbesserung der Kapazitäten für die Entwicklung neuer Produkte/<br />

Dienstleistungen<br />

35<br />

Zugang zu neuen Technologien/ Fertigkeiten 34<br />

Verringerung der Beschäftigtenzahlen 34<br />

Verringerung der Kapitalkosten 32<br />

Entwicklung von firmeninternem Know-how 30<br />

Verringerung der Transaktionskosten 27<br />

Verringerung der Werbeausgaben 23<br />

Investitionen in Technologie 18<br />

Verbesserung der Position in der Wertschöpfungskette 17<br />

Verbesserung der Fähigkeit zur Veränderung<br />

Quelle: Kakabadse et Kakabadse (2002)<br />

17<br />

Trendvorhersagen für <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

41 Wir hielten es für sinnvoll zu prüfen, inwieweit Studien Aussagen zur voraussichtlichen Entwicklung des<br />

Betriebsverlagerungsprozesses machen; d.h. ob davon ausgegangen wird, dass sich dieser Prozess während der<br />

nächsten zehn Jahre beschleunigen wird, <strong>und</strong> ob <strong>und</strong> wie die weltweiten Verlagerungen der Wirtschaftstätigkeit<br />

voraussichtlich ihre Richtung ändern werden.<br />

42 Wir haben festgestellt, dass dieser Frage nur in einer Studie unter dem quantitativen Blickwinkel<br />

nachgegangen wird. Die Studie von Forrester (2004) enthält nach Ländern <strong>und</strong> Branchen gegliederte detaillierte<br />

Prognosen für das Offshoring europäischer Arbeitsplätze bis 2015. Die Studie sagt voraus, dass bis 2010 ca.<br />

495.000 Arbeitsplätze aus der EU-15 abwandern <strong>und</strong> bis 2015 1.153.000 Arbeitsplätze verloren gegangen sein<br />

werden. R<strong>und</strong> zwei Drittel davon werden voraussichtlich im Vereinigten Königreich verloren gehen. Als<br />

mögliche Gründe für diesen hohen Anteil im Vereinigten Königreich werden angeführt, dass Indien jedes Jahr 2<br />

Millionen englischsprechende Arbeitskräfte mit breitgefächerten technischen Qualifikationen ausbildet <strong>und</strong> dass<br />

der Arbeitsmarkt des Vereinigten Königreichs im Vergleich zum Rest der EU-15 flexibler ist. Aufgeschlüsselt<br />

nach Arbeitsplatzkategorien prognostiziert die Studie bis 2015 folgende Beschäftigungsverluste: 13 % in den<br />

Informationstechnologien, 34% bei den Bürobediensteten, 29% in Wirtschaft <strong>und</strong> Management, 20% in<br />

Wissenschaft <strong>und</strong> Ingenieurswesen, 3% bei Behörden- <strong>und</strong> Regierungsbediensteten <strong>und</strong> 1% bei den<br />

Beschäftigten in der Medienbranche.


Auswirkungen der <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

- 69 -<br />

43 Eine Frage, die in der Fachliteratur sorgfältig untersucht wurde, betrifft die Ermittlung der Auswirkungen<br />

von <strong>Betriebsverlagerungen</strong>. Angesichts der politischen Sensibilitäten <strong>und</strong> - noch wichtiger - der einhelligen<br />

(nicht notwendigerweise belegten) Annahme, dass der Verlagerungsprozess wahrscheinlich weiter zunehmen<br />

wird, ist das Interesse an dieser Frage nur allzu verständlich. Die Analyse der Auswirkungen von <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

konzentrierte sich tendenziell auf zwei Aspekte: die Auswirkungen auf die Beschäftigungszahlen im<br />

Ursprungs- <strong>und</strong> Zielland, <strong>und</strong> die Auswirkungen auf die Produktivität im Ursprungsland. Wir werden die<br />

entsprechenden Untersuchungen hier kurz zusammenfassen.<br />

Auswirkungen von <strong>Betriebsverlagerungen</strong> auf die Beschäftigungslage<br />

44 Falk <strong>und</strong> Wolfmayr (2005) untersuchen anhand von Produktionsdaten von sieben EU-Mitgliedstaaten<br />

für den Zeitraum 1995-2000 die Auswirkungen von internationalem Outsourcing auf die<br />

Beschäftigung. In der Studie werden Gleichungen zur Arbeitskräftenachfrage aufgestellt, aus denen<br />

ersichtlich ist, dass sich Einfuhren aus Niedriglohnländern statistisch beträchtlich auf die Beschäftigung<br />

auswirken, Einfuhren aus anderen Industrieländern dagegen nicht. Den Berechnungen zufolge<br />

haben allein die in der EU im Zeitraum 1995-2000 beobachteten Veränderungen im Outsourcing zu<br />

einem Beschäftigungsrückgang von 0,26% p.a. geführt.<br />

45 Strauss-Kahn (2003) zeigt anhand eines Modells auf, inwieweit die vertikale Spezialisierung (der<br />

Anteil der importierten Zwischengüter bei der Herstellung eines Produkts als grobes Maß für<br />

Outsourcing) den Anteil der ungelernten Arbeiter in der Industrie beeinflusst. Zugr<strong>und</strong>egelegt werden<br />

gewerbliche Daten von 14 französischen Fertigungsbranchen aus den Zeiträumen 1977-1985 <strong>und</strong><br />

1985-1993. In diesen beiden Zeiträumen sank der Anteil ungelernter Arbeiter an der Gesamtzahl der<br />

Beschäftigten um 0,49 bzw. 0,44% p.a., während der Grad der vertikalen Spezialisierung um 0,0094<br />

bzw. 0,185% p.a. stieg. Strauss-Kahn gelangt zu dem Schluss, dass 11-15% bzw. 25% des Rückgangs<br />

des Anteils ungelernter Arbeiter an der Gesamtzahl der Beschäftigten in den französischen<br />

Fertigungsbranchen in den Bezugszeiträumen auf die Zuname der vertikalen Spezialisierung<br />

zurückzuführen ist.<br />

46 Egger <strong>und</strong> Egger (2000) untersuchen ein Panel von 20 österreichischen Branchen hinsichtlich der<br />

Arbeitsmarkteffekte des Outsourcing nach Osteuropa <strong>und</strong> in die ehemalige Sowjetunion im Zeitraum<br />

1990-1998. Der Untersuchung zufolge verursacht ein 1%iger Anstieg des Outsourcing in diese Länder<br />

(in Bezug auf die Bruttoproduktion) eine 0,1%ige Verschiebung der Beschäftigungsstruktur<br />

zugunsten der hoch qualifizierten Arbeitskräfte. Nach Meinung der Autoren erklärt diese<br />

Outsourcingentwicklung etwa ein Viertel der relativen Veränderung der Beschäftigungsstruktur<br />

zugunsten der hoch qualifizierten Arbeitskräfte in den Produktionssektoren im Bezugszeitraum.<br />

47 In ihrem "Beschäftigungsausblick 2005" (OECD Employment Outlook 2005) analysiert die<br />

OECD die durch handelsbedingte Entwicklungen verursachten Anpassungskosten auf den<br />

Arbeitsmärkten in den OECD-Ländern. Bezüglich der Auswirkungen des internationalen Handels auf<br />

die Arbeitsmärkte gelangt sie im wesentlichen zu folgenden Schlüssen:


- 70 -<br />

a) Die Handels- <strong>und</strong> Investitionsliberalisierung hat langfristig vor allem zu einer Anhebung der<br />

Durchschnittseinkommen sowie zu Verschiebungen innerhalb der Branchen- <strong>und</strong> Berufsstruktur<br />

der Beschäftigung geführt. Dem Bericht zufolge kann weder theoretisch noch praktisch belegt<br />

werden, dass die Ausweitung des internationalen Handels negative Auswirkungen auf die<br />

Gesamtbeschäftigung hat, doch gilt es als wahrscheinlich, dass die Zunahme des Handels mit<br />

Niedriglohnländern in vielen OECD-Ländern das Einkommensgefälle verschärft hat.<br />

b) Die Ausweitung des internationalen Wettbewerbs wird mit der Zunahme der Arbeitsplatzverlagerungen<br />

in Zusammenhang gebracht, doch wird darauf hingewiesen, dass der Handel nur<br />

eine von vielen Ursachen für Arbeitsmarktfluktuationen <strong>und</strong> Umstrukturierungen ist.<br />

c) Die Anpassungskosten scheinen im Fall von handelsbedingt freigesetzten Arbeitskräften im<br />

Vergleich zu anderen Arbeitskräften, die ihren Arbeitsplatz verlieren, höher auszufallen, denn sie<br />

brauchen mehr Zeit zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt <strong>und</strong> müssen dabei größere<br />

Einkommenseinbußen hinnehmen.<br />

48 Amiti <strong>und</strong> Wei (2005) untersuchen, ob internationales Outsourcing im Dienstleistungsbereich zu<br />

Beschäftigungsverlusten im Vereinigten Königreich geführt hat. Ausgehend von den Daten von<br />

69 Fertigungsbranchen <strong>und</strong> 9 Dienstleistungsindustriezweigen für den Zeitraum 1995-2001 stellen die<br />

Autoren fest, dass Outsourcing keine negativen Auswirkungen auf die Beschäftigung in der verarbeitenden<br />

Industrie auf Branchenebene hat. Für die Dienstleistungsindustrie gelangen sie zu dem gleichen<br />

Ergebnis. Es ist daher anzunehmen, dass diejenigen Arbeitskräfte, die ihren Arbeitsplatz infolge<br />

von Outsourcing verlieren, in der gleichen Branche einen neuen Arbeitsplatz finden. Die Autoren<br />

stellen ferner fest, dass das Beschäftigungswachstum auf Branchenebene durch Outsourcing nicht<br />

negativ beeinflusst wird.<br />

49 Geishecker (2005) untersucht den Einfluss des internationalen Outsourcing nach Mittel- <strong>und</strong> Osteuropa<br />

auf die relative Nachfrage nach weniger qualifizierten Arbeitern in Deutschland anhand der<br />

Daten eines Panels von 20 Branchen der verarbeitenden Industrie aus dem Zeitraum 1991-2000.<br />

Mithilfe von Handelsdaten <strong>und</strong> Input-Output-Daten werden internationales Outsourcing <strong>und</strong> der<br />

Handel mit Endprodukten klar dargestellt <strong>und</strong> die Outsourcingfolgen in verschiedenen internationalen<br />

Regionen verdeutlicht. Ausgehend von einer engen Begriffsdefinition von Outsourcing <strong>und</strong> unter<br />

Ausschluss anderer Faktoren stellt Geishecker fest, dass internationales Outsourcing nach Mittel- <strong>und</strong><br />

Osteuropa zwischen 1991 <strong>und</strong> 2000 eine 2,7%ige Senkung des Anteils der weniger qualifizierten<br />

Arbeiter an der Lohnsumme bewirkte, was 57% des Gesamtrückgangs des Anteils der weniger<br />

qualifizierten Arbeiter an der Lohnsumme in diesem Zeitraum entspricht.<br />

50 Gestützt auf Rowthorn <strong>und</strong> Ramaswamy (1998) entwickelt Boulhol (2003) ein Modell, dem<br />

zufolge <strong>Betriebsverlagerungen</strong> eng mit Produktivitätsgewinnen verknüpft sind. Die Studie stützt sich<br />

auf Daten von 16 OECD-Ländern aus der Zeit von 1970 bis 2002 <strong>und</strong> untermauert die seinerzeitigen<br />

Ergebnisse von Rowthorn <strong>und</strong> Ramaswamy (1998), dass Deindustrialisierung in erster Linie die<br />

logische Folge von Produktivitätsgewinnen in der Industrie ist. Den angestellten Berechnungen zufolge<br />

gehen auf das Konto der Handelsliberalisierung höchsten 15% des festgestellten<br />

Deindustrialisierungsausmaßes. Ursache dafür ist die Zunahme der Importe aus dem Süden (ärmere


- 71 -<br />

Länder), wobei ein Anstieg der Importe aus dem Süden in Höhe von 1% des BIP schätzungsweise<br />

einen relativen Beschäftigungsrückgang von 2,8% bewirkt.<br />

Auswirkungen von <strong>Betriebsverlagerungen</strong> auf die Produktivität<br />

51 Girma <strong>und</strong> Görg (2004) untersuchen, wie schon erwähnt, anhand von Daten britischer<br />

Unternehmen die Auswirkungen von Outsourcing (sowohl Offshore-Outsourcing als auch<br />

Outsourcing an heimische Produzenten) auf heimische <strong>und</strong> in ausländischem Besitz befindliche<br />

Unternehmen. Der Studie zufolge führt Outsourcing zu einem Anstieg von sowohl der<br />

Arbeitsproduktivität als auch der totalen Faktorproduktivität (TFP), wobei dieser Anstieg in<br />

Unternehmen, die in ausländischem Besitz sind, deutlicher ist.<br />

52 In einer Folgestudie mit vergleichbaren Ergebnissen untersuchen Görg et al. (2005) die<br />

Produktivitätseffekte von internationalem Outsourcing anhand von Daten irischer Verarbeitungsbetriebe,<br />

die dem Irish Economy Expenditure Survey von 1990 bis 1998 entnommen sind. Aus einer<br />

ökonometrischen Analyse wird ersichtlich, dass Ausfuhrunternehmen, die die Produktion von<br />

Zwischenerzeugnissen ins Ausland verlagern, Produktivitätsgewinne erzielen: Eine Zunahme der<br />

Outsourcingintensität von 1% bewirkt auf der betrieblichen Ebene eine Produktivitätssteigerung von<br />

1,7% bei ausländischen multinationalen Unternehmen <strong>und</strong> 0,9% bei heimischen Unternehmen. Gr<strong>und</strong><br />

für das bessere Abschneiden der multinationalen Unternehmen könnte der Studie zufolge ihre bessere<br />

Kenntnis der internationalen Produktionsnetze <strong>und</strong> der Möglichkeiten für die Beschaffung von<br />

Zwischenerzeugnissen zu wettbewerbsfähigen Preisen sein.<br />

Zusammenfassung: Ergebnisse hinsichtlich der Auswirkungen von <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

53 Die Studien, in denen die Auswirkungen von <strong>Betriebsverlagerungen</strong> untersucht werden, stützen<br />

sich auf verschiedene Daten von unterschiedlichen Branchen aus verschiedenen Ländern <strong>und</strong> Zeiträumen.<br />

So dürfte es kaum als Überraschung kommen, dass es keine einheitliche Meinung über die<br />

Auswirkungen von <strong>Betriebsverlagerungen</strong> auf die Beschäftigung im Allgemeinen gibt. Einige<br />

Autoren sehen einen Zusammenhang zwischen <strong>Betriebsverlagerungen</strong> <strong>und</strong> einem Rückgang der<br />

Beschäftigung, während eine andere Gruppe die Auffassung vertritt, dass <strong>Betriebsverlagerungen</strong> sich<br />

nicht auf die Beschäftigtenzahlen, sondern auf die berufliche Struktur der Beschäftigung auswirken.<br />

In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass mehrere Studien zu dem Ergebnis gelangen, dass<br />

<strong>Betriebsverlagerungen</strong> zu einer Verschiebung der Beschäftigungsstruktur zugunsten höher<br />

qualifizierter Arbeit führen. Die Studien lassen auch den Schluss zu, dass <strong>Betriebsverlagerungen</strong> das<br />

Einkommensgefälle im Herkunftsland verschärfen.<br />

Relativ überraschend ist jedoch die übereinstimmende Meinung hinsichtlich der positiven Auswirkungen<br />

von <strong>Betriebsverlagerungen</strong> auf die Produktivität im Herkunftsland.


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- 75 -<br />

AFFICHE CONFERENCE


- 77 -<br />

2 8 . J u n i 2 0 0 6<br />

13.30 ANMELDUNG<br />

14.30 ERÖFFNUNGSANSPRACHEN<br />

Redner 1: Herr BRIESCH - Vizepräsident des Europäischen Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialausschusses<br />

(EWSA)<br />

Redner 2: Herr KOOPMAN - Direktor der Generaldirektion Unternehmen <strong>und</strong> Industrie,<br />

Europäische Kommission<br />

15.00 REDE - Was ein ehrgeiziges <strong>und</strong> geeintes Europa erreichen könnte<br />

15.30 DEBATTE<br />

16.00 Kaffeepause<br />

von Herrn DEFRAIGNE - Direktor des Französischen Instituts für internationale<br />

Beziehungen (EUR-IFRI), Brüssel<br />

16.15 SITZUNG 1 Standortverlagerung: Begriffsbestimmung <strong>und</strong> Bestandsaufnahme<br />

Standortverlagerung als Symptom des industriellen Wandels auf dem Weltmarkt<br />

Standortverlagerung <strong>und</strong> Deindustrialisierung - ein Vergleich<br />

Phänomenologie <strong>und</strong> Terminologie der Standortverlagerung<br />

Vorhersage von Standortverlagerungen: geeignete Instrumente <strong>und</strong> Indikatoren<br />

Haupttendenzen (geografische, sektorspezifische usw.)<br />

Vorsitz: Herr RODRÍGUEZ GARCÍA-CARO - Mitglied des EWSA, Leiter der Delegation<br />

des spanischen Dachverbands der Arbeitgeberverbände (CEOE) bei der EU<br />

Redner: Herr FERNANDES - Gründungsmitglied des Beratungsunternehmens Reckon LLP,<br />

London<br />

Herr KARPPINEN - Direktor der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der<br />

Lebens- <strong>und</strong> Arbeitsbedingungen (EUROFOUND), Dublin<br />

Herr LAROSE - Mitglied des französischen Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialrates, Mitglied der<br />

Gruppe des Allgemeinen Gewerkschaftsb<strong>und</strong>s (CGT)<br />

Herr LEBRUN - Vertreter der Europäischen Kommission, GD Beschäftigung,<br />

soziale Angelegenheiten <strong>und</strong> <strong>Chancen</strong>gleichheit<br />

Frau MARIN - Professorin an der Universität München<br />

17.30 DEBATTE ÜBER DIE IN DER SITZUNG 1 AUFGEWORFENEN FRAGEN<br />

18.15 ENDE DER SITZUNG 1<br />

18.30 EMPFANG


- 78 -<br />

2 9 . J u n i 2 0 0 6<br />

9.00 SITZUNG 2 Verlagern oder nicht verlagern? (Ex-ante-Analyse)<br />

Faktoren der Standortwahl<br />

Triebfedern der Standortverlagerung<br />

Argumente gegen die Standortverlagerung<br />

Folgen für die Gesellschaften, Regionen <strong>und</strong> Menschen<br />

Vorsitz: Herr ZÖHRER - Mitglied des EWSA, Internationaler Sekretär der österreichischen<br />

Gewerkschaft Metall, Bergbau, Energie (GMBE)<br />

Redner: Herr ALTOMONTE - Professor an der Universität Bocconi, Mailand<br />

Herr HOLMQVIST - Generaldirektor des Europäischen Verbands der Automobilzulieferer<br />

(CLEPA)<br />

Herr MARTENS - Generaldirektor des Europäischen Politikzentrums (EPC)<br />

Herr ROOME - Professor an der Wirtschaftshochschule Solvay, Freie Universität<br />

ULB, Brüssel<br />

Herr TOTH - Mitglied des EWSA, Vizepräsident des ungarischen Verbands der<br />

Industrieparks (IPE)<br />

10.15 DEBATTE ÜBER DIE IN DER SITZUNG 2 AUFGEWORFENEN FRAGEN<br />

11.00 SITZUNG 3 Standortverlagerung - ein zweischneidiges Schwert (Ex-post-<br />

Analyse)<br />

Auswirkungen auf die Herkunftsregion<br />

Auswirkungen auf die Zielregion<br />

"Sek<strong>und</strong>äre" Standortverlagerung<br />

Makroökonomische Aspekte<br />

Vorsitz: Herr NUSSER - Delegierter der BKIW, Generaldirektor des B<strong>und</strong>esverbands<br />

Deutscher Stahlhandel (BDS)<br />

Redner: Herr BERGE-KLEBER - Vizepräsident der schwedischen Vereinigung für die<br />

lokale Entwicklung <strong>und</strong> Sozialwirtschaft (L&SEK)<br />

Herr GALGÓCZI - Leitender Wissenschaftler, Europäisches Gewerkschaftsinstitut<br />

(ETUI-REHS)<br />

Herr SHESHABALAYA - Unternehmensberater, Gründer von India Advisory<br />

Herr VAN ASSCHE - Berater für soziale Angelegenheiten, Europäische Union des<br />

Handwerks <strong>und</strong> der Klein- <strong>und</strong> Mittelbetriebe (UEAPME/UNIZO)<br />

12.15 DEBATTE ÜBER DIE IN DER SITZUNG 3 AUFGEWORFENEN FRAGEN<br />

13.00-14.30 Zeit zur freien Verfügung


- 79 -<br />

2 9 . J u n i 2 0 0 6<br />

14.30 SITZUNG 4 Umgang mit Standortverlagerungen<br />

Rolle der Sozialpartner <strong>und</strong> der anderen betroffenen Akteure<br />

Rolle der Behörden<br />

Politische Optionen<br />

Die BKIW: Antizipation <strong>und</strong> Management des industriellen Wandels<br />

Vorsitz: Herr VAN IERSEL - Mitglied des EWSA, ehemaliger Präsident der Handelskammer<br />

von Den Haag <strong>und</strong> ehemaliges Mitglied des niederländischen Parlaments<br />

Redner: Herr DE BUCK - Generalsekretär der Union der Industrie- <strong>und</strong> Arbeitgeberverbände<br />

in Europa (UNICE)<br />

Herr DE BUCQUOIS - Vizepräsident des Europäischen Komitees für Vereine <strong>und</strong><br />

freie Verbände (CEDAG)<br />

Herr DIJKSMA - Vorsitzender der Fachkommission ECOS, Ausschuss der Regionen<br />

Herr HERZOG - Präsident von Confrontations Europe<br />

Herr MONKS - Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsb<strong>und</strong>s<br />

16.00 DEBATTE ÜBER DIE IN DER SITZUNG 4 AUFGEWORFENEN FRAGEN<br />

17.00 SCHLUSSFOLGERUNGEN:<br />

Frau VEUGELERS - Wirtschaftsberaterin, BEPA/Kommission, Katholische Universität<br />

Löwen<br />

17.15 SCHLUSSANSPRACHE<br />

Herr PIETTE - Vorsitzender der BKIW<br />

17.30 ENDE DER KONFERENZ<br />

<br />

ORT: Europäischer Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialausschuss, Rue Belliard 99, 1040 Brüssel, Belgien<br />

UNTERLAGEN: erhältlich auf Englisch <strong>und</strong> Französisch<br />

VERDOLMETSCHUNG:<br />

DE-FR-EN-IT-NL-DA-EL-ES-PT-FI-SV-CS-HU-PL-SK in DE-FR-EN-IT-NL-ES-PT-CS-HU-PL<br />

PORTAL DER BKIW:<br />

http://eesc.europa.eu/sections/ccmi/events/index_en.asp?id=1470ccmien (EN)<br />

http://eesc.europa.eu/sections/ccmi/events/index_fr.asp?id=1470ccmifr (FR)


- 83 -<br />

B E R I C H T Ü B E R D I E<br />

K O N F E R E N Z<br />

"BETRIEBSVERLAGERUNGEN -<br />

HERAUSFORDERUNGEN UND<br />

CHANCEN"<br />

2 8 . / 2 9 . J U N I 2 0 0 6<br />

Die am 28./29. Juni von der Beratenden Kommission für den industriellen Wandel<br />

einberufene Konferenz "<strong>Betriebsverlagerungen</strong> - <strong>Herausforderungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Chancen</strong>"<br />

hat in überzeugender Weise gezeigt, dass die Notwendigkeit einer umfassenden<br />

Debatte zu diesem sensiblen <strong>und</strong> kontroversen Thema nach wie vor gegeben ist. Das<br />

Forum hochrangiger Redner vertrat sehr unterschiedliche Meinungen zu wichtigen<br />

Aspekten der <strong>Betriebsverlagerungen</strong> wie etwa zu dem Gefahrenpotenzial, dem<br />

Umfang <strong>und</strong> der Legitimation dieses Prozesses <strong>und</strong> den dahinter stehenden<br />

Beweggründen. Den attraktiven Möglichkeiten, die <strong>Betriebsverlagerungen</strong> bieten,<br />

wurden immer wieder unverblümt die durch diesen Prozess entstehenden Probleme<br />

gegenübergestellt. Während der gesamten eineinhalbtägigen Debatte wurde immer<br />

wieder nach den Antworten gefragt, die Europa geben sollte.<br />

Doch auch wenn die Meinungen sehr auseinander gingen, war die Konferenz nicht<br />

nur eine bloße Demonstration gegensätzlicher <strong>und</strong> unbeeinflussbarer Ansichten. Und<br />

obgleich keine einstimmig akzeptierten Antworten erzielt wurden, zeigten die<br />

ausgelösten Diskussionen, dass die Konferenz die richtigen Themen auf die<br />

Tagesordnung gesetzt hatte, indem sie das Ziel verfolgte, den gegenwärtigen Stand<br />

der <strong>Betriebsverlagerungen</strong>, die bestimmenden Faktoren <strong>und</strong> Auswirkungen dieses<br />

Prozesses sowie die politischen Optionen für dessen Bewältigung besser zu verstehen.


- 84 -<br />

E I N O R D N U N G D E R<br />

B E T R I E B S V E R L A G E R U N G E N<br />

Von Beginn an war offensichtlich, dass die Definition des Begriffs "<strong>Betriebsverlagerungen</strong>" <strong>und</strong> das<br />

vorhandene einschlägige Datenmaterial nach wie vor sehr lückenhaft sind. Roger Briesch,<br />

Vizepräsident des Europäischen Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialausschusses (EWSA), räumte in seiner<br />

Eröffnungsansprache ein, dass das Thema trotz seiner Bedeutung mit Missverständnissen,<br />

Meinungsverschiedenheiten <strong>und</strong> Unklarheiten behaftet sei. Es gebe weder eine allgemein akzeptierte<br />

Definition dieser Erscheinung noch eine eindeutige <strong>und</strong> allgemein abgestimmte Messgröße für ihren<br />

Umfang <strong>und</strong> ihre Auswirkungen. Für eine angemessene Politikgestaltung müsse mehr Klarheit<br />

geschaffen werden.<br />

Gert-Jan Koopman, Direktor in der GD Unternehmen der Europäischen Kommission, <strong>und</strong><br />

Gustav Zöhrer, Mitglied des Europäischen Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialausschusses, bestätigten, es gebe<br />

bislang noch keinen maßgeblichen Datensatz <strong>und</strong> keine hieb- <strong>und</strong> stichfesten Statistiken.<br />

Pedro Fernandes von der Beratungsfirma Reckon LLP berichtete, dass seine jüngste Studie zu diesem<br />

Thema im Auftrag der Beratenden Kommission für den industriellen Wandel des ESWA lediglich in<br />

den Branchen Textilien, Leder, Bekleidung <strong>und</strong> Schuhe (sowie mit einigen unterschiedlichen<br />

Angaben in der Branche Elektromechanik) <strong>Betriebsverlagerungen</strong> auf EU-Ebene nachgewiesen habe.<br />

Er schlussfolgerte, dass zwar einige Daten zum Wesen <strong>und</strong> zur Auswirkung von<br />

<strong>Betriebsverlagerungen</strong> vorlägen, jedoch keine Daten zur unmittelbaren Einschätzung des Phänomens.<br />

…nur 27.000 Arbeitsstellen im letzten Jahr?...<br />

Gert-Jan Koopman <strong>und</strong> Jorma Karppinen, Direktor der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der<br />

Lebens- <strong>und</strong> Arbeitsbedingungen, waren sich mit anderen Rednern in der Einschätzung einig,<br />

<strong>Betriebsverlagerungen</strong> hätten nur zu einem kleinen Teil zu den jährlichen Nettoarbeitsplatzverlusten<br />

in der EU beigetragen <strong>und</strong> hätten in diesem Jahr bis zum Juni 2006 wahrscheinlich nur 5% der<br />

Arbeitsplätze (d.h. 27.000 Stellen) gekostet.<br />

Während es an konkreten Zahlen fehlte, mangelt es indes nicht an konkurrierenden Theorien. Die<br />

Behauptung von Lars Holmqvist, Vertreter des Verbands der europäischen Automobilzulieferer, ein<br />

polnisches Automobilwerk biete gegenüber einem identischen Werk in Schweden einen klaren<br />

Kostenvorteil, stellte Hans Martens, European Policy Centre (Europäisches Politikzentrum), in Frage,<br />

der unterstellte, dass der Vergleich wesentliche Daten über die relative Produktivität nicht<br />

berücksichtige. Sich auf die OECD stützende Behauptungen, es bestünden Hindernisse für<br />

Unternehmensgründungen in Osteuropa, wurden von Dominica Ostrowska, Vertreterin der Stadt Lódź<br />

in Brüssel, angegriffen, die als Beweis des Gegenteils die Ansiedlung von Unternehmen wie Siemens<br />

<strong>und</strong> Philips um Poznan (Posen) anführte.


… ein komplexes Phänomen …<br />

- 85 -<br />

Immer wieder wurde verdeutlicht, wie komplex das Phänomen Betriebsverlagerung ist. Professor<br />

Carlo Altomonte von der italienischen Universität Bocconi beschrieb die Arbeitsteilung bei der<br />

Herstellung einer elektrischen Zahnbürste, die sich auf drei Kontinente <strong>und</strong> ein Dutzend Länder<br />

erstrecke. Ashutosh Sheshabalaya von India-Advisory führte sogar noch weitere Variationen zu<br />

diesem Thema an. Er verwies nicht nur auf den Konzern General Electric, der in Bangalore mehr<br />

promovierte Akademiker als in seinem US-Forschungszentrum beschäftige, sondern auch auf indische<br />

Arzneimittelfirmen, die ihre Softwareentwicklung in die USA auslagerten, oder auf die Bankengruppe<br />

ABN-Amro, die die hochqualifizierte Arbeit nach Indien <strong>und</strong> lediglich die weniger qualifizierten<br />

Tätigkeiten (Back-Office) in die USA auslagere.<br />

Die Gefahr der Unklarheit über <strong>Betriebsverlagerungen</strong>, in manchen Wörterbüchern auch als<br />

"Standortverlagerung" (delocalisation) bezeichnet, erhöht sich durch einige Überschneidungen in der<br />

verwendeten Terminologie. Laut Prof. Dalia Marin von der Universität München wird das, was<br />

jüngstens als Outsourcing nach Osteuropa galt, nunmehr als Betriebsverlagerung bezeichnet. In den<br />

nachfolgenden Wortmeldungen war man bemüht, die <strong>Betriebsverlagerungen</strong> in dem breiteren Kontext<br />

von Offshoring, Outsourcing, Umstrukturierung <strong>und</strong> Globalisierung genau zu verorten, wobei jedoch<br />

keine vollkommene Übereinstimmung erzielt wurde.<br />

Sogar die Definition in der Stellungnahme des EWSA vom Juli 2005 1 ("Verlagerung ist die völlige<br />

oder teilweise Einstellung einer Tätigkeit <strong>und</strong> ihre Wiederaufnahme im Ausland im Rahmen einer<br />

Direktinvestition.") erwies sich als offen für mehrere Interpretationen des Begriffs "im Ausland". Es<br />

besteht eine ständige Unsicherheit darüber, ob die Diskussion allein auf <strong>Betriebsverlagerungen</strong> von<br />

der EU der 15 oder der EU der 25 aus <strong>und</strong> auf <strong>Betriebsverlagerungen</strong> nur in die neuen Mitgliedstaaten<br />

oder in Drittländer ausgerichtet werden soll.<br />

Philippe De Buck vom europäischen Arbeitgeberverband UNICE verwies auf das vielgestaltige<br />

Potenzial von <strong>Betriebsverlagerungen</strong>, indem er die sogar innerhalb einzelner Regionen unterschiedlichen<br />

Reaktionen ansprach, die bisweilen in regelrechten Kämpfen zwischen den Gemeinden<br />

um die Verlagerung ansässiger Unternehmen gipfelten.<br />

… der weitere Zusammenhang …<br />

In seinem Vortrag beleuchtete Pierre Defraigne vom Institut Français des Relations Internationales<br />

(Eur-IFRI) das Thema <strong>Betriebsverlagerungen</strong> im weitesten Kontext. Er wies darauf hin dass die<br />

Globalisierung - bestenfalls - gr<strong>und</strong>legend neue Perspektiven für die Weltordnung mit sich bringen<br />

könne. Sie biete noch nie dagewesene Aussichten auf eine Steigerung von Produktivität, Wohlstand<br />

<strong>und</strong> Innovation sowie für die Integration des Südens <strong>und</strong> die Bewältigung der Umweltprobleme auf<br />

globaler Ebene. Damit dies eintrete, müsse die EU jedoch lernen, das Geschehen in diesem Prozess zu<br />

bestimmen. Sie müsse in Zukunft auch in der Lage sein, auf internationaler Ebene starken Druck<br />

auszuüben, um Verwerfungen im sozialen Gefüge abzuwenden <strong>und</strong> eine gerechtere Aufteilung des<br />

erzeugten Wohlstands zu sichern.<br />

1 CCMI/014 - CESE 851/2005 : "Ausmaß <strong>und</strong> Auswirkungen von <strong>Betriebsverlagerungen</strong>"


- 86 -<br />

Andere, parallel verlaufende Entwicklungen schüfen weitere Unklarheiten <strong>und</strong> erforderten eher<br />

nuancierte als einfache Antworten. Jürgen Nusser (CCMI) ging zum Beispiel darauf ein, dass die<br />

deutsche Stahlindustrie dieselbe Produktionsleistung wie vor zehn Jahren verzeichne, jedoch lediglich<br />

ein Fünftel der früheren Arbeitskräfte beschäftige. Dies sei nicht auf <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

zurückzuführen, sondern einfach eine Auswirkung des technologischen Fortschritts, auch wenn sie<br />

genauso verheerende Folgen für die Arbeitsplätze habe. Roger Briesch traf mit großem Nachdruck<br />

eine ähnliche Feststellung: "Es ist unbestritten, dass Verlagerungen stattfinden <strong>und</strong> diese untrennbar<br />

mit anderen Aspekten des industriellen Wandels verb<strong>und</strong>en sind. Sie können nicht von anderen<br />

wirtschaftlichen Entwicklungen getrennt werden, insbesondere nicht von Entwicklungen hinsichtlich<br />

der Ressourcenverlegung, Rationalisierung, Unternehmensexpansion sowie des natürlichen Aufstiegs<br />

<strong>und</strong> Falls von Sektoren."<br />

UNTERSCHIEDLICHE MOTIVE<br />

Die Analysen der Beweggründe für <strong>Betriebsverlagerungen</strong> brachten Unterschiede zum Vorschein, die<br />

weitgehend den verschiedenen Standpunkten entsprechen, d.h. entweder den Ansichten der Verfechter<br />

der <strong>Betriebsverlagerungen</strong> oder der Leidtragenden dieses Prozesses.<br />

Vertreter der Wirtschaft behaupteten, die Impulse für <strong>Betriebsverlagerungen</strong> gingen in erster Linie<br />

von dem Bestreben aus, Vorteile von Veränderungen zu nutzen. So hob Jürgen Nusser in seiner Liste<br />

der Vorteile die Maximierung von <strong>Chancen</strong> industrieller Veränderungen (wie etwa Outsourcing zur<br />

Erhöhung der Optionen in verschiedenen Phasen oder für unterschiedliche Aspekte der Produktion)<br />

hervor. Die Liste berücksichtigte auch den Zugang zu neuen Märkten aufgr<strong>und</strong> der Entwicklung von<br />

Marktperspektiven, von Änderungen des wirtschaftlichen Umfelds (wie Investitionsanreize in den<br />

neuen Mitgliedsländern, Vorhandensein <strong>und</strong> Kosten von Immobilien oder Steuerunterschiede) oder<br />

neuer Bedingungen (z.B. Vorhandensein besser ausgebildeter oder billigerer Arbeitskräfte oder die<br />

Möglichkeit, wettbewerbsfähigere Rohstoffe oder Halbfertigprodukte zu erschließen).<br />

… die <strong>Chancen</strong> nutzen …<br />

Laut Philippe De Buck sind Unternehmen verpflichtet, die <strong>Chancen</strong> zu nutzen, die sich auf folgender<br />

Gr<strong>und</strong>lage ergeben können: unterschiedliche Kosten je nach Land oder Region (wie etwa Steuersätze<br />

<strong>und</strong> Lohnniveau), technologiebasierte Veränderungen (z.B. Verlagerung pharmazeutischer<br />

Unternehmen näher zu den Forschungszentren) oder durch demografische Veränderungen verursachte<br />

neue Verbrauchsmuster.<br />

Nach Meinung von Lars Holmqvist werden uns "Niedriglohnproduktion - <strong>und</strong> folglich Betriebsverlagerung<br />

- durch die schrittweise Senkung der Fahrzeugpreise aufgezwungen." Seine<br />

Rangordnung der Faktoren berücksichtigt jedoch auch die Qualifikation der Arbeitnehmer (die in<br />

Osteuropa oft viel leichter zur Verfügung stünden: Lieferanten spitzentechnologischer Fahrzeuge<br />

seien in Slowakien mit den hohen Standards, die sie bei der Herstellung ihrer Modelle der<br />

Spitzenklasse erreicht hätten, auf der sicheren Seite), gute Fachkenntnisse im Maschinenbau, flexible


- 87 -<br />

<strong>und</strong> motivierte Arbeitsmärkte, positive Arbeitseinstellung <strong>und</strong> die Nähe zu attraktiven<br />

Verkaufsmärkten mit Wachstumspotenzial sowie politische <strong>und</strong> wirtschaftliche Stabilität.<br />

... positive <strong>und</strong> negative Anreize …<br />

Hans Martens verwies auf das weite Spektrum der die <strong>Betriebsverlagerungen</strong> beeinflussenden<br />

Faktoren. Allein das Wirtschaftswachstum eines Landes mache es noch nicht für <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

dorthin attraktiv (wäre dies der Fall, so wären Äquatorialguinea oder der Tschad<br />

bevorzugte Ziele). Es hänge eher von komplexen Voraussetzungen ab, die mehr oder weniger in<br />

Einklang mit der Lissabon-Agenda der EU stünden, ob <strong>und</strong> in welche Richtung <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

interessant seien. Nach Meinung von EWSA-Mitglied José Isaías Rodríguez García-<br />

Caro ist die Suche nach ausgebildeten Arbeitskräften der hauptsächliche Beweggr<strong>und</strong>.<br />

Wirtschaftswissenschaftler <strong>und</strong> EU-Vertreter führten ähnliche Beweggründe an. Nach Ansicht von<br />

Gert-Jan Koopman sind <strong>Betriebsverlagerungen</strong> oder Outsourcing manchmal durch positive Anreize<br />

motiviert, wie etwa Umstrukturierungen, die die allgemeine Effizienz eines Unternehmens steigern,<br />

insbesondere bei der Auslagerung der Zwischenproduktion wie z.B. in der Automobilindustrie.<br />

Manchmal erfolgten Verlagerungen jedoch auch aufgr<strong>und</strong> negativer Anreize, wie etwa ungünstige<br />

Bedingungen für Unternehmen <strong>und</strong> Investitionen, starke Regulierung oder hohe soziale <strong>und</strong><br />

Umweltauflagen. Kern des Beitrags von Dalia Marin war, die tatsächliche Gefahr bestehe darin, dass<br />

hochqualifizierte Arbeitsplätze aufgr<strong>und</strong> eines höheren Bildungsniveaus nach Osteuropa verlagert<br />

würden. Es werde eher zu einem Kampf um Talente als zu einem Kampf zwischen den Unternehmen<br />

kommen.<br />

… die Werte nicht außer Acht lassen …<br />

Gewerkschaftsvertreter <strong>und</strong> andere Vertreter jener, die die Verlagerung ihrer Arbeitsstellen<br />

mitansehen müssten, verwiesen jedoch auf die Kehrseite der Medaille. Sie wehrten sich in der Regel<br />

gegen das klinisch distanzierte Herangehen <strong>und</strong> forderten, dass anstelle dessen auch Werturteile eine<br />

Rolle spielen sollten. Nach Meinung von Roger Briesch sind von den Motiven für<br />

<strong>Betriebsverlagerungen</strong> einige akzeptabler <strong>und</strong> berechtigter als andere. Einige Redner (darunter<br />

Pierre Defraigne) wiesen rein wirtschaftliche Argumente nachdrücklicher zurück <strong>und</strong> erklärten,<br />

<strong>Betriebsverlagerungen</strong> könnten auch mehr von dem Streben nach höherem Gewinn <strong>und</strong> niedrigeren<br />

Kosten als dem tugendhaften Kampf um des Fortbestehen eines Unternehmens gesteuert sein. Die<br />

übereinstimmende Botschaft lautete, dass ein Unternehmen, das eine Verlagerung seines Betriebs<br />

erwägt, das Pro <strong>und</strong> Kontra nicht nur von einem "egozentrischen" Standpunkt aus abwägen sollte,<br />

sondern auch unter dem Gesichtspunkt seiner sozialen Verantwortung, insbesondere angesichts<br />

dessen, was für die von der Verlagerung betroffenen Menschen <strong>und</strong> Regionen auf dem Spiel stehe.<br />

"Das Problem ist die ungerechte Umverteilung von Wohlstand", so Enrico Gibellieri (CCMI), <strong>und</strong><br />

nicht nur ein Redner betonte, <strong>Betriebsverlagerungen</strong> seien die Folge dessen, dass Unternehmen als<br />

Subventionsjäger aufträten, ohne Loyalität an den Tag zu legen <strong>und</strong> in dem ständigen Streben nach<br />

besseren Geschäften. "Die Realität der <strong>Betriebsverlagerungen</strong> ist für die Leidtragenden bitter", sagte<br />

EWSA-Mitglied Michel Nollet, der die Verlagerung des Renault-Werkes von Vilvoorde als Beispiel


- 88 -<br />

für das weit verbreitete Phänomen anführte, dass man sich in unangemessener Weise mehr auf<br />

Interessen der Aktionäre als auf die der Arbeitnehmer konzentriere.<br />

Ferner wurde zu einer größeren Betonung der ethischen Dimension aufgerufen. Der französische<br />

Gewerkschaftsvertreter Christian Larose schlug einen Mechanismus vor, der dazu beitragen könnte,<br />

die Wehrlosigkeit gegen Verlagerungsentscheidungen zu überwinden, die hinsichtlich der Löhne <strong>und</strong><br />

auch der Arbeitnehmerrechte bestehe. Es sei an der Zeit, die Verbraucher einzubeziehen <strong>und</strong> diesen<br />

die Bedingungen bewusst zu machen, unter denen Produkte hergestellt würden. Auf diese Art könnte<br />

man über das Kaufverhalten besser informierter Verbraucher Druck auf Unternehmen <strong>und</strong> Länder<br />

ausüben, damit diese einen aufgeschlosseneren, nicht nur auf die eigenen egozentrischen<br />

wirtschaftlichen Belange gerichteten Standpunkt einnähmen <strong>und</strong> hohe Sozial- <strong>und</strong> Umweltstandards<br />

einhielten. Gustav Zöhrer schlug vor, die Verpflichtungen der sozialen Verantwortung von<br />

Unternehmen zu verschärfen. Dies sei besonders wichtig als Reaktion auf die anhaltende Kinderarbeit<br />

<strong>und</strong> Zwangsarbeit in der Textilindustrie, durch die Verlagerungsentscheidungen auf einer verzerrten<br />

Gr<strong>und</strong>lage getroffen würden. Herr Holmqvist schloss sich dieser Ansicht an. Professor Nigel Roome<br />

(Institut für Betriebswissenschaft Solvay in Brüssel) räumte hinsichtlich der sozialen<br />

Verantwortlichkeit von Unternehmen ein, dass es noch nicht zu den Kernkompetenzen der meisten<br />

Unternehmen gehöre, sich mit den Betroffenen auseinander zu setzen.<br />

… Welche Rolle spielen Steuern? ...<br />

Hinsichtlich der Rolle der Besteuerung bei den Entscheidungen über <strong>Betriebsverlagerungen</strong> gingen<br />

die Meinungen stark auseinander. Roger Briesch, Gustav Zöhrer <strong>und</strong> weitere Gewerkschaftsvertreter<br />

vertraten den Standpunkt, dass die unterschiedliche Körperschaftsteuer zu Unrecht Entscheidungen<br />

über <strong>Betriebsverlagerungen</strong> beeinflusse, <strong>und</strong> sie sprachen sich nachdrücklich für die Harmonisierung<br />

der Körperschaftsteuer aus. Wirtschaftswissenschaftler waren hingegen der Ansicht, die Steuer<br />

beeinflusse die Unternehmen nur unwesentlich in ihrem Entschluss zur Betriebsverlagerung. (Dalia<br />

Marin verwies jedoch darauf, dass die Steuer sehr wohl Einfluss auf die Entscheidung zwischen<br />

Offshoring <strong>und</strong> Outsourcing habe). Nach Meinung von Lars Holmqvist <strong>und</strong> Hans Martens sind die<br />

Steuern jedoch ein nahezu irrelevanter Faktor bei <strong>Betriebsverlagerungen</strong>. Allerdings wichen sogar die<br />

Meinungen der Vertreter der Wirtschaft voneinander ab. Nach Ansicht von Jürgen Nusser macht die<br />

Steuer einen Unterschied aus - bei 15% in Lettland <strong>und</strong> 38% in Deutschland. Steueranwälten komme<br />

heutzutage eine entscheidende Bedeutung zu, wenn es darum gehe, Entscheidungen über ausländische<br />

Direktinvestitionen zu treffen.<br />

L E I D E N S C H A F T L I C H E D E B A T T E Ü B E R<br />

D I E A U S W I R K U N G E N<br />

Die Erregung schlug hohe Wellen in der Debatte über die Auswirkungen von <strong>Betriebsverlagerungen</strong>.<br />

Den einerseits vorgebrachten Argumenten des heldenhaften Überlebens von Unternehmen, der<br />

erhöhten Wettbewerbsfähigkeit, der verbesserten Entscheidungsfreiheit für Verbraucher <strong>und</strong><br />

Schaffung neuer Arbeitsstellen wurden andererseits Gegenargumente wie unterbezahlte Arbeitskräfte,<br />

Lohnwettbewerb, Sozialabbau <strong>und</strong> brutaler Stellenabbau entgegengehalten.


… das Gute …<br />

- 89 -<br />

Als positive Auswirkungen wurden angeführt: niedrigere Preise für Verbraucher, höhere Gewinne für<br />

Unternehmen, größere Impulse für aufstrebende Volkswirtschaften, Verbesserung der Fähigkeiten<br />

von Arbeitskräften, Umsetzung der Arbeitnehmer auf hochwertigere Arbeitsplätze, effizientere<br />

Ressourcennutzung <strong>und</strong> Schaffung neuer Arbeitsplätze als Ersatz für verlorene Stellen. Insgesamt<br />

führten Betriebsverlagerungne zu einer verbesserten Rentabilität, zu mehr Wachstum <strong>und</strong><br />

Arbeitsplätzen, erklärte Jean-François Lebrun, Leiter des Referats "Arbeitsbedingungen <strong>und</strong><br />

Anpassung an den Wandel" in der GD Beschäftigung der Europäischen Kommission. Lars Holmqvist<br />

sagte voraus, dass in diesem Jahr durch neue Kapazitäten in Osteuropa eine Millionen Fahrzeuge<br />

produziert würden. Eines der schlagkräftigsten Argumente zur Verteidigung von<br />

<strong>Betriebsverlagerungen</strong> brachte Enrique Calvet Chambon (CCMI) an: Sie seien eine positive Triebkraft<br />

sowohl in den Bestimmungsländern als auch in den Herkunftsländern, in denen man Energie <strong>und</strong><br />

Ressourcen zugunsten einer wirksameren Tätigkeit umverteilen könne.<br />

Die Untersuchungen Dalia Marins zu Österreich <strong>und</strong> Deutschland brachten sie zu dem Schluss, dass<br />

der Anteil der dort auf <strong>Betriebsverlagerungen</strong> zurückzuführenden Arbeitsplatzverluste unter 1% liege.<br />

Als Gr<strong>und</strong> gab sie an, dass qualifikationsintensive <strong>und</strong> forschungsabhängige Arbeitsstellen, die ins<br />

"neue Europa" verlegt würden, keine Konkurrenz für die Arbeitsplätze in Österreich <strong>und</strong> Deutschland<br />

darstellten. Die Folgen seien ihrer Ansicht nach vorteilhaft: Niedrige Löhne im neuen Europa hätten<br />

dazu beigetragen, dass Deutschland <strong>und</strong> Österreich wettbewerbsfähig bleiben, da sie dadurch die<br />

Kosten für einige Bereiche ihrer Wirtschaftstätigkeit niedrig halten konnten.<br />

… das Schlechte …<br />

Die negativen Auswirkungen von <strong>Betriebsverlagerungen</strong> wurden am deutlichsten in ihrer<br />

menschlichen Dimension wahrgenommen, <strong>und</strong> es wurden unzählige Beispiele für soziale Nöte in den<br />

betroffenen Regionen <strong>und</strong> Branchen angeführt. So verwies EWSA-Mitglied José Custódio Leirião auf<br />

das Schicksal der Arbeitenehmer des portugiesischen Automobilwerks, das nun aus Gründen der<br />

Kostenersparnis nach Spanien verlagert werde. Die meisten der 2 000 Leute sind über 45 <strong>und</strong> haben<br />

keine Chance auf eine andere Beschäftigung, beklagte er. Christian Larose bemerkte, dass in der<br />

Textilindustrie Frankreichs in den letzten zehn Jahren die Hälfte der Arbeitsplätze verloren gegangen<br />

sei, <strong>und</strong> auch wenn Wirtschaftswissenschaftler die Auswirkungen für unwesentlich hielten, werde dies<br />

von den Leidtragenden anders gesehen! Die Wirtschaft wurde außerdem beschuldigt,<br />

<strong>Betriebsverlagerungen</strong> als Umstrukturierung "zu verschleiern" <strong>und</strong> als Drohung zu missbrauchen. Die<br />

Firmen übten, so hieß es, ungerechtfertigten Druck auf die Arbeitnehmerrechte <strong>und</strong> das Lohnniveau<br />

aus (der Begriff Erpressung fiel nicht nur einmal) - in dem letztlich sinnlosen Bemühen, es durch<br />

Einsparungen bei den Sozialabgaben mit China aufzunehmen.<br />

… <strong>und</strong> das Bedrohliche …<br />

Sogar diejenigen, die sich generell für <strong>Betriebsverlagerungen</strong> aussprachen, nahmen die negativen<br />

wirtschaftlichen Auswirkungen wahr. So vertrat Lars Holmqvist die Ansicht, die Automobilherstellung<br />

in Westeuropa sei zunehmend bedroht <strong>und</strong> <strong>Betriebsverlagerungen</strong> seien eine Gefahr für


- 90 -<br />

unsere westliche Gesellschaft, zu deren Abwehr etwas unternommen werden müsse. Jürgen Nusser<br />

wies warnend darauf hin, dass die deutsche Fahrzeugindustrie nicht nur in Bewegung, sondern auf<br />

der Flucht sei. Außerdem bestehe, da Siemens seine Mobilfunksparte an eine asiatische Gesellschaft<br />

abgegeben habe, die Gefahr, dass in fünf Jahren in Deutschland niemand mehr wisse, wie man ein<br />

Mobiltelefon baue. Danny Van Assche, Vertreter der Europäischen Union des Handwerks <strong>und</strong> der<br />

Klein- <strong>und</strong> Mittelbetriebe (UEAPME), deutete an, die KMU seien die indirekten, weitgehend<br />

ignorierten Leidtragenden der <strong>Betriebsverlagerungen</strong> großer Unternehmen.<br />

… Komplexität der Auswirkungen …<br />

Die Auswirkungen von <strong>Betriebsverlagerungen</strong> sind so komplex wie die Beweggründe, aus denen sie<br />

erfolgen. Nach Aussagen von Danny Van Assche sind so viele Faktoren im Spiel, dass manche<br />

Regionen gleichzeitig als Gewinner <strong>und</strong> als Verlierer aus dem Verlagerungsprozess hervorgehen<br />

können <strong>und</strong>, wie andere Redner bemerkten, sogar in im Niedergang befindlichen Sektoren<br />

erfolgreiche Umstellungen erzielt worden sind. Philippe De Buck verband seine optimistischen<br />

Aussagen über die Vorzüge von <strong>Betriebsverlagerungen</strong> mit dem Eingeständnis, dass sich die<br />

einzelnen Volkswirtschaften unterschiedlich anpassten. Würden zum Beispiel Betriebe aus Dänemark<br />

nach Indien verlagert, so gewönnen die Unternehmen mehr zurück, als sie investiert hätten. In<br />

größeren <strong>und</strong> mehr auf den Inlandsmarkt konzentrierten europäischen Volkswirtschaften wie<br />

Frankreich <strong>und</strong> Deutschland seien die Unternehmen jedoch letztendlich eher Verlierer der<br />

<strong>Betriebsverlagerungen</strong>. Gert-Jan Koopman beschrieb ebenfalls unterschiedliche einzelstaatliche<br />

Reaktionen. Er nannte den vorteilhaften Wechsel von niedrigqualifizierten zu hochqualifizierten<br />

Tätigkeiten in Finnland, Ungarn oder Polen, während Frankreich, Deutschland oder Spanien an der<br />

Anpassung gescheitert seien, was sie wehrlos gegen Betriebsverlegungen gemacht habe.<br />

Carlo Altomonte erläuterte, dass die US-Wirtschaft von <strong>Betriebsverlagerungen</strong> ins Ausland profitiert<br />

habe, da der allgemeine Produktivitätszuwachs im Lande die anfänglichen Arbeitsplatzverluste wieder<br />

wettgemacht habe. Im Gegensatz dazu ziehe Europa weniger Nutzen aus den <strong>Betriebsverlagerungen</strong>,<br />

was größtenteils auf die Hindernisse durch die Starrheit <strong>und</strong> Unbeweglichkeit des Arbeitsmarktes<br />

zurückzuführen sei (Diese Ansicht wurde jedoch von Hans Martens angegriffen, der bemerkte, dass in<br />

Europa infolge von <strong>Betriebsverlagerungen</strong> mancherorts mehr Arbeitsplätze geschaffen als abgebaut<br />

worden seien).<br />

Dieses vielfältige Bild wurde von einem breiten Spektrum von Rednern weiter nuanciert. Die<br />

unterschiedlichen Auswirkungen von <strong>Betriebsverlagerungen</strong> wurden auf übersichtliche Weise<br />

veranschaulicht durch Jorma Karpinnens detaillierte Aufstellung der in Polen <strong>und</strong> Slowakien<br />

geschaffenen Arbeitsplätze, wo benachbarte Regionen große Unterschiede aufwiesen je nachdem, ob<br />

sie als Investitionsstandort für die Kraftfahrzeugindustrie attraktiv gewesen seien oder nicht. Gert-Jan<br />

Koopman unterstrich den großen potenziellen Nutzen von <strong>Betriebsverlagerungen</strong>, räumte jedoch<br />

gleichzeitig die Bedeutung der sozialen Dimension ein. Die kurzfristigen Opfer, die den Menschen<br />

abverlangt würden, seien oft auf bestimmte Berufssparten, Branchen <strong>und</strong> Regionen konzentriert,<br />

besonders bei den niedrigqualifizierten Arbeitnehmern.<br />

Aus der Sicht des Ausschusses der Regionen bestätigte Harry Dijksma, dass die Globalisierung der<br />

Wirtschaft neue Impulse verliehen habe. Er betonte jedoch, wie wichtig es sei, den Auswirkungen von<br />

Umstrukturierungen die notwendige Sensibilität entgegen zu bringen, <strong>und</strong> verwies auf die Bedeutung


- 91 -<br />

der Regionen bei den entsprechenden Begleitmaßnahmen. EWSA-Mitglied Viliam Páleník aus<br />

Slowakien führte an, dass <strong>Betriebsverlagerungen</strong> innerhalb der EU auf der West-Ost-Achse<br />

vorteilhaft seien, Probleme jedoch bei Verlagerungen von Norden nach Süden entstünden. Roger<br />

Briesch bekannte, dass <strong>Betriebsverlagerungen</strong> echte <strong>Chancen</strong> für die Reorganisation <strong>und</strong><br />

Verbesserung von Lieferketten sowie des Herstellungs- <strong>und</strong> Distributionsprozesses oder sogar für die<br />

Sicherung des Fortbestehens eines Unternehmens unter den Bedingungen des harten internationalen<br />

Wettbewerbs bringen könnten, jedoch unter der Voraussetzung, dass sie sich auf gerechtfertigte<br />

Motive stützen sowie vernünftig <strong>und</strong> verantwortungsvoll durchgeführt werden. Jürgen Nusser räumte<br />

trotz seiner Überzeugung von den "großen <strong>Chancen</strong>" der <strong>Betriebsverlagerungen</strong> ein, dass es sich um<br />

ein zweischneidiges Schwert handele.<br />

… "differenzierte Untersuchung erforderlich" …<br />

Bela Galgóczi (Europäisches Gewerkschaftsinstitut) bemerkte, dass eine ordentliche <strong>und</strong> differenzierte<br />

Untersuchung des Phänomens erforderlich sei, um dessen vielfältige Auswirkungen<br />

herauszufinden. Er erläuterte seine Besorgnis über das Entstehen einer Zwei-Klassen-Arbeitnehmerschaft.<br />

Sinkender Bedarf an niedrigqualifizierter Arbeit <strong>und</strong> steigende Arbeitslosigkeit<br />

aufgr<strong>und</strong> mangelnder Anpassungsfähigkeit drohten eine Teilung der Arbeitsmärkte herbeizuführen<br />

<strong>und</strong> den sozialen Zusammenhalt zu gefährden. Doch man dürfe - obwohl das Problem der<br />

<strong>Betriebsverlagerungen</strong> ernst zu nehmen sei - die Auswirkungen auf die Beschäftigung nicht<br />

übermäßig dramatisieren.<br />

P O L I T I S C H E O P T I O N E N E R K E N N E N<br />

Trotz der Besorgnisse, die die <strong>Betriebsverlagerungen</strong> wecken, wurde generell eingeräumt, dass diese<br />

unvermeidbar sind. Folglich konzentrierte man sich mehr auf die Bewältigung des Phänomens als auf<br />

den Versuch, es aufzuhalten.<br />

… eine unvermeidbare Realität …<br />

John Monks, Vertreter des Europäischen Gewerkschaftsb<strong>und</strong>es, räumte ein, dass <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

nichts Neues seien. Er erinnerte daran, dass es eines der Ziele des Gewerkschaftsb<strong>und</strong>es<br />

des Vereinigten Königreiches bei seiner Gründung 1868 gewesen sei, den Export von<br />

Arbeitsplätzen der Textilbranche aus dem Vereinigten Königreich nach Asien zu verhindern.<br />

"<strong>Betriebsverlagerungen</strong> sind unvermeidbar", erklärte Jean-François Lebrun unmissverständlich. "Wir<br />

können diesen Prozess nicht aufhalten", beteuerte Gert-Jan Koopman. “Versuche, diese zu verhindern<br />

oder zu regulieren, sind vergeblich”, räumte Danny Van Assche ein. Carlo Altomonte wies<br />

Bemühungen, <strong>Betriebsverlagerungen</strong> durch Vorschriften einschränken zu wollen, als <strong>und</strong>urchführbar<br />

<strong>und</strong> in jedem Fall "als rein defensive Strategie" zurück.


… Politische Antworten …<br />

- 92 -<br />

Der breite Konsens bestand darin, dass es notwendig sei, der Schaffung neuer Arbeitsplätze in Europa<br />

neuen Schwung zu verleihen. Nichtsdestoweniger gab es Unterschiede in der Schwerpunktsetzung,<br />

wie diese Aufgabe am besten erfüllt werden könnte.<br />

Gert-Jan Koopman empfahl eine Mischung aus Industriepolitik <strong>und</strong> flankierenden Maßnahmen zur<br />

Sicherung des Erfolgs für alle. <strong>Betriebsverlagerungen</strong> erforderten zielgerichtete Maßnahmen zur<br />

Senkung der Anpassungskosten sowie Aktionen zur Erleichterung der Ressourcenverlagerung. Ein<br />

breiter angelegter Strukturwandel der Wirtschaft erfordere jedoch eine Reihe politischer Maßnahmen<br />

zur Verbesserung der Rahmenbedingungen, <strong>und</strong> zwar in Übereinstimmung mit den<br />

industriepolitischen Empfehlungen der überarbeiteten Lissabon-Agenda. In ähnlicher Weise äußerte<br />

Jean-François Lebrun die Ansicht, die unmittelbar von <strong>Betriebsverlagerungen</strong> Betroffenen bräuchten<br />

Unterstützung aus dem Sozialversicherungssystem <strong>und</strong> kurzfristige Umschulungen; jede langfristige<br />

Lösung hänge jedoch von den Bildungsmaßnahmen <strong>und</strong> mehr strukturellem Wandel ab.<br />

In Schweden habe man erfolgreich abfedernde Begleitmaßnahmen durch lokale Aktionen angewendet,<br />

so berichtete Lars Berge-Kleber von L&SEK <strong>und</strong> erklärte: "Wenn der öffentliche Sektor die<br />

Sozialwirtschaft unterstützt, sind die Veränderungen im privaten Sektor einfacher zu bewältigen <strong>und</strong><br />

der soziale Schaden wird minimier." Gleichermaßen drängte Patrick De Bucquois, Vertreter des<br />

Europäisches Aktionskomitees freier Verbände (CEDAG), auf verstärkte Anerkennung<br />

sozialwirtschaftlicher Unternehmen auf europäischer Ebene, auch in den Diskussionen über die<br />

grenzüberschreitenden Dienstleistungen oder die soziale Verantwortung der Unternehmen.<br />

… konzertierte Maßnahmen der EU gegen Machtmissbrauch von Unternehmen …<br />

John Monks würde in den Reihen der Anteilseigner gern mehr die Interessen betroffener Akteure <strong>und</strong><br />

Arbeitnehmer vertreten sehen. Er wünsche außerdem, dass die EU die internationale Zusammenarbeit<br />

fördere, damit die Gefahr einer massiven Kapitalflucht verschreckter Investoren verringert werde.<br />

Ebenfalls sehe er gemeinsamen Handlungsbedarf der EU gegen Steueroasen <strong>und</strong> den wachsenden<br />

Einfluss der Finanzinstitute auf unternehmerische Entscheidungen: "Wenn die EU in der Lage ist, es<br />

mit Microsoft aufzunehmen, kann sie dies auch mit anderen großen Konzernen <strong>und</strong> diese daran<br />

erinnern, dass sie nicht nur gegenüber ihren Aktionären, sondern auch gegenüber anderen<br />

Verpflichtungen haben." Michel Nollet forderte eine Aufwertung der Europäischen Betriebsräte <strong>und</strong><br />

mehr Einsatz der EU diesbezüglich: "Zeigt die Übernahme von Arvelor durch Mittal, dass wir nur<br />

tatenlos zuschauen?", mahnt er.<br />

… Renaissance der Industriepolitik …<br />

Das jüngste verstärkte Engagement der EU für eine Industriepolitik stieß auf breite Unterstützung. Zu<br />

verzeichnen war eine weitgehend übereinstimmende Favorisierung der vorgeschlagenen klassischen<br />

Lösungen: erhöhte Innovation, Forschung <strong>und</strong> Wettbewerbsfähigkeit, verbesserte Bedingungen für<br />

Unternehmen, angemessene Arbeits- <strong>und</strong> Sozialpolitik, gezieltere Ausrichtung der Strukturfonds <strong>und</strong><br />

sogar begrenzte sektorspezifische Unterstützung (obwohl dies nach Gert-Jan Koopman nicht bedeutet,


- 93 -<br />

einigen Sektoren zu helfen <strong>und</strong> diese vor dem internationalen Wettbewerb zu schützen, sondern auf<br />

sektoraler Ebene die Faktoren zu ermitteln, die ihr Produktivitätswachstum behindern könnten).<br />

EWSA-Mitglied Edwin Calleja ergänzte seine Empfehlung, "mit der Logik der Erweiterung fortzufahren",<br />

um die Aufforderung, sich auf Bereiche zu konzentrieren, in denen die EU noch eine<br />

Führungsposition innehabe, wie etwa auf unternehmensbezogene Dienstleistungen. Viliam Páleník<br />

vertrat die Meinung, die Erweiterung könnte eine wirksamere Antwort der EU auf die Globalisierung<br />

geben, wenn die Freizügigkeit der Arbeitskräfte zugelassen werden müsse. EWSA-Mitglied János<br />

Tóth unterstrich die Bedeutung von Industrieparks als Instrumente zur Ermöglichung von Innovation.<br />

Am meisten beunruhigten die Worte von Dalia Marin, deren Ansichten deutlich von einigen<br />

allgemein anerkannten Meinungen abwichen. Sie wies darauf hin, dass Subventionierung von<br />

Forschung in Ländern mit einem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften nicht wirksam sei, da sie<br />

eher die Löhne hochtreibe als die Forschungsleistung erhöhe. Noch alarmierender war ihre Meinung<br />

über den Qualifikationsmangel im alten Europa: Der Export hochqualifizierter Arbeitsplätze aus<br />

Deutschland <strong>und</strong> Österreich nach Osteuropa zeige, dass auch qualifizierte Arbeitnehmer in der alten<br />

EU den Kürzeren zögen. Sie schlussfolgere, dass Innovationen in Osteuropa günstiger zu haben seien.<br />

Als Folge werde es weniger wirtschaftliche Anreize für die Ausbildung westlicher Arbeitnehmer<br />

geben, da man keine hochqualifizierten Arbeitsplätze für sie haben werde.<br />

… wachsendes Verständnis …<br />

Ferner wurden Maßnahmen, die ein besseres Verständnis des Phänomens <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

ermöglichen, von den meisten Teilnehmern befürwortet. So erwog Ashutosh Sheshabalaya, ob man in<br />

Europa nicht bewusst ein langsames Wachstum in Kauf nehme, damit andere Teile der Welt es<br />

einholen könnten. EWSA-Mitglied Joost van Iersel sah Europa "am Anfang eines sehr langen Wegs<br />

bei der Datenerhebung <strong>und</strong> -untersuchung". Philippe Herzog, Vorsitzender der Organistaion<br />

Confrontations Europe, forderte dringend Maßnahmen, die dazu beitrügen, dass den Menschen neben<br />

den Gefahren der Veränderungen auch die <strong>Chancen</strong> bewusst würden.<br />

In einem Aufruf für Gerechtigkeit, die in der Wirtschaft nicht außer Acht gelassen werden dürfe,<br />

argumentierte Pierre Defraigne, dass es mit der aktuellen wachstumsorientierten Binnenmarktpolitik<br />

nicht gelungen sei, einen wesentlichen Anstieg von Wohlstand <strong>und</strong> Beschäftigung anzukurbeln. Im<br />

Gegenteil: Die Kluft zwischen Arm <strong>und</strong> Reich vertiefe sich <strong>und</strong> das Vertrauen der Öffentlichkeit in<br />

die Veränderungen sei beeinträchtigt. Christian Larose betonte, wie wichtig es sei, dass die<br />

Unternehmen die Auswirkungen ihrer Entscheidungen besser verstünden, <strong>und</strong> sprach sich für<br />

"intelligente <strong>Betriebsverlagerungen</strong>" aus, die erst nach eingehenden Abwägungen gemeinsam mit<br />

allen Betroffenen durchgeführt würden.<br />

Im Gegensatz dazu warb José Isaías Rodríguez García-Caro für ein besseres Verständnis des Begriffs<br />

Wettbewerbsfähigkeit, der nicht nur negativ besetzt sei. Es gehe nicht darum, den Leuten ihre Jobs zu<br />

rauben oder Löhne zu kürzen, sondern vielmehr um eine Reaktion auf Veränderungen. Eine<br />

überproportionale Betonung der Auswirkungen von <strong>Betriebsverlagerungen</strong> auf die Arbeitskräfte<br />

könne schädlich sein, warnte er: "Man muss nicht nur den Arbeitnehmern, sondern auch den<br />

Investoren Vertrauen einflößen."


- 94 -<br />

Eine ähnliche Warnung sprach Enrique Calvet Chambon aus: Widerstand gegen <strong>Betriebsverlagerungen</strong><br />

bringe die Gefahr mit sich, die Grenzen zu verstärken, die Entwicklung des Binnenmarktes zu<br />

bremsen <strong>und</strong> Investitionen zu hemmen. <strong>Betriebsverlagerungen</strong> sollten nicht gestoppt werden, weil die<br />

erforderlichen abfedernden Mechanismen noch nicht ausreichend funktionieren. Die richtige Antwort<br />

sei vielmehr, mit den Verlagerungen fortzufahren <strong>und</strong> die Abfederungen zu verbessern. Viliam<br />

Páleník verwies auf die Notwendigkeit einer genaueren Erläuterung der - oft unmittelbar eintretenden<br />

- negativen Aspekte von <strong>Betriebsverlagerungen</strong>; so könnten diese besser als Auftakt für positive<br />

Auswirkungen wahrgenommen werden.<br />

… Bitte mehr Dialog …<br />

Von allen Seiten wurde das Konzept eines engeren Dialogs unterstützt. "Das optimale Verhältnis zu<br />

finden, wird für den Erhalt der Werte unserer Gesellschaft entscheidend sein", so Gert-Jan<br />

Koopman. José Isaías Rodríguez García-Caro verwies auf "das Erfordernis eines Dialogs zwischen<br />

Arbeitgebern <strong>und</strong> Gewerkschaften, um Lösungen zu finden". Nach Meinung von Jean-François<br />

Lebrun liegt die große Herausforderung darin, einen Ausgleich zwischen Gewinnern <strong>und</strong> Verlierern<br />

zu finden. Philippe De Buck vertrat den Standpunkt, dass sich die Sozialpartner aussprechen müssten,<br />

<strong>und</strong> wenn dies angemessen geschehe, könnten Veränderungen besser akzeptiert werden <strong>und</strong> zu<br />

besseren Ergebnissen führen. Sogar John Monks gestand ein, dass in einer Welt, die nun für den<br />

internationalen Kapitalismus, Kommunikationstechnologien <strong>und</strong> Verkehr offen sei, sich die<br />

Gewerkschaften <strong>und</strong> staatlichen Behörden auf einer Aufholjagd befänden.<br />

NÄCHSTE SCHRITTE<br />

Reinhilde Veugelers, Mitglied des Beratergremiums für europäische Politik der Europäischen<br />

Kommission, vertrat in ihren Schlussfolgerungen aus den Debatten der Konferenz die Ansicht, dass es<br />

trotz der Unsicherheit hinsichtlich des Themas <strong>Betriebsverlagerungen</strong> genügend Anhaltspunkte für<br />

realistische Reaktionen der Politik gebe. Der Schlüssel sei nicht die Harmonisierung der Steuersätze<br />

oder die Gewährung von Subventionen. Die Lösung liege vielmehr in der Wandlungsfähigkeit der<br />

europäischen Wirtschaft. Es gebe ein Nettowachstum in ganz Europa, sodass es auch möglich sei, den<br />

Prozess zu lenken <strong>und</strong> die Verlierer zu entschädigen - <strong>und</strong> ihnen bei der Anpassung zu helfen, so dass<br />

die Verbitterung nicht in protektionistische Tendenzen münde.<br />

Es handele sich um einen Prozess, in dem die EU <strong>und</strong> die Mitgliedstaaten zusammen arbeiten <strong>und</strong><br />

sich gegenseitig ergänzen müssten. Das langfristige Ziel der Verbesserung der Anpassungsfähigkeit<br />

durch Maßnahmen im Sinne von Lissabon müsse im Auge behalten werden, während gleichzeitig<br />

kurzfristige Maßnahmen zur Bewältigung des Übergangs notwendig seien.<br />

In Zukunft würden die Europäer gezwungen sein, während ihres Arbeitslebens mehrmals den<br />

Arbeitsplatz, den Beruf <strong>und</strong> die Firma, ja sogar das Land zu wechseln. Daher müsse man Anreize <strong>und</strong><br />

Systeme zur Verbesserung von Ausbildung <strong>und</strong> Flexibilität schaffen, vor allem damit Europa nicht<br />

mehr ständig "hinterher hinke", wenn es darum gehe, unter dem Strich Vorteile aus<br />

<strong>Betriebsverlagerungen</strong> zu ziehen.


- 95 -<br />

Veugelers betonte die Notwendigkeit, Vertrauen zu schaffen. "Die Besorgnis der EU ist gerechtfertigt,<br />

aber wir wissen alle, dass es auch eine Chance ist, <strong>und</strong> wir wissen größtenteils, was zu tun ist.<br />

Wir müssen nur aufhören, uns so sehr davor zu fürchten", sagte sie <strong>und</strong> forderte einen intensiven<br />

Dialog aller Betroffenen <strong>und</strong> Politiker, Arbeitnehmer, Arbeitgeber <strong>und</strong> Verbraucher auf<br />

einzelstaatlicher, europäischer <strong>und</strong> internationaler Ebene sowie unter Einbeziehung sowohl der Ziel-<br />

als auch der Herkunftsländer. Die EU verfüge über die Instrumente, nicht nur <strong>Betriebsverlagerungen</strong>,<br />

sondern auch alle Aspekte der Umstrukturierung zu bewältigen. Es sei nur mehr Koordination<br />

erforderlich.<br />

Josly Piette, Vorsitzender der CCMI des EWSA, nahm das Stichwort auf <strong>und</strong> bemerkte: "Wir sind gut<br />

aufgestellt, um einen Reflexionsprozess in diesem Bereich zu organisieren." Die offizielle Aufgabe<br />

der CCMI sei die Förderung von Koordinierung <strong>und</strong> Kohärenz der Gemeinschaftsaktionen im<br />

Zusammenhang mit dem industriellen Wandel in der erweiterten EU sowie die Sicherung eines<br />

ausgewogenes Verhältnisses zwischen dem Erfordernis eines sozial vertretbaren Wandels <strong>und</strong> der<br />

Beibehaltung von Wettbewerbvorteilen für die Industrie.<br />

Josly Piette verwies auf die Initiativstellungnahme, die die CCMI im Juli 2005 angenommen habe <strong>und</strong><br />

in der die wichtigsten Themen festgelegt seien. Ferner erinnerte er die Teilnehmer daran, dass die<br />

CCMI mit der Erarbeitung einer Serie von Studien fortfahre, um das Phänomen<br />

<strong>Betriebsverlagerungen</strong> anhand von aussagekräftigem Datenmaterial zu definieren <strong>und</strong> mögliche<br />

Maßnahmen zu seiner Abwehr oder Bewältigung zu untersuchen, wobei man den Schwerpunkt auf<br />

Voraussagen, Prävention <strong>und</strong> Analysen lege. Die sich rasant entwickelnde Diskussion um<br />

<strong>Betriebsverlagerungen</strong> werde mit großer Wahrscheinlichkeit in Zukunft immer mehr <strong>und</strong> systematischer<br />

von der CCMI behandelt werden, um ein besseres Verständnis zu erreichen <strong>und</strong> f<strong>und</strong>ierte<br />

Einschätzungen zu erhalten, was für Europa auf dem Spiel stehe <strong>und</strong> wie es reagieren sollte.<br />

_____________


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„Zehn Fragen <strong>und</strong> Antworten zum Europäischen Wirtschafts- <strong>und</strong><br />

Sozialausschuss” <strong>und</strong> „Der EWSA: Brücke zwischen Europa <strong>und</strong> der<br />

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DE<br />

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Katalognummer: EWSA<strong>–</strong>2006-C-14-DE<br />

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