Prozesse im Tandem optimieren lassen JAHRBUCH 2009 - BWGV
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<strong>Prozesse</strong><br />
<strong>im</strong> <strong>Tandem</strong><br />
opt<strong>im</strong>ieren<br />
<strong>lassen</strong><br />
<strong>JAHRBUCH</strong> <strong>2009</strong><br />
GENOSSENSCHAFTEN IN BADEN-WÜRTTEMBERG<br />
<strong>JAHRBUCH</strong> 08/09<br />
Genossenschaften in Baden-Württemberg<br />
1
UNSERE GENOSSENSCHAFTEN 2008<br />
GENOSSENSCHAFTEN 2008 Millionen € Veränderung<br />
bzw. Anzahl in %<br />
242 Volksbanken und Raiffeisenbanken<br />
Geschäftsvolumen 121.243 + 6,4<br />
Bilanzwirksames Kundenkreditvolumen 71.002 + 2,8<br />
Außerbilanzielles Kundenkreditvolumen 9.522 – 0,2<br />
= Betreutes Kundenkreditvolumen 80.524 + 2,5<br />
Bilanzielles Kundeneinlagenvolumen 88.657 + 4,8<br />
Außerbilanzielles Kundenanlagevolumen 53.630 – 15,9<br />
= Betreutes Kundenanlagevolumen 142 .287 – 4,1<br />
Betreutes Kundenvolumen 222.811 – 1,8<br />
Mitglieder (Anzahl) 3.275.363 + 0,1<br />
Mitarbeiter (Anzahl) 24.283 – 1,3<br />
447 Raiffeisen-Genossenschaften und 4 Zentralen 1)<br />
Gesamtumsatz 4.025 + 11,3<br />
Allgemeine Ware<br />
darunter: Bezugs- u. Absatzgenossen-<br />
1.713 + 23,9<br />
schaften/Lagerhausgenossenschaften/ZG 1.532 + 29,4<br />
Milch 1.054 – 0,1<br />
Wein 544 + 0,3<br />
Vieh 423 + 8,7<br />
Obst, Gemüse, Blumen 291 + 17,9<br />
Mitglieder (Anzahl) 122.966 – 0,5<br />
Mitarbeiter (Anzahl) 6.718 + 2,3<br />
115 Gewerbliche Genossenschaften und 1 Zentrale 1)<br />
Gesamtumsatz 4.781 + 7,0<br />
Einkaufsgenossenschaften des Handels 2.770 + 5,7<br />
Einkaufsgenossenschaften des Handwerks 1.725 + 7,9<br />
Mitglieder (Anzahl) 28.207 + 2,0<br />
Mitarbeiter (Anzahl) 4.008 ± 0,0<br />
1) vorläufige Zahlen
Inhalt<br />
Der Vorstand – Was uns bewegt | 4<br />
Der Verbandsrat | 5<br />
Finanzkrise:<br />
Der SoFFin muss Sanierungskonzepte vereinbaren | 6<br />
Bilanzrecht bleibt mittelstandsgerecht | 10<br />
Finanzkrise: Volksbanken Raiffeisenbanken<br />
haben sich hervorragend behauptet | 11<br />
Volksbanken Raiffeisenbanken fördern<br />
das gesellschaftliche Leben | 15<br />
Genossenschaften sind ein Erfolgsmodell | 18<br />
Raiffeisen mit zweistelligem Umsatzsprung | 22<br />
Bodensee-Äpfel von starker Erzeugergemeinschaft | 25<br />
Der Handel und das Handwerk florierten | 27<br />
Der Baden-Württembergische Genossenschaftsverband<br />
<strong>im</strong> Porträt | 29<br />
<strong>JAHRBUCH</strong> <strong>2009</strong><br />
Genossenschaften in Baden-Württemberg<br />
3
Herbert Schindler, Gerhard Roßwog, Gerhard Schorr (v.l.n.r.)<br />
Der Vorstand<br />
Gerhard Roßwog<br />
Verbandspräsident Wirtschaftsprüfer<br />
Steuerberater Dipl.-Kfm.<br />
Präsident des Baden-Württembergischen<br />
Genossenschaftsverbandes<br />
Herbert Schindler<br />
Verbandsdirektor Wirtschaftsprüfer<br />
Steuerberater Dipl.-Bw. (FH)<br />
Vorstandsmitglied<br />
des Baden-Württembergischen<br />
Genossenschaftsverbandes<br />
Gerhard Schorr<br />
Verbandsdirektor Wirtschaftsprüfer<br />
Steuerberater Dipl.-Kfm.<br />
Vorstandsmitglied<br />
des Baden-Württembergischen<br />
Genossenschaftsverbandes<br />
4 <strong>JAHRBUCH</strong><br />
<strong>2009</strong><br />
Genossenschaften in Baden-Württemberg<br />
Was<br />
uns<br />
bewegt<br />
Mit dem Jahrbuch <strong>2009</strong> stellt sich die genossenschaftliche Gruppe in Baden--<br />
Württemberg insgesamt zum ersten Mal vor. Am 23. Oktober 2008 hatten unsere<br />
Mitglieder die Verschmelzung des Badischen und des Württembergischen Genossenschaftsverbandes<br />
zum Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband e.V.<br />
(<strong>BWGV</strong>) zum 1. Januar beschlossen. Die Tür zu einer neuen Ära ist offen.<br />
Der Baden-Württembergische Genossenschaftsverband repräsentiert über<br />
3,4 Millionen Menschen und mittelständische Unternehmen, die Mitglied einer<br />
Genossenschaft sind. Das heißt, jeder dritte Einwohner <strong>im</strong> Bundesland gehört<br />
einer von rund 800 Genossenschaften an: Volksbanken Raiffeisenbanken, landwirtschaftliche<br />
sowie gewerbliche Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften.<br />
Die Vielfalt ihrer Arbeit, die Herausforderungen, vor denen sie stehen, den<br />
Nutzen, den sie für ihre Mitglieder und Kunden stiften, die Impulse, die von neugegründeten<br />
Genossenschaften ausgehen, beschreiben wir in diesem Jahrbuch.<br />
Natürlich geht es dabei um die Finanzkrise, die unsere Wirtschaft weltweit erschüttert.<br />
Mit jedem staatlichen Eingriff in die Märkte sind wir mehr gefordert,<br />
die Wettbewerbsneutralität dieser Maßnahmen einzufordern. Wir akzeptieren<br />
es nicht, dass sich die Welt in Banken weiterdreht wie bisher, wenn sie den<br />
Rettungsschirm des SoFFin, wenn sie Steuergelder beanspruchen.<br />
Unsere Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften erlebten 2008 ein wahres<br />
Boomjahr. Die Entwicklung war zum Teil von einem starken, organischen Wachstum<br />
getrieben, bei den landwirtschaftlichen Genossenschaften wirkten sich aber<br />
auch massive Preissprünge aus. Für großen Pess<strong>im</strong>ismus sehen wir bisher keinen<br />
Anlass. Die Konsumbereitschaft der Endverbraucher ist nach wie vor da. Eine<br />
schwierigere Situation ist für das 2. Halbjahr zu befürchten, wenn die Existenzängste<br />
aufgrund von breit angelegten Entlassungen in der Industrie zunehmen würden.<br />
Wir freuen uns darüber, dass die Rechtsform der „eingetragenen Genossenschaft“<br />
(eG) ein Erfolgsmodell bleibt. 2008 konnten wir 18 junge Genossenschaften als<br />
neue Verbandsmitglieder begrüßen.<br />
Gerhard Roßwog Herbert Schindler Gerhard Schorr
Der Verbandsrat<br />
Vertreter der Volksbanken<br />
und Raiffeisenbanken<br />
Helmut Gottschalk<br />
Vorsitzender<br />
Sprecher des Vorstandes<br />
Volksbank Herrenberg-<br />
Rottenburg eG, Herrenberg<br />
Willy Köhler<br />
stv. Vorsitzender<br />
Vorstandsvorsitzender<br />
VR Bank Rhein-Neckar eG,<br />
Mannhe<strong>im</strong><br />
Elmar Braunstein<br />
Vorstandsvorsitzender<br />
Volksbank Strohgäu eG,<br />
Korntal-Münchingen<br />
Wolfgang Burger<br />
Vorstandsvorsitzender<br />
Volksbank Bruhrain-<br />
Kraich-Hardt eG,<br />
Oberhausen-Rheinhausen<br />
Dr. Wolfgang Müller<br />
Vorstandsvorsitzender<br />
BBBank eG, Karlsruhe<br />
Claus Preiss<br />
Vorstandsvorsitzender<br />
Volksbank Bühl eG, Bühl<br />
Siegfried Reiff<br />
Vorstandsvorsitzender<br />
VR-Bank Alb eG,<br />
Engstingen-Haid<br />
Eugen Schlachter, MdL<br />
Vorstandssprecher<br />
Raiffeisenbank Dellmensingen<br />
eG, Erbach<br />
Werner Schmidgall<br />
Vorstandsvorsitzender<br />
Volksbank Backnang eG,<br />
Backnang<br />
Siegfried Seitz<br />
Vorstandssprecher<br />
VBU Volksbank<br />
<strong>im</strong> Unterland eG,<br />
Schwaigern<br />
Erhard Stoll<br />
Vorstandsvorsitzender<br />
Volksbank Staufen eG,<br />
Staufen<br />
Ekkehard Windler<br />
Vorstandssprecher<br />
Volksbank Klettgau-<br />
Wutöschingen eG,<br />
Wutöschingen<br />
Vertreter der<br />
ländlichen Warengenossenschaften<br />
Friedrich Schill<br />
stv. Vorsitzender<br />
Vorstandsvorsitzender WG<br />
Oberbergen <strong>im</strong><br />
Kaiserstuhl eG, Vogtsburg<br />
Fritz Fallscheer<br />
geschäftsführendes<br />
Vorstandsmitglied Milchwerke<br />
Schwaben eG, Ulm<br />
Jürgen Freudenberger<br />
Vorstandssprecher<br />
Kraichgau Raiffeisen Zentrum eG,<br />
Eppingen<br />
Dr. Reinhard Funk<br />
Aufsichtsratsvorsitzender<br />
Vieherzeuger-Gemeinschaft eG,<br />
Erolzhe<strong>im</strong><br />
Dr. Ewald Glaser<br />
Vorstandsvorsitzender<br />
ZG Raiffeisen eG, Karlsruhe<br />
Werner Hupbauer<br />
Vorstandsmitglied<br />
Württ. Weingärtner-Zentralgenossenschaft<br />
eG, Möglingen<br />
Werner Räpple<br />
stv. Vorstandsvorsitzender<br />
Erzeugergroßmarkt Südbaden eG,<br />
Vogtsburg<br />
<strong>JAHRBUCH</strong> <strong>2009</strong><br />
Genossenschaften in Baden-Württemberg<br />
5<br />
Vertreter der<br />
gewerblichen Warengenossenschaften<br />
Dr. Martin Süß<br />
stv. Vorsitzender<br />
Vorstandsmitglied<br />
Bettenring eG, Filderstadt<br />
Reiner Jung<br />
Vorstandsmitglied<br />
BÄKO Süd-West eG, Edingen-<br />
Neckarhausen<br />
Walter F. Knittel<br />
Vorstandsvorsitzender<br />
BÄKO Region Stuttgart eG,<br />
Stuttgart<br />
Hubert Rinklin<br />
Vorstandsvorsitzender<br />
Alb-Elektrizitätswerk eG,<br />
Geislingen (Steige)<br />
Vertreter DZ BANK AG<br />
Albrecht Merz<br />
Vorstandmitglied
Finanzkrise:<br />
Der SoFFin muss<br />
Sanierungskonzepte<br />
vereinbaren<br />
6
Die Finanzkrise erschüttert unser Wirtschaftssystem, unsere Welt in einem<br />
unvorstellbaren Ausmaß. Die Rettungsschirme der öffentlichen Hände stabilisieren<br />
die Finanzsysteme und sind damit in unserem Interesse, <strong>im</strong> Interesse<br />
der Volksbanken und Raiffeisenbanken wie <strong>im</strong> Interesse der Warenund<br />
Dienstleistungsgenossenschaften. Trotzdem muss es in hohem Maße<br />
beunruhigen, wie in dieser Krise ordnungspolitische Kernelemente der<br />
Marktwirtschaft über Bord gehen, bis zur Verstaatlichung großer Spieler,<br />
angefangen in den USA.<br />
Kernproblem der Finanzkrise ist nach wie vor, dass die Risiken innerhalb<br />
und außerhalb der Bankbilanzen nicht ausreichend transparent gemacht<br />
werden. Eine Analysekatastrophe. Sie schürt Misstrauen und belastet die<br />
Neuausrichtung.<br />
Die Verantwortlichen sind nicht in der Lage, die <strong>im</strong>mensen Risiken zu schultern,<br />
die sie aufgetürmt haben. Leider gilt dies auch für einige große Banken<br />
in Deutschland. Nur der Steuerzahler hat <strong>im</strong>mer genug Geld in der Tasche<br />
oder seine Kinder und Kindeskinder. Es macht uns große Sorgen, welche<br />
Risiken und Ausgabelasten den öffentlichen Haushalten aufgebürdet werden.<br />
Mit jedem staatlichen Eingriff in die Märkte sind wir mehr gefordert,<br />
die Wettbewerbsneutralität dieser Maßnahmen einzufordern.<br />
Unsere Forderungen zur Finanzkrise (I): Zum SoFFin<br />
An der Arbeit des SoFFin (Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung) vermissen<br />
wir bisher den Blick auf das Wesentliche, nämlich den Blick auf das Geschäftsmodell.<br />
Eine Reihe großer Banken steht vor einem Totalschaden, ohne<br />
den SoFFin hätten wir auch in Deutschland schon die erste Insolvenz.<br />
Wir stehen selbstverständlich voll und ganz hinter dem Rettungsschirm,<br />
weil er dem deutschen Finanzsystem und der deutschen Wirtschaft insgesamt<br />
nutzt, aber wir akzeptieren es nicht, dass sich die Welt in diesen Banken<br />
weiterdreht wie bisher. Es ist inakzeptabel, dass mit Steuergeldern<br />
gescheiterte Geschäftsmodelle künstlich am Leben gehalten und neue Risiken<br />
produziert werden. Dies geht zu Lasten der Volksbanken Raiffeisenbanken,<br />
die diese Steuern nach wie vor miterwirtschaften. Wir rufen den<br />
SoFFin auf, bei allen Banken, die staatliche Hilfe in Anspruch nehmen, die<br />
Geschäftsmodelle zu überprüfen und konkrete Sanierungskonzepte zu vereinbaren.<br />
Durch Auflagen muss sichergestellt werden, dass sich die Garantienehmer<br />
auf die Gesundung ihrer Strukturen konzentrieren und Unternehmensziele<br />
und Verantwortlichkeiten neu ordnen. Es darf nicht sein, dass<br />
sich Institute unter den staatlichen Regenschirm flüchten und dann mit<br />
Kampfkonditionen den Wettbewerb verfälschen. Auch das Land Baden-Württemberg<br />
ist gefordert, die Diskussion über die geschäftspolitische Zukunft<br />
der LBBW unter der Maßgabe der Wettbewerbsneutralität zu führen. Wir<br />
haben ein waches Auge auf die Maßnahmen des Landes und scheuen auch<br />
den Schritt nach Brüssel nicht, wenn durch Eingriffe des Landes die Sparkassen<br />
bessergestellt werden als durch den SoFFin.<br />
<strong>JAHRBUCH</strong> <strong>2009</strong><br />
Genossenschaften in Baden-Württemberg<br />
7
Die Finanzierung von Autobanken durch den SoFFin ist ein Fehlgriff, eine<br />
klare Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der Volksbanken und Raiffeisenbanken.<br />
Die Autobanken sind lediglich Absatzförderer der Autoindustrie,<br />
die nicht mit der Stabilisierung der Finanzmärkte in Verbindung gebracht<br />
werden dürfen. Sie sind für das Finanzsystem entbehrlich. Wenn die Bundesregierung<br />
industriepolitische Schritte zu Gunsten der Autoindustrie für<br />
angebracht hält, dürfen diese nicht zu Lasten des Bankenwettbewerbes<br />
gehen.<br />
Unsere Forderungen zur Finanzkrise (II):<br />
Die Rechnungslegungsnormen<br />
Die internationalen Bilanzierungsregeln IFRS (International Financial Reporting<br />
Standards) haben in der Finanzkrise versagt; sie müssen vom<br />
Grunde her auf den Prüfstand, und zwar weltweit.<br />
Die Fair-Value-Bewertung vor allem bei finanziellen Vermögenswerten ist<br />
eine Ursache und ein wesentlicher Brandbeschleuniger der Finanzkrise. Fair<br />
Value bedeutet, dass Vermögenswerte von Quartalsbilanz zu Quartalsbilanz<br />
dem aktuellen Marktwert angepasst werden müssen. Laxe Bilanzierungsmethoden<br />
führen in der Hausse dazu, dass <strong>im</strong>mer mehr Gewinne ausgewiesen<br />
werden, auch wenn sie nur auf dem Papier stehen. Solche Scheingewinne<br />
waren eine wesentliche Ursache dafür, dass große Banken mit verbrieften<br />
Krediten und anderen strukturierten Anlagen ein <strong>im</strong>mer größeres<br />
Rad drehen konnten. In der Krise haben die IFRS die Abwärtsspirale beschleunigt.<br />
Scheinvermögen musste abgewertet werden, gewaltige Verluste<br />
in den Bankbilanzen ließen sprunghaft Eigenkapitalbedarf entstehen und<br />
trafen das Vertrauen in die Finanzsysteme ins Mark.<br />
In dieser Kritik, die wir schon länger vortragen, sehen wir uns durch die<br />
Jahresabschlüsse 2008 nachhaltig bestätigt. Unvorstellbare Verlustausweise<br />
von bis zu 60 Milliarden Dollar in einem Quartal und gravierende Abweichungen<br />
zwischen IFRS-Bilanzen und HGB-Bilanzen machen deutlich, dass<br />
die IFRS weder den Unternehmen noch den Investoren einen Halt geben.<br />
Wir müssen althergebrachte Grundsätze der Bilanzierung in Kontinentaleuropa,<br />
ehrbare Kaufmannsregeln, wieder international salonfähig machen.<br />
Es geht um Substanzerhaltung, um den Sicherheitspuffer von stillen Reserven,<br />
um Zukunftssicherung. Es muss jetzt Schluss sein mit der einseitigen<br />
Ausrichtung der Unternehmen an den Renditeinteressen der Kapitalgeber,<br />
wie sie die IFRS erzwingen. Nur ein nachhaltiges Wirtschaften führt zu sicheren<br />
Kunden- und Lieferantenbeziehungen, zu Arbeitsplatzsicherheit, zu<br />
verlässlichen Verhältnissen zwischen Unternehmen und Gläubigerbank<br />
sowie zu Steuereinnahmen. Es wird Zeit, dass die Politik in Deutschland und<br />
Europa dies zur Kenntnis n<strong>im</strong>mt und auch danach handelt.<br />
8 <strong>JAHRBUCH</strong><br />
<strong>2009</strong><br />
Genossenschaften in Baden-Württemberg
Unsere Forderungen zur Finanzkrise (III):<br />
Die Eigenkapitalausstattung<br />
Mit den Eigenkapitalanforderungen von Basel II kommen die Volksbanken<br />
und Raiffeisenbanken sehr gut zurecht, für sie besteht kein Handlungsbedarf.<br />
Mit 4 Prozent Kernkapital und 8 Prozent Eigenmitteln insgesamt, gemessen<br />
an den gewichteten Risiko-Aktiva, sind die Risiken aus dem<br />
Geschäftsbetrieb einer Volksbank oder Raiffeisenbank angemessen abgesichert.<br />
10 Prozent Kernkapital zu fordern, ist ein Unsinn. Die Probleme müssen<br />
an einer anderen Stelle gelöst werden.<br />
Wesentlich ist es, den risiko-orientierten Ansatz von Basel II ernst zu nehmen,<br />
Basel II endlich zu leben. Es muss ein Tabu sein, Risiken außerhalb<br />
der Bilanz aufzubauen und sie nicht mit Eigenkapital abzusichern. Im Übrigen<br />
hatte die Bankenaufsicht nach der Säule II von Basel II schon bisher<br />
die Möglichkeit, bei besonders risikoreichen Geschäften höhere Eigenkapitalquoten<br />
bei einzelnen Banken zu verlangen.<br />
Basel II zu leben, heißt natürlich auch, einen Eigenkapitalpuffer zu haben.<br />
Die Eigenkapitalausstattung der Volksbanken und Raiffeisenbanken überschreitet<br />
traditionell die geforderten Grenzwerte deutlich. Wir schneidern<br />
unsere Eigenkapitalausstattung nicht auf Kante.<br />
Es war und ist eine klare Fehlsteuerung, Banken mit überzogenen Eigenkapitalrenditen<br />
führen zu wollen. Dies verleitet dazu, das Eigenkapital zu min<strong>im</strong>ieren<br />
und die Bilanz zu schönen, indem Risiken außerhalb versteckt<br />
werden. Und es treibt eine Bank in risikoreiche Geschäfte. Mit der Finanzierung<br />
eines Mittelständlers ist keine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent<br />
nachhaltig zu erwirtschaften.<br />
<strong>JAHRBUCH</strong> <strong>2009</strong><br />
Genossenschaften in Baden-Württemberg<br />
9
Unterm Strich ist das BilMoG,<br />
die umfangreichste Reform des<br />
deutschen Bilanzrechts seit Jahrzehnten,<br />
ein gelungenes Werk.<br />
Noch auf der Zielgeraden <strong>im</strong><br />
Bundestag ist es zu umfangreichen<br />
Veränderungen des Gesetzentwurfes<br />
gekommen.<br />
Das<br />
Bilanzrecht<br />
bleibt<br />
mittelstandsgerecht<br />
Das <strong>im</strong> April <strong>2009</strong> verabschiedete Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (Bil-<br />
MoG) kräftigt die deutsche handelsrechtliche Bilanzierung als eigenständige<br />
und vollwertige Rechnungslegung. Gläubigerschutz mit Vorsichtsprinzip,<br />
Anschaffungskosten als Wertobergrenze, sowie Realisations- und<br />
Imparitätsprinzip bilden unverändert die Säulen deutscher Rechnungslegung.<br />
Dafür haben wir uns <strong>im</strong> Interesse mittelständischer Unternehmen eingesetzt.<br />
Noch auf der Zielgeraden <strong>im</strong> Bundestag ist es zu umfangreichen<br />
Veränderungen des Gesetzentwurfes in diesem Sinne gekommen.<br />
Die Bilanzierung nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) bleibt prinzipienorientiert<br />
und folgt weitestgehend nicht – wie <strong>im</strong> Gesetzentwurf vorgesehen -<br />
dem Fair-Value-Konzept, der Bilanzierung von Wertpapieren und Finanzanlagen<br />
nach dem Zeitwert, wie es die internationale Rechnungslegung (IFRS)<br />
vorgibt. So bleibt das HGB langfristig eine mittelstandsgerechte Alternative<br />
zur IFRS-Bilanzierung.<br />
Bürokratismus vermieden<br />
Der Zwang zur Bilanzierung aktiver latenter Steuern konnte <strong>im</strong> Zuge der Interessenvertretung<br />
für den Mittelstand verhindert werden. Es bleibt be<strong>im</strong><br />
Aktivierungswahlrecht. Damit konnten ein unsinniger bürokratischer Aufwand<br />
und Luftbuchungen verhindert werden. Ein weiteres Ziel ist ebenfalls<br />
erreicht: Vor 2010 gebildete stille Reserven als wichtiger Risikopuffer haben<br />
Bestandsschutz, müssen nicht über die Gewinn- und Verlustrechnung aufgelöst<br />
werden. Die Aktivierung selbst erstellter Vermögensgegenstände wie<br />
zum Beispiel Patente oder Lizenzen wird <strong>im</strong> BilMoG als Wahlrecht und nicht<br />
als Pflicht ausgestaltet. Positiv zu bewerten ist die realitätsnähere Bewertung<br />
von Pensionsverpflichtungen <strong>im</strong> Jahresabschluss. Bei der Diskontierung<br />
wird künftig auf einen durchschnittlichen Marktzinssatz abgestellt,<br />
sodass Ergebnisvolatilitäten vermieden werden. Unterm Strich ist das Bil-<br />
MoG, die umfangreichste Reform des deutschen Bilanzrechts seit Jahrzehnten,<br />
ein gelungenes Werk. Es ist modern und mittelstandsgerecht. Wir<br />
werden unseren Beitrag dazu leisten, das HGB nach dem BilMoG, das für die<br />
Geschäftsjahre ab 2010 anzuwenden ist, eigenständig auszulegen und den<br />
IFRS-Anhängern nicht die Interpretationshoheit zu über<strong>lassen</strong>.<br />
10
FINANZKRISE:<br />
Die Volksbanken<br />
Raiffeisenbanken haben<br />
sich hervorragend<br />
behauptet<br />
2008 hat sich weltweit als das schl<strong>im</strong>mste Bankenjahr der Nachkriegsgeschichte<br />
gezeigt. Wir sind stolz darauf, dass sich das Geschäftsmodell der<br />
Volksbanken Raiffeisenbanken in diesem weltwirtschaftlichen Orkan so hervorragend<br />
als nachhaltiges Geschäftsmodell bewährt.<br />
Eine starke Gruppe in Baden-Württemberg<br />
Die Volksbanken und Raiffeisenbanken in Baden-Württemberg sind eine<br />
starke Gruppe mit einer tiefen Verankerung in der ganzen Bevölkerung. Sie<br />
haben zusammen 3.275.363 Mitglieder. Das bedeutet: Jeder dritte Einwohner<br />
in unserem Bundesland ist Mitglied einer genossenschaftlichen Bank.<br />
Die 242 Volksbanken und Raiffeisenbanken beschäftigen 24.283 Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter. Sie vereinen eine Bilanzsumme von 121 Mrd. Euro<br />
auf sich und betreuen Kundengelder von zusammen 223 Mrd. Euro. Hierin<br />
eingeschlossen sind außerbilanzielle Kundengelder wie Wertpapieranlagen<br />
oder Bauspardarlehen.<br />
Liquidität und Eigenkapital sind reichlich vorhanden<br />
Die Geschäftsentwicklung der Volksbanken Raiffeisenbanken in Baden-<br />
Württemberg war 2008 von der Finanzkrise nachhaltig geprägt. Dabei<br />
haben sie sich hervorragend behauptet. Die Volksbanken und Raiffeisenbanken<br />
konnten sich über Bestandszuwächse freuen, die die Vorjahre weit<br />
übertrafen. So kletterten die Kundenkredite um 2,8 Prozent, die Kundeneinlagen<br />
um 4,8 Prozent und die Bilanzsumme gar um 6,4 Prozent. Treibende<br />
Kraft waren die Finanzkrise und unser Geschäftsmodell. Die Krise<br />
belastete zwar auch die Volksbanken und Raiffeisenbanken, aber mit einem<br />
Betriebsergebnis nach Risiko von plus 377 Mio. Euro bleiben sie gute Steuerzahler.<br />
Wir sind stolz darauf, dass sich das Geschäftsmodell der Volksbanken<br />
Raiffeisenbanken in diesem weltwirtschaftlichen Orkan so hervorragend<br />
bewährt. Dies liegt daran, dass die genossenschaftlichen Banken<br />
reichlich von dem haben, was jetzt auf der Welt Mangelware ist: Liquidität<br />
und Eigenkapital.<br />
<strong>JAHRBUCH</strong> <strong>2009</strong><br />
Genossenschaften in Baden-Württemberg<br />
11
Hoher Geldzufluss <strong>im</strong> Oktober<br />
Dank der Finanzkrise hat sich die Liquiditätslage der Volksbanken Raiffeisenbanken<br />
<strong>im</strong> Jahr 2008 sogar noch um 16 Prozent auf über 22 Mrd. Euro<br />
verbessert. Maßgeblich dafür war das Plus bei den Kundeneinlagen von 4,8<br />
Prozent oder gut 4 Mrd. Euro auf 88,7 Mrd. Euro.<br />
Der Zuwachs in dieser Höhe ist vor allem auf einen massiven Zufluss von<br />
Kundengeldern <strong>im</strong> Oktober zurückzuführen, als die Vertrauenskrise mit der<br />
Lehman-Insolvenz und dem Scheitern der Hypo Real Estate ihren Höhepunkt<br />
erreichte.<br />
Die Zuwächse auf der Passivseite der Volksbanken Raiffeisenbanken in<br />
Baden-Württemberg konzentrierten sich auf Geldmarktkonten (+7,3 Prozent<br />
auf 29,6 Mrd. Euro) und vor allem auf Termineinlagen (+28,5 Prozent auf<br />
24,4 Mrd. Euro). Die Bilanzsumme kletterte überdurchschnittlich um 6,4<br />
Prozent auf 121,2 Mrd. Euro.<br />
Tendergeschäfte<br />
Dass die Bilanzsumme der Volksbanken Raiffeisenbanken stärker wächst<br />
als das Kundengeschäft, ist eine für Genossenschaftsbanken untypische Entwicklung.<br />
Verantwortlich dafür waren Tendergeschäfte. Damit haben sich<br />
die Volksbanken Raiffeisenbanken in Baden-Württemberg an der Liquiditätsversorgung<br />
des deutschen Finanzsystems aktiv beteiligt. Sie haben sich<br />
in Form von Tendergeschäften zusätzliche Liquidität bei der Europäischen<br />
Zentralbank beschafft und diese über die DZ Bank AG in den internationalen<br />
Geldmarkt geschleust. Dies war nur möglich, weil unsere Gruppe der<br />
EZB die geforderten werthaltigen Sicherheiten zur Verfügung stellen konnte,<br />
was auf dem Markt nicht selbstverständlich war.<br />
Gute Eigenkapitalausstattung<br />
Nicht nur Liquidität, auch Eigenkapital ist bei den Volksbanken Raiffeisenbanken<br />
in Baden-Württemberg reichlich vorhanden. Die genossenschaftliche<br />
Gruppe hat 2008 kein Eigenkapital vernichtet, sondern weiteres aufgebaut.<br />
So nahmen die Eigenmittel um 1,9 Prozent auf fast 9,5 Mrd. Euro zu. Vor<br />
allem das Kernkapital wurde gestärkt, während nachrangige Verbindlichkeiten<br />
und Genussrechtskapital weiter abgebaut wurden. Die Eigenkapitalkennziffer<br />
nach der neuen Solvabilitätsverordnung beträgt bei den Volksbanken<br />
Raiffeisenbanken in Baden-Württemberg 14,7 Prozent, von der Bankenaufsicht<br />
gefordert werden 8 Prozent.<br />
12<br />
<strong>JAHRBUCH</strong> <strong>2009</strong><br />
Genossenschaften in Baden-Württemberg
Solide Ertragslage: Wir bleiben gute Steuerzahler!<br />
Möglich wurde die gute Entwicklung be<strong>im</strong> Eigenkapital durch eine solide<br />
Ertragslage der Volksbanken Raiffeisenbanken in Baden-Württemberg. Wir<br />
brauchen keinen Schirm, wir belasten den Landes- oder den Bundeshaushalt<br />
nicht, wir bleiben gute Steuerzahler.<br />
Gleichwohl ist die Ertragslage der Volksbanken Raiffeisenbanken von der<br />
Finanzkrise nachhaltig beeinflusst worden, <strong>im</strong> operativen Geschäft wie <strong>im</strong><br />
Bewertungsergebnis. Der Zinsüberschuss ging um 1,8 Prozent auf gut 2,3<br />
Mrd. Euro zurück, <strong>im</strong> Wesentlichen bedingt durch höhere Zinsaufwendungen.<br />
Durch die Entwicklung an den Börsen verminderte sich der Provisionsüberschuss<br />
um 2,4 Prozent auf 840 Mio. Euro. Gleichzeitig konnten die<br />
Verwaltungskosten auf 2,4 Mrd. Euro (-0,7 Prozent) zurückgeführt werden.<br />
Im operativen Geschäft wurde damit ein Betriebsergebnis vor Risiko von<br />
852 Mio. Euro (-4,1 Prozent) erzielt. Dies entspricht 0,73 Prozent der durchschnittlichen<br />
Bilanzsumme.<br />
Volksbanken Raiffeisenbanken in Baden-Württemberg<br />
31.12.2008 Veränderung %<br />
Mitglieder (in Tsd.) 3.275 + 0,1<br />
Mitarbeiter (Vollzeit) 24.283 – 1,3<br />
Zahl der Banken 242 – 3,2<br />
Zahl der Bankstellen 3.061 – 0,2<br />
Bilanzsumme in Mio. € 121.238 + 6,4<br />
Kundeneinlagen in Mio. € 88.657 + 4,8<br />
Kundenkreditvolumen in Mio. € 71.002 + 2,8<br />
Haftendes Eigenkapital<br />
(Eigenmittel) in Mio. € 9.455 + 1,9<br />
Betriebsergebnis vor Risiko in Mio. € 852 – 4,1<br />
Betriebsergebnis nach Risiko in Mio. € 377 – 34,4<br />
13
Der Risikoaufwand hat sich gegenüber dem Vorjahr erhöht. Für Kreditrisiken<br />
bei Kunden waren 2008 keinerlei Vorsorgeaufwendungen erforderlich,<br />
sicher ein einmaliges Ereignis. Angesichts der Turbulenzen an den<br />
Finanzmärkten waren aber auch bei den Volksbanken Raiffeisenbanken<br />
Korrekturen bei den Wertpapieranlagen erforderlich.<br />
Wir setzen darauf, dass alle erkennbaren Risiken in den Bilanzen 2008<br />
konsequent abgearbeitet wurden, auch wenn das <strong>im</strong> Einzelfall weh tut. Lehman-,<br />
Island- oder Subpr<strong>im</strong>e-Papiere, bei denen Wertverluste realisiert werden<br />
müssen, sind bei den Volksbanken Raiffeisenbanken in Baden-Württemberg<br />
jedoch dünn gesät. Sie sind gegenüber dem Gesamtbestand der Eigenanlagen<br />
zu vernachlässigen. Aufgrund der Risikovorsorge ging das Betriebsergebnis<br />
um 34 Prozent auf 377 Mio. Euro zurück. Der Fiskus darf<br />
sich über eine Steuerzahlung von rund 120 Mio. Euro aus dem Jahresergebnis<br />
2008 der Volksbanken Raiffeisenbanken in Baden-Württemberg<br />
freuen.<br />
Kreditklemme ist bei uns ein Fremdwort<br />
Die gute Liquiditätsausstattung und die Stärke <strong>im</strong> Eigenkapital geben den<br />
Volksbanken Raiffeisenbanken in Baden-Württemberg geschäftspolitischen<br />
Spielraum. Deshalb ist Kreditklemme für die Kunden der Volksbanken Raiffeisenbanken<br />
ein Fremdwort; der inflationäre Umgang mit diesem Begriff<br />
ärgert uns. So haben die Kundenforderungen der Volksbanken Raiffeisenbanken<br />
in Baden-Württemberg <strong>im</strong> Jahr 2008 um 1,6 Prozent zugenommen,<br />
einschließlich der wieder stark nachgefragten Bürgschaften legte das Kundenkreditvolumen<br />
sogar um 2,8 Prozent zu. Wir finanzieren damit Investitionen<br />
von über 71 Mrd. Euro. Der Zuwachs 2008 entfiel nahezu ausschließlich<br />
auf das Firmenkundengeschäft. Das belegt: Bei uns gibt es auch in der<br />
Finanzkrise Kredit. Das wird auch so bleiben.<br />
Das Geschäftsmodell ist unsere Stärke<br />
Gute Liquiditätsausstattung, die Stärke <strong>im</strong> Eigenkapital und die solide Ertragslage<br />
sind Ausdruck des Geschäftsmodells der Volksbanken Raiffeisenbanken.<br />
Volksbanken Raiffeisenbanken stehen <strong>im</strong> Dienste der Realwirtschaft,<br />
sie sind konsequent auf das Geschäft mit ihren Mitgliedern und Kunden<br />
in ihrem Geschäftsgebiet ausgerichtet. Daraus resultiert eine Refinanzierung<br />
der Volksbanken Raiffeisenbanken aus vielen kleinteiligen Kundenanlagen,<br />
die 73 Prozent der Bilanzsumme ausmachen. Mit diesen Einlagen<br />
finanzieren die Volksbanken Raiffeisenbanken eine Vielfalt von Investitionen<br />
in der Region, deren Risiko sie aufgrund der Nähe zu den Kunden zuverlässig<br />
beurteilen können.<br />
14<br />
<strong>JAHRBUCH</strong> <strong>2009</strong><br />
Genossenschaften in Baden-Württemberg
Volksbanken<br />
Raiffeisenbanken fördern<br />
das gesellschaftliche<br />
Leben<br />
Die Volksbanken und Raiffeisenbanken sind durch die Mitgliedschaft mit<br />
den Menschen in den Regionen auf eine besondere Weise verbunden. Deshalb<br />
empfinden sie es als Teil ihres Auftrages, das gesellschaftliche Leben<br />
in Städten und Dörfern zu fördern. Wir stellen drei Beispiele vor: die VR-<br />
Mobile, die Aktion „Gemeinsam gewinnen“, das Projekt „Sterne des Sports“.<br />
VR-Mobile zum Tag der Solidarität<br />
Ein Tag der Solidarität: Eine Großveranstaltung mitten in der baden-württembergischen<br />
Landeshauptstadt macht Furore. 205 VR-Mobile starten am<br />
17. Juli 2008 vom Stuttgarter Schlossplatz aus zur Sternfahrt in die Regionen.<br />
Die baden-württembergische Sozialministerin Dr. Monika Stolz übergibt<br />
symbolisch die Fahrzeugschlüssel.<br />
15<br />
Ein Tag der Solidarität:<br />
Eine Großveranstaltung mitten<br />
in der baden-württembergischen<br />
Landeshauptstadt macht Furore.<br />
205 VR-Mobile starten am<br />
17. Juli 2008 vom Stuttgarter<br />
Schlossplatz aus zur Sternfahrt<br />
in die Regionen.
Der Caritasverband für die Erzdiözese<br />
Freiburg e.V., das Diakonische Werk<br />
der Evangelischen Landeskirche in<br />
Baden e.V. (Karlsruhe) und der Baden-<br />
Württembergische Genossenschaftsverband<br />
für die Volksbanken und<br />
Raiffeisenbanken haben <strong>im</strong> Januar<br />
<strong>2009</strong> in Karlsruhe die Aktionsgemeinschaft<br />
„Gemeinsam gewinnen“ aus<br />
der Taufe gehoben.<br />
Die VR-Mobile genannten VW Foxe stehen nun zahlreichen sozialen Einrichtungen<br />
auf Leasingbasis für drei Jahre zur Verfügung, was einer Gesamtspende<br />
von fast 1,5 Millionen Euro entspricht. Zum Beispiel von den<br />
Sozialstationen werden <strong>im</strong> Durchschnitt zehn bis zwölf Patienten an jedem<br />
Tag mit Hilfe der VR-Mobile versorgt, heißt es bei der Liga der freien Wohlfahrtspflege<br />
in Baden-Württemberg. 12,3 Millionen Kilometer insgesamt<br />
können die VR-Mobile nach dem Leasingvertrag in den drei Jahren <strong>im</strong> Dienste<br />
der Solidarität verfahren – 300-mal um die Welt.<br />
Gewinnspar-Verein organisiert Solidarität<br />
Möglich gemacht haben diese Spende rund 150.000 Kunden von Volksbanken<br />
Raiffeisenbanken, indem sie jeden Monat bei ihrer Bank insgesamt<br />
450.000 Lose des Gewinnspar-Vereins erwerben. So funktioniert das Gewinnsparen:<br />
Ein Los kostet zehn Euro, davon gehen acht Euro aufs Sparkonto<br />
und zwei Euro sind der Spieleinsatz. Von diesen zwei Euro werden 50<br />
Cent nach der Abgabenordnung an gemeinnützige Einrichtungen, Kindergärten,<br />
Schulen oder Sport- und Musikvereine in der jeweiligen Region gespendet.<br />
Sozialministerin lobt Großspende<br />
„Sie helfen den von den Pflege- und Sozialdiensten betreuten Menschen,<br />
weil sie durch die VR-Mobile besser versorgt werden können.“ Mit diesen<br />
Worten würdigte die Ministerin für Arbeit und Soziales in Baden-Württemberg,<br />
Dr. Monika Stolz, am 17. Juli die Großspende. Sie betonte: „Die VR-Mobile<br />
werden Helferinnen und Helfer zu den Menschen bringen, die aufgrund<br />
sozialer Notlage, Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage sind, die<br />
kleinen und großen Dinge ihres alltäglichen Lebens alleine zu meistern.“<br />
Die Ministerin lobte, dass die Volksbanken und Raiffeisenbanken sich mit<br />
diesem Projekt der Herausforderung und Verantwortung stellen, sich als<br />
Teil der Bürgergesellschaft zu begreifen und sich entsprechend zu betätigen.<br />
„Ein solch unternehmerisches bürgerschaftliches Engagement ergänzt<br />
<strong>im</strong> Gemeinwesen sinnvoll die staatliche Sicherung und Fürsorge sowie das<br />
bürgerschaftliche Engagement der einzelnen Menschen.“<br />
Hilfe zur Selbsthilfe: Aktion „Gemeinsam gewinnen“<br />
Der Caritasverband für die Erzdiözese Freiburg e.V., das Diakonische Werk<br />
der Evangelischen Landeskirche in Baden e.V. (Karlsruhe) und der Baden-<br />
Württembergische Genossenschaftsverband für die Volksbanken und Raiffeisenbanken<br />
haben <strong>im</strong> Januar <strong>2009</strong> in Karlsruhe die Aktionsgemeinschaft<br />
„Gemeinsam gewinnen“ aus der Taufe gehoben und so der <strong>im</strong> Jahr 2005 als<br />
16<br />
<strong>JAHRBUCH</strong> <strong>2009</strong><br />
Genossenschaften in Baden-Württemberg
zeitlich befristetes Projekt angelegten, erfolgreichen Initiative ein dauerhaftes<br />
Fundament gegeben. Übergreifendes Ziel ist es, zwischen Wirtschaftsunternehmen<br />
aller Branchen sowie Einrichtungen der Wohlfahrtspflege<br />
langfristige Partnerschaften zu gründen, die nicht auf Spenden oder<br />
Sponsoring-Aktivitäten beruhen, sondern die Hilfe zur Selbsthilfe ermöglichen,<br />
den gegenseitigen Austausch von Kompetenzen fördern und so neue<br />
Impulse ins Gemeinwesen einbringen.<br />
„Wenn man zu den Wurzeln des Genossenschaftswesens zurückgeht, dann<br />
sieht man, dass die Hilfe zur Selbsthilfe den Ursprung der Genossenschaftsidee<br />
darstellt. Deshalb passt ‚Gemeinsam gewinnen‘ sehr gut zu unserer<br />
Organisation“, sagt Gerhard Roßwog, Präsident des Baden-Württembergischen<br />
Genossenschaftsverbandes, und verweist auf zahlreiche Beispiele<br />
von neuen Sozialpartnerschaften zwischen Volksbanken und Raiffeisenbanken<br />
und örtlichen Wohlfahrtseinrichtungen. Für ihr besonderes<br />
Engagement wurden unter anderen die Volksbank Hochrhein eG, Waldshut-<br />
Tiengen, die Volksbank Freiburg eG und die Volksbank Neckar-Bergstraße<br />
eG in Schrieshe<strong>im</strong> geehrt.<br />
Sterne des Sports: Belohnung für Besonderes<br />
Für den Aufbau eines „Sportintegrativen Netzwerkes in Baden-Württemberg“<br />
für behinderte Menschen hat die Behindertensportabteilung der Turnund<br />
Sport-Gesellschaft Reutlingen den „Großen Stern des Sports 2008“ in<br />
Silber erhalten. Damit ist ein Preisgeld in Höhe von 5.000 Euro verbunden.<br />
Die „Sterne des Sports“ sind eine Auszeichnung, die an Sportvereine für ihr<br />
soziales Engagement vergeben wird. Der gesellschaftliche Einsatz innerhalb<br />
des Breitensports wird mit diesem Preis belohnt, nicht die sportliche Höchstleistung.<br />
Dieser Wettbewerb würdigt kreative, innovative Projekte in Bereichen<br />
wie Gesundheit, Jugendarbeit, Integration, Gleichstellung.<br />
Seit 2004 vergeben der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und die<br />
Volksbanken Raiffeisenbanken die „Sterne des Sports“ auf kommunaler, Landes-<br />
und Bundesebene. Jährlicher Höhepunkt ist die Verleihung des „Großen<br />
Stern des Sports“ in Gold an den Bundessieger <strong>im</strong> Rahmen einer feierlichen<br />
Abschlussgala in Berlin. Die örtlichen Volksbanken Raiffeisenbanken schreiben<br />
die „Sterne des Sports“ in Zusammenarbeit mit den Sportkreisen, den<br />
Kreis- und Stadtsportbünden und der kommunalen Sportverwaltung aus.<br />
Am Wettbewerb können all die Vereine teilnehmen, die ihre Sportstätten <strong>im</strong><br />
Geschäftsgebiet einer ausschreibenden Bank haben.<br />
<strong>JAHRBUCH</strong> <strong>2009</strong><br />
Genossenschaften in Baden-Württemberg<br />
17<br />
Für den Aufbau eines „Sportintegrativen<br />
Netzwerkes in Baden-Württemberg“<br />
für behinderte Menschen hat die Behindertensportabteilung<br />
der Turnund<br />
Sport-Gesellschaft Reutlingen den<br />
„Großen Stern des Sports 2008“ in<br />
Silber erhalten.
Genossenschaften<br />
sind ein<br />
Erfolgsmodell<br />
Wir freuen uns, dass das Interesse an der Rechtsform der „eingetragenen Genossenschaft“<br />
(eG) anhaltend groß ist. Und wir sind überzeugt davon: Der<br />
Selbsthilfegedanke wird in der Krise weiter an Gewicht gewinnen. Unsere<br />
Rechtsform ist auch für neue Formen der Kooperation <strong>im</strong> Mittelstand, auch<br />
in der mittelständischen Industrie, prädestiniert.<br />
Sowohl die Anfragen als auch die tatsächlich zur Gründung und Eintragung<br />
gebrachten Genossenschaften nahmen an Zahl zu. Wir konnten <strong>im</strong> Jahr 2008<br />
zusammen 18 junge Genossenschaften als neue Verbandsmitglieder begrüßen.<br />
Die Schwerpunkte liegen aktuell bei Ärzte-Genossenschaften und <strong>im</strong><br />
18
Energiesektor. Bei einigen Energie-Genossenschaften ist die EnBW mit <strong>im</strong><br />
Boot. Das Thema Dorfladen bleibt aktuell. Auch <strong>im</strong> landwirtschaftlichen Bereich<br />
werden wieder Genossenschaften neu gegründet: Waldgenossenschaften,<br />
eine Maschinengemeinschaft von Zuckerrübenanbauern, Vertriebsgenossenschaften<br />
<strong>im</strong> Weinbereich, eine Genossenschaft zur Erzeugung<br />
von Biomasse. Dabei möchten wir daran erinnern, dass die Euronics<br />
Deutschland eG, Ditzingen, unsere umsatzstärkste gewerbliche Genossenschaft,<br />
gerade erst 40 Jahre alt ist und heute nach den Filialisten Platz 2 auf<br />
dem deutschen Markt für Konsumelektronik einn<strong>im</strong>mt.<br />
Im Folgenden wollen wir an sechs Neugründungen des Jahres 2008 zeigen,<br />
wie es Genossenschaften Menschen ermöglichen, durch Eigeninitiative am<br />
Wirtschaftsleben teilzuhaben.<br />
figeno eG: vom Social Spot zum abendfüllenden Spielfilm<br />
Nicht nur durch ihre Rechtsform unterscheidet sich die figeno deutsche Filmgenossenschaft<br />
eG, Heidelberg, von anderen Produktionsgesellschaften, sondern<br />
auch in ihrem Anspruch: „Wir wollen vorrangig den Stellenwert des<br />
‚Jungen Deutschen Films’ erhöhen und Lücken in der Nachwuchsförderung<br />
schließen“, sagt der Diplom-Drehbuchautor, Lektor und Dramaturg Dennis<br />
Ferreira, gleichzeitig Geschäftsführer der figeno. Die Filme mit überwiegend<br />
gesellschaftsrelevanten Inhalten sollen gemeinnützig finanziert, produziert<br />
und platziert werden.<br />
„Deutsche Kinofilme mit gesellschaftsrelevanten Themen gibt es noch<br />
<strong>im</strong>mer viel zu selten“, bedauert auch David Möhrle, Diplom-Film- und Medienproduzent<br />
und stellvertretender figeno-Geschäftsführer. Dies sei jedoch<br />
– wie gerne vorschnell behauptet – nicht ein Grundproblem des filmischen<br />
Nachwuchses, sondern vielmehr ein Thema der deutschen Filmförderstrukturen.<br />
„Mutige Themen brauchen mutige Unterstützer. Wir fördern deshalb<br />
Filmemacher, die gesellschaftsrelevante Themen wählen und Diskussionen<br />
auslösen.“<br />
Langfristiges Ziel der figeno ist der Aufbau sowohl eines gemeinnützigen<br />
Filmdistributionsnetzes als auch eines gemeinnützigen Online-Filmarchivs.<br />
Zudem möchte die Genossenschaft später lokale Büros für den direkten Kontakt<br />
zu den Filmschaffenden eröffnen sowie gemeinnützig geführte Kinos<br />
und Institutionen innerhalb der Filmbranche und <strong>im</strong> deutschsprachigen<br />
Filmraum unterstützen.<br />
„Es gibt mehrere Gründe, warum die Rechtsform eG gewählt wurde. Zunächst<br />
einmal ist die Aufnahme neuer Mitglieder in eine eG mit deutlich weniger<br />
Aufwand verbunden als die Aufnahme etwa neuer Gesellschafter in<br />
eine GmbH. Zudem zeichnet sich die Genossenschaft als urdemokratische<br />
Rechtsform nicht durch eine Kapitalverflechtung der einzelnen Mitglieder<br />
aus, sondern durch eine gemeinsame ideelle Grundhaltung. Und mit Blick<br />
auf die Ziele der figeno ist die eG mit ihrem traditionellen Solidaritätsprinzip<br />
geradezu als Rechtskleid prädestiniert“, sagt Ferreira.<br />
<strong>JAHRBUCH</strong> <strong>2009</strong><br />
Genossenschaften in Baden-Württemberg<br />
19
Die Rechtsform der eingetragenen<br />
Genossenschaft garantiert eine straffe<br />
Organisation der Weinvilla eG durch<br />
wenige Akteure und kurze Wege.<br />
Ein Dorf und sein Laden: Milchhüsli eG<br />
Die Nahversorgung mit Lebensmitteln in ländlichen Regionen durch genossenschaftlich<br />
betriebene Dorfläden liegt <strong>im</strong> Trend. Jüngstes Beispiel ist die<br />
Milchhüsli eG in Wies, Kreis Lörrach. Die ehemalige Milchsammelstelle der<br />
660-Einwohner-Gemeinde, das „Milchhüsli“, wurde abgerissen und an dessen<br />
Stelle mitten <strong>im</strong> Ort ein Dorfladen gebaut. Da die geschätzten Baukosten<br />
die Möglichkeiten der Gemeinde überstiegen, wurde ein Finanzierungsmodell<br />
mit hohem Eigenleistungsanteil und einer Bürgerbeteiligung<br />
über Genossenschaftsanteile entwickelt. Mit großem Erfolg. Die Verbrauchergenossenschaft<br />
Milchhüsli eG hat schon über 120 Mitglieder. Tendenz<br />
steigend. „Wir sind sicher, dass der Nachbarschaftsladen gute Zukunftsaussichten<br />
hat“, bekräftigt Ingrid Dörflinger, Vorstandsmitglied der Genossenschaft.<br />
Die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung für die Mitglieder war ein wesentliches<br />
Kriterium für die Wahl der genossenschaftlichen Rechtsform. Die<br />
Genossenschaft bietet für Dorfläden aber weitere Vorteile: die Teilhabe vieler<br />
Bürger und damit eine große örtliche Identifikation, die Einbindung ehrenamtlichen<br />
Engagements in den Betrieb des Ladens sowie die betreuende<br />
Unterstützung durch den Prüfungsverband, der wesentlich zur wirtschaftlichen<br />
Stabilität der Genossenschaft beiträgt.<br />
Weinvilla Stuttgart eG bündelt die Kräfte<br />
in Vertrieb und Verwaltung<br />
Die Antwort der beiden Stuttgarter Genossenschaften Weingärtner Bad<br />
Cannstatt eG und Weinmanufaktur Untertürkhe<strong>im</strong> eG auf die Herausforderungen<br />
des Markts trägt den Namen Weinvilla Stuttgart eG. Die neue Kooperation<br />
bündelt die Kräfte nach innen und außen: zum einen in der<br />
Verwaltung, zum anderen <strong>im</strong> Vertrieb an Wiederverkäufer.<br />
Das Vertriebskonzept der Bad Cannstatter und Untertürkhe<strong>im</strong>er über die<br />
Weinvilla lässt sich auf einen einfachen Nenner bringen: Da zusammenarbeiten,<br />
wo es der Markt erfordert, dort getrennt auftreten, wo es Tradition<br />
und ökonomische Vernunft gebieten. „Getrennt auftreten“ heißt, dass private<br />
und gewerbliche Endverbraucher weiterhin separat bedient werden, erläutert<br />
Vorstandsmitglied Günter Hübner. „Die Stärken und Traditionen der<br />
beiden Betriebe, für die der Direktverkauf eine bedeutende Rolle spielt, sollen<br />
<strong>im</strong> Kernabsatzgebiet erhalten und verstärkt werden“, ergänzt Vorstandskollege<br />
Franz Plappert. „Gemeinsam marschieren“ heißt, dass <strong>im</strong><br />
Wiederverkäufer-Segment, also <strong>im</strong> Fachhandel und in der Gastronomie, die<br />
Cannstatter und Untertürkhe<strong>im</strong>er Weingärtnergenossenschaften als Weinvilla<br />
Stuttgart auftreten – mit einer gemeinsamen Produktpalette. Aktiv wird<br />
die Weinvilla Stuttgart auch <strong>im</strong> Direktverkauf außerhalb der Postleitzahlbezirke<br />
7 und 8. Hier geht die Weinvilla mit einer speziellen Produktpalette,<br />
20<br />
<strong>JAHRBUCH</strong> <strong>2009</strong><br />
Genossenschaften in Baden-Württemberg
zusammengestellt aus Weinen der beiden „Mütter“ Bad Cannstatt und Untertürkhe<strong>im</strong>,<br />
an den Start. Die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft<br />
garantiert eine straffe Organisation der Weinvilla eG durch wenige<br />
Akteure und kurze Wege. „In der Weinvilla herrschen die gleichen Spielregeln<br />
wie in den beiden ‚Müttern’“, erläutert Hübner.<br />
Hohenloher Weinkontor eG erschließt weitere<br />
Kundengruppen<br />
Mit der Hohenloher Weinkontor eG mit Sitz <strong>im</strong> historischen Kelterhof in Niedernhall<br />
bearbeitet die Kochertalkellerei eG mit speziellen Wein-Kreationen<br />
besondere Zielmärkte: den überregionalen Fachhandel, die mittlere und gehobene<br />
Gastronomie und anspruchsvolle nationale Endverbraucher. Auch<br />
vom aufblühenden Tourismus an Kocher und Jagst will man mit dieser Produktpalette<br />
profitieren. Der hauptamtliche Vorstandsvorsitzende Torsten<br />
Kuhne nennt das Weinkontor „Premium-Betrieb“. Schließlich hat man zunächst<br />
fünf Hektar beste Lagen des Kocher- und des Jagsttals ausgewählt, um<br />
daraus besondere Weine zu keltern – vom Ein-Stern-Wein bis zum Drei-<br />
Sterne-Edeltropfen. „Wir gehen bis auf 60 Kilogramm Ertrag pro Ar runter,<br />
um allerbeste Qualitäten zu erzeugen“, sagt Kuhne. „Mit dem Weinkontor<br />
wollen wir das Renommee der Weinregion Kocher-Jagst erhöhen und bis in<br />
drei Jahren mit den besten Betrieben des Anbaugebiets Württemberg auf<br />
Augenhöhe stehen“, erläutert Kuhne die ambitionierte Zielsetzung. Diese<br />
tragen die Mitglieder voll mit.<br />
Mutterbetrieb Kochertalkellerei und Vertriebstocher Weinkontor setzen auf<br />
die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft. Dadurch herrschen analoge<br />
Entscheidungsstrukturen. „Entscheidungen werden schneller getroffen.<br />
Davon profitieren der Vertrieb und letztlich die Mitglieder“, sagt Kuhne.<br />
Zwei Waldgenossenschaften gehen neue Wege<br />
in der Holzvermarktung<br />
Im südbadischen Landkreis Emmendingen gehen die Waldbesitzer neue<br />
Wege bei der Holzvermarktung. Um der zunehmenden Konzentration auf<br />
Käuferseite zu begegnen und um die Vermarktung über Warenkreditversicherungen<br />
besser absichern zu können, gründen zehn Forstbetriebsgemeinschaften<br />
gleich zwei neue Waldgenossenschaften: die Drei-Täler-Wald<br />
eG und die Waldgenossenschaft Oberes Elztal eG. „Wir wollen wachsen und<br />
die Professionalisierung der Holzvermarktung sowie ein starkes Auftreten<br />
am Holzmarkt vorantreiben“, sagt die Vorsitzende der Drei-Täler-Wald eG<br />
Hannelore Reinbold-Mench. Die Rechtsform eG wurde gewählt, weil sie „die<br />
höchste Transparenz und die intensivste Mitwirkungsmöglichkeit für die<br />
Mitglieder gewährleistet“, ergänzt Clemens Bieninger, Vorsitzender der<br />
Waldgenossenschaft Oberes Elztal eG.<br />
<strong>JAHRBUCH</strong> <strong>2009</strong><br />
Genossenschaften in Baden-Württemberg<br />
21<br />
Um der zunehmenden Konzentration<br />
auf Käuferseite zu begegnen und<br />
um die Vermarktung über Warenkreditversicherungen<br />
besser absichern<br />
zu können, gründen zehn Forstbetriebsgemeinschaften<br />
zwei neue Waldgenossenschaften.
Raiffeisen<br />
mit zweistelligem<br />
Umsatzsprung<br />
Das Jahr 2008 hat uns eines gelehrt: Stabile Preise in der Landwirtschaft<br />
gehören der Vergangenheit an. Die Märkte sind extrem volatil geworden,<br />
die Preise schwanken binnen weniger Monate enorm. Das gilt für Getreide<br />
oder Düngemittel genauso wie für Milch oder Holz. Die Kommunikation der<br />
Genossenschaften mit ihren Mitgliedern bekommt in diesen turbulenten<br />
Zeiten einen noch höheren Stellenwert.<br />
Zum Teil kräftige Mengensteigerungen, aber auch die gewaltigen Preissprünge<br />
ließen die Umsätze der 451 Raiffeisen-Genossenschaften in Baden-<br />
Württemberg um 11,3 Prozent auf über 4,0 Mrd. Euro klettern. 122.966<br />
Landwirte in Baden-Württemberg sind Mitglied einer Genossenschaft.<br />
Wir wären sehr zufrieden damit, diesen Rekordwert <strong>2009</strong> preisbereinigt in<br />
etwa zu halten, eine Krisenst<strong>im</strong>mung bei den Genossenschaften gibt es<br />
nicht. Das beste Konjunkturprogramm, das bereits in den Geldbeuteln der<br />
Raiffeisen-Genossenschaften in Baden-Württemberg 2008*<br />
Anzahl Gruppe Umsätze Veränderung Mitglieder<br />
Mio. € in %<br />
215 Allgemeine Ware 1.712,7 + 23,9 56.465<br />
22<br />
davon: 13 Bezugs- u.<br />
Absatzgen./Lagerhausgen./<br />
ZG Raiffeisen 1.531,7 + 29,4 10.479<br />
8 Milch 1.054,3 – 0,1 9.996<br />
206 Wein 544,2 + 0,3 45.657<br />
1 Vieh 422,8 + 8,7 ––--–––<br />
21 Obst, Gemüse u. Blumen 290 ,6 + 17,9 10 .848<br />
451 GESAMT 4.024,6 + 11,3 122.966<br />
*einschließlich Zentralen
Verbraucher angekommen ist, ist der Absturz der Preise für Brenn- und<br />
Kraftstoffe. Bereits Anfang <strong>2009</strong> ist die Inflationsrate dadurch auf den niedrigsten<br />
Stand seit fünf Jahren gesunken. Die Verbraucher haben darauf auch<br />
schnell reagiert und sich <strong>im</strong> 4. Quartal angesichts der niedrigen Preise für<br />
Heizöl massiv bei den Raiffeisen-Genossenschaften bevorratet. Auch für<br />
zahlreiche Lebensmittel müssen die Verbraucher – zum großen Leidwesen<br />
der Landwirte – weniger bezahlen als <strong>im</strong> Vorjahr. Im Zeichen der Wirtschaftskrise<br />
müssen sich die Genossenschaften darauf einstellen, dass der<br />
Vertriebskanal Discount an Gewicht gewinnt.<br />
Die schnellen Preisschwankungen bedeuten für die landwirtschaftlichen Genossenschaften<br />
erhebliche Risiken; die Herausforderungen an die Unternehmenssteuerung<br />
sind enorm gewachsen. Was 2007 richtig war, hat sich<br />
2008 als falsch erwiesen. Vorsorge ist auch hier die beste Medizin. Dies lässt<br />
der Gesetzgeber aber bisher nicht zu. Wir fordern deshalb, Rückstellungen<br />
für den Ausgleich von Preisschwankungen für einen Zeitraum von drei Jahren<br />
steuerlich anzuerkennen. Vorsorgen ist auch volkswirtschaftlich klüger<br />
als über Warentermingeschäfte auf die zukünftige Entwicklung zu wetten.<br />
Allgemeine Warenwirtschaft<br />
Kräftige Mengensteigerungen, aber auch gewaltige Preissprünge, zuerst<br />
nach oben, dann nach unten, waren vor allem bei den Genossenschaften der<br />
allgemeinen Warenwirtschaft zu spüren. Sie haben ein riesiges Umsatzplus<br />
von 23,9 Prozent verursacht. Der Umsatz in dieser Gruppe ist auf über 1,7<br />
Mrd. Euro geklettert. Die Explosion des Ölpreises hat ja nicht nur die Umsätze<br />
mit Brenn- und Kraftstoffen aufgeblasen sondern auch die mit Düngeund<br />
Pflanzenschutzmitteln. Auch die Getreidepreise waren auf Achterbahnkurs.<br />
Diese Entwicklungen haben mit der Realwirtschaft nur zum Teil zu tun. Es<br />
ist offensichtlich geworden, dass die Spekulation mit Finanzinstrumenten<br />
zu diesen Preisschwankungen wesentlich beiträgt. Darüber sollten wir nachdenken,<br />
denn es geht hier um das tägliche Brot für Millionen von Menschen,<br />
die damit in ihrer Existenz bedroht werden.<br />
Milchwirtschaft<br />
Mit 1,1 Mrd. Euro haben die acht genossenschaftlichen Milchwerke in Baden-<br />
Württemberg ihren Umsatz <strong>im</strong> Jahr 2008 behauptetet. Doch hinter dieser<br />
scheinbaren Ruhe verbirgt sich eine dramatische Marktentwicklung. Seit<br />
dem zweiten Halbjahr bewegen wir uns <strong>im</strong> Tal der Tränen. Dadurch mussten<br />
die Milchauszahlungspreise für die Landwirte zum Teil von Monat zu<br />
Monat abgesenkt werden. Gegenüber dem Hoch <strong>im</strong> 4. Quartal 2007 von über<br />
40 Cent je Kilogramm Milch bekommen sie <strong>im</strong> Frühjahr <strong>2009</strong> über ein Drittel<br />
weniger für ihre Leistung.<br />
<strong>JAHRBUCH</strong> <strong>2009</strong><br />
Genossenschaften in Baden-Württemberg<br />
23<br />
Obst, Gemüse und<br />
Blumen<br />
Frisches Obst, Gemüse und<br />
Blumen aus Baden-Württemberg<br />
werden von 21 Genossenschaften<br />
vermarktet. Sie erzielten<br />
<strong>im</strong> vergangenen Jahr<br />
Umsätze von 291 Mio. Euro<br />
und damit ein stolzes Plus von<br />
17,9 Prozent. Der Renner des<br />
Jahres 2008 waren Äpfel vom<br />
Bodensee. Die Rekordernte<br />
konnte zu Spitzenpreisen vermarktet<br />
werden.
Nutz- und Schlachtvieh<br />
Die Viehzentrale Südwest<br />
GmbH in Stuttgart ist einer der<br />
größten genossenschaftlichen<br />
Viehvermarkter in Deutschland<br />
und der einzige in Baden-Württemberg.<br />
Sie hat <strong>im</strong> Jahr 2008<br />
mit der Vermarktung von Nutzund<br />
Schlachttieren einen Umsatz<br />
von 423 Mio. Euro erzielt;<br />
das war ein kräftiges Plus von<br />
8,7 %. Insgesamt hat die VZ-<br />
Gruppe fast 3,1 Millionen<br />
Nutz- und Schlachttiere für<br />
die Landwirte vermarktet,<br />
etwas weniger als <strong>im</strong> Vorjahr.<br />
Herauszustellen ist, dass die<br />
Vermarktung von Rindern und<br />
Schweinen über das Qualitätsprogramm<br />
Gutfleisch der<br />
Edeka Südwest 2008 weiter<br />
ausgebaut wurde und einen<br />
deutlichen Mehrwert für die<br />
Landwirte erbracht hat.<br />
Hoffnung auf eine Besserung der Situation ist nicht in Sicht. Der Milchmarkt<br />
ist heute ein offener, globalisierter Markt. Wir haben Überproduktion in<br />
Europa und sind auf den Export angewiesen. Die Europäische Kommission<br />
hat klargemacht, dass es zum Wegfall der Milchquote <strong>im</strong> Jahr 2015 keine<br />
Alternative gibt. Die erzeugte Milchmenge wird dann über marktwirtschaftliche<br />
Regeln gesteuert. Das heißt ganz konkret: über die Wirtschaftlichkeit<br />
der Milchviehbetriebe.<br />
Wir sind aber zuversichtlich, dass <strong>im</strong> Südwesten auch in der Zukunft Milch<br />
zu wettbewerbsfähigen Preisen erzeugt werden kann. Wir begrüßen deshalb<br />
die Bereitschaft des Landes ausdrücklich, diejenigen Milcherzeuger zu<br />
unterstützen, die in ihre Zukunft investieren.<br />
Natürlich haben auch die genossenschaftlichen Milchwerke in Baden-Württemberg<br />
ihre Struktur in den letzten Jahren opt<strong>im</strong>iert – durch eine zunehmende<br />
Spezialisierung. Das genau ist der Grund dafür, dass der Milchauszahlungspreis<br />
in Baden-Württemberg <strong>im</strong> Bundesvergleich nach wie vor gut<br />
ist. Trotzdem bleiben die Strategie- und die Strukturentwicklung ein Dauerthema.<br />
Weitere Ansatzpunkte bei unseren Genossenschaften sehen wir<br />
vor allem in einer intensiveren Zusammenarbeit <strong>im</strong> Vertrieb.<br />
Wein und Sekt<br />
Die 206 Weingärtner-, Winzer- und Rebenaufbaugenossenschaften sind die<br />
größte Mitgliedergruppe <strong>im</strong> Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband<br />
und stellen jedes vierte Verbandsmitglied. Sie haben <strong>im</strong> vergangenen<br />
Weinwirtschaftsjahr ihren Umsatz mit 544 Mio. Euro behauptet.<br />
Im Zeichen der Wirtschaftskrise ist eines besonders bemerkenswert: In<br />
Baden-Württemberg haben zum Jahresschluss die Sektkorken geknallt wie<br />
noch nie. Die badischen Winzergenossenschaften haben ihren Sektabsatz<br />
<strong>im</strong> 2. Halbjahr 2008 um 2,9 Prozent auf über 1,4 Millionen Flaschen gesteigert,<br />
die Weingärtnergenossenschaften in Württemberg haben mit über<br />
460.000 Flaschen in diesem Zeitraum sogar 14 Prozent mehr abgesetzt. Also<br />
das Gegenteil von Krisenst<strong>im</strong>mung.<br />
24<br />
<strong>JAHRBUCH</strong> <strong>2009</strong><br />
Genossenschaften in Baden-Württemberg
Bodensee-Äpfel<br />
von starker Erzeugergemeinschaft<br />
Die Marktgemeinschaft Bodenseeobst eG (Mabo), Friedrichshafen, erfasst<br />
das Obst von 650 Erzeugern. Sie ist die zweitgrößte Obst-Erzeugergemeinschaft<br />
in Deutschland. In ihrer Strategie setzt sie auf eigenverantwortliches<br />
Unternehmertum und auf eine enge Begleitung ihrer Mitglieder.<br />
Das Anbaugebiet der Mabo-Obstbauern mit einer Fläche von 4.300 Hektar<br />
erstreckt sich entlang des westlichen Bodenseeufers von Stockach bis<br />
Lindau. Die durchschnittliche Anbaufläche der Mitglieder der Genossenschaft<br />
liegt zwischen zwölf und 15 Hektar, einige wenige bewirtschaften Flächen<br />
über 40 Hektar. Teilweise betreiben die Mitglieder neben dem<br />
Obstanbau auch Ackerbau oder Milchviehwirtschaft. Äpfel machen 95 Prozent<br />
des Anbaus aus. Erdbeeren, Steinobst, Beeren, Zwetschgen und Birnen<br />
ergänzen das Angebot. Über 120.000 Tonnen Obst schlägt die Marktgemeinschaft<br />
Bodenseeobst Jahr für Jahr um.<br />
25
65 Prozent des Obstes<br />
geht an den Einzelhandel<br />
„Unsere Vermarkter sind in der<br />
Lage, täglich bis zu 50 Sattelzüge<br />
an Obst zu verpacken, zu<br />
kommissionieren und zu versenden.“<br />
65 Prozent des erfassten<br />
Obstes liefern die Vermarkter<br />
für die Mabo an die<br />
Verteillager des Einzelhandels.<br />
Für den Vertrieb an den Lebensmitteleinzelhandel<br />
(LEH)<br />
und für den Export (fünf bis<br />
acht Prozent) hat die Mabo<br />
1996 gemeinsam mit ihren Vermarktern<br />
und der BayWa AG<br />
die Obst vom Bodensee Vertriebsgesellschaft<br />
mbH gegründet.<br />
Mit den restlichen knapp<br />
30 Prozent des erfassten Obstes<br />
bedienen die Vermarkter die<br />
städtischen Großmärkte und<br />
einige wenige Versandhändler.<br />
Ideale Rechtsform<br />
Die Genossenschaft versteht sich als ein Dienstleister für die Erzeuger und<br />
die Vermarkter. Aufgabe der Mabo ist es seit 1970, eine effiziente Produktion,<br />
Erfassung, Aufbereitung und Vermarktung zu gewährleisten. Die<br />
Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft ist für Dr. Egon Treyer ideal<br />
für ein Unternehmen, in dem viele unterschiedlich große Erzeuger zusammenarbeiten.<br />
„Die Mabo verhält sich auf dem Markt wie jedes dem Wettbewerb<br />
unterworfene Unternehmen. Intern kann sie auf stabile Strukturen<br />
zurückgreifen, weil die Rechtsform der eG eine gleichberechtigte Interessenvertretung<br />
sicherstellt. Jedes Mitglied, ob klein oder groß, hat das gleiche<br />
Gewicht, sodass sich alle Mitglieder in der Marktgemeinschaft wiederfinden“,<br />
unterstreicht Dr. Treyer.<br />
Mitglieder verstehen sich als Unternehmer<br />
Er sieht es als sehr positiv an, dass sich die Mitglieder nicht als Ablieferer,<br />
sondern als gleichberechtigte Unternehmer betrachten. Dies unterscheide<br />
eine Genossenschaft wesentlich von einer reinen Handelsgesellschaft. „Wir<br />
wollen keine Mitglieder, die sich lediglich als Ablieferer verstehen, sondern<br />
mündige Unternehmer. Unser Auftrag als Mabo ist es, diese Erzeuger-Unternehmer<br />
zu stärken und sie dabei zu unterstützen, sich so aufzustellen,<br />
dass sie dem Wettbewerb gewachsen sind. Die Genossenschaft hat grundsätzlich<br />
für ihre Mitglieder da zu sein, nicht umgekehrt. Diese basisdemokratische<br />
Ausrichtung bedeutet jedoch nicht, jede Meinung bei zu fällenden<br />
Entscheidungen zu berücksichtigen.“ Mündige Mitgliedschaft setzt einen<br />
hohen Informationsstand voraus. Deshalb pflegt die Mabo einen intensiven<br />
Austausch und eine hohe Transparenz gegenüber ihren Mitgliedern. „Mündige<br />
Erzeuger wollen Informationen, sie müssen mitsprechen dürfen. Ich<br />
sehe es als meine Aufgabe an, dieses aktive Mitwirken zu fördern. Kritik<br />
kann sehr anstrengend sein, bringt einen aber <strong>im</strong>mer vorwärts, wenn sie<br />
nicht polemisch, sondern konstruktiv ist“, unterstreicht Dr. Treyer. Wichtig<br />
ist ihm, dass sich vor allem jüngere Betriebsleiter in der Genossenschaft<br />
wiederfinden und in die Gremien nachrücken. „Entscheidungen über die<br />
Zukunft sollten die Jüngeren treffen, weil es um ihre Zukunft geht.“<br />
Vertrieb läuft über Vermarkter<br />
Obstgroßkisten, Sortier- und Verpackungsanlagen sucht man <strong>im</strong> Gebäude<br />
der Mabo vergeblich. Das gesamte Erfassen, Lagern, Aufbereiten, Verpacken<br />
und Vermarkten wickeln zehn so genannte Vermarkter ab. Sie sind mit der<br />
Mabo nicht nur vertraglich verbunden, sondern in die Marktgemeinschaft<br />
sehr eng integriert. „Zwischen der Mabo, ihren Mitgliedern und den Vermarktern<br />
herrscht ein großes Vertrauensverhältnis“, betont Dr. Treyer.<br />
26<br />
<strong>JAHRBUCH</strong> <strong>2009</strong><br />
Genossenschaften in Baden-Württemberg
Der Handel und das<br />
Handwerk florierten<br />
Die 116 gewerblichen Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften <strong>im</strong><br />
Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband, darunter die Bäko Süddeutschland<br />
eG, Ladenburg, als Landeszentrale, haben ein Boomjahr hinter<br />
sich. Die Genossenschaften steigerten ihren Umsatz <strong>im</strong> Jahr 2008 um 7,0<br />
Prozent auf fast 4,8 Mrd. Euro. Dahinter stand ein starkes, organisches<br />
Wachstum quer durch alle Branchen und kaum verzerrt von Preissprüngen.<br />
Treiber der Entwicklung war das ausgezeichnete Konsumkl<strong>im</strong>a.<br />
Die Verbraucher haben sich auch <strong>im</strong> Frühjahr <strong>2009</strong> als die Stütze der Wirtschaft<br />
erwiesen. Die Konsumbereitschaft der Endverbraucher ist nach wie<br />
vor da, auch der Blick auf Qualität. Eine Krisenst<strong>im</strong>mung bei den Genossenschaften<br />
gibt es deshalb nicht. Aber natürlich verläuft die Entwicklung<br />
nach dem Boom 2008 abgeschwächt. Eine Konjunkturerholung noch <strong>im</strong> Jahr<br />
<strong>2009</strong> ist nicht zu erwarten, auch 2010 ist bestenfalls mit einem schwachen<br />
gesamtwirtschaftlichen Wachstum zu rechnen. Eine schwierige Situation<br />
wäre für das 2. Halbjahr zu befürchten, wenn die Existenzängste aufgrund<br />
von breit angelegten Entlassungen in der Industrie zunehmen würden.<br />
Mehr Mitglieder durch neue Genossenschaften<br />
Die Anzahl der Mitglieder der gewerblichen Genossenschaften nahm <strong>im</strong> Jahr<br />
2008 um 2 Prozent auf 28.207 zu. Diese Entwicklung verdanken wir fast<br />
1.000 Neumitgliedern bei jungen und neugegründeten Genossenschaften. In<br />
den klassischen genossenschaftlich organisierten Branchen des Fach-Einzelhandels<br />
und des Handwerks nehmen die Mitgliederzahlen durch den<br />
Strukturwandel weiterhin ab.<br />
Genossenschaften des Fach-Einzelhandels<br />
Die Euronics Deutschland eG, Ditzingen, war 2008 erneut das Zugpferd. Die<br />
größte Warengenossenschaft in Baden-Württemberg verzeichnete sowohl in<br />
der Unterhaltungselektronik als auch in der Haustechnik eine glänzende<br />
Entwicklung, was ihren Umsatz um 7,4 Prozent auf über 1,6 Mrd. Euro klettern<br />
ließ. Auch die zweitgrößte Genossenschaft, die Intersport Deutschland eG,<br />
Heilbronn, steigerte ihre Umsätze mit 4,4 Prozent auf 761 Mio. Euro deutlich.<br />
Alle 19 Genossenschaften des Fach-Einzelhandels in Baden-Württemberg<br />
vereinten einen Umsatz von über 2,8 Mrd. Euro auf sich, ein Zuwachs von<br />
5,7 Prozent.<br />
27
Weitere<br />
Genossenschaften<br />
Die Mehrzahl der gewerblichen<br />
Genossenschaften in Baden-<br />
Württemberg entfällt mit 66<br />
auf eine große Vielfalt von<br />
Dienstleistungs- und sonstigen<br />
Genossenschaften, die zusammen<br />
286 Mio. Euro umsetzen.<br />
Unter ihnen hat nach dem<br />
Umsatz die Fiducia Mailing<br />
Services eG, Karlsruhe, eine<br />
bedeutende Rolle. Sie übern<strong>im</strong>mt<br />
Logistikaufgaben der<br />
Post und erhält dafür Rabatte<br />
von der Post.<br />
Die junge Genossenschaft verzeichnete<br />
mit 29,3 Prozent<br />
das stärkste Wachstum der gesamten<br />
Gruppe und sprang<br />
mit ihrem Umsatz auf 104 Mio.<br />
Euro.<br />
Die Entwicklung <strong>im</strong> Handwerk<br />
Die 19 Genossenschaften des Nahrungsmittelhandwerks in Baden-Württemberg<br />
verzeichneten <strong>im</strong> Jahr 2008 mit einem Umsatzplus von 8,5 Prozent<br />
auf fast 1,3 Mrd. Euro ebenfalls eine hervorragende Entwicklung. Nach dem<br />
bereits stark abgeschwächten 4. Quartal wird für <strong>2009</strong> aber angesichts des<br />
Wettbewerbsdruckes ein schwierigeres Jahr erwartet.<br />
In der Bäko-Gruppe spielten <strong>im</strong> 1. Halbjahr 2008 auch die hohen Getreidepreise<br />
eine Rolle. Mit zweistelligen Umsatzzuwächsen ragen bei den Bäckergenossenschaften<br />
die Bäko Region Stuttgart, Stuttgart, und die Bäko<br />
Südbaden, Freiburg, heraus. Das Bäckerhandwerk verzeichnete <strong>im</strong> Jahr 2008<br />
aufgrund der zunächst noch anziehenden Konjunktur insgesamt eine höhere<br />
Nachfrage und gestiegene Umsätze. Besonders spürten dies Betriebe,<br />
die qualitativ und handwerklich hochwertige Produkte anbieten. Die fünf<br />
Bäko-Genossenschaften <strong>im</strong> Land setzten zusammen 438 Mio. Euro (+7,9 Prozent)<br />
um (ohne Landeszentrale).<br />
Auch die Fleischer-Einkaufsgenossenschaften verbuchten nach der Stagnation<br />
<strong>im</strong> Vorjahr eine sehr gute Entwicklung. Sie steigerten ihren Umsatz um<br />
5,8 Prozent auf gut 206 Mio. Euro. Überdurchschnittlich entwickelte sich<br />
das Fleischgeschäft. Die weiteren Handwerkergenossenschaften, die gemessen<br />
am Umsatz überwiegend <strong>im</strong> Bauhandwerk sowie artverwandten<br />
Branchen tätig sind, erfreuten sich ebenfalls einer regen Nachfrage. Ihr Umsatz<br />
kletterte um 6,2 Prozent auf 434 Mio. Euro. Die stärksten Zuwächse in<br />
dieser Gruppe konnten die Hagos Verbund deutscher Kachelofen- und Luftheizungsbauerbetriebe,<br />
Stuttgart, (+11, 5 Prozent auf 99 Mio. Euro) und die<br />
Ortheg Einkaufsgenossenschaft für Orthopädie-Technik, Lauphe<strong>im</strong>, (+10,0<br />
Prozent auf 58 Mio. Euro) auf sich vereinen.<br />
Gewerbliche Genossenschaften in Baden-Württemberg 2008*<br />
Anzahl Gruppe Umsätze Veränderung Mitglieder<br />
Mio. € in %<br />
19 Genossenschaften<br />
des Fach-Einzelhandels 2.769,8 + 5,7 5.365<br />
30 Genossenschaften<br />
des Handwerks 1.725,1 + 7,9 11.766<br />
davon:<br />
19 Genossenschaften des<br />
Nahrungsmittelhandwerks 1.291,1 + 8,5 5.381<br />
11 Andere Handwerksgenossenschaften<br />
434,0 + 6,2 6.385<br />
66 Weitere Genossenschaften 286 +13,9 11.076<br />
115 GESAMT 4.780,9 + 7,0 28.207<br />
28<br />
*Umsätze einschließlich BÄKO-Zentrale
Der Baden-<br />
Württembergische<br />
Genossenschaftsverband<br />
<strong>im</strong> Porträt<br />
Mit dem Jahr 2008 haben wir Genossenschaftsgeschichte in Baden-Württemberg<br />
geschrieben. Am 23. Oktober haben die Mitglieder des Badischen<br />
Genossenschaftsverbandes e.V. (Karlsruhe) und die Mitglieder des Württembergischen<br />
Genossenschaftsverbandes Raiffeisen/Schulze-Delitzsch e.V.<br />
(Stuttgart) beschlossen, sich zum 1. Januar <strong>2009</strong> unter dem Dach des neu gegründeten<br />
Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbandes e.V.<br />
(<strong>BWGV</strong>) zusammenzuschließen.<br />
Die Tür zu einer neuen Ära ist offen. Kraftvoll und selbstbewusst haben wir<br />
am 23. Oktober den Aufbruch in die gemeinsame Zukunft besiegelt und<br />
nach 56 Jahren <strong>im</strong> Bundesland Baden-Württemberg die Genossenschaftsorganisationen<br />
in Baden und Württemberg zusammengeführt.<br />
Damit ist eine der bedeutendsten und mitgliederstärksten Wirtschaftsorganisationen<br />
<strong>im</strong> Südwesten entstanden. Sie bedeutet ein klares Ja zu dezentralen<br />
Strukturen in der Genossenschaftsorganisation und stärkt Baden-<br />
Württemberg als Standort für den Mittelstand. Der Baden-Württembergische<br />
Genossenschaftsverband repräsentiert mittelständische Unternehmen<br />
aus Dutzenden von Branchen, die einen gemeinsamen Nenner haben: die<br />
Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft (eG). Diese Genossenschaften<br />
werden von insgesamt 3,4 Millionen Menschen, also jedem dritten Einwohner<br />
Baden-Württembergs, als Einzelmitglieder getragen. Sie sind die Eigentümer<br />
der Genossenschaften; in ihrem Dienst steht die Genossenschaftsorganisation.<br />
Unser Verband hat drei große Mitgliedergruppen:<br />
■ Volksbanken und Raiffeisenbanken<br />
■ landwirtschaftliche Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften<br />
■ gewerbliche Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften<br />
Die Vielfalt ihrer Arbeit, die Herausforderungen, vor denen sie stehen, den<br />
Nutzen, den sie für ihre Mitglieder und Kunden stiften, die Impulse, die von<br />
neugegründeten Genossenschaften ausgehen, haben wir in diesem Jahrbuch<br />
beschrieben.<br />
<strong>JAHRBUCH</strong> <strong>2009</strong><br />
Genossenschaften in Baden-Württemberg<br />
29
200. Geburtstag<br />
Die genossenschaftliche<br />
Gruppe hat 2008 den 200.<br />
Geburtstag ihres Genossenschaftspioniers<br />
Hermann<br />
Schulze-Delitzsch gefeiert.<br />
Vor 150 Jahren hat Hermann<br />
Schulze-Delitzsch gesagt:<br />
„Der Weg, auf den die Genossenschaften<br />
ihre Mitglieder<br />
hinweisen, ist der Weg der<br />
Selbsthilfe, des Emporkommens<br />
durch eigene Tüchtigkeit.“<br />
Hermann Schulze-<br />
Delitzsch ging es um die<br />
Gründung genossenschaftlicher<br />
Unternehmen, um nicht<br />
die Menschen zu beherrschen,<br />
sondern ihnen zu dienen.<br />
Es ging ihm um Freiheit<br />
und um Würde, um gemeinsame<br />
Unabhängigkeit und<br />
Souveränität.<br />
Der Weg in den <strong>BWGV</strong><br />
Die beiden Genossenschaftsverbände aus Baden und Württemberg bringen<br />
eine lange Tradition, eine erfolgreiche Geschichte in den neuen Verband ein.<br />
In den Anfängen waren sie ganz eng beieinander. Elf württembergische und<br />
fünf badische Handwerkerbanken und Vorschussvereine haben am 21. August<br />
1864 in Stuttgart den Verband wirtschaftlicher Genossenschaften in<br />
Württemberg und Baden gegründet. Die Gemeinsamkeit – über die damaligen<br />
politischen Grenzen hinweg – währte drei Jahre, bis am 11. August 1867<br />
in Konstanz der Verband oberbadischer Kreditgenossenschaften gegründet<br />
wurde, und noch <strong>im</strong> selben Jahr wurde ein unterbadischer Genossenschaftsverband<br />
aus der Taufe gehoben. Die Raiffeisen-Genossenschaften und<br />
ihre Verbände entstanden ein paar Jahre später, zu Beginn der 80er-Jahre<br />
des 19. Jahrhunderts.<br />
Den wohl bedeutendsten Meilenstein in der bisherigen Geschichte des he<strong>im</strong>ischen<br />
Genossenschaftswesens bildet die Verschmelzung der gewerblichen<br />
(Schulze-Delitzsch) und der ländlichen Genossenschaftsverbände<br />
(Raiffeisen) – nach rund 90 Jahren getrennter Arbeit. In Württemberg geschah<br />
dies 1970, in Baden 1971.<br />
Die Leistungen des <strong>BWGV</strong><br />
Prüfen<br />
Bei unseren Mitgliedsgenossenschaften prüfen wir nicht nur Buchführung,<br />
Jahresabschluss und Lagebericht, sondern auch die wirtschaftlichen Verhältnisse<br />
und die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung. Die Prüfung<br />
nach dem Genossenschaftsgesetz ist eine ganzheitliche Unternehmensprüfung,<br />
die damit über das sonst <strong>im</strong> deutschen Gesellschaftsrecht übliche Maß<br />
hinausgeht.<br />
Beraten<br />
Wir beraten unsere Genossenschaften in allen rechtlichen und wirtschaftlichen<br />
Fragen. Unser Leistungsspektrum umfasst alle Kernelemente moderner<br />
Unternehmensführung, die Rechts- und Steuerberatung eingeschlossen.<br />
Weiterbilden<br />
Vor Ort bei unseren Genossenschaften und an unseren beiden Akademien<br />
in Karlsruhe-Rüppurr und in Stuttgart-Hohenhe<strong>im</strong> geben wir Bildung für<br />
die beruflichen Aufgaben von morgen weiter. Dabei verzahnen wir Personalberatung,<br />
Personalentwicklung und Weiterbildung.<br />
Interessen vertreten<br />
Wir nehmen die gemeinsamen Interessen unserer Mitglieder in allen genossenschaftlichen,<br />
rechtlichen, steuerrechtlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten<br />
wahr.<br />
30<br />
<strong>JAHRBUCH</strong> <strong>2009</strong><br />
Genossenschaften in Baden-Württemberg
Impressum<br />
Herausgeber<br />
Baden-Württembergischer Genossenschaftsverband e.V., Karlsruhe<br />
Verantwortlich für die Publikation<br />
Dietrich Herold<br />
Abteilungsleiter Kommunikation/<br />
Interessenvertretung/Veranstaltungen<br />
Verantwortliche Redakteure<br />
Reinhard Bock-Müller, Gunter Endres<br />
Baden-Württembergischer Genossenschaftsverband e.V.<br />
Heilbronner Straße 41, 70191 Stuttgart<br />
Fon 0711 222 13-28 27, Fax 0711 222 13-73 77<br />
E-Mail: Presse@bwgv-info.de<br />
Bildnachweise<br />
Titel, S. 3 u. S. 4: Gerd Wolpert, Stuttgart<br />
S. 6: Freigeist67 – Fotolia.com<br />
S. 10: Deutscher Bundestag/Lichtblick/Ach<strong>im</strong> Melde<br />
S. 16: Thomas Nusche<br />
S. 17: Ursula Egger<br />
S. 18: linous – Fotolia.com<br />
S. 19: SSilver – Fotolia.com<br />
S. 20 Weinvilla Stuttgart<br />
S. 22 oben: Tomo Jesenicnik – Fotolia.com<br />
S. 23 oben: Karin Lau – Fotolia.com<br />
S. 25: Mabo<br />
S. 26: Marek Mnich – Fotolia.com<br />
S. 27 oben: BÄKO<br />
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Druck<br />
C.Maurer Druck und Verlag GmbH & Co. KG,<br />
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Nachdruck – Nur mit Genehmigung der Redaktion.
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