Wenn die Gastarbeiter ins Alter kommen - Integres ...
Wenn die Gastarbeiter ins Alter kommen - Integres ...
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24 integres<br />
<strong>Wenn</strong> <strong>die</strong> <strong>Gastarbeiter</strong> <strong>ins</strong> <strong>Alter</strong> <strong>kommen</strong><br />
Wer heute von <strong>Gastarbeiter</strong>n spricht, bewegt sich verbal – so hat man den Eindruck – in der Vergangenheit. Längst sind <strong>die</strong> Zeiten vorbei, in denen<br />
man ganze Dörfer in den umliegenden Ländern abwarb, um bei uns Arbeitskräfte zu gewinnen. Von Chantal Bründler<br />
Und sie kamen in Scharen. Der aufenthalt in<br />
der Schweiz wurde als temporär angesehen,<br />
sowohl vom einwanderungsland als auch in<br />
den augen der Migranten. in «Blos e chlini<br />
Stadt» werden sie als <strong>die</strong> Bereicherung besungen,<br />
sie brachten Leben in unseren alltag,<br />
der damals – wenn man den erzählungen<br />
von italienischen oder spanischen Migrantinnen<br />
der 1950er- oder 60er-Jahre<br />
glaubt – sehr bedächtig war. Sie schildern<br />
<strong>die</strong> Strassen von damals als menschenleer;<br />
in der Öffentlichkeit, unterwegs, wurde auch<br />
nicht gegessen.<br />
Wer heute im Sommer den Fronwagplatz<br />
überqueren möchte, kämpft sich an Tischen<br />
und Sonnenhungrigen vorbei, man<br />
möchte sich <strong>die</strong>ses mediterrane Flair kaum<br />
mehr wegdenken. aber wo sind <strong>die</strong> Menschen,<br />
<strong>die</strong> uns etwas von <strong>die</strong>ser Lebensqualität<br />
geschenkt haben? Sind sie tatsächlich in<br />
ihre geburtsländer zurückgekehrt? Begeben<br />
wir uns noch einmal auf den Fronwagplatz.<br />
Dort begegnen wir ab und zu gruppen von<br />
älteren Herren, vermutlich jene «gastarbeiter»<br />
von damals, <strong>die</strong> sich angeregt unterhalten.<br />
Heute fallen sie nicht weiter auf.<br />
Viele sind hiergeblieben<br />
Seit der abschaffung des gastarbeiters<br />
(gemeint ist der Begriff), dessen aktiver<br />
Massenanwerbung als arbeitskraft auf zeit,<br />
fand zwar ein Wandel der arbeitsmigration<br />
statt. Die geschichte der «e<strong>ins</strong>tigen gastarbeiter»<br />
ist deshalb noch lange nicht Vergangenheit.<br />
im gegenteil, sie ist heute aktueller<br />
denn je, denn <strong>die</strong> erfahrungen <strong>die</strong>ser<br />
speziellen arbeitsmigration prägen fürs Leben.<br />
Und wie wir alle in der zwischenzeit<br />
wissen, sind viele der gastarbeiter hiergeblieben,<br />
haben ihre Familien aufgebaut, vielleicht<br />
auch ein Unternehmen gegründet,<br />
sind hier integriert und ja, zum Teil sogar eingebürgert.<br />
Sie leben mitten unter uns und<br />
werden älter, haben das Rentenalter erreicht<br />
oder bewegen sich auf den letzten abschnitt<br />
ihres Lebens zu, sind auf Pflege angewiesen<br />
oder brauchen anderweitig Hilfe.<br />
Zunehmender Anteil<br />
Vergangene Woche fand in Bern eine nationale<br />
Tagung zum Thema statt. Das Forum<br />
Migration und alter, welches sich für <strong>die</strong> Verbesserung<br />
der gesundheitlichen und sozialen<br />
Situation älterer Migrantinnen und Migranten<br />
in der Schweiz e<strong>ins</strong>etzt, lud ein. Professor<br />
François Höpflinger erläuterte den<br />
anwesenden <strong>die</strong> demografischen entwicklungen<br />
der älteren ausländerinnen und ausländer,<br />
<strong>die</strong> seiner e<strong>ins</strong>chätzung nach immer<br />
wieder unterschätzt werden. nebst der Komplexität<br />
der erfassung all jener Personen, <strong>die</strong><br />
im alter einen «Migrationshintergrund» hat,<br />
wurde eines deutlich: Der anteil der Bevölkerung,<br />
der Migrationserfahrungen haben,<br />
nimmt stetig zu. aktuell stammen davon fast<br />
80 Prozent aus den anliegenden Ländern,<br />
mit einer Tendenz zur Heterogenisierung,<br />
sprich zu immer unterschiedlicheren Herkunftsländern<br />
und Migrationserfahrungen.<br />
Was bedeutet es für Migrantinnen und Migranten,<br />
in ihrem aufnahmeland alt zu wer-<br />
anzeigen<br />
A1239539<br />
den? Und welche Konsequenzen leiten sich<br />
daraus für <strong>die</strong> aufnahmegesellschaft ab? ist<br />
der aufnahmekontext darauf vorbereitet,<br />
und welche angebote werden gemacht?<br />
Was das heissen kann, zeigen aktuelle erfahrungen<br />
in Schaffhausen.<br />
Konsequenzen für Integration<br />
an der Tagung wurde in den verschiedenen<br />
Referaten, Po<strong>die</strong>n und erlebnisberichten<br />
klar, dass es nicht «<strong>die</strong> Lebenssituation<br />
des alten Migranten» per se gibt. genau so<br />
wie bei allen Menschen prägen verschiedene<br />
erlebnisse, entscheide und Schicksale<br />
<strong>die</strong> Lebensbilanz und damit auch das Wohlbefinden<br />
im alter. es wurde aber auch deutlich,<br />
dass <strong>die</strong> Migrationserfahrung im alter<br />
an neuer Bedeutung gewinnt. in manchen<br />
Fällen sind <strong>die</strong> Lebenslagen der Migrantinnen<br />
und Migranten, <strong>die</strong> gerade während der<br />
Hochkonjunktur in <strong>die</strong> Schweiz geholt wurden,<br />
komplexer. in der annahme, dass der<br />
arbeiter nach getaner arbeit wieder in sein<br />
Herkunftsland zurückkehren wird, unterliess<br />
man aktive Hilfe zur integration, was<br />
wiederum Konsequenzen für <strong>die</strong> integration<br />
im 3. und 4. Lebensalter hat.<br />
Pro Senectute Schaffhausen erlebt seit<br />
einigen Monaten einen markanten anstieg<br />
Eine Publibeilage der «Schaffhauser Nachrichten» | donnerstAg, 9. deZemBer 2010<br />
•••••••••••••••••• 2010 | ANZEIGENANNAHME TEL. 052 633 31 11<br />
FAX 052 633 34 02 | WWW. SHN.CH | E-MAIL ANZEIGEN@SHN.CH<br />
Rund 130 000 Migranten und Migrantinnen, <strong>die</strong> nach dem Krieg in <strong>die</strong> Schweiz kamen, sind heute im aHV-alter. Die Heimatvereine boten den Saisonniers Unterstützung und<br />
Rückhalt. Heute sind sie in der altersarbeit wichtige Partner. Bild Martin Volken<br />
von Migrantinnen und Migranten, <strong>die</strong> das<br />
angebot der Sozialberatung in anspruch<br />
nehmen. Meist sind es deren Kinder, <strong>die</strong> ihre<br />
eltern auf <strong>die</strong>se Unterstützung aufmerksam<br />
machen. Und <strong>die</strong> erfahrung der letzten Monate<br />
zeigt, dass <strong>die</strong>se gruppe <strong>die</strong> Beraterinnen<br />
und Berater vor noch unbekannte aufgaben<br />
stellt. So müssen Rentenansprüche<br />
im geburtsland abgeklärt werden, etwa<br />
auch wenn <strong>die</strong> Person ihr aktives erwerbsleben<br />
erst in der Schweiz begann. Dies mag in<br />
gewissen angrenzenden Ländern eine Routineaufgabe<br />
sein; wie aber macht man so<br />
was in der Türkei? Und wie schafft man es,<br />
an <strong>die</strong> gewünschten informationen zu gelangen,<br />
wenn es irgendwann einmal Sri<br />
Lanka heisst, oder ein anderes Land betrifft,<br />
das von Krieg und anderen e<strong>ins</strong>chneidenden<br />
Veränderungen geprägt ist?<br />
Keine banale Frage, denn das bedeutet,<br />
dass auf eine – rechtlich zugesicherte – ergänzungsleistung<br />
gewartet oder gar verzichtet<br />
werden muss, weil man kein vollständiges<br />
Dossier abliefern kann. als Konsequenz<br />
droht zuletzt der gang aufs Sozialamt;<br />
kein leichter Schritt. eine weitere, nicht<br />
zu unterschätzende Hürde sind <strong>die</strong> sprachlichen<br />
Herausforderungen. Die sprachliche<br />
integration stand während des erwerbs-<br />
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Wir bedanken uns bei allen treuen Gästen. Einen<br />
besonderen Dank der ZVS AG, ISSH Schaffhausen<br />
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Am 11. Dezember findet das traditionelle<br />
Chlausreiten mit einem<br />
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lebens nicht im zentrum. auch wer gut<br />
Deutsch konversieren kann, lebt nicht mit<br />
der Sicherheit, dass er <strong>die</strong>se erworbene Fähigkeit<br />
bis <strong>ins</strong> hohe alter behält. Demenzerkrankungen<br />
beispielsweise können <strong>die</strong>se<br />
Fähigkeiten auslöschen, sodass man sich<br />
nur noch in der Herkunftssprache unterhalten<br />
kann. Unter <strong>die</strong>sen Umständen präzise<br />
abklärungen zu treffen, ist schwierig und<br />
kann laut Kradolfer bedeuten, dass man<br />
etwas Wesentliches verpasst und eine Hilfeleistung,<br />
beispielsweise eine medizinische<br />
Unterstützung, nicht geben kann. immer<br />
wieder fällt ihm in der Beratung das mangelnde<br />
Wissen um rechtliche ansprüche und<br />
Unterstützungsangebote auf. Und kenne<br />
man entlastungs<strong>die</strong>nste, so sei <strong>die</strong> Hemmschwelle,<br />
<strong>die</strong> Hilfe anzunehmen, oftmals viel<br />
grösser, obwohl man <strong>die</strong>se dringend gebrauchen<br />
könnte. Denn gerade jene Migranten,<br />
<strong>die</strong> uns in der Hochkonjunktur unterstützt<br />
haben, leiden heute an den gesundheitlichen<br />
Langzeitfolgen ihrer schweren arbeit.<br />
Weiterbildung fürs Fachpersonal<br />
unabdingbar<br />
Die laufenden Fälle der Pro Senectute<br />
zeigen deutlich <strong>die</strong> zunehmende aktualität<br />
<strong>die</strong>ses Themas. Wichtig ist deshalb, dass<br />
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SEITE 24<br />
A1260463<br />
<strong>Integres</strong> 24<br />
sowohl in der ambulanten wie auch stationären<br />
Betreuung und Pflege kompetent auf<br />
<strong>die</strong>se neue Vielfalt und <strong>die</strong> Herausforderungen<br />
eingegangen wird. Vielleicht müssen<br />
auch neue Betreuungsmodelle geschaffen<br />
werden; das Beispiel Domicil Schwabengut<br />
in Bern zeigt einen neuen Weg, indem<br />
sprachspezifische Hausgeme<strong>ins</strong>chaften angeboten<br />
werden, <strong>die</strong>se aber untereinander<br />
vernetzt werden.<br />
Diesbezüglich unumgänglich ist jedoch<br />
<strong>die</strong> Unterstützung des Fachpersonals. in<br />
Schaffhausen haben sich aus <strong>die</strong>sem grund<br />
bereits vor zwei Jahren <strong>die</strong> Organisationen<br />
Pro Senectute, Spitex, Curaviva, das Rote<br />
Kreuz sowie integres zusammengesetzt und<br />
erste Weiterbildungsangebote entwickelt.<br />
ein erster Sensibilisierungsworkshop wurde<br />
vergangenen Frühling für Kaderleute der<br />
Pflege durchgeführt. Fürs <strong>kommen</strong>de Jahr<br />
ist analog dazu eine Weiterbildung für Pflegefachleute<br />
geplant. es soll auf <strong>die</strong> spezifischen<br />
Bedürfnisse und auch auf Hilfestellungen<br />
aufmerksam gemacht werden. informationen,<br />
Projekte und ideen für <strong>die</strong> Unterstützung<br />
gibt es in der zwischenzeit viele. in<br />
<strong>die</strong>sem Sinne ergänze ich Robert Kradolfer.<br />
Wir haben vieles verpasst. Dies soll nicht so<br />
bleiben.<br />
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donnerstAg, 9. deZemBer 2010 | Eine Publibeilage der «Schaffhauser Nachrichten» integres 25<br />
Sie kamen nicht, um hierzubleiben<br />
Die Migranten, <strong>die</strong> vor Jahren zu uns ge<strong>kommen</strong> sind, gehen in Pension. Für <strong>die</strong> meisten wird sich der Traum von der<br />
Rückkehr in <strong>die</strong> erste Heimat nicht erfüllen, zu tief sind <strong>die</strong> Menschen schon hier verwurzelt. Von michela gallucci<br />
Die gastarbeiter, vor allem italiener, <strong>die</strong> in<br />
den Sechziger- und Siebzigerjahren in <strong>die</strong><br />
Schweiz kamen, sahen es als eine Chance,<br />
ihren Lebensstandard zu verbessern. Sie<br />
nahmen <strong>die</strong> Migration in ein fremdes Land in<br />
Kauf. es sollte schliesslich nicht für immer<br />
sein. Sie wussten nicht, was sie erwartete.<br />
Sie wussten nur, dass sie wieder zurückwollten,<br />
dann, wenn der richtige Moment<br />
<strong>kommen</strong> würde. Plötzlich sind 50 Jahre vergangen,<br />
und <strong>die</strong>se Menschen sind immer<br />
noch hier.<br />
Fronwagplatz als treffpunkt<br />
in Schaffhausen findet sich eine gruppe<br />
von Frauen wöchentlich zum Kaffee in der<br />
Stadt. zu ihnen gehören auch Serafina Tagliente<br />
aus Cosenza, illuminata Pecorino<br />
aus Sizilien, Maria Fierro aus Potenza und<br />
assunta gallucci aus Sessa aurunca. im<br />
Sommer treffen sie sich auf dem Fronwagplatz.<br />
in italien ist <strong>die</strong> «Piazza» der Treffpunkt<br />
der Pensionierten. So versuchen sie<br />
ein Stück alte Heimat nach Schaffhausen zu<br />
bringen. Sie waren alle in den grossen Fabriken<br />
wie der arova, Schaffhauser Wolle oder<br />
der Strickmaschinenfabrik tätig, um nur einige<br />
zu nennen. Jetzt sprechen sie oft über<br />
<strong>die</strong> Vergangenheit. aber auch über ihre Kinder,<br />
enkelkinder und über <strong>die</strong> zukunft, <strong>die</strong><br />
Ängste mit sich bringt.<br />
es sind vier Frauen, <strong>die</strong> eines geme<strong>ins</strong>am<br />
haben: Sie werden ihren Lebensabend<br />
nicht in dem Land verbringen, in dem sie geboren<br />
wurden. So wie ihnen geht es vielen<br />
italienerinnen und italienern in Schaffhausen.<br />
Längst haben sie ihre Rückkehrpläne<br />
aufgegeben. Der «richtige Moment» ist nie<br />
ge<strong>kommen</strong>, und schliesslich findet man sich<br />
in einer Situation wieder, mit der man nicht<br />
gerechnet hatte. Spätestens bei der Pensionierung<br />
wurde Bilanz gezogen. Die Frage,<br />
wo man den Lebensabend verbringen<br />
möchte, ist für manche ehepaare eine zerreissprobe.<br />
Meist sind <strong>die</strong> Männer eher bereit,<br />
<strong>die</strong> zelte abzubrechen und zurückzukehren.<br />
Für <strong>die</strong> Frauen hingegen kommt es<br />
oft nicht in Frage, ihre Kinder hier zu lassen.<br />
nach<strong>kommen</strong> leben hier<br />
Für Maria Fierro, <strong>die</strong> schon mit 15 Jahren<br />
in <strong>die</strong> Schweiz ge<strong>kommen</strong> ist, war schon früh<br />
klar, dass ihre Heimat hier ist. es gibt nichts,<br />
was sie noch mit Potenza verbindet. Sie war<br />
schon seit Jahren nicht mehr dort. Serafina<br />
Tagliente und illuminata Pecorino – beide<br />
verwitwet, und ihre Männer sind in Schaffhausen<br />
begraben – haben den Wunsch,<br />
nach italien zurückzukehren, längst verworfen.<br />
auch sie verbindet nichts mehr mit dem<br />
Ort ihrer Kindheit. ihre Kinder und enkelkinder<br />
leben alle in der Schweiz. Die ursprüngliche<br />
Heimat ist ihnen fremd geworden. zu<br />
viel hat sich dort verändert. Viele Familienangehörige<br />
sind gestorben oder weggezogen.<br />
Die verbleibenden Verwandten kennen<br />
sie kaum. in Schaffhausen hingegen haben<br />
beide viele Freunde gefunden.<br />
nur assunta gallucci hat Mühe. Sie<br />
würde viel lieber in ihrer schönen süditalienischen<br />
Stadt Sessa aurunca ihren Lebens-<br />
anzeigen<br />
assunta (78) und gino gallucci (82) haben das glück, ihren Lebensabend geme<strong>ins</strong>am zu geniessen. Bild Michela Gallucci<br />
abend verbringen. ihr ehemann gino arbeitete<br />
als Saisonnier in der Schweiz. Bei der<br />
einreise im Frühjahr 1964 stellte man bei<br />
ihm <strong>die</strong> Lungenkrankheit Tuberkulose fest.<br />
Damals mussten sich alle einreisende an der<br />
grenze einer gesundheitskontrolle unterziehen,<br />
was ginos glück war. in italien hätte<br />
er <strong>die</strong> Krankheit vermutlich nicht überlebt.<br />
er wurde sofort nach Davos gebracht, wo er<br />
nach einem halben Jahr gesund entlassen<br />
wurde. Dies wurde für assunta ein bedeutender<br />
e<strong>ins</strong>chnitt in ihr Leben. Der ernährer<br />
der Familie war ausgefallen und lag in einem<br />
fremden Land im Spital. er hatte keinen<br />
Lohnanspruch, da er <strong>die</strong> arbeit noch nicht<br />
angetreten hatte. So fehlte plötzlich das ein<strong>kommen</strong>.<br />
assunta musste Hals über Kopf<br />
aufbrechen, um ihrem Mann beizustehen.<br />
arbeit gab es genug. Sie fand sofort eine anstellung<br />
bei der Carl Meier & Cie. in Schaffhausen.<br />
Da keiner der Verwandten ihre Kinder<br />
aufnehmen wollte, mussten sie in ein<br />
Heim. es vergingen zwei Jahre, bis eltern<br />
und Kinder sich in der Schweiz wiedervereinen<br />
konnten. Dieses ereignis hat <strong>die</strong> Familie<br />
geprägt. Vielleicht ist das der grund, warum<br />
assunta sich in der Schweiz nie so ganz<br />
zu Hause fühlen konnte.<br />
daheim alt werden<br />
Bei der Frage, wie sie ihren Lebensabend<br />
verbringen möchten, antworten alle<br />
vier Frauen gleich. zu Hause natürlich, so<br />
lange wie möglich. Mit Hilfe der Spitex oder<br />
anderer Dienste sollte das möglich sein.<br />
Über das angebot sind sie informiert und<br />
wissen, wo sie sich Hilfe holen können.<br />
Nie mehr sprachlos:<br />
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eines ist sicher, in ein altersheim wollen <strong>die</strong><br />
vier Frauen nicht. zu den Kindern ziehen<br />
wäre auch keine Option. zu gross ist <strong>die</strong><br />
angst, nicht will<strong>kommen</strong> zu sein. Denn <strong>die</strong><br />
Söhne und Töchter, <strong>die</strong> in der Schweiz aufgewachsen<br />
sind, haben doch eine andere<br />
Mentalität. So, wie es in italien gemacht<br />
wird, so wäre es gut.<br />
gebildete Betreuer<br />
in italien werden ältere Menschen von<br />
den sogenannten «Badanti» betreut. es<br />
sind grösstenteils osteuropäische Frauen.<br />
Sie wohnen bei der pflegebedürftigen Person<br />
und be<strong>kommen</strong> einen Lohn sowie Kost<br />
und Logis. Sie unterstützen <strong>die</strong> angehörigen<br />
in ihren Betreuungsaufgaben. es gibt agenturen,<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong>se Frauen vermitteln und <strong>die</strong><br />
entsprechenden einreise- und arbeitsbewilligungen<br />
besorgen. Die anstellungsbedingungen<br />
sind streng geregelt. Diese Frauen<br />
sind oft sehr gebildet. es sind Lehrerinnen,<br />
ehemalige Staatsangestellte, sogar Ärztinnen<br />
oder Juristinnen. Sie bessern so ihre<br />
kleine Pension auf. in vielen Fällen betreuen<br />
sie ihre Patientin oder ihren Patienten, bis<br />
sie verstorben sind.<br />
Die zweite generation der italienerinnen<br />
und italiener, man nennt sie gerne «Secondos»,<br />
machen sich ebenfalls gedanken,<br />
wie ihre eltern den Lebensabend verbringen<br />
könnten. Schliesslich sind sie der grund des<br />
Verbleibs der eltern in der Fremde. Wer<br />
noch im Berufsleben steht oder Familie hat,<br />
verfügt nicht über <strong>die</strong> zeit, eine gute Betreuung<br />
zu gewährleisten. in ein Heim möchte<br />
man <strong>die</strong> Mutter oder den Vater jedoch nicht<br />
Stimmungsvolle<br />
Weihnachten<br />
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abschieben. Schon wegen der Sprachschwierigkeiten.<br />
noch schwieriger wird es<br />
für jene, deren eltern zurückgekehrt sind.<br />
Was ist, wenn sie nicht mehr selbständig leben<br />
können? in italien gibt es kaum geeignete<br />
Strukturen, <strong>die</strong> pflegebedürftigen Personen<br />
aufnehmen. Die Lösung mit den Betreuungspersonen<br />
daheim funktioniert nur,<br />
wenn <strong>die</strong> angehörigen vor Ort sind. also<br />
bleibt am Schluss nur <strong>die</strong> Option, <strong>die</strong> eltern<br />
wieder in <strong>die</strong> Schweiz zu bringen.<br />
assunta, Maria, illuminata und Serafina<br />
sind sich einig. Sie möchten sich nicht zu<br />
viele gedanken machen, was <strong>die</strong> zukunft<br />
bringen wird. Was <strong>kommen</strong> wird, wird <strong>kommen</strong>,<br />
und der Herrgott wird’s schon richten.<br />
Beratungsstelle<br />
integres ist <strong>die</strong> Fachstelle der<br />
Region Schaffhausen für integrationsfragen<br />
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Migrantinnen und befindet sich<br />
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Sie berät integrationsprojekte<br />
und ist zuständig für erstberatung<br />
bei integrationsfragen von Migrant/<br />
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SEITE 25<br />
A1260471<br />
<strong>Integres</strong> 25<br />
Generationenübergreifendes<br />
Zusammenleben<br />
Viele Ausländerinnen<br />
und Ausländer<br />
sind in <strong>die</strong> Schweiz<br />
ge<strong>kommen</strong>, weil<br />
sie hier Arbeit fanden<br />
und ihren Kindern<br />
eine bessere<br />
Zukunft ermöglichen<br />
wollten. Ziel<br />
war es meist, später wieder in <strong>die</strong> alte<br />
Heimat zurückzukehren, zu der auch in<br />
den Jahren der Emigration ein intensiver<br />
Kontakt aufrechterhalten wurde. Ferienaufenthalte<br />
während der langen Abwesenheit<br />
und eine Immobilie für <strong>die</strong> Zeit<br />
nach der Rückkehr waren oft Ausdruck<br />
der Verbundenheit und der Sehnsucht<br />
nach den eigenen Wurzeln. Diese ursprünglichen<br />
Wurzeln sind nun aber<br />
nicht <strong>die</strong> einzigen, <strong>die</strong> im Laufe eines langen<br />
Arbeitslebens ausschlagen. Vierzig<br />
und mehr Jahre in einem fernen Land und<br />
vor allem <strong>die</strong> lebendigen Beziehungen zu<br />
den eigenen Kindern stellen das Rückkehren<br />
in Frage und verdeutlichen, dass<br />
sich der Lebensmittelpunkt ganz unmerklich<br />
verschoben hat. Aber auch <strong>die</strong><br />
alte Heimat ist nicht mehr <strong>die</strong> gleiche<br />
und stellt <strong>die</strong> Betroffenen gerade im <strong>Alter</strong><br />
vor Herausforderungen, denen sie aufgrund<br />
der langen Abwesenheit und der<br />
gelockerten Familienbande nicht mehr<br />
ohne Weiteres gewachsen sind. Das führt<br />
dazu, dass <strong>die</strong> Pläne für eine Rückkehr<br />
aus verständlichen Gründen fallen gelassen<br />
werden oder sich nach einiger Zeit<br />
«zu Hause» als falscher Entscheid entpuppen.<br />
Eine erneute Rückkehr zu den in<br />
der Schweiz gebliebenen Angehörigen<br />
ist für nicht wenige ältere oder alle<strong>ins</strong>tehende<br />
Personen der einzige Ausweg aus<br />
ihrer Isolation in der leider nicht mehr<br />
so vertrauten alten Heimat. Aus dem<br />
Zusammenarbeiten von aus- und inländischen<br />
Menschen wird also ein generationenübergreifendes<br />
Zusammenleben.<br />
Das hat auch Auswirkungen auf <strong>die</strong> Einrichtungen<br />
für das <strong>Alter</strong> und zeigt, dass<br />
sich eine Gesellschaft nicht nur nach ökonomischen<br />
Gesichtspunkten vernetzt.<br />
Wir werden ganz automatisch Teile einer<br />
Geme<strong>ins</strong>chaft, <strong>die</strong> sich auch um <strong>die</strong>jenigen<br />
kümmern muss, <strong>die</strong> noch nicht oder<br />
nicht mehr in einem Arbeitsprozess sind.<br />
In unserem Land haben Errungenschaften<br />
wie <strong>die</strong> AHV, <strong>die</strong> zweite Säule und ergänzende<br />
Gefässe wie <strong>die</strong> EL zum Glück<br />
eine grosse Reputation. Sie sind geschaffen<br />
worden, um älter werdenden Mitbürgerinnen<br />
und Mitbürgern wirtschaftliche<br />
Unabhängigkeit nach dem Arbeitsleben<br />
zu ermöglichen.<br />
Daneben sind wir aber vor allem auf<br />
zwischenmenschliche Kontakte und<br />
Freundschaften angewiesen. Diese zu<br />
erhalten und zu pflegen, gilt über alle<br />
Staatszugehörigkeiten hinweg und<br />
setzt fort, was in der Arbeitswelt ganz<br />
wesentlich zum Erfolgsmodell Schweiz<br />
beigetragen hat.<br />
Auf eine Zukunft über <strong>die</strong> Generationen<br />
hinweg freue ich mich deshalb und<br />
wünsche allen eine frohe geme<strong>ins</strong>ame<br />
Weihnachtszeit.<br />
Thomas Feurer, Präsident <strong>Integres</strong><br />
Implenia Bau AG<br />
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denkt und baut fürs Leben.<br />
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