Alles mit Bedacht! - Jäger
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R E V I E R P R A X I S<br />
6. DIE WINDRICHTUNG<br />
6FALSCH EINGESCHÄTZT<br />
Die „nie endende” Geschichte<br />
vom Wind: Nicht immer ist es<br />
günstig, wenn uns der Wind<br />
beim Ansitz ins Gesicht weht.<br />
Vor allem dann, wenn wir an<br />
der Wald-/Feldkante sitzen,<br />
das Wild aus dem Wald erwarten<br />
und der Wind vom Feld her<br />
auf uns zusteht. Da ist es allemal<br />
besser, wenn der Wind in<br />
die Richtung weht, in die wir<br />
unseren Blick gerichtet haben.<br />
Wenigstens zieht das Wild dann<br />
noch ins Feld. Ansonsten bekommen<br />
wir es möglicherweise<br />
gar nicht erst zu sehen. Nach<br />
meinen Erfahrungen sind Sauen<br />
besonders bedacht, alle bisherigen<br />
Erfahrungen zu nutzen, bevor<br />
sie auf eine Blöße ziehen.<br />
Der innere Waldrand, also die<br />
Deckung, wird erst einmal in aller<br />
Ruhe nach Fraß abgesucht.<br />
Dabei können sich die Sauen<br />
überzeugen, ob die Luft rein ist.<br />
7 8<br />
Eigentlich sollten wir im Wald<br />
nur ansitzen, wenn der Wind<br />
ziemlich stark weht. Nur dann<br />
können wir hier eine ziemlich<br />
klare Aussage zur Windrichtung<br />
machen. Weht der Wind nur<br />
Foto: Beate Siebern<br />
Wenn wir alles richtig machen, wird der Ansitz auch früher oder später von Erfolg gekrönt sein. Bei dieser <strong>Jäger</strong>in hat’s geklappt.<br />
gering oder kaum fühlbar, wird<br />
die Windrichtung je nach Wald-<br />
44 www.jaegermagazin.de 3/2009<br />
verhältnissen ständig umschlagen.<br />
Ein Ansitz bei derartigen<br />
Windverhältnissen <strong>mit</strong>ten im<br />
Wald kann uns zwar zufällig<br />
jagdlichen Erfolg bringen, ist<br />
aber gleichzeitig <strong>mit</strong> einem enormen<br />
Jagddruck verbunden, von<br />
dem wir selbst nur etwas merken,<br />
wenn Rehwild laut schrekkend<br />
abspringt.<br />
Wenn wir ständig auf unserem<br />
Lieblingsplatz sitzen – <strong>mit</strong>ten<br />
im Wald – ist der Wind immer<br />
falsch, der Jagddruck enorm und<br />
das Wild lernt, den Platz zu<br />
meiden. Ansitzpunkte im Wald<br />
nutzen wir nur sporadisch, um<br />
Erfolg zu haben und um Jagddruck<br />
zu vermeiden. Um durchweg<br />
günstigen Wind zu haben,<br />
nutzen wir den kleinen Ansitzstuhl.<br />
In Verbindung <strong>mit</strong> einem<br />
Schießstock ist er je nach Gelände<br />
eine gute Ergänzung zu vorhandenen<br />
Hochsitzen.<br />
7. KANZELFENSTER<br />
WERDEN GESCHLOSSEN<br />
Geschlossene Kanzeln richten<br />
wir üblicherweise <strong>mit</strong> Fenstern<br />
ein. Diese sollen in erster Linie<br />
verhindern, dass Schnee und Regen<br />
ins Kanzelinnere gelangen.<br />
Es ist sehr unangenehm, wenn<br />
wir ansitzen wollen und die<br />
Sitzbank in der Kanzel voller<br />
Schnee ist. Wenn wir ansitzen,<br />
öffnen wir die Fenster. Falls<br />
plötzlich nah neben uns ein<br />
Fuchs oder ein Stück Schwarzwild<br />
erscheint, sind wir andernfalls<br />
kaum in der Lage, das Fenster<br />
völlig lautlos zu öffnen. Die<br />
Chance ist vertan, wir ärgern uns<br />
über das geschlossene Fenster.<br />
Bei einer Kanzel am Luderplatz,<br />
der <strong>mit</strong>ten im Feld angelegt ist,<br />
und von der aus wir den Fuchs<br />
bereits aus weiter Entfernung<br />
ausmachen können, mag das anders<br />
sein. Grundsätzlich aber<br />
lassen wir die Fenster beim Ansitz<br />
geöffnet.<br />
Mehrfach hatte ich im Schnee<br />
schon die Spur eines Fuchses<br />
am Grabenrand bestätigt. Es war<br />
zwar sehr kalt, aber das Licht<br />
gut. So richtete ich mich für den<br />
Nachtansitz am Fuchspass ein.<br />
Ein scharfer Ostwind blies mir<br />
entgegen – bei Temperaturen<br />
deutlich unter dem Gefrierpunkt.<br />
Obwohl man es beim Fuchsansitz<br />
niemals tun soll, schloss<br />
ich die Fenster der Kanzel, denn<br />
diesen scharfen Wind hätte ich<br />
nicht lange ausgehalten. Die<br />
Stunden vergingen, der Fuchs<br />
ließ auf sich warten. Schließlich<br />
war die Müdigkeit so groß, dass<br />
er sich einstellte, der Hochsitz-<br />
schlaf. Als ich wach wurde, war<br />
es bereits dämmrig; rötliches<br />
Licht am Horizont kündete vom<br />
nahen Sonnenaufgang. Gleichzeitig<br />
nahm ich den Fuchs wahr,<br />
der nun zügig am Grabenrand<br />
entlang schnürte, genau auf den<br />
Hochsitz zu – bereits in Schrotreichweite.<br />
Den Drilling zu<br />
schnappen und in Anschlag<br />
zu gehen, war eine Bewegung.<br />
Splitterndes Glas machte mich<br />
endgültig wach. Ich hatte nicht<br />
bedacht, dass ich wegen des<br />
Windes die Hochsitzfenster geschlossen<br />
hatte, und zertrümmerte<br />
<strong>mit</strong> dem Laufbündel eines<br />
der Fenster. Der Fuchs hatte eine<br />
Schrecksekunde und äugte zum<br />
Hochsitz herauf, die war kürzer<br />
als meine: Mit eleganten Fluchten<br />
war er in wenigen Sekunden<br />
verschwunden und um eine Erfahrung<br />
reicher.<br />
8. GERÄUSCHGEBENDE<br />
SITZGELEGENHEITEN<br />
Manche Leute lächeln, wenn<br />
sie meinen Ansitzstuhl sehen.<br />
Es ist ein alter Küchenstuhl aus<br />
Aluminium, spärlich gepolstert,<br />
dafür aber federleicht und absolut<br />
geräuschlos. Leider lässt<br />
sich das gute Stück nicht zusammenfalten.<br />
Da<strong>mit</strong> der Stuhl<br />
nicht in weichem Boden einsinken<br />
kann, habe ich die Füße<br />
waagerecht <strong>mit</strong> dicken Holzleisten<br />
verbunden. Seit über<br />
zehn Jahren begleitet mich dieser<br />
Stuhl zum Ansitz. Dabei<br />
würde ich mich nicht sträuben,<br />
einen klappbaren Ansitzstuhl zu<br />
erwerben, wenn er wirklich leise<br />
wäre und das Preis-/Leistungs-<br />
verhältnis stimmte. In den Geschäften<br />
großer Jagdausstatter<br />
und in etlichen Läden von Büchsenmachern<br />
habe ich viele Stühle<br />
ausprobiert. Sobald ich mich<br />
bewegte, rieb der Textilstoff auf<br />
Metallrohr und gab ein Geräusch<br />
von sich, das im Laden kaum<br />
hörbar war. Für den Gebrauch<br />
im Revier aber zu laut! Wir dürfen<br />
uns als Verbraucher nicht<br />
täuschen lassen. Im Laden läuft<br />
fast immer Musik im Hintergrund,<br />
es �nden<br />
Verkaufsgespräche<br />
statt. Was<br />
uns beim Probesitzen<br />
als äußerst<br />
leise erscheint,<br />
ist nachts im Revier<br />
sehr laut.<br />
Auf Hochsitzen<br />
�nden wir öfter<br />
Sitzbretter, die<br />
einfach aufgenagelt<br />
sind. Besonders<br />
bei Frostwetter<br />
haben wir<br />
dann ein Problem,<br />
falls neben uns<br />
am Waldrand ein<br />
Fuchs erscheint.<br />
Um ihn zu erlegen,<br />
müssen wir<br />
den Oberkörper<br />
herumdrehen.<br />
Wir trauen uns<br />
noch nicht einmal, unser Gewicht<br />
von der einen Backe auf<br />
die andere zu verlagern, aus<br />
Angst, das Sitzbrett könne knakken.<br />
Die Angst ist berechtigt.<br />
Besser ist, dass wir die Au�ageholme<br />
für das Sitzbrett <strong>mit</strong> Teppichbodenstreifen<br />
verkleiden<br />
und das Sitzbrett einfach lose<br />
au�egen. Durch diesen kleinen<br />
Trick haben wir eine Geräuschquelle<br />
ausgeschaltet. Eine weitere<br />
schalten wir aus, indem wir<br />
den Fußboden auch noch <strong>mit</strong><br />
Teppichboden belegen.<br />
9 10<br />
9. JUNGJÄGER WERDEN<br />
NICHT BETREUT<br />
ben. Stattdessen sprechen wir<br />
strikte Verbote aus. Jungjäger<br />
brauchen eine feste Hand! Wir<br />
10. DER ANSITZ DIENT<br />
DEM SELBSTZWECK<br />
Für den, der die <strong>Jäger</strong>prüfung geben ihnen eine Schussentfer- Ansitzjagd ist schön und gut,<br />
bestanden hat, fängt die Lehrzeit nung von maximal 100 Metern man kann es aber auch übertrei-<br />
eigentlich erst an. Dabei sind die vor. Bereits am Tage sollen sie ben. Manche <strong>Jäger</strong> haben pro<br />
frischgebackenen Jungjäger oft ihren Platz im Revier aufsuchen Jahr nur einen Bock frei und<br />
sehr allein. Den Lehrprinzen frü- und sogenannte Markerpunkte wollen das auskosten. Der Bock<br />
herer Jahre, der sich des Jungjä- abschreiten. Sie werden heraus- wird mehrere Male beobachtet,<br />
gers noch ein, zwei Jahre lang �nden, wie weit jene Eiche oder von vorn, von hinten und von<br />
annahm, gibt es heute kaum der Zaun dort drüben entfernt ist. der Seite, morgens, <strong>mit</strong>tags,<br />
noch. Häu�g legt der Jungjäger Nur so lernen sie, die Schussent- abends. Diese Art der Jagdaus-<br />
als erste Jagdbeute gleich einen fernung richtig einzuschätzen. übung bedeutet Jagddruck fürs<br />
Jährlingssechser auf die Decke. Dann sind da noch die ewigen ganze Revier. Wir sollten als<br />
Früher war das kaum möglich. Jungjäger. Nie im Leben werden Revierinhaber darauf bestehen,<br />
Wir mussten erst einmal eine sie das jagdliche Handwerk be- dass der Bock oder Hirsch mög-<br />
Schubkarre Kaninchen schießen, herrschen, ohne dies selbst zu erlichst bald zur Strecke kommt,<br />
bevor wir einen Knopfbock frei kennen. Wenn wir wollen, dass da<strong>mit</strong> wieder Ruhe herrscht im<br />
bekamen. Wir lernten zunächst, Onkel Hubert aus Dingsda einen Busch! Den <strong>Jäger</strong>n bietet sich<br />
was es bedeutet, das Leben eines Bock beim Ansitz erlegt, müssen dann noch ein anderes Betäti-<br />
Wildtieres zu beenden und wel- wir ihn begleiten, ihn anleiten, gungsfeld: Raubwild/-zeug,<br />
che Verantwortung wir da<strong>mit</strong> ihn beruhigen, ohne dass er es Schwarzwild, Hege jeder Art,<br />
tragen. Jagd ist keine Gaudi, merkt, und ihm letztlich Waid- Bau jagdlicher Einrichtungen,<br />
mannsheil wünschen. Pirschwege und so weiter. Ex-<br />
Dass Onkel Hubert treme Auswüchse zum Thema<br />
den richtigen Bock Jagddruck �nden wir in den<br />
erlegt, ist für uns eine Mini-Pirschbezirken der Landes-<br />
größere Herausfordeforsten. Die vergebenen Pirschrung,<br />
als wenn wir bezirke sind oft nur so groß wie<br />
den Bock selbst zur eine Eigenjagd. Das hält die<br />
Strecke bringen. Die Forstamtsleitung nicht davon ab,<br />
Betreuung braucht vom Erlaubnisinhaber einen ho-<br />
Onkel Hubert nicht hen Abschuss beim Rehwild zu<br />
zuletzt wegen des verlangen, teils unter Androhung<br />
Jagd�ebers. Jagd�e- von Sanktionen. Die Folge daber<br />
bedeutet: Adrenavon ist Daueransitz. Rehwild<br />
lin pur. Dieses Stress- fühlt sich in diesen Mini-Pirschhormon<br />
schüttet der bezirken derart gestört, dass es<br />
Körper innerhalb von zum Nachtwild wird. Es kommt<br />
Sekunden aus. Es be- nicht mehr in Anblick, der Verwirkt<br />
höheren Blutbiss erhöht sich, die Abschussdruck,<br />
höheren Pulsforderungen werden noch höher.<br />
schlag und Ankurbe- Die Landesforstverwaltungen<br />
lung der Lungenakti- täten gut daran, keine kleinen<br />
Den Jungjäger, egal wie alt, wird der Erfahrene, egal wie vität. <strong>Alles</strong> Dinge, die Pirschbezirke mehr zu vergeben,<br />
jung, an die Hand nehmen, um Werte zu ver<strong>mit</strong>teln. beim Anbringen eines in denen ihnen teilweise erlegtes<br />
sauberen Schusses Wild präsentiert wird, das aus<br />
sondern anspruchsvolles Hand- nicht zu brauchen sind. Ich ha- anderen Revieren stammt, um<br />
werk, bei dem für Gefühlsdusebe bei Jagdgästen erlebt, dass die Sanktionen zu umgehen. Sie<br />
lei, Status oder Mode kein Platz ihr Körper durch Jagd�eber der- würden besser da<strong>mit</strong> fahren, gro-<br />
ist. 99 Prozent aller Jungjäger art gebeutelt wurde, dass der ße Reviere an eigenverantwort-<br />
betreiben zunächst die Ansitz- ganze Hochsitz wackelte. Hier lich handelnde Pächter abzugejagd.<br />
Nehmen wir sie bitte an die hilft nur der besonnene Jagdfühben. Die sollten ihre Abschuss-<br />
Hand, ver<strong>mit</strong>teln wir ihnen, was rer, der dem Schützen erklärt, pläne selbst aufstellen und den<br />
uns wert und wichtig ist! Lassen dass heute sicher nicht der Tag Wildschaden übernehmen, wie<br />
wir sie von unseren Erfahrungen sein wird, an dem dieser Bock das auch in gemeinschaftlichen<br />
pro�tieren, da<strong>mit</strong> sie nicht unnö- zur Strecke kommt. Ansitzjagd Jagdbezirken fast immer der Fall<br />
tig viele Erfahrungen auf Kosten ist die Hauptjagdart in fast allen ist, möglicherweise über eine<br />
der Wildtiere sammeln müssen! Revieren. Deshalb werden hier zu vereinbarende Jahrespauscha-<br />
Wenn wir Jungjäger an die An- auch die meisten Fehler beganle. Das Wild wäre wieder am<br />
sitzjagd heranführen, dürfen wir gen. Es liegt an uns „alten Ha- Tag aktiv und könnte sich artge-<br />
ihnen keine Empfehlungen gesen”, das zu verhindern. recht verhalten. Werner Siebern<br />
Foto: Archiv JÄGER<br />
3/2009 www.jaegermagazin.de 45