INTERVIEW: DER OBER-BOSS: DR. ZIEGER IM ... - Es-Presso
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28 HISTORY<br />
SCHWÄBISCHE<br />
REBELLION<br />
Eine stolze Willenserklärung des früheren<br />
Rats der Bürgerschaft brachte<br />
am 26. Mai und am 1. Juni 1321 den<br />
ersten Stein der <strong>Es</strong>slinger Frauenkirche<br />
ins Rollen und forderte zum Bau<br />
der Kirche „Zu unserer lieben Frauen“<br />
auf, die früheste gotische Hallenkirche<br />
in Südwestdeutschland.<br />
Die <strong>Es</strong>slinger waren es leid, in ihrer eigenen<br />
Stadtkirche, St. Dionys, unter der Fuchtel des<br />
Domkapitels von Speyer zu stehen, das entscheiden<br />
konnte, wer Geistlicher war und wer<br />
nicht, wer somit Messen las und wer nicht.<br />
„Und wer geischtlich isch und wer net, des<br />
wissed mir <strong>Es</strong>slinger immer no am Beschte“.<br />
Da die <strong>Es</strong>slinger aber nichts an diesen Bestimmungen<br />
ändern konnten, entschlossen sie sich<br />
eben dazu, eine komplett neue Kirche zu bauen,<br />
in der man tun und lassen konnte, was man<br />
will. Die Kirchenverwaltung selbst in die Hand<br />
nehmen, über die Kircheneinkünfte verfügen<br />
und eben Geistliche bestimmen. 1321 wurde<br />
dann die schon bestehende alte Liebfrauenkapelle<br />
ummantelt und 1516 stand am Fuße der<br />
ES-PRESSO AUGUST 05<br />
Neckarhalde eine dreischiffi ge Hal-<br />
lenkirche im gotischen Baustil.<br />
„Gotik“ war bis zum 18 Jahrhundert übrigens<br />
der Inbegriff schlechten Geschmacks<br />
und sogar mit Barbarischem gleichgesetzt. Sie<br />
stellte für den italienischen Baumeister Giorgio<br />
Vasari (1511 bis 1574) den Gegensatz zur<br />
klassischen antiken Kunst dar, der man damals<br />
den höchsten Stellenwert einräumte. Architektonisch<br />
soll der gotische Baustil die Wand<br />
und ihr Volumen aufl ösen, um als lichteres, fi -<br />
ligraneres Skelett den Blick in den Himmel zu<br />
führen. Die gotische Bauweise besitzt außerdem<br />
eine durchdachte religiöse Symbolik. PfeiPfeiler und Säulen stellen die Apostel und Propheten<br />
dar, die den christlichen Glauben tragen,<br />
Jesus bildet den Schlussstein, der eine Mauer<br />
mit der anderen verbindet.<br />
Das Werk war nun also unter Mitwirken der<br />
Baumeisterfamilien Ensinger und Beblinger<br />
vollbracht und hatte sogar noch einige Features<br />
dabei: das Weltgericht und das Marienleben<br />
wurden als Skulpturen dargestellt, und<br />
die Kirche besitzt in ihrem Chor (Altarraum der<br />
Kirche) drei komplett farbig verglaste Fenster<br />
mit je 30 Scheiben. Im Unterschied zur St. Dionys<br />
Kirche oder der Franziskanerkirche ist<br />
hier sogar die alte Farbverglasung des Maßwerks<br />
erhalten. „Do henn die in Speyer glotza<br />
missa“.<br />
Allerdings: eigentlich ist der Bau an der Frauenkirche<br />
allerdings nie beendet worden. Der<br />
Bau wurde aus Schilfsandstein errichtet, der<br />
schneller verwittert, als er restauriert werden<br />
kann. Deshalb ist die Bauhütte an der nördlichen<br />
Seite der Kirche bis heute noch in Betrieb.<br />
Eigentlich nicht schlimm, denn irgendwie gehört<br />
das Baugerüst am Turm mittlerweile doch<br />
schon fast dazu. (dy)