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teil2_einf__hrung.pdf - 823 kB - Gemeinde Hohenstein

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Inhalt<br />

Einfü<strong>hrung</strong> Seite 5<br />

Konzeption Seite 12<br />

Projektverlauf – Künstlerische Seite 20<br />

Konzeptentwicklungen<br />

Künstlerische Seite 38<br />

Konzepte<br />

Projektverlauf – Seite 52<br />

Realisierungen<br />

Anhang Seite 67<br />

Zur Broschüre<br />

Die Broschüre dokumentiert den Verlauf des<br />

Projekts „Kunst im Dorf”. Darüber hinaus enthält<br />

sie Anregungen und Hilfestellungen für <strong>Gemeinde</strong>n<br />

in Baden-Württemberg, die Kunstprojekte im<br />

Kontext kommunaler Planung initiieren wollen.<br />

Die Einfü<strong>hrung</strong> vorab beginnt mit einleitenden<br />

Sätzen der Kuratorin zum Gesamtprojekt, im Folgenden<br />

gibt es Informationen zur <strong>Gemeinde</strong><br />

<strong>Hohenstein</strong>, zu den kommunalen Planungen in<br />

Ödenwaldstetten und zur Kunst im öffentlichen<br />

Raum allgemein.<br />

Das erste Kapitel stellt die konzeptionellen Grundlagen<br />

von „Kunst im Dorf” dar. Im zweiten Kapitel ist<br />

der Projektverlauf von Mai 2002 bis Dezember 2003<br />

dokumentiert. Das dritte Kapitel enthält die eingereichten<br />

künstlerischen Konzepte, die jeweils von<br />

den KünstlerInnen selbst gestaltet sind. Das vierte<br />

Kapitel beinhaltet den Prozess der Realisierungen<br />

der Projekte „<strong>Hohenstein</strong>TISCH” von Ulrike Böhme<br />

und „Labyrinth und Prärie” von Boris Sieverts.<br />

Im Anhang finden sich Informationen zur Zeitplanung,<br />

zur Kostenplanung und zum Entwicklungsprogramm<br />

Ländlicher Raum des Landes<br />

Baden-Württemberg.<br />

Im Text laufen drei inhaltliche Ebenen parallel: die<br />

dokumentarische Ebene, die Kommentarebene und<br />

die Leitfadenebene.<br />

Die dokumentarische Ebene folgt in ihrem Bericht<br />

der Projektchronologie. Überschriften erleichtern<br />

das Querlesen.<br />

Die Kommentarebene, kursiv gedruckt, bilden<br />

Zitate aus den Erfa<strong>hrung</strong>sberichten der Projektbeteiligten.<br />

Zusätzlich kommentieren Schlagzeilen<br />

und Presseausschnitte den Ablauf.<br />

Die Texte des Leitfadens sind jeweils mit dem<br />

Zeichen markiert. Da jedes Kunstprojekt, der<br />

Situation vor Ort angepasst, andere Bedingungen<br />

hat, will der Leitfaden kein verbindliches Schema<br />

liefern. Die Leitfadentexte sind als Anregung bei<br />

der Durchfü<strong>hrung</strong> von Kunstprojekten im Kontext<br />

kommunaler Planung zu verstehen.


Einfü<strong>hrung</strong><br />

Seit Sommer 2002 werden in der <strong>Gemeinde</strong> <strong>Hohenstein</strong><br />

neue Wege der Integration von künstlerischer<br />

Arbeit in kommunale Planungsprozesse beschritten.<br />

Beim Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen wird<br />

von funktionalen Anforderungen ausgehend geplant.<br />

Dabei werden kulturelle, historische oder soziale<br />

Belange oft nur am Rand beachtet. Doch je nachdem,<br />

welche Aspekte in die Planung einbezogen sind, stellen<br />

sich Gestaltungsfragen anders. Im Rahmen von<br />

„Kunst im Dorf“ sollen Aspekte, die sonst übergangen<br />

werden, durch KünstlerInnen aufgegriffen, in die<br />

Planung <strong>einf</strong>ließen. Innovative Impulse für die Neugestaltung<br />

der Ortsdurchfahrt und des Rathausplatzes<br />

im Teilort Ödenwaldstetten, darüber hinaus<br />

für die Dorfentwicklungsplanung, werden erwartet.<br />

Im Rahmen eines beschränkten, künstlerischen<br />

Wettbewerbs von Juli 2002 bis November 2002<br />

entwickeln sechs KünstlerInnen/-teams aus dem<br />

Bundesgebiet Konzepte, die an die Planungen in der<br />

<strong>Gemeinde</strong> anknüpfen. Der Sommer 2002 in <strong>Hohenstein</strong><br />

ist spannend. Die KünstlerInnen Ulrike Böhme<br />

(Stuttgart), Brigitte Braun/Betina Panek (Reutlingen),<br />

Katja Heinecke/Reinhard Krehl (Leipzig), Matthias<br />

Schmidt (Potsdam), Boris Sieverts (Köln), Francis<br />

Zeischegg (Berlin) sind über Wochen abwechselnd in<br />

der <strong>Gemeinde</strong> präsent. Es kommt ein lebendiger<br />

Kommunikationsprozess zwischen den Projektbeteiligten,<br />

vor allem aber zwischen den BewohnerInnen<br />

und den KünstlerInnen in Gang. Die Bevölkerung ist<br />

von Beginn an in das Kunstprojekt mit einbezogen.<br />

Nicht nur Besonderheiten im Verfahren, wie der Infopool<br />

oder die „Offene Runde“, sondern auch die unmittelbare<br />

Umsetzung von Anregungen aus der Bevölkerung<br />

führen zu einem dynamischen Projektablauf.<br />

Seit März 2003 läuft die Realisierung des Projekts<br />

„<strong>Hohenstein</strong>TISCH“ von Ulrike Böhme und „Labyrinth<br />

und Prärie” von Boris Sieverts. Beide Projekte spiegeln<br />

die aktuelle künstlerische Diskussion um den<br />

öffentlichen Raum wider. Beide Projekte sind prozesshaft<br />

angelegt und beziehen die Bevölkerung maßgeblich<br />

in die Realisierung mit ein. Der „<strong>Hohenstein</strong>TISCH”<br />

geht im September 2003 in die Obhut der <strong>Gemeinde</strong><br />

über. Das Projekt von Boris Sieverts wird parallel zur<br />

Neuerstellung der Dorfentwicklungsplanung bis zum<br />

Sommer 2004 weitergehen. Im Rahmen eines Festes<br />

am 6./7. September 2003 wird der „<strong>Hohenstein</strong>-<br />

TISCH“ aufgestellt und das „Labyrinth” als „Lichterfest<br />

hinter den Häusern” inszeniert.<br />

Das Projekt „Kunst im Dorf” ist in dreierlei Hinsicht<br />

ungewöhnlich:<br />

1. Während im städtischen Bereich häufiger künstlerische<br />

Wettbewerbe in Verbindung mit kommunalen<br />

Planungen durchgeführt werden, findet man diese<br />

Praxis in kleineren <strong>Gemeinde</strong>n selten.<br />

2. Für Wettbewerbe sonst eher unübliche Planungskontexte<br />

(Ortsdurchfahrt, Dorfentwicklungsplanung)<br />

stehen in <strong>Hohenstein</strong> in Verbindung mit dem Kunstprojekt.<br />

3. Sowohl vor dem Hintergrund neuer künstlerischer<br />

Arbeitsweisen als auch vor dem Hintergrund des<br />

Anspruchs der Bürgerbeteiligung werden Verfahrensweisen<br />

probiert, die für das Gelingen die erforderlichen<br />

Bedingungen schaffen.<br />

KünstlerInnen rücken Fragen und Aspekte ins Licht,<br />

die sonst unbemerkt bleiben und übergangen werden.<br />

Indem sie einbezogen werden, lassen sich ortsspezifischere<br />

Gestaltungslösungen finden. Dies<br />

erleichtert es den Einwohnern, sich stärker mit der<br />

<strong>Gemeinde</strong> zu identifizieren. Die weitere Entwicklung<br />

der <strong>Gemeinde</strong> kann durch diesen Zugewinn an<br />

Identifikation und Attraktivität wichtige Impulse für<br />

die Zukunft erhalten. „Kunst im Dorf” wird getragen<br />

von der <strong>Gemeinde</strong> <strong>Hohenstein</strong>. Es wird vom<br />

Ministerium für Ernä<strong>hrung</strong> und Ländlichen Raum<br />

Baden-Württemberg im Rahmen des Entwicklungsprogramms<br />

Ländlicher Raum (ELR) gefördert.<br />

Meine Arbeit in <strong>Hohenstein</strong> wird begleitet von einem<br />

vertrauensvollen Umgang, von interessanten Begegnungen<br />

und vielen offenen Gesprächen. Allen Projektbeteiligten<br />

und den KünstlerInnen sei hierfür herzlich<br />

gedankt. Ihre Offenheit und ihr Engagement haben<br />

zum Erfolg des Projekts maßgeblich beigetragen.<br />

Doris Koch – Kuratorin<br />

5


6<br />

Die <strong>Gemeinde</strong><br />

<strong>Hohenstein</strong> liegt im ländlich strukturierten Raum<br />

der Mittleren Schwäbischen Alb und gehört zum<br />

Landkreis Reutlingen. Die Dörfer Bernloch, Eglingen,<br />

Meidelstetten, Oberstetten und Ödenwaldstetten<br />

sind seit der <strong>Gemeinde</strong>reform 1975 zusammengeschlossen<br />

und bilden die <strong>Gemeinde</strong> <strong>Hohenstein</strong>.<br />

Die Verwaltung der 3712 Einwohner zählenden<br />

<strong>Gemeinde</strong> hat ihren Sitz in Ödenwaldstetten.<br />

<strong>Hohenstein</strong> befindet sich wie viele <strong>Gemeinde</strong>n im<br />

Wandel. Zwei Aspekte dieses Wandels, die im Projektablauf<br />

diskutiert wurden, seien an dieser Stelle<br />

herausgegriffen. In der ehemals landwirtschaftlich<br />

geprägten Gegend zeigen sich die strukturellen<br />

Veränderungen in der Landwirtschaft grundlegend.<br />

In den 60er Jahren sind durch die Flurbereinigung<br />

viele Landwirte aus dem Ortskern in die Landschaft<br />

ausgesiedelt. Bis heute ist ein deutlicher Rückgang<br />

der Landwirtschaft zu verzeichnen. Viele ehemalige<br />

landwirtschaftliche Anwesen im Innerortsbereich<br />

stehen leer bzw. sind von der Aufgabe bedroht.<br />

Diese Situation bedeutet eine Herausforderung für<br />

die weitere Dorfentwicklung.<br />

Wie in anderen Albdörfern haben sich kommunale<br />

Gemeinschaftseinrichtungen, wie z. B. eine Gemeinschaftsgefriere,<br />

das Waschhaus oder die Molke bis<br />

in die 70er Jahre hinein gehalten. Heute gibt es<br />

diese Gemeinschaftseinrichtungen nicht mehr. Die<br />

noch verbliebenen Einzelhandelsläden in den kleineren<br />

Dörfern sind von der Schließung bedroht.<br />

Ein Ersatz für diese wichtigen Kommunikationsorte<br />

wird gesucht. Vor dem Hintergrund veränderter<br />

individueller Lebensstile lautet die Frage: Wie lässt<br />

sich in einer <strong>Gemeinde</strong> Gemeinschaft und Identität<br />

herstellen und wie drücken sie sich aus?<br />

Anliegen des Projekts „Kunst im Dorf” sind: Die<br />

Kommunikation über gegenwärtige Situationen in<br />

der <strong>Gemeinde</strong> zu fördern. Und dabei die<br />

Beteiligung der BürgerInnen zu ermöglichen. Die<br />

Suche nach Lösungen für räumliche Neugestaltung<br />

soll mit der aufmerksamen Wahrnehmung struktureller,<br />

sozialer und historischer Gegebenheiten verbunden<br />

werden. Das Projekt wird so dem Maßstab<br />

und der Eigenheit der Kommune angepasst.<br />

Ortsspezifische Lösungen<br />

Eine <strong>Gemeinde</strong>, die sich auf ein Kunstprojekt im<br />

Kontext kommunaler Planung einlässt, ist bereit,<br />

auch ungewöhnliche Wege zu beschreiten. Sie<br />

kann dafür Lösungen erwarten, die im besten Sinne<br />

„eigenartig“ sind. Das heißt, die Eigenart der<br />

<strong>Gemeinde</strong> wird erfahrbar und führt zu einem von<br />

anderen unterscheidbaren Profil dieser <strong>Gemeinde</strong>.<br />

Neue Aspekte werden sichtbar<br />

Durch das Kunstprojekt wird in der <strong>Gemeinde</strong> eine<br />

Kommunikationsplattform geschaffen, die aus dem<br />

sonstigen Alltagsgeschehen herausragt. Was hier<br />

verhandelt wird, ist offener als bei üblichen<br />

Bürgerbeteiligungsverfahren in Planungsprozessen,<br />

da auch Abseitiges, Fragwürdiges, Lustiges,<br />

Widersprüchliches zur Sprache kommt.


„Für mich war von Beginn an wichtig, dass ‚Kunst<br />

im Dorf‘ in Ödenwaldstetten bzw. in <strong>Hohenstein</strong><br />

nur in einer Form realisiert wird, die von den<br />

Bürgern mitgetragen und akzeptiert ist.”<br />

(<strong>Gemeinde</strong>vertreter)<br />

Die Planung<br />

Das Projekt „Kunst im Dorf“ steht im Zusammenhang<br />

der Planungen zur Neugestaltung der Ortsdurchfahrt,<br />

der Freiraumplanung um den Rathausneubau<br />

mit dem Rathausplatz in Ödenwaldstetten. Zusätzlich<br />

wird die Erstellung der neuen Dorfentwicklungsplanung<br />

in Ödenwaldstetten mit einbezogen.<br />

Sowohl die Freiraumplanung um das Rathaus als<br />

auch die Planung der Ortsdurchfahrt stehen zu<br />

Beginn des Projekts „Kunst im Dorf“ kurz vor dem<br />

Abschluss. Ihre Umsetzung ist ab dem Frühjahr 2003<br />

vorgesehen. Die Arbeit an der Dorfentwicklungsplanung<br />

hat gerade begonnen. Drei Planungsbüros<br />

sind am Projekt beteiligt. Alle drei Planer erklären<br />

sich bereit, Ideen und Anregungen von den Künstlern<br />

aufzunehmen und in die Planungen einzuarbeiten.<br />

Das Mehrzweckgebäude in Ödenwaldstetten Das 2002 fertig gestellte Rathaus der <strong>Gemeinde</strong><br />

Der Rathausplatz<br />

Das neue Rathausgebäude <strong>Hohenstein</strong>s wird am<br />

alten Standort in Ödenwaldstetten errichtet. Die<br />

Sanierung des gegenüberliegenden Bürgerhauses<br />

erfolgt zeitgleich. Zwischen den Gebäuden ergibt<br />

sich eine neue räumliche Situation, die als Platz<br />

gestaltet werden soll.<br />

Die Ortsdurchfahrtsstraße durchschneidet den<br />

Platz. Die Verbindung beider Straßenseiten stellt<br />

eine besondere Herausforderung an die Gestaltung<br />

dar. Der Platz soll für Feste nutzbar sein und<br />

daher keine trennenden Elemente enthalten. Im<br />

Bürgerhaus ist die Feuerwehr untergebracht. Auf<br />

dem Platz wird der Maibaum und der Weihnachtsbaum<br />

seinen Standort haben. Die Planung umfasst<br />

darüber hinausgehend den gesamten Freiraum um<br />

das Rathaus. In die Neugestaltung noch einbezogen<br />

ist eine Bushaltestelle mit Wartehäuschen.<br />

Planungsstand vom Juli 2002<br />

7


8<br />

In welche Richtung soll die künftige<br />

Entwicklung der <strong>Gemeinde</strong> gehen?<br />

Die Ortsdurchfahrt<br />

Die notwendige Sanierung des Kanalsystems und<br />

der Wasserleitung war Anlass, die Ortsdurchfahrt<br />

neu zu gestalten. In der Hauptsache werden zwei<br />

Ziele verfolgt: den Durchgangsverkehr durch die<br />

Reduzierung der Fahrbahnbreite zu verlangsamen<br />

und die Randbereiche der Straße durch die<br />

Neugestaltung aufzuwerten.<br />

Sanierung von Altbauen und Neugestaltung<br />

des zugehörigen Freiraumes, aber wie?<br />

Die Reduzierung der Fahrbahnbreite wird unterstützt<br />

durch ein seitliches Pflasterband, der sog.<br />

Homburger Kante. Die Hofzufahrten werden mit<br />

Pflastersteinen optisch betont. Die daran angrenzenden<br />

Flächen sind größtenteils in Privatbesitz.<br />

Ihre Gestaltung obliegt den Anliegern. Nur an einzelnen<br />

öffentlichen Stellen stehen Flächen zur<br />

Begrünung zur Verfügung.<br />

Der Farrenstall wird nicht mehr genutzt –<br />

durch Abriss neuen Freiraum schaffen?<br />

Die Dorfentwicklungsplanung<br />

Das Erstellen einer Dorfentwicklungskonzeption ist<br />

eine frühe Planungsphase, aus der sich Zielvorstellungen<br />

für die weitere Planung entwickeln lassen.<br />

Sie bildet die Grundlage für die Fortschreibung des<br />

Flächennutzungsplans und für städtebauliche Verbesserungsmaßnahmen<br />

im alten Ortskern. Sie<br />

beinhaltet eine Bestandsanalyse des Siedlungsraumes,<br />

die seine Stärken und Schwächen aufzeigt.<br />

Folgende Schwerpunkte sollen in Ödenwaldstetten<br />

untersucht werden: Möglichkeiten der Umnutzung<br />

für leer stehende Gebäude, Verdichtung von<br />

Baulücken, Schaffung von Freiräumen im dicht<br />

bebauten innerörtlichen Bereich.


„Der Modellcharakter des Projekts besteht darin, dass nach neuen<br />

Wegen gesucht wird, die Praxis der Dorfentwicklung zu verbessern.<br />

In vielen Fällen spiegelt diese nicht mehr genügend die<br />

Wünsche und Realitäten der Bevölkerung wider.” (KünstlerIn)<br />

Synchronisierung künstlerischer<br />

und planerischer Arbeit<br />

Die Chance, dass ein Kunstprojekt im Kontext kommunaler<br />

Planung greift, ist größer, je früher man<br />

den Zeitpunkt wählt, an dem das Projekt einsetzt.<br />

Durch das parallele Arbeiten der PlanerInnen und<br />

der KünstlerInnen sind die besten Voraussetzungen<br />

für einen inspirierenden Austausch gegeben.<br />

Geeignete Planungskontexte<br />

Als geeignete Planungskontexte, an die ein Kunstprojekt<br />

anknüpft, gelten Instrumente der Stadtplanung<br />

von der frühen Entwicklungsplanung bis<br />

zu Bauleitplanungen, von speziellen Einzelthemen<br />

wie Verkehrsplanung oder Platzgestaltung bis hin<br />

zur kommunalen Gesamtentwicklung.<br />

Effizienz städtebaulicher Maßnahmen<br />

Im Rahmen des partizipativen Kunstprojekts ist die<br />

Einbeziehung ganz unterschiedlicher Kompetenzen<br />

im Gespräch über die Planung möglich. Die Effizienz<br />

städtebaulicher Maßnahmen wird gefördert. Fehlplanungen<br />

können vermieden werden.<br />

9


10<br />

Die Kunst<br />

Kunst im öffentlichen Raum kennt viele Formen<br />

und unterschiedliche künstlerische Positionen. Seit<br />

der umfassenden Kritik der Kunst im öffentlichen<br />

Raum unter dem Stichwort „dropt sculptures“ in<br />

den 80er Jahren haben KünstlerInnen ihre Rolle<br />

neu definiert. Nicht allein das Einzigartige, das<br />

Authentische des Künstlers steht seitdem im<br />

Vordergrund, sondern der Dialog und der Kontakt<br />

mit dem Umraum und dem Publikum. Es entwickelten<br />

sich neue Werkformen. Begriffe wie<br />

Installation, Aktion, Intervention, partizipative<br />

Kunst oder situative Kunst beschreiben dies. Selbst<br />

der Begriff „Kunst im öffentlichen Raum“ erscheint<br />

nach den Diskussionen der letzten Jahre antiquiert.<br />

„Site specific“, „New Genre Public Art“ oder<br />

„Kunst des Öffentlichen“ sind an seine Stelle<br />

getreten. Damit sei angedeutet, dass in diesem<br />

Bereich der Kunst viel in Bewegung ist. Verschiedene<br />

Hintergründe der Entwicklung in den letzten<br />

Jahrzehnten sollen an dieser Stelle dargestellt werden<br />

und einen ausschnitthaften Einblick geben.<br />

In den 1970er Jahren zum Beispiel waren Stadtteilerneuerungen<br />

für KünstlerInnen vermehrt ein<br />

Thema. Der Künstler Paul Panhuysen zum Beispiel<br />

beteiligte sich an der Neugestaltung eines Straßenabschnitts<br />

mit verschiedenen Aktionen. Mit neuen<br />

Konzepten versuchten sie gegen die Entfremdung<br />

öffentlicher Planung von den Bedürfnissen der<br />

BewohnerInnen zu wirken. Weder Strategien der<br />

Verschönerung noch autonome Experimente schienen<br />

dazu geeignet. Vielmehr bekam der Prozess<br />

der Gestaltung selbst einen eigenständigen künstlerischen<br />

Werkcharakter. Dies wurde in Projekten,<br />

die eine aktive Beteiligung der Bevölkerung vorsehen,<br />

weiterentwickelt. Adjektive wie „prozessorientiert”<br />

und „partizipativ” sind seit den 1990er<br />

Jahren eng mit der Kunst im öffentlichen Raum verbunden.<br />

Paul Panhuysen. Wegafsluiting.<br />

Veendam/Niederlande, 1970.<br />

Vor allem seit dem Ende der 1980er Jahre suchten<br />

KünstlerInnen nach Wegen, die Kluft zwischen<br />

der Kunst und ihrem Publikum zu überwinden. Die<br />

Kunst war in ihrem Bezug auf die eigene Geschichte<br />

und auf das eigene System so selbstbezüglich<br />

geworden, dass Laien nur noch schwer Zugang fanden.<br />

In zahlreichen Konflikten um Kunstwerke im<br />

öffentlichen Raum ist diese Situation dokumentiert.<br />

KünstlerInnen begannen, sich über den Ortsbezug<br />

hinaus mit sozialen und kulturellen Aspekten ihrer<br />

Umgebung auseinander zu setzen. Heute ist „Kunst<br />

im Kontext“ ein feststehender Begriff. Er beschreibt<br />

eine künstlerische Arbeitsweise, die sich<br />

direkt auf verschiedene Aspekte des Vorhandenen<br />

bezieht. Werkformen von kontextueller Kunst können<br />

denkbar unterschiedlich sein. Sie reichen von<br />

skulpturalen oder objekthaften Formen bis hin zu<br />

konzeptuellen oder medialen.<br />

Die herkömmliche Form der Skulptur, platziert im<br />

öffentlichen Raum, wurde mehr und mehr abgelöst<br />

von Projekten und Interventionen. KünstlerInnen<br />

wollten dem mit Werbung und Objekten überfüllten<br />

öffentlichen Raum nicht weitere (Kunst-)<br />

Objekte hinzufügen. Viele reduzierten die Präsenz<br />

ihrer Werke und brachten sie fast zum Verschwinden.<br />

Konsequenterweise wird dem zeitlich<br />

Begrenzten im Gegensatz zum dauerhaft Anwesenden<br />

vielfach der Vortritt gegeben.


Die Kunst stellt in unterschiedlicher Weise eine<br />

Differenz zum Gewohnten her. In diesem Raum der<br />

Differenz eröffnen sich Möglichkeiten für ungewöhnliche<br />

Perspektiven, für die Hinterfragung von<br />

Vorgängen und Handlungsweisen, für neue Erkenntnisse,<br />

für Begegnungen und Kommunikation,<br />

auch für Spaß und Heiterkeit.<br />

Christian Hasuchas Platzvertauschung in Pulheim<br />

ist zugleich irritierend, erheiternd und hinterfragend.<br />

Er greift in die Platzgestaltung auf denkbar<br />

<strong>einf</strong>ache Weise ein. Eine zirka 25 m 2 große Fläche<br />

an der Pulheimer Realschule wird gegen eine<br />

gleich große Fläche vor der 5 km entfernten Abtei<br />

im Ortsteil Brauweiler ausgetauscht. Straßenbeläge,<br />

Poller, Fahrradständer, Abfallkorb und ein<br />

Stück Jägerzaun wechseln den Standort.<br />

Christian Hasucha. Die Pulheimer Rochade.<br />

Pulheim, 1999/2000.<br />

Ein Kunstprojekt im Kontext kommunaler Planung<br />

sollte einen Rahmen bieten, in dem KünstlerInnen<br />

– und vielleicht auch PlanerInnen – quer zu den<br />

üblichen planerischen Prozessen arbeiten können.<br />

Dafür brauchen sie Bedingungen, die es ihnen<br />

ermöglichen, sich auf die <strong>Gemeinde</strong>, auf den<br />

Stadtteil, auf Situationen vor Ort anders einzulassen.<br />

Herkömmliche künstlerische Wettbewerbe,<br />

die der planerischen Arbeit zumeist nachgeschoben<br />

sind, schaffen solche Bedingungen selten. Bei<br />

Verfahren, in denen ein Anspruch auf Bürgerbeteiligung<br />

formuliert ist, wird dies oftmals besonders<br />

sichtbar.<br />

Das Projekt „Kunst im Dorf“ machte es sich zur<br />

Aufgabe, die nötigen Bedingungen, gerade für<br />

künstlerische Projekte im Kontext kommunaler<br />

Planung, die eine Beteiligung der Bevölkerung vorsehen,<br />

zu überprüfen und zu bestimmen.<br />

Innovative Impulse für die Planung<br />

Das gemeinsame Interesse aller Projektbeteiligten<br />

an der Hervorbringung künstlerischer Arbeiten mit<br />

hoher aktueller Qualität begünstigt die Suche nach<br />

innovativen Impulsen für den Planungskontext. Die<br />

Respektierung des künstlerischen Freiraumes ist<br />

hierfür bei Kunst im Kontext eine wesentliche<br />

Voraussetzung.<br />

Begleitende Kunstvermittlung<br />

Die aktuelle künstlerische Praxis mit ihrem veränderten<br />

Werkbegriff widerspricht oft der landläufigen<br />

Kunstvorstellung der Bevölkerung. Deshalb<br />

muss bei einem Kunstprojekt die Kunstvermittlung<br />

mit bedacht werden. Sie sollte auf verschiedenen<br />

Ebenen angeboten werden: Vorträge, öffentliche<br />

Präsentationen, Künstlergespräche, Präsenz der<br />

Künstler vor Ort.<br />

„Insbesondere eine prozesshaft angelegte künstlerische Praxis, die oftmals in der Auseinandersetzung nicht nur<br />

mit dem räumlichen, sondern auch mit dem sozialen und kulturellen Kontext ihre Konzepte entwickelt, steht<br />

vor dem Problem, bei Beginn der Arbeit noch nicht definieren zu können, wie sich die Untersuchung des<br />

Aufgabenfeldes gestaltet und von welcher Beschaffenheit schlussendlich das Kunstwerk sein wird. Umso mehr<br />

bedarf es daher für diese zeitgenössischen Formen künstlerischer Praxis einer offenen Form als auch der<br />

Aufgeschlossenheit und des Vertrauens der beteiligten Akteure.” (Kunstsachverständiger)<br />

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