Kirche Z - Oktober 2012 - Reformierte Kirche Zug
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8 SERIE – 7. FOLGE<br />
Gedanken zur Bergpredigt<br />
«<strong>Kirche</strong> Z» will nicht nur über das Geschehen in<br />
der <strong>Reformierte</strong>n <strong>Kirche</strong> <strong>Zug</strong> berichten, sondern<br />
auch Gedankenanstösse bieten. Wir haben deshalb<br />
alle Pfarrleute aus dem Kanton gebeten,<br />
eine Stelle aus der Bergpredigt auszuwählen und<br />
ihre Überlegungen dazu festzuhalten. Heute tut<br />
dies Pfarrer Michael Sohn aus Cham.<br />
25 Darum sage ich euch: Sorgt euch nicht um<br />
euer Leben, was ihr essen werdet, noch um<br />
euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist<br />
nicht das Leben mehr als die Nahrung und<br />
der Leib mehr als die Kleidung?<br />
26 Schaut auf die Vögel des Himmels: Sie säen<br />
nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht<br />
in Scheunen – euer himmlischer Vater ernährt<br />
sie. Seid ihr nicht mehr wert als sie?<br />
27 Wer von euch vermag durch Sorgen seiner<br />
Lebenszeit auch nur eine Elle hinzuzufügen?<br />
28 Und was sorgt ihr euch um die Kleidung?<br />
Lernt von den Lilien auf dem Feld, wie sie<br />
wachsen: Sie arbeiten nicht und spinnen<br />
nicht,<br />
29 ich sage euch aber: Selbst Salomo in all seiner<br />
Pracht war nicht gekleidet wie eine von<br />
ihnen.<br />
Matthäus-Evangelium: 6,25–29<br />
Was ich früher nicht so richtig verstehen wollte,<br />
habe ich in meinem eigenen Leben erfahren:<br />
Die Bedeutung von Bibelworten ändert<br />
sich im Verlauf einer Lebenswanderung –<br />
manche Bibelworte werden wichtiger, andere<br />
sind nicht mehr so zentral.<br />
Die Bergpredigt gehört für mich zu den Bibelstellen,<br />
die eine solche Veränderung durchgemacht<br />
haben. Als jungen Theologen beeindruckten<br />
mich die starken, radikalen<br />
Aussagen und Forderungen dieser herausgehobenen<br />
Predigt Jesu: «So müssten wir leben!<br />
Daran erkennt man wirklich christliches Leben!»<br />
Dann verlor ich die Bergpredigt ein wenig aus<br />
meinem Blickfeld. Heute begegnet mir die<br />
Rede Jesu ganz neu – nun aber ruhiger, leichter<br />
und einladender, und sie stellt mir leise die<br />
Frage: «Wer bist du eigentlich?» Ja, wer bin<br />
ich, was macht mein Leben aus?<br />
Im Wort von Jesus sind alle Menschen angesprochen,<br />
auch wenn es ursprünglich gewiss<br />
an die Zuhörer auf dem Berg gerichtet war<br />
und darunter besonders an die Jüngerinnen<br />
und Jünger, die alles verlassen hatten, um dem<br />
Rabbi aus Nazareth zu folgen. Da waren die<br />
Männer, denen das im Wort erwähnte Säen<br />
und Ernten fester Bestandteil des alltäglichen<br />
Lebens war – und die Frauen kannten das Metier<br />
des Spinnens und die Frage der Kleidung.<br />
Aber die Sorge geht über die konkrete Arbeit<br />
hinaus und bestimmt das Denken und Fühlen<br />
aller Menschen. Jesus stellt dem sorgevollen<br />
Leben den Mehrwert entgegen: «Ihr seid<br />
mehr, als ihr sorgen und planen könnt.»<br />
Und dabei haben wir uns doch aufs Planen<br />
spezialisiert, und das nicht nur in der Berufswelt<br />
und Karriere. Auch die Ehe und die Familie,<br />
die Frage, wann der richtige Zeitpunkt<br />
fürs erste Kind ist – alles haben wir unserer<br />
Planung unterworfen. Mit der richtigen Organisationstechnik<br />
und einem Zeitmanagement<br />
stimmt die Work-Life-Balance ...<br />
«Sorgt euch nicht um euer Leben» – ich glaube<br />
immer mehr, dass Jesus uns auffordert, das<br />
Loslassen einzuüben und unser Leben in Got-<br />
tes Hand zu geben. Und realistisch betrachtet:<br />
Eigentlich gibt es ja sowieso keinen anderen<br />
Weg. Wir haben das Leben nicht im Griff und<br />
müssen immer schon loslassen und vertrauen.<br />
«Wer von euch vermag durch Sorgen seiner<br />
Lebenszeit auch nur eine Elle hinzuzufügen?»<br />
Niemand!<br />
Aber dieses Loslassen ist für alle schwierig<br />
und muss wohl lange, lange geübt werden –<br />
immer wieder brauchen wir einen Anstoss<br />
dafür: «Komm, übe das Loslassen, übe das<br />
Vertrauen.» Erinnerungshilfen sind dann<br />
eben die Vögel unter dem Himmel und die<br />
Blumen auf dem Feld, aber auch die Todesanzeige<br />
in der Zeitung und die Einladung<br />
zum unbeschwerten, fröhlichen Beisammensein.<br />
Dann kommt zum Vorschein, wer ich bin: ein<br />
geliebtes Kind Gottes, das oft Mühe hat loszulassen<br />
und deshalb von Sorgen und Plänen<br />
überschüttet ist. Vertrauensvolles Loslassen<br />
– vielleicht erreichen wir es in unserem Leben<br />
nicht so richtig, aber üben sollten wir es schon!<br />
Daran erinnert mich die Bergpredigt.<br />
In deinem Licht<br />
Was jetzt wichtig ist,<br />
einmal wird es vergehen.<br />
Was jetzt ängstigt,<br />
einmal wird es gelöst sein.<br />
Was jetzt erstrebenswert ist,<br />
einmal kommt es nicht mehr darauf an.<br />
Einmal werden sich die Dinge ordnen.<br />
Da wird mir genommen,<br />
woran ich mich jetzt festhalte.<br />
Da fällt von mir ab,<br />
was mich jetzt beunruhigt.<br />
Da werde ich vor dir stehen<br />
in deinem Licht.<br />
Und dein Blick macht<br />
das Gerade und das Krumme<br />
meines Lebens offenbar.<br />
Urteile du:<br />
Denn einzig du weisst,<br />
wer ich bin.<br />
Hildegard Nies