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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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144<br />

B. Systematische und strukturelle Einordnung der <strong>Vetorechte</strong><br />

Form der Billigung. Diese Notwendigkeiten machten keine Probleme, wenn die<br />

Reichsregierung selbst der Auffassung war, dass das betreffende Gesetz verfassungswidrig<br />

sei. Sie hätte dieses dem Präsidenten dann erst gar nicht zur Ausfertigung<br />

vorlegt und hiervon dem Reichstag eigenständig Mitteilung gemacht haben.<br />

461 Wenn der Reichspräsident die Rechtsauffassung seiner Regierung geteilt<br />

hätte, wäre das Gesetz mit allen politischen Konsequenzen, die die Reichstagmehrheit<br />

daraus hätte ziehen können, nicht ausgefertigt worden. Zweifelsohne<br />

hätte es sich um eine autarke Entscheidung der Reichsexekutive gehandelt, so wie<br />

Art. 70 WRV sie dieser zugesteht.<br />

Als schon problematischer erscheint die Konstellation, dass es divergierende<br />

verfassungsrechtliche Auffassungen in dem Sinne gegeben haben könnte, dass der<br />

Präsident die Verfassungszweifel der Reichsregierung nicht geteilt hätte. Da die<br />

Ausfertigung des Gesetzes in seinem solchen Fall ein aktives Tun darstellte, hätte<br />

er hierfür der Gegenzeichnung bedurft. Die obigen Ausführungen würden insoweit<br />

greifen, dass der Reichspräsident mittels der Entlassungsoption über genügend<br />

politische Druckmöglichkeiten gegenüber der Reichsregierung verfügt hätte,<br />

um diese zur Gegenzeichnung zu zwingen, zumal er in diesem Fall sogar den<br />

Reichstag mehrheitlich auf seiner Seite gewusst hätte.<br />

Als wesentlich prekärer stellt sich die Konstellation dar, wenn allein der<br />

Reichspräsident den Zweifel der Verfassungswidrigkeit hegen würde und die<br />

Reichsregierung diesen nicht teilte oder aus Angst vor dem Vertrauensentzug<br />

durch das Parlament nicht teilen wollte. Der wesentliche Unterschied bestände<br />

darin, dass der Reichspräsident nunmehr gar nicht handeln würde und er einfach<br />

die Ausfertigung unterließe. Allein die Gegenzeichnung des Gesetzes durch die<br />

Reichsregierung wäre ohne die Ausfertigungsverfügung des Präsidenten relativ<br />

wertlos gewesen. Die angestrebte öffentlich-rechtliche Wirksamkeit hätte das<br />

Reichsgesetz hierdurch nicht erlangt. Wenn man das Verhalten des Reichspräsidenten<br />

zu seinem sonstigen Tun ins Verhältnis setzt, müsste man die Nichtausfertigung<br />

als sog. Unterlassen bezeichnen, da sie keinerlei Aspekt eines aktiven Tuns<br />

darstellte. 462 Im Grundsatz sollte der Reichspräsident jedoch auch für seine Unterlassungen<br />

der ministeriellen Verantwortungsübernahmen in Form der Gegenzeichnung<br />

bedürfen. 463<br />

M.E. ist die We<strong>im</strong>arer Staatslehre mit der Verpflichtung jedes Handeln, also<br />

auch das Unterlassen, gegenzeichnen zu müssen, weit über das Ziel hinausgeschossen<br />

und wendete Regeln eines parlamentarischen Regierungssystems auf eine<br />

parlamentarische Republik an. Denn wie sollte ein „Unterlassen“ gegenzeichnungspflichtig<br />

gewesen sein? Zumal die WRV schon vom Grundsatz her die verfassungsrechtliche<br />

Deutungshoheit allein dem Reichspräsidenten überantwortete.<br />

461 Vgl. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, Art. 70, S. 368, mit diesbezüglichen<br />

tatsächlichen Fallbeispielen.<br />

462 Die Ausfertigungsverweigerung wurde vielmehr als sog. ‚Verstandesakt“ angesehen – Vgl. Jellinek, Das einfache<br />

Reichsgesetz (§72), in: Handbuch des Deutschen Staatsrechts Bd. II (1932), S. 179.<br />

463 Vgl. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, Art. 50, S. 306.

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