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1 WOZU DAS THEATER? [...] Wulf Schlünzen Eine ... - Thomas Faupel

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Grundlage baut die Theaterarbeit auf, indem sie die Gestaltungsvorschläge<br />

weiterentwickelt.<br />

Die persönlich gefärbten Gestaltungsvorschläge sind ein Gewinn für die ästhetische<br />

Gestaltung, denn die gestalteten Rollen wirken authentisch; wir nehmen als Zuschauer<br />

den Darstellern ihre gestalteten Rollen ab, ob sie nun ganz nah an den unmittelbaren<br />

Erfahrungsfeldern der Schülerinnen und Schüler bleiben oder sich weiter entfernen. Wir<br />

spüren, dass sie sich auch fremde Rollen anverwandeln können.<br />

Das szenische Gestalten durchläuft einen Regelkreis von Probieren, Beobachten,<br />

Wahrnehmen, Erinnern, Empfinden, Imaginieren, Reflektieren und Kommunizieren. Es<br />

bleibt nicht beim ersten, vielleicht noch etwas unbedarften Versuch. Die Aufgabe der<br />

Spielleitung ist es, den Schülerinnen und Schülern klar zu machen, dass es nicht nur<br />

darauf ankommt, sich gut zu fühlen, sondern dass es auch darum geht, das Publikum zu<br />

erreichen.<br />

Dass es Gestaltungsmittel gibt, die etwas rüberbringen können, dass also nicht nur die<br />

inhaltliche Botschaft, sondern auch die gewählte Form ausschlaggebend für die<br />

Wirksamkeit ist, wird im Schultheater für Schülerinnen und Schüler wichtig und<br />

nachvollziehbar. Beim spielerischen Ausprobieren erfahren die Schülerinnen und<br />

Schüler, dass ihre individuellen Fähigkeiten zu einer Bereicherung der<br />

Gestaltungsmöglichkeiten führen. So können die Schülerinnen und Schüler ihre<br />

kreativen Möglichkeiten nutzen und weiterentwickeln und dabei zugleich Erfahrungen<br />

machen, die sie in ihrem Selbstvertrauen stärken.<br />

• Theater ermöglicht den Kindern und Jugendlichen, sich mit ihrer Person im Vorgang des<br />

Darstellens auszudrücken, und das auch in fremden Rollen. Die Besonderheit der eigenen<br />

Persönlichkeit wird als wichtig erfahren und somit nicht als Defizit, das an einem objektiven<br />

Maßstab abgewertet wird.<br />

Auch im Schultheater geht kein Weg daran vorbei, dass sich jede Aufführung an ein<br />

Publikum richtet. Aber das ist für die Schülerinnen und Schüler gerade sehr attraktiv: Denn<br />

hier erreichen sie eine (Schul-) Òffentlichkeit, die für sie in der Schule und erst recht in den<br />

anderen Fàchern unerreichbar ist.<br />

2. „Immer soll ich nett sein, und ordentlich und fleißig und überhaupt!“<br />

Seit Jahrtausenden wird die jeweils folgende Generation von den Älteren misstrauisch<br />

beäugt. Danach müsste es einen immerwährenden Abstieg gegeben haben. Das istnatürlich und<br />

nachweislich Unsinn; und die jeweils junge Generation wehrt sich zu<br />

Recht dagegen, denn jede Generation muss selbst ihre Antworten auf die in ihrer<br />

Gegenwart aufgeworfenen Fragen finden. Wenn Theater direkt und allgemeine<br />

Gültigkeit versprechend zur einseitig verstandenen moralischen Anstalt mit erhobenem<br />

Zeigefinger wird, wird es schwierig, gerade auch für junge Leute, die sich nicht gern von<br />

der älteren Generation vorschreiben lassen wollen, was moralisch erstrebenswert oder<br />

abzulehnen ist.<br />

Theater kann sich nicht zum Sprachrohr gut gemeinter moralischer Grundsätze machen.<br />

Daher wirkt es dann auch meist nicht im beabsichtigten Sinne, wenn es allzu sehr in den<br />

Dienst löblicher gesellschaftlicher Forderungen gestellt wird. Es lebt vielmehr eher vom<br />

Gegenteil: von der Auseinandersetzung, sogar vom Einverständnis mit dem<br />

gesellschaftlich bedingten moralischen Verstoß, vom Widerstand gegen gesellschaftliche<br />

Ge- und Verbote. Es bietet einem sogar die Möglichkeit, für einen begrenzten Zeitraum<br />

in Rollen zu schlüpfen, die einem selbst „gegen den Strich“ gehen, und dabei die<br />

Motive und Emotionen „am eigenen Leib“ zu erfahren, wenn auch nur zum Schein, im<br />

„Als-ob“ der Rollendarstellung.<br />

• Theater funktioniert nicht als Sprachrohr von „political correctness“. Es ist vielmehr ein<br />

Forum für Widerstand und Aufbegehren, was gerade Jugendlichen entgegenkommt. Jede<br />

Generation muss die Möglichkeit haben, den vorhandenen gesellschaftlichen Zustand in<br />

Frage zu stellen.<br />

4. „Einmal jemand Anders sein!“<br />

Mit diesem Ausspruch ist die Bühnenfigur Leonce des jungen Autors Georg Büchner<br />

auch heute noch Sprachrohr jugendlichen Selbstverständnisses. Und das ist nicht nur<br />

Ausdruck persönlicher Unsicherheit, sondern ein Lust besetzter Wunsch: „Der Mensch,<br />

in ein kurzes Dasein gesetzt, in eine dicht gedrängte Fülle verschiedenartigster<br />

Menschen, die ihm so nahe und doch so unfassbar fern sind, hat eine unwiderstehliche<br />

Lust, sich im Spiel seiner Phantasie von einer Gestalt in die andere, von einem Schicksal<br />

ins andere, von einem Affekt in den anderen zu stürzen.“ (Max Reinhardt)<br />

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