Download - INSTITUT FÜR AKTUELLE KUNST IM SAARLAND
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Zwischen dem Männerlager und der<br />
Metzer Straße bot ein bisher unbebautes<br />
Flurstück den benötigten<br />
Raum zur Anlage des neuen Versammlungs-<br />
oder Besucherplatzes.<br />
Um ihn deutlich vom Lagergelände<br />
und von der Straße zu unterscheiden,<br />
wurde er mit rechteckigen<br />
Platten aus Waschbeton belegt, die<br />
nicht zuletzt auch durch ihre kräftige<br />
Fugenzeichnung eine markante<br />
Oberflächenstruktur schufen. Dieser<br />
Platz war für die Besucher der<br />
Gedenkstätte in ganzer Länge von<br />
der Metzer Straße aus zugänglich.<br />
Er lief, sich trapezförmig leicht verjüngend,<br />
auf das Männerlager zu<br />
und war seitlich durch Bäume und<br />
Fahnenstangen flankiert. Unmittelbar<br />
vor dem Übergang zum rasenbedeckten<br />
Lagergelände stand der<br />
Gedenkstein – ein niedriges, breites<br />
Objekt aus Waschbeton, das wie ein<br />
Lesepult die gusseiserne Inschriftentafel<br />
präsentierte und eine tablettartige<br />
Unterlage zum Ablegen von<br />
Blumen bot. Durch seine mittige<br />
Ausrichtung auf den »Löschweiher«<br />
wies der Gedenkstein mit der französischen<br />
Inschrift direkt auf das<br />
Zentrum des Leidens und Sterbens<br />
hin, eben jenen Folterort, um den<br />
herum »Verteidiger der menschlichen<br />
Würde und Freiheit in den<br />
Tod geschleppt worden sind«<br />
(»... furent traînés vers la mort les<br />
défenseurs de la dignité et la liberté<br />
humaines...«). Damit Besuchern des<br />
»Gedächtnisplatzes« von diesem<br />
Standort aus der freie Blick auf das<br />
Lagergelände und den »Löschweiher«<br />
möglich war, hatte man im<br />
Bereich des Gedenksteins den hohen<br />
Lagerzaun durch eine niedrige<br />
Absperrung aus Metallketten ersetzt.<br />
Bauarbeiten auf der Metzer Straße,<br />
wahrscheinlich Sommer 1947<br />
16<br />
Die Metzer Straße wurde entlang<br />
des Männerlagers aufgeweitet und<br />
in die Gedenkstätte eingebunden.<br />
Neu angelegte, ebenfalls mit Rasen<br />
eingesäte Verkehrsinseln unterbrachen<br />
hier die Regelmäßigkeit<br />
der von Pappeln gesäumten Landstraße<br />
und führten den aus beiden<br />
Richtungen kommenden Verkehr<br />
an einer neuen städtebaulichen<br />
Dominante vorbei: das von André<br />
Sive entworfene Denkmal, eine<br />
ihre Umgebung deutlich überragende<br />
Stele aus Stahlbeton,<br />
deren Form einem breiten Spektrum<br />
an Assoziationen Raum<br />
bietet: Obelisk, Bajonett, Mast...<br />
Aufgepflanzt in der Straßenmitte,<br />
war dieser axial zu »Löschweiher«<br />
und Gedenkstein gesetzte Zeiger<br />
ein bereits von weitem erkennbarer<br />
Hinweis auf die ehemalige Stätte<br />
des Nazi-Terrors. Gleichzeitig sollte<br />
das Denkmal auch als Markstein<br />
dienen, der – so 1948 in der<br />
führenden Architekturzeitschrift<br />
Frankreichs »L'Architecture<br />
d'Aujourd'hui« zu lesen – »wie ein<br />
stummer Wegweiser für den festen<br />
Willen steht, den Weg für neue<br />
Überfälle zu sperren« (»... haute<br />
borne qui se dresse pour une<br />
indication silencieuse, semble<br />
vouloir affirmer la volonté de<br />
barrer la route à des nouvelles<br />
invasions...«). 14 Dementsprechend<br />
findet in der Betonplastik zusätzlich<br />
auch das Sicherheitsbedürfnis, das<br />
Frankreich aufgrund der von den<br />
deutschen Invasionen verursachten<br />
Leiden entwickelt hatte, einen<br />
symbolischen Ausdruck.<br />
Erkennbar war die Gedenkstätte<br />
Neue Bremm mit mehrfachem<br />
politisch-ideologischen Gehalt<br />
Blick auf das Denkmal aus der Rue des Roses,<br />
Spicheren, 1966<br />
belegt, dessen eingehende Untersuchung<br />
bisher fehlt. Noch einmal<br />
Gilbert Grandval: »Dieses Denkmal<br />
wird das Symbol einer dunklen<br />
Vergangenheit, aber auch das<br />
Zeichen des Glaubens an eine bessere<br />
Zukunft sein. Es ist aber nicht<br />
der Grenzstein zwischen zwei ewig<br />
feindlichen Landschaften, nein, es<br />
ist im Gegenteil der Ort, der<br />
morgen vereinen wird, wie es<br />
heute bereits Frankreich und die<br />
Saar vereint, in einer endgültigen<br />
Weigerung an alles, was die Zwietracht<br />
von gestern wieder lebendig<br />
werden lassen könnte. (...)«<br />
Unter französischer Stabführung<br />
war in Saarbrücken eine Gedenkund<br />
Mahnanlage entstanden, die,<br />
wie die meisten der nach 1945 aus<br />
(Konzentrations-) Lagern entstandenen<br />
Gedenkstätten, von einstigen<br />
Häftlingen initiiert worden war.<br />
Für die Opfer war der »Gedächtnisplatz«<br />
Neue Bremm ein Ort der<br />
Erinnerung und des Gedenkens, für<br />
die deutsche Bevölkerung des Saarlandes<br />
war dem Komplex außerdem<br />
die Funktion einer zukunftsweisenden<br />
Mahnung zugedacht.<br />
In inhaltlicher, funktionaler und<br />
ästhetischer Hinsicht war die Anlage<br />
stimmig auf das Männerlager<br />
bezogen. Sowohl das Gesamtkonzept<br />
als auch die einzeln entworfenen<br />
Bestandteile wie Versammlungsplatz,<br />
Gedenkstein und<br />
Denkmal waren bzw. sind Zeugnisse<br />
der damals favorisierten funktionalistischen<br />
Architektur und<br />
zählen zu den wenigen realisierten<br />
Bauprojekten der französischen<br />
Kulturoffensive an der Saar. Zugleich<br />
kann das Denkmal, in der<br />
Interpretation als Bajonett, aber<br />
auch eine militärische Wurzel der<br />
Gedenkstätte nicht leugnen. Vielleicht<br />
liefert dieser soldatische<br />
Strang eine Erklärung dafür, dass<br />
die Verantwortlichen den jenseits<br />
des Alstinger Weges gelegenen Teil<br />
des »Erweiterten Polizeigefängnisses«<br />
offensichtlich ignorierten. Aus<br />
heutiger Sicht erscheint es jedenfalls<br />
unverständlich, dass das<br />
Frauenlager damals aus dem<br />
»Gedächtnisplatz« ausgeklammert<br />
wurde. Mit dieser Entscheidung<br />
war zugleich der Keim dafür gelegt,<br />
dass das Leid der Frauen in<br />
Vergessenheit geriet, ihr Lagergelände<br />
allmählich zuwucherte und<br />
schließlich veräußert und mit einem<br />
Hotel überbaut werden konnte.